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Aktuelle Rechtsprechung 2014 Öffentliches Bau- und Immobilienrecht Bauvergaberecht Privates Baurecht/Architektenrecht Bauvertrags- und Prozessrecht Gesetzgebung aktuell

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Aktuelle Rechtsprechung 2014 Öffentliches Bau- und Immobilienrecht Bauvergaberecht Privates Baurecht/Architektenrecht Bauvertrags- und Prozessrecht Gesetzgebung aktuell

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RECHT

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Aktuelle Rechtsprechung DR. JUR. GABRIELE WURZEL,RECHTSANWÄLTIN, STAATSSEKRETÄRIN A.D., BONN/KÖLN

PETER MICHAEL PROBST, M.B.L.-HSGRECHTSANWALT UND FACHANWALT FÜR VERWALTUNGSRECHT,

LEXTON RECHTSANWÄLTE, BERLIN

BAUVERGABERECHT

Rüge nur eines Bietergemeinschafts-

mitgliedes unzulässig

Die Rüge eines Vergabeverstoßes muss von

sämtlichen Mitgliedern der Bietergemein-

schaft geltend gemacht werden, sonst ist

ein darauf gestützter Nachprüfungsantrag

unzulässig. Notwendig ist demnach, dass alle

Rügen sowie der Nachprüfungsantrag ent-

weder auf dem Briefkopf der Bietergemein-

schaft erhoben werden oder eine entspre-

chende Vollmachtsurkunde beigelegt wird.

(OLG Dresden, Beschluss vom 23.07.2013,

Az. Verg 4/13).

Preis einziges Zuschlagskriterium:

Nebenangebote unzulässig!

Die Zulassung und Wertung von Nebenan-

geboten scheidet aus, wenn Zuschlagskrite-

rium allein der günstigste Preis ist (entgegen

OLG Schleswig, IBR 2011, 351).

Alle geforderten Nachweise sind bereits in

der Bekanntmachung konkret zu bezeich-

nen. Denn die scharfe Sanktion des Ange-

botsausschlusses erfordert eindeutige und

unmissverständliche Festlegungen in der

Bekanntmachung. Dies betrifft sowohl die

Frage, welche Erklärungen, Unterlagen

oder Nachweise ein Bieter abgeben muss,

als auch die Frage, wann und auf wessen

Initiative hin er diese vorzulegen hat. Für

den verständigen Bieter muss sich eindeutig

ergeben, dass der Ausschluss seines Ange-

bots droht, wenn er bestimmte Nachweise,

Erklärungen oder Unterlagen nicht zu einem

konkreten Zeitpunkt oder einer vorgegebe-

nen Frist vorgelegt hat.

Hat ein öffentlicher Auftraggeber die

Eignung eines Bieters bejaht, ist er daran

grundsätzlich gebunden und bei unverän-

derter Sachlage im Allgemeinen gehindert,

von seiner ursprünglichen Beurteilung abzu-

rücken und die Eignung nunmehr zu vernei-

nen. Nur neu auftretende oder bekannt wer-

dende Umstände, die seine Entscheidung

infrage stellen könnten, hat er auch nach

bereits positiv abgeschlossener Wertung der

Eignung eines Bieters in jeder Phase des Ver-

gabeverfahrens zu berücksichtigen.

Änderungen an den Vergabeunterlagen

sind unzulässig. Eine Änderung an den

Vergabeunterlagen liegt vor, wenn ein Bie-

ter von den Vorgaben der Vergabeunter-

lagen abweicht. Änderungen können den

Inhalt der nachgefragten Leistung oder die

Vertragskonditionen und Preise betreffen.

Änderungen sind alle unmittelbaren Ein-

griffe mit verfälschender Absicht, wie Strei-

chungen, Hinzufügungen, jede Abänderung

einer Position, Herausnahme von einzel-

nen Blättern etc. Unzulässig sind aber nur

inhaltliche Änderungen. Marginale formale

Änderungen sind nicht unzulässig. Es kann

erwartet werden, dass Bieter, die an Aus-

schreibungen mit hohen Auftragswerten

teilnehmen, zumindest über einen aktuel-

len Text der einschlägigen Vergabeordnung

verfügen und auch wissen, welchen Min-

destanforderungen die Vergabeunterlagen

genügen müssen. Ein Vergaberechtsverstoß,

der sich durch bloßes Lesen der einschlägi-

gen Normen und einen Vergleich mit dem

Text der Vergabeunterlagen ohne Weiteres

feststellen lässt, ist erkennbar.

Dem durchschnittlichen Bieter ist es nicht

abzuverlangen, Rechtsfragen, die sich nicht

unmittelbar aus den einschlägigen Rechts-

grundlagen ergeben und die im Zusam-

menhang mit öffentlichen Ausschreibungen

auch nicht regelmäßig diskutiert werden, zu

kennen. Schließlich kann auch nicht erwar-

tet werden, dass der Bieter vor Teilnahme

an einer öffentlichen Ausschreibung stets

einen auf Vergabesachen spezialisierten

Fachmann zurate zieht.

(OLG Jena, Beschluss vom 16.09.2013,

Az. 9 Verg 3/13)

PRIVATES BAURECHT/ARCHITEKTENRECHT

Abrechnung bei Kündigung

des Architektenvertrages

Ein Architektenvertrag kann vom Auftrag-

geber aus wichtigem Grund gekündigt

werden, wobei der wichtige Grund zur Kün-

digung in einer schweren schuldhaften Ver-

letzung oder einer sonstigen Zerstörung des

vertraglichen Vertrauensverhältnisses beste-

hen kann, die eine Fortsetzung des Vertrags

für den Auftraggeber unmöglich macht.

Als wichtige Gründe zur Kündigung eines

Architektenvertrags reichen auch mehrere,

im Einzelfall nicht schwerwiegende Ver-

stöße gegen Vertragspfl ichten aus, die in

ihrer Fülle bzw. Gesamtschau zu einer derart

erheblichen Erschütterung des Vertrauens-

verhältnisses geführt haben, dass dem Auf-

traggeber ein Festhalten am Vertrag nicht

mehr zumutbar ist. Bei einer Kündigung aus

wichtigem Grund ist eine Abmahnung und

Setzung einer Nachfrist nicht erforderlich,

wenn eine Korrektur der Vertragsverletzung

nicht mehr möglich oder das Vertrauens-

verhältnis zwischen den Parteien bereits

zerstört ist. Wird ein Architektenvertrag

aus wichtigem Grund gekündigt, kann der

Dr. jur. Gabriele Wurzel Peter Probst, M.B.L.-HSG

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RECHT

631/14 industrieBAU

Architekt für die bis zur Kündigung erbrach-

ten Leistungen das darauf entfallende ver-

einbarte Honorar beanspruchen. Dabei hat

der Architekt im Einzelnen darzulegen, wie

sich der Honoraranspruch zusammensetzt,

das heißt, er hat die erbrachten und die

nicht erbrachten Leistungen im Einzelnen

vorzutragen, voneinander abzugrenzen und

die entsprechenden Honoraranteile – ggf.

im Wege der prozentualen Schätzung – dar-

zustellen bzw. zuzuordnen.

(OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.03.2013,

Az. 23 U 102/12)

Versicherungsschutz bei fehlerhaftem

Bautenstandsbericht?

Haftet ein Architekt dem Erwerber wegen

eines dem Bauträger erteilten falschen

Bautenstandsberichts, kann der Berufs-

haftpfl ichtversicherer des Architekten die

Deckung verweigern, wenn dieser bei

der Erteilung eines Bautenstandsberichts

bewusst pfl ichtwidrig gehandelt hat. Der

Architekt kann sich nicht darauf berufen, er

habe darauf vertraut, die Zuwiderhandlung

werde keine Nachteile für den Geschädigten

zur Folge haben. Auch die beanstandungs-

freie Durchführung von mehreren Bauvor-

haben bietet keinen hinreichenden Anlass

dafür, für die Zukunft Schädigungen Dritter

nicht befürchten zu müssen.

(LG Chemnitz, Urteil vom 13.06.2013,

Az. 6 S 11/13)

Kriterien für die Ermittlung der

anrechenbaren Kosten

Der Verweis auf Drittobjekte ist nicht geeig-

net, um die vom Architekten grundsätzlich

geschuldete Ermittlung der anrechenbaren

Kosten zu ersetzen. Die anrechenbaren Kos-

ten sind entweder nach fachlich allgemein

anerkannten Regeln der Technik – faktisch

also gemäß DIN 276 (2008) – oder nach

Verwaltungsvorschriften auf der Grundlage

ortsüblicher Preise zu ermitteln. Der Verweis

auf „Erfahrungswerte“ aus früheren Bauver-

fahren genügt diesen Anforderungen nicht,

da für einen das Referenzobjekt nicht ken-

nenden Dritten diese „Erfahrungswerte“ im

Regelfall nicht durchschaubar sind.

Das Architektenhonorar richtet sich nach

den anrechenbaren Kosten des Objekts

auf der Grundlage der Kostenberechnung

oder, soweit eine solche nicht vorliegt, auf

der Grundlage der Kostenschätzung (HOAI

2009 § 6 Abs. 1).

Bei der Kostenermittlung muss nicht

zwangsläufi g das Formblatt der DIN 276

verwendet werden. Auch die Einhaltung des

Gliederungsschemas der DIN 276 ist nicht

zwingend erforderlich. Ausreichend ist statt-

dessen, dass der Architekt zu den einzelnen

Kostengruppen Angaben macht.

(OLG Celle, Urteil vom 17.07.2013,

Az. 14 U 202/12)

BAUVERTRAGS- UND PROZESSRECHT

Keine Leistungsänderung ohne

richtige Planung

Die Planung der Bauleistungen obliegt im

VOB-Vertrag grundsätzlich dem Auftrag-

geber. Schlägt der Auftragnehmer die Aus-

führung einer geänderten Leistung vor (hier:

Einbau einer Erdwärmeheizung anstelle

einer Gasbrennwertkesselanlage), muss er

die hierzu erforderlichen Planungsleistungen

erbringen. Den mit der Bauüberwachung

beauftragten Bauleiter des Auftraggebers

treffen keine Prüf- und Hinweispfl ichten in

Bezug auf die Planung des Auftragnehmers.

