New Economic History Eine Einführung Uwe Fraunholz.

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„New Economic History“ Eine Einführung Uwe Fraunholz

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„New Economic History“

Eine Einführung

Uwe Fraunholz

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Inhalt

• Was ist Wirtschaftsgeschichte ? • Vorteile der Wirtschaftsgeschichte • Begriffsklärung „New Economic History“ • Besonderheiten der Kliometrie • Vorteile der Kliometrie• Kritik an Kliometrie • Entwicklung der Kliometrie: Anfänge Nobelpreis1993 Heutige Situation• Weiterführende Literatur

Arbeiter um 1910

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Was ist Wirtschaftsgeschichte ?

Wirtschaftsgeschichte beschäftigt sich mit vergangenen wirtschaftlichen

• Strukturen und Prozessen• Institutionen und Theorien

• Handlungen und Ereignissen• Sozialen Gruppen und Schichten

sowie ihren wechselseitigen Beziehungen und Konflikten

Ökonomisches Verhalten wird anhand historischer Daten untersucht

Wirtschaftsgeschichte als integraler Bestandteil der Ökonomie:Mit Gegenwartsfragen befasste Ökonomen finden großen Fundus an

Erfahrungen, um ökonomische Theorien und Methoden zu testen Rückschlüsse auf die Gegenwart sind möglich

Unternehmer um 1910

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Vorteile der Wirtschaftsgeschichte

Wirtschaftsgeschichte bietet ein Experimentierfeld, auf dem wirtschaftswissenschaftliche Hypothesen und Theorien überprüft

werden können

Historische Bedingtheit und Offenheit von Entwicklungen werden betont, Relativierung von Sachzwängen:

Alternativen, Lösungsmöglichkeiten werden sichtbar

Heutige Wirtschafts- und Gesellschaftsstrukturen können besser verstanden werden

AEG Spulenwickelei 1908

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Begriffsklärung „New Economic History“

New Economic History =

Econometric History, Historical Economics, Cliometrics, Kliometrie

Clio = Muse der Geschichtswissenschaft

metrie = Einsatz ökonomisch-statistischer Mess- und Erklärungsverfahren

Kliometrie = Formulierung testbarer Hypothesen in der Geschichtswissenschaft mit Hilfe der ökonomischen Theorie und ihre

Verifikation unter Benutzung quantitativer Methoden

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Besonderheiten der Kliometrie

Verbindung historischer Methodik mit ökonomischer Theorie

Werkzeuge der modernen Wirtschaftswissenschaften werden systematisch auf die Analyse des Wirtschaftsprozesses angewendet

Charakteristika: expliziter Gebrauch theoretischer Modelle („Denken in Modellen“)

Kontrafaktische Vorgehensweise Quantifizierung: Analyse grosser Datenmengen

Anwendung formaler statistischer Techniken („Messen von Geschichte“)Computereinsatz (z. B. Regressionsanalyse mit SPSS)

Ökonomische Modelle werden durch ökonometrische Methoden mit Daten aus der Vergangenheit getestet

Kolonialwarenladen um 1905

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Generell: Der Vorteil formaler Theorie ist, dass sie ihre Annahmen explizit macht

und systematisch vorgeht: Hypothesenformulierung wird einer intersubjektiven empirischen Prüfung ausgesetzt

Vorteile der Kliometrie

Gegenüber der Ökonometrie: Steuergeheimnis erlischt nach 80 Jahren, Datenreservoir der

Wirtschaftsgeschichte

Gegenüber traditioneller Wirtschaftsgeschichte:empirische Methoden können zu einer den Naturwissenschaften

vergleichbaren Fundierung von Antworten führen(Experiment wird ersetzt)

Regressionsnr. 1 2 3 4 5

Stadt Stadt Stadt Stadt Bezirk

Konstante 2.39 4.80 4.59 1.13 1.40

(0.13) (0.00) (0.00) (0.38) (0.00)

Log Gründungsrate 0.45* - - 0.63* 0.56*

1874-96 (0.08) - - (0.02) (0.04)

Log % Klein- / 0.46* 0.64* 0.67* 0.50* 0.13

Mittlere Betriebe (0.05) (0.00) (0.01) (0.04) (0.51)

Log % Industrie u. -0.01

Dienstleistung (0.95)

Log % -0.37* -0.29* -0.29* -0.34*

Landwirtschaft (0.01) (0.00) (0.04) (0.02)

Log % Tourismus -0.69* -1.29* -1.27* -0.65* -0.23

(0.06) (0.04) (0.00) (0.08) (0.24)

Log % Unter- -0.31 - 0.38 -0.004 -0.11

nehmensmortalität (0.31) - (0.11) (0.90) (0.39)

