Nichtrömische Quellen der römischen Liturgie · P. Martin Reinecke. 42 sche Gemeinde in Rom...

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41 Dominus Vobiscum · Nr. 15 · Oktober 2017 Da der eigentlich für die PMT-Hauptver- sammlung vorgesehene Referent am Freitagmorgen aus Krankheitsgründen abgesagt hatte, erklärte P. Reinecke sich kurzfristig bereit, mit einem Vortrag über ein liturgisches Thema einzuspringen, den wir im Folgenden abdrucken. 0. Einleitung Wir sprechen heute über die außerrö- mischen Quellen unserer römischen Liturgie, wobei wir uns auf die Quellen der Liturgie der römischen Messe be- schränken wollen. Die Quellen der an- deren Teile der römischen Liturgie, wie u.a. das Stundengebet, bedürfen einer eigenen eingehenden Untersuchung. Die Frage nach den außerrömischen Einflüssen auf die römische Meßlitur- gie ist eine vielfältige, die uns einer- seits an den Ursprung römischer Litur- gie zurückführt und uns andererseits die geschichtliche Entwicklung und Weiterentwicklung der Liturgie des hl. Gregors des Großen erkennen läßt. Die jüdisch-alttestamentlichen Quel- len, die am Anfang jeder christlichen Liturgie stehen, lassen wir dabei bei unseren Überlegungen außer acht. 1. Außerrömisches an den Ur- sprüngen lateinisch-römischer Liturgie Wenden wir uns zunächst den Ur- sprüngen lateinischer, römischer Li- turgie zu und fragen uns, woher die lateinischen Liturgietexte zu uns ge- kommen sind, denn auch die römi- schen liturgischen Texte sind ja nicht durchweg in unserem Liturgiebereich neu entstanden. 1.1. Die eucharistia des Hippo- lyt als ältestes Zeugnis stadtrö- mischer Liturgie? „Die Anfänge der lateinischen Messe in Rom sind zunächst in tiefes Dunkel gehüllt.“ 1 Über die frühe Liturgie der Stadt Rom wissen wir nur äußerst we- nig. Vielfach wird die Auffassung ver- treten, die sogenannte „Apostolische Überlieferung“ des Hippolyt - und da- mit eben auch das Eucharistiegebet des Hippolyt - sei in Rom entstanden und repräsentiere die frühe und ur- sprüngliche Liturgie der Stadt Rom. Die Tatsache, daß das darin enthalte- ne Eucharistiegebet später als Vorlage für eine Reihe von orientalischen Ana- phoren diente, während die Schrift auf die spätere römische Liturgie keinerlei Einfluß gehabt hat, und einige weitere Tatsachen, erweisen diese Annahme als keineswegs so sicher, wie man viel- fach glauben möchte. Es dürfte wohl eher so sein, daß Hippolyt, der sich selber einmal als „Presbyteros zu Rom und Bischof der Heiden“ bezeichnet, Lehrer und Vor- steher einer heidenchristlichen, sprich ägyptischen, Kirchengemeinde in Rom war. Als solcher hat er die „Para- dosis“ vielleicht für seine alexandrini- 1 J. A. Jungmann, Missarum Sollemnia, Eine ge- netische Erklärung der römischen Messe, Bd. 1, Freiburg, 41958, 63. Nichtrömische Quellen der römischen Liturgie von Lic.theol. Martin Reinecke Kommunion-Confiteor in St. Kunibert, Köln (Pontifikalamt mit Weihbischof Dick) P. Martin Reinecke

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Page 1: Nichtrömische Quellen der römischen Liturgie · P. Martin Reinecke. 42 sche Gemeinde in Rom verfaßt, bear-beitet oder übernommen, wo sie auch eine Zeit lang gebraucht wurde. Die

41Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

Da der eigentlich fuumlr die PMT-Hauptver-sammlung vorgesehene Referent am Freitagmorgen aus Krankheitsgruumlnden abgesagt hatte erklaumlrte P Reinecke sich kurz fristig bereit mit einem Vortrag uumlber ein liturgisches Thema ein zu springen den wir im Folgenden abdrucken

0 EinleitungWir sprechen heute uumlber die auszligerrouml-mischen Quellen unserer rouml mischen Liturgie wobei wir uns auf die Quellen der Liturgie der roumlmischen Messe be-schraumlnken wollen Die Quellen der an-deren Teile der roumlmischen Liturgie wie ua das Stundengebet beduumlrfen einer eigenen eingehenden Untersuchung

Die Frage nach den auszligerroumlmischen Einfluumlssen auf die roumlmische Meszliglitur-gie ist eine vielfaumlltige die uns einer-seits an den Ursprung roumlmischer Litur-gie zuruumlckfuumlhrt und uns andererseits die geschichtliche Entwicklung und Weiterentwicklung der Liturgie des hl Gregors des Groszligen erkennen laumlszligt Die juumldisch-alt testa ment li chen Quel-len die am Anfang jeder christlichen Liturgie ste hen lassen wir dabei bei unseren Uumlberlegungen auszliger acht

1 Auszligerroumlmisches an den Ur-spruumlngen lateinisch-roumlmischer LiturgieWenden wir uns zunaumlchst den Ur-spruumlngen lateinischer roumlmischer Li-turgie zu und fragen uns woher die lateinischen Liturgie texte zu uns ge-kommen sind denn auch die roumlmi-schen liturgischen Texte sind ja nicht durchweg in unserem Liturgiebereich neu entstanden

11 Die eucharistia des Hippo-lyt als aumlltestes Zeugnis stadtrouml-mischer LiturgiebdquoDie Anfaumlnge der lateinischen Messe in Rom sind zunaumlchst in tiefes Dunkel

gehuumllltldquo1 Uumlber die fruumlhe Liturgie der Stadt Rom wissen wir nur aumluszligerst we-nig Vielfach wird die Auffassung ver-treten die sogenannte bdquoApostolische Uumlberlieferungldquo des Hippolyt - und da-mit eben auch das Eucharistiegebet des Hippolyt - sei in Rom entstanden und repraumlsentiere die fruumlhe und ur-spruumlngliche Liturgie der Stadt Rom

Die Tatsache daszlig das darin enthalte-ne Eucharistiegebet spaumlter als Vorlage fuumlr eine Reihe von orientalischen Ana-phoren diente waumlhrend die Schrift auf die spaumltere roumlmische Liturgie keinerlei Einfluszlig gehabt hat und einige weitere Tatsachen erweisen diese An nah me als keineswegs so sicher wie man viel-fach glauben moumlchte

Es duumlrfte wohl eher so sein daszlig Hippolyt der sich selber einmal als bdquoPresbyte ros zu Rom und Bischof der Heidenldquo bezeichnet Lehrer und Vor-steher einer heiden christlichen sprich aumlgyp ti schen Kirchengemeinde in Rom war Als solcher hat er die bdquoPara-dosisldquo vielleicht fuumlr seine alexan dri ni-

1 J A Jungmann Missarum Sollemnia Eine geshynetische Erklaumlrung der roumlmischen Messe Bd 1 Freiburg 41958 63

Nichtroumlmische Quellen der roumlmischen Liturgie

von Lictheol Martin Reinecke

Kommunion-Confiteor in St Kunibert Koumlln (Pontifikalamt mit Weihbischof Dick)

P Martin Reinecke

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sche Gemeinde in Rom verfaszligt bear-beitet oder uumlbernommen wo sie auch eine Zeit lang gebraucht wurde Die aumlgyptische Bevoumllkerung Roms war im 3 und 4 Jh recht groszlig von daher ge-winnt diese An nahme an Bedeutung

Als Zeugnis fruumlher stadtroumlmischer Li-turgie kann man die eucharistia des Hippolyt sicher nicht sehen Bezeich-nenderweise war sie aller dings wohl in Aquileja in Gebrauch wie eine nicht mehr ganz vollstaumlndige lateinische Handschrift aus diesem Raum aus-druumlcklich bestaumltigt die entweder in Aquileja entstanden oder doch zu-mindest dort abgeschrieben worden ist Allem Anschein nach wurde hier auch das Eucharistiegebet der Traditio in der Liturgie ver wendet Fuumlr das 4 Jh sind li tur gische Beziehungen Aqui-lejas das damals nach Rom die be-deutendste Stadt Italiens war zu Ale-xandrien be zeugt So schreibt Bischof Valerianus an den roumlmischen Kai ser seine Kirche folge in der Disziplin und der Kirchenord nung der Kirche von Alexandria2

12 Die Herkunft des Canon RomanusDas aumllteste liturgische Dokument Roms stellt ein Gebet am Ende des 1 Clemensbriefes dar Es ist in griechi-scher Sprache verfaszligt und hat Anklaumln-

2 bdquoNam etsi Alexandrinae ec clesiae semper disposishytionem ordinemque tenue ri musldquo PL 16949

ge an ein Eucharistiegebet in dem der Dank fuumlr die Erloumlsung mit einem Bittgebet fuumlr die Kirche verbunden ist Es handelt sich dabei sicher nicht um eine fixierte Formel da bis in die Zei-ten Konstantins der Wortlaut des Eu-charistiegebets weitestgehend noch nicht verbindlich festgelegt war Einen direkten Einfluszlig auf die spaumltere roumlmi-sche Liturgie hatte der Text nicht

Ansonsten haben wir nur einige bdquoZi- tate liturgischer Texte bei roumlmischen Schriftstellern (va) des 4 Jahrhun-dertsldquo3 Dabei handelt es sich meist um Zitate griechischer Liturgietexte wie ja auch griechisch waumlhrend der ersten Jahrhunderte Liturgiesprache in Rom gewesen ist Eine einheitliche sbquooffiziellelsquo roumlmische Liturgie hat es da-mals in Rom nicht gegeben So haben die Auslandsgemeinden besonders die Griechen in der Hauptstadt des westroumlmischen Reiches ihre eigenen Gottesdienste mit eigenen Prie stern in ihrer Sprache und im Ritus ihrer Hei-mat gefeiert

Sicher gab es auch schon fruumlh latei-nisch sprechende Gemeinden so daszlig einige Zeit hindurch beide Sprachen

3 K Gamber Missa Romensis Beitraumlge zur fruumlhen roumlmischen Liturgie und zu den Anfaumlngen des Misshysale Romanum Regensburg 1970 15 Ausfuumlhrliche Darstellung dort 15shy21

nebeneinander verwendet worden sind Die Inschriften der Papstgraumlber werden schon von der 2 Haumllfte des 3 Jh an lateinisch Endguumlltig setzte sich das Lateinische wohl erst unter Papst Damasus (366-384) durch Zu-sammenfassend kann man sagen bdquoSolange Rom noch Hauptstadt des roumlmischen Imperiums und in seinem Voumllkergemisch vielen heutigen Welt-staumldten aumlhnlich war konnte sich hier kein einheitlicher roumlmischer Ritus entwickeln Die einzelnen Volksgrup-pen wie die Griechen die Syrer und die Aumlgypter haben eigene (Haus-)Ge-meinden gebildet In ihnen wurden kultische Formen und Gebete verwen-det die denen in ihrer Heimat entspro-chen habenldquo4

Ein erster Hinweis auf den spaumlteren Text des Canon Romanus findet sich bei dem sogenannten Ambrosiaster in der Zeit des Papstes Damasus Er ver-weist auf ein lateinisches Eucharistie-gebet das dem spaumlteren Canon aumlhn-lich war und die Wendung bdquosummus sacerdos (tuus Mel chisedech)ldquo aufwies5

Vielleicht zitiert der Ambrosiaster der mit Niceta von Remesiana indentisch sein koumlnnte6 aus dem Canon-Gebet in bdquoDe sacramentisldquo IV21-2226-277 Die

4 Ebd 205 CSEL 502686 Vgl dazu K Gamber Fragen zu Person und Werk des Niceta von Re mesiana in Roumlmische Quartalshyschrift 62 (1967) 222shy2317 Neueste Ausgabe von K Gamber Niceta von

Hippolyt von Rom

Krypta der Paumlpste (Calixtus-Katakomben)

Martyrium von Papst Sixtus II

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Autorschaft dieser Schrift ist lange Zeit sehr umstritten gewesen und sie ist es auch heute noch Vielfach nahm und nimmt man an der hl Ambrosius von Mailand (+397) sei ihr Verfasser Die Vertre ter dieser These gingen zum Teil davon aus bdquoDe sacramentisldquo sei eine stenographische Niederschrift von ka-techetischen Predigten des Ambrosi-us fuumlr Neugetaufte in der Osterwoche die der Bischof spaumlter in bdquoDe mysteriisldquo aus gearbeitet habe Teils nahm man an bdquoDe sacramentisldquo sei eine private Mitschrift der Predigten des Ambrosi-us waumlhrend bdquoDe my steriisldquo die literari-sche Fassung der von Ambrosius ge-sprochenen Worte darstelle

Remesiana Instructio ad com petentes Fruumlhchristlishyche Katechesen aus Dacien Regensburg 1964 151shy153

Diese These fand aber auch entschie-dene Gegner Diese beriefen sich ebenfalls auf verschiedene Gruumlnde So gibt es bedeutende stilistische Sprach-unterschiede Doch es gibt auch ande-re vor allem liturgische Gruumlnde gegen die Autor schaft des Ambrosius Vor allem die aumllteren Liturgiker haben Bedenken dabei da in Mailand eine Liturgie gefeiert wurde in der die Ca-nonica prex der Sermones ein Fremd-

koumlrper gewe sen waumlre In juumlngerer Zeit hat K Gamber die These aufge stellt die sechs Sermonen bdquoDe sacramentisldquo

stammten von Niceta von Remesiana (+ um 420)8

Das Eucharistiegebet in bdquoDe sa cra-mentisldquo ist deutlich mit dem roumlmischen Meszligcanon verwandt Der Einsetzungs-bericht ist nicht mit dem Dankgebet verbunden wie bei Hippolyt und den orientalischen Anaphoren sondern mit dem Opfergebet wie im roumlmi-schen Canon der Serapion-Ana phora und der aumlgyptischen Markus-Liturgie Wiedergegeben ist das Opfergebet dem wahrschein lich als Ab schluszlig des Dank gebets eine Kirchenbitte voraus-ging wie in der Didache in einigen aumlgyptischen Anaphoren und wie im bdquoTe igi turldquo

Der Au tor der Sermonen ist sicher nicht identisch mit dem der Prex er hat nur eine in seiner Kirche bereits uumlbliche For mel zitiert Als Heimat des Gebets gilt Nordafrika bdquoder ei-

8 Vgl K Gamber Die Autorschaft von De sacrashymentis Zugleich ein Beitrag zur Liturgeschichte der roumlmischen Provinz Dacia mediterranea Regensburg 1967

Titelseite von bdquoDe sacramentisldquo

bdquoHanc igitur oblationem servitutis nostraeldquo (Fragment aus bdquoDe sacramentisldquo)

hl Ambrosius von Mailand (339-397)

Ambrosiaster (St Gallen Stiftsbibliothek)

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gentliche Mutterboden des lateini-schen Chri sten tumsldquo9 Darauf weist z B die letzte Vaterunser-Bitte hin bdquoEt ne patiaris nos induci in ten ta tio nemldquo Sie ist so in Nordafrika bis Augustinus nachweisbar Auch finden sich bei Cy-prian (+258) deutliche Anklaumlnge an unser Gebet (Ep 6317) Die Formel scheint deshalb aus der nordafrikani-schen Kirche zu stammen aus der Zeit um bzw nach 200 Im Okzident war sie weit verbreitet wie die Sermonen bdquoDe Sa cra mentisldquo selber zeigen Die Cano-nica prex stellt allerdings keine Fruumlh-form des roumlmischen Canon dar sie ist eine gaumlnzlich eigene Redaktion wie die abweichende Formulierung des Einsetzungsbe richtes und der Worte Christi zeigen Auch im fruumlhen Spa-nien war das Eucharistiegebet wohl in Gebrauch So begegnen uns in der spaumlteren mozarabischen Liturgie (seit dem 6 7 Jh) einige Gebete aus un-serer Prex

Der Text zeigt auffaumlllige Uumlbereinstim-mungen mit dem spaumlteren alexandri-nischen Anaphora-Ge bet das eine er-weiterte Fassung eines urspruumlnglichen Eucharistiegebets der Kirche von Ale-xandrien darstellt Eine Gegenuumlber-stellung zeigt daszlig der lateinische Text in bdquoDe sacramentisldquo eine fast woumlrtliche Uumlbersetzung der griechischen Vorla-ge darstellt Schon Anton Baumstark hatte vermutet daszlig der roumlmische Meszlig-Canon die Uumlbertragung eines griechischen Originals sei Es duumlrfte aber wohl der Text in bdquoDe sacramentisldquo sein der auf ein griechisches Original zuruumlckgeht

9 G Kunze Die gottesdienstliche Schrift lesung I Goumlttingen 1947 103

Ob nun der Canon romanus selber eine eigene Uumlbersetzung aus dem Griechi-schen ist oder eine Bearbeitung des Canons in bdquoDe sacramentisldquo darstellt laumlszligt sich heute nicht mehr feststellen Mit Sicherheit koumlnnen wir aber sagen daszlig der Canon der roumlmischen Liturgie auf grie chisch sprachige Urspruumlnge zuruumlckgeht und das fruumlhe Euchari-stiegebet der Kirche von Alexandria als Quelle hat

13 Gregor der Groszlige und sein SakramentarDie roumlmische Liturgie wie wir sie ken-nen und insbesondere das Missale Ro-manum sind eng verknuumlpft mit dem Namen Papst Gregors des Groszligen (590-604) Nach der einhelligen Tra-dition des Mittelalters hat Gregor ein bdquoLiber sacramentorum anni circuli ro-manae ecclesiaeldquo verfaszligt Auch wenn in juumlngerer Zeit einige Forscher die Au-torschaft Gregors bezweifeln10 spricht doch die Nennung seines Namens in den spaumlteren Redaktionen und vor allem die Verwendung dieses Liturgie-buchs in den sogenannten Sacramen-taria mixta fuumlr Gregor als Verfasser des Gregorianums

Gregor wurde im Spaumltsommer 590 als Nachfolger des Papstes Gelasius II (579-590) zum Bischof von Rom ge-waumlhlt Die Lage der roumlmischen Kirche war zu Beginn seines Pontifikats aumlu-szligerst schwierig um nicht zu sagen

10 Vgl H Ashworth Did St Gregory the Great compose a Sacramentary in Stu dia Patristica II (Berlin 1957) 3ff Did St Augustine bring the Greshygo rianum to England in Ephem lit 72 (1958) 39shy43 In Quest of the primitive Gre go rianum ebd 319shy322

trostlos Gregor selbst beschreibt das in einem Brief an den Patriarchen von Konstantinopel Johannes so bdquoIch Un-wuumlrdiger und Schwacher habe ein altes und von den Wellen arg mitgenomme-nes Schiff uumlbernommen in das von allen Seiten die Wogen eindringen und dessen morsche Planken unablaumlssig von Stuumlr-men gepeitscht den nahen Schiffbruch ankuumlndigenldquo11 Dringendste Aufgabe war deshalb zuerst die Reorganisation der Verwaltung des Patrimonium Pet-ri nach dem Einfall der Langobarden in Italien im Jahre 56812 Von Anfang an lag Gregor wohl eine liturgische Erneuerung am Herzen die aber zu-naumlchst zuruumlckstehen muszligte

11 Ep Lib I ep 412 Zu den Folgen des Lango bar den einfalls und Gregors VerwaltungsshyReorganisation siehe I Schushyster Gregor der Groszlige und sein Werk in Ders Liber Sacramentorum Geschichtliche und liturgische Stushydien uumlber das roumlmische Meszligbuch Bd 1 Regensburg 1929 47shy 54

hl Gregor der Groszlige

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Er beginnt sie im Jahr 592 mit der He-rausgabe des bdquoLiber sacra men torum anni circuli romanae ecclesiaeldquo Dabei handelte es sich um ein Liturgiebuch fuumlr die Feier der paumlpstlichen Stati-onsgottesdienste das zugleich die roumlmischen Stationsfeiern neu ordnen sollte wie Gregors Biograph Johannes Diaconus schreibtldquo13

Gregor hatte also keineswegs die Ab-sicht ein Liturgiebuch fuumlr die ganze abendlaumlndische Kirche zu verfassen das fuumlr Jahrhunderte guumlltig sein soll-te Tatsaumlchlich war das Stations-Sa-kramentar bdquoprimaumlr fuumlr das Jahr 592 bestimmtldquo14

Gregor hat dabei nicht etwa ein neu-es Sakramentar entworfen d h selbst die Gebete und Formeln geschaffen Seine Arbeit war hauptsaumlchlich Redak-tionsarbeit Dazu griff er auf Oratio-nen fruumlherer Paumlpste zuruumlck wie sie im Paumlpstlichen Archiv aufbewahrt wur-den Die fuumlgte er in sein Sakramentar ein wobei er den Text gelegentlich uumlberarbeitet hat bdquoNur relativ wenige Formeln hat er selbst verfaszligtldquo15

Neben diesen rein roumlmischen Quellen den Meszlig-Libelli der roumlmischen Paumlpste seit ungefaumlhr Leo d Gr (440-461) be-nuumltzte Gregor anscheinend noch ein

13 ldquoStationes per basilicas vel beatorum martyrum coemeteria secundum quod hactenus plebs romana quasi eo vivente certatim discurrit solicitus ordishynavitldquo Vita S Gregorii II 18 (PL 7594)14 K Gamber Sacramentarium Gre go rianum I Das Stationsmeszligbuch des Papstes Gregor Versuch einer Rekonstruktion nach hauptsaumlchlich bayerischen Handschriften Regensburg 1966 715 K Gamber Codices liturgici latini antiquiores Freiburg i Ue 21968 326

anderes nichtroumlmisches Liturgie buch In manchen Orationen der Sonntags-messen und der Karwoche (bdquoDeus a quo et Iudasldquo am Gruumlndonnerstag) ist das noch er kenntlich

Diese zweite nichtroumlmische Quelle des Gregorianums war das Sakramen-tar des Paulinus von Nola (+ 431) Pau-linus war beruumlhmt fuumlr seine theologi-sche Bildung und seine Beredsamkeit Augustinus der mit ihm im Briefwech-sel stand und Hieronymus spendeten ihm Lob dafuumlr So war sein Sakramen-tar weit uumlber Nola und Kampanien hinaus verbreitet Als das erste in Mit-telitalien entstandene Jahres-Sakra-mentar kam es bald auch nach Rom wo es besonders an den Titelkirchen Verwendung fand Auch die Paumlp ste verwendeten einzelne Orationen dar-aus fuumlr ihre Meszlig-Libelli wie zahlreiche Orationen im Sacramentarium Leonia-num zeigen Auch Gregor d Gr nutzte das kampanische Meszligbuch des Pauli-nus und uumlbernahm daraus Ora tionen

fuumlr sein Stations-Sa kra mentar

Verbreitung des Sacra men-tarium GregorianumObwohl Gregor d Gr sein Sakramentar nur fuumlr seinen persoumlnlichen Gebrauch fuumlr die Feier der roumlmischen Stations-gottesdienste gedacht hatte verbrei-tete sich das Liturgiebuch doch schon bald im nahezu gesamten Abendland wo es mit nichtroumlmischen Sakramen-taren vermischt wurde und haumlufig in diesen Mischformen wieder nach Rom zuruumlckkam

Schon zu Gregors Lebzeiten kam das Gregorianum nach Ravenna und von dort - oder direkt von Rom - nach Aquileja wo ein gregorianisiertes Sacramentarium Gelasianum in Ge-brauch war16

16 Vgl K Mohlberg Die aumllteste erreichbare Gestalt des Liber Savramentorum anni circuli der roumlmischen Kirche Muumlnster 1927

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Im 8 Jh findet sich Gregors Buch be-reits in England und in Bayern Gegen Ende des 7 Jh bittet Karl d Gr den Papst Hadrian (772-795) um ein Meszlig-buch bdquonach dem Brauch der roumlmischen Kircheldquo Er erhaumllt von ihm in den Jah-ren 785786 eine Kopie des von ihm benutzten Stationssakramentars (bdquoHa-drianumldquo) das wohl auf eine Redakti-on des gregorianischen Sakramentars durch Papst Gregor II (715-731) zu-ruumlckgeht und eine Uumlberarbeitung des Gregorianums darstellt Papst Hadrian bezeichnet es in seinem Brief an Kouml-nig Karl als bdquoimmixtumldquo Es wurde als Mu ster exemplar zum Abschreiben in der Palastbibliothek in Aachen nieder-gelegtAuf Draumlngen Karls verbreitet sich die-ses Sakramentar im ganzen Franken-reich Zuvor brachte der Hoftheologe Alkuin einen Anhang mit den fehlen-den Sonntags- und Votivmessen an Allerdings stammen nicht alle erhal-tenen Gregoriana-Handschriften von die sem Exemplar des Papstes Hadrian abDas Gregorianum stellt bdquodie letzte gro-szlige liturgische Gabe der sterbenden Antike darldquo17 Alle Meszligbuuml cher aus spauml-terer Zeit sind bdquosa cra mentaria mixtaldquo

17 K Gamber Missa Romensis 121

die irgend wie auf das Gregorianum zuruumlck gehen So haben wir aus dem 8 Jh zahlreiche Handschriften die teils vollstaumlndig teils fragmentarisch uumlberliefert sind Sie zeigen eine bunte Fuumllle von Formen und sind meist spauml-te Ausbildungen aumllterer Typen Darin wurden aumlltere eigenstaumlndige Litur-giebuumlcher mit Formeln aus dem Gre-gorianum vermischt (Gelasiana mix-ta) oder das Gregorianum wurde mit aumllteren Formeln meist Praumlfationen bereichert (Gregoriana mixta) In der Zeit nach 800 verschwinden die ver-schiedenen Meszligbuchtypen ziemlich ploumltzlich und machen ei ner gewissen Uniformitaumlt Platz Auf diesem Wege ist viel nichtrouml misches aber abend-laumlndisches italisches Gebetsgut in die spaumltere roumlmische Liturgie und in unser Missale Romanum gekommen

2 Fraumlnkische EinfluumlsseMit dem Vordringen roumlmischer Li-turgiebuumlcher in das fraumlnkische Reich und vor allem mit ihrer Foumlrderung durch Karl den Groszligen tritt die roumlmi-sche Liturgie nun in eine neue Phase die auch auf den Hintergrund gesell-schaftlichen und politischen Wan-dels zuruumlck geht Die bdquofolgenschwere Schwer punktverlagerung aus dem Mittelmeerraum in die germanischen insbesondere fraumlnkischen Stammes-gebiete noumlrdlich der Alpen fuumlhrte einerseits zu einer enormen Auswei-tung des Ein fluszlig- und Geltungsberei-ches der roumlmischen Liturgie anderer-seits aber auch zur Verschmelzung mit auszligerroumlmischen Li tur gie traditionen Es entstand eine rouml misch-fraumln ki sche Mischliturgie die die bodenstaumlndigen nichtroumlmischen (Anm d V gallikani-

schen) Liturgien bald fast uumlberall ver-draumlngt hatteldquo18

21 Fraumlnkische Erweiterungen der Missa RomensisNoumlrdlich der Alpen traf nun die sachli-che und nuumlchterne roumlmische Liturgie auf das romanisierte Keltentum das in den ganz andersgearteten gallika-nischen Li tur gieformen seine Heimat hatte19 Die altgallikanische Liturgie geht zuruumlck auf die kleinasiatisch-syrische Liturgie des 4 Jahrhunderts Man kann sie als orientalische Liturgie im lateinischen Gewand bezeichnen Von daher ist sie weit entfernt von der wortkargen Kuumlrze und nuumlchternen Sachlichkeit roumlmischen Denkens Das machte sich nun bei der Rezeption der alten stadtroumlmischen Liturgie des Papstes im fraumlnkischen Raum bemerk-bar

Man uumlbernahm das roumlmische Sakra-mentar so genau wie moumlglich bdquoOb-wohl bei der Luumlckenhaftigkeit der von Rom gekommenen Buumlcher Ergaumln-zungen und Anpassungen wie sie

18 H B Meyer Eucharistie Geschichte Theologie Pastoral (= Handbuch der Liturgiewissenschaft Teil 4) Regensburg 1989 170 19 Eine ausfuumlhrliche Schilderung dieser Phase in J A Jungmann Missarum Sollemnia 98shy122

Karl der Groszlige Sacramentarium Hadrianum

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Alkuin vorgenommen hat nicht zu vermeiden waren ist es staunenswert mit welcher Pietaumlt die neuen Texte gleichwohl uumlbernommen wurdenldquo20 Saumlmtliche roumlmischen Martyrerfeste werden uumlbernommen die roumlmischen Stationen stehen weiterhin uumlber den einzelnen Formularen die Anwei-sungen des Ordo Romanus I werden getreulich abgeschrieben und der liturgischen Praxis zugrunde gelegt Mit anderen Worten man wollte die paumlpstliche Liturgie so genau wie moumlg-lich uumlbernehmen

Trotzdem hat die fraumlnkisch gallikani-sche Mentalitaumlt von Anfang an auf die roumlmische Liturgie eingewirkt und sie weiter entwickelt bdquoBei diesem Prozeszlig blieb der Textbestand der altroumlmi-schen Meszligliturgie weitgehend unan-getastet aber er wurde durch Textma-

20 Ebd 100

terial aus gallisch-fraumlnkischer Tradition ergaumlnzt durch private Priestergebete erweitert und durch gestisch-zere-monielle Elemente angereichertldquo21 So ist Vieles was uns heute an den Ze-remonien der Messe vertraut ist und als typisch roumlmisch erscheint nichts anderes als Frucht der fraumlnkisch-galli-kanischen (und damit letztlich orienta-lischen) Beeinflussungen bei der Uumlber-nahme stadtroumlmischer Gebraumluche im Reich Karls des Groszligen

Als Beispiel mag hier der Gebrauch des Weihrauchs genuumlgen bdquoWaumlhrend roumlmische Weise nur das Mittragen von Weihrauch beim Einzug des Papstes und beim Gang zur Lesung des Evan-geliums kannte tritt auf gallischem Boden im Hochamt sogleich eine mehrfache Be raumlu cherung ein es wird mit geschwungenem Rauchfaszlig der Al-tar nach fester Ordnung um schritten zuerst nur am Beginn der Opfermesse dann bald auch am Beginn der Vor-messe Zur Lesung des Evangeliums muszlig der Weihrauch nicht nur das Buch umwallen sondern nach zeitweilig geltendem Brauch auch in die versam-melte Gemeinde getragen werden was voruumlbergehend zu einer Mehrzahl von Rauchfaumlssern fuumlhrtldquo22

Auch die bis heute uumlblichen Kom-memo ra tionen in der Messe haben dort ihren Ursprung Neben die eine

21 H B Meyer Eucharistie 17022 J A Jungmann Missarum Sollemnia 101shy102

roumlmische Oration koumlnnen nun noch weitere treten wenn nur die Sieben-zahl nicht uumlberschritten wird

Wie gesagt haben auch die priester-lichen Stillgebete in dieser Zeit ihren Ursprung In Gebetsanrede und -stil sind sie von den Formen roumlmischer Orationen weit entfernt Erstmals bie-tet das Sakramentar von Amiens noch aus dem 9 Jahrhundert eine ganze Reihe solcher Gebete von denen sich ein Teil mit den noch heute uumlblichen Texten deckt

Daszlig diese Stillgebete nicht aus roumlmi-scher Tradition stammen sieht man auch an der koumlrperlichen Haltung in der sie vom Prie ster gesprochen wer-den nicht in Orantenhaltung sondern mit gefalteten Haumlnden wie es noumlrd-lichem germanischem Brauch ent-spricht

In dieser Zeit kommen auch zahlreiche Apologien im Verlauf der Messe auf bdquopersoumlnliche Schuld- und Unwuumlrdig-keitsbekenntnisse des Zelebranten von meist betraumlchtlichem Umfang die sich mit der Bitte um Gottes er-barmende Gnade verbindenldquo23 Den Houmlhepunkt der Entfaltung der bdquoApo lo-giae sacerdotisldquo duumlrfte die sogenann-te bdquoMissa Illyricaldquo24 darstellen ein fuumlr einen Bischof bestimmter Meszlig-Ordo aus Minden aus der Zeit um 1030 Der

23 Ebd 103shy10424 CLLA Nr 990

Sacramentarium Hadrianum

Altarinzens beim Pontifikalamt im Petersdom

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Ordo enthaumllt in 35 Formeln Apologien nach dem Ankleiden beim Betreten der Kirche eine laumlngere Reihe nach dem Altarkuszlig eine waumlhrend des Glo-ria mehrere waumlhrend der Zwischen-gesaumlnge und des Offertoriumsge-sangs zur Opferung nach dem bdquoOrate fratresldquo waumlhrend des Sanctus und waumlhrend der Kommunion des VolkesbdquoMaszliggebend fuumlr die weitere Entwick-lung wurde die rituelle Gestalt die die fraumlnkisch-roumlmische Messe um die Jahrtausendwende im sogenannten Rheinischen Meszlig ordo gefunden hat-te der im rheinischen Bereich ent-standen und verbreitet (St Gallen Rei-chenau St AlbanMainz) zunaumlchst fuumlr die bischoumlfliche Feier be stimmt war auf der paumlpstlichen Liturgie des 78 Jh (OR 1) und deren fraumlnkische Adap-tation (OR 5 2 Haumllfte 9Jh) basierte und zahlreiche Elemente enthielt die noch heute zum Ordinarium des roumlmi-schen Meszligritus gehoumlrenldquo25

Die meisten Liturgie wissen schaft-ler sehen diese fraumlnkisch-galli schen Einfluumlsse auf die stadtroumlmische Litur-gie eher skeptisch und sprechen von bdquoroumlmisch-fraumln kische(r) Mischliturgieldquo26 Positiver sieht M Fiedrowicz die Re-zeption im Frankenreich bdquoAll dies war im Kern keine Umformung und Uumlberformung sondern eine Ausrei-

25 M Fiedrowicz Die uumlberlieferte Messe Geshyschichte Gestalt und Theologie des klassischen roumlmischen Ritus MuumllheimMosel 2011 26shy2726 So z B H B Meyer Eucharistie 170

fung des roumlmischen Ritus eine Syn-these der aumluszligerlich-ze re moniellen und innerlich-spi ri tuellen Dimension der Meszligliturgie Einige dieser Gebete sollten bestimmte Gesten begleiten die in der urspruumlnglichen Papstliturgie schweigend vollzogen wurden Auf diese Weise sollte die Froumlmmigkeit des Zelebranten vor einem Automatismus bewahrt bleiben und vom geistigen Sinn dieser Gesten erfuumlllt werden An-dere Gebete waren dazu bestimmt dem Zelebranten die Empfindungen in Erinnerung zu rufen die er haben sollte wenn er zum Altar trat die Op-ferung der Gaben vollzog sich auf die Kommunion vorbereitete oder diese empfangen hatte Harmonisch fuumlgten sich diese Gebete in die Freiraumlume ein die der uumlberkommene Ordo missae beim Erreichen des Altares im Bereich des Offertoriums und der Kommu-nion schlieszliglich am Ende der Messe dem persoumlnlichen Beten des Priesters lieszligldquo27

22 Zuruumlck nach RomUnd genau dieser ausgereifte Ordo der roumlmischen Messe kam ab dem 11 Jahrhundert nach Rom zuruumlck wo das kulturell-kirchliche Leben seit dem Ende des 9 Jahrhunderts einen Tiefstand erreicht hatte bdquoDie Liturgie befand sich im Zustand der Aufloumlsung Klerus und Volk vernachlaumlssigten glei-chermaszligen den Gottesdienst Liturgi-