Der Auftraggeber muss sich im Rahmen

der Ersatzvornahme nicht auf die Reparatur

einer defekten Pumpe einlassen, wenn die

damit verbundenen Kosten 2/3 des Neu-

preises betragen. Nimmt der Auftraggeber

die Leistung nicht ab und setzt er dem Auf-

tragnehmer unter Androhung der Ersatz-

vornahme eine Frist zur Nachbesserung,

beginnt die Verjährungsfrist für Mängel am

Tag nach dem Ablauf der Frist zu laufen.

(OLG Brandenburg, Urteil vom 14.08.2013,

Az. 4 U 191/11)

Keine Haftung für jeden

Ausführungsmangel

Der Bauüberwacher haftet für Ausführungs-

mängel an den von ihm zu überwachenden

Gewerken. Einfache Arbeiten muss der

Bauüberwacher nicht überwachen. Für die

Beseitigung von Mängeln an solchen Arbei-

ten hat der Bauüberwacher nicht einzuste-

hen. Der Bauüberwacher muss allerdings

Mängel auch an nicht überwachungspfl ich-

tigen Arbeiten bei der Abnahme feststellen.

Er haftet insoweit, als durch das Übersehen

bei der Abnahme ein weitergehender Scha-

den entstehen würde.

(OLG München, Urteil vom 09.07.2013,

Az. 28 U 4652/12 Bau)

Bauüberwachungspfl icht des

Architekten

Wird die Erstellung eines schlüsselfertigen

Bauwerks zu einem Pauschalpreis verein-

bart, so ist in aller Regel auch der zu erbrin-

gende Leistungsumfang pauschaliert. Vom

vereinbarten Leistungsinhalt sind dann alle

Leistungen umfasst, die für die Erreichung

des Vertragszwecks nach den Regeln der

Technik für ein zweckgerechtes und man-

gelfreies Bauwerk erforderlich und vorher-

sehbar sind. Die bloße Abarbeitung eines

insoweit unvollständigen Leistungsverzeich-

nisses des Auftraggebers genügt dem nicht.

Ein mit der Bauüberwachung beauftragter

Architekt verschweigt einen Mangel seiner

Leistung arglistig, wenn er bei Abnahme

des Werkes nicht offenbart, dass er entwe-

der überhaupt keine Bauüberwachung vor-

genommen hat oder auch nur einzelne der

überwachungspfl ichtigen Gewerke nicht

überwacht hat. Dem steht es gleich, wenn

der Architekt eine Erklärung ins Blaue hin-

ein abgibt und dabei nicht offenbart, dass

er keine zuverlässige Beurteilungsgrundlage

für die Erklärung hat.

(OLG Naumburg, Urteil vom 20.06.2013,

Az. 1 U 91/12)

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LEXTON RECHTSANWÄLTE, BERLIN

BAUVERGABERECHT

Vorsicht bei Festlegungen im

Aufklärungsgespräch

Legt sich ein Bieter im Rahmen eines Auf-

klärungsgespräches auf ein bestimmtes

Produkt fest, welches nicht in allen Punk-

ten den Anforderungen des Leistungsver-

zeichnisses entspricht, ist sein Angebot

zwingend auszuschließen, auch wenn der

öffentliche Auftraggeber im Leistungsver-

zeichnis weder Fabrikats- noch Typangaben

verlangt hat.

(OLG München, Beschluss vom 25.11.2013,

Az. Verg 13/13)

Keine Verhandlungen zur

Angebotsoptimierung

An den Umfang der Dokumentation dür-

fen keine überzogenen Anforderungen

gestellt werden. Dies gilt umso mehr, wenn

ein Angebot überwiegend mit „gut“ und

nur sehr vereinzelt mit „durchschnittlich“

bewertet worden ist. In Fällen, in denen ein

Bieter eine derart hohe Bewertung erhält,

würde es die Dokumentationspfl ichten

überspannen, wenn man von der Vergabe-

stelle immer eine ausführliche Begründung

dafür verlangen würde, warum sie nicht

eine noch höhere Punktzahl vergeben hat.

Der Auftraggeber ist weder berechtigt noch

verpfl ichtet, mit den Bietern Verhandlungen

über ihren jeweiligen Angebotsinhalt zu füh-

ren, um diesen die Gelegenheit zu geben,

ihre Angebote fortwährend zu optimieren.

Es stellt im Übrigen keinen Verstoß gegen

den vergaberechtlichen Gleichbehandlungs-

grundsatz dar, wenn zwei Lose von unter-

schiedlichen Gremien bewertet wurden.

Maßgeblich ist lediglich, dass innerhalb eines

Loses die Gleichheit und Gleichbehandlung

gewährt ist, denn der Wett bewerb fi ndet

nur im jeweiligen Los statt.

(VK Bund, Beschluss vom 23.10.2013,

Az. VK 2-88/13)

Sukzessive Reduzierung der Bewerber

im Verhandlungsverfahren

Das Verhandlungsverfahren kann in ver-

schiedenen aufeinander folgenden Phasen

abgewickelt werden, um so die Zahl der

Angebote, über die verhandelt wird, oder

die zu erörternden Lösungen anhand der

vorgegebenen Zuschlagskriterien zu ver-

ringern. Diese sukzessive Beschränkung

auf immer weniger Verhandlungspartner

ist keine Diskriminierung. Ein Nachprü-

fungsantrag ist unzulässig, soweit Verstöße

gegen Vergabevorschriften, die aufgrund

der Bekanntmachung erkennbar sind, nicht

spätestens bis Ablauf der in der Bekannt-

machung genannten Frist zur Angebotsab-

gabe oder zur Bewerbung gegenüber dem

Auftraggeber gerügt werden. Die Frage der

korrekten Verfahrenswahl und die grund-

sätzliche Verpfl ichtung zur Beachtung des

Vorrangs des offenen Verfahrens gehören

dabei zu den Umständen, die für einen fach-

kundigen Bieter erkennbar sind.

(VK Lüneburg, Beschluss vom 28.11.2013,

Az. VgK-36/2013)

Selbstbindung der Vergabestelle

Wird in der Bekanntmachung eines Ver-

handlungsverfahrens mit vorgeschaltetem

Teilnahmewettbewerb nach den Bestim-

mungen der VOF die Zahl der Wirtschafts-

teilnehmer, die zur Angebotsabgabe bzw.

Teilnahme aufgefordert werden, auf eine

bestimmte Anzahl beschränkt, hat die Ver-

gabestelle sich selbst gebunden und es stellt

einen Verstoß gegen das Willkürverbot und

das Transparenzgebot eines Vergabeverfah-

rens dar, wenn die Vergabestelle darüber

hinaus einen weiteren Bieter zulässt. Bei der

Bewertung der Frage der Vergleichbarkeit

der Referenz kommt der Vergabestelle, die

regelmäßig über spezifi sches Fachwissen

und fachliche Erfahrung zum Gegenstand

der Ausschreibung verfügt, ein nur einge-

schränkt überprüfbarer Beurteilungsspiel-

raum zu.

(OLG München, Beschluss vom 19.12.2013,

Az. Verg 12/13)

PRIVATES BAURECHT/ARCHITEKTENRECHT

Besondere Überwachungspfl icht

des Architekten

Für Verbindlichkeiten aus einem Archi-

tektenvertrag mit einer Partnerschaftsge-

sellschaft haften die Partner gemäß § 8

Abs. 1 S. 1 Partnerschaftsgesellschaftsgesetz

(PartGG) neben der Gesellschaft persönlich

als Gesamtschuldner. Daran ändert die Auf-

lösung der Gesellschaft nichts. Glasfassa-

denkonstruktionen sind für die Dichtigkeit

eines Gebäudes von wesentlicher Bedeu-

tung. Es handelt sich um ein besonders

schadensträchtiges Gewerk. Die Ausfüh-

rung bedarf deshalb gesteigerter Überwa-

chung durch den bauleitenden Architekten.

Zur Untersuchung von Ursachen und Aus-

maß von Baumängeln darf der Auftragge-

ber Fachunternehmen heranziehen. Er ist

grundsätzlich nicht gehalten, eine sachver-

ständige Untersuchung zu veranlassen.

(OLG Hamm, Urteil vom 20.12.2013,

Az. 12 U 79/13)

Dr. jur. Gabriele Wurzel Peter Probst, M.B.L.-HSG

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RECHT

712/14 industrieBAU

Ausarbeitung der Bewerbungs-

unterlagen nicht vergütbar

Außerhalb eines Planungswettbewerbs ver-

langte „Lösungsvorschläge für die Planungs-

aufgabe“ sind nach den Bestimmungen der

HOAI zu vergüten. Mit „Lösungsvorschlägen

für die Planungstätigkeit" ist jegliche Pla-

nungstätigkeit der Bewerber gemeint, die

mit dem Gegenstand des ausgeschriebenen

und zu vergebenden Auftrags aus Sicht des

Auftraggebers in Zusammenhang steht oder

stehen kann. Verlangt werden muss von den

ausgewählten Architekten aber die Aus-

arbeitung neuer eigener architek tonischer

Lösungen. Hingegen stellt die Ausarbeitung

von Bewerbungsunterlagen im Rahmen

eines öffentlichen Planungswettbewerbs für

sich genommen keine echte Leistung des

Bewerbers mit einem rechtlich und tatsäch-

lich bewertbaren Vergütungswert dar. Das

ist selbst dann anzunehmen, wenn es sich

bei der Leistung um umfangreichere und

komplexere Tätigkeiten zur Ausarbeitung

der Bewerbungsunterlagen handelt.