Normalität 0.70 0.41 0.60 0.41 0.48

Gütemaß korrig. R² 0.43 0.46 0.63 0.68 0.45

Zahl der Fälle 34 45 37 35 46

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Kritik an Kliometrie

von traditionellen Historikern:

kontrafaktische Vorgehensweise = ahistorisch

von „kritischen“ Wissenschaftlern:

Orientierung an neoklassischer Rationalität führt zur Einschränkung des Blickwinkels, Legitimation bestehender Verhältnisse

aber: jede Geschichtsschreibung beinhaltet kontrafaktische Elemente

aber: auch andere Modelle und Theorien können getestet werden, „Data Mining“ dient der Weiterentwicklung von Modellen,

auch wenn sich eine Theorie nicht verifizieren lässt, ist das ein Ergebnis

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Kliometrische Pionierarbeiten:

Entwicklung der Kliometrie: Anfänge

• Gayer, Arthur D./ Rostow, Walt W./ Jacobson Schwartz, Anna: The Growth and Fluctuation of the British Economy, 1790-1850, An historical, statistical and theoretical study of Britain‘s economic development. Oxford 1953. • Conrad, Alfred/ Meyer, John: The economics of slavery in the antebellum South, in: JPE 66 (1958), 95-130.

Starken Einfluss auf die Wirtschaftsgeschichte in Deutschland übten aus:

• Rostow, Walt W.: Stadien wirtschaftlichen Wachstums. Eine Alternative zur marxistischen Entwicklungstheorie, 2. Aufl., Göttingen 1967 (engl. 1960).• Gerschenkron, Alexander: Economic Backwardness in Historical Perspective, Cambridge/Mass. 1966.• Landes, David S. : Der entfesselte Prometheus. Technologischer Wandel und industrielle Entwicklung in Westeuropa von 1750 bis zur Gegenwart, Köln 1973 (engl. 1969).• Kuznets, Simon: Modern Economic Growth Rate, Structure and Spread, New Haven 1966.

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Entwicklung der Kliometrie: Nobelpreis 1993

Robert W. Fogel

Douglas C. North

“for having renewed research in economic history by applying economic theory and quantitative methods in order to explain economic and institutional change.”

• Railroads and American Economic Growth, Essays in Econometric History, 1964.• mit Stanley Engerman: Time on the Cross. The Economics of American Negro Slavery, 1974.

„Vater“ der "New Economic History“ kontrafaktische Modelle

Konzept der totalen Faktorproduktivität, Anreiztheorie

• mit Robert Thomas: The Rise of the Western World, 1973.• Theorie des institutionellen Wandels, Eine neue Sicht der Wirtschaftsgeschichte, 1988.

InstitutionalismusProperty Rights-Ansatz, Transaktionskostentheorie

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Kliometrie ist in der US-amerikanischen Wirtschaftsgeschichte dominant(„Economic History“ meist bei Wirtschaftswissenschaften angesiedelt)

Entwicklung der Kliometrie: Heutige Situation

in Grossbritannien und Irland ist Kliometrie bedeutend

auf dem Kontinent wird ebenfalls zunehmend Kliometrie betrieben(Beispiele in Deutschland:

München, LMU – Berlin, HU – Münster - Tübingen)

aber: in Deutschland traditionell stärkere Bindung der Wirtschaftsgeschichte an Geschichts- als an Wirtschaftswissenschaften,

die meisten Lehrstühle kombinieren Wirtschafts- u. Sozialgeschichte

Forderung nach stärkerer Theorieorientierung, Quantifizierung und Aufnahme der Institutionenökonomik setzt sich langsam durch

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• The Cliometric Society (Hg.): Two Pioneers of Cliometrics, Robert W. Fogel and Douglas C. North, Oxford/Ohio 1994.

• Dumke, Rolf: Clio's Climateric? Betrachtungen über den Stand und Entwicklungstendenzen der Cliometrischen Wirtschaftsgeschichte, in: VSWG 73 (1986), H. 4, S. 457-487.

• Eddie, Scott M.: Cliometrics: What is it, whither came it forth ?, in: Ders./ John Komlos (Hgg.): Selected Cliometric Studies on German Economic History, Stuttgart 1997, S.12-16.

• Pierenkemper, Toni: Gebunden an zwei Kulturen. Zum Standort der modernen Wirtschaftsgeschichte im Spektrum der Wissenschaften, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte, 1995/2, S. 163-176. • Tilly, Richard: Einige Bemerkungen zur theoretischen Basis der modernen Wirtschaftsgeschichte, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 1994/1, S. 131-149. • Wirtschafts- und Sozialgeschichte - Neue Wege? Zum wissenschaftlichen Standort des Faches, in: VSWG 1995/3, S. 387-422 und 1995/4, S. 496-510.  

Weiterführende Literatur