27 M Fiedrowicz Die uumlberlieferte Messe 25shy26

sche Buumlcher wur den nicht mehr her-gestellt Wie ein Lichtstrahl in jenem Sae culum obscurum tauchten Ende des 10 Jahrhunderts in Italien und Rom selbst liturgische Texte auf die die bodenstaumlndige Form der altroumlmi-schen Liturgie verdraumlngten und den inzwischen noumlrdlich der Alpen weiter ausgebildeten Typus des roumlmischen Ritus an deren Stelle treten lieszligenldquo28

Dieser erweiterte Ritus der nun nach Rom zuruumlckkam war zwar reicher als die alten roumlmischen Formen enthielt aber auch Elemente die dem roumlmi-schen Geist fremd waren So wurde der Meszligordo bereinigt manche der neuen Gebete wurden entfernt und durch andere ersetzt die der roumlmi-schen Mentalitaumlt mehr entsprachen Vor allem die zahlreichen Apologien verschwanden nur das bdquoSuscipe sanc-ta Trinitasldquo blieb bestehen Am Ende dieser Entwicklung stand der bdquoUsus Romanae Curiaeldquo der bereits den Be-stand an fraumlnkisch-galli kanischen Still-gebeten aufwies den wir in unserem Ordo Missae haben Die Ordnung der Meszligfeier bdquosecundum usum Romanae Curiaeldquo verbreitete sich spaumlter - vor allem durch den Franzis kaner orden - uumlber die Stadt Rom hinaus in der gan-zen katholischen Kirche Er wurde die Grundlage fuumlr die Meszligbuchreform im Gefolge des Konzils von Trient

3 Oumlstliche Quellen roumlmischer LiturgieEx Oriente lux Aus dem Osten ist das Licht des christlichen Glaubens her-vorgegangen Wie wir sahen standen orientalische grie chische Quellen am

28 Ebd 27

waumlhrend des Pontifikalamts am Kathedra-Altar von St Peter

49Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

Anfang der lateinisch-roumlmischen Li-turgie Der roumlmische Meszlig-Kanon das Herzstuumlck der Liturgie geht auf eine Uumlbersetzung einer oumlstlichen naumlherhin alexandrinischen Anaphora zuruumlck Damit houmlren Beeinflussung und Be-reicherung der Liturgie Roms aus dem griechischen Osten nicht auf

Die byzantinische Epoche RomsAus der Fruumlhzeit Roms als die Litur-gie noch griechischsprachig war hat sich das bdquoKyrie eleisonldquo in der Litanei und der Messe erhalten waumlhrend es in den altgallikanischen Liturgien zu-mindest in den Fuumlrbitt-Litaneien mit bdquoDomine miserereldquo29 uumlbersetzt wird Die groszlige Zahl der orientalischen griechischsprachigen Paumlpste bis ins 4 Jahrhundert ist beredtes Zeugnis fuumlr den griechischen Einfluszlig auf die fruumlhe roumlmische Kirche und ihre Liturgie

Doch auch spaumlter gab es noch be-deutende griechische Praumlsenzen in der Ewigen Stadt die immer wieder Einfluszlig auf die nun lateinische Litur-gie hatten So gab es z B im 4 Jahr-hundert ei ne griechische Gemeinde in der Titelkirche S Anastasia im Grie-chenviertel am Fuszlig des Palatin Ihr ha-ben wir die zweite Weihnachtsmesse bdquoin auroraldquo zu verdanken wo der Papst auf dem Ruumlckweg von der Mitter-nachtsmesse in S Maria Maggiore den Stationsgottesdienst hielt bevor er die Hauptmesse bdquoin dieldquo in St Peter fei-erte Die urspruumlngliche Ei genmesse zu Ehren der hl Ana stasia muszligte spaumlter

29 Vgl die bdquoDeprecatio sancti Martini pro populoldquo im irischen Stowe Missal F E Warren The liturgy and ritual of the Celtic church Suffolk 21987 229

dem liturgisch houmlheren Weihnachts-fest weichen geblieben ist - aus Res-pekt vor der griechisch-spra chi gen Be-voumllkerung - die Komme moration und die Stationskirche30

Der griechisch orientalische Einfluszlig in Rom blieb auch nach der Zeit Gre-gors d Gr bestehen bdquoDie Paumlpste dieser Epoche sind samt und sonders noch dem byzantinisch-hellenistischen Mittelmeerraum der Antike zuzu-rechnen Das sbquoMittelalterlsquo beginnt in Rom erst um die Mitte des achten Jahrhundertsldquo31 Politisch gehoumlrte Rom in dieser Zeit zum byzantinischen Ex-archat Ravenna Viele Syrer Griechen aus dem Osten und von Sizilien Soumlh-ne hoher kaiserlicher Beamter hat-ten in dieser Zeit das Papstamt inne Dementsprechend waren auch in der paumlpstlichen Verwaltung viele Maumlnner oumlstlicher Praumlgung taumltig Hinzu kommt daszlig das orientalische Moumlnchtum um die Mitte des 7 Jahrhunderts zu einer

30 Nach Ausweis von Ildefons Schuster war Leo XII (1823shy1829) der letzte Papst der die Station in S Anastasia gehalten hat Vgl I Schuster Liber sacramentorum Geschichtliche und liturgische Stushydien uumlber das roumlmische Meszligbuch Bd 2 Regensburg 1929 16931 A Franzen R Baumlumer Papstgeschichte Das Petrusamt in seiner Idee und in seiner geschichtlishychen Verwirklichung in der Kirche Freiburg i Br 1974 91

bdquoMacht in Rom geworden (war) die mit houmlchstem Selbstbewuszligtsein auftratldquo32 So traten die Grie chen kloumlster Roms auf einer Lateran synode im Jahr 649 korporativ auf33

Das wirkte auch auf die Gestaltung der staumldtischen Liturgie ein Zahlrei-che Uumlbersetzungen griechischer Texte kamen damals in den Bestand der rouml-mischen Antiphonen und Responso-rien34 Neue Kirchen wurden zu Ehren orientalischer Heiliger gebaut deren Kult damit bedeutender wurde Man denke an die Anar gyren die selbstlos heilenden Martyreraumlrzte Cosmas und Damian denen insgesamt neun Kir-chen gewidmet waren und deren Na-men ihren Platz im Canon der Messe fanden

Papst Sergius I (687-701) hat nach Aus-weis des Liber ponti ficalis angeordnet bdquout tempore confractionis dominici cor-poris Agnus Dei qui tollis peccata mun-di miserere nobislsquo a clero et populo de-canteturrdquo 35 Dabei handelt es sich um ein Element aus oumlstlichen Liturgien das entweder Sergius nach Rom ge-

32 A Baumstark Vom geschichtlichen Werden der Liturgie Freiburg i Br 1923 6333 Mansi 10 9031034 Vgl Paleacuteographie musicale 2 Solesmes 1890 6shy935 Lib pont ed Duchesnes I 376

Stillgebet mit gefalteten Haumlnden

50

bracht hat oder das durch die Zuwan-derung griechischer Kleriker aus den vom Islam uumlberfluteten Gebieten des Ostens nach Rom gebracht worden war Im Orient wurde die Opfergabe der Eucharistie schon fruumlh als Lamm bezeichnet und in der Brechung des eucharistischen Brotes sieht man dort einen Hinweis auf Passion und Sterben des Herrn In der Liturgie der Westsyrer finden sich schon fruumlh Texte die waumlh-

rend der Brechung vom Lamm Gottes sprechen das die Suumlnden der Welt hinwegnimmt36 Vielleicht hatte Papst Sergius der selber syrischer Abstam-mung war die Vorlage fuumlr das Agnus Dei als Gesang zur fractio panis hierher

Auf Sergius sollen nach manchen Quellen auch die vier groszligen Mari-enfeste Mariauml Geburt Verkuumlndigung Lichtmeszlig und Entschlafung zuruumlck gehen Die Zuordnung ist nicht ganz sicher auf jeden Fall wurden sie zu Sergiuslsquo Zeit schon in Rom gefei-ert Sergius soll aber die naumlchtlichen Lichter pro zessio-nen von St Hadrian am Forum nach St Maria Maggiore angeordnet haben Diese volkstuumlmli-chen und belieben Prozessionen ka-men zuerst in Antiochien auf Von dort brachte Johannes Chrysostomos sie nach Konstantinopel Ambrosius fuumlhr-te sie in Mailand ein bis sie schlieszliglich Sergius nach Rom brachte37

Mit den Marienfesten und ihren Pro-zessionen kamen auch viele griechi-sche Gesaumlnge in die roumlmische Liturgie so zum Beispiel bdquoNa tivitas tua Dei Ge-nitrix Virgoldquo urspruumlnglich als Antiphon in der Collecta-Kirche am Fest Mariauml Ge burt vor dem Beginn der Messe38 jetzt noch als Magnificat -Anti phon der 2 Vesper zu Mariauml Geburt bdquoO admira-bile commer ciumldquo und bdquoMirabile mys-teriumldquo als Antiphonen zu Vesper und Laudes am 1 Januar bdquoHodie cae lesti sponsoldquo zum Benedictus an Epipha-nie bdquoAdorna thalamum tuum Sionldquo

36 Vgl Jungmann Missarum Sollemnia Bd 2 41637 Siehe dazu K Gamber Oratio ad collectam Ein Beitrag zur roumlmischen Sta tionsliturgie in Ders Missa Ro men sis 195shy19938 Vgl aaO 196

urspruumlnglich als Anitphon in der Coll-ecta-Kirche jetzt zur Kerzenprozession am Mariauml Lichtmeszlig gesungen bdquoDies sanctificatus illuxit nobisldquo als Alleluja-vers der 3 Weihnachtsmesse bdquoGaude-amus omnes in Dominoldquo als Introitus von Allerheiligen Auch das aumllteste Marienge bet der Kirche die mariani-sche Antiphon bdquoSub tuum praesidiumldquo fand in dieser Zeit den Weg nach Rom

32 Weitere orientalische QuellenEine weitere wichtige auszligerroumlmische Quelle fuumlr unsere Liturgie ist die Litur-gie der Mutterkirche von Jerusalem Wie wir aus dem Bericht der aquitani-schen Pilgerin Egeria (oder Aetheria) aus dem Ende des 4 Jahrhunderts wis-sen wurden in Jerusalem schon fruumlh dramatisierte Gottesdienste an den je-weiligen heiligen Staumltten abgehalten wo die entsprechenden Evangelien-stellen verlesen wurden Besonders ausgepraumlgt war das in der Karwoche

Die Jerusalemer Palmsonntagliturgie wie sie nach dem bdquoTypikon der Kirche von Jerusalemldquo aus dem Beginn des 7 Jahrhunderts39 gefeiert wurde kam zunaumlchst in den byzantinischen Os-ten mit dem die Metropole Aquileja im Fruumlhmittelalter intensiven Handel trieb Aquileja war nach Rom nicht nur die groumlszligte Handelsstadt sondern auch bedeutendste Kirchenprovinz Sie umfaszligte weite Teile Norditali-ens der Alpen bis an die Donau und die alte Provinz Pannonien (Ungarn) Aquileja wurde wohl der Uumlbermittler

39 Vgl A Baumstark La Sollenniteacute des palmes dans lrsquoanciennes et la nouvelle Rome in Ireacutenikon 13 (1936) 22shy46 bes 38

hll Cosmas und Damian

Papst Sergius I

51Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

der je ru sa le mit isch-byzantinischen Palmenfeier in den Westen Manche der noch heute gesungenen Texte am Palmsonntag kamen auf diesem Weg in den Westen So stellt der Einzugs-gesang am Ende der Palm prozession bdquoIn grediente Do minoldquo eine freie Uumlber-setzung eines griechischen Troparions aus der Vesper des Palmsonntags dar40

Auch die Karfreitagsliturgie ist stark vom Osten beeinfluszligt Die Enthuumll-lung und Verehrung des Kreuzes geht ebenfalls auf Jerusalem zuruumlck Die dazu gesungenen Improperien und die Trishagion-Verse sind Uumlbernah-men aus dem Orient41

Die an die Kreuzverehrung spaumlter an-gefuumlgte bdquoMissa praesancti fi cationumldquo ist syrischen Ursprungs wo sie vom Patriarchen Severus von Antiochien zwischen 511 und 518 eingefuumlhrt wur-de42 Sie wird im Abendland zuerst in Ravenna uumlbernommen das als Syrer-Zentrale im Abendland galt und fin-det uumlber Aquileja weite Verbreitung bevor sie wohl im 9 Jahrhundert als eigene Feier bdquoad vesperumldquo in die Liturgie der roumlmischen Titelkirchen kommt

Auch die bdquoDepositio crucisldquo am Karfrei-tag und die bdquoElevatio crucisldquo in der Os-

40 Vgl A Baumstark Orientalisches in den Texten der abendlaumlndischen Palmfeier in JLW VII (1927) 148shy15341 Vgl A Baumstark Der Orient und die Adoratio crucis in JLW II (1922) 1shy17 E Wellesz Eastern Eleshyments in Western Chant Oxford 1947 21shy2642 Vgl M Tarschnišvili Die missa praesanctificashytorum und ihre Feier nach georgischen Quellen in ALW II (1952) 75shy80

ternacht zur Matutin wie sie bis in die Neuzeit in weiten Teilen des Abend-lands uumlblich waren gehen auf oumlstli-che byzantinische Quellen zuruumlck und kamen uumlber die Metropole Aquileja ins Abendland fanden aber keinen Eingang in die stadtroumlmische Liturgie Der zur anschlieszligenden naumlchtlichen Prozession mit dem Kreuz gesunge-ne Hymnus bdquoCum rex gloriaeldquo ist ein-deutig orientalischen Ursprungs wie schon die Bezeichnung Christi als bdquorex gloriaeldquo (vgl 1 Petr 319) zeigt Eine entsprechende orientalische Parallele ist bis jetzt noch nicht gefunden wor-den

Wo diese Gottesdienste stattfanden waren sie - in spaumlterer barocker Form - bis zur neuen Kar wochen li tur gie Pius XII die meistbesuchten Gottesdiens-te des Jah res besonders das Heilige Grab43 Neuerdings gibt es Bemuumlhun-gen diese alten volkstuumlmlichen Feiern wiederzubeleben und sie in die neue Liturgie zu integrieren44

4 SchluszligMit diesen wenigen Beispielen kon-kreter Uumlbersetzungen orientalischer

43 Vgl W Bauer Die Depositio und Elevatio crucis in der Dioumlzese Regensburg in Vergangenheit und Zukunft Ein Beitrag zur Integrierung traditioneller ortskirchlicher Liturgie in die erneuerte Liturgie des Paschatriduums maschinenschriftlich Regensburg 197544 Vgl z B Manuale Trevirense Heilige Woche shy Karwoche und Ostern Trier 1999

Quellen fuumlr die roumlmische Liturgie be-schlieszligen wir unsere Uumlberlegungen Zahlreiche weitere koumlnnte man noch anfuumlgen

Wir konnten sehen daszlig die roumlmische Liturgie auf verschiedenen auszligerrouml-mischen Quellen beruht Ganz am An-fang stand die fruumlhe alexandrinische Liturgie auf deren Eucharistiegebet die lateinische Fassung des roumlmischen Meszlig-Canons zuruumlckgeht

Gregor der Groszlige nutzte bei der Ab-fassung seines Sakramentars das er urspruumlnglich nur fuumlr seine persoumlnliche Stationsliturgie zusammengestellt hat das aber dann durch die zeitlichen Umstaumlnde zum allgemeinen roumlmi-schen Meszligbuch wurde neben den rouml-mischen Meszlig-Libelli seiner Vorgaumlnger vor allem das Sakramentar des Pauli-nus von Nola

Dieses gregorianische Sakramen tar verbreitete sich im ganzen Abendland durch die Foumlrderung Karls d Gr auch im fraumlnkisch-germanischen Raum wo es durch altgallikanische Quellen er-weitert wurde Diese erweiterte Form des Sakramentars kam schlieszliglich nach Rom zuruumlck wo es nach einer Zeit des kirchlichen und liturgischen Niedergangs in bereinigter Form als stadtroumlmisches Liturgiebuch ange-nommen und so zur Grundlage fuumlr die Reformbestrebungen des Konzils von Trient wurde

Kreuzweg in Jerusalem

52

In einem zweiten Teil sahen wir daszlig die griechischen orientalischen Ein-fluumlsse nicht auf den Canon beschraumlnkt waren In der byzantinischen Epoche Roms kamen wichtige Impulse aus dem Osten Im Ordo missae zeugen das bdquoKyrie eleisonldquo und das bdquoAg nus Deildquo sowie die Erwaumlhnung der Heili-gen Cosmas und Damian im Canon fuumlr griechische Quellen unserer Liturgie Manche Feste wie die vier groszligen Ma-rienfeste und viele liturgische Gesaumln-ge dieser Zeit beruhen ebenfalls auf griechischen Quellen

In etwas spaumlterer Zeit vermittelte vor allem Aquileja orientalische Texte und Gebraumluche in den Westen die zumin-dest zum Teil in die allgemeine roumlmi-sche Liturgie uumlbernommen wurden Anderes wie die volkstuumlmlichen Kar- und Ostergottesdienste wurde nur in bestimmten Ortskirchen rezipiert

So ist die roumlmische Liturgie aus ei-gentlich roumlmischen und zahlreichen orientalischen und altgallikanischen Quellen zum Missale Romanum von 1962 harmonisch gewachsen Deshalb

konnte der spaumltere Papst Benedikt XVI mit Recht sagen es sei dasjenige bdquoMis-sale das alle Jahrhunderte hindurch seit den Sakramentaren der alten Kir-che gewachsen istldquo45

Lassen Sie mich schlieszligen mit einem Wort des Trierer Theologen Michael Fiedrowicz bdquoDie uumlberlieferte Messe im roumlmischen Ritus ist ein alter von vielen Jahrhunderten und Stilrichtungen ge-praumlgter Bau oftmals ergaumlnzt und weiter ausgeschmuumlckt zuweilen hier und dort restauriert ein Bau bei dem man Teil fuumlr Teil das Jahrhundert seines Ursprungs nachweisen koumlnnte nur in den seltens-ten Faumlllen auch den Kuumlnstler namhaft zu machen wuumlszligte der dieses oder jenes Element gestaltet und dem Ganzen hin-zugefuumlgt hatldquo46

45 J Ratzinger Aus meinem Leben Erinnerungen (1927shy1977) Stuttgart 21998 172shy17146 M Fiedrowicz Die uumlberlieferte Messe 65

Wormser Dom (Nord-Ost-Seite)

Heiliges Grab in der Pfarrkirche zum hl Nikolaus in Eggen (Suumldtirol)

Wormser Dom barocker Hochaltar (Johann Balthasar Neumann)

Page 2: Nichtrömische Quellen der römischen Liturgie · P. Martin Reinecke. 42 sche Gemeinde in Rom verfaßt, bear-beitet oder übernommen, wo sie auch eine Zeit lang gebraucht wurde. Die

42

sche Gemeinde in Rom verfaszligt bear-beitet oder uumlbernommen wo sie auch eine Zeit lang gebraucht wurde Die aumlgyptische Bevoumllkerung Roms war im 3 und 4 Jh recht groszlig von daher ge-winnt diese An nahme an Bedeutung

Als Zeugnis fruumlher stadtroumlmischer Li-turgie kann man die eucharistia des Hippolyt sicher nicht sehen Bezeich-nenderweise war sie aller dings wohl in Aquileja in Gebrauch wie eine nicht mehr ganz vollstaumlndige lateinische Handschrift aus diesem Raum aus-druumlcklich bestaumltigt die entweder in Aquileja entstanden oder doch zu-mindest dort abgeschrieben worden ist Allem Anschein nach wurde hier auch das Eucharistiegebet der Traditio in der Liturgie ver wendet Fuumlr das 4 Jh sind li tur gische Beziehungen Aqui-lejas das damals nach Rom die be-deutendste Stadt Italiens war zu Ale-xandrien be zeugt So schreibt Bischof Valerianus an den roumlmischen Kai ser seine Kirche folge in der Disziplin und der Kirchenord nung der Kirche von Alexandria2

12 Die Herkunft des Canon RomanusDas aumllteste liturgische Dokument Roms stellt ein Gebet am Ende des 1 Clemensbriefes dar Es ist in griechi-scher Sprache verfaszligt und hat Anklaumln-

2 bdquoNam etsi Alexandrinae ec clesiae semper disposishytionem ordinemque tenue ri musldquo PL 16949

ge an ein Eucharistiegebet in dem der Dank fuumlr die Erloumlsung mit einem Bittgebet fuumlr die Kirche verbunden ist Es handelt sich dabei sicher nicht um eine fixierte Formel da bis in die Zei-ten Konstantins der Wortlaut des Eu-charistiegebets weitestgehend noch nicht verbindlich festgelegt war Einen direkten Einfluszlig auf die spaumltere roumlmi-sche Liturgie hatte der Text nicht

Ansonsten haben wir nur einige bdquoZi- tate liturgischer Texte bei roumlmischen Schriftstellern (va) des 4 Jahrhun-dertsldquo3 Dabei handelt es sich meist um Zitate griechischer Liturgietexte wie ja auch griechisch waumlhrend der ersten Jahrhunderte Liturgiesprache in Rom gewesen ist Eine einheitliche sbquooffiziellelsquo roumlmische Liturgie hat es da-mals in Rom nicht gegeben So haben die Auslandsgemeinden besonders die Griechen in der Hauptstadt des westroumlmischen Reiches ihre eigenen Gottesdienste mit eigenen Prie stern in ihrer Sprache und im Ritus ihrer Hei-mat gefeiert

Sicher gab es auch schon fruumlh latei-nisch sprechende Gemeinden so daszlig einige Zeit hindurch beide Sprachen

3 K Gamber Missa Romensis Beitraumlge zur fruumlhen roumlmischen Liturgie und zu den Anfaumlngen des Misshysale Romanum Regensburg 1970 15 Ausfuumlhrliche Darstellung dort 15shy21

nebeneinander verwendet worden sind Die Inschriften der Papstgraumlber werden schon von der 2 Haumllfte des 3 Jh an lateinisch Endguumlltig setzte sich das Lateinische wohl erst unter Papst Damasus (366-384) durch Zu-sammenfassend kann man sagen bdquoSolange Rom noch Hauptstadt des roumlmischen Imperiums und in seinem Voumllkergemisch vielen heutigen Welt-staumldten aumlhnlich war konnte sich hier kein einheitlicher roumlmischer Ritus entwickeln Die einzelnen Volksgrup-pen wie die Griechen die Syrer und die Aumlgypter haben eigene (Haus-)Ge-meinden gebildet In ihnen wurden kultische Formen und Gebete verwen-det die denen in ihrer Heimat entspro-chen habenldquo4

Ein erster Hinweis auf den spaumlteren Text des Canon Romanus findet sich bei dem sogenannten Ambrosiaster in der Zeit des Papstes Damasus Er ver-weist auf ein lateinisches Eucharistie-gebet das dem spaumlteren Canon aumlhn-lich war und die Wendung bdquosummus sacerdos (tuus Mel chisedech)ldquo aufwies5

Vielleicht zitiert der Ambrosiaster der mit Niceta von Remesiana indentisch sein koumlnnte6 aus dem Canon-Gebet in bdquoDe sacramentisldquo IV21-2226-277 Die

4 Ebd 205 CSEL 502686 Vgl dazu K Gamber Fragen zu Person und Werk des Niceta von Re mesiana in Roumlmische Quartalshyschrift 62 (1967) 222shy2317 Neueste Ausgabe von K Gamber Niceta von

Hippolyt von Rom

Krypta der Paumlpste (Calixtus-Katakomben)

Martyrium von Papst Sixtus II

43Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

Autorschaft dieser Schrift ist lange Zeit sehr umstritten gewesen und sie ist es auch heute noch Vielfach nahm und nimmt man an der hl Ambrosius von Mailand (+397) sei ihr Verfasser Die Vertre ter dieser These gingen zum Teil davon aus bdquoDe sacramentisldquo sei eine stenographische Niederschrift von ka-techetischen Predigten des Ambrosi-us fuumlr Neugetaufte in der Osterwoche die der Bischof spaumlter in bdquoDe mysteriisldquo aus gearbeitet habe Teils nahm man an bdquoDe sacramentisldquo sei eine private Mitschrift der Predigten des Ambrosi-us waumlhrend bdquoDe my steriisldquo die literari-sche Fassung der von Ambrosius ge-sprochenen Worte darstelle

Remesiana Instructio ad com petentes Fruumlhchristlishyche Katechesen aus Dacien Regensburg 1964 151shy153

Diese These fand aber auch entschie-dene Gegner Diese beriefen sich ebenfalls auf verschiedene Gruumlnde So gibt es bedeutende stilistische Sprach-unterschiede Doch es gibt auch ande-re vor allem liturgische Gruumlnde gegen die Autor schaft des Ambrosius Vor allem die aumllteren Liturgiker haben Bedenken dabei da in Mailand eine Liturgie gefeiert wurde in der die Ca-nonica prex der Sermones ein Fremd-

koumlrper gewe sen waumlre In juumlngerer Zeit hat K Gamber die These aufge stellt die sechs Sermonen bdquoDe sacramentisldquo

stammten von Niceta von Remesiana (+ um 420)8

Das Eucharistiegebet in bdquoDe sa cra-mentisldquo ist deutlich mit dem roumlmischen Meszligcanon verwandt Der Einsetzungs-bericht ist nicht mit dem Dankgebet verbunden wie bei Hippolyt und den orientalischen Anaphoren sondern mit dem Opfergebet wie im roumlmi-schen Canon der Serapion-Ana phora und der aumlgyptischen Markus-Liturgie Wiedergegeben ist das Opfergebet dem wahrschein lich als Ab schluszlig des Dank gebets eine Kirchenbitte voraus-ging wie in der Didache in einigen aumlgyptischen Anaphoren und wie im bdquoTe igi turldquo

Der Au tor der Sermonen ist sicher nicht identisch mit dem der Prex er hat nur eine in seiner Kirche bereits uumlbliche For mel zitiert Als Heimat des Gebets gilt Nordafrika bdquoder ei-

8 Vgl K Gamber Die Autorschaft von De sacrashymentis Zugleich ein Beitrag zur Liturgeschichte der roumlmischen Provinz Dacia mediterranea Regensburg 1967

Titelseite von bdquoDe sacramentisldquo

bdquoHanc igitur oblationem servitutis nostraeldquo (Fragment aus bdquoDe sacramentisldquo)

hl Ambrosius von Mailand (339-397)

Ambrosiaster (St Gallen Stiftsbibliothek)

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gentliche Mutterboden des lateini-schen Chri sten tumsldquo9 Darauf weist z B die letzte Vaterunser-Bitte hin bdquoEt ne patiaris nos induci in ten ta tio nemldquo Sie ist so in Nordafrika bis Augustinus nachweisbar Auch finden sich bei Cy-prian (+258) deutliche Anklaumlnge an unser Gebet (Ep 6317) Die Formel scheint deshalb aus der nordafrikani-schen Kirche zu stammen aus der Zeit um bzw nach 200 Im Okzident war sie weit verbreitet wie die Sermonen bdquoDe Sa cra mentisldquo selber zeigen Die Cano-nica prex stellt allerdings keine Fruumlh-form des roumlmischen Canon dar sie ist eine gaumlnzlich eigene Redaktion wie die abweichende Formulierung des Einsetzungsbe richtes und der Worte Christi zeigen Auch im fruumlhen Spa-nien war das Eucharistiegebet wohl in Gebrauch So begegnen uns in der spaumlteren mozarabischen Liturgie (seit dem 6 7 Jh) einige Gebete aus un-serer Prex

Der Text zeigt auffaumlllige Uumlbereinstim-mungen mit dem spaumlteren alexandri-nischen Anaphora-Ge bet das eine er-weiterte Fassung eines urspruumlnglichen Eucharistiegebets der Kirche von Ale-xandrien darstellt Eine Gegenuumlber-stellung zeigt daszlig der lateinische Text in bdquoDe sacramentisldquo eine fast woumlrtliche Uumlbersetzung der griechischen Vorla-ge darstellt Schon Anton Baumstark hatte vermutet daszlig der roumlmische Meszlig-Canon die Uumlbertragung eines griechischen Originals sei Es duumlrfte aber wohl der Text in bdquoDe sacramentisldquo sein der auf ein griechisches Original zuruumlckgeht

9 G Kunze Die gottesdienstliche Schrift lesung I Goumlttingen 1947 103

Ob nun der Canon romanus selber eine eigene Uumlbersetzung aus dem Griechi-schen ist oder eine Bearbeitung des Canons in bdquoDe sacramentisldquo darstellt laumlszligt sich heute nicht mehr feststellen Mit Sicherheit koumlnnen wir aber sagen daszlig der Canon der roumlmischen Liturgie auf grie chisch sprachige Urspruumlnge zuruumlckgeht und das fruumlhe Euchari-stiegebet der Kirche von Alexandria als Quelle hat

13 Gregor der Groszlige und sein SakramentarDie roumlmische Liturgie wie wir sie ken-nen und insbesondere das Missale Ro-manum sind eng verknuumlpft mit dem Namen Papst Gregors des Groszligen (590-604) Nach der einhelligen Tra-dition des Mittelalters hat Gregor ein bdquoLiber sacramentorum anni circuli ro-manae ecclesiaeldquo verfaszligt Auch wenn in juumlngerer Zeit einige Forscher die Au-torschaft Gregors bezweifeln10 spricht doch die Nennung seines Namens in den spaumlteren Redaktionen und vor allem die Verwendung dieses Liturgie-buchs in den sogenannten Sacramen-taria mixta fuumlr Gregor als Verfasser des Gregorianums

Gregor wurde im Spaumltsommer 590 als Nachfolger des Papstes Gelasius II (579-590) zum Bischof von Rom ge-waumlhlt Die Lage der roumlmischen Kirche war zu Beginn seines Pontifikats aumlu-szligerst schwierig um nicht zu sagen

10 Vgl H Ashworth Did St Gregory the Great compose a Sacramentary in Stu dia Patristica II (Berlin 1957) 3ff Did St Augustine bring the Greshygo rianum to England in Ephem lit 72 (1958) 39shy43 In Quest of the primitive Gre go rianum ebd 319shy322

trostlos Gregor selbst beschreibt das in einem Brief an den Patriarchen von Konstantinopel Johannes so bdquoIch Un-wuumlrdiger und Schwacher habe ein altes und von den Wellen arg mitgenomme-nes Schiff uumlbernommen in das von allen Seiten die Wogen eindringen und dessen morsche Planken unablaumlssig von Stuumlr-men gepeitscht den nahen Schiffbruch ankuumlndigenldquo11 Dringendste Aufgabe war deshalb zuerst die Reorganisation der Verwaltung des Patrimonium Pet-ri nach dem Einfall der Langobarden in Italien im Jahre 56812 Von Anfang an lag Gregor wohl eine liturgische Erneuerung am Herzen die aber zu-naumlchst zuruumlckstehen muszligte

11 Ep Lib I ep 412 Zu den Folgen des Lango bar den einfalls und Gregors VerwaltungsshyReorganisation siehe I Schushyster Gregor der Groszlige und sein Werk in Ders Liber Sacramentorum Geschichtliche und liturgische Stushydien uumlber das roumlmische Meszligbuch Bd 1 Regensburg 1929 47shy 54

hl Gregor der Groszlige

45Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

Er beginnt sie im Jahr 592 mit der He-rausgabe des bdquoLiber sacra men torum anni circuli romanae ecclesiaeldquo Dabei handelte es sich um ein Liturgiebuch fuumlr die Feier der paumlpstlichen Stati-onsgottesdienste das zugleich die roumlmischen Stationsfeiern neu ordnen sollte wie Gregors Biograph Johannes Diaconus schreibtldquo13

Gregor hatte also keineswegs die Ab-sicht ein Liturgiebuch fuumlr die ganze abendlaumlndische Kirche zu verfassen das fuumlr Jahrhunderte guumlltig sein soll-te Tatsaumlchlich war das Stations-Sa-kramentar bdquoprimaumlr fuumlr das Jahr 592 bestimmtldquo14

Gregor hat dabei nicht etwa ein neu-es Sakramentar entworfen d h selbst die Gebete und Formeln geschaffen Seine Arbeit war hauptsaumlchlich Redak-tionsarbeit Dazu griff er auf Oratio-nen fruumlherer Paumlpste zuruumlck wie sie im Paumlpstlichen Archiv aufbewahrt wur-den Die fuumlgte er in sein Sakramentar ein wobei er den Text gelegentlich uumlberarbeitet hat bdquoNur relativ wenige Formeln hat er selbst verfaszligtldquo15

Neben diesen rein roumlmischen Quellen den Meszlig-Libelli der roumlmischen Paumlpste seit ungefaumlhr Leo d Gr (440-461) be-nuumltzte Gregor anscheinend noch ein

13 ldquoStationes per basilicas vel beatorum martyrum coemeteria secundum quod hactenus plebs romana quasi eo vivente certatim discurrit solicitus ordishynavitldquo Vita S Gregorii II 18 (PL 7594)14 K Gamber Sacramentarium Gre go rianum I Das Stationsmeszligbuch des Papstes Gregor Versuch einer Rekonstruktion nach hauptsaumlchlich bayerischen Handschriften Regensburg 1966 715 K Gamber Codices liturgici latini antiquiores Freiburg i Ue 21968 326

anderes nichtroumlmisches Liturgie buch In manchen Orationen der Sonntags-messen und der Karwoche (bdquoDeus a quo et Iudasldquo am Gruumlndonnerstag) ist das noch er kenntlich

Diese zweite nichtroumlmische Quelle des Gregorianums war das Sakramen-tar des Paulinus von Nola (+ 431) Pau-linus war beruumlhmt fuumlr seine theologi-sche Bildung und seine Beredsamkeit Augustinus der mit ihm im Briefwech-sel stand und Hieronymus spendeten ihm Lob dafuumlr So war sein Sakramen-tar weit uumlber Nola und Kampanien hinaus verbreitet Als das erste in Mit-telitalien entstandene Jahres-Sakra-mentar kam es bald auch nach Rom wo es besonders an den Titelkirchen Verwendung fand Auch die Paumlp ste verwendeten einzelne Orationen dar-aus fuumlr ihre Meszlig-Libelli wie zahlreiche Orationen im Sacramentarium Leonia-num zeigen Auch Gregor d Gr nutzte das kampanische Meszligbuch des Pauli-nus und uumlbernahm daraus Ora tionen

fuumlr sein Stations-Sa kra mentar

Verbreitung des Sacra men-tarium GregorianumObwohl Gregor d Gr sein Sakramentar nur fuumlr seinen persoumlnlichen Gebrauch fuumlr die Feier der roumlmischen Stations-gottesdienste gedacht hatte verbrei-tete sich das Liturgiebuch doch schon bald im nahezu gesamten Abendland wo es mit nichtroumlmischen Sakramen-taren vermischt wurde und haumlufig in diesen Mischformen wieder nach Rom zuruumlckkam

Schon zu Gregors Lebzeiten kam das Gregorianum nach Ravenna und von dort - oder direkt von Rom - nach Aquileja wo ein gregorianisiertes Sacramentarium Gelasianum in Ge-brauch war16

16 Vgl K Mohlberg Die aumllteste erreichbare Gestalt des Liber Savramentorum anni circuli der roumlmischen Kirche Muumlnster 1927