(OLG Koblenz, Urteil vom 20.12.2013,

Az. 8 U 1341/12)

HOAI: Zeitpunkt des Leistungsabrufs

entscheidend

Sieht ein Architektenvertrag für später –

nach freier Entscheidung des Bauherrn –

noch stufen- oder phasenweise zu übertra-

gende Leistungen bereits Vergütungsregeln

vor, so kommt der Vertrag über diese Leis-

tungen zu den zuvor vereinbarten Bedin-

gungen erst durch den Abruf zu Stande.

Maßgeblich für die Vergütung der dann

noch zu erbringenden Leistungen ist die

zum Zeitpunkt des Abrufes gültige HOAI.

Dies ist im Hinblick auf die zum 17.07.2013

novellierte HOAI (vgl. dazu Probst/Winters,

industrieBAU 5/13, S. 60 f.) von aktueller

Bedeutung, wonach i.d.R. das Architekten-

honorar für dieselbe Leistung höher ausfällt

als nach der abgelösten HOAI 2009.

(OLG Koblenz, Urteil vom 06.12.2013,

Az. 10 U 344/13)

Anforderungen an die Zuverlässigkeit

eines Ingenieurs

Weigert sich ein bauvorlage- und nachweis-

berechtigter Ingenieur, die ihm bekannte

Rechtsauffassung und fachliche Einschät-

zung der Obersten Baubehörde anzuerken-

nen und ist er nicht gewillt, diesen rechtli-

chen und fachlichen Vorgaben zu folgen

und die einschlägigen baurechtlichen Vor-

schriften (hier: Standards für die statische

Berechnung von Stahlbetonrundbehältern)

in diesem Sinne „korrekt" anzuwenden,

fehlt ihm die erforderliche Zuverlässigkeit

für die Tätigkeit als Bauvorlageberechtigter

und Nachweisberechtigter.

(VGH Bayern, Beschluss vom 08.11.2013,

Az. 22 ZB 13.657)

BAUVERTRAGS- UND PROZESSRECHT

Abnahme durch konkludentes

Verhalten

Die Abnahme kann nicht nur ausdrücklich,

sondern auch konkludent, das heißt durch

schlüssiges Verhalten erklärt werden. Diese

Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Auf-

traggeber die Rechnung des Auftragneh-

mers prüft und bezahlt, ein Schreiben des

Auftragnehmers, in dem dieser auf eine

aus seiner Sicht erklärte Abnahme hinweist,

nicht beantwortet, er keine Mängelrügen

erhebt und eine Gewährleistungsbürgschaft

annimmt, die erst nach der Abnahme zu

stellen ist. Die Vereinbarung einer förm-

lichen Abnahme schließt die Möglichkeit

der Abnahme durch konkludente Erklärung

nicht aus, wenn die Parteien (konkludent)

von der vereinbarten förmlichen Abnahme

abgerückt sind. Stellt der Auftraggeber das

vom Auftragnehmer errichtete Bauwerk

fertig, steht dem Auftragnehmer der verein-

barte Werklohn in voller Höhe selbst dann

zu, wenn er Teile der von ihm geschuldeten

Leistung nicht erbracht hat. Denn in einem

solchen Fall hat es der Auftraggeber unmög-

lich gemacht, dass der Auftragnehmer nicht

ausgeführte Leistungen noch erbringt.

(OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.11.2013,

Az. 23 U 15/13)

Prüfbarkeit der Schlussrechnung

Bei der Beurteilung, ob eine Schlussrechnung

prüfbar ist, ist nicht nur der Inhalt der Schluss-

rechnung selbst zu berücksichtigen. Vielmehr

sind auch ergänzende Angaben und Erläu-

terungen heranzuziehen. Auf die Frage der

Prüfbarkeit der Schlussrechnung kommt es

nicht an, wenn der Auftraggeber die Rech-

nungen geprüft hat. Der Auftraggeber, der

eine Rechnung prüft, kann deshalb nicht mit

dem Einwand gehört werden, die Rechnung

sei tatsächlich nicht prüfbar gewesen.

(OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.11.2013,

Az. 23 U 15/13)

GESETZGEBUNG AKTUELL

Neue EU-Schwellenwerte im

Vergaberecht

Seit 1.1.2014 gelten für das europäische Ver-

gaberecht neue, angepasste Schwellenwerte:

• 134.000 EUR (bisher: 130.000 EUR) für

Liefer- und Dienstleistungsverträge von

Bundesbehörden

• 207.000 EUR (bisher: 200.000 EUR) für

Liefer- und Dienstleistungsverträge

sonstiger öffentlicher Auftraggeber

• 414.000 EUR (bisher: 400.000 EUR) für

Sektorenauftraggeber (Trinkwasserver-

sorger, Energieversorger, Verkehr) sowie

für Lieferungen und Dienstleistungen im

Verteidigungsbereich

• 5.186.000 EUR (bisher: 5 Mio. EUR) für

Bauleistungen.

Maßgebend ist der Beginn des Vergabever-

fahrens, welcher je nach gewählter Vergabe-

art unterschiedlich sein kann. Hat ein Verga-

beverfahren bereits begonnen, so darf es auf

Basis der bisher geltenden Schwellenwerte

fortgeführt werden.

Neue Vergaberichtlinien verabschiedet

Am 15. Januar 2014 hat das Europäische Par-

lament (EP) die neuen EU-Vergaberichtlinien

zur Modernisierung des EU-Vergaberechts

(Richtlinie zur Vergabe öffentlicher Aufträge,

Sektorenrichtlinie und Konzessions-Richtlinie)

angenommen. Die formelle Zustimmung

durch die Mitgliedstaaten kann nun auf

einem der nächsten Räte erfolgen. Die Richtli-

nien treten 20 Tage nach der anschließenden

Veröffentlichung im EU-Amtsblatt in Kraft

und müssen innerhalb von zwei Jahren in

das nationale Recht umgesetzt werden. Die

Umsetzung wird einige maßgebliche Ände-

rungen – nicht unbedingt Vereinfachungen –

im deutschen Vergaberecht mit sich bringen.

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BAUVERGABERECHT

Bietergemeinschaften grundsätzlich

wettbewerbsbeschränkend

Unternehmen, die eine Bietergemeinschaft

eingehen, treffen eine Vereinbarung, die

eine Verhinderung, Einschränkung oder

Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken

oder bewirken kann und die deswegen ver-

boten ist. Dabei bildet den Tatbestand einer

möglichen Wettbewerbseinschränkung in

Vergabeverfahren, dass sich die an einer

Bietergemeinschaft beteiligten Unterneh-

men verpflichten, von eigenen Angeboten

abzusehen und mit anderen Unternehmen

nicht zusammenzuarbeiten. Das kann gegen

die gesetzlichen Kartellverbote verstoßen.

Die Bildung einer Bietergemeinschaft zwi-

schen branchenangehörigen Unternehmen

ist deshalb nur zulässig, wenn die beteilig-

ten Unternehmen ein jedes für sich zu einer

Teilnahme an der Ausschreibung mit einem

eigenen Angebot aufgrund ihrer betriebli-

chen oder geschäftlichen Verhältnisse nicht

leistungsfähig sind, und erst der Zusammen-

schluss zu einer Bietergemeinschaft sie in die

Lage versetzt, sich daran (mit Erfolgsaussicht)

zu beteiligen. Über die Zulässigkeit oder

Unzulässigkeit von Bietergemeinschaften

sowie von entsprechenden Wettbewerbsein-

schränkungen hat das Gesetz entschieden

und durch eine Anwendung auf den Einzel-

fall die Kartellgerichte und nicht der öffent-

liche Auftraggeber zu befinden.

(OLG Düsseldorf, Beschluss vom

17.02.2014, Az. Verg 2/14)

Keine Mehrfachangebote von

teilidentischen Bietergemeinschaften

Ist in den Ausschreibungsunterlagen be-

stimmt, dass Angebote nur für eines von

zwei Losen zugelassen sind, um eine perso-

nelle Überforderung des Auftragnehmers zu

vermeiden, ist die Bewerbung zweier Bieter-

gemeinschaften jeweils auf das eine und auf

das andere Los untersagt, wenn die Mitglie-

der der beiden Bietergemeinschaften zumin-

dest teilweise identisch sind.

(KG, Beschluss vom 20.02.2014,

Az. Verg 10/13)

Rücknahme der Rüge durch Bieter zulässig

Der Bieter kann eine erhobene Rüge durch

einseitige Erklärung gegenüber dem Auf-

traggeber auch wieder zurücknehmen. Die

ausdrücklich nicht aufrechterhaltene Rüge

ist dann für das weitere Vergabeverfahren

unbeachtlich.

(OLG Dresden, Beschluss vom 25.02.2014,

Az. Verg 9/13)

Begründungspflicht bei Ausschluss

wegen eines ungewöhnlich

niedrigen Angebots

Sollen in einem Vergabeverfahren Bewer-

tungs- bzw. Zuschlagskriterien zumindest

auch sicherstellen, dass kein Bieter den

gesetzlichen Mindestlohn unterschreitet,

kann ein offenbares Missverhältnis von

Preis und Leistung – fiktiv zur Wahrung

der allseitigen Gesetzestreue – unterstellt

werden, wenn von einem Bieter im Fall des

Unterschreitens der vorgegebenen Mindest-

stundenverrechnungssätze bei der Angebots-

aufklärung die Einhaltung des entsprechen-

den Mindestlohnes nicht ausreichend erläu-

tert wird. Unterkostenangebote sind gemäß

§ 19 EG Abs. 6 VOL/A allerdings nicht per

se unzulässig. Der Auftraggeber darf einen

Zuschlag auch auf ein ungewöhnlich niedri-

ges Angebot erteilen, solange die Prognose

gerechtfertigt ist, dass der Anbieter auch zu

diesem Preis zuverlässig und vertragsgerecht

wird leisten können. Der öffentliche Auftrag-

geber hat im Rahmen seines Ermessens nach-

vollziehbar darzulegen, warum er aufgrund

der niedrigen Stundenverrechnungssätze

im Angebot eines Bieters davon ausgeht,

dass dieser letztlich den gesetzlichen Min-

destlohn nicht zahlen würde und daher mit

einer gesetzeskonformen Leistungserbrin-

gung nicht zu rechnen war. Ihn trifft inso-

weit die Darlegungs- und Beweislast. Das

Vorbringen des Bieters im Rahmen seiner

diesbezüglichen Anhörung ist ermessensfeh-

lerfrei zu würdigen, ein Angebotsausschluss

darf nicht auf bloße Befürchtungen ohne

sachliche Anhaltspunkte gestützt werden. In

diesem Zusammenhang kommt der Doku-

mentation der Erwägungen des Auftragge-

bers eine besonders hohe Bedeutung zu.