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Im 8 Jh findet sich Gregors Buch be-reits in England und in Bayern Gegen Ende des 7 Jh bittet Karl d Gr den Papst Hadrian (772-795) um ein Meszlig-buch bdquonach dem Brauch der roumlmischen Kircheldquo Er erhaumllt von ihm in den Jah-ren 785786 eine Kopie des von ihm benutzten Stationssakramentars (bdquoHa-drianumldquo) das wohl auf eine Redakti-on des gregorianischen Sakramentars durch Papst Gregor II (715-731) zu-ruumlckgeht und eine Uumlberarbeitung des Gregorianums darstellt Papst Hadrian bezeichnet es in seinem Brief an Kouml-nig Karl als bdquoimmixtumldquo Es wurde als Mu ster exemplar zum Abschreiben in der Palastbibliothek in Aachen nieder-gelegtAuf Draumlngen Karls verbreitet sich die-ses Sakramentar im ganzen Franken-reich Zuvor brachte der Hoftheologe Alkuin einen Anhang mit den fehlen-den Sonntags- und Votivmessen an Allerdings stammen nicht alle erhal-tenen Gregoriana-Handschriften von die sem Exemplar des Papstes Hadrian abDas Gregorianum stellt bdquodie letzte gro-szlige liturgische Gabe der sterbenden Antike darldquo17 Alle Meszligbuuml cher aus spauml-terer Zeit sind bdquosa cra mentaria mixtaldquo

17 K Gamber Missa Romensis 121

die irgend wie auf das Gregorianum zuruumlck gehen So haben wir aus dem 8 Jh zahlreiche Handschriften die teils vollstaumlndig teils fragmentarisch uumlberliefert sind Sie zeigen eine bunte Fuumllle von Formen und sind meist spauml-te Ausbildungen aumllterer Typen Darin wurden aumlltere eigenstaumlndige Litur-giebuumlcher mit Formeln aus dem Gre-gorianum vermischt (Gelasiana mix-ta) oder das Gregorianum wurde mit aumllteren Formeln meist Praumlfationen bereichert (Gregoriana mixta) In der Zeit nach 800 verschwinden die ver-schiedenen Meszligbuchtypen ziemlich ploumltzlich und machen ei ner gewissen Uniformitaumlt Platz Auf diesem Wege ist viel nichtrouml misches aber abend-laumlndisches italisches Gebetsgut in die spaumltere roumlmische Liturgie und in unser Missale Romanum gekommen

2 Fraumlnkische EinfluumlsseMit dem Vordringen roumlmischer Li-turgiebuumlcher in das fraumlnkische Reich und vor allem mit ihrer Foumlrderung durch Karl den Groszligen tritt die roumlmi-sche Liturgie nun in eine neue Phase die auch auf den Hintergrund gesell-schaftlichen und politischen Wan-dels zuruumlck geht Die bdquofolgenschwere Schwer punktverlagerung aus dem Mittelmeerraum in die germanischen insbesondere fraumlnkischen Stammes-gebiete noumlrdlich der Alpen fuumlhrte einerseits zu einer enormen Auswei-tung des Ein fluszlig- und Geltungsberei-ches der roumlmischen Liturgie anderer-seits aber auch zur Verschmelzung mit auszligerroumlmischen Li tur gie traditionen Es entstand eine rouml misch-fraumln ki sche Mischliturgie die die bodenstaumlndigen nichtroumlmischen (Anm d V gallikani-

schen) Liturgien bald fast uumlberall ver-draumlngt hatteldquo18

21 Fraumlnkische Erweiterungen der Missa RomensisNoumlrdlich der Alpen traf nun die sachli-che und nuumlchterne roumlmische Liturgie auf das romanisierte Keltentum das in den ganz andersgearteten gallika-nischen Li tur gieformen seine Heimat hatte19 Die altgallikanische Liturgie geht zuruumlck auf die kleinasiatisch-syrische Liturgie des 4 Jahrhunderts Man kann sie als orientalische Liturgie im lateinischen Gewand bezeichnen Von daher ist sie weit entfernt von der wortkargen Kuumlrze und nuumlchternen Sachlichkeit roumlmischen Denkens Das machte sich nun bei der Rezeption der alten stadtroumlmischen Liturgie des Papstes im fraumlnkischen Raum bemerk-bar

Man uumlbernahm das roumlmische Sakra-mentar so genau wie moumlglich bdquoOb-wohl bei der Luumlckenhaftigkeit der von Rom gekommenen Buumlcher Ergaumln-zungen und Anpassungen wie sie

18 H B Meyer Eucharistie Geschichte Theologie Pastoral (= Handbuch der Liturgiewissenschaft Teil 4) Regensburg 1989 170 19 Eine ausfuumlhrliche Schilderung dieser Phase in J A Jungmann Missarum Sollemnia 98shy122

Karl der Groszlige Sacramentarium Hadrianum

47Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

Alkuin vorgenommen hat nicht zu vermeiden waren ist es staunenswert mit welcher Pietaumlt die neuen Texte gleichwohl uumlbernommen wurdenldquo20 Saumlmtliche roumlmischen Martyrerfeste werden uumlbernommen die roumlmischen Stationen stehen weiterhin uumlber den einzelnen Formularen die Anwei-sungen des Ordo Romanus I werden getreulich abgeschrieben und der liturgischen Praxis zugrunde gelegt Mit anderen Worten man wollte die paumlpstliche Liturgie so genau wie moumlg-lich uumlbernehmen

Trotzdem hat die fraumlnkisch gallikani-sche Mentalitaumlt von Anfang an auf die roumlmische Liturgie eingewirkt und sie weiter entwickelt bdquoBei diesem Prozeszlig blieb der Textbestand der altroumlmi-schen Meszligliturgie weitgehend unan-getastet aber er wurde durch Textma-

20 Ebd 100

terial aus gallisch-fraumlnkischer Tradition ergaumlnzt durch private Priestergebete erweitert und durch gestisch-zere-monielle Elemente angereichertldquo21 So ist Vieles was uns heute an den Ze-remonien der Messe vertraut ist und als typisch roumlmisch erscheint nichts anderes als Frucht der fraumlnkisch-galli-kanischen (und damit letztlich orienta-lischen) Beeinflussungen bei der Uumlber-nahme stadtroumlmischer Gebraumluche im Reich Karls des Groszligen

Als Beispiel mag hier der Gebrauch des Weihrauchs genuumlgen bdquoWaumlhrend roumlmische Weise nur das Mittragen von Weihrauch beim Einzug des Papstes und beim Gang zur Lesung des Evan-geliums kannte tritt auf gallischem Boden im Hochamt sogleich eine mehrfache Be raumlu cherung ein es wird mit geschwungenem Rauchfaszlig der Al-tar nach fester Ordnung um schritten zuerst nur am Beginn der Opfermesse dann bald auch am Beginn der Vor-messe Zur Lesung des Evangeliums muszlig der Weihrauch nicht nur das Buch umwallen sondern nach zeitweilig geltendem Brauch auch in die versam-melte Gemeinde getragen werden was voruumlbergehend zu einer Mehrzahl von Rauchfaumlssern fuumlhrtldquo22

Auch die bis heute uumlblichen Kom-memo ra tionen in der Messe haben dort ihren Ursprung Neben die eine

21 H B Meyer Eucharistie 17022 J A Jungmann Missarum Sollemnia 101shy102

roumlmische Oration koumlnnen nun noch weitere treten wenn nur die Sieben-zahl nicht uumlberschritten wird

Wie gesagt haben auch die priester-lichen Stillgebete in dieser Zeit ihren Ursprung In Gebetsanrede und -stil sind sie von den Formen roumlmischer Orationen weit entfernt Erstmals bie-tet das Sakramentar von Amiens noch aus dem 9 Jahrhundert eine ganze Reihe solcher Gebete von denen sich ein Teil mit den noch heute uumlblichen Texten deckt

Daszlig diese Stillgebete nicht aus roumlmi-scher Tradition stammen sieht man auch an der koumlrperlichen Haltung in der sie vom Prie ster gesprochen wer-den nicht in Orantenhaltung sondern mit gefalteten Haumlnden wie es noumlrd-lichem germanischem Brauch ent-spricht

In dieser Zeit kommen auch zahlreiche Apologien im Verlauf der Messe auf bdquopersoumlnliche Schuld- und Unwuumlrdig-keitsbekenntnisse des Zelebranten von meist betraumlchtlichem Umfang die sich mit der Bitte um Gottes er-barmende Gnade verbindenldquo23 Den Houmlhepunkt der Entfaltung der bdquoApo lo-giae sacerdotisldquo duumlrfte die sogenann-te bdquoMissa Illyricaldquo24 darstellen ein fuumlr einen Bischof bestimmter Meszlig-Ordo aus Minden aus der Zeit um 1030 Der

23 Ebd 103shy10424 CLLA Nr 990

Sacramentarium Hadrianum

Altarinzens beim Pontifikalamt im Petersdom

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Ordo enthaumllt in 35 Formeln Apologien nach dem Ankleiden beim Betreten der Kirche eine laumlngere Reihe nach dem Altarkuszlig eine waumlhrend des Glo-ria mehrere waumlhrend der Zwischen-gesaumlnge und des Offertoriumsge-sangs zur Opferung nach dem bdquoOrate fratresldquo waumlhrend des Sanctus und waumlhrend der Kommunion des VolkesbdquoMaszliggebend fuumlr die weitere Entwick-lung wurde die rituelle Gestalt die die fraumlnkisch-roumlmische Messe um die Jahrtausendwende im sogenannten Rheinischen Meszlig ordo gefunden hat-te der im rheinischen Bereich ent-standen und verbreitet (St Gallen Rei-chenau St AlbanMainz) zunaumlchst fuumlr die bischoumlfliche Feier be stimmt war auf der paumlpstlichen Liturgie des 78 Jh (OR 1) und deren fraumlnkische Adap-tation (OR 5 2 Haumllfte 9Jh) basierte und zahlreiche Elemente enthielt die noch heute zum Ordinarium des roumlmi-schen Meszligritus gehoumlrenldquo25

Die meisten Liturgie wissen schaft-ler sehen diese fraumlnkisch-galli schen Einfluumlsse auf die stadtroumlmische Litur-gie eher skeptisch und sprechen von bdquoroumlmisch-fraumln kische(r) Mischliturgieldquo26 Positiver sieht M Fiedrowicz die Re-zeption im Frankenreich bdquoAll dies war im Kern keine Umformung und Uumlberformung sondern eine Ausrei-

25 M Fiedrowicz Die uumlberlieferte Messe Geshyschichte Gestalt und Theologie des klassischen roumlmischen Ritus MuumllheimMosel 2011 26shy2726 So z B H B Meyer Eucharistie 170

fung des roumlmischen Ritus eine Syn-these der aumluszligerlich-ze re moniellen und innerlich-spi ri tuellen Dimension der Meszligliturgie Einige dieser Gebete sollten bestimmte Gesten begleiten die in der urspruumlnglichen Papstliturgie schweigend vollzogen wurden Auf diese Weise sollte die Froumlmmigkeit des Zelebranten vor einem Automatismus bewahrt bleiben und vom geistigen Sinn dieser Gesten erfuumlllt werden An-dere Gebete waren dazu bestimmt dem Zelebranten die Empfindungen in Erinnerung zu rufen die er haben sollte wenn er zum Altar trat die Op-ferung der Gaben vollzog sich auf die Kommunion vorbereitete oder diese empfangen hatte Harmonisch fuumlgten sich diese Gebete in die Freiraumlume ein die der uumlberkommene Ordo missae beim Erreichen des Altares im Bereich des Offertoriums und der Kommu-nion schlieszliglich am Ende der Messe dem persoumlnlichen Beten des Priesters lieszligldquo27

22 Zuruumlck nach RomUnd genau dieser ausgereifte Ordo der roumlmischen Messe kam ab dem 11 Jahrhundert nach Rom zuruumlck wo das kulturell-kirchliche Leben seit dem Ende des 9 Jahrhunderts einen Tiefstand erreicht hatte bdquoDie Liturgie befand sich im Zustand der Aufloumlsung Klerus und Volk vernachlaumlssigten glei-chermaszligen den Gottesdienst Liturgi-

27 M Fiedrowicz Die uumlberlieferte Messe 25shy26

sche Buumlcher wur den nicht mehr her-gestellt Wie ein Lichtstrahl in jenem Sae culum obscurum tauchten Ende des 10 Jahrhunderts in Italien und Rom selbst liturgische Texte auf die die bodenstaumlndige Form der altroumlmi-schen Liturgie verdraumlngten und den inzwischen noumlrdlich der Alpen weiter ausgebildeten Typus des roumlmischen Ritus an deren Stelle treten lieszligenldquo28

Dieser erweiterte Ritus der nun nach Rom zuruumlckkam war zwar reicher als die alten roumlmischen Formen enthielt aber auch Elemente die dem roumlmi-schen Geist fremd waren So wurde der Meszligordo bereinigt manche der neuen Gebete wurden entfernt und durch andere ersetzt die der roumlmi-schen Mentalitaumlt mehr entsprachen Vor allem die zahlreichen Apologien verschwanden nur das bdquoSuscipe sanc-ta Trinitasldquo blieb bestehen Am Ende dieser Entwicklung stand der bdquoUsus Romanae Curiaeldquo der bereits den Be-stand an fraumlnkisch-galli kanischen Still-gebeten aufwies den wir in unserem Ordo Missae haben Die Ordnung der Meszligfeier bdquosecundum usum Romanae Curiaeldquo verbreitete sich spaumlter - vor allem durch den Franzis kaner orden - uumlber die Stadt Rom hinaus in der gan-zen katholischen Kirche Er wurde die Grundlage fuumlr die Meszligbuchreform im Gefolge des Konzils von Trient

3 Oumlstliche Quellen roumlmischer LiturgieEx Oriente lux Aus dem Osten ist das Licht des christlichen Glaubens her-vorgegangen Wie wir sahen standen orientalische grie chische Quellen am

28 Ebd 27

waumlhrend des Pontifikalamts am Kathedra-Altar von St Peter

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Anfang der lateinisch-roumlmischen Li-turgie Der roumlmische Meszlig-Kanon das Herzstuumlck der Liturgie geht auf eine Uumlbersetzung einer oumlstlichen naumlherhin alexandrinischen Anaphora zuruumlck Damit houmlren Beeinflussung und Be-reicherung der Liturgie Roms aus dem griechischen Osten nicht auf

Die byzantinische Epoche RomsAus der Fruumlhzeit Roms als die Litur-gie noch griechischsprachig war hat sich das bdquoKyrie eleisonldquo in der Litanei und der Messe erhalten waumlhrend es in den altgallikanischen Liturgien zu-mindest in den Fuumlrbitt-Litaneien mit bdquoDomine miserereldquo29 uumlbersetzt wird Die groszlige Zahl der orientalischen griechischsprachigen Paumlpste bis ins 4 Jahrhundert ist beredtes Zeugnis fuumlr den griechischen Einfluszlig auf die fruumlhe roumlmische Kirche und ihre Liturgie

Doch auch spaumlter gab es noch be-deutende griechische Praumlsenzen in der Ewigen Stadt die immer wieder Einfluszlig auf die nun lateinische Litur-gie hatten So gab es z B im 4 Jahr-hundert ei ne griechische Gemeinde in der Titelkirche S Anastasia im Grie-chenviertel am Fuszlig des Palatin Ihr ha-ben wir die zweite Weihnachtsmesse bdquoin auroraldquo zu verdanken wo der Papst auf dem Ruumlckweg von der Mitter-nachtsmesse in S Maria Maggiore den Stationsgottesdienst hielt bevor er die Hauptmesse bdquoin dieldquo in St Peter fei-erte Die urspruumlngliche Ei genmesse zu Ehren der hl Ana stasia muszligte spaumlter

29 Vgl die bdquoDeprecatio sancti Martini pro populoldquo im irischen Stowe Missal F E Warren The liturgy and ritual of the Celtic church Suffolk 21987 229

dem liturgisch houmlheren Weihnachts-fest weichen geblieben ist - aus Res-pekt vor der griechisch-spra chi gen Be-voumllkerung - die Komme moration und die Stationskirche30

Der griechisch orientalische Einfluszlig in Rom blieb auch nach der Zeit Gre-gors d Gr bestehen bdquoDie Paumlpste dieser Epoche sind samt und sonders noch dem byzantinisch-hellenistischen Mittelmeerraum der Antike zuzu-rechnen Das sbquoMittelalterlsquo beginnt in Rom erst um die Mitte des achten Jahrhundertsldquo31 Politisch gehoumlrte Rom in dieser Zeit zum byzantinischen Ex-archat Ravenna Viele Syrer Griechen aus dem Osten und von Sizilien Soumlh-ne hoher kaiserlicher Beamter hat-ten in dieser Zeit das Papstamt inne Dementsprechend waren auch in der paumlpstlichen Verwaltung viele Maumlnner oumlstlicher Praumlgung taumltig Hinzu kommt daszlig das orientalische Moumlnchtum um die Mitte des 7 Jahrhunderts zu einer

30 Nach Ausweis von Ildefons Schuster war Leo XII (1823shy1829) der letzte Papst der die Station in S Anastasia gehalten hat Vgl I Schuster Liber sacramentorum Geschichtliche und liturgische Stushydien uumlber das roumlmische Meszligbuch Bd 2 Regensburg 1929 16931 A Franzen R Baumlumer Papstgeschichte Das Petrusamt in seiner Idee und in seiner geschichtlishychen Verwirklichung in der Kirche Freiburg i Br 1974 91

bdquoMacht in Rom geworden (war) die mit houmlchstem Selbstbewuszligtsein auftratldquo32 So traten die Grie chen kloumlster Roms auf einer Lateran synode im Jahr 649 korporativ auf33

Das wirkte auch auf die Gestaltung der staumldtischen Liturgie ein Zahlrei-che Uumlbersetzungen griechischer Texte kamen damals in den Bestand der rouml-mischen Antiphonen und Responso-rien34 Neue Kirchen wurden zu Ehren orientalischer Heiliger gebaut deren Kult damit bedeutender wurde Man denke an die Anar gyren die selbstlos heilenden Martyreraumlrzte Cosmas und Damian denen insgesamt neun Kir-chen gewidmet waren und deren Na-men ihren Platz im Canon der Messe fanden

Papst Sergius I (687-701) hat nach Aus-weis des Liber ponti ficalis angeordnet bdquout tempore confractionis dominici cor-poris Agnus Dei qui tollis peccata mun-di miserere nobislsquo a clero et populo de-canteturrdquo 35 Dabei handelt es sich um ein Element aus oumlstlichen Liturgien das entweder Sergius nach Rom ge-

32 A Baumstark Vom geschichtlichen Werden der Liturgie Freiburg i Br 1923 6333 Mansi 10 9031034 Vgl Paleacuteographie musicale 2 Solesmes 1890 6shy935 Lib pont ed Duchesnes I 376

Stillgebet mit gefalteten Haumlnden

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bracht hat oder das durch die Zuwan-derung griechischer Kleriker aus den vom Islam uumlberfluteten Gebieten des Ostens nach Rom gebracht worden war Im Orient wurde die Opfergabe der Eucharistie schon fruumlh als Lamm bezeichnet und in der Brechung des eucharistischen Brotes sieht man dort einen Hinweis auf Passion und Sterben des Herrn In der Liturgie der Westsyrer finden sich schon fruumlh Texte die waumlh-

rend der Brechung vom Lamm Gottes sprechen das die Suumlnden der Welt hinwegnimmt36 Vielleicht hatte Papst Sergius der selber syrischer Abstam-mung war die Vorlage fuumlr das Agnus Dei als Gesang zur fractio panis hierher

Auf Sergius sollen nach manchen Quellen auch die vier groszligen Mari-enfeste Mariauml Geburt Verkuumlndigung Lichtmeszlig und Entschlafung zuruumlck gehen Die Zuordnung ist nicht ganz sicher auf jeden Fall wurden sie zu Sergiuslsquo Zeit schon in Rom gefei-ert Sergius soll aber die naumlchtlichen Lichter pro zessio-nen von St Hadrian am Forum nach St Maria Maggiore angeordnet haben Diese volkstuumlmli-chen und belieben Prozessionen ka-men zuerst in Antiochien auf Von dort brachte Johannes Chrysostomos sie nach Konstantinopel Ambrosius fuumlhr-te sie in Mailand ein bis sie schlieszliglich Sergius nach Rom brachte37

Mit den Marienfesten und ihren Pro-zessionen kamen auch viele griechi-sche Gesaumlnge in die roumlmische Liturgie so zum Beispiel bdquoNa tivitas tua Dei Ge-nitrix Virgoldquo urspruumlnglich als Antiphon in der Collecta-Kirche am Fest Mariauml Ge burt vor dem Beginn der Messe38 jetzt noch als Magnificat -Anti phon der 2 Vesper zu Mariauml Geburt bdquoO admira-bile commer ciumldquo und bdquoMirabile mys-teriumldquo als Antiphonen zu Vesper und Laudes am 1 Januar bdquoHodie cae lesti sponsoldquo zum Benedictus an Epipha-nie bdquoAdorna thalamum tuum Sionldquo

36 Vgl Jungmann Missarum Sollemnia Bd 2 41637 Siehe dazu K Gamber Oratio ad collectam Ein Beitrag zur roumlmischen Sta tionsliturgie in Ders Missa Ro men sis 195shy19938 Vgl aaO 196

urspruumlnglich als Anitphon in der Coll-ecta-Kirche jetzt zur Kerzenprozession am Mariauml Lichtmeszlig gesungen bdquoDies sanctificatus illuxit nobisldquo als Alleluja-vers der 3 Weihnachtsmesse bdquoGaude-amus omnes in Dominoldquo als Introitus von Allerheiligen Auch das aumllteste Marienge bet der Kirche die mariani-sche Antiphon bdquoSub tuum praesidiumldquo fand in dieser Zeit den Weg nach Rom

32 Weitere orientalische QuellenEine weitere wichtige auszligerroumlmische Quelle fuumlr unsere Liturgie ist die Litur-gie der Mutterkirche von Jerusalem Wie wir aus dem Bericht der aquitani-schen Pilgerin Egeria (oder Aetheria) aus dem Ende des 4 Jahrhunderts wis-sen wurden in Jerusalem schon fruumlh dramatisierte Gottesdienste an den je-weiligen heiligen Staumltten abgehalten wo die entsprechenden Evangelien-stellen verlesen wurden Besonders ausgepraumlgt war das in der Karwoche

Die Jerusalemer Palmsonntagliturgie wie sie nach dem bdquoTypikon der Kirche von Jerusalemldquo aus dem Beginn des 7 Jahrhunderts39 gefeiert wurde kam zunaumlchst in den byzantinischen Os-ten mit dem die Metropole Aquileja im Fruumlhmittelalter intensiven Handel trieb Aquileja war nach Rom nicht nur die groumlszligte Handelsstadt sondern auch bedeutendste Kirchenprovinz Sie umfaszligte weite Teile Norditali-ens der Alpen bis an die Donau und die alte Provinz Pannonien (Ungarn) Aquileja wurde wohl der Uumlbermittler

39 Vgl A Baumstark La Sollenniteacute des palmes dans lrsquoanciennes et la nouvelle Rome in Ireacutenikon 13 (1936) 22shy46 bes 38

hll Cosmas und Damian

Papst Sergius I

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der je ru sa le mit isch-byzantinischen Palmenfeier in den Westen Manche der noch heute gesungenen Texte am Palmsonntag kamen auf diesem Weg in den Westen So stellt der Einzugs-gesang am Ende der Palm prozession bdquoIn grediente Do minoldquo eine freie Uumlber-setzung eines griechischen Troparions aus der Vesper des Palmsonntags dar40

Auch die Karfreitagsliturgie ist stark vom Osten beeinfluszligt Die Enthuumll-lung und Verehrung des Kreuzes geht ebenfalls auf Jerusalem zuruumlck Die dazu gesungenen Improperien und die Trishagion-Verse sind Uumlbernah-men aus dem Orient41

Die an die Kreuzverehrung spaumlter an-gefuumlgte bdquoMissa praesancti fi cationumldquo ist syrischen Ursprungs wo sie vom Patriarchen Severus von Antiochien zwischen 511 und 518 eingefuumlhrt wur-de42 Sie wird im Abendland zuerst in Ravenna uumlbernommen das als Syrer-Zentrale im Abendland galt und fin-det uumlber Aquileja weite Verbreitung bevor sie wohl im 9 Jahrhundert als eigene Feier bdquoad vesperumldquo in die Liturgie der roumlmischen Titelkirchen kommt

Auch die bdquoDepositio crucisldquo am Karfrei-tag und die bdquoElevatio crucisldquo in der Os-

40 Vgl A Baumstark Orientalisches in den Texten der abendlaumlndischen Palmfeier in JLW VII (1927) 148shy15341 Vgl A Baumstark Der Orient und die Adoratio crucis in JLW II (1922) 1shy17 E Wellesz Eastern Eleshyments in Western Chant Oxford 1947 21shy2642 Vgl M Tarschnišvili Die missa praesanctificashytorum und ihre Feier nach georgischen Quellen in ALW II (1952) 75shy80

ternacht zur Matutin wie sie bis in die Neuzeit in weiten Teilen des Abend-lands uumlblich waren gehen auf oumlstli-che byzantinische Quellen zuruumlck und kamen uumlber die Metropole Aquileja ins Abendland fanden aber keinen Eingang in die stadtroumlmische Liturgie Der zur anschlieszligenden naumlchtlichen Prozession mit dem Kreuz gesunge-ne Hymnus bdquoCum rex gloriaeldquo ist ein-deutig orientalischen Ursprungs wie schon die Bezeichnung Christi als bdquorex gloriaeldquo (vgl 1 Petr 319) zeigt Eine entsprechende orientalische Parallele ist bis jetzt noch nicht gefunden wor-den

Wo diese Gottesdienste stattfanden waren sie - in spaumlterer barocker Form - bis zur neuen Kar wochen li tur gie Pius XII die meistbesuchten Gottesdiens-te des Jah res besonders das Heilige Grab43 Neuerdings gibt es Bemuumlhun-gen diese alten volkstuumlmlichen Feiern wiederzubeleben und sie in die neue Liturgie zu integrieren44

4 SchluszligMit diesen wenigen Beispielen kon-kreter Uumlbersetzungen orientalischer

43 Vgl W Bauer Die Depositio und Elevatio crucis in der Dioumlzese Regensburg in Vergangenheit und Zukunft Ein Beitrag zur Integrierung traditioneller ortskirchlicher Liturgie in die erneuerte Liturgie des Paschatriduums maschinenschriftlich Regensburg 197544 Vgl z B Manuale Trevirense Heilige Woche shy Karwoche und Ostern Trier 1999

Quellen fuumlr die roumlmische Liturgie be-schlieszligen wir unsere Uumlberlegungen Zahlreiche weitere koumlnnte man noch anfuumlgen

Wir konnten sehen daszlig die roumlmische Liturgie auf verschiedenen auszligerrouml-mischen Quellen beruht Ganz am An-fang stand die fruumlhe alexandrinische Liturgie auf deren Eucharistiegebet die lateinische Fassung des roumlmischen Meszlig-Canons zuruumlckgeht

Gregor der Groszlige nutzte bei der Ab-fassung seines Sakramentars das er urspruumlnglich nur fuumlr seine persoumlnliche Stationsliturgie zusammengestellt hat das aber dann durch die zeitlichen Umstaumlnde zum allgemeinen roumlmi-schen Meszligbuch wurde neben den rouml-mischen Meszlig-Libelli seiner Vorgaumlnger vor allem das Sakramentar des Pauli-nus von Nola

Dieses gregorianische Sakramen tar verbreitete sich im ganzen Abendland durch die Foumlrderung Karls d Gr auch im fraumlnkisch-germanischen Raum wo es durch altgallikanische Quellen er-weitert wurde Diese erweiterte Form des Sakramentars kam schlieszliglich nach Rom zuruumlck wo es nach einer Zeit des kirchlichen und liturgischen Niedergangs in bereinigter Form als stadtroumlmisches Liturgiebuch ange-nommen und so zur Grundlage fuumlr die Reformbestrebungen des Konzils von Trient wurde

Kreuzweg in Jerusalem

52

In einem zweiten Teil sahen wir daszlig die griechischen orientalischen Ein-fluumlsse nicht auf den Canon beschraumlnkt waren In der byzantinischen Epoche Roms kamen wichtige Impulse aus dem Osten Im Ordo missae zeugen das bdquoKyrie eleisonldquo und das bdquoAg nus Deildquo sowie die Erwaumlhnung der Heili-gen Cosmas und Damian im Canon fuumlr griechische Quellen unserer Liturgie Manche Feste wie die vier groszligen Ma-rienfeste und viele liturgische Gesaumln-ge dieser Zeit beruhen ebenfalls auf griechischen Quellen

In etwas spaumlterer Zeit vermittelte vor allem Aquileja orientalische Texte und Gebraumluche in den Westen die zumin-dest zum Teil in die allgemeine roumlmi-sche Liturgie uumlbernommen wurden Anderes wie die volkstuumlmlichen Kar- und Ostergottesdienste wurde nur in bestimmten Ortskirchen rezipiert

So ist die roumlmische Liturgie aus ei-gentlich roumlmischen und zahlreichen orientalischen und altgallikanischen Quellen zum Missale Romanum von 1962 harmonisch gewachsen Deshalb

konnte der spaumltere Papst Benedikt XVI mit Recht sagen es sei dasjenige bdquoMis-sale das alle Jahrhunderte hindurch seit den Sakramentaren der alten Kir-che gewachsen istldquo45

Lassen Sie mich schlieszligen mit einem Wort des Trierer Theologen Michael Fiedrowicz bdquoDie uumlberlieferte Messe im roumlmischen Ritus ist ein alter von vielen Jahrhunderten und Stilrichtungen ge-praumlgter Bau oftmals ergaumlnzt und weiter ausgeschmuumlckt zuweilen hier und dort restauriert ein Bau bei dem man Teil fuumlr Teil das Jahrhundert seines Ursprungs nachweisen koumlnnte nur in den seltens-ten Faumlllen auch den Kuumlnstler namhaft zu machen wuumlszligte der dieses oder jenes Element gestaltet und dem Ganzen hin-zugefuumlgt hatldquo46

45 J Ratzinger Aus meinem Leben Erinnerungen (1927shy1977) Stuttgart 21998 172shy17146 M Fiedrowicz Die uumlberlieferte Messe 65

Wormser Dom (Nord-Ost-Seite)

Heiliges Grab in der Pfarrkirche zum hl Nikolaus in Eggen (Suumldtirol)

Wormser Dom barocker Hochaltar (Johann Balthasar Neumann)

Page 3: Nichtrömische Quellen der römischen Liturgie · P. Martin Reinecke. 42 sche Gemeinde in Rom verfaßt, bear-beitet oder übernommen, wo sie auch eine Zeit lang gebraucht wurde. Die

43Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

Autorschaft dieser Schrift ist lange Zeit sehr umstritten gewesen und sie ist es auch heute noch Vielfach nahm und nimmt man an der hl Ambrosius von Mailand (+397) sei ihr Verfasser Die Vertre ter dieser These gingen zum Teil davon aus bdquoDe sacramentisldquo sei eine stenographische Niederschrift von ka-techetischen Predigten des Ambrosi-us fuumlr Neugetaufte in der Osterwoche die der Bischof spaumlter in bdquoDe mysteriisldquo aus gearbeitet habe Teils nahm man an bdquoDe sacramentisldquo sei eine private Mitschrift der Predigten des Ambrosi-us waumlhrend bdquoDe my steriisldquo die literari-sche Fassung der von Ambrosius ge-sprochenen Worte darstelle

Remesiana Instructio ad com petentes Fruumlhchristlishyche Katechesen aus Dacien Regensburg 1964 151shy153

Diese These fand aber auch entschie-dene Gegner Diese beriefen sich ebenfalls auf verschiedene Gruumlnde So gibt es bedeutende stilistische Sprach-unterschiede Doch es gibt auch ande-re vor allem liturgische Gruumlnde gegen die Autor schaft des Ambrosius Vor allem die aumllteren Liturgiker haben Bedenken dabei da in Mailand eine Liturgie gefeiert wurde in der die Ca-nonica prex der Sermones ein Fremd-

koumlrper gewe sen waumlre In juumlngerer Zeit hat K Gamber die These aufge stellt die sechs Sermonen bdquoDe sacramentisldquo

stammten von Niceta von Remesiana (+ um 420)8

Das Eucharistiegebet in bdquoDe sa cra-mentisldquo ist deutlich mit dem roumlmischen Meszligcanon verwandt Der Einsetzungs-bericht ist nicht mit dem Dankgebet verbunden wie bei Hippolyt und den orientalischen Anaphoren sondern mit dem Opfergebet wie im roumlmi-schen Canon der Serapion-Ana phora und der aumlgyptischen Markus-Liturgie Wiedergegeben ist das Opfergebet dem wahrschein lich als Ab schluszlig des Dank gebets eine Kirchenbitte voraus-ging wie in der Didache in einigen aumlgyptischen Anaphoren und wie im bdquoTe igi turldquo

Der Au tor der Sermonen ist sicher nicht identisch mit dem der Prex er hat nur eine in seiner Kirche bereits uumlbliche For mel zitiert Als Heimat des Gebets gilt Nordafrika bdquoder ei-

8 Vgl K Gamber Die Autorschaft von De sacrashymentis Zugleich ein Beitrag zur Liturgeschichte der roumlmischen Provinz Dacia mediterranea Regensburg 1967

Titelseite von bdquoDe sacramentisldquo

bdquoHanc igitur oblationem servitutis nostraeldquo (Fragment aus bdquoDe sacramentisldquo)

hl Ambrosius von Mailand (339-397)

Ambrosiaster (St Gallen Stiftsbibliothek)

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gentliche Mutterboden des lateini-schen Chri sten tumsldquo9 Darauf weist z B die letzte Vaterunser-Bitte hin bdquoEt ne patiaris nos induci in ten ta tio nemldquo Sie ist so in Nordafrika bis Augustinus nachweisbar Auch finden sich bei Cy-prian (+258) deutliche Anklaumlnge an unser Gebet (Ep 6317) Die Formel scheint deshalb aus der nordafrikani-schen Kirche zu stammen aus der Zeit um bzw nach 200 Im Okzident war sie weit verbreitet wie die Sermonen bdquoDe Sa cra mentisldquo selber zeigen Die Cano-nica prex stellt allerdings keine Fruumlh-form des roumlmischen Canon dar sie ist eine gaumlnzlich eigene Redaktion wie die abweichende Formulierung des Einsetzungsbe richtes und der Worte Christi zeigen Auch im fruumlhen Spa-nien war das Eucharistiegebet wohl in Gebrauch So begegnen uns in der spaumlteren mozarabischen Liturgie (seit dem 6 7 Jh) einige Gebete aus un-serer Prex

Der Text zeigt auffaumlllige Uumlbereinstim-mungen mit dem spaumlteren alexandri-nischen Anaphora-Ge bet das eine er-weiterte Fassung eines urspruumlnglichen Eucharistiegebets der Kirche von Ale-xandrien darstellt Eine Gegenuumlber-stellung zeigt daszlig der lateinische Text in bdquoDe sacramentisldquo eine fast woumlrtliche Uumlbersetzung der griechischen Vorla-ge darstellt Schon Anton Baumstark hatte vermutet daszlig der roumlmische Meszlig-Canon die Uumlbertragung eines griechischen Originals sei Es duumlrfte aber wohl der Text in bdquoDe sacramentisldquo sein der auf ein griechisches Original zuruumlckgeht

9 G Kunze Die gottesdienstliche Schrift lesung I Goumlttingen 1947 103

Ob nun der Canon romanus selber eine eigene Uumlbersetzung aus dem Griechi-schen ist oder eine Bearbeitung des Canons in bdquoDe sacramentisldquo darstellt laumlszligt sich heute nicht mehr feststellen Mit Sicherheit koumlnnen wir aber sagen daszlig der Canon der roumlmischen Liturgie auf grie chisch sprachige Urspruumlnge zuruumlckgeht und das fruumlhe Euchari-stiegebet der Kirche von Alexandria als Quelle hat

13 Gregor der Groszlige und sein SakramentarDie roumlmische Liturgie wie wir sie ken-nen und insbesondere das Missale Ro-manum sind eng verknuumlpft mit dem Namen Papst Gregors des Groszligen (590-604) Nach der einhelligen Tra-dition des Mittelalters hat Gregor ein bdquoLiber sacramentorum anni circuli ro-manae ecclesiaeldquo verfaszligt Auch wenn in juumlngerer Zeit einige Forscher die Au-torschaft Gregors bezweifeln10 spricht doch die Nennung seines Namens in den spaumlteren Redaktionen und vor allem die Verwendung dieses Liturgie-buchs in den sogenannten Sacramen-taria mixta fuumlr Gregor als Verfasser des Gregorianums

Gregor wurde im Spaumltsommer 590 als Nachfolger des Papstes Gelasius II (579-590) zum Bischof von Rom ge-waumlhlt Die Lage der roumlmischen Kirche war zu Beginn seines Pontifikats aumlu-szligerst schwierig um nicht zu sagen

10 Vgl H Ashworth Did St Gregory the Great compose a Sacramentary in Stu dia Patristica II (Berlin 1957) 3ff Did St Augustine bring the Greshygo rianum to England in Ephem lit 72 (1958) 39shy43 In Quest of the primitive Gre go rianum ebd 319shy322

trostlos Gregor selbst beschreibt das in einem Brief an den Patriarchen von Konstantinopel Johannes so bdquoIch Un-wuumlrdiger und Schwacher habe ein altes und von den Wellen arg mitgenomme-nes Schiff uumlbernommen in das von allen Seiten die Wogen eindringen und dessen morsche Planken unablaumlssig von Stuumlr-men gepeitscht den nahen Schiffbruch ankuumlndigenldquo11 Dringendste Aufgabe war deshalb zuerst die Reorganisation der Verwaltung des Patrimonium Pet-ri nach dem Einfall der Langobarden in Italien im Jahre 56812 Von Anfang an lag Gregor wohl eine liturgische Erneuerung am Herzen die aber zu-naumlchst zuruumlckstehen muszligte

11 Ep Lib I ep 412 Zu den Folgen des Lango bar den einfalls und Gregors VerwaltungsshyReorganisation siehe I Schushyster Gregor der Groszlige und sein Werk in Ders Liber Sacramentorum Geschichtliche und liturgische Stushydien uumlber das roumlmische Meszligbuch Bd 1 Regensburg 1929 47shy 54

hl Gregor der Groszlige

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Er beginnt sie im Jahr 592 mit der He-rausgabe des bdquoLiber sacra men torum anni circuli romanae ecclesiaeldquo Dabei handelte es sich um ein Liturgiebuch fuumlr die Feier der paumlpstlichen Stati-onsgottesdienste das zugleich die roumlmischen Stationsfeiern neu ordnen sollte wie Gregors Biograph Johannes Diaconus schreibtldquo13

Gregor hatte also keineswegs die Ab-sicht ein Liturgiebuch fuumlr die ganze abendlaumlndische Kirche zu verfassen das fuumlr Jahrhunderte guumlltig sein soll-te Tatsaumlchlich war das Stations-Sa-kramentar bdquoprimaumlr fuumlr das Jahr 592 bestimmtldquo14

Gregor hat dabei nicht etwa ein neu-es Sakramentar entworfen d h selbst die Gebete und Formeln geschaffen Seine Arbeit war hauptsaumlchlich Redak-tionsarbeit Dazu griff er auf Oratio-nen fruumlherer Paumlpste zuruumlck wie sie im Paumlpstlichen Archiv aufbewahrt wur-den Die fuumlgte er in sein Sakramentar ein wobei er den Text gelegentlich uumlberarbeitet hat bdquoNur relativ wenige Formeln hat er selbst verfaszligtldquo15

Neben diesen rein roumlmischen Quellen den Meszlig-Libelli der roumlmischen Paumlpste seit ungefaumlhr Leo d Gr (440-461) be-nuumltzte Gregor anscheinend noch ein

13 ldquoStationes per basilicas vel beatorum martyrum coemeteria secundum quod hactenus plebs romana quasi eo vivente certatim discurrit solicitus ordishynavitldquo Vita S Gregorii II 18 (PL 7594)14 K Gamber Sacramentarium Gre go rianum I Das Stationsmeszligbuch des Papstes Gregor Versuch einer Rekonstruktion nach hauptsaumlchlich bayerischen Handschriften Regensburg 1966 715 K Gamber Codices liturgici latini antiquiores Freiburg i Ue 21968 326

anderes nichtroumlmisches Liturgie buch In manchen Orationen der Sonntags-messen und der Karwoche (bdquoDeus a quo et Iudasldquo am Gruumlndonnerstag) ist das noch er kenntlich

Diese zweite nichtroumlmische Quelle des Gregorianums war das Sakramen-tar des Paulinus von Nola (+ 431) Pau-linus war beruumlhmt fuumlr seine theologi-sche Bildung und seine Beredsamkeit Augustinus der mit ihm im Briefwech-sel stand und Hieronymus spendeten ihm Lob dafuumlr So war sein Sakramen-tar weit uumlber Nola und Kampanien hinaus verbreitet Als das erste in Mit-telitalien entstandene Jahres-Sakra-mentar kam es bald auch nach Rom wo es besonders an den Titelkirchen Verwendung fand Auch die Paumlp ste verwendeten einzelne Orationen dar-aus fuumlr ihre Meszlig-Libelli wie zahlreiche Orationen im Sacramentarium Leonia-num zeigen Auch Gregor d Gr nutzte das kampanische Meszligbuch des Pauli-nus und uumlbernahm daraus Ora tionen

fuumlr sein Stations-Sa kra mentar

Verbreitung des Sacra men-tarium GregorianumObwohl Gregor d Gr sein Sakramentar nur fuumlr seinen persoumlnlichen Gebrauch fuumlr die Feier der roumlmischen Stations-gottesdienste gedacht hatte verbrei-tete sich das Liturgiebuch doch schon bald im nahezu gesamten Abendland wo es mit nichtroumlmischen Sakramen-taren vermischt wurde und haumlufig in diesen Mischformen wieder nach Rom zuruumlckkam

Schon zu Gregors Lebzeiten kam das Gregorianum nach Ravenna und von dort - oder direkt von Rom - nach Aquileja wo ein gregorianisiertes Sacramentarium Gelasianum in Ge-brauch war16

16 Vgl K Mohlberg Die aumllteste erreichbare Gestalt des Liber Savramentorum anni circuli der roumlmischen Kirche Muumlnster 1927

46

Im 8 Jh findet sich Gregors Buch be-reits in England und in Bayern Gegen Ende des 7 Jh bittet Karl d Gr den Papst Hadrian (772-795) um ein Meszlig-buch bdquonach dem Brauch der roumlmischen Kircheldquo Er erhaumllt von ihm in den Jah-ren 785786 eine Kopie des von ihm benutzten Stationssakramentars (bdquoHa-drianumldquo) das wohl auf eine Redakti-on des gregorianischen Sakramentars durch Papst Gregor II (715-731) zu-ruumlckgeht und eine Uumlberarbeitung des Gregorianums darstellt Papst Hadrian bezeichnet es in seinem Brief an Kouml-nig Karl als bdquoimmixtumldquo Es wurde als Mu ster exemplar zum Abschreiben in der Palastbibliothek in Aachen nieder-gelegtAuf Draumlngen Karls verbreitet sich die-ses Sakramentar im ganzen Franken-reich Zuvor brachte der Hoftheologe Alkuin einen Anhang mit den fehlen-den Sonntags- und Votivmessen an Allerdings stammen nicht alle erhal-tenen Gregoriana-Handschriften von die sem Exemplar des Papstes Hadrian abDas Gregorianum stellt bdquodie letzte gro-szlige liturgische Gabe der sterbenden Antike darldquo17 Alle Meszligbuuml cher aus spauml-terer Zeit sind bdquosa cra mentaria mixtaldquo

17 K Gamber Missa Romensis 121

die irgend wie auf das Gregorianum zuruumlck gehen So haben wir aus dem 8 Jh zahlreiche Handschriften die teils vollstaumlndig teils fragmentarisch uumlberliefert sind Sie zeigen eine bunte Fuumllle von Formen und sind meist spauml-te Ausbildungen aumllterer Typen Darin wurden aumlltere eigenstaumlndige Litur-giebuumlcher mit Formeln aus dem Gre-gorianum vermischt (Gelasiana mix-ta) oder das Gregorianum wurde mit aumllteren Formeln meist Praumlfationen bereichert (Gregoriana mixta) In der Zeit nach 800 verschwinden die ver-schiedenen Meszligbuchtypen ziemlich ploumltzlich und machen ei ner gewissen Uniformitaumlt Platz Auf diesem Wege ist viel nichtrouml misches aber abend-laumlndisches italisches Gebetsgut in die spaumltere roumlmische Liturgie und in unser Missale Romanum gekommen

2 Fraumlnkische EinfluumlsseMit dem Vordringen roumlmischer Li-turgiebuumlcher in das fraumlnkische Reich und vor allem mit ihrer Foumlrderung durch Karl den Groszligen tritt die roumlmi-sche Liturgie nun in eine neue Phase die auch auf den Hintergrund gesell-schaftlichen und politischen Wan-dels zuruumlck geht Die bdquofolgenschwere Schwer punktverlagerung aus dem Mittelmeerraum in die germanischen insbesondere fraumlnkischen Stammes-gebiete noumlrdlich der Alpen fuumlhrte einerseits zu einer enormen Auswei-tung des Ein fluszlig- und Geltungsberei-ches der roumlmischen Liturgie anderer-seits aber auch zur Verschmelzung mit auszligerroumlmischen Li tur gie traditionen Es entstand eine rouml misch-fraumln ki sche Mischliturgie die die bodenstaumlndigen nichtroumlmischen (Anm d V gallikani-

schen) Liturgien bald fast uumlberall ver-draumlngt hatteldquo18

21 Fraumlnkische Erweiterungen der Missa RomensisNoumlrdlich der Alpen traf nun die sachli-che und nuumlchterne roumlmische Liturgie auf das romanisierte Keltentum das in den ganz andersgearteten gallika-nischen Li tur gieformen seine Heimat hatte19 Die altgallikanische Liturgie geht zuruumlck auf die kleinasiatisch-syrische Liturgie des 4 Jahrhunderts Man kann sie als orientalische Liturgie im lateinischen Gewand bezeichnen Von daher ist sie weit entfernt von der wortkargen Kuumlrze und nuumlchternen Sachlichkeit roumlmischen Denkens Das machte sich nun bei der Rezeption der alten stadtroumlmischen Liturgie des Papstes im fraumlnkischen Raum bemerk-bar

Man uumlbernahm das roumlmische Sakra-mentar so genau wie moumlglich bdquoOb-wohl bei der Luumlckenhaftigkeit der von Rom gekommenen Buumlcher Ergaumln-zungen und Anpassungen wie sie

18 H B Meyer Eucharistie Geschichte Theologie Pastoral (= Handbuch der Liturgiewissenschaft Teil 4) Regensburg 1989 170 19 Eine ausfuumlhrliche Schilderung dieser Phase in J A Jungmann Missarum Sollemnia 98shy122

Karl der Groszlige Sacramentarium Hadrianum

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Alkuin vorgenommen hat nicht zu vermeiden waren ist es staunenswert mit welcher Pietaumlt die neuen Texte gleichwohl uumlbernommen wurdenldquo20 Saumlmtliche roumlmischen Martyrerfeste werden uumlbernommen die roumlmischen Stationen stehen weiterhin uumlber den einzelnen Formularen die Anwei-sungen des Ordo Romanus I werden getreulich abgeschrieben und der liturgischen Praxis zugrunde gelegt Mit anderen Worten man wollte die paumlpstliche Liturgie so genau wie moumlg-lich uumlbernehmen

Trotzdem hat die fraumlnkisch gallikani-sche Mentalitaumlt von Anfang an auf die roumlmische Liturgie eingewirkt und sie weiter entwickelt bdquoBei diesem Prozeszlig blieb der Textbestand der altroumlmi-schen Meszligliturgie weitgehend unan-getastet aber er wurde durch Textma-

20 Ebd 100

terial aus gallisch-fraumlnkischer Tradition ergaumlnzt durch private Priestergebete erweitert und durch gestisch-zere-monielle Elemente angereichertldquo21 So ist Vieles was uns heute an den Ze-remonien der Messe vertraut ist und als typisch roumlmisch erscheint nichts anderes als Frucht der fraumlnkisch-galli-kanischen (und damit letztlich orienta-lischen) Beeinflussungen bei der Uumlber-nahme stadtroumlmischer Gebraumluche im Reich Karls des Groszligen

Als Beispiel mag hier der Gebrauch des Weihrauchs genuumlgen bdquoWaumlhrend roumlmische Weise nur das Mittragen von Weihrauch beim Einzug des Papstes und beim Gang zur Lesung des Evan-geliums kannte tritt auf gallischem Boden im Hochamt sogleich eine mehrfache Be raumlu cherung ein es wird mit geschwungenem Rauchfaszlig der Al-tar nach fester Ordnung um schritten zuerst nur am Beginn der Opfermesse dann bald auch am Beginn der Vor-messe Zur Lesung des Evangeliums muszlig der Weihrauch nicht nur das Buch umwallen sondern nach zeitweilig geltendem Brauch auch in die versam-melte Gemeinde getragen werden was voruumlbergehend zu einer Mehrzahl von Rauchfaumlssern fuumlhrtldquo22

Auch die bis heute uumlblichen Kom-memo ra tionen in der Messe haben dort ihren Ursprung Neben die eine

21 H B Meyer Eucharistie 17022 J A Jungmann Missarum Sollemnia 101shy102

roumlmische Oration koumlnnen nun noch weitere treten wenn nur die Sieben-zahl nicht uumlberschritten wird

Wie gesagt haben auch die priester-lichen Stillgebete in dieser Zeit ihren Ursprung In Gebetsanrede und -stil sind sie von den Formen roumlmischer Orationen weit entfernt Erstmals bie-tet das Sakramentar von Amiens noch aus dem 9 Jahrhundert eine ganze Reihe solcher Gebete von denen sich ein Teil mit den noch heute uumlblichen Texten deckt

Daszlig diese Stillgebete nicht aus roumlmi-scher Tradition stammen sieht man auch an der koumlrperlichen Haltung in der sie vom Prie ster gesprochen wer-den nicht in Orantenhaltung sondern mit gefalteten Haumlnden wie es noumlrd-lichem germanischem Brauch ent-spricht

In dieser Zeit kommen auch zahlreiche Apologien im Verlauf der Messe auf bdquopersoumlnliche Schuld- und Unwuumlrdig-keitsbekenntnisse des Zelebranten von meist betraumlchtlichem Umfang die sich mit der Bitte um Gottes er-barmende Gnade verbindenldquo23 Den Houmlhepunkt der Entfaltung der bdquoApo lo-giae sacerdotisldquo duumlrfte die sogenann-te bdquoMissa Illyricaldquo24 darstellen ein fuumlr einen Bischof bestimmter Meszlig-Ordo aus Minden aus der Zeit um 1030 Der

23 Ebd 103shy10424 CLLA Nr 990

Sacramentarium Hadrianum

Altarinzens beim Pontifikalamt im Petersdom

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Ordo enthaumllt in 35 Formeln Apologien nach dem Ankleiden beim Betreten der Kirche eine laumlngere Reihe nach dem Altarkuszlig eine waumlhrend des Glo-ria mehrere waumlhrend der Zwischen-gesaumlnge und des Offertoriumsge-sangs zur Opferung nach dem bdquoOrate fratresldquo waumlhrend des Sanctus und waumlhrend der Kommunion des VolkesbdquoMaszliggebend fuumlr die weitere Entwick-lung wurde die rituelle Gestalt die die fraumlnkisch-roumlmische Messe um die Jahrtausendwende im sogenannten Rheinischen Meszlig ordo gefunden hat-te der im rheinischen Bereich ent-standen und verbreitet (St Gallen Rei-chenau St AlbanMainz) zunaumlchst fuumlr die bischoumlfliche Feier be stimmt war auf der paumlpstlichen Liturgie des 78 Jh (OR 1) und deren fraumlnkische Adap-tation (OR 5 2 Haumllfte 9Jh) basierte und zahlreiche Elemente enthielt die noch heute zum Ordinarium des roumlmi-schen Meszligritus gehoumlrenldquo25

Die meisten Liturgie wissen schaft-ler sehen diese fraumlnkisch-galli schen Einfluumlsse auf die stadtroumlmische Litur-gie eher skeptisch und sprechen von bdquoroumlmisch-fraumln kische(r) Mischliturgieldquo26 Positiver sieht M Fiedrowicz die Re-zeption im Frankenreich bdquoAll dies war im Kern keine Umformung und Uumlberformung sondern eine Ausrei-

25 M Fiedrowicz Die uumlberlieferte Messe Geshyschichte Gestalt und Theologie des klassischen roumlmischen Ritus MuumllheimMosel 2011 26shy2726 So z B H B Meyer Eucharistie 170

fung des roumlmischen Ritus eine Syn-these der aumluszligerlich-ze re moniellen und innerlich-spi ri tuellen Dimension der Meszligliturgie Einige dieser Gebete sollten bestimmte Gesten begleiten die in der urspruumlnglichen Papstliturgie schweigend vollzogen wurden Auf diese Weise sollte die Froumlmmigkeit des Zelebranten vor einem Automatismus bewahrt bleiben und vom geistigen Sinn dieser Gesten erfuumlllt werden An-dere Gebete waren dazu bestimmt dem Zelebranten die Empfindungen in Erinnerung zu rufen die er haben sollte wenn er zum Altar trat die Op-ferung der Gaben vollzog sich auf die Kommunion vorbereitete oder diese empfangen hatte Harmonisch fuumlgten sich diese Gebete in die Freiraumlume ein die der uumlberkommene Ordo missae beim Erreichen des Altares im Bereich des Offertoriums und der Kommu-nion schlieszliglich am Ende der Messe dem persoumlnlichen Beten des Priesters lieszligldquo27

22 Zuruumlck nach RomUnd genau dieser ausgereifte Ordo der roumlmischen Messe kam ab dem 11 Jahrhundert nach Rom zuruumlck wo das kulturell-kirchliche Leben seit dem Ende des 9 Jahrhunderts einen Tiefstand erreicht hatte bdquoDie Liturgie befand sich im Zustand der Aufloumlsung Klerus und Volk vernachlaumlssigten glei-chermaszligen den Gottesdienst Liturgi-

27 M Fiedrowicz Die uumlberlieferte Messe 25shy26

sche Buumlcher wur den nicht mehr her-gestellt Wie ein Lichtstrahl in jenem Sae culum obscurum tauchten Ende des 10 Jahrhunderts in Italien und Rom selbst liturgische Texte auf die die bodenstaumlndige Form der altroumlmi-schen Liturgie verdraumlngten und den inzwischen noumlrdlich der Alpen weiter ausgebildeten Typus des roumlmischen Ritus an deren Stelle treten lieszligenldquo28

Dieser erweiterte Ritus der nun nach Rom zuruumlckkam war zwar reicher als die alten roumlmischen Formen enthielt aber auch Elemente die dem roumlmi-schen Geist fremd waren So wurde der Meszligordo bereinigt manche der neuen Gebete wurden entfernt und durch andere ersetzt die der roumlmi-schen Mentalitaumlt mehr entsprachen Vor allem die zahlreichen Apologien verschwanden nur das bdquoSuscipe sanc-ta Trinitasldquo blieb bestehen Am Ende dieser Entwicklung stand der bdquoUsus Romanae Curiaeldquo der bereits den Be-stand an fraumlnkisch-galli kanischen Still-gebeten aufwies den wir in unserem Ordo Missae haben Die Ordnung der Meszligfeier bdquosecundum usum Romanae Curiaeldquo verbreitete sich spaumlter - vor allem durch den Franzis kaner orden - uumlber die Stadt Rom hinaus in der gan-zen katholischen Kirche Er wurde die Grundlage fuumlr die Meszligbuchreform im Gefolge des Konzils von Trient

3 Oumlstliche Quellen roumlmischer LiturgieEx Oriente lux Aus dem Osten ist das Licht des christlichen Glaubens her-vorgegangen Wie wir sahen standen orientalische grie chische Quellen am

28 Ebd 27

waumlhrend des Pontifikalamts am Kathedra-Altar von St Peter

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Anfang der lateinisch-roumlmischen Li-turgie Der roumlmische Meszlig-Kanon das Herzstuumlck der Liturgie geht auf eine Uumlbersetzung einer oumlstlichen naumlherhin alexandrinischen Anaphora zuruumlck Damit houmlren Beeinflussung und Be-reicherung der Liturgie Roms aus dem griechischen Osten nicht auf

Die byzantinische Epoche RomsAus der Fruumlhzeit Roms als die Litur-gie noch griechischsprachig war hat sich das bdquoKyrie eleisonldquo in der Litanei und der Messe erhalten waumlhrend es in den altgallikanischen Liturgien zu-mindest in den Fuumlrbitt-Litaneien mit bdquoDomine miserereldquo29 uumlbersetzt wird Die groszlige Zahl der orientalischen griechischsprachigen Paumlpste bis ins 4 Jahrhundert ist beredtes Zeugnis fuumlr den griechischen Einfluszlig auf die fruumlhe roumlmische Kirche und ihre Liturgie

Doch auch spaumlter gab es noch be-deutende griechische Praumlsenzen in der Ewigen Stadt die immer wieder Einfluszlig auf die nun lateinische Litur-gie hatten So gab es z B im 4 Jahr-hundert ei ne griechische Gemeinde in der Titelkirche S Anastasia im Grie-chenviertel am Fuszlig des Palatin Ihr ha-ben wir die zweite Weihnachtsmesse bdquoin auroraldquo zu verdanken wo der Papst auf dem Ruumlckweg von der Mitter-nachtsmesse in S Maria Maggiore den Stationsgottesdienst hielt bevor er die Hauptmesse bdquoin dieldquo in St Peter fei-erte Die urspruumlngliche Ei genmesse zu Ehren der hl Ana stasia muszligte spaumlter

29 Vgl die bdquoDeprecatio sancti Martini pro populoldquo im irischen Stowe Missal F E Warren The liturgy and ritual of the Celtic church Suffolk 21987 229

dem liturgisch houmlheren Weihnachts-fest weichen geblieben ist - aus Res-pekt vor der griechisch-spra chi gen Be-voumllkerung - die Komme moration und die Stationskirche30

Der griechisch orientalische Einfluszlig in Rom blieb auch nach der Zeit Gre-gors d Gr bestehen bdquoDie Paumlpste dieser Epoche sind samt und sonders noch dem byzantinisch-hellenistischen Mittelmeerraum der Antike zuzu-rechnen Das sbquoMittelalterlsquo beginnt in Rom erst um die Mitte des achten Jahrhundertsldquo31 Politisch gehoumlrte Rom in dieser Zeit zum byzantinischen Ex-archat Ravenna Viele Syrer Griechen aus dem Osten und von Sizilien Soumlh-ne hoher kaiserlicher Beamter hat-ten in dieser Zeit das Papstamt inne Dementsprechend waren auch in der paumlpstlichen Verwaltung viele Maumlnner oumlstlicher Praumlgung taumltig Hinzu kommt daszlig das orientalische Moumlnchtum um die Mitte des 7 Jahrhunderts zu einer

30 Nach Ausweis von Ildefons Schuster war Leo XII (1823shy1829) der letzte Papst der die Station in S Anastasia gehalten hat Vgl I Schuster Liber sacramentorum Geschichtliche und liturgische Stushydien uumlber das roumlmische Meszligbuch Bd 2 Regensburg 1929 16931 A Franzen R Baumlumer Papstgeschichte Das Petrusamt in seiner Idee und in seiner geschichtlishychen Verwirklichung in der Kirche Freiburg i Br 1974 91

bdquoMacht in Rom geworden (war) die mit houmlchstem Selbstbewuszligtsein auftratldquo32 So traten die Grie chen kloumlster Roms auf einer Lateran synode im Jahr 649 korporativ auf33

Das wirkte auch auf die Gestaltung der staumldtischen Liturgie ein Zahlrei-che Uumlbersetzungen griechischer Texte kamen damals in den Bestand der rouml-mischen Antiphonen und Responso-rien34 Neue Kirchen wurden zu Ehren orientalischer Heiliger gebaut deren Kult damit bedeutender wurde Man denke an die Anar gyren die selbstlos heilenden Martyreraumlrzte Cosmas und Damian denen insgesamt neun Kir-chen gewidmet waren und deren Na-men ihren Platz im Canon der Messe fanden

Papst Sergius I (687-701) hat nach Aus-weis des Liber ponti ficalis angeordnet bdquout tempore confractionis dominici cor-poris Agnus Dei qui tollis peccata mun-di miserere nobislsquo a clero et populo de-canteturrdquo 35 Dabei handelt es sich um ein Element aus oumlstlichen Liturgien das entweder Sergius nach Rom ge-

32 A Baumstark Vom geschichtlichen Werden der Liturgie Freiburg i Br 1923 6333 Mansi 10 9031034 Vgl Paleacuteographie musicale 2 Solesmes 1890 6shy935 Lib pont ed Duchesnes I 376

Stillgebet mit gefalteten Haumlnden

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bracht hat oder das durch die Zuwan-derung griechischer Kleriker aus den vom Islam uumlberfluteten Gebieten des Ostens nach Rom gebracht worden war Im Orient wurde die Opfergabe der Eucharistie schon fruumlh als Lamm bezeichnet und in der Brechung des eucharistischen Brotes sieht man dort einen Hinweis auf Passion und Sterben des Herrn In der Liturgie der Westsyrer finden sich schon fruumlh Texte die waumlh-

rend der Brechung vom Lamm Gottes sprechen das die Suumlnden der Welt hinwegnimmt36 Vielleicht hatte Papst Sergius der selber syrischer Abstam-mung war die Vorlage fuumlr das Agnus Dei als Gesang zur fractio panis hierher

Auf Sergius sollen nach manchen Quellen auch die vier groszligen Mari-enfeste Mariauml Geburt Verkuumlndigung Lichtmeszlig und Entschlafung zuruumlck gehen Die Zuordnung ist nicht ganz sicher auf jeden Fall wurden sie zu Sergiuslsquo Zeit schon in Rom gefei-ert Sergius soll aber die naumlchtlichen Lichter pro zessio-nen von St Hadrian am Forum nach St Maria Maggiore angeordnet haben Diese volkstuumlmli-chen und belieben Prozessionen ka-men zuerst in Antiochien auf Von dort brachte Johannes Chrysostomos sie nach Konstantinopel Ambrosius fuumlhr-te sie in Mailand ein bis sie schlieszliglich Sergius nach Rom brachte37

Mit den Marienfesten und ihren Pro-zessionen kamen auch viele griechi-sche Gesaumlnge in die roumlmische Liturgie so zum Beispiel bdquoNa tivitas tua Dei Ge-nitrix Virgoldquo urspruumlnglich als Antiphon in der Collecta-Kirche am Fest Mariauml Ge burt vor dem Beginn der Messe38 jetzt noch als Magnificat -Anti phon der 2 Vesper zu Mariauml Geburt bdquoO admira-bile commer ciumldquo und bdquoMirabile mys-teriumldquo als Antiphonen zu Vesper und Laudes am 1 Januar bdquoHodie cae lesti sponsoldquo zum Benedictus an Epipha-nie bdquoAdorna thalamum tuum Sionldquo

36 Vgl Jungmann Missarum Sollemnia Bd 2 41637 Siehe dazu K Gamber Oratio ad collectam Ein Beitrag zur roumlmischen Sta tionsliturgie in Ders Missa Ro men sis 195shy19938 Vgl aaO 196

urspruumlnglich als Anitphon in der Coll-ecta-Kirche jetzt zur Kerzenprozession am Mariauml Lichtmeszlig gesungen bdquoDies sanctificatus illuxit nobisldquo als Alleluja-vers der 3 Weihnachtsmesse bdquoGaude-amus omnes in Dominoldquo als Introitus von Allerheiligen Auch das aumllteste Marienge bet der Kirche die mariani-sche Antiphon bdquoSub tuum praesidiumldquo fand in dieser Zeit den Weg nach Rom

32 Weitere orientalische QuellenEine weitere wichtige auszligerroumlmische Quelle fuumlr unsere Liturgie ist die Litur-gie der Mutterkirche von Jerusalem Wie wir aus dem Bericht der aquitani-schen Pilgerin Egeria (oder Aetheria) aus dem Ende des 4 Jahrhunderts wis-sen wurden in Jerusalem schon fruumlh dramatisierte Gottesdienste an den je-weiligen heiligen Staumltten abgehalten wo die entsprechenden Evangelien-stellen verlesen wurden Besonders ausgepraumlgt war das in der Karwoche

Die Jerusalemer Palmsonntagliturgie wie sie nach dem bdquoTypikon der Kirche von Jerusalemldquo aus dem Beginn des 7 Jahrhunderts39 gefeiert wurde kam zunaumlchst in den byzantinischen Os-ten mit dem die Metropole Aquileja im Fruumlhmittelalter intensiven Handel trieb Aquileja war nach Rom nicht nur die groumlszligte Handelsstadt sondern auch bedeutendste Kirchenprovinz Sie umfaszligte weite Teile Norditali-ens der Alpen bis an die Donau und die alte Provinz Pannonien (Ungarn) Aquileja wurde wohl der Uumlbermittler

39 Vgl A Baumstark La Sollenniteacute des palmes dans lrsquoanciennes et la nouvelle Rome in Ireacutenikon 13 (1936) 22shy46 bes 38

hll Cosmas und Damian

Papst Sergius I

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der je ru sa le mit isch-byzantinischen Palmenfeier in den Westen Manche der noch heute gesungenen Texte am Palmsonntag kamen auf diesem Weg in den Westen So stellt der Einzugs-gesang am Ende der Palm prozession bdquoIn grediente Do minoldquo eine freie Uumlber-setzung eines griechischen Troparions aus der Vesper des Palmsonntags dar40

Auch die Karfreitagsliturgie ist stark vom Osten beeinfluszligt Die Enthuumll-lung und Verehrung des Kreuzes geht ebenfalls auf Jerusalem zuruumlck Die dazu gesungenen Improperien und die Trishagion-Verse sind Uumlbernah-men aus dem Orient41

Die an die Kreuzverehrung spaumlter an-gefuumlgte bdquoMissa praesancti fi cationumldquo ist syrischen Ursprungs wo sie vom Patriarchen Severus von Antiochien zwischen 511 und 518 eingefuumlhrt wur-de42 Sie wird im Abendland zuerst in Ravenna uumlbernommen das als Syrer-Zentrale im Abendland galt und fin-det uumlber Aquileja weite Verbreitung bevor sie wohl im 9 Jahrhundert als eigene Feier bdquoad vesperumldquo in die Liturgie der roumlmischen Titelkirchen kommt

Auch die bdquoDepositio crucisldquo am Karfrei-tag und die bdquoElevatio crucisldquo in der Os-

40 Vgl A Baumstark Orientalisches in den Texten der abendlaumlndischen Palmfeier in JLW VII (1927) 148shy15341 Vgl A Baumstark Der Orient und die Adoratio crucis in JLW II (1922) 1shy17 E Wellesz Eastern Eleshyments in Western Chant Oxford 1947 21shy2642 Vgl M Tarschnišvili Die missa praesanctificashytorum und ihre Feier nach georgischen Quellen in ALW II (1952) 75shy80

ternacht zur Matutin wie sie bis in die Neuzeit in weiten Teilen des Abend-lands uumlblich waren gehen auf oumlstli-che byzantinische Quellen zuruumlck und kamen uumlber die Metropole Aquileja ins Abendland fanden aber keinen Eingang in die stadtroumlmische Liturgie Der zur anschlieszligenden naumlchtlichen Prozession mit dem Kreuz gesunge-ne Hymnus bdquoCum rex gloriaeldquo ist ein-deutig orientalischen Ursprungs wie schon die Bezeichnung Christi als bdquorex gloriaeldquo (vgl 1 Petr 319) zeigt Eine entsprechende orientalische Parallele ist bis jetzt noch nicht gefunden wor-den

Wo diese Gottesdienste stattfanden waren sie - in spaumlterer barocker Form - bis zur neuen Kar wochen li tur gie Pius XII die meistbesuchten Gottesdiens-te des Jah res besonders das Heilige Grab43 Neuerdings gibt es Bemuumlhun-gen diese alten volkstuumlmlichen Feiern wiederzubeleben und sie in die neue Liturgie zu integrieren44

4 SchluszligMit diesen wenigen Beispielen kon-kreter Uumlbersetzungen orientalischer

43 Vgl W Bauer Die Depositio und Elevatio crucis in der Dioumlzese Regensburg in Vergangenheit und Zukunft Ein Beitrag zur Integrierung traditioneller ortskirchlicher Liturgie in die erneuerte Liturgie des Paschatriduums maschinenschriftlich Regensburg 197544 Vgl z B Manuale Trevirense Heilige Woche shy Karwoche und Ostern Trier 1999

Quellen fuumlr die roumlmische Liturgie be-schlieszligen wir unsere Uumlberlegungen Zahlreiche weitere koumlnnte man noch anfuumlgen

Wir konnten sehen daszlig die roumlmische Liturgie auf verschiedenen auszligerrouml-mischen Quellen beruht Ganz am An-fang stand die fruumlhe alexandrinische Liturgie auf deren Eucharistiegebet die lateinische Fassung des roumlmischen Meszlig-Canons zuruumlckgeht

Gregor der Groszlige nutzte bei der Ab-fassung seines Sakramentars das er urspruumlnglich nur fuumlr seine persoumlnliche Stationsliturgie zusammengestellt hat das aber dann durch die zeitlichen Umstaumlnde zum allgemeinen roumlmi-schen Meszligbuch wurde neben den rouml-mischen Meszlig-Libelli seiner Vorgaumlnger vor allem das Sakramentar des Pauli-nus von Nola

Dieses gregorianische Sakramen tar verbreitete sich im ganzen Abendland durch die Foumlrderung Karls d Gr auch im fraumlnkisch-germanischen Raum wo es durch altgallikanische Quellen er-weitert wurde Diese erweiterte Form des Sakramentars kam schlieszliglich nach Rom zuruumlck wo es nach einer Zeit des kirchlichen und liturgischen Niedergangs in bereinigter Form als stadtroumlmisches Liturgiebuch ange-nommen und so zur Grundlage fuumlr die Reformbestrebungen des Konzils von Trient wurde