(VK Südbayern, Beschluss vom 14.02.2014,

Az. Z3-3-3194-1-43-12/13)

PRIVATES BAURECHT/ARCHITEKTENRECHT

Kopplungsverbot auch für Unternehmen

Das Kopplungsverbot nach § 3 des Geset-

zes zur Regelung von Ingenieur- und Archi-

tektenleistungen (ArchLG) greift auch dann

ein, wenn ein Unternehmen im Einzelfall

mit isolierten Architektenleistungen in Kon-

kurrenz zu Architekten und Ingenieuren

tritt. Die gesetzgeberische Absicht, den

Leistungswettbewerb vor Manipulationen

und das freie Wahlrecht des Bauwilligen

hinsichtlich des Ingenieurs oder Architekten

seines Vertrauens zu schützen, gebietet die

Anwendung des Kopplungsverbots in einem

solchen Fall auch dann, wenn das Unter-

nehmen ansonsten auf anderen Geschäfts-

feldern tätig ist. Das Kopplungsverbot greift

Dr. jur. Gabriele Wurzel Peter Probst, M.B.L.-HSG

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RECHT

713/14 industrieBAU

ferner dann ein, wenn das Unternehmen

von einem Architekten oder Ingenieur

beherrscht wird. Dabei ist der entscheidende

Einfluss des Geschäftsführers auf die laufen-

den Geschäfte nicht geringer zu gewichten

als die den Gesellschaftern vorbehaltenen

Entscheidungsbefugnisse.

(OLG Hamm, Urteil vom 21.02.2014,

Az. 12 U 88/13)

Überwachungspflicht des Architekten

steigt mit der Komplexität des

Bauvorhabens

Der die Bauaufsicht führende Architekt ist

nicht verpflichtet, sich ständig auf der Bau-

stelle aufzuhalten. Er muss jedoch die Arbei-

ten in angemessener und zumutbarer Weise

überwachen und sich durch häufige Kont-

rollen vergewissern, dass seine Anweisun-

gen sachgerecht erledigt werden. Bei wich-

tigen oder bei kritischen Baumaßnahmen,

die erfahrungsgemäß ein hohes Mängelri-

siko aufweisen, ist der Architekt zu erhöhter

Aufmerksamkeit und zu einer intensiveren

Wahrnehmung der Bauaufsicht verpflichtet.

Der Beweis für eine Pflichtverletzung des bau-

überwachenden Architekten obliegt grund-

sätzlich dem Auftraggeber. Allerdings kann

dieser Nachweis durch einen Anscheinsbe-

weis erleichtert werden. Das ist der Fall, wenn

im Hinblick auf Art, Schwere und Erkennbar-

keit der Mängel ein typischer Geschehensab-

lauf anzunehmen ist, der dafür spricht, dass

die Überwachung durch den Architekten

mangelhaft ist. Dann ist es Sache des Archi-

tekten, diesen Anscheinsbeweis zu erschüt-

tern und darzutun, dass er hinreichende

Überwachungsleistungen erbracht hat.

(OLG Köln, Beschluss vom 20.01.2014,

Az. 11 U 116/13)

Konkludente Abnahme

Eine konkludente Abnahme kommt in

Betracht, wenn das Werk nach den Vorstel-

lungen des Auftraggebers im Wesentlichen

mangelfrei fertiggestellt ist und der Auftrag-

nehmer das Verhalten des Auftraggebers

als Billigung seiner erbrachten Leistung als

im Wesentlichen vertragsgerecht verstehen

darf. Im konkreten Fall bestätigte der Bun-

desgerichtshof eine schlüssige Abnahme

durch den Auftraggeber, obwohl noch keine

vollständige Leistungserbringung des Archi-

tekten vorgelegen hat.

(BGH, Urteil vom 20.02.2014,

Az. VII ZR 26/12)

Abgrenzung Akquise – Architektenvertrag

Grundsätzlich schließt jeder, der die Dienste

eines Architekten in Anspruch nimmt, zumin-

dest stillschweigend einen Architektenvertrag

ab. Daher muss er damit rechnen, an den

Architekten eine Vergütung zu zahlen. Beson-

ders gilt dies, wenn die Leistung mit einem

Arbeitsaufwand oder Kosten verbunden ist.

Es ist davon auszugehen, dass jeder Architekt

nur für eine bestimmte Zeit bereit sein wird,

unentgeltliche „Vorleistungen“ im vertragslo-

sen Zustand zu erbringen. Die Beantwortung

der Frage, ob der Architekt werbend tätig

wird, um den Auftrag zu erhalten – dann

handelt es sich um eine unentgeltliche Akqui-

sitionstätigkeit –, oder ob er bereits auf ver-

traglicher Grundlage eine vergütungspflich-

tige Tätigkeit wahrnimmt, hängt letztlich

allerdings von den Umständen des jeweiligen

Einzelfalls ab. Soll ein Architektenvertrag erst

geschlossen werden, wenn eine endgültige

Entscheidung über die konkrete Art des Bau-

vorhabens getroffen wurde, steht den Par-

teien frei, für die als Akquisitionstätigkeiten

erbrachten Planungsleistungen ein Entgelt zu

vereinbaren, das sich unterhalb der Mindest-

sätze der HOAI bewegt.

(OLG Jena, Urteil vom 08.01.2014,

Az. 2 U 156/13)

BAUVERTRAGS- UND PROZESSRECHT

Kein Vergütungsanspruch

bei Schwarzarbeit

Ein Unternehmer, der bewusst gegen § 1

Abs. 2 Nr. 2 des Schwarzarbeitsbekämpf-

ungsgesetzes (SchwarzArbG) verstoßen hat,

kann für seine Werkleistung (im konkreten

Fall im Zusammenhang mit der Ausführung

von Elektroinstallationsarbeiten) keinerlei

Bezahlung von dem Auftraggeber verlan-

gen. Wenn beide Parteien bewusst gegen

§ 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG verstoßen,

indem sie vereinbarten, dass für die über den

schriftlich vereinbarten Werklohn hinaus ver-

einbarte Bezahlung keine Rechnung gestellt

und keine Umsatzsteuer gezahlt werden soll,

ist der gesamte Werkvertrag wegen Versto-

ßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig,

sodass ein vertraglicher Werklohnanspruch

nicht gegeben ist (vgl. dazu BGH, Urteil vom

1. August 2013 – VII ZR 6/13).

(BGH, Urteil vom 10.04.2014,

Az. VII ZR 241/13)

Umkehr der Beweislast für Mängel-

ursache in AGB unwirksam

Mit der Abnahme kehrt sich die Beweislast

für behauptete Mängel um. Da sich die Dar-

legungs- und Beweislast auch auf die Ursäch-

lichkeit der Leistungen des Auftragnehmers für

einen Mangel erstreckt, obliegt es nach der

Abnahme grundsätzlich dem Auftraggeber

nachzuweisen, dass festgestellte Mängel auf

solche Arbeiten zurückzuführen sind, die der

Auftragnehmer ausgeführt hat. Eine Klausel in

allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des

Auftraggebers, wonach der Auftragnehmer

auch für die Zeit nach der Abnahme die Dar-

legungs- und Beweislast für eine mangelfreie

Leistung trägt, benachteiligt den Auftragneh-

mer unangemessen und ist unwirksam.

(BGH, Beschluss vom 06.02.2014,

Az. VII ZR 160/12)

Planungs- und Ausführungsmangel:

Haftungsquote 25 Prozent zu 75 Prozent

Der Tragwerksplaner ist – ebenso wie der

planende Architekt – im Verhältnis zum

Bauunternehmer Erfüllungsgehilfe des Bau-

herrn. Denn dieser schuldet dem Unterneh-

mer eine zur Ausführung des Bauvorhabens

geeignete und fehlerfreie Planung. Beruht

die Fehlerhaftigkeit des Unternehmerwerks

auf einem Fehlverhalten eines Erfüllungs-

gehilfen des Auftraggebers, muss sich

der Auftraggeber dieses Mitverschulden

anspruchsmindernd zurechnen lassen. Gibt

der vom Auftraggeber beauftragte Planer

ein ungeeignetes Herstellungsverfahren vor

und muss der Auftragnehmer als erfahrener

Fachunternehmer um die Bedeutung dieses

Herstellungsverfahrens für die Mangelfrei-

heit der Leistung wissen, haftet der Unter-

nehmer mit 75 Prozent und der Auftragge-

ber bzw. dessen Planer mit 25 Prozent.

(OLG Brandenburg, Urteil vom 26.02.2014,

Az. 4 U 99/11)

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RECHT

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Aktuelle Rechtsprechung DR. JUR. GABRIELE WURZEL, RECHTSANWÄLTIN, STAATSSEKRETÄRIN A.D., BONN/KÖLN

PETER MICHAEL PROBST, M.B.L.-HSG RECHTSANWALT UND FACHANWALT FÜR VERWALTUNGSRECHT,

LEXTON RECHTSANWÄLTE, BERLIN

BAUVERGABERECHT

Bieter, aufgepasst

Weicht das Angebot eines Bieters von zwin-

genden Vorgaben des Auftraggebers ab,

kann es zur Einhaltung des Gleichbehand-

lungsgrundsatzes nach § 97 Abs. 2 GWB

auch im Verhandlungsverfahren nach der

VOF geboten sein, dieses Angebot von der

Wertung auszuschließen.