Kreuzweg in Jerusalem

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In einem zweiten Teil sahen wir daszlig die griechischen orientalischen Ein-fluumlsse nicht auf den Canon beschraumlnkt waren In der byzantinischen Epoche Roms kamen wichtige Impulse aus dem Osten Im Ordo missae zeugen das bdquoKyrie eleisonldquo und das bdquoAg nus Deildquo sowie die Erwaumlhnung der Heili-gen Cosmas und Damian im Canon fuumlr griechische Quellen unserer Liturgie Manche Feste wie die vier groszligen Ma-rienfeste und viele liturgische Gesaumln-ge dieser Zeit beruhen ebenfalls auf griechischen Quellen

In etwas spaumlterer Zeit vermittelte vor allem Aquileja orientalische Texte und Gebraumluche in den Westen die zumin-dest zum Teil in die allgemeine roumlmi-sche Liturgie uumlbernommen wurden Anderes wie die volkstuumlmlichen Kar- und Ostergottesdienste wurde nur in bestimmten Ortskirchen rezipiert

So ist die roumlmische Liturgie aus ei-gentlich roumlmischen und zahlreichen orientalischen und altgallikanischen Quellen zum Missale Romanum von 1962 harmonisch gewachsen Deshalb

konnte der spaumltere Papst Benedikt XVI mit Recht sagen es sei dasjenige bdquoMis-sale das alle Jahrhunderte hindurch seit den Sakramentaren der alten Kir-che gewachsen istldquo45

Lassen Sie mich schlieszligen mit einem Wort des Trierer Theologen Michael Fiedrowicz bdquoDie uumlberlieferte Messe im roumlmischen Ritus ist ein alter von vielen Jahrhunderten und Stilrichtungen ge-praumlgter Bau oftmals ergaumlnzt und weiter ausgeschmuumlckt zuweilen hier und dort restauriert ein Bau bei dem man Teil fuumlr Teil das Jahrhundert seines Ursprungs nachweisen koumlnnte nur in den seltens-ten Faumlllen auch den Kuumlnstler namhaft zu machen wuumlszligte der dieses oder jenes Element gestaltet und dem Ganzen hin-zugefuumlgt hatldquo46

45 J Ratzinger Aus meinem Leben Erinnerungen (1927shy1977) Stuttgart 21998 172shy17146 M Fiedrowicz Die uumlberlieferte Messe 65

Wormser Dom (Nord-Ost-Seite)

Heiliges Grab in der Pfarrkirche zum hl Nikolaus in Eggen (Suumldtirol)

Wormser Dom barocker Hochaltar (Johann Balthasar Neumann)

Page 4: Nichtrömische Quellen der römischen Liturgie · P. Martin Reinecke. 42 sche Gemeinde in Rom verfaßt, bear-beitet oder übernommen, wo sie auch eine Zeit lang gebraucht wurde. Die

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gentliche Mutterboden des lateini-schen Chri sten tumsldquo9 Darauf weist z B die letzte Vaterunser-Bitte hin bdquoEt ne patiaris nos induci in ten ta tio nemldquo Sie ist so in Nordafrika bis Augustinus nachweisbar Auch finden sich bei Cy-prian (+258) deutliche Anklaumlnge an unser Gebet (Ep 6317) Die Formel scheint deshalb aus der nordafrikani-schen Kirche zu stammen aus der Zeit um bzw nach 200 Im Okzident war sie weit verbreitet wie die Sermonen bdquoDe Sa cra mentisldquo selber zeigen Die Cano-nica prex stellt allerdings keine Fruumlh-form des roumlmischen Canon dar sie ist eine gaumlnzlich eigene Redaktion wie die abweichende Formulierung des Einsetzungsbe richtes und der Worte Christi zeigen Auch im fruumlhen Spa-nien war das Eucharistiegebet wohl in Gebrauch So begegnen uns in der spaumlteren mozarabischen Liturgie (seit dem 6 7 Jh) einige Gebete aus un-serer Prex

Der Text zeigt auffaumlllige Uumlbereinstim-mungen mit dem spaumlteren alexandri-nischen Anaphora-Ge bet das eine er-weiterte Fassung eines urspruumlnglichen Eucharistiegebets der Kirche von Ale-xandrien darstellt Eine Gegenuumlber-stellung zeigt daszlig der lateinische Text in bdquoDe sacramentisldquo eine fast woumlrtliche Uumlbersetzung der griechischen Vorla-ge darstellt Schon Anton Baumstark hatte vermutet daszlig der roumlmische Meszlig-Canon die Uumlbertragung eines griechischen Originals sei Es duumlrfte aber wohl der Text in bdquoDe sacramentisldquo sein der auf ein griechisches Original zuruumlckgeht

9 G Kunze Die gottesdienstliche Schrift lesung I Goumlttingen 1947 103

Ob nun der Canon romanus selber eine eigene Uumlbersetzung aus dem Griechi-schen ist oder eine Bearbeitung des Canons in bdquoDe sacramentisldquo darstellt laumlszligt sich heute nicht mehr feststellen Mit Sicherheit koumlnnen wir aber sagen daszlig der Canon der roumlmischen Liturgie auf grie chisch sprachige Urspruumlnge zuruumlckgeht und das fruumlhe Euchari-stiegebet der Kirche von Alexandria als Quelle hat

13 Gregor der Groszlige und sein SakramentarDie roumlmische Liturgie wie wir sie ken-nen und insbesondere das Missale Ro-manum sind eng verknuumlpft mit dem Namen Papst Gregors des Groszligen (590-604) Nach der einhelligen Tra-dition des Mittelalters hat Gregor ein bdquoLiber sacramentorum anni circuli ro-manae ecclesiaeldquo verfaszligt Auch wenn in juumlngerer Zeit einige Forscher die Au-torschaft Gregors bezweifeln10 spricht doch die Nennung seines Namens in den spaumlteren Redaktionen und vor allem die Verwendung dieses Liturgie-buchs in den sogenannten Sacramen-taria mixta fuumlr Gregor als Verfasser des Gregorianums

Gregor wurde im Spaumltsommer 590 als Nachfolger des Papstes Gelasius II (579-590) zum Bischof von Rom ge-waumlhlt Die Lage der roumlmischen Kirche war zu Beginn seines Pontifikats aumlu-szligerst schwierig um nicht zu sagen

10 Vgl H Ashworth Did St Gregory the Great compose a Sacramentary in Stu dia Patristica II (Berlin 1957) 3ff Did St Augustine bring the Greshygo rianum to England in Ephem lit 72 (1958) 39shy43 In Quest of the primitive Gre go rianum ebd 319shy322

trostlos Gregor selbst beschreibt das in einem Brief an den Patriarchen von Konstantinopel Johannes so bdquoIch Un-wuumlrdiger und Schwacher habe ein altes und von den Wellen arg mitgenomme-nes Schiff uumlbernommen in das von allen Seiten die Wogen eindringen und dessen morsche Planken unablaumlssig von Stuumlr-men gepeitscht den nahen Schiffbruch ankuumlndigenldquo11 Dringendste Aufgabe war deshalb zuerst die Reorganisation der Verwaltung des Patrimonium Pet-ri nach dem Einfall der Langobarden in Italien im Jahre 56812 Von Anfang an lag Gregor wohl eine liturgische Erneuerung am Herzen die aber zu-naumlchst zuruumlckstehen muszligte

11 Ep Lib I ep 412 Zu den Folgen des Lango bar den einfalls und Gregors VerwaltungsshyReorganisation siehe I Schushyster Gregor der Groszlige und sein Werk in Ders Liber Sacramentorum Geschichtliche und liturgische Stushydien uumlber das roumlmische Meszligbuch Bd 1 Regensburg 1929 47shy 54

hl Gregor der Groszlige

45Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

Er beginnt sie im Jahr 592 mit der He-rausgabe des bdquoLiber sacra men torum anni circuli romanae ecclesiaeldquo Dabei handelte es sich um ein Liturgiebuch fuumlr die Feier der paumlpstlichen Stati-onsgottesdienste das zugleich die roumlmischen Stationsfeiern neu ordnen sollte wie Gregors Biograph Johannes Diaconus schreibtldquo13

Gregor hatte also keineswegs die Ab-sicht ein Liturgiebuch fuumlr die ganze abendlaumlndische Kirche zu verfassen das fuumlr Jahrhunderte guumlltig sein soll-te Tatsaumlchlich war das Stations-Sa-kramentar bdquoprimaumlr fuumlr das Jahr 592 bestimmtldquo14

Gregor hat dabei nicht etwa ein neu-es Sakramentar entworfen d h selbst die Gebete und Formeln geschaffen Seine Arbeit war hauptsaumlchlich Redak-tionsarbeit Dazu griff er auf Oratio-nen fruumlherer Paumlpste zuruumlck wie sie im Paumlpstlichen Archiv aufbewahrt wur-den Die fuumlgte er in sein Sakramentar ein wobei er den Text gelegentlich uumlberarbeitet hat bdquoNur relativ wenige Formeln hat er selbst verfaszligtldquo15

Neben diesen rein roumlmischen Quellen den Meszlig-Libelli der roumlmischen Paumlpste seit ungefaumlhr Leo d Gr (440-461) be-nuumltzte Gregor anscheinend noch ein

13 ldquoStationes per basilicas vel beatorum martyrum coemeteria secundum quod hactenus plebs romana quasi eo vivente certatim discurrit solicitus ordishynavitldquo Vita S Gregorii II 18 (PL 7594)14 K Gamber Sacramentarium Gre go rianum I Das Stationsmeszligbuch des Papstes Gregor Versuch einer Rekonstruktion nach hauptsaumlchlich bayerischen Handschriften Regensburg 1966 715 K Gamber Codices liturgici latini antiquiores Freiburg i Ue 21968 326

anderes nichtroumlmisches Liturgie buch In manchen Orationen der Sonntags-messen und der Karwoche (bdquoDeus a quo et Iudasldquo am Gruumlndonnerstag) ist das noch er kenntlich

Diese zweite nichtroumlmische Quelle des Gregorianums war das Sakramen-tar des Paulinus von Nola (+ 431) Pau-linus war beruumlhmt fuumlr seine theologi-sche Bildung und seine Beredsamkeit Augustinus der mit ihm im Briefwech-sel stand und Hieronymus spendeten ihm Lob dafuumlr So war sein Sakramen-tar weit uumlber Nola und Kampanien hinaus verbreitet Als das erste in Mit-telitalien entstandene Jahres-Sakra-mentar kam es bald auch nach Rom wo es besonders an den Titelkirchen Verwendung fand Auch die Paumlp ste verwendeten einzelne Orationen dar-aus fuumlr ihre Meszlig-Libelli wie zahlreiche Orationen im Sacramentarium Leonia-num zeigen Auch Gregor d Gr nutzte das kampanische Meszligbuch des Pauli-nus und uumlbernahm daraus Ora tionen

fuumlr sein Stations-Sa kra mentar

Verbreitung des Sacra men-tarium GregorianumObwohl Gregor d Gr sein Sakramentar nur fuumlr seinen persoumlnlichen Gebrauch fuumlr die Feier der roumlmischen Stations-gottesdienste gedacht hatte verbrei-tete sich das Liturgiebuch doch schon bald im nahezu gesamten Abendland wo es mit nichtroumlmischen Sakramen-taren vermischt wurde und haumlufig in diesen Mischformen wieder nach Rom zuruumlckkam

Schon zu Gregors Lebzeiten kam das Gregorianum nach Ravenna und von dort - oder direkt von Rom - nach Aquileja wo ein gregorianisiertes Sacramentarium Gelasianum in Ge-brauch war16

16 Vgl K Mohlberg Die aumllteste erreichbare Gestalt des Liber Savramentorum anni circuli der roumlmischen Kirche Muumlnster 1927

46

Im 8 Jh findet sich Gregors Buch be-reits in England und in Bayern Gegen Ende des 7 Jh bittet Karl d Gr den Papst Hadrian (772-795) um ein Meszlig-buch bdquonach dem Brauch der roumlmischen Kircheldquo Er erhaumllt von ihm in den Jah-ren 785786 eine Kopie des von ihm benutzten Stationssakramentars (bdquoHa-drianumldquo) das wohl auf eine Redakti-on des gregorianischen Sakramentars durch Papst Gregor II (715-731) zu-ruumlckgeht und eine Uumlberarbeitung des Gregorianums darstellt Papst Hadrian bezeichnet es in seinem Brief an Kouml-nig Karl als bdquoimmixtumldquo Es wurde als Mu ster exemplar zum Abschreiben in der Palastbibliothek in Aachen nieder-gelegtAuf Draumlngen Karls verbreitet sich die-ses Sakramentar im ganzen Franken-reich Zuvor brachte der Hoftheologe Alkuin einen Anhang mit den fehlen-den Sonntags- und Votivmessen an Allerdings stammen nicht alle erhal-tenen Gregoriana-Handschriften von die sem Exemplar des Papstes Hadrian abDas Gregorianum stellt bdquodie letzte gro-szlige liturgische Gabe der sterbenden Antike darldquo17 Alle Meszligbuuml cher aus spauml-terer Zeit sind bdquosa cra mentaria mixtaldquo

17 K Gamber Missa Romensis 121

die irgend wie auf das Gregorianum zuruumlck gehen So haben wir aus dem 8 Jh zahlreiche Handschriften die teils vollstaumlndig teils fragmentarisch uumlberliefert sind Sie zeigen eine bunte Fuumllle von Formen und sind meist spauml-te Ausbildungen aumllterer Typen Darin wurden aumlltere eigenstaumlndige Litur-giebuumlcher mit Formeln aus dem Gre-gorianum vermischt (Gelasiana mix-ta) oder das Gregorianum wurde mit aumllteren Formeln meist Praumlfationen bereichert (Gregoriana mixta) In der Zeit nach 800 verschwinden die ver-schiedenen Meszligbuchtypen ziemlich ploumltzlich und machen ei ner gewissen Uniformitaumlt Platz Auf diesem Wege ist viel nichtrouml misches aber abend-laumlndisches italisches Gebetsgut in die spaumltere roumlmische Liturgie und in unser Missale Romanum gekommen

2 Fraumlnkische EinfluumlsseMit dem Vordringen roumlmischer Li-turgiebuumlcher in das fraumlnkische Reich und vor allem mit ihrer Foumlrderung durch Karl den Groszligen tritt die roumlmi-sche Liturgie nun in eine neue Phase die auch auf den Hintergrund gesell-schaftlichen und politischen Wan-dels zuruumlck geht Die bdquofolgenschwere Schwer punktverlagerung aus dem Mittelmeerraum in die germanischen insbesondere fraumlnkischen Stammes-gebiete noumlrdlich der Alpen fuumlhrte einerseits zu einer enormen Auswei-tung des Ein fluszlig- und Geltungsberei-ches der roumlmischen Liturgie anderer-seits aber auch zur Verschmelzung mit auszligerroumlmischen Li tur gie traditionen Es entstand eine rouml misch-fraumln ki sche Mischliturgie die die bodenstaumlndigen nichtroumlmischen (Anm d V gallikani-

schen) Liturgien bald fast uumlberall ver-draumlngt hatteldquo18

21 Fraumlnkische Erweiterungen der Missa RomensisNoumlrdlich der Alpen traf nun die sachli-che und nuumlchterne roumlmische Liturgie auf das romanisierte Keltentum das in den ganz andersgearteten gallika-nischen Li tur gieformen seine Heimat hatte19 Die altgallikanische Liturgie geht zuruumlck auf die kleinasiatisch-syrische Liturgie des 4 Jahrhunderts Man kann sie als orientalische Liturgie im lateinischen Gewand bezeichnen Von daher ist sie weit entfernt von der wortkargen Kuumlrze und nuumlchternen Sachlichkeit roumlmischen Denkens Das machte sich nun bei der Rezeption der alten stadtroumlmischen Liturgie des Papstes im fraumlnkischen Raum bemerk-bar

Man uumlbernahm das roumlmische Sakra-mentar so genau wie moumlglich bdquoOb-wohl bei der Luumlckenhaftigkeit der von Rom gekommenen Buumlcher Ergaumln-zungen und Anpassungen wie sie

18 H B Meyer Eucharistie Geschichte Theologie Pastoral (= Handbuch der Liturgiewissenschaft Teil 4) Regensburg 1989 170 19 Eine ausfuumlhrliche Schilderung dieser Phase in J A Jungmann Missarum Sollemnia 98shy122

Karl der Groszlige Sacramentarium Hadrianum

47Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

Alkuin vorgenommen hat nicht zu vermeiden waren ist es staunenswert mit welcher Pietaumlt die neuen Texte gleichwohl uumlbernommen wurdenldquo20 Saumlmtliche roumlmischen Martyrerfeste werden uumlbernommen die roumlmischen Stationen stehen weiterhin uumlber den einzelnen Formularen die Anwei-sungen des Ordo Romanus I werden getreulich abgeschrieben und der liturgischen Praxis zugrunde gelegt Mit anderen Worten man wollte die paumlpstliche Liturgie so genau wie moumlg-lich uumlbernehmen

Trotzdem hat die fraumlnkisch gallikani-sche Mentalitaumlt von Anfang an auf die roumlmische Liturgie eingewirkt und sie weiter entwickelt bdquoBei diesem Prozeszlig blieb der Textbestand der altroumlmi-schen Meszligliturgie weitgehend unan-getastet aber er wurde durch Textma-

20 Ebd 100

terial aus gallisch-fraumlnkischer Tradition ergaumlnzt durch private Priestergebete erweitert und durch gestisch-zere-monielle Elemente angereichertldquo21 So ist Vieles was uns heute an den Ze-remonien der Messe vertraut ist und als typisch roumlmisch erscheint nichts anderes als Frucht der fraumlnkisch-galli-kanischen (und damit letztlich orienta-lischen) Beeinflussungen bei der Uumlber-nahme stadtroumlmischer Gebraumluche im Reich Karls des Groszligen

Als Beispiel mag hier der Gebrauch des Weihrauchs genuumlgen bdquoWaumlhrend roumlmische Weise nur das Mittragen von Weihrauch beim Einzug des Papstes und beim Gang zur Lesung des Evan-geliums kannte tritt auf gallischem Boden im Hochamt sogleich eine mehrfache Be raumlu cherung ein es wird mit geschwungenem Rauchfaszlig der Al-tar nach fester Ordnung um schritten zuerst nur am Beginn der Opfermesse dann bald auch am Beginn der Vor-messe Zur Lesung des Evangeliums muszlig der Weihrauch nicht nur das Buch umwallen sondern nach zeitweilig geltendem Brauch auch in die versam-melte Gemeinde getragen werden was voruumlbergehend zu einer Mehrzahl von Rauchfaumlssern fuumlhrtldquo22

Auch die bis heute uumlblichen Kom-memo ra tionen in der Messe haben dort ihren Ursprung Neben die eine

21 H B Meyer Eucharistie 17022 J A Jungmann Missarum Sollemnia 101shy102

roumlmische Oration koumlnnen nun noch weitere treten wenn nur die Sieben-zahl nicht uumlberschritten wird

Wie gesagt haben auch die priester-lichen Stillgebete in dieser Zeit ihren Ursprung In Gebetsanrede und -stil sind sie von den Formen roumlmischer Orationen weit entfernt Erstmals bie-tet das Sakramentar von Amiens noch aus dem 9 Jahrhundert eine ganze Reihe solcher Gebete von denen sich ein Teil mit den noch heute uumlblichen Texten deckt

Daszlig diese Stillgebete nicht aus roumlmi-scher Tradition stammen sieht man auch an der koumlrperlichen Haltung in der sie vom Prie ster gesprochen wer-den nicht in Orantenhaltung sondern mit gefalteten Haumlnden wie es noumlrd-lichem germanischem Brauch ent-spricht

In dieser Zeit kommen auch zahlreiche Apologien im Verlauf der Messe auf bdquopersoumlnliche Schuld- und Unwuumlrdig-keitsbekenntnisse des Zelebranten von meist betraumlchtlichem Umfang die sich mit der Bitte um Gottes er-barmende Gnade verbindenldquo23 Den Houmlhepunkt der Entfaltung der bdquoApo lo-giae sacerdotisldquo duumlrfte die sogenann-te bdquoMissa Illyricaldquo24 darstellen ein fuumlr einen Bischof bestimmter Meszlig-Ordo aus Minden aus der Zeit um 1030 Der

23 Ebd 103shy10424 CLLA Nr 990

Sacramentarium Hadrianum

Altarinzens beim Pontifikalamt im Petersdom

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Ordo enthaumllt in 35 Formeln Apologien nach dem Ankleiden beim Betreten der Kirche eine laumlngere Reihe nach dem Altarkuszlig eine waumlhrend des Glo-ria mehrere waumlhrend der Zwischen-gesaumlnge und des Offertoriumsge-sangs zur Opferung nach dem bdquoOrate fratresldquo waumlhrend des Sanctus und waumlhrend der Kommunion des VolkesbdquoMaszliggebend fuumlr die weitere Entwick-lung wurde die rituelle Gestalt die die fraumlnkisch-roumlmische Messe um die Jahrtausendwende im sogenannten Rheinischen Meszlig ordo gefunden hat-te der im rheinischen Bereich ent-standen und verbreitet (St Gallen Rei-chenau St AlbanMainz) zunaumlchst fuumlr die bischoumlfliche Feier be stimmt war auf der paumlpstlichen Liturgie des 78 Jh (OR 1) und deren fraumlnkische Adap-tation (OR 5 2 Haumllfte 9Jh) basierte und zahlreiche Elemente enthielt die noch heute zum Ordinarium des roumlmi-schen Meszligritus gehoumlrenldquo25

Die meisten Liturgie wissen schaft-ler sehen diese fraumlnkisch-galli schen Einfluumlsse auf die stadtroumlmische Litur-gie eher skeptisch und sprechen von bdquoroumlmisch-fraumln kische(r) Mischliturgieldquo26 Positiver sieht M Fiedrowicz die Re-zeption im Frankenreich bdquoAll dies war im Kern keine Umformung und Uumlberformung sondern eine Ausrei-

25 M Fiedrowicz Die uumlberlieferte Messe Geshyschichte Gestalt und Theologie des klassischen roumlmischen Ritus MuumllheimMosel 2011 26shy2726 So z B H B Meyer Eucharistie 170

fung des roumlmischen Ritus eine Syn-these der aumluszligerlich-ze re moniellen und innerlich-spi ri tuellen Dimension der Meszligliturgie Einige dieser Gebete sollten bestimmte Gesten begleiten die in der urspruumlnglichen Papstliturgie schweigend vollzogen wurden Auf diese Weise sollte die Froumlmmigkeit des Zelebranten vor einem Automatismus bewahrt bleiben und vom geistigen Sinn dieser Gesten erfuumlllt werden An-dere Gebete waren dazu bestimmt dem Zelebranten die Empfindungen in Erinnerung zu rufen die er haben sollte wenn er zum Altar trat die Op-ferung der Gaben vollzog sich auf die Kommunion vorbereitete oder diese empfangen hatte Harmonisch fuumlgten sich diese Gebete in die Freiraumlume ein die der uumlberkommene Ordo missae beim Erreichen des Altares im Bereich des Offertoriums und der Kommu-nion schlieszliglich am Ende der Messe dem persoumlnlichen Beten des Priesters lieszligldquo27

22 Zuruumlck nach RomUnd genau dieser ausgereifte Ordo der roumlmischen Messe kam ab dem 11 Jahrhundert nach Rom zuruumlck wo das kulturell-kirchliche Leben seit dem Ende des 9 Jahrhunderts einen Tiefstand erreicht hatte bdquoDie Liturgie befand sich im Zustand der Aufloumlsung Klerus und Volk vernachlaumlssigten glei-chermaszligen den Gottesdienst Liturgi-

27 M Fiedrowicz Die uumlberlieferte Messe 25shy26

sche Buumlcher wur den nicht mehr her-gestellt Wie ein Lichtstrahl in jenem Sae culum obscurum tauchten Ende des 10 Jahrhunderts in Italien und Rom selbst liturgische Texte auf die die bodenstaumlndige Form der altroumlmi-schen Liturgie verdraumlngten und den inzwischen noumlrdlich der Alpen weiter ausgebildeten Typus des roumlmischen Ritus an deren Stelle treten lieszligenldquo28

Dieser erweiterte Ritus der nun nach Rom zuruumlckkam war zwar reicher als die alten roumlmischen Formen enthielt aber auch Elemente die dem roumlmi-schen Geist fremd waren So wurde der Meszligordo bereinigt manche der neuen Gebete wurden entfernt und durch andere ersetzt die der roumlmi-schen Mentalitaumlt mehr entsprachen Vor allem die zahlreichen Apologien verschwanden nur das bdquoSuscipe sanc-ta Trinitasldquo blieb bestehen Am Ende dieser Entwicklung stand der bdquoUsus Romanae Curiaeldquo der bereits den Be-stand an fraumlnkisch-galli kanischen Still-gebeten aufwies den wir in unserem Ordo Missae haben Die Ordnung der Meszligfeier bdquosecundum usum Romanae Curiaeldquo verbreitete sich spaumlter - vor allem durch den Franzis kaner orden - uumlber die Stadt Rom hinaus in der gan-zen katholischen Kirche Er wurde die Grundlage fuumlr die Meszligbuchreform im Gefolge des Konzils von Trient

3 Oumlstliche Quellen roumlmischer LiturgieEx Oriente lux Aus dem Osten ist das Licht des christlichen Glaubens her-vorgegangen Wie wir sahen standen orientalische grie chische Quellen am

28 Ebd 27

waumlhrend des Pontifikalamts am Kathedra-Altar von St Peter

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Anfang der lateinisch-roumlmischen Li-turgie Der roumlmische Meszlig-Kanon das Herzstuumlck der Liturgie geht auf eine Uumlbersetzung einer oumlstlichen naumlherhin alexandrinischen Anaphora zuruumlck Damit houmlren Beeinflussung und Be-reicherung der Liturgie Roms aus dem griechischen Osten nicht auf

Die byzantinische Epoche RomsAus der Fruumlhzeit Roms als die Litur-gie noch griechischsprachig war hat sich das bdquoKyrie eleisonldquo in der Litanei und der Messe erhalten waumlhrend es in den altgallikanischen Liturgien zu-mindest in den Fuumlrbitt-Litaneien mit bdquoDomine miserereldquo29 uumlbersetzt wird Die groszlige Zahl der orientalischen griechischsprachigen Paumlpste bis ins 4 Jahrhundert ist beredtes Zeugnis fuumlr den griechischen Einfluszlig auf die fruumlhe roumlmische Kirche und ihre Liturgie

Doch auch spaumlter gab es noch be-deutende griechische Praumlsenzen in der Ewigen Stadt die immer wieder Einfluszlig auf die nun lateinische Litur-gie hatten So gab es z B im 4 Jahr-hundert ei ne griechische Gemeinde in der Titelkirche S Anastasia im Grie-chenviertel am Fuszlig des Palatin Ihr ha-ben wir die zweite Weihnachtsmesse bdquoin auroraldquo zu verdanken wo der Papst auf dem Ruumlckweg von der Mitter-nachtsmesse in S Maria Maggiore den Stationsgottesdienst hielt bevor er die Hauptmesse bdquoin dieldquo in St Peter fei-erte Die urspruumlngliche Ei genmesse zu Ehren der hl Ana stasia muszligte spaumlter

29 Vgl die bdquoDeprecatio sancti Martini pro populoldquo im irischen Stowe Missal F E Warren The liturgy and ritual of the Celtic church Suffolk 21987 229

dem liturgisch houmlheren Weihnachts-fest weichen geblieben ist - aus Res-pekt vor der griechisch-spra chi gen Be-voumllkerung - die Komme moration und die Stationskirche30

Der griechisch orientalische Einfluszlig in Rom blieb auch nach der Zeit Gre-gors d Gr bestehen bdquoDie Paumlpste dieser Epoche sind samt und sonders noch dem byzantinisch-hellenistischen Mittelmeerraum der Antike zuzu-rechnen Das sbquoMittelalterlsquo beginnt in Rom erst um die Mitte des achten Jahrhundertsldquo31 Politisch gehoumlrte Rom in dieser Zeit zum byzantinischen Ex-archat Ravenna Viele Syrer Griechen aus dem Osten und von Sizilien Soumlh-ne hoher kaiserlicher Beamter hat-ten in dieser Zeit das Papstamt inne Dementsprechend waren auch in der paumlpstlichen Verwaltung viele Maumlnner oumlstlicher Praumlgung taumltig Hinzu kommt daszlig das orientalische Moumlnchtum um die Mitte des 7 Jahrhunderts zu einer

30 Nach Ausweis von Ildefons Schuster war Leo XII (1823shy1829) der letzte Papst der die Station in S Anastasia gehalten hat Vgl I Schuster Liber sacramentorum Geschichtliche und liturgische Stushydien uumlber das roumlmische Meszligbuch Bd 2 Regensburg 1929 16931 A Franzen R Baumlumer Papstgeschichte Das Petrusamt in seiner Idee und in seiner geschichtlishychen Verwirklichung in der Kirche Freiburg i Br 1974 91

bdquoMacht in Rom geworden (war) die mit houmlchstem Selbstbewuszligtsein auftratldquo32 So traten die Grie chen kloumlster Roms auf einer Lateran synode im Jahr 649 korporativ auf33

Das wirkte auch auf die Gestaltung der staumldtischen Liturgie ein Zahlrei-che Uumlbersetzungen griechischer Texte kamen damals in den Bestand der rouml-mischen Antiphonen und Responso-rien34 Neue Kirchen wurden zu Ehren orientalischer Heiliger gebaut deren Kult damit bedeutender wurde Man denke an die Anar gyren die selbstlos heilenden Martyreraumlrzte Cosmas und Damian denen insgesamt neun Kir-chen gewidmet waren und deren Na-men ihren Platz im Canon der Messe fanden

Papst Sergius I (687-701) hat nach Aus-weis des Liber ponti ficalis angeordnet bdquout tempore confractionis dominici cor-poris Agnus Dei qui tollis peccata mun-di miserere nobislsquo a clero et populo de-canteturrdquo 35 Dabei handelt es sich um ein Element aus oumlstlichen Liturgien das entweder Sergius nach Rom ge-

32 A Baumstark Vom geschichtlichen Werden der Liturgie Freiburg i Br 1923 6333 Mansi 10 9031034 Vgl Paleacuteographie musicale 2 Solesmes 1890 6shy935 Lib pont ed Duchesnes I 376

Stillgebet mit gefalteten Haumlnden

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bracht hat oder das durch die Zuwan-derung griechischer Kleriker aus den vom Islam uumlberfluteten Gebieten des Ostens nach Rom gebracht worden war Im Orient wurde die Opfergabe der Eucharistie schon fruumlh als Lamm bezeichnet und in der Brechung des eucharistischen Brotes sieht man dort einen Hinweis auf Passion und Sterben des Herrn In der Liturgie der Westsyrer finden sich schon fruumlh Texte die waumlh-

rend der Brechung vom Lamm Gottes sprechen das die Suumlnden der Welt hinwegnimmt36 Vielleicht hatte Papst Sergius der selber syrischer Abstam-mung war die Vorlage fuumlr das Agnus Dei als Gesang zur fractio panis hierher

Auf Sergius sollen nach manchen Quellen auch die vier groszligen Mari-enfeste Mariauml Geburt Verkuumlndigung Lichtmeszlig und Entschlafung zuruumlck gehen Die Zuordnung ist nicht ganz sicher auf jeden Fall wurden sie zu Sergiuslsquo Zeit schon in Rom gefei-ert Sergius soll aber die naumlchtlichen Lichter pro zessio-nen von St Hadrian am Forum nach St Maria Maggiore angeordnet haben Diese volkstuumlmli-chen und belieben Prozessionen ka-men zuerst in Antiochien auf Von dort brachte Johannes Chrysostomos sie nach Konstantinopel Ambrosius fuumlhr-te sie in Mailand ein bis sie schlieszliglich Sergius nach Rom brachte37

Mit den Marienfesten und ihren Pro-zessionen kamen auch viele griechi-sche Gesaumlnge in die roumlmische Liturgie so zum Beispiel bdquoNa tivitas tua Dei Ge-nitrix Virgoldquo urspruumlnglich als Antiphon in der Collecta-Kirche am Fest Mariauml Ge burt vor dem Beginn der Messe38 jetzt noch als Magnificat -Anti phon der 2 Vesper zu Mariauml Geburt bdquoO admira-bile commer ciumldquo und bdquoMirabile mys-teriumldquo als Antiphonen zu Vesper und Laudes am 1 Januar bdquoHodie cae lesti sponsoldquo zum Benedictus an Epipha-nie bdquoAdorna thalamum tuum Sionldquo

36 Vgl Jungmann Missarum Sollemnia Bd 2 41637 Siehe dazu K Gamber Oratio ad collectam Ein Beitrag zur roumlmischen Sta tionsliturgie in Ders Missa Ro men sis 195shy19938 Vgl aaO 196

urspruumlnglich als Anitphon in der Coll-ecta-Kirche jetzt zur Kerzenprozession am Mariauml Lichtmeszlig gesungen bdquoDies sanctificatus illuxit nobisldquo als Alleluja-vers der 3 Weihnachtsmesse bdquoGaude-amus omnes in Dominoldquo als Introitus von Allerheiligen Auch das aumllteste Marienge bet der Kirche die mariani-sche Antiphon bdquoSub tuum praesidiumldquo fand in dieser Zeit den Weg nach Rom

32 Weitere orientalische QuellenEine weitere wichtige auszligerroumlmische Quelle fuumlr unsere Liturgie ist die Litur-gie der Mutterkirche von Jerusalem Wie wir aus dem Bericht der aquitani-schen Pilgerin Egeria (oder Aetheria) aus dem Ende des 4 Jahrhunderts wis-sen wurden in Jerusalem schon fruumlh dramatisierte Gottesdienste an den je-weiligen heiligen Staumltten abgehalten wo die entsprechenden Evangelien-stellen verlesen wurden Besonders ausgepraumlgt war das in der Karwoche

Die Jerusalemer Palmsonntagliturgie wie sie nach dem bdquoTypikon der Kirche von Jerusalemldquo aus dem Beginn des 7 Jahrhunderts39 gefeiert wurde kam zunaumlchst in den byzantinischen Os-ten mit dem die Metropole Aquileja im Fruumlhmittelalter intensiven Handel trieb Aquileja war nach Rom nicht nur die groumlszligte Handelsstadt sondern auch bedeutendste Kirchenprovinz Sie umfaszligte weite Teile Norditali-ens der Alpen bis an die Donau und die alte Provinz Pannonien (Ungarn) Aquileja wurde wohl der Uumlbermittler

39 Vgl A Baumstark La Sollenniteacute des palmes dans lrsquoanciennes et la nouvelle Rome in Ireacutenikon 13 (1936) 22shy46 bes 38

hll Cosmas und Damian

Papst Sergius I

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der je ru sa le mit isch-byzantinischen Palmenfeier in den Westen Manche der noch heute gesungenen Texte am Palmsonntag kamen auf diesem Weg in den Westen So stellt der Einzugs-gesang am Ende der Palm prozession bdquoIn grediente Do minoldquo eine freie Uumlber-setzung eines griechischen Troparions aus der Vesper des Palmsonntags dar40

Auch die Karfreitagsliturgie ist stark vom Osten beeinfluszligt Die Enthuumll-lung und Verehrung des Kreuzes geht ebenfalls auf Jerusalem zuruumlck Die dazu gesungenen Improperien und die Trishagion-Verse sind Uumlbernah-men aus dem Orient41

Die an die Kreuzverehrung spaumlter an-gefuumlgte bdquoMissa praesancti fi cationumldquo ist syrischen Ursprungs wo sie vom Patriarchen Severus von Antiochien zwischen 511 und 518 eingefuumlhrt wur-de42 Sie wird im Abendland zuerst in Ravenna uumlbernommen das als Syrer-Zentrale im Abendland galt und fin-det uumlber Aquileja weite Verbreitung bevor sie wohl im 9 Jahrhundert als eigene Feier bdquoad vesperumldquo in die Liturgie der roumlmischen Titelkirchen kommt

Auch die bdquoDepositio crucisldquo am Karfrei-tag und die bdquoElevatio crucisldquo in der Os-

40 Vgl A Baumstark Orientalisches in den Texten der abendlaumlndischen Palmfeier in JLW VII (1927) 148shy15341 Vgl A Baumstark Der Orient und die Adoratio crucis in JLW II (1922) 1shy17 E Wellesz Eastern Eleshyments in Western Chant Oxford 1947 21shy2642 Vgl M Tarschnišvili Die missa praesanctificashytorum und ihre Feier nach georgischen Quellen in ALW II (1952) 75shy80

ternacht zur Matutin wie sie bis in die Neuzeit in weiten Teilen des Abend-lands uumlblich waren gehen auf oumlstli-che byzantinische Quellen zuruumlck und kamen uumlber die Metropole Aquileja ins Abendland fanden aber keinen Eingang in die stadtroumlmische Liturgie Der zur anschlieszligenden naumlchtlichen Prozession mit dem Kreuz gesunge-ne Hymnus bdquoCum rex gloriaeldquo ist ein-deutig orientalischen Ursprungs wie schon die Bezeichnung Christi als bdquorex gloriaeldquo (vgl 1 Petr 319) zeigt Eine entsprechende orientalische Parallele ist bis jetzt noch nicht gefunden wor-den

Wo diese Gottesdienste stattfanden waren sie - in spaumlterer barocker Form - bis zur neuen Kar wochen li tur gie Pius XII die meistbesuchten Gottesdiens-te des Jah res besonders das Heilige Grab43 Neuerdings gibt es Bemuumlhun-gen diese alten volkstuumlmlichen Feiern wiederzubeleben und sie in die neue Liturgie zu integrieren44

4 SchluszligMit diesen wenigen Beispielen kon-kreter Uumlbersetzungen orientalischer

43 Vgl W Bauer Die Depositio und Elevatio crucis in der Dioumlzese Regensburg in Vergangenheit und Zukunft Ein Beitrag zur Integrierung traditioneller ortskirchlicher Liturgie in die erneuerte Liturgie des Paschatriduums maschinenschriftlich Regensburg 197544 Vgl z B Manuale Trevirense Heilige Woche shy Karwoche und Ostern Trier 1999

Quellen fuumlr die roumlmische Liturgie be-schlieszligen wir unsere Uumlberlegungen Zahlreiche weitere koumlnnte man noch anfuumlgen

Wir konnten sehen daszlig die roumlmische Liturgie auf verschiedenen auszligerrouml-mischen Quellen beruht Ganz am An-fang stand die fruumlhe alexandrinische Liturgie auf deren Eucharistiegebet die lateinische Fassung des roumlmischen Meszlig-Canons zuruumlckgeht

Gregor der Groszlige nutzte bei der Ab-fassung seines Sakramentars das er urspruumlnglich nur fuumlr seine persoumlnliche Stationsliturgie zusammengestellt hat das aber dann durch die zeitlichen Umstaumlnde zum allgemeinen roumlmi-schen Meszligbuch wurde neben den rouml-mischen Meszlig-Libelli seiner Vorgaumlnger vor allem das Sakramentar des Pauli-nus von Nola

Dieses gregorianische Sakramen tar verbreitete sich im ganzen Abendland durch die Foumlrderung Karls d Gr auch im fraumlnkisch-germanischen Raum wo es durch altgallikanische Quellen er-weitert wurde Diese erweiterte Form des Sakramentars kam schlieszliglich nach Rom zuruumlck wo es nach einer Zeit des kirchlichen und liturgischen Niedergangs in bereinigter Form als stadtroumlmisches Liturgiebuch ange-nommen und so zur Grundlage fuumlr die Reformbestrebungen des Konzils von Trient wurde

Kreuzweg in Jerusalem

52

In einem zweiten Teil sahen wir daszlig die griechischen orientalischen Ein-fluumlsse nicht auf den Canon beschraumlnkt waren In der byzantinischen Epoche Roms kamen wichtige Impulse aus dem Osten Im Ordo missae zeugen das bdquoKyrie eleisonldquo und das bdquoAg nus Deildquo sowie die Erwaumlhnung der Heili-gen Cosmas und Damian im Canon fuumlr griechische Quellen unserer Liturgie Manche Feste wie die vier groszligen Ma-rienfeste und viele liturgische Gesaumln-ge dieser Zeit beruhen ebenfalls auf griechischen Quellen

In etwas spaumlterer Zeit vermittelte vor allem Aquileja orientalische Texte und Gebraumluche in den Westen die zumin-dest zum Teil in die allgemeine roumlmi-sche Liturgie uumlbernommen wurden Anderes wie die volkstuumlmlichen Kar- und Ostergottesdienste wurde nur in bestimmten Ortskirchen rezipiert

So ist die roumlmische Liturgie aus ei-gentlich roumlmischen und zahlreichen orientalischen und altgallikanischen Quellen zum Missale Romanum von 1962 harmonisch gewachsen Deshalb

konnte der spaumltere Papst Benedikt XVI mit Recht sagen es sei dasjenige bdquoMis-sale das alle Jahrhunderte hindurch seit den Sakramentaren der alten Kir-che gewachsen istldquo45

Lassen Sie mich schlieszligen mit einem Wort des Trierer Theologen Michael Fiedrowicz bdquoDie uumlberlieferte Messe im roumlmischen Ritus ist ein alter von vielen Jahrhunderten und Stilrichtungen ge-praumlgter Bau oftmals ergaumlnzt und weiter ausgeschmuumlckt zuweilen hier und dort restauriert ein Bau bei dem man Teil fuumlr Teil das Jahrhundert seines Ursprungs nachweisen koumlnnte nur in den seltens-ten Faumlllen auch den Kuumlnstler namhaft zu machen wuumlszligte der dieses oder jenes Element gestaltet und dem Ganzen hin-zugefuumlgt hatldquo46

45 J Ratzinger Aus meinem Leben Erinnerungen (1927shy1977) Stuttgart 21998 172shy17146 M Fiedrowicz Die uumlberlieferte Messe 65

Wormser Dom (Nord-Ost-Seite)

Heiliges Grab in der Pfarrkirche zum hl Nikolaus in Eggen (Suumldtirol)

Wormser Dom barocker Hochaltar (Johann Balthasar Neumann)

Page 5: Nichtrömische Quellen der römischen Liturgie · P. Martin Reinecke. 42 sche Gemeinde in Rom verfaßt, bear-beitet oder übernommen, wo sie auch eine Zeit lang gebraucht wurde. Die

45Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

Er beginnt sie im Jahr 592 mit der He-rausgabe des bdquoLiber sacra men torum anni circuli romanae ecclesiaeldquo Dabei handelte es sich um ein Liturgiebuch fuumlr die Feier der paumlpstlichen Stati-onsgottesdienste das zugleich die roumlmischen Stationsfeiern neu ordnen sollte wie Gregors Biograph Johannes Diaconus schreibtldquo13

Gregor hatte also keineswegs die Ab-sicht ein Liturgiebuch fuumlr die ganze abendlaumlndische Kirche zu verfassen das fuumlr Jahrhunderte guumlltig sein soll-te Tatsaumlchlich war das Stations-Sa-kramentar bdquoprimaumlr fuumlr das Jahr 592 bestimmtldquo14

Gregor hat dabei nicht etwa ein neu-es Sakramentar entworfen d h selbst die Gebete und Formeln geschaffen Seine Arbeit war hauptsaumlchlich Redak-tionsarbeit Dazu griff er auf Oratio-nen fruumlherer Paumlpste zuruumlck wie sie im Paumlpstlichen Archiv aufbewahrt wur-den Die fuumlgte er in sein Sakramentar ein wobei er den Text gelegentlich uumlberarbeitet hat bdquoNur relativ wenige Formeln hat er selbst verfaszligtldquo15

Neben diesen rein roumlmischen Quellen den Meszlig-Libelli der roumlmischen Paumlpste seit ungefaumlhr Leo d Gr (440-461) be-nuumltzte Gregor anscheinend noch ein

13 ldquoStationes per basilicas vel beatorum martyrum coemeteria secundum quod hactenus plebs romana quasi eo vivente certatim discurrit solicitus ordishynavitldquo Vita S Gregorii II 18 (PL 7594)14 K Gamber Sacramentarium Gre go rianum I Das Stationsmeszligbuch des Papstes Gregor Versuch einer Rekonstruktion nach hauptsaumlchlich bayerischen Handschriften Regensburg 1966 715 K Gamber Codices liturgici latini antiquiores Freiburg i Ue 21968 326

anderes nichtroumlmisches Liturgie buch In manchen Orationen der Sonntags-messen und der Karwoche (bdquoDeus a quo et Iudasldquo am Gruumlndonnerstag) ist das noch er kenntlich

Diese zweite nichtroumlmische Quelle des Gregorianums war das Sakramen-tar des Paulinus von Nola (+ 431) Pau-linus war beruumlhmt fuumlr seine theologi-sche Bildung und seine Beredsamkeit Augustinus der mit ihm im Briefwech-sel stand und Hieronymus spendeten ihm Lob dafuumlr So war sein Sakramen-tar weit uumlber Nola und Kampanien hinaus verbreitet Als das erste in Mit-telitalien entstandene Jahres-Sakra-mentar kam es bald auch nach Rom wo es besonders an den Titelkirchen Verwendung fand Auch die Paumlp ste verwendeten einzelne Orationen dar-aus fuumlr ihre Meszlig-Libelli wie zahlreiche Orationen im Sacramentarium Leonia-num zeigen Auch Gregor d Gr nutzte das kampanische Meszligbuch des Pauli-nus und uumlbernahm daraus Ora tionen

fuumlr sein Stations-Sa kra mentar

Verbreitung des Sacra men-tarium GregorianumObwohl Gregor d Gr sein Sakramentar nur fuumlr seinen persoumlnlichen Gebrauch fuumlr die Feier der roumlmischen Stations-gottesdienste gedacht hatte verbrei-tete sich das Liturgiebuch doch schon bald im nahezu gesamten Abendland wo es mit nichtroumlmischen Sakramen-taren vermischt wurde und haumlufig in diesen Mischformen wieder nach Rom zuruumlckkam

Schon zu Gregors Lebzeiten kam das Gregorianum nach Ravenna und von dort - oder direkt von Rom - nach Aquileja wo ein gregorianisiertes Sacramentarium Gelasianum in Ge-brauch war16

16 Vgl K Mohlberg Die aumllteste erreichbare Gestalt des Liber Savramentorum anni circuli der roumlmischen Kirche Muumlnster 1927

46

Im 8 Jh findet sich Gregors Buch be-reits in England und in Bayern Gegen Ende des 7 Jh bittet Karl d Gr den Papst Hadrian (772-795) um ein Meszlig-buch bdquonach dem Brauch der roumlmischen Kircheldquo Er erhaumllt von ihm in den Jah-ren 785786 eine Kopie des von ihm benutzten Stationssakramentars (bdquoHa-drianumldquo) das wohl auf eine Redakti-on des gregorianischen Sakramentars durch Papst Gregor II (715-731) zu-ruumlckgeht und eine Uumlberarbeitung des Gregorianums darstellt Papst Hadrian bezeichnet es in seinem Brief an Kouml-nig Karl als bdquoimmixtumldquo Es wurde als Mu ster exemplar zum Abschreiben in der Palastbibliothek in Aachen nieder-gelegtAuf Draumlngen Karls verbreitet sich die-ses Sakramentar im ganzen Franken-reich Zuvor brachte der Hoftheologe Alkuin einen Anhang mit den fehlen-den Sonntags- und Votivmessen an Allerdings stammen nicht alle erhal-tenen Gregoriana-Handschriften von die sem Exemplar des Papstes Hadrian abDas Gregorianum stellt bdquodie letzte gro-szlige liturgische Gabe der sterbenden Antike darldquo17 Alle Meszligbuuml cher aus spauml-terer Zeit sind bdquosa cra mentaria mixtaldquo

17 K Gamber Missa Romensis 121

die irgend wie auf das Gregorianum zuruumlck gehen So haben wir aus dem 8 Jh zahlreiche Handschriften die teils vollstaumlndig teils fragmentarisch uumlberliefert sind Sie zeigen eine bunte Fuumllle von Formen und sind meist spauml-te Ausbildungen aumllterer Typen Darin wurden aumlltere eigenstaumlndige Litur-giebuumlcher mit Formeln aus dem Gre-gorianum vermischt (Gelasiana mix-ta) oder das Gregorianum wurde mit aumllteren Formeln meist Praumlfationen bereichert (Gregoriana mixta) In der Zeit nach 800 verschwinden die ver-schiedenen Meszligbuchtypen ziemlich ploumltzlich und machen ei ner gewissen Uniformitaumlt Platz Auf diesem Wege ist viel nichtrouml misches aber abend-laumlndisches italisches Gebetsgut in die spaumltere roumlmische Liturgie und in unser Missale Romanum gekommen

2 Fraumlnkische EinfluumlsseMit dem Vordringen roumlmischer Li-turgiebuumlcher in das fraumlnkische Reich und vor allem mit ihrer Foumlrderung durch Karl den Groszligen tritt die roumlmi-sche Liturgie nun in eine neue Phase die auch auf den Hintergrund gesell-schaftlichen und politischen Wan-dels zuruumlck geht Die bdquofolgenschwere Schwer punktverlagerung aus dem Mittelmeerraum in die germanischen insbesondere fraumlnkischen Stammes-gebiete noumlrdlich der Alpen fuumlhrte einerseits zu einer enormen Auswei-tung des Ein fluszlig- und Geltungsberei-ches der roumlmischen Liturgie anderer-seits aber auch zur Verschmelzung mit auszligerroumlmischen Li tur gie traditionen Es entstand eine rouml misch-fraumln ki sche Mischliturgie die die bodenstaumlndigen nichtroumlmischen (Anm d V gallikani-

schen) Liturgien bald fast uumlberall ver-draumlngt hatteldquo18

21 Fraumlnkische Erweiterungen der Missa RomensisNoumlrdlich der Alpen traf nun die sachli-che und nuumlchterne roumlmische Liturgie auf das romanisierte Keltentum das in den ganz andersgearteten gallika-nischen Li tur gieformen seine Heimat hatte19 Die altgallikanische Liturgie geht zuruumlck auf die kleinasiatisch-syrische Liturgie des 4 Jahrhunderts Man kann sie als orientalische Liturgie im lateinischen Gewand bezeichnen Von daher ist sie weit entfernt von der wortkargen Kuumlrze und nuumlchternen Sachlichkeit roumlmischen Denkens Das machte sich nun bei der Rezeption der alten stadtroumlmischen Liturgie des Papstes im fraumlnkischen Raum bemerk-bar

Man uumlbernahm das roumlmische Sakra-mentar so genau wie moumlglich bdquoOb-wohl bei der Luumlckenhaftigkeit der von Rom gekommenen Buumlcher Ergaumln-zungen und Anpassungen wie sie

18 H B Meyer Eucharistie Geschichte Theologie Pastoral (= Handbuch der Liturgiewissenschaft Teil 4) Regensburg 1989 170 19 Eine ausfuumlhrliche Schilderung dieser Phase in J A Jungmann Missarum Sollemnia 98shy122

Karl der Groszlige Sacramentarium Hadrianum

47Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

Alkuin vorgenommen hat nicht zu vermeiden waren ist es staunenswert mit welcher Pietaumlt die neuen Texte gleichwohl uumlbernommen wurdenldquo20 Saumlmtliche roumlmischen Martyrerfeste werden uumlbernommen die roumlmischen Stationen stehen weiterhin uumlber den einzelnen Formularen die Anwei-sungen des Ordo Romanus I werden getreulich abgeschrieben und der liturgischen Praxis zugrunde gelegt Mit anderen Worten man wollte die paumlpstliche Liturgie so genau wie moumlg-lich uumlbernehmen

Trotzdem hat die fraumlnkisch gallikani-sche Mentalitaumlt von Anfang an auf die roumlmische Liturgie eingewirkt und sie weiter entwickelt bdquoBei diesem Prozeszlig blieb der Textbestand der altroumlmi-schen Meszligliturgie weitgehend unan-getastet aber er wurde durch Textma-

20 Ebd 100

terial aus gallisch-fraumlnkischer Tradition ergaumlnzt durch private Priestergebete erweitert und durch gestisch-zere-monielle Elemente angereichertldquo21 So ist Vieles was uns heute an den Ze-remonien der Messe vertraut ist und als typisch roumlmisch erscheint nichts anderes als Frucht der fraumlnkisch-galli-kanischen (und damit letztlich orienta-lischen) Beeinflussungen bei der Uumlber-nahme stadtroumlmischer Gebraumluche im Reich Karls des Groszligen

Als Beispiel mag hier der Gebrauch des Weihrauchs genuumlgen bdquoWaumlhrend roumlmische Weise nur das Mittragen von Weihrauch beim Einzug des Papstes und beim Gang zur Lesung des Evan-geliums kannte tritt auf gallischem Boden im Hochamt sogleich eine mehrfache Be raumlu cherung ein es wird mit geschwungenem Rauchfaszlig der Al-tar nach fester Ordnung um schritten zuerst nur am Beginn der Opfermesse dann bald auch am Beginn der Vor-messe Zur Lesung des Evangeliums muszlig der Weihrauch nicht nur das Buch umwallen sondern nach zeitweilig geltendem Brauch auch in die versam-melte Gemeinde getragen werden was voruumlbergehend zu einer Mehrzahl von Rauchfaumlssern fuumlhrtldquo22

Auch die bis heute uumlblichen Kom-memo ra tionen in der Messe haben dort ihren Ursprung Neben die eine

21 H B Meyer Eucharistie 17022 J A Jungmann Missarum Sollemnia 101shy102

roumlmische Oration koumlnnen nun noch weitere treten wenn nur die Sieben-zahl nicht uumlberschritten wird

Wie gesagt haben auch die priester-lichen Stillgebete in dieser Zeit ihren Ursprung In Gebetsanrede und -stil sind sie von den Formen roumlmischer Orationen weit entfernt Erstmals bie-tet das Sakramentar von Amiens noch aus dem 9 Jahrhundert eine ganze Reihe solcher Gebete von denen sich ein Teil mit den noch heute uumlblichen Texten deckt

Daszlig diese Stillgebete nicht aus roumlmi-scher Tradition stammen sieht man auch an der koumlrperlichen Haltung in der sie vom Prie ster gesprochen wer-den nicht in Orantenhaltung sondern mit gefalteten Haumlnden wie es noumlrd-lichem germanischem Brauch ent-spricht

In dieser Zeit kommen auch zahlreiche Apologien im Verlauf der Messe auf bdquopersoumlnliche Schuld- und Unwuumlrdig-keitsbekenntnisse des Zelebranten von meist betraumlchtlichem Umfang die sich mit der Bitte um Gottes er-barmende Gnade verbindenldquo23 Den Houmlhepunkt der Entfaltung der bdquoApo lo-giae sacerdotisldquo duumlrfte die sogenann-te bdquoMissa Illyricaldquo24 darstellen ein fuumlr einen Bischof bestimmter Meszlig-Ordo aus Minden aus der Zeit um 1030 Der

23 Ebd 103shy10424 CLLA Nr 990

Sacramentarium Hadrianum

Altarinzens beim Pontifikalamt im Petersdom

48

Ordo enthaumllt in 35 Formeln Apologien nach dem Ankleiden beim Betreten der Kirche eine laumlngere Reihe nach dem Altarkuszlig eine waumlhrend des Glo-ria mehrere waumlhrend der Zwischen-gesaumlnge und des Offertoriumsge-sangs zur Opferung nach dem bdquoOrate fratresldquo waumlhrend des Sanctus und waumlhrend der Kommunion des VolkesbdquoMaszliggebend fuumlr die weitere Entwick-lung wurde die rituelle Gestalt die die fraumlnkisch-roumlmische Messe um die Jahrtausendwende im sogenannten Rheinischen Meszlig ordo gefunden hat-te der im rheinischen Bereich ent-standen und verbreitet (St Gallen Rei-chenau St AlbanMainz) zunaumlchst fuumlr die bischoumlfliche Feier be stimmt war auf der paumlpstlichen Liturgie des 78 Jh (OR 1) und deren fraumlnkische Adap-tation (OR 5 2 Haumllfte 9Jh) basierte und zahlreiche Elemente enthielt die noch heute zum Ordinarium des roumlmi-schen Meszligritus gehoumlrenldquo25

Die meisten Liturgie wissen schaft-ler sehen diese fraumlnkisch-galli schen Einfluumlsse auf die stadtroumlmische Litur-gie eher skeptisch und sprechen von bdquoroumlmisch-fraumln kische(r) Mischliturgieldquo26 Positiver sieht M Fiedrowicz die Re-zeption im Frankenreich bdquoAll dies war im Kern keine Umformung und Uumlberformung sondern eine Ausrei-

25 M Fiedrowicz Die uumlberlieferte Messe Geshyschichte Gestalt und Theologie des klassischen roumlmischen Ritus MuumllheimMosel 2011 26shy2726 So z B H B Meyer Eucharistie 170

fung des roumlmischen Ritus eine Syn-these der aumluszligerlich-ze re moniellen und innerlich-spi ri tuellen Dimension der Meszligliturgie Einige dieser Gebete sollten bestimmte Gesten begleiten die in der urspruumlnglichen Papstliturgie schweigend vollzogen wurden Auf diese Weise sollte die Froumlmmigkeit des Zelebranten vor einem Automatismus bewahrt bleiben und vom geistigen Sinn dieser Gesten erfuumlllt werden An-dere Gebete waren dazu bestimmt dem Zelebranten die Empfindungen in Erinnerung zu rufen die er haben sollte wenn er zum Altar trat die Op-ferung der Gaben vollzog sich auf die Kommunion vorbereitete oder diese empfangen hatte Harmonisch fuumlgten sich diese Gebete in die Freiraumlume ein die der uumlberkommene Ordo missae beim Erreichen des Altares im Bereich des Offertoriums und der Kommu-nion schlieszliglich am Ende der Messe dem persoumlnlichen Beten des Priesters lieszligldquo27

22 Zuruumlck nach RomUnd genau dieser ausgereifte Ordo der roumlmischen Messe kam ab dem 11 Jahrhundert nach Rom zuruumlck wo das kulturell-kirchliche Leben seit dem Ende des 9 Jahrhunderts einen Tiefstand erreicht hatte bdquoDie Liturgie befand sich im Zustand der Aufloumlsung Klerus und Volk vernachlaumlssigten glei-chermaszligen den Gottesdienst Liturgi-

27 M Fiedrowicz Die uumlberlieferte Messe 25shy26

sche Buumlcher wur den nicht mehr her-gestellt Wie ein Lichtstrahl in jenem Sae culum obscurum tauchten Ende des 10 Jahrhunderts in Italien und Rom selbst liturgische Texte auf die die bodenstaumlndige Form der altroumlmi-schen Liturgie verdraumlngten und den inzwischen noumlrdlich der Alpen weiter ausgebildeten Typus des roumlmischen Ritus an deren Stelle treten lieszligenldquo28

Dieser erweiterte Ritus der nun nach Rom zuruumlckkam war zwar reicher als die alten roumlmischen Formen enthielt aber auch Elemente die dem roumlmi-schen Geist fremd waren So wurde der Meszligordo bereinigt manche der neuen Gebete wurden entfernt und durch andere ersetzt die der roumlmi-schen Mentalitaumlt mehr entsprachen Vor allem die zahlreichen Apologien verschwanden nur das bdquoSuscipe sanc-ta Trinitasldquo blieb bestehen Am Ende dieser Entwicklung stand der bdquoUsus Romanae Curiaeldquo der bereits den Be-stand an fraumlnkisch-galli kanischen Still-gebeten aufwies den wir in unserem Ordo Missae haben Die Ordnung der Meszligfeier bdquosecundum usum Romanae Curiaeldquo verbreitete sich spaumlter - vor allem durch den Franzis kaner orden - uumlber die Stadt Rom hinaus in der gan-zen katholischen Kirche Er wurde die Grundlage fuumlr die Meszligbuchreform im Gefolge des Konzils von Trient

3 Oumlstliche Quellen roumlmischer LiturgieEx Oriente lux Aus dem Osten ist das Licht des christlichen Glaubens her-vorgegangen Wie wir sahen standen orientalische grie chische Quellen am

28 Ebd 27

waumlhrend des Pontifikalamts am Kathedra-Altar von St Peter

49Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

Anfang der lateinisch-roumlmischen Li-turgie Der roumlmische Meszlig-Kanon das Herzstuumlck der Liturgie geht auf eine Uumlbersetzung einer oumlstlichen naumlherhin alexandrinischen Anaphora zuruumlck Damit houmlren Beeinflussung und Be-reicherung der Liturgie Roms aus dem griechischen Osten nicht auf

Die byzantinische Epoche RomsAus der Fruumlhzeit Roms als die Litur-gie noch griechischsprachig war hat sich das bdquoKyrie eleisonldquo in der Litanei und der Messe erhalten waumlhrend es in den altgallikanischen Liturgien zu-mindest in den Fuumlrbitt-Litaneien mit bdquoDomine miserereldquo29 uumlbersetzt wird Die groszlige Zahl der orientalischen griechischsprachigen Paumlpste bis ins 4 Jahrhundert ist beredtes Zeugnis fuumlr den griechischen Einfluszlig auf die fruumlhe roumlmische Kirche und ihre Liturgie

Doch auch spaumlter gab es noch be-deutende griechische Praumlsenzen in der Ewigen Stadt die immer wieder Einfluszlig auf die nun lateinische Litur-gie hatten So gab es z B im 4 Jahr-hundert ei ne griechische Gemeinde in der Titelkirche S Anastasia im Grie-chenviertel am Fuszlig des Palatin Ihr ha-ben wir die zweite Weihnachtsmesse bdquoin auroraldquo zu verdanken wo der Papst auf dem Ruumlckweg von der Mitter-nachtsmesse in S Maria Maggiore den Stationsgottesdienst hielt bevor er die Hauptmesse bdquoin dieldquo in St Peter fei-erte Die urspruumlngliche Ei genmesse zu Ehren der hl Ana stasia muszligte spaumlter

29 Vgl die bdquoDeprecatio sancti Martini pro populoldquo im irischen Stowe Missal F E Warren The liturgy and ritual of the Celtic church Suffolk 21987 229

dem liturgisch houmlheren Weihnachts-fest weichen geblieben ist - aus Res-pekt vor der griechisch-spra chi gen Be-voumllkerung - die Komme moration und die Stationskirche30

Der griechisch orientalische Einfluszlig in Rom blieb auch nach der Zeit Gre-gors d Gr bestehen bdquoDie Paumlpste dieser Epoche sind samt und sonders noch dem byzantinisch-hellenistischen Mittelmeerraum der Antike zuzu-rechnen Das sbquoMittelalterlsquo beginnt in Rom erst um die Mitte des achten Jahrhundertsldquo31 Politisch gehoumlrte Rom in dieser Zeit zum byzantinischen Ex-archat Ravenna Viele Syrer Griechen aus dem Osten und von Sizilien Soumlh-ne hoher kaiserlicher Beamter hat-ten in dieser Zeit das Papstamt inne Dementsprechend waren auch in der paumlpstlichen Verwaltung viele Maumlnner oumlstlicher Praumlgung taumltig Hinzu kommt daszlig das orientalische Moumlnchtum um die Mitte des 7 Jahrhunderts zu einer

30 Nach Ausweis von Ildefons Schuster war Leo XII (1823shy1829) der letzte Papst der die Station in S Anastasia gehalten hat Vgl I Schuster Liber sacramentorum Geschichtliche und liturgische Stushydien uumlber das roumlmische Meszligbuch Bd 2 Regensburg 1929 16931 A Franzen R Baumlumer Papstgeschichte Das Petrusamt in seiner Idee und in seiner geschichtlishychen Verwirklichung in der Kirche Freiburg i Br 1974 91

bdquoMacht in Rom geworden (war) die mit houmlchstem Selbstbewuszligtsein auftratldquo32 So traten die Grie chen kloumlster Roms auf einer Lateran synode im Jahr 649 korporativ auf33

Das wirkte auch auf die Gestaltung der staumldtischen Liturgie ein Zahlrei-che Uumlbersetzungen griechischer Texte kamen damals in den Bestand der rouml-mischen Antiphonen und Responso-rien34 Neue Kirchen wurden zu Ehren orientalischer Heiliger gebaut deren Kult damit bedeutender wurde Man denke an die Anar gyren die selbstlos heilenden Martyreraumlrzte Cosmas und Damian denen insgesamt neun Kir-chen gewidmet waren und deren Na-men ihren Platz im Canon der Messe fanden

Papst Sergius I (687-701) hat nach Aus-weis des Liber ponti ficalis angeordnet bdquout tempore confractionis dominici cor-poris Agnus Dei qui tollis peccata mun-di miserere nobislsquo a clero et populo de-canteturrdquo 35 Dabei handelt es sich um ein Element aus oumlstlichen Liturgien das entweder Sergius nach Rom ge-

32 A Baumstark Vom geschichtlichen Werden der Liturgie Freiburg i Br 1923 6333 Mansi 10 9031034 Vgl Paleacuteographie musicale 2 Solesmes 1890 6shy935 Lib pont ed Duchesnes I 376

Stillgebet mit gefalteten Haumlnden

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bracht hat oder das durch die Zuwan-derung griechischer Kleriker aus den vom Islam uumlberfluteten Gebieten des Ostens nach Rom gebracht worden war Im Orient wurde die Opfergabe der Eucharistie schon fruumlh als Lamm bezeichnet und in der Brechung des eucharistischen Brotes sieht man dort einen Hinweis auf Passion und Sterben des Herrn In der Liturgie der Westsyrer finden sich schon fruumlh Texte die waumlh-

rend der Brechung vom Lamm Gottes sprechen das die Suumlnden der Welt hinwegnimmt36 Vielleicht hatte Papst Sergius der selber syrischer Abstam-mung war die Vorlage fuumlr das Agnus Dei als Gesang zur fractio panis hierher

Auf Sergius sollen nach manchen Quellen auch die vier groszligen Mari-enfeste Mariauml Geburt Verkuumlndigung Lichtmeszlig und Entschlafung zuruumlck gehen Die Zuordnung ist nicht ganz sicher auf jeden Fall wurden sie zu Sergiuslsquo Zeit schon in Rom gefei-ert Sergius soll aber die naumlchtlichen Lichter pro zessio-nen von St Hadrian am Forum nach St Maria Maggiore angeordnet haben Diese volkstuumlmli-chen und belieben Prozessionen ka-men zuerst in Antiochien auf Von dort brachte Johannes Chrysostomos sie nach Konstantinopel Ambrosius fuumlhr-te sie in Mailand ein bis sie schlieszliglich Sergius nach Rom brachte37

Mit den Marienfesten und ihren Pro-zessionen kamen auch viele griechi-sche Gesaumlnge in die roumlmische Liturgie so zum Beispiel bdquoNa tivitas tua Dei Ge-nitrix Virgoldquo urspruumlnglich als Antiphon in der Collecta-Kirche am Fest Mariauml Ge burt vor dem Beginn der Messe38 jetzt noch als Magnificat -Anti phon der 2 Vesper zu Mariauml Geburt bdquoO admira-bile commer ciumldquo und bdquoMirabile mys-teriumldquo als Antiphonen zu Vesper und Laudes am 1 Januar bdquoHodie cae lesti sponsoldquo zum Benedictus an Epipha-nie bdquoAdorna thalamum tuum Sionldquo

36 Vgl Jungmann Missarum Sollemnia Bd 2 41637 Siehe dazu K Gamber Oratio ad collectam Ein Beitrag zur roumlmischen Sta tionsliturgie in Ders Missa Ro men sis 195shy19938 Vgl aaO 196

urspruumlnglich als Anitphon in der Coll-ecta-Kirche jetzt zur Kerzenprozession am Mariauml Lichtmeszlig gesungen bdquoDies sanctificatus illuxit nobisldquo als Alleluja-vers der 3 Weihnachtsmesse bdquoGaude-amus omnes in Dominoldquo als Introitus von Allerheiligen Auch das aumllteste Marienge bet der Kirche die mariani-sche Antiphon bdquoSub tuum praesidiumldquo fand in dieser Zeit den Weg nach Rom

32 Weitere orientalische QuellenEine weitere wichtige auszligerroumlmische Quelle fuumlr unsere Liturgie ist die Litur-gie der Mutterkirche von Jerusalem Wie wir aus dem Bericht der aquitani-schen Pilgerin Egeria (oder Aetheria) aus dem Ende des 4 Jahrhunderts wis-sen wurden in Jerusalem schon fruumlh dramatisierte Gottesdienste an den je-weiligen heiligen Staumltten abgehalten wo die entsprechenden Evangelien-stellen verlesen wurden Besonders ausgepraumlgt war das in der Karwoche

Die Jerusalemer Palmsonntagliturgie wie sie nach dem bdquoTypikon der Kirche von Jerusalemldquo aus dem Beginn des 7 Jahrhunderts39 gefeiert wurde kam zunaumlchst in den byzantinischen Os-ten mit dem die Metropole Aquileja im Fruumlhmittelalter intensiven Handel trieb Aquileja war nach Rom nicht nur die groumlszligte Handelsstadt sondern auch bedeutendste Kirchenprovinz Sie umfaszligte weite Teile Norditali-ens der Alpen bis an die Donau und die alte Provinz Pannonien (Ungarn) Aquileja wurde wohl der Uumlbermittler

39 Vgl A Baumstark La Sollenniteacute des palmes dans lrsquoanciennes et la nouvelle Rome in Ireacutenikon 13 (1936) 22shy46 bes 38

hll Cosmas und Damian

Papst Sergius I

51Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

der je ru sa le mit isch-byzantinischen Palmenfeier in den Westen Manche der noch heute gesungenen Texte am Palmsonntag kamen auf diesem Weg in den Westen So stellt der Einzugs-gesang am Ende der Palm prozession bdquoIn grediente Do minoldquo eine freie Uumlber-setzung eines griechischen Troparions aus der Vesper des Palmsonntags dar40

Auch die Karfreitagsliturgie ist stark vom Osten beeinfluszligt Die Enthuumll-lung und Verehrung des Kreuzes geht ebenfalls auf Jerusalem zuruumlck Die dazu gesungenen Improperien und die Trishagion-Verse sind Uumlbernah-men aus dem Orient41

Die an die Kreuzverehrung spaumlter an-gefuumlgte bdquoMissa praesancti fi cationumldquo ist syrischen Ursprungs wo sie vom Patriarchen Severus von Antiochien zwischen 511 und 518 eingefuumlhrt wur-de42 Sie wird im Abendland zuerst in Ravenna uumlbernommen das als Syrer-Zentrale im Abendland galt und fin-det uumlber Aquileja weite Verbreitung bevor sie wohl im 9 Jahrhundert als eigene Feier bdquoad vesperumldquo in die Liturgie der roumlmischen Titelkirchen kommt

Auch die bdquoDepositio crucisldquo am Karfrei-tag und die bdquoElevatio crucisldquo in der Os-