(OLG Frankfurt, Beschluss vom 05.03.2014,

Az. 11 Verg 2/14)

Verschärfung der Eignungs-

anforderungen unzulässig

Eignungsanforderungen, die in der Vergabe-

bekanntmachung festgelegt wurden, dürfen

in den Ausschreibungs- bzw. Vergabeun-

terlagen nicht verschärft werden, können

aber auch im Sektorenbereich konkretisiert

werden. In der Vergabebekanntmachung

zu einem Verhandlungsverfahren muss nicht

bereits die Gewichtung der Auswahlkriterien

aufgenommen werden, wenn diese in den

Ausschreibungsunterlagen mitgeteilt wird.

Legt ein Bewerber seinem Teilnahmeantrag

die Bestätigung eines Referenzauftragge-

bers bei, die nicht auf einem vorgegebenen

Vordruck erfolgt ist und inhaltlich nicht alle

dort erfragten Angaben enthält, kommt eine

Nachforderung nicht in Betracht, weil die

Bestätigung nicht fehlt oder bereits formal

den Anforderungen nicht entspricht.

(OLG Celle, Beschluss vom 24.04.2014,

Az. 13 Verg 2/14)

Produktneutrale Ausschreibung

zulässig

Es ist vergaberechtlich zulässig, die Leistung

in der Form auszuschreiben, dass keine

Typen und Fabrikate abgefragt werden und

die konkrete Produktabfrage auf die Aufklä-

rung verlagert wird. Gestaltet der Auftrag-

geber die Ausschreibung produktneutral

und ohne Abfrage von Fabrikaten, kann er

im Rahmen der Aufklärung zur Konkreti-

sierung des Angebots die entsprechenden

Produktdatenblätter anfordern. Bei einer

hersteller- und produktneutralen Ausschrei-

bung wird grundsätzlich die Lieferung einer

Leistung mittlerer Art und Güte geschuldet.

Das gilt jedoch nicht mehr, wenn der Bieter

im Rahmen der Aufklärung den Leistungs-

gegenstand konkretisiert hat.

(OLG München, Beschluss vom 10.04.2014,

Az. Verg 1/14)

Bildung einer Bieter-

gemeinschaft zulässig

Die Bildung einer Bietergemeinschaft stellt

keine unzulässige wettbewerbsbeschrän-

kende Abrede dar, wenn den an der Bie-

tergemeinschaft beteiligten Unternehmen

einzeln eine Teilnahme an der Ausschrei-

bung aufgrund betrieblicher oder geschäft-

licher Verhältnisse nicht möglich ist und

erst der Zusammenschluss zu einer Bieter-

gemeinschaft die Möglichkeit eröffnet, sich

gemeinsam an der Ausschreibung beteiligen

zu können (vgl. auch industrieBAU 3/2014,

S. 70, zu OLG Düsseldorf, Beschluss vom

17.02.2014, Az. Verg 2/14). Die tatbestand-

lichen Voraussetzungen für den Ausschluss

eines Angebots aus der Wertung, insbeson-

dere der Umfang der zwingend schon mit

dem Angebot vorzulegenden Nachweise,

müssen spätestens in der Aufforderung zur

Angebotsabgabe klar bestimmt sein. Eine

vertretbare Auslegung der Vergabeunter-

lagen anhand des objektiven Empfängerho-

rizonts der Bieter darf nicht zum Angebots-

ausschluss führen.

(OLG Schleswig, Beschluss vom

15.04.2014, Az. 1 Verg 4/13)

Keine überzogenen Anforderungen

an Rüge

Die Vergabeunterlagen sind aus der Sicht

eines objektiven Erklärungsempfängers –

bei Baumaßnahmen also aus der Sicht eines

fachkundigen Bauunternehmers – auszu-

legen. Aus der Formulierung „Abnahme

Baugrubensohle“ mit dem Klammerzusatz

„Herstell- und Endlage der Eisenbahn-

überführung“ ist für einen fachkundigen

Bauunter nehmer erkennbar, dass zwei

Abnahmen erforderlich sind, nämlich eine

Abnahme der Baugrubensohle in der Her-

stelllage und eine Abnahme der Baugruben-

sohle in der Endlage. In inhaltlicher Hinsicht

dürfen an eine Rüge keine überspannten

Anforderungen gestellt werden; dies gilt ins-

besondere dann, wenn die Rüge nicht von

einem anwaltlich vertretenen Unternehmen

gestellt wird. Vielmehr genügt es, wenn sich

aus der Rüge eine konkrete Beanstandung

ergibt, die den Auftraggeber zur Überprü-

fung seiner Entscheidung veranlassen soll.

(VK Bund, Beschluss vom 17.04.2014,

Az. VK 2-27/14)

Anforderungen bei Abgabe

mehrerer Hauptangebote

Ein Bieter ist grundsätzlich dazu berechtigt,

mehrere Hauptangebote abzugeben. Die

Wertbarkeit und damit auch die Zuschlags-

fähigkeit mehrerer Hauptangebote ein und

desselben Bieters setzen voraus, dass diese

jeweils hinreichend differenziert sind, sodass

jedem Hauptangebot ein eigener und eindeu-

tiger Erklärungsinhalt beigemessen werden

kann. Bei der Abgabe mehrerer Hauptan-

gebote sind deshalb die für Nebenangebote

bestehenden Formvorgaben einzuhalten.

(VK Bund, Beschluss vom 29.01.2014,

Az. VK 1-123/13)

Dr. jur. Gabriele Wurzel Peter Probst, M.B.L.-HSG

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RECHT

634/14 industrieBAU

Kein Anspruch des Bieters

auf Angebotsaufklärung

Gemäß § 7 EG Abs. 1 Nr. 1 VOB/A ist die

Leistung eindeutig und erschöpfend zu

beschreiben, sodass alle Bewerber die

Beschreibung im gleichen Sinne verstehen

müssen. Ob die verwendeten Begriffe ein-

deutig und unmissverständlich formuliert

sind, ist für die Frage des Ausschlusses

eines Angebots jedoch nicht relevant. Das

Angebot eines Bieters darf nicht deswegen

ausgeschlossen werden, weil eine eindeu-

tige und unmissverständliche Formulierung

in den Vergabeunterlagen fehlt. Die Ver-

gabestelle hat gemäß § 15 EG Abs. 1 Nr. 1

VOB/A ein Aufklärungsrecht. Die Durchfüh-

rung von Aufklärungsmaßnahmen steht im

Ermessen der Vergabestelle. Ein Anspruch

zugunsten eines Bieters auf Angebotsauf-

klärung wird durch diese Bestimmung aber

gerade nicht geschaffen.

(VK Nordbayern, Beschluss vom

06.03.2014, Az. 21.VK-3194-59/13)

PRIVATES BAURECHT/ARCHITEKTENRECHT

Erschwernis bei Zulassung zum

Architektenberuf unzulässig

Art. 21 und 49 Richtlinie 2005/36/EG sind

dahin auszulegen, dass sie dem Aufnahme-

mitgliedstaat verwehren, für die Erlaubnis

zur Ausübung des Architektenberufs vom

Inhaber einer im Herkunftsmitgliedstaat

erlangten Berufsqualifikation im Sinne von

Anhang V Nr. 5.7.1 oder VI dieser Richt-

linie die Absolvierung eines Praktikums

oder den Nachweis zu verlangen, dass er

eine dem gleichwertige Berufserfahrung

besitzt.

(EuGH, Urteil vom 30.04.2014,

Az. Rs. C-365/13)

Beratungspflicht beim Aufzeigen

von Planungsalternativen

Im Rahmen seiner Planung hat der Architekt

die Probleme, die sich aus der Bauaufgabe,

den Planungsanforderungen und Zielvorstel-

lungen ergeben, zu analysieren und zu klä-

ren. Inhalt und Umfang der Beratung richten

sich nach ihrem Zweck, dem Auftraggeber

eine sachgerechte Entscheidung darüber zu

ermöglichen, welche Planung verwirklicht

werden soll. Dazu gehört es, ihm die ver-

schiedenen Planungsalternativen aufzuzei-

gen, ihn darüber aufzuklären, welche Mög-

lichkeiten der Umsetzung bestehen, und die

jeweiligen Vorteile, Nachteile und Risiken zu

erörtern. Er muss dabei sämtliche Umstände

offenbaren, die nach der Verkehrsanschau-

ung für die Willensbildung des Auftrag-

gebers wesentlich sind.

Art und Umfang der Beratung richten sich

nach allgemeinen Grundsätzen auch nach

dem – gegebenenfalls durch Sonderfach-

leute vermittelten – Kenntnisstand des Auf-

traggebers. Soweit der Architekt nicht über

notwendige Spezialkenntnisse verfügt, hat

er dies dem Auftraggeber zu offenbaren,

damit dieser einen Sonderfachmann ein-

schalten kann, der die fehlenden Fachkennt-

nisse vermittelt.

Die Einschaltung von Sonderfachleuten

entbindet den Architekten nicht von sei-

ner eigenen Verantwortlichkeit. Er haftet

vielmehr für die Auswahl des Sonderfach-

mannes und hat dessen Gutachten oder

Fachplanung nach dem Maß der von ihm

als Architekten zu erwartenden Kenntnisse

zu überprüfen. Für ein fehlerhaftes Gut-

achten ist er (mit-)verantwortlich, wenn

der Mangel auf seinen Vorgaben beruht,

wenn er einen unzuverlässigen Sonder-

fachmann ausgewählt hat oder er Mängel

nicht beanstandet, die für ihn nach den

vom Architekten zu erwartenden Kennt-

nissen erkennbar waren.

(OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.03.2014,

Az. 5 U 84/11)

BAUVERTRAGS- UND PROZESSRECHT

Klage auf Werklohn nach Kündigung

des Bauvertrags

Eine Klage auf Vergütung der erbrachten

Leistungen nach einer Kündigung des Bau-

vertrags kann, wenn der Auftraggeber dem

nicht widerspricht, auf eine Abrechnung

gestützt werden, wonach vom vereinbarten

Werklohn die unstreitigen Drittunternehmer-

kosten für die Fertigstellung des Bauwerks

abgezogen werden. Ein Widerspruch gegen

diese Abrechnung ist unbeachtlich, wenn

der Auftraggeber nicht geltend macht,

dadurch benachteiligt zu sein.

(BGH, Beschluss vom 10.04.2014,

Az. VII ZR 124/13)

Kein Schadensersatzanspruch bei

Verstoß gegen Buchführungspflichten

Ein gesetzliches Gebot oder Verbot ist als

Schutzgesetz nur geeignet, soweit das

geschützte Interesse, die Art seiner Verlet-

zung und der Kreis der geschützten Personen

hinreichend klargestellt und bestimmt sind.

Eine solche Konkretisierung lässt sich, soweit

es um die allgemeinen Auswirkungen der

Verletzung der Buchführungspflicht auf die

Gläubigerinteressen geht, in den Fällen der

§§ 283 Abs. 1 Nr. 5 - 7 StGB nicht bejahen.

Der Verstoß gegen die gesetzlich beste-

henden Buchführungspflichten allein recht-

fertigt im Fall der späteren Insolvenz des

Unternehmens keinen Schadensersatzan-

spruch des Vertragspartners gegen die Ver-

tretungsorgane der insolventen Gesellschaft.

Das gilt auch dann, wenn sich aus der

Pflichtverletzung eine Strafbarkeit wegen

Bankrotts (StGB § 283) ergibt.

(OLG Hamm, Beschluss vom 07.02.2014,

Az. 9 U 224/13)

Preisermittlung für

zusätzliche Leistungen

Die Vergütung für eine in einem VOB-Ver-

trag nicht vorgesehene Leistung bestimmt

sich nach den Grundlagen der Preisermitt-

lung für die vertragliche Leistung und den

besonderen Kosten der geforderten Leistung

(VOB/B § 2 Abs. 6). Spielt die geforderte

Zusatzleistung für die Erfüllung des Haupt-

auftrags keine Rolle und kommen zusätzli-

che Kostenelemente zum Tragen, sind allein

diese für die Preisermittlung heranzuziehen.

Haben die Parteien sich bereits vor Ausfüh-

rung der Leistung über die Höhe der zu zah-

lenden Vergütung geeinigt, kann der Auf-

traggeber nicht nachträglich einwenden, die

getroffene Vereinbarung sei hinfällig, weil

über die Zahlungsmodalität keine Einigung

erzielt worden sei.

(KG, Urteil vom 21.02.2014,

Az. 7 U 102/12)

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PETER MICHAEL PROBST, M.B.L.-HSG RECHTSANWALT UND FACHANWALT FÜR VERWALTUNGSRECHT,

LEXTON RECHTSANWÄLTE, BERLIN

BAUVERGABERECHT

Bei unklarem Angebot:

Auslegung vor Aufklärung

Das von § 25 VOB/A 2006 (jetzt: § 16 VOB/A

2012) vorgegebene Prüfungsschema, in die

nächstfolgende Wertungsstufe erst nach

Abschluss der vorangegangenen überzu-

gehen, schließt nicht aus, dass übersehene

oder erst später bekannt gewordene Mängel

nachträglich berücksichtigt werden dürfen.

Das gilt auch dann, wenn im Nachhinein

Bedenken zur Identität des Bieters aufkom-

men. Die Angebote müssen von Anfang an

die Identität des Bieters erkennen lassen.

Dies gilt für Einzelbieter wie für Bieterge-

meinschaften. Bei Unklarheiten ist durch

Auslegung aus der maßgeblichen Sicht eines

objektiven Erklärungsempfängers zu ermit-

teln, wer das Angebot abgegeben hat. Eine

Aufklärung des Angebotsinhalts kommt erst

in Betracht, wenn sich die Zweifel nicht im

Wege der Auslegung klären lassen.

(OLG Hamburg, Beschluss vom

29.04.2014, Az. 1 Verg 4/13)

Anspruch auf Einsicht in die

Kostenschätzung

Hat der Bieter mit dem günstigsten Angebot

keine faire Chance auf den Zuschlag, weil

der Auftraggeber die Ausschreibung wegen

einer (angeblichen) Überschreitung der Kos-

tenschätzung aufgehoben und den Auftrag

einem anderen, am Vergabeverfahren bis-

lang nicht beteiligten Unternehmen „zuge-

schanzt“ hat, kann dem Bieter ein Anspruch

auf Schadensersatz zustehen.

Lässt sich für den Bieter erst nach Einsicht

in die Kostenschätzung klären, ob diese zu

beanstanden ist und sich daraus möglicher-

weise ein Schadensersatzanspruch ergibt,

kann er Einsicht in die Unterlagen zur Kos-

tenschätzung verlangen.

(LG Oldenburg, Urteil vom 18.06.2014,

Az. 5 S 610/13)

Veränderung der vorgegebenen

Bauzeit = Nebenangebot

Unter Nebenangeboten sind Angebote

zu verstehen, die in irgendeiner Form vom

Hauptangebot abweichen, sei es in tech-

nischer Hinsicht durch die Verwendung

anderer technischer Lösungen als in der

Leistungsbeschreibung vorgegeben, sei es

in wirtschaftlicher oder rechtlicher Hinsicht

durch die Formulierung anderer Zahlungs-

bedingungen oder sonstiger vertraglicher

Regelungen. Von Nebenangeboten wird

auch gesprochen, wenn die Leistung als

solche unverändert angeboten, ihre Ausfüh-

rung hingegen von anderen als in den Ver-

gabeunterlagen vorgesehenen vertraglichen

Bedingungen abhängig gemacht wird, z. B.

hinsichtlich der Ausführungsfristen. Eine Ver-

änderung der vorgegebenen Bauzeit ist ein

Nebenangebot. Nicht zugelassene Neben-

angebote sind nach § 16 EG Abs. 1 Nr. 1

Buchst. e) VOB/A auszuschließen. Ist ein

Angebot schon in der ersten Stufe aus for-

malen Gründen zwingend auszuschließen,

fehlt dem Antragsteller ein Rechtsschutz-

bedürfnis bezüglich der wirtschaftlichen

Angebotswertung.

(VK Nordbayern, Beschluss vom

11.06.2014, Az. 21.VK-3194-12/14)

Bieter, aufgepasst:

Anforderungen an Rüge

Zur Erfüllung der Rügeobliegenheit des Bie-

ters muss dieser den Vergabeverstoß und

die Aufforderung an den öffentlichen Auf-

traggeber, den Verstoß abzuändern, kon-

kret darlegen. Beide Tatsachenvorträge sind

unverzichtbare Bestandteile der Rüge. An die

Pflicht zur Substantiierung sind aber keine

übertriebenen Anforderungen zu stellen.

Dabei ist immer auch zu beachten, welchen

Kenntnisstand der rügende Bieter haben

kann. Eine Rüge ist schon dann ausreichend

substantiiert, wenn das rügende Unterneh-

men eine konkrete Tatsache benennt, aus

welcher sich der Verdacht eines Vergabe-

rechtsverstoßes ergibt. Zumindest für einen

Bieter mit erheblichem technischen Sach-

verstand und guter Marktkenntnis ist eine

verdeckte Produktvorgabe in den Vergabe-

unterlagen erkennbar und daher gemäß §

107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB zu rügen. Eine

Rechtsverletzung aufgrund der Wertung von

Qualitätskriterien scheidet dann aus, wenn

der Bieter selbst bei unterstellter Bestbe-

wertung in den Qualitätskriterien nicht für

den Zuschlag infrage käme. Ob ein Angebot

von den Vorgaben der Vergabeunterlagen

abweicht, ist durch Auslegung zu ermitteln.

Maßstab der Auslegung ist, wie ein mit den

Umständen des Einzelfalls vertrauter Dritter

in der Lage der Vergabestelle das Angebot

nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die

Verkehrssitte verstehen musste und durfte.

(VK Südbayern, Beschluss vom 19.05.2014,

Az. Z3-3-3194-1-08-03/14)

Planungsleistungen als Liefer-

und Dienstleistungen

Zu den Liefer- und Dienstleistungen im

Sinne von § 2 Abs. 5 SektVO gehören auch

die für die Realisierung des Bauvorhabens

erforderlichen Planungsleistungen. Dabei

ist unerheblich, ob der Auftraggeber diese

Planungsleistungen selbst erbringt oder sie

von einem Planungsbüro erstellt werden.

Bei der Vorgabe einer bestimmten Stahlsorte

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RECHT

715/14 industrieBAU

handelt es sich beispielsweise um eine tech-

nische Spezifikation. Der Auftraggeber muss

deshalb in die Beschreibung der entspre-

chenden Leistungsposition den Zusatz „oder

gleichwertig“ aufnehmen.

(VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom

16.04.2014, Az. 2 VK LSA 25/13)

PRIVATES BAURECHT/ARCHITEKTENRECHT

Planer nicht immer Architekt

Ein Planer, der nach den landesrechtlichen

Vorschriften zur Führung der Berufsbezeich-

nung „Architekt“ nicht befugt ist, muss dies

dem künftigen Auftraggeber grundsätzlich

schon bei Vertragsverhandlungen offen-

baren. Eine Verletzung der Pflicht zur Auf-

klärung berechtigt den Auftraggeber zur

Anfechtung wegen arglistiger Täuschung

oder zur Kündigung aus wichtigem Grund.