40 Vgl A Baumstark Orientalisches in den Texten der abendlaumlndischen Palmfeier in JLW VII (1927) 148shy15341 Vgl A Baumstark Der Orient und die Adoratio crucis in JLW II (1922) 1shy17 E Wellesz Eastern Eleshyments in Western Chant Oxford 1947 21shy2642 Vgl M Tarschnišvili Die missa praesanctificashytorum und ihre Feier nach georgischen Quellen in ALW II (1952) 75shy80

ternacht zur Matutin wie sie bis in die Neuzeit in weiten Teilen des Abend-lands uumlblich waren gehen auf oumlstli-che byzantinische Quellen zuruumlck und kamen uumlber die Metropole Aquileja ins Abendland fanden aber keinen Eingang in die stadtroumlmische Liturgie Der zur anschlieszligenden naumlchtlichen Prozession mit dem Kreuz gesunge-ne Hymnus bdquoCum rex gloriaeldquo ist ein-deutig orientalischen Ursprungs wie schon die Bezeichnung Christi als bdquorex gloriaeldquo (vgl 1 Petr 319) zeigt Eine entsprechende orientalische Parallele ist bis jetzt noch nicht gefunden wor-den

Wo diese Gottesdienste stattfanden waren sie - in spaumlterer barocker Form - bis zur neuen Kar wochen li tur gie Pius XII die meistbesuchten Gottesdiens-te des Jah res besonders das Heilige Grab43 Neuerdings gibt es Bemuumlhun-gen diese alten volkstuumlmlichen Feiern wiederzubeleben und sie in die neue Liturgie zu integrieren44

4 SchluszligMit diesen wenigen Beispielen kon-kreter Uumlbersetzungen orientalischer

43 Vgl W Bauer Die Depositio und Elevatio crucis in der Dioumlzese Regensburg in Vergangenheit und Zukunft Ein Beitrag zur Integrierung traditioneller ortskirchlicher Liturgie in die erneuerte Liturgie des Paschatriduums maschinenschriftlich Regensburg 197544 Vgl z B Manuale Trevirense Heilige Woche shy Karwoche und Ostern Trier 1999

Quellen fuumlr die roumlmische Liturgie be-schlieszligen wir unsere Uumlberlegungen Zahlreiche weitere koumlnnte man noch anfuumlgen

Wir konnten sehen daszlig die roumlmische Liturgie auf verschiedenen auszligerrouml-mischen Quellen beruht Ganz am An-fang stand die fruumlhe alexandrinische Liturgie auf deren Eucharistiegebet die lateinische Fassung des roumlmischen Meszlig-Canons zuruumlckgeht

Gregor der Groszlige nutzte bei der Ab-fassung seines Sakramentars das er urspruumlnglich nur fuumlr seine persoumlnliche Stationsliturgie zusammengestellt hat das aber dann durch die zeitlichen Umstaumlnde zum allgemeinen roumlmi-schen Meszligbuch wurde neben den rouml-mischen Meszlig-Libelli seiner Vorgaumlnger vor allem das Sakramentar des Pauli-nus von Nola

Dieses gregorianische Sakramen tar verbreitete sich im ganzen Abendland durch die Foumlrderung Karls d Gr auch im fraumlnkisch-germanischen Raum wo es durch altgallikanische Quellen er-weitert wurde Diese erweiterte Form des Sakramentars kam schlieszliglich nach Rom zuruumlck wo es nach einer Zeit des kirchlichen und liturgischen Niedergangs in bereinigter Form als stadtroumlmisches Liturgiebuch ange-nommen und so zur Grundlage fuumlr die Reformbestrebungen des Konzils von Trient wurde

Kreuzweg in Jerusalem

52

In einem zweiten Teil sahen wir daszlig die griechischen orientalischen Ein-fluumlsse nicht auf den Canon beschraumlnkt waren In der byzantinischen Epoche Roms kamen wichtige Impulse aus dem Osten Im Ordo missae zeugen das bdquoKyrie eleisonldquo und das bdquoAg nus Deildquo sowie die Erwaumlhnung der Heili-gen Cosmas und Damian im Canon fuumlr griechische Quellen unserer Liturgie Manche Feste wie die vier groszligen Ma-rienfeste und viele liturgische Gesaumln-ge dieser Zeit beruhen ebenfalls auf griechischen Quellen

In etwas spaumlterer Zeit vermittelte vor allem Aquileja orientalische Texte und Gebraumluche in den Westen die zumin-dest zum Teil in die allgemeine roumlmi-sche Liturgie uumlbernommen wurden Anderes wie die volkstuumlmlichen Kar- und Ostergottesdienste wurde nur in bestimmten Ortskirchen rezipiert

So ist die roumlmische Liturgie aus ei-gentlich roumlmischen und zahlreichen orientalischen und altgallikanischen Quellen zum Missale Romanum von 1962 harmonisch gewachsen Deshalb

konnte der spaumltere Papst Benedikt XVI mit Recht sagen es sei dasjenige bdquoMis-sale das alle Jahrhunderte hindurch seit den Sakramentaren der alten Kir-che gewachsen istldquo45

Lassen Sie mich schlieszligen mit einem Wort des Trierer Theologen Michael Fiedrowicz bdquoDie uumlberlieferte Messe im roumlmischen Ritus ist ein alter von vielen Jahrhunderten und Stilrichtungen ge-praumlgter Bau oftmals ergaumlnzt und weiter ausgeschmuumlckt zuweilen hier und dort restauriert ein Bau bei dem man Teil fuumlr Teil das Jahrhundert seines Ursprungs nachweisen koumlnnte nur in den seltens-ten Faumlllen auch den Kuumlnstler namhaft zu machen wuumlszligte der dieses oder jenes Element gestaltet und dem Ganzen hin-zugefuumlgt hatldquo46

45 J Ratzinger Aus meinem Leben Erinnerungen (1927shy1977) Stuttgart 21998 172shy17146 M Fiedrowicz Die uumlberlieferte Messe 65

Wormser Dom (Nord-Ost-Seite)

Heiliges Grab in der Pfarrkirche zum hl Nikolaus in Eggen (Suumldtirol)

Wormser Dom barocker Hochaltar (Johann Balthasar Neumann)

Page 6: Nichtrömische Quellen der römischen Liturgie · P. Martin Reinecke. 42 sche Gemeinde in Rom verfaßt, bear-beitet oder übernommen, wo sie auch eine Zeit lang gebraucht wurde. Die

46

Im 8 Jh findet sich Gregors Buch be-reits in England und in Bayern Gegen Ende des 7 Jh bittet Karl d Gr den Papst Hadrian (772-795) um ein Meszlig-buch bdquonach dem Brauch der roumlmischen Kircheldquo Er erhaumllt von ihm in den Jah-ren 785786 eine Kopie des von ihm benutzten Stationssakramentars (bdquoHa-drianumldquo) das wohl auf eine Redakti-on des gregorianischen Sakramentars durch Papst Gregor II (715-731) zu-ruumlckgeht und eine Uumlberarbeitung des Gregorianums darstellt Papst Hadrian bezeichnet es in seinem Brief an Kouml-nig Karl als bdquoimmixtumldquo Es wurde als Mu ster exemplar zum Abschreiben in der Palastbibliothek in Aachen nieder-gelegtAuf Draumlngen Karls verbreitet sich die-ses Sakramentar im ganzen Franken-reich Zuvor brachte der Hoftheologe Alkuin einen Anhang mit den fehlen-den Sonntags- und Votivmessen an Allerdings stammen nicht alle erhal-tenen Gregoriana-Handschriften von die sem Exemplar des Papstes Hadrian abDas Gregorianum stellt bdquodie letzte gro-szlige liturgische Gabe der sterbenden Antike darldquo17 Alle Meszligbuuml cher aus spauml-terer Zeit sind bdquosa cra mentaria mixtaldquo

17 K Gamber Missa Romensis 121

die irgend wie auf das Gregorianum zuruumlck gehen So haben wir aus dem 8 Jh zahlreiche Handschriften die teils vollstaumlndig teils fragmentarisch uumlberliefert sind Sie zeigen eine bunte Fuumllle von Formen und sind meist spauml-te Ausbildungen aumllterer Typen Darin wurden aumlltere eigenstaumlndige Litur-giebuumlcher mit Formeln aus dem Gre-gorianum vermischt (Gelasiana mix-ta) oder das Gregorianum wurde mit aumllteren Formeln meist Praumlfationen bereichert (Gregoriana mixta) In der Zeit nach 800 verschwinden die ver-schiedenen Meszligbuchtypen ziemlich ploumltzlich und machen ei ner gewissen Uniformitaumlt Platz Auf diesem Wege ist viel nichtrouml misches aber abend-laumlndisches italisches Gebetsgut in die spaumltere roumlmische Liturgie und in unser Missale Romanum gekommen

2 Fraumlnkische EinfluumlsseMit dem Vordringen roumlmischer Li-turgiebuumlcher in das fraumlnkische Reich und vor allem mit ihrer Foumlrderung durch Karl den Groszligen tritt die roumlmi-sche Liturgie nun in eine neue Phase die auch auf den Hintergrund gesell-schaftlichen und politischen Wan-dels zuruumlck geht Die bdquofolgenschwere Schwer punktverlagerung aus dem Mittelmeerraum in die germanischen insbesondere fraumlnkischen Stammes-gebiete noumlrdlich der Alpen fuumlhrte einerseits zu einer enormen Auswei-tung des Ein fluszlig- und Geltungsberei-ches der roumlmischen Liturgie anderer-seits aber auch zur Verschmelzung mit auszligerroumlmischen Li tur gie traditionen Es entstand eine rouml misch-fraumln ki sche Mischliturgie die die bodenstaumlndigen nichtroumlmischen (Anm d V gallikani-

schen) Liturgien bald fast uumlberall ver-draumlngt hatteldquo18

21 Fraumlnkische Erweiterungen der Missa RomensisNoumlrdlich der Alpen traf nun die sachli-che und nuumlchterne roumlmische Liturgie auf das romanisierte Keltentum das in den ganz andersgearteten gallika-nischen Li tur gieformen seine Heimat hatte19 Die altgallikanische Liturgie geht zuruumlck auf die kleinasiatisch-syrische Liturgie des 4 Jahrhunderts Man kann sie als orientalische Liturgie im lateinischen Gewand bezeichnen Von daher ist sie weit entfernt von der wortkargen Kuumlrze und nuumlchternen Sachlichkeit roumlmischen Denkens Das machte sich nun bei der Rezeption der alten stadtroumlmischen Liturgie des Papstes im fraumlnkischen Raum bemerk-bar

Man uumlbernahm das roumlmische Sakra-mentar so genau wie moumlglich bdquoOb-wohl bei der Luumlckenhaftigkeit der von Rom gekommenen Buumlcher Ergaumln-zungen und Anpassungen wie sie

18 H B Meyer Eucharistie Geschichte Theologie Pastoral (= Handbuch der Liturgiewissenschaft Teil 4) Regensburg 1989 170 19 Eine ausfuumlhrliche Schilderung dieser Phase in J A Jungmann Missarum Sollemnia 98shy122

Karl der Groszlige Sacramentarium Hadrianum

47Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

Alkuin vorgenommen hat nicht zu vermeiden waren ist es staunenswert mit welcher Pietaumlt die neuen Texte gleichwohl uumlbernommen wurdenldquo20 Saumlmtliche roumlmischen Martyrerfeste werden uumlbernommen die roumlmischen Stationen stehen weiterhin uumlber den einzelnen Formularen die Anwei-sungen des Ordo Romanus I werden getreulich abgeschrieben und der liturgischen Praxis zugrunde gelegt Mit anderen Worten man wollte die paumlpstliche Liturgie so genau wie moumlg-lich uumlbernehmen

Trotzdem hat die fraumlnkisch gallikani-sche Mentalitaumlt von Anfang an auf die roumlmische Liturgie eingewirkt und sie weiter entwickelt bdquoBei diesem Prozeszlig blieb der Textbestand der altroumlmi-schen Meszligliturgie weitgehend unan-getastet aber er wurde durch Textma-

20 Ebd 100

terial aus gallisch-fraumlnkischer Tradition ergaumlnzt durch private Priestergebete erweitert und durch gestisch-zere-monielle Elemente angereichertldquo21 So ist Vieles was uns heute an den Ze-remonien der Messe vertraut ist und als typisch roumlmisch erscheint nichts anderes als Frucht der fraumlnkisch-galli-kanischen (und damit letztlich orienta-lischen) Beeinflussungen bei der Uumlber-nahme stadtroumlmischer Gebraumluche im Reich Karls des Groszligen

Als Beispiel mag hier der Gebrauch des Weihrauchs genuumlgen bdquoWaumlhrend roumlmische Weise nur das Mittragen von Weihrauch beim Einzug des Papstes und beim Gang zur Lesung des Evan-geliums kannte tritt auf gallischem Boden im Hochamt sogleich eine mehrfache Be raumlu cherung ein es wird mit geschwungenem Rauchfaszlig der Al-tar nach fester Ordnung um schritten zuerst nur am Beginn der Opfermesse dann bald auch am Beginn der Vor-messe Zur Lesung des Evangeliums muszlig der Weihrauch nicht nur das Buch umwallen sondern nach zeitweilig geltendem Brauch auch in die versam-melte Gemeinde getragen werden was voruumlbergehend zu einer Mehrzahl von Rauchfaumlssern fuumlhrtldquo22

Auch die bis heute uumlblichen Kom-memo ra tionen in der Messe haben dort ihren Ursprung Neben die eine

21 H B Meyer Eucharistie 17022 J A Jungmann Missarum Sollemnia 101shy102

roumlmische Oration koumlnnen nun noch weitere treten wenn nur die Sieben-zahl nicht uumlberschritten wird

Wie gesagt haben auch die priester-lichen Stillgebete in dieser Zeit ihren Ursprung In Gebetsanrede und -stil sind sie von den Formen roumlmischer Orationen weit entfernt Erstmals bie-tet das Sakramentar von Amiens noch aus dem 9 Jahrhundert eine ganze Reihe solcher Gebete von denen sich ein Teil mit den noch heute uumlblichen Texten deckt

Daszlig diese Stillgebete nicht aus roumlmi-scher Tradition stammen sieht man auch an der koumlrperlichen Haltung in der sie vom Prie ster gesprochen wer-den nicht in Orantenhaltung sondern mit gefalteten Haumlnden wie es noumlrd-lichem germanischem Brauch ent-spricht

In dieser Zeit kommen auch zahlreiche Apologien im Verlauf der Messe auf bdquopersoumlnliche Schuld- und Unwuumlrdig-keitsbekenntnisse des Zelebranten von meist betraumlchtlichem Umfang die sich mit der Bitte um Gottes er-barmende Gnade verbindenldquo23 Den Houmlhepunkt der Entfaltung der bdquoApo lo-giae sacerdotisldquo duumlrfte die sogenann-te bdquoMissa Illyricaldquo24 darstellen ein fuumlr einen Bischof bestimmter Meszlig-Ordo aus Minden aus der Zeit um 1030 Der

23 Ebd 103shy10424 CLLA Nr 990

Sacramentarium Hadrianum

Altarinzens beim Pontifikalamt im Petersdom

48

Ordo enthaumllt in 35 Formeln Apologien nach dem Ankleiden beim Betreten der Kirche eine laumlngere Reihe nach dem Altarkuszlig eine waumlhrend des Glo-ria mehrere waumlhrend der Zwischen-gesaumlnge und des Offertoriumsge-sangs zur Opferung nach dem bdquoOrate fratresldquo waumlhrend des Sanctus und waumlhrend der Kommunion des VolkesbdquoMaszliggebend fuumlr die weitere Entwick-lung wurde die rituelle Gestalt die die fraumlnkisch-roumlmische Messe um die Jahrtausendwende im sogenannten Rheinischen Meszlig ordo gefunden hat-te der im rheinischen Bereich ent-standen und verbreitet (St Gallen Rei-chenau St AlbanMainz) zunaumlchst fuumlr die bischoumlfliche Feier be stimmt war auf der paumlpstlichen Liturgie des 78 Jh (OR 1) und deren fraumlnkische Adap-tation (OR 5 2 Haumllfte 9Jh) basierte und zahlreiche Elemente enthielt die noch heute zum Ordinarium des roumlmi-schen Meszligritus gehoumlrenldquo25

Die meisten Liturgie wissen schaft-ler sehen diese fraumlnkisch-galli schen Einfluumlsse auf die stadtroumlmische Litur-gie eher skeptisch und sprechen von bdquoroumlmisch-fraumln kische(r) Mischliturgieldquo26 Positiver sieht M Fiedrowicz die Re-zeption im Frankenreich bdquoAll dies war im Kern keine Umformung und Uumlberformung sondern eine Ausrei-

25 M Fiedrowicz Die uumlberlieferte Messe Geshyschichte Gestalt und Theologie des klassischen roumlmischen Ritus MuumllheimMosel 2011 26shy2726 So z B H B Meyer Eucharistie 170

fung des roumlmischen Ritus eine Syn-these der aumluszligerlich-ze re moniellen und innerlich-spi ri tuellen Dimension der Meszligliturgie Einige dieser Gebete sollten bestimmte Gesten begleiten die in der urspruumlnglichen Papstliturgie schweigend vollzogen wurden Auf diese Weise sollte die Froumlmmigkeit des Zelebranten vor einem Automatismus bewahrt bleiben und vom geistigen Sinn dieser Gesten erfuumlllt werden An-dere Gebete waren dazu bestimmt dem Zelebranten die Empfindungen in Erinnerung zu rufen die er haben sollte wenn er zum Altar trat die Op-ferung der Gaben vollzog sich auf die Kommunion vorbereitete oder diese empfangen hatte Harmonisch fuumlgten sich diese Gebete in die Freiraumlume ein die der uumlberkommene Ordo missae beim Erreichen des Altares im Bereich des Offertoriums und der Kommu-nion schlieszliglich am Ende der Messe dem persoumlnlichen Beten des Priesters lieszligldquo27

22 Zuruumlck nach RomUnd genau dieser ausgereifte Ordo der roumlmischen Messe kam ab dem 11 Jahrhundert nach Rom zuruumlck wo das kulturell-kirchliche Leben seit dem Ende des 9 Jahrhunderts einen Tiefstand erreicht hatte bdquoDie Liturgie befand sich im Zustand der Aufloumlsung Klerus und Volk vernachlaumlssigten glei-chermaszligen den Gottesdienst Liturgi-

27 M Fiedrowicz Die uumlberlieferte Messe 25shy26

sche Buumlcher wur den nicht mehr her-gestellt Wie ein Lichtstrahl in jenem Sae culum obscurum tauchten Ende des 10 Jahrhunderts in Italien und Rom selbst liturgische Texte auf die die bodenstaumlndige Form der altroumlmi-schen Liturgie verdraumlngten und den inzwischen noumlrdlich der Alpen weiter ausgebildeten Typus des roumlmischen Ritus an deren Stelle treten lieszligenldquo28

Dieser erweiterte Ritus der nun nach Rom zuruumlckkam war zwar reicher als die alten roumlmischen Formen enthielt aber auch Elemente die dem roumlmi-schen Geist fremd waren So wurde der Meszligordo bereinigt manche der neuen Gebete wurden entfernt und durch andere ersetzt die der roumlmi-schen Mentalitaumlt mehr entsprachen Vor allem die zahlreichen Apologien verschwanden nur das bdquoSuscipe sanc-ta Trinitasldquo blieb bestehen Am Ende dieser Entwicklung stand der bdquoUsus Romanae Curiaeldquo der bereits den Be-stand an fraumlnkisch-galli kanischen Still-gebeten aufwies den wir in unserem Ordo Missae haben Die Ordnung der Meszligfeier bdquosecundum usum Romanae Curiaeldquo verbreitete sich spaumlter - vor allem durch den Franzis kaner orden - uumlber die Stadt Rom hinaus in der gan-zen katholischen Kirche Er wurde die Grundlage fuumlr die Meszligbuchreform im Gefolge des Konzils von Trient

3 Oumlstliche Quellen roumlmischer LiturgieEx Oriente lux Aus dem Osten ist das Licht des christlichen Glaubens her-vorgegangen Wie wir sahen standen orientalische grie chische Quellen am

28 Ebd 27

waumlhrend des Pontifikalamts am Kathedra-Altar von St Peter

49Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

Anfang der lateinisch-roumlmischen Li-turgie Der roumlmische Meszlig-Kanon das Herzstuumlck der Liturgie geht auf eine Uumlbersetzung einer oumlstlichen naumlherhin alexandrinischen Anaphora zuruumlck Damit houmlren Beeinflussung und Be-reicherung der Liturgie Roms aus dem griechischen Osten nicht auf

Die byzantinische Epoche RomsAus der Fruumlhzeit Roms als die Litur-gie noch griechischsprachig war hat sich das bdquoKyrie eleisonldquo in der Litanei und der Messe erhalten waumlhrend es in den altgallikanischen Liturgien zu-mindest in den Fuumlrbitt-Litaneien mit bdquoDomine miserereldquo29 uumlbersetzt wird Die groszlige Zahl der orientalischen griechischsprachigen Paumlpste bis ins 4 Jahrhundert ist beredtes Zeugnis fuumlr den griechischen Einfluszlig auf die fruumlhe roumlmische Kirche und ihre Liturgie

Doch auch spaumlter gab es noch be-deutende griechische Praumlsenzen in der Ewigen Stadt die immer wieder Einfluszlig auf die nun lateinische Litur-gie hatten So gab es z B im 4 Jahr-hundert ei ne griechische Gemeinde in der Titelkirche S Anastasia im Grie-chenviertel am Fuszlig des Palatin Ihr ha-ben wir die zweite Weihnachtsmesse bdquoin auroraldquo zu verdanken wo der Papst auf dem Ruumlckweg von der Mitter-nachtsmesse in S Maria Maggiore den Stationsgottesdienst hielt bevor er die Hauptmesse bdquoin dieldquo in St Peter fei-erte Die urspruumlngliche Ei genmesse zu Ehren der hl Ana stasia muszligte spaumlter

29 Vgl die bdquoDeprecatio sancti Martini pro populoldquo im irischen Stowe Missal F E Warren The liturgy and ritual of the Celtic church Suffolk 21987 229

dem liturgisch houmlheren Weihnachts-fest weichen geblieben ist - aus Res-pekt vor der griechisch-spra chi gen Be-voumllkerung - die Komme moration und die Stationskirche30

Der griechisch orientalische Einfluszlig in Rom blieb auch nach der Zeit Gre-gors d Gr bestehen bdquoDie Paumlpste dieser Epoche sind samt und sonders noch dem byzantinisch-hellenistischen Mittelmeerraum der Antike zuzu-rechnen Das sbquoMittelalterlsquo beginnt in Rom erst um die Mitte des achten Jahrhundertsldquo31 Politisch gehoumlrte Rom in dieser Zeit zum byzantinischen Ex-archat Ravenna Viele Syrer Griechen aus dem Osten und von Sizilien Soumlh-ne hoher kaiserlicher Beamter hat-ten in dieser Zeit das Papstamt inne Dementsprechend waren auch in der paumlpstlichen Verwaltung viele Maumlnner oumlstlicher Praumlgung taumltig Hinzu kommt daszlig das orientalische Moumlnchtum um die Mitte des 7 Jahrhunderts zu einer

30 Nach Ausweis von Ildefons Schuster war Leo XII (1823shy1829) der letzte Papst der die Station in S Anastasia gehalten hat Vgl I Schuster Liber sacramentorum Geschichtliche und liturgische Stushydien uumlber das roumlmische Meszligbuch Bd 2 Regensburg 1929 16931 A Franzen R Baumlumer Papstgeschichte Das Petrusamt in seiner Idee und in seiner geschichtlishychen Verwirklichung in der Kirche Freiburg i Br 1974 91

bdquoMacht in Rom geworden (war) die mit houmlchstem Selbstbewuszligtsein auftratldquo32 So traten die Grie chen kloumlster Roms auf einer Lateran synode im Jahr 649 korporativ auf33

Das wirkte auch auf die Gestaltung der staumldtischen Liturgie ein Zahlrei-che Uumlbersetzungen griechischer Texte kamen damals in den Bestand der rouml-mischen Antiphonen und Responso-rien34 Neue Kirchen wurden zu Ehren orientalischer Heiliger gebaut deren Kult damit bedeutender wurde Man denke an die Anar gyren die selbstlos heilenden Martyreraumlrzte Cosmas und Damian denen insgesamt neun Kir-chen gewidmet waren und deren Na-men ihren Platz im Canon der Messe fanden

Papst Sergius I (687-701) hat nach Aus-weis des Liber ponti ficalis angeordnet bdquout tempore confractionis dominici cor-poris Agnus Dei qui tollis peccata mun-di miserere nobislsquo a clero et populo de-canteturrdquo 35 Dabei handelt es sich um ein Element aus oumlstlichen Liturgien das entweder Sergius nach Rom ge-

32 A Baumstark Vom geschichtlichen Werden der Liturgie Freiburg i Br 1923 6333 Mansi 10 9031034 Vgl Paleacuteographie musicale 2 Solesmes 1890 6shy935 Lib pont ed Duchesnes I 376

Stillgebet mit gefalteten Haumlnden

50

bracht hat oder das durch die Zuwan-derung griechischer Kleriker aus den vom Islam uumlberfluteten Gebieten des Ostens nach Rom gebracht worden war Im Orient wurde die Opfergabe der Eucharistie schon fruumlh als Lamm bezeichnet und in der Brechung des eucharistischen Brotes sieht man dort einen Hinweis auf Passion und Sterben des Herrn In der Liturgie der Westsyrer finden sich schon fruumlh Texte die waumlh-

rend der Brechung vom Lamm Gottes sprechen das die Suumlnden der Welt hinwegnimmt36 Vielleicht hatte Papst Sergius der selber syrischer Abstam-mung war die Vorlage fuumlr das Agnus Dei als Gesang zur fractio panis hierher

Auf Sergius sollen nach manchen Quellen auch die vier groszligen Mari-enfeste Mariauml Geburt Verkuumlndigung Lichtmeszlig und Entschlafung zuruumlck gehen Die Zuordnung ist nicht ganz sicher auf jeden Fall wurden sie zu Sergiuslsquo Zeit schon in Rom gefei-ert Sergius soll aber die naumlchtlichen Lichter pro zessio-nen von St Hadrian am Forum nach St Maria Maggiore angeordnet haben Diese volkstuumlmli-chen und belieben Prozessionen ka-men zuerst in Antiochien auf Von dort brachte Johannes Chrysostomos sie nach Konstantinopel Ambrosius fuumlhr-te sie in Mailand ein bis sie schlieszliglich Sergius nach Rom brachte37

Mit den Marienfesten und ihren Pro-zessionen kamen auch viele griechi-sche Gesaumlnge in die roumlmische Liturgie so zum Beispiel bdquoNa tivitas tua Dei Ge-nitrix Virgoldquo urspruumlnglich als Antiphon in der Collecta-Kirche am Fest Mariauml Ge burt vor dem Beginn der Messe38 jetzt noch als Magnificat -Anti phon der 2 Vesper zu Mariauml Geburt bdquoO admira-bile commer ciumldquo und bdquoMirabile mys-teriumldquo als Antiphonen zu Vesper und Laudes am 1 Januar bdquoHodie cae lesti sponsoldquo zum Benedictus an Epipha-nie bdquoAdorna thalamum tuum Sionldquo

36 Vgl Jungmann Missarum Sollemnia Bd 2 41637 Siehe dazu K Gamber Oratio ad collectam Ein Beitrag zur roumlmischen Sta tionsliturgie in Ders Missa Ro men sis 195shy19938 Vgl aaO 196

urspruumlnglich als Anitphon in der Coll-ecta-Kirche jetzt zur Kerzenprozession am Mariauml Lichtmeszlig gesungen bdquoDies sanctificatus illuxit nobisldquo als Alleluja-vers der 3 Weihnachtsmesse bdquoGaude-amus omnes in Dominoldquo als Introitus von Allerheiligen Auch das aumllteste Marienge bet der Kirche die mariani-sche Antiphon bdquoSub tuum praesidiumldquo fand in dieser Zeit den Weg nach Rom

32 Weitere orientalische QuellenEine weitere wichtige auszligerroumlmische Quelle fuumlr unsere Liturgie ist die Litur-gie der Mutterkirche von Jerusalem Wie wir aus dem Bericht der aquitani-schen Pilgerin Egeria (oder Aetheria) aus dem Ende des 4 Jahrhunderts wis-sen wurden in Jerusalem schon fruumlh dramatisierte Gottesdienste an den je-weiligen heiligen Staumltten abgehalten wo die entsprechenden Evangelien-stellen verlesen wurden Besonders ausgepraumlgt war das in der Karwoche

Die Jerusalemer Palmsonntagliturgie wie sie nach dem bdquoTypikon der Kirche von Jerusalemldquo aus dem Beginn des 7 Jahrhunderts39 gefeiert wurde kam zunaumlchst in den byzantinischen Os-ten mit dem die Metropole Aquileja im Fruumlhmittelalter intensiven Handel trieb Aquileja war nach Rom nicht nur die groumlszligte Handelsstadt sondern auch bedeutendste Kirchenprovinz Sie umfaszligte weite Teile Norditali-ens der Alpen bis an die Donau und die alte Provinz Pannonien (Ungarn) Aquileja wurde wohl der Uumlbermittler

39 Vgl A Baumstark La Sollenniteacute des palmes dans lrsquoanciennes et la nouvelle Rome in Ireacutenikon 13 (1936) 22shy46 bes 38

hll Cosmas und Damian

Papst Sergius I

51Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

der je ru sa le mit isch-byzantinischen Palmenfeier in den Westen Manche der noch heute gesungenen Texte am Palmsonntag kamen auf diesem Weg in den Westen So stellt der Einzugs-gesang am Ende der Palm prozession bdquoIn grediente Do minoldquo eine freie Uumlber-setzung eines griechischen Troparions aus der Vesper des Palmsonntags dar40

Auch die Karfreitagsliturgie ist stark vom Osten beeinfluszligt Die Enthuumll-lung und Verehrung des Kreuzes geht ebenfalls auf Jerusalem zuruumlck Die dazu gesungenen Improperien und die Trishagion-Verse sind Uumlbernah-men aus dem Orient41

Die an die Kreuzverehrung spaumlter an-gefuumlgte bdquoMissa praesancti fi cationumldquo ist syrischen Ursprungs wo sie vom Patriarchen Severus von Antiochien zwischen 511 und 518 eingefuumlhrt wur-de42 Sie wird im Abendland zuerst in Ravenna uumlbernommen das als Syrer-Zentrale im Abendland galt und fin-det uumlber Aquileja weite Verbreitung bevor sie wohl im 9 Jahrhundert als eigene Feier bdquoad vesperumldquo in die Liturgie der roumlmischen Titelkirchen kommt

Auch die bdquoDepositio crucisldquo am Karfrei-tag und die bdquoElevatio crucisldquo in der Os-

40 Vgl A Baumstark Orientalisches in den Texten der abendlaumlndischen Palmfeier in JLW VII (1927) 148shy15341 Vgl A Baumstark Der Orient und die Adoratio crucis in JLW II (1922) 1shy17 E Wellesz Eastern Eleshyments in Western Chant Oxford 1947 21shy2642 Vgl M Tarschnišvili Die missa praesanctificashytorum und ihre Feier nach georgischen Quellen in ALW II (1952) 75shy80

ternacht zur Matutin wie sie bis in die Neuzeit in weiten Teilen des Abend-lands uumlblich waren gehen auf oumlstli-che byzantinische Quellen zuruumlck und kamen uumlber die Metropole Aquileja ins Abendland fanden aber keinen Eingang in die stadtroumlmische Liturgie Der zur anschlieszligenden naumlchtlichen Prozession mit dem Kreuz gesunge-ne Hymnus bdquoCum rex gloriaeldquo ist ein-deutig orientalischen Ursprungs wie schon die Bezeichnung Christi als bdquorex gloriaeldquo (vgl 1 Petr 319) zeigt Eine entsprechende orientalische Parallele ist bis jetzt noch nicht gefunden wor-den

Wo diese Gottesdienste stattfanden waren sie - in spaumlterer barocker Form - bis zur neuen Kar wochen li tur gie Pius XII die meistbesuchten Gottesdiens-te des Jah res besonders das Heilige Grab43 Neuerdings gibt es Bemuumlhun-gen diese alten volkstuumlmlichen Feiern wiederzubeleben und sie in die neue Liturgie zu integrieren44

4 SchluszligMit diesen wenigen Beispielen kon-kreter Uumlbersetzungen orientalischer

43 Vgl W Bauer Die Depositio und Elevatio crucis in der Dioumlzese Regensburg in Vergangenheit und Zukunft Ein Beitrag zur Integrierung traditioneller ortskirchlicher Liturgie in die erneuerte Liturgie des Paschatriduums maschinenschriftlich Regensburg 197544 Vgl z B Manuale Trevirense Heilige Woche shy Karwoche und Ostern Trier 1999

Quellen fuumlr die roumlmische Liturgie be-schlieszligen wir unsere Uumlberlegungen Zahlreiche weitere koumlnnte man noch anfuumlgen

Wir konnten sehen daszlig die roumlmische Liturgie auf verschiedenen auszligerrouml-mischen Quellen beruht Ganz am An-fang stand die fruumlhe alexandrinische Liturgie auf deren Eucharistiegebet die lateinische Fassung des roumlmischen Meszlig-Canons zuruumlckgeht

Gregor der Groszlige nutzte bei der Ab-fassung seines Sakramentars das er urspruumlnglich nur fuumlr seine persoumlnliche Stationsliturgie zusammengestellt hat das aber dann durch die zeitlichen Umstaumlnde zum allgemeinen roumlmi-schen Meszligbuch wurde neben den rouml-mischen Meszlig-Libelli seiner Vorgaumlnger vor allem das Sakramentar des Pauli-nus von Nola

Dieses gregorianische Sakramen tar verbreitete sich im ganzen Abendland durch die Foumlrderung Karls d Gr auch im fraumlnkisch-germanischen Raum wo es durch altgallikanische Quellen er-weitert wurde Diese erweiterte Form des Sakramentars kam schlieszliglich nach Rom zuruumlck wo es nach einer Zeit des kirchlichen und liturgischen Niedergangs in bereinigter Form als stadtroumlmisches Liturgiebuch ange-nommen und so zur Grundlage fuumlr die Reformbestrebungen des Konzils von Trient wurde

Kreuzweg in Jerusalem

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In einem zweiten Teil sahen wir daszlig die griechischen orientalischen Ein-fluumlsse nicht auf den Canon beschraumlnkt waren In der byzantinischen Epoche Roms kamen wichtige Impulse aus dem Osten Im Ordo missae zeugen das bdquoKyrie eleisonldquo und das bdquoAg nus Deildquo sowie die Erwaumlhnung der Heili-gen Cosmas und Damian im Canon fuumlr griechische Quellen unserer Liturgie Manche Feste wie die vier groszligen Ma-rienfeste und viele liturgische Gesaumln-ge dieser Zeit beruhen ebenfalls auf griechischen Quellen

In etwas spaumlterer Zeit vermittelte vor allem Aquileja orientalische Texte und Gebraumluche in den Westen die zumin-dest zum Teil in die allgemeine roumlmi-sche Liturgie uumlbernommen wurden Anderes wie die volkstuumlmlichen Kar- und Ostergottesdienste wurde nur in bestimmten Ortskirchen rezipiert