(OLG Oldenburg, Urteil vom 21.05.2014,

Az. 3 U 71/13)

Wünsche des Auftraggebers für

Architekten maßgebend

Skizziert der Auftraggeber seine Wünsche im

Hinblick auf die Ausgestaltung des Bauvor-

habens in einer Zeichnung, muss der Archi-

tekt diese Wunschvorstellungen auf ihre

Machbarkeit hin überprüfen und planerisch

weitestmöglich realisieren. Kommt ein Archi-

tekt im Zuge der Machbarkeitsprüfung feh-

lerhaft zu der Einschätzung, dass die Vorstel-

lung des Auftraggebers nicht zu realisieren

ist, entlastet es ihn nicht, wenn der Auftrag-

geber seine Wunschvorstellung aufgibt und

einer Planung zustimmt, die sich technisch

nicht realisieren lässt.

(OLG Hamm, Urteil vom 07.05.2014,

Az. 12 U 184/12)

Auf Planungsfehler nicht hingewiesen:

Haftung des Auftragnehmers in

voller Höhe

Ein Mitverschulden des Auftraggebers an

einem Werkmangel wegen eines ihm zuzu-

rechnenden Planungsfehlers ist bei der Gel-

tendmachung eines Vorschusses auf die

Selbstvornahmekosten zu berücksichtigen

und führt zu dessen Kürzung. Der planende

Architekt muss im Rahmen seines Planungs-

auftrags – jedenfalls ohne abweichende

vertragliche Vereinbarung – dem Auftrag-

geber bzw. dem ausführenden Handwerker

konkret mitteilen, ob und ggf. welche bei-

spielhaften Detailzeichnungen oder andere

Vorgaben aus einer Richtline unverändert

übernommen werden können oder wel-

che Änderungen erforderlich sind. Hat der

Unternehmer nach seinem eigenen Vortrag

einen Planungsmangel erkannt und kann er

seine Behauptung, er habe Bedenken ange-

meldet, nicht beweisen, kann er sich nach

Treu und Glauben gegenüber dem Bauherrn

auf ein mitwirkendes Verschulden des Archi-

tekten als Erfüllungsgehilfe des Bauherrn

nicht berufen.

(OLG Stuttgart, Urteil vom 15.04.2014,

Az. 10 U 127/13)

BAUVERTRAGS- UND PROZESSRECHT

Funktionaler Mangelbegriff sowie

zur Übernahme der Planungs-

verantwortung

Die Leistung des Auftragnehmers ist mangel-

haft, wenn sie nicht dauerhaft funktionsfähig

ist, weil infolge einer falschen Materialwahl

beim Wechsel von den ursprünglich geplan-

ten Rohren auf die dann eingebauten Rohre

bereits nach wenigen Jahren ein Korrosions-

schaden auftritt. Der funktionale Mangelbe-

griff gilt auch dann, wenn der Auftragneh-

mer nicht mit Planungsleistungen beauftragt

ist, sondern lediglich Bauleistungen auf der

Grundlage eines vom Auftraggeber bzw.

von dessen Planer erstellten detaillierten Leis-

tungsverzeichnisses auszuführen hat. Leitet

der Auftragnehmer die an ihn herstellerseitig

herangetragenen Bedenken unter Beifügung

eines eigenen Nachtragsangebots an den

Auftraggeber weiter, übernimmt er keine

Planungsverantwortung, sondern erleichtert

dadurch lediglich die Prüfung und Entschei-

dung des Auftraggebers. Hat der Auftragge-

ber die angezeigten Bedenken geprüft und

das ihm in diesem Zusammenhang vom Auf-

tragnehmer unterbreitete Nebenangebot zur

Ausführung freigegeben, ist der Auftragneh-

mer nicht dazu verpflichtet, gegen die Frei-

gabe (erneut) Bedenken anzumelden.

(OLG München, Urteil vom 24.06.2014,

Az. 9 U 4193/11 Bau)

Im Einzelfall als Mängelrecht

nur Schadensersatz

Ist die vereinbarte Funktionalität einer Glas-

fassade (hier: uneingeschränkte Bruch-

sicherheit) technisch nicht zu verwirklichen,

steht dem Auftraggeber als Mängelrecht

ausschließlich ein Schadensersatzanspruch

gemäß § 634 Nr. 4, § 311a Abs. 2 BGB zu.

(BGH, Urteil vom 08.05.2014,

Az. VII ZR 203/11)

Öffentliches Preisrecht

auch für Bauverträge

Die Parteien eines nicht unter die Vorschrif-

ten des öffentlichen Preisrechts fallenden

Bauwerksvertrags können vertraglich ver-

einbaren, dass der Auftragnehmer solche

Zahlungen zu erstatten hat, die auf nicht

dem öffentlichen Preisrecht entsprechen-

den Abrechnungen beruhen. Die Verjäh-

rung eines Rückforderungsanspruchs wegen

einer überhöhten Schlussrechnung beginnt,

sobald der Auftraggeber Kenntnis von den

Unterlagen hat, aus denen die vertragswid-

rige Abrechnung und Masseermittlung ohne

weiteres ersichtlich ist.

(OLG Frankfurt, Urteil vom 28.05.2014,

Az. 4 U 230/13)

Grundstück kontaminiert: Ersatz

des merkantilen Minderwerts

Führt die Kontamination des Grundwassers

mit Kerosin zu einer Kontaminierung des

Erdkörpers, hat der Grundstückseigentü-

mer gegen den Schädiger einen Anspruch

auf Ersatz des Schadens, der ihm daraus

entstanden ist und noch entsteht. Wird

ein Grundstück mit Kerosin verunreinigt,

umfasst der Anspruch auf Schadensersatz

auch den Schaden, der darin bestehen kann,

dass unabhängig von Substanzschaden,

Nutzungsbeeinträchtigungen oder Scha-

densbeseitigungsaufwendungen auch nach

vollständiger Sanierung ein merkantiler Min-

derwert verbleibt.

(OLG Köln, Urteil vom 16.06.2014,

Az. 12 U 44/13)

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RECHT

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Aktuelle Rechtsprechung DR. JUR. GABRIELE WURZEL,RECHTSANWÄLTIN, STAATSSEKRETÄRIN A.D., BONN/KÖLN

PETER MICHAEL PROBST, M.B.L.-HSGRECHTSANWALT UND FACHANWALT FÜR VERWALTUNGSRECHT,

LEXTON RECHTSANWÄLTE, BERLIN

BAUVERGABERECHT

Grenzen des Aufklärungsverlangens

für den Auftraggeber

Hat ein Auftraggeber den Eindruck eines

ungewöhnlich niedrigen Preises, muss er

prüfen, ob ein offenbares Missverhältnis zwi-

schen Preis und Leistung besteht. Er hat in

eine Aufklärung über den Preis einzutreten

und dem Auftragnehmer die Gelegenheit

zu geben, den Eindruck eines ungewöhn-

lich niedrigen Preises zu entkräften oder

aber beachtliche Gründe dafür aufzuzeigen,

dass sein Angebot trotzdem annehmbar ist.

Der Eindruck eines ungewöhnlich niedrigen

Preises kann aufgrund eines Vergleichs mit

den Preisen eingegangener Konkurrenz-

angebote, aber auch auf der Grundlage

von Erfahrungswerten bei wettbewerblicher

Preisbildung gewonnen werden. Anlass für

den Eintritt in eine Prüfung ist ein Preisab-

stand zum nächsthöheren Gebot von min-

destens 10 bis 20 Prozent. Ein geringerer

Preisabstand indiziert noch nicht, dass der

Angebotsendpreis im Verhältnis zur ange-

botenen Leistung ungewöhnlich niedrig ist.

Die vergaberechtlichen Vorschriften sehen

einen bestimmten Ablauf der formalen und

inhaltlichen Angebotsprüfung vor. Über die

gesetzlichen Bestimmungen und (zulässi-

gen) Vorgaben durch die Vergabeunterla-

gen hinaus darf ein Auftraggeber – auch

zugunsten des einzelnen Bieters – keine

zusätzlichen Anforderungen an das Ange-

bot und den Bieter stellen. Verlangt er aber

zusätzlich eine – grundsätzlich mögliche –

Aufklärung über den Preis im Verhältnis zur

Leistung, ohne dass die Voraussetzungen

der Prüfung vorliegen, stellt er unzulässig

zusätzliche Anforderungen.

(OLG Karlsruhe, Beschluss vom

06.08.2014, Az. 15 Verg 7/14)

Keine Vergabe auf Grundlage der HOAI

2009 nach dem 17.07.2013

Vergabeverfahren für Leistungen nach

HOAI, die auf Grundlage der HOAI 2009

ausgeschrieben wurden und nicht bis zum

17.07.2013 beauftragt wurden, sind danach

aufzuheben und neu auszuschreiben. Der

Abschluss eines Vertrags zur Erbringung

und Vergütung von Leistungen gemäß der

HOAI 2009 ist mit Inkrafttreten der HOAI

2013 unmöglich geworden. Es stellt mithin

eine gemäß § 101b Abs. 1 Nr. 2 GWB unzu-

lässige De-facto-Vergabe dar, wenn die Leis-

tungen ohne erneute Ausschreibung nach

HOAI 2013 vergeben werden.

(KG, Beschluss vom 01.09.2014,

Az. Verg 18/13)

PRIVATES BAURECHT/ARCHITEKTENRECHT

Beratungs- und Überwachungs-

pfl ichten des Architekten

Der mit der Grundlagenermittlung (Leis-

tungsphase 1) beauftragte Architekt hat den

Besteller hinsichtlich der Genehmigungs-

fähigkeit des Bauvorhabens vollständig und

richtig zu beraten. Verletzt der Architekt

diese Pfl icht und erklärt sich der Besteller

aus diesem Grund damit einverstanden,

dass der Architekt ein anderes Gebäude

als das ursprünglich gewollte plant, ist der

Architekt dem Besteller zum Schadens-

ersatz gemäß § 634 Nr. 4, §§ 636, 280,

281 BGB verpfl ichtet. Der Schaden besteht

in diesem Fall darin, dass der Besteller Auf-

wendungen für ein Gebäude tätigt, das er

ohne die mangelhafte Planungsleistung des

Architekten nicht hätte errichten lassen. Ein

Mangel der Werkleistung liegt vor, wenn sie

nicht die vertraglich vereinbarte Beschaf-

fenheit aufweist. Dabei ist die Beachtung

der allgemein anerkannten Regeln der

Technik, sofern nicht ein anderer Standard

vereinbart worden ist, als Mindeststandard

geschuldet. Die Kausalität zwischen einem

Über wachungsfehler des Architekten, der

zu einem Mangel des Bauwerks geführt

hat, und dem Schaden, der dem Besteller

in Gestalt der zur Mangelbeseitigung erfor-

derlichen Aufwendungen entsteht, ist nach

objektiven Kriterien zu beurteilen. Sind die

vom Besteller ergriffenen Maßnahmen zur

Beseitigung des Mangels objektiv erfor-

derlich, kommt es nicht darauf an, ob der

Besteller den Mangel vor Ausführung der

Mängelbeseitigung erkannt hat.

(BGH, Urteil vom 10.07.2014,

Az. VII ZR 55/13)

Zurechnung von Planungsfehlern

bei mehreren Architekten

Beauftragt ein Bauherr verschiedene Archi-

tekten mit der Planung unterschiedlicher

Bereiche und sind die Pläne des einen für

die Planung des anderen von Bedeutung,

muss der Bauherr sich etwaige Fehler in

den Plänen des einen Architekten gegen-

über dem anderen Architekten dann nicht

im Sinne eines Verschuldens gegen sich

selbst nach §§ 254 Abs. 2 Satz 2, 278

BGB als Mitverschulden zurechnen lassen

(BGH, Urteil vom 27. November 2008 - VII

ZR 206/06; Urteil vom 15. Mai 2013 - Az.

VII ZR 257/11), wenn die Planungsfehler

den Bereich betreffen, mit dessen Pla-

nung der andere Architekt selbst beauf-

tragt war.

(OLG Celle, Urteil vom 24.07.2014,

Az. 16 U 59/13)

Dr. jur. Gabriele Wurzel Peter Probst, M.B.L.-HSG

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RECHT

1596/14 industrieBAU

Bindung an das Mindesthonorar?

Die Bindung an das Mindesthonorar nach

§ 7 HOAI entfällt nicht allein durch eine

Absicht, mit dem Architekten oder Inge-

nieur eine Gesellschaft zu gründen, wenn

diese Absicht nicht verwirklicht wird. Schei-

tert die beabsichtigte Gesellschaftsgrün-

dung, erhält der Architekt eine an den Vor-

gaben der HOAI ausgerichtete Vergütung

für seine Leistungen aus einem konkludent

abgeschlossenen Architektenvertrag oder

wegen Zweckverfehlung aus § 812 Abs. 1

Satz 2, 2. Fall, § 818 Abs. 2 BGB. Wirkt der

Auftraggeber bzw. auf eine künftige Gesell-

schaft Leistende mit angestellten Mitarbei-

tern an der Schaffung des Architektenwerks

mit, hat er gegen den Architekten wegen

Zweckverfehlung aus § 812 Abs. 1 Satz 2,

2. Fall, § 818 Abs. 2 BGB einen Anspruch

auf Ersatz der Kosten solcher Mitarbeiter.

(OLG Stuttgart, Urteil vom 03.06.2014,

Az. 10 U 6/14)

BAUVERTRAGS- UND PROZESSRECHT

Aufrechnungsverbot in AGB unwirksam

Ein Aufrechnungsverbot in allgemeinen

Geschäftsbedingungen, das lediglich die

Aufrechnung mit unbestrittenen und mit

rechtskräftig festgestellten Gegenforderun-

gen zulässt, die Aufrechnung mit sonstigen

Gegenforderungen indes auch dann ver-

bietet, wenn diese mit der aufgerechneten

Hauptforderung synallagmatisch verknüpft

sind, benachteiligt den Vertragspartner des

Verwenders einer solchen Klausel entge-

gen den Geboten von Treu und Glauben

unangemessen und ist unwirksam. Dies gilt

auch für eine Klausel, die gegenüber einem

Unternehmer verwendet wird, und im Übri-

gen nicht nur im Bereich des Werkvertrags-

rechts, sondern auch für Werklieferungs-

oder Kaufverträge.

(OLG Nürnberg, Urteil vom 20.08.2014,

Az. 12 U 2119/13)

Keine Vergütung ohne Abnahme

Die vom Besteller erklärte Abnahme ist

grundsätzlich Fälligkeitsvoraussetzung für

den Vergütungsanspruch. Unter Abnahme

ist die mit der körperlichen Entgegennahme

des Werks verbundene Erklärung des Bestel-

lers zu verstehen, dass er die Werkleis-

tung als in der Hauptsache vertragsgemäß

anerkennt. Der Einzug des Bestellers in ein

weitgehend fertiggestelltes Gebäude stellt

jedenfalls dann keine konkludente/still-

schweigende Abnahmeerklärung dar, wenn

der Besteller zuvor Mängel gerügt hat.

Der Abnahme als Fälligkeitsvoraussetzung

bedarf es nicht mehr, wenn der Erfüllungs-

anspruch des Bestellers untergegangen ist.

In einem solchen Fall wandelt sich das Leis-

tungs- in ein reines Abrechnungsverhältnis

um. Bringt der Unternehmer zum Ausdruck,

dass er keine Mängelbeseitigungsarbeiten

mehr ausführen wird, führt dies nicht zur

Entbehrlichkeit der Abnahme als Fälligkeits-

voraussetzung. Durch die Weigerung des

Unternehmers, Mängel zu beseitigen, wird

ein Übergang in das Abrechnungsstadium

nicht bewirkt, und zwar auch dann nicht,

wenn der Unternehmer die Mängelbeseiti-

gung endgültig verweigert.

(OLG Düsseldorf, Urteil vom 22.07.2014,

Az. 21 U 193/13)

Zur Risikolast bei Mängeln

Ein Werk ist mangelhaft, wenn es mit Feh-

lern behaftet ist, die den gewöhnlichen

oder nach dem Vertrag vorausgesetzten

Gebrauch aufheben oder mindern. Welchen

Gebrauch und damit welche Beschaffenheit

des Werks die Parteien vereinbart haben,

ist durch Auslegung des Werkvertrags zu

ermitteln. Zur vereinbarten Beschaffenheit

gehören alle Eigenschaften des Werks, die

nach der Vereinbarung der Parteien den ver-

traglich geschuldeten Erfolg herbeiführen

sollen. Dieser bestimmt sich nicht allein nach

der zu seiner Erreichung vereinbarten Leis-

tung oder Ausführungsart, sondern auch

danach, welche Funktion das Werk nach

dem Willen der Parteien erfüllen soll. Der

bloße Umstand, dass Glasscheiben gebro-

chen sind, sagt nichts darüber aus, welche

Vertragspartei dieses Risiko zu tragen hat. Es

kommt vielmehr darauf an, ob die Parteien

als Funktion vereinbarten, dass keine Glas-

brüche, außer durch Fremdeinwirkungen,

auftreten dürfen.

(BGH, Beschluss vom 09.07.2014,

Az. VII ZR 161/13)

Prüfungspfl ichten bei Ausführung von

Tiefbauarbeiten

Ein Tiefbauunternehmer muss sich vor

Durchführung von Erdarbeiten an öffentli-

chen Straßenfl ächen nach der Existenz und

dem Verlauf unterirdisch verlegter Versor-

gungsleitungen erkundigen. Diese Sorg-

faltspfl ichten treffen sowohl den Unterneh-

mer, der die Tiefbauarbeiten ausführt, als

auch denjenigen, der die Arbeiten durch

Beauftragung eines (Nach-)Unternehmers

veranlasst. Überträgt der ausführende

Unternehmer die Prüfungspfl ichten im Bau-

vertrag an seinen Auftraggeber, verbleiben

ihm dennoch Auswahl-, Kontroll- und Über-

wachungspfl ichten, aufgrund derer er sei-

nerseits kontrollieren muss, ob sein Auftrag-

geber sich hinreichende Gewissheit von der

Lage eventueller Leitungen verschafft hat.

(OLG Köln, Urteil vom 07.05.2014,

Az. 16 U 135/13)

ÖFFENTLICHES BAU- UND IMMOBIL IENRECHT

Baugenehmigung bleibt wirksam

Eine Baugenehmigung nach § 58 Abs. 1

LBO (Landesbauordnung Baden-Württem-

berg) wirkt als grundstücks- und vorhaben-

bezogener Verwaltungsakt immer auch für

und gegen den jeweiligen Eigentümer des

Grundstücks und nicht nur für den Bauherrn

und dessen Rechtsnachfolger. Die Unterbre-

chung einer genehmigten Nutzung kann

für sich genommen nicht zur Erledigung

der Baugenehmigung auf andere Weise

führen, wenn ihr kein dauernder Verzichts-

wille zugrunde liegt, der unmissverständlich

und unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht

worden ist. Die Abmeldung eines Gewer-

bes kann grundsätzlich nicht als unmissver-

ständlicher und unzweifelhafter Ausdruck

eines Verzichtswillens gewertet werden.

Eine Baugenehmigung kann sich aufgrund

einer Änderung der Sach- oder Rechts-

lage nur ausnahmsweise i. S. d. § 43 Abs. 2

LVwVfG auf andere Weise erledigen.

(VGH Baden-Württemberg, Urteil vom

08.07.2014, Az. 8 S 1071/13)