So ist die roumlmische Liturgie aus ei-gentlich roumlmischen und zahlreichen orientalischen und altgallikanischen Quellen zum Missale Romanum von 1962 harmonisch gewachsen Deshalb

konnte der spaumltere Papst Benedikt XVI mit Recht sagen es sei dasjenige bdquoMis-sale das alle Jahrhunderte hindurch seit den Sakramentaren der alten Kir-che gewachsen istldquo45

Lassen Sie mich schlieszligen mit einem Wort des Trierer Theologen Michael Fiedrowicz bdquoDie uumlberlieferte Messe im roumlmischen Ritus ist ein alter von vielen Jahrhunderten und Stilrichtungen ge-praumlgter Bau oftmals ergaumlnzt und weiter ausgeschmuumlckt zuweilen hier und dort restauriert ein Bau bei dem man Teil fuumlr Teil das Jahrhundert seines Ursprungs nachweisen koumlnnte nur in den seltens-ten Faumlllen auch den Kuumlnstler namhaft zu machen wuumlszligte der dieses oder jenes Element gestaltet und dem Ganzen hin-zugefuumlgt hatldquo46

45 J Ratzinger Aus meinem Leben Erinnerungen (1927shy1977) Stuttgart 21998 172shy17146 M Fiedrowicz Die uumlberlieferte Messe 65

Wormser Dom (Nord-Ost-Seite)

Heiliges Grab in der Pfarrkirche zum hl Nikolaus in Eggen (Suumldtirol)

Wormser Dom barocker Hochaltar (Johann Balthasar Neumann)

Page 7: Nichtrömische Quellen der römischen Liturgie · P. Martin Reinecke. 42 sche Gemeinde in Rom verfaßt, bear-beitet oder übernommen, wo sie auch eine Zeit lang gebraucht wurde. Die

47Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

Alkuin vorgenommen hat nicht zu vermeiden waren ist es staunenswert mit welcher Pietaumlt die neuen Texte gleichwohl uumlbernommen wurdenldquo20 Saumlmtliche roumlmischen Martyrerfeste werden uumlbernommen die roumlmischen Stationen stehen weiterhin uumlber den einzelnen Formularen die Anwei-sungen des Ordo Romanus I werden getreulich abgeschrieben und der liturgischen Praxis zugrunde gelegt Mit anderen Worten man wollte die paumlpstliche Liturgie so genau wie moumlg-lich uumlbernehmen

Trotzdem hat die fraumlnkisch gallikani-sche Mentalitaumlt von Anfang an auf die roumlmische Liturgie eingewirkt und sie weiter entwickelt bdquoBei diesem Prozeszlig blieb der Textbestand der altroumlmi-schen Meszligliturgie weitgehend unan-getastet aber er wurde durch Textma-

20 Ebd 100

terial aus gallisch-fraumlnkischer Tradition ergaumlnzt durch private Priestergebete erweitert und durch gestisch-zere-monielle Elemente angereichertldquo21 So ist Vieles was uns heute an den Ze-remonien der Messe vertraut ist und als typisch roumlmisch erscheint nichts anderes als Frucht der fraumlnkisch-galli-kanischen (und damit letztlich orienta-lischen) Beeinflussungen bei der Uumlber-nahme stadtroumlmischer Gebraumluche im Reich Karls des Groszligen

Als Beispiel mag hier der Gebrauch des Weihrauchs genuumlgen bdquoWaumlhrend roumlmische Weise nur das Mittragen von Weihrauch beim Einzug des Papstes und beim Gang zur Lesung des Evan-geliums kannte tritt auf gallischem Boden im Hochamt sogleich eine mehrfache Be raumlu cherung ein es wird mit geschwungenem Rauchfaszlig der Al-tar nach fester Ordnung um schritten zuerst nur am Beginn der Opfermesse dann bald auch am Beginn der Vor-messe Zur Lesung des Evangeliums muszlig der Weihrauch nicht nur das Buch umwallen sondern nach zeitweilig geltendem Brauch auch in die versam-melte Gemeinde getragen werden was voruumlbergehend zu einer Mehrzahl von Rauchfaumlssern fuumlhrtldquo22

Auch die bis heute uumlblichen Kom-memo ra tionen in der Messe haben dort ihren Ursprung Neben die eine

21 H B Meyer Eucharistie 17022 J A Jungmann Missarum Sollemnia 101shy102

roumlmische Oration koumlnnen nun noch weitere treten wenn nur die Sieben-zahl nicht uumlberschritten wird

Wie gesagt haben auch die priester-lichen Stillgebete in dieser Zeit ihren Ursprung In Gebetsanrede und -stil sind sie von den Formen roumlmischer Orationen weit entfernt Erstmals bie-tet das Sakramentar von Amiens noch aus dem 9 Jahrhundert eine ganze Reihe solcher Gebete von denen sich ein Teil mit den noch heute uumlblichen Texten deckt

Daszlig diese Stillgebete nicht aus roumlmi-scher Tradition stammen sieht man auch an der koumlrperlichen Haltung in der sie vom Prie ster gesprochen wer-den nicht in Orantenhaltung sondern mit gefalteten Haumlnden wie es noumlrd-lichem germanischem Brauch ent-spricht

In dieser Zeit kommen auch zahlreiche Apologien im Verlauf der Messe auf bdquopersoumlnliche Schuld- und Unwuumlrdig-keitsbekenntnisse des Zelebranten von meist betraumlchtlichem Umfang die sich mit der Bitte um Gottes er-barmende Gnade verbindenldquo23 Den Houmlhepunkt der Entfaltung der bdquoApo lo-giae sacerdotisldquo duumlrfte die sogenann-te bdquoMissa Illyricaldquo24 darstellen ein fuumlr einen Bischof bestimmter Meszlig-Ordo aus Minden aus der Zeit um 1030 Der

23 Ebd 103shy10424 CLLA Nr 990

Sacramentarium Hadrianum

Altarinzens beim Pontifikalamt im Petersdom

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Ordo enthaumllt in 35 Formeln Apologien nach dem Ankleiden beim Betreten der Kirche eine laumlngere Reihe nach dem Altarkuszlig eine waumlhrend des Glo-ria mehrere waumlhrend der Zwischen-gesaumlnge und des Offertoriumsge-sangs zur Opferung nach dem bdquoOrate fratresldquo waumlhrend des Sanctus und waumlhrend der Kommunion des VolkesbdquoMaszliggebend fuumlr die weitere Entwick-lung wurde die rituelle Gestalt die die fraumlnkisch-roumlmische Messe um die Jahrtausendwende im sogenannten Rheinischen Meszlig ordo gefunden hat-te der im rheinischen Bereich ent-standen und verbreitet (St Gallen Rei-chenau St AlbanMainz) zunaumlchst fuumlr die bischoumlfliche Feier be stimmt war auf der paumlpstlichen Liturgie des 78 Jh (OR 1) und deren fraumlnkische Adap-tation (OR 5 2 Haumllfte 9Jh) basierte und zahlreiche Elemente enthielt die noch heute zum Ordinarium des roumlmi-schen Meszligritus gehoumlrenldquo25

Die meisten Liturgie wissen schaft-ler sehen diese fraumlnkisch-galli schen Einfluumlsse auf die stadtroumlmische Litur-gie eher skeptisch und sprechen von bdquoroumlmisch-fraumln kische(r) Mischliturgieldquo26 Positiver sieht M Fiedrowicz die Re-zeption im Frankenreich bdquoAll dies war im Kern keine Umformung und Uumlberformung sondern eine Ausrei-

25 M Fiedrowicz Die uumlberlieferte Messe Geshyschichte Gestalt und Theologie des klassischen roumlmischen Ritus MuumllheimMosel 2011 26shy2726 So z B H B Meyer Eucharistie 170

fung des roumlmischen Ritus eine Syn-these der aumluszligerlich-ze re moniellen und innerlich-spi ri tuellen Dimension der Meszligliturgie Einige dieser Gebete sollten bestimmte Gesten begleiten die in der urspruumlnglichen Papstliturgie schweigend vollzogen wurden Auf diese Weise sollte die Froumlmmigkeit des Zelebranten vor einem Automatismus bewahrt bleiben und vom geistigen Sinn dieser Gesten erfuumlllt werden An-dere Gebete waren dazu bestimmt dem Zelebranten die Empfindungen in Erinnerung zu rufen die er haben sollte wenn er zum Altar trat die Op-ferung der Gaben vollzog sich auf die Kommunion vorbereitete oder diese empfangen hatte Harmonisch fuumlgten sich diese Gebete in die Freiraumlume ein die der uumlberkommene Ordo missae beim Erreichen des Altares im Bereich des Offertoriums und der Kommu-nion schlieszliglich am Ende der Messe dem persoumlnlichen Beten des Priesters lieszligldquo27

22 Zuruumlck nach RomUnd genau dieser ausgereifte Ordo der roumlmischen Messe kam ab dem 11 Jahrhundert nach Rom zuruumlck wo das kulturell-kirchliche Leben seit dem Ende des 9 Jahrhunderts einen Tiefstand erreicht hatte bdquoDie Liturgie befand sich im Zustand der Aufloumlsung Klerus und Volk vernachlaumlssigten glei-chermaszligen den Gottesdienst Liturgi-

27 M Fiedrowicz Die uumlberlieferte Messe 25shy26

sche Buumlcher wur den nicht mehr her-gestellt Wie ein Lichtstrahl in jenem Sae culum obscurum tauchten Ende des 10 Jahrhunderts in Italien und Rom selbst liturgische Texte auf die die bodenstaumlndige Form der altroumlmi-schen Liturgie verdraumlngten und den inzwischen noumlrdlich der Alpen weiter ausgebildeten Typus des roumlmischen Ritus an deren Stelle treten lieszligenldquo28

Dieser erweiterte Ritus der nun nach Rom zuruumlckkam war zwar reicher als die alten roumlmischen Formen enthielt aber auch Elemente die dem roumlmi-schen Geist fremd waren So wurde der Meszligordo bereinigt manche der neuen Gebete wurden entfernt und durch andere ersetzt die der roumlmi-schen Mentalitaumlt mehr entsprachen Vor allem die zahlreichen Apologien verschwanden nur das bdquoSuscipe sanc-ta Trinitasldquo blieb bestehen Am Ende dieser Entwicklung stand der bdquoUsus Romanae Curiaeldquo der bereits den Be-stand an fraumlnkisch-galli kanischen Still-gebeten aufwies den wir in unserem Ordo Missae haben Die Ordnung der Meszligfeier bdquosecundum usum Romanae Curiaeldquo verbreitete sich spaumlter - vor allem durch den Franzis kaner orden - uumlber die Stadt Rom hinaus in der gan-zen katholischen Kirche Er wurde die Grundlage fuumlr die Meszligbuchreform im Gefolge des Konzils von Trient

3 Oumlstliche Quellen roumlmischer LiturgieEx Oriente lux Aus dem Osten ist das Licht des christlichen Glaubens her-vorgegangen Wie wir sahen standen orientalische grie chische Quellen am

28 Ebd 27

waumlhrend des Pontifikalamts am Kathedra-Altar von St Peter

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Anfang der lateinisch-roumlmischen Li-turgie Der roumlmische Meszlig-Kanon das Herzstuumlck der Liturgie geht auf eine Uumlbersetzung einer oumlstlichen naumlherhin alexandrinischen Anaphora zuruumlck Damit houmlren Beeinflussung und Be-reicherung der Liturgie Roms aus dem griechischen Osten nicht auf

Die byzantinische Epoche RomsAus der Fruumlhzeit Roms als die Litur-gie noch griechischsprachig war hat sich das bdquoKyrie eleisonldquo in der Litanei und der Messe erhalten waumlhrend es in den altgallikanischen Liturgien zu-mindest in den Fuumlrbitt-Litaneien mit bdquoDomine miserereldquo29 uumlbersetzt wird Die groszlige Zahl der orientalischen griechischsprachigen Paumlpste bis ins 4 Jahrhundert ist beredtes Zeugnis fuumlr den griechischen Einfluszlig auf die fruumlhe roumlmische Kirche und ihre Liturgie

Doch auch spaumlter gab es noch be-deutende griechische Praumlsenzen in der Ewigen Stadt die immer wieder Einfluszlig auf die nun lateinische Litur-gie hatten So gab es z B im 4 Jahr-hundert ei ne griechische Gemeinde in der Titelkirche S Anastasia im Grie-chenviertel am Fuszlig des Palatin Ihr ha-ben wir die zweite Weihnachtsmesse bdquoin auroraldquo zu verdanken wo der Papst auf dem Ruumlckweg von der Mitter-nachtsmesse in S Maria Maggiore den Stationsgottesdienst hielt bevor er die Hauptmesse bdquoin dieldquo in St Peter fei-erte Die urspruumlngliche Ei genmesse zu Ehren der hl Ana stasia muszligte spaumlter

29 Vgl die bdquoDeprecatio sancti Martini pro populoldquo im irischen Stowe Missal F E Warren The liturgy and ritual of the Celtic church Suffolk 21987 229

dem liturgisch houmlheren Weihnachts-fest weichen geblieben ist - aus Res-pekt vor der griechisch-spra chi gen Be-voumllkerung - die Komme moration und die Stationskirche30

Der griechisch orientalische Einfluszlig in Rom blieb auch nach der Zeit Gre-gors d Gr bestehen bdquoDie Paumlpste dieser Epoche sind samt und sonders noch dem byzantinisch-hellenistischen Mittelmeerraum der Antike zuzu-rechnen Das sbquoMittelalterlsquo beginnt in Rom erst um die Mitte des achten Jahrhundertsldquo31 Politisch gehoumlrte Rom in dieser Zeit zum byzantinischen Ex-archat Ravenna Viele Syrer Griechen aus dem Osten und von Sizilien Soumlh-ne hoher kaiserlicher Beamter hat-ten in dieser Zeit das Papstamt inne Dementsprechend waren auch in der paumlpstlichen Verwaltung viele Maumlnner oumlstlicher Praumlgung taumltig Hinzu kommt daszlig das orientalische Moumlnchtum um die Mitte des 7 Jahrhunderts zu einer

30 Nach Ausweis von Ildefons Schuster war Leo XII (1823shy1829) der letzte Papst der die Station in S Anastasia gehalten hat Vgl I Schuster Liber sacramentorum Geschichtliche und liturgische Stushydien uumlber das roumlmische Meszligbuch Bd 2 Regensburg 1929 16931 A Franzen R Baumlumer Papstgeschichte Das Petrusamt in seiner Idee und in seiner geschichtlishychen Verwirklichung in der Kirche Freiburg i Br 1974 91

bdquoMacht in Rom geworden (war) die mit houmlchstem Selbstbewuszligtsein auftratldquo32 So traten die Grie chen kloumlster Roms auf einer Lateran synode im Jahr 649 korporativ auf33

Das wirkte auch auf die Gestaltung der staumldtischen Liturgie ein Zahlrei-che Uumlbersetzungen griechischer Texte kamen damals in den Bestand der rouml-mischen Antiphonen und Responso-rien34 Neue Kirchen wurden zu Ehren orientalischer Heiliger gebaut deren Kult damit bedeutender wurde Man denke an die Anar gyren die selbstlos heilenden Martyreraumlrzte Cosmas und Damian denen insgesamt neun Kir-chen gewidmet waren und deren Na-men ihren Platz im Canon der Messe fanden

Papst Sergius I (687-701) hat nach Aus-weis des Liber ponti ficalis angeordnet bdquout tempore confractionis dominici cor-poris Agnus Dei qui tollis peccata mun-di miserere nobislsquo a clero et populo de-canteturrdquo 35 Dabei handelt es sich um ein Element aus oumlstlichen Liturgien das entweder Sergius nach Rom ge-

32 A Baumstark Vom geschichtlichen Werden der Liturgie Freiburg i Br 1923 6333 Mansi 10 9031034 Vgl Paleacuteographie musicale 2 Solesmes 1890 6shy935 Lib pont ed Duchesnes I 376

Stillgebet mit gefalteten Haumlnden

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bracht hat oder das durch die Zuwan-derung griechischer Kleriker aus den vom Islam uumlberfluteten Gebieten des Ostens nach Rom gebracht worden war Im Orient wurde die Opfergabe der Eucharistie schon fruumlh als Lamm bezeichnet und in der Brechung des eucharistischen Brotes sieht man dort einen Hinweis auf Passion und Sterben des Herrn In der Liturgie der Westsyrer finden sich schon fruumlh Texte die waumlh-

rend der Brechung vom Lamm Gottes sprechen das die Suumlnden der Welt hinwegnimmt36 Vielleicht hatte Papst Sergius der selber syrischer Abstam-mung war die Vorlage fuumlr das Agnus Dei als Gesang zur fractio panis hierher

Auf Sergius sollen nach manchen Quellen auch die vier groszligen Mari-enfeste Mariauml Geburt Verkuumlndigung Lichtmeszlig und Entschlafung zuruumlck gehen Die Zuordnung ist nicht ganz sicher auf jeden Fall wurden sie zu Sergiuslsquo Zeit schon in Rom gefei-ert Sergius soll aber die naumlchtlichen Lichter pro zessio-nen von St Hadrian am Forum nach St Maria Maggiore angeordnet haben Diese volkstuumlmli-chen und belieben Prozessionen ka-men zuerst in Antiochien auf Von dort brachte Johannes Chrysostomos sie nach Konstantinopel Ambrosius fuumlhr-te sie in Mailand ein bis sie schlieszliglich Sergius nach Rom brachte37

Mit den Marienfesten und ihren Pro-zessionen kamen auch viele griechi-sche Gesaumlnge in die roumlmische Liturgie so zum Beispiel bdquoNa tivitas tua Dei Ge-nitrix Virgoldquo urspruumlnglich als Antiphon in der Collecta-Kirche am Fest Mariauml Ge burt vor dem Beginn der Messe38 jetzt noch als Magnificat -Anti phon der 2 Vesper zu Mariauml Geburt bdquoO admira-bile commer ciumldquo und bdquoMirabile mys-teriumldquo als Antiphonen zu Vesper und Laudes am 1 Januar bdquoHodie cae lesti sponsoldquo zum Benedictus an Epipha-nie bdquoAdorna thalamum tuum Sionldquo

36 Vgl Jungmann Missarum Sollemnia Bd 2 41637 Siehe dazu K Gamber Oratio ad collectam Ein Beitrag zur roumlmischen Sta tionsliturgie in Ders Missa Ro men sis 195shy19938 Vgl aaO 196

urspruumlnglich als Anitphon in der Coll-ecta-Kirche jetzt zur Kerzenprozession am Mariauml Lichtmeszlig gesungen bdquoDies sanctificatus illuxit nobisldquo als Alleluja-vers der 3 Weihnachtsmesse bdquoGaude-amus omnes in Dominoldquo als Introitus von Allerheiligen Auch das aumllteste Marienge bet der Kirche die mariani-sche Antiphon bdquoSub tuum praesidiumldquo fand in dieser Zeit den Weg nach Rom

32 Weitere orientalische QuellenEine weitere wichtige auszligerroumlmische Quelle fuumlr unsere Liturgie ist die Litur-gie der Mutterkirche von Jerusalem Wie wir aus dem Bericht der aquitani-schen Pilgerin Egeria (oder Aetheria) aus dem Ende des 4 Jahrhunderts wis-sen wurden in Jerusalem schon fruumlh dramatisierte Gottesdienste an den je-weiligen heiligen Staumltten abgehalten wo die entsprechenden Evangelien-stellen verlesen wurden Besonders ausgepraumlgt war das in der Karwoche

Die Jerusalemer Palmsonntagliturgie wie sie nach dem bdquoTypikon der Kirche von Jerusalemldquo aus dem Beginn des 7 Jahrhunderts39 gefeiert wurde kam zunaumlchst in den byzantinischen Os-ten mit dem die Metropole Aquileja im Fruumlhmittelalter intensiven Handel trieb Aquileja war nach Rom nicht nur die groumlszligte Handelsstadt sondern auch bedeutendste Kirchenprovinz Sie umfaszligte weite Teile Norditali-ens der Alpen bis an die Donau und die alte Provinz Pannonien (Ungarn) Aquileja wurde wohl der Uumlbermittler

39 Vgl A Baumstark La Sollenniteacute des palmes dans lrsquoanciennes et la nouvelle Rome in Ireacutenikon 13 (1936) 22shy46 bes 38

hll Cosmas und Damian

Papst Sergius I

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der je ru sa le mit isch-byzantinischen Palmenfeier in den Westen Manche der noch heute gesungenen Texte am Palmsonntag kamen auf diesem Weg in den Westen So stellt der Einzugs-gesang am Ende der Palm prozession bdquoIn grediente Do minoldquo eine freie Uumlber-setzung eines griechischen Troparions aus der Vesper des Palmsonntags dar40

Auch die Karfreitagsliturgie ist stark vom Osten beeinfluszligt Die Enthuumll-lung und Verehrung des Kreuzes geht ebenfalls auf Jerusalem zuruumlck Die dazu gesungenen Improperien und die Trishagion-Verse sind Uumlbernah-men aus dem Orient41

Die an die Kreuzverehrung spaumlter an-gefuumlgte bdquoMissa praesancti fi cationumldquo ist syrischen Ursprungs wo sie vom Patriarchen Severus von Antiochien zwischen 511 und 518 eingefuumlhrt wur-de42 Sie wird im Abendland zuerst in Ravenna uumlbernommen das als Syrer-Zentrale im Abendland galt und fin-det uumlber Aquileja weite Verbreitung bevor sie wohl im 9 Jahrhundert als eigene Feier bdquoad vesperumldquo in die Liturgie der roumlmischen Titelkirchen kommt

Auch die bdquoDepositio crucisldquo am Karfrei-tag und die bdquoElevatio crucisldquo in der Os-

40 Vgl A Baumstark Orientalisches in den Texten der abendlaumlndischen Palmfeier in JLW VII (1927) 148shy15341 Vgl A Baumstark Der Orient und die Adoratio crucis in JLW II (1922) 1shy17 E Wellesz Eastern Eleshyments in Western Chant Oxford 1947 21shy2642 Vgl M Tarschnišvili Die missa praesanctificashytorum und ihre Feier nach georgischen Quellen in ALW II (1952) 75shy80

ternacht zur Matutin wie sie bis in die Neuzeit in weiten Teilen des Abend-lands uumlblich waren gehen auf oumlstli-che byzantinische Quellen zuruumlck und kamen uumlber die Metropole Aquileja ins Abendland fanden aber keinen Eingang in die stadtroumlmische Liturgie Der zur anschlieszligenden naumlchtlichen Prozession mit dem Kreuz gesunge-ne Hymnus bdquoCum rex gloriaeldquo ist ein-deutig orientalischen Ursprungs wie schon die Bezeichnung Christi als bdquorex gloriaeldquo (vgl 1 Petr 319) zeigt Eine entsprechende orientalische Parallele ist bis jetzt noch nicht gefunden wor-den

Wo diese Gottesdienste stattfanden waren sie - in spaumlterer barocker Form - bis zur neuen Kar wochen li tur gie Pius XII die meistbesuchten Gottesdiens-te des Jah res besonders das Heilige Grab43 Neuerdings gibt es Bemuumlhun-gen diese alten volkstuumlmlichen Feiern wiederzubeleben und sie in die neue Liturgie zu integrieren44

4 SchluszligMit diesen wenigen Beispielen kon-kreter Uumlbersetzungen orientalischer

43 Vgl W Bauer Die Depositio und Elevatio crucis in der Dioumlzese Regensburg in Vergangenheit und Zukunft Ein Beitrag zur Integrierung traditioneller ortskirchlicher Liturgie in die erneuerte Liturgie des Paschatriduums maschinenschriftlich Regensburg 197544 Vgl z B Manuale Trevirense Heilige Woche shy Karwoche und Ostern Trier 1999

Quellen fuumlr die roumlmische Liturgie be-schlieszligen wir unsere Uumlberlegungen Zahlreiche weitere koumlnnte man noch anfuumlgen

Wir konnten sehen daszlig die roumlmische Liturgie auf verschiedenen auszligerrouml-mischen Quellen beruht Ganz am An-fang stand die fruumlhe alexandrinische Liturgie auf deren Eucharistiegebet die lateinische Fassung des roumlmischen Meszlig-Canons zuruumlckgeht

Gregor der Groszlige nutzte bei der Ab-fassung seines Sakramentars das er urspruumlnglich nur fuumlr seine persoumlnliche Stationsliturgie zusammengestellt hat das aber dann durch die zeitlichen Umstaumlnde zum allgemeinen roumlmi-schen Meszligbuch wurde neben den rouml-mischen Meszlig-Libelli seiner Vorgaumlnger vor allem das Sakramentar des Pauli-nus von Nola

Dieses gregorianische Sakramen tar verbreitete sich im ganzen Abendland durch die Foumlrderung Karls d Gr auch im fraumlnkisch-germanischen Raum wo es durch altgallikanische Quellen er-weitert wurde Diese erweiterte Form des Sakramentars kam schlieszliglich nach Rom zuruumlck wo es nach einer Zeit des kirchlichen und liturgischen Niedergangs in bereinigter Form als stadtroumlmisches Liturgiebuch ange-nommen und so zur Grundlage fuumlr die Reformbestrebungen des Konzils von Trient wurde

Kreuzweg in Jerusalem

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In einem zweiten Teil sahen wir daszlig die griechischen orientalischen Ein-fluumlsse nicht auf den Canon beschraumlnkt waren In der byzantinischen Epoche Roms kamen wichtige Impulse aus dem Osten Im Ordo missae zeugen das bdquoKyrie eleisonldquo und das bdquoAg nus Deildquo sowie die Erwaumlhnung der Heili-gen Cosmas und Damian im Canon fuumlr griechische Quellen unserer Liturgie Manche Feste wie die vier groszligen Ma-rienfeste und viele liturgische Gesaumln-ge dieser Zeit beruhen ebenfalls auf griechischen Quellen

In etwas spaumlterer Zeit vermittelte vor allem Aquileja orientalische Texte und Gebraumluche in den Westen die zumin-dest zum Teil in die allgemeine roumlmi-sche Liturgie uumlbernommen wurden Anderes wie die volkstuumlmlichen Kar- und Ostergottesdienste wurde nur in bestimmten Ortskirchen rezipiert

So ist die roumlmische Liturgie aus ei-gentlich roumlmischen und zahlreichen orientalischen und altgallikanischen Quellen zum Missale Romanum von 1962 harmonisch gewachsen Deshalb

konnte der spaumltere Papst Benedikt XVI mit Recht sagen es sei dasjenige bdquoMis-sale das alle Jahrhunderte hindurch seit den Sakramentaren der alten Kir-che gewachsen istldquo45

Lassen Sie mich schlieszligen mit einem Wort des Trierer Theologen Michael Fiedrowicz bdquoDie uumlberlieferte Messe im roumlmischen Ritus ist ein alter von vielen Jahrhunderten und Stilrichtungen ge-praumlgter Bau oftmals ergaumlnzt und weiter ausgeschmuumlckt zuweilen hier und dort restauriert ein Bau bei dem man Teil fuumlr Teil das Jahrhundert seines Ursprungs nachweisen koumlnnte nur in den seltens-ten Faumlllen auch den Kuumlnstler namhaft zu machen wuumlszligte der dieses oder jenes Element gestaltet und dem Ganzen hin-zugefuumlgt hatldquo46

45 J Ratzinger Aus meinem Leben Erinnerungen (1927shy1977) Stuttgart 21998 172shy17146 M Fiedrowicz Die uumlberlieferte Messe 65

Wormser Dom (Nord-Ost-Seite)

Heiliges Grab in der Pfarrkirche zum hl Nikolaus in Eggen (Suumldtirol)

Wormser Dom barocker Hochaltar (Johann Balthasar Neumann)

Page 8: Nichtrömische Quellen der römischen Liturgie · P. Martin Reinecke. 42 sche Gemeinde in Rom verfaßt, bear-beitet oder übernommen, wo sie auch eine Zeit lang gebraucht wurde. Die

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Ordo enthaumllt in 35 Formeln Apologien nach dem Ankleiden beim Betreten der Kirche eine laumlngere Reihe nach dem Altarkuszlig eine waumlhrend des Glo-ria mehrere waumlhrend der Zwischen-gesaumlnge und des Offertoriumsge-sangs zur Opferung nach dem bdquoOrate fratresldquo waumlhrend des Sanctus und waumlhrend der Kommunion des VolkesbdquoMaszliggebend fuumlr die weitere Entwick-lung wurde die rituelle Gestalt die die fraumlnkisch-roumlmische Messe um die Jahrtausendwende im sogenannten Rheinischen Meszlig ordo gefunden hat-te der im rheinischen Bereich ent-standen und verbreitet (St Gallen Rei-chenau St AlbanMainz) zunaumlchst fuumlr die bischoumlfliche Feier be stimmt war auf der paumlpstlichen Liturgie des 78 Jh (OR 1) und deren fraumlnkische Adap-tation (OR 5 2 Haumllfte 9Jh) basierte und zahlreiche Elemente enthielt die noch heute zum Ordinarium des roumlmi-schen Meszligritus gehoumlrenldquo25

Die meisten Liturgie wissen schaft-ler sehen diese fraumlnkisch-galli schen Einfluumlsse auf die stadtroumlmische Litur-gie eher skeptisch und sprechen von bdquoroumlmisch-fraumln kische(r) Mischliturgieldquo26 Positiver sieht M Fiedrowicz die Re-zeption im Frankenreich bdquoAll dies war im Kern keine Umformung und Uumlberformung sondern eine Ausrei-

25 M Fiedrowicz Die uumlberlieferte Messe Geshyschichte Gestalt und Theologie des klassischen roumlmischen Ritus MuumllheimMosel 2011 26shy2726 So z B H B Meyer Eucharistie 170

fung des roumlmischen Ritus eine Syn-these der aumluszligerlich-ze re moniellen und innerlich-spi ri tuellen Dimension der Meszligliturgie Einige dieser Gebete sollten bestimmte Gesten begleiten die in der urspruumlnglichen Papstliturgie schweigend vollzogen wurden Auf diese Weise sollte die Froumlmmigkeit des Zelebranten vor einem Automatismus bewahrt bleiben und vom geistigen Sinn dieser Gesten erfuumlllt werden An-dere Gebete waren dazu bestimmt dem Zelebranten die Empfindungen in Erinnerung zu rufen die er haben sollte wenn er zum Altar trat die Op-ferung der Gaben vollzog sich auf die Kommunion vorbereitete oder diese empfangen hatte Harmonisch fuumlgten sich diese Gebete in die Freiraumlume ein die der uumlberkommene Ordo missae beim Erreichen des Altares im Bereich des Offertoriums und der Kommu-nion schlieszliglich am Ende der Messe dem persoumlnlichen Beten des Priesters lieszligldquo27

22 Zuruumlck nach RomUnd genau dieser ausgereifte Ordo der roumlmischen Messe kam ab dem 11 Jahrhundert nach Rom zuruumlck wo das kulturell-kirchliche Leben seit dem Ende des 9 Jahrhunderts einen Tiefstand erreicht hatte bdquoDie Liturgie befand sich im Zustand der Aufloumlsung Klerus und Volk vernachlaumlssigten glei-chermaszligen den Gottesdienst Liturgi-

27 M Fiedrowicz Die uumlberlieferte Messe 25shy26

sche Buumlcher wur den nicht mehr her-gestellt Wie ein Lichtstrahl in jenem Sae culum obscurum tauchten Ende des 10 Jahrhunderts in Italien und Rom selbst liturgische Texte auf die die bodenstaumlndige Form der altroumlmi-schen Liturgie verdraumlngten und den inzwischen noumlrdlich der Alpen weiter ausgebildeten Typus des roumlmischen Ritus an deren Stelle treten lieszligenldquo28

Dieser erweiterte Ritus der nun nach Rom zuruumlckkam war zwar reicher als die alten roumlmischen Formen enthielt aber auch Elemente die dem roumlmi-schen Geist fremd waren So wurde der Meszligordo bereinigt manche der neuen Gebete wurden entfernt und durch andere ersetzt die der roumlmi-schen Mentalitaumlt mehr entsprachen Vor allem die zahlreichen Apologien verschwanden nur das bdquoSuscipe sanc-ta Trinitasldquo blieb bestehen Am Ende dieser Entwicklung stand der bdquoUsus Romanae Curiaeldquo der bereits den Be-stand an fraumlnkisch-galli kanischen Still-gebeten aufwies den wir in unserem Ordo Missae haben Die Ordnung der Meszligfeier bdquosecundum usum Romanae Curiaeldquo verbreitete sich spaumlter - vor allem durch den Franzis kaner orden - uumlber die Stadt Rom hinaus in der gan-zen katholischen Kirche Er wurde die Grundlage fuumlr die Meszligbuchreform im Gefolge des Konzils von Trient

3 Oumlstliche Quellen roumlmischer LiturgieEx Oriente lux Aus dem Osten ist das Licht des christlichen Glaubens her-vorgegangen Wie wir sahen standen orientalische grie chische Quellen am

28 Ebd 27

waumlhrend des Pontifikalamts am Kathedra-Altar von St Peter

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Anfang der lateinisch-roumlmischen Li-turgie Der roumlmische Meszlig-Kanon das Herzstuumlck der Liturgie geht auf eine Uumlbersetzung einer oumlstlichen naumlherhin alexandrinischen Anaphora zuruumlck Damit houmlren Beeinflussung und Be-reicherung der Liturgie Roms aus dem griechischen Osten nicht auf

Die byzantinische Epoche RomsAus der Fruumlhzeit Roms als die Litur-gie noch griechischsprachig war hat sich das bdquoKyrie eleisonldquo in der Litanei und der Messe erhalten waumlhrend es in den altgallikanischen Liturgien zu-mindest in den Fuumlrbitt-Litaneien mit bdquoDomine miserereldquo29 uumlbersetzt wird Die groszlige Zahl der orientalischen griechischsprachigen Paumlpste bis ins 4 Jahrhundert ist beredtes Zeugnis fuumlr den griechischen Einfluszlig auf die fruumlhe roumlmische Kirche und ihre Liturgie

Doch auch spaumlter gab es noch be-deutende griechische Praumlsenzen in der Ewigen Stadt die immer wieder Einfluszlig auf die nun lateinische Litur-gie hatten So gab es z B im 4 Jahr-hundert ei ne griechische Gemeinde in der Titelkirche S Anastasia im Grie-chenviertel am Fuszlig des Palatin Ihr ha-ben wir die zweite Weihnachtsmesse bdquoin auroraldquo zu verdanken wo der Papst auf dem Ruumlckweg von der Mitter-nachtsmesse in S Maria Maggiore den Stationsgottesdienst hielt bevor er die Hauptmesse bdquoin dieldquo in St Peter fei-erte Die urspruumlngliche Ei genmesse zu Ehren der hl Ana stasia muszligte spaumlter

29 Vgl die bdquoDeprecatio sancti Martini pro populoldquo im irischen Stowe Missal F E Warren The liturgy and ritual of the Celtic church Suffolk 21987 229

dem liturgisch houmlheren Weihnachts-fest weichen geblieben ist - aus Res-pekt vor der griechisch-spra chi gen Be-voumllkerung - die Komme moration und die Stationskirche30

Der griechisch orientalische Einfluszlig in Rom blieb auch nach der Zeit Gre-gors d Gr bestehen bdquoDie Paumlpste dieser Epoche sind samt und sonders noch dem byzantinisch-hellenistischen Mittelmeerraum der Antike zuzu-rechnen Das sbquoMittelalterlsquo beginnt in Rom erst um die Mitte des achten Jahrhundertsldquo31 Politisch gehoumlrte Rom in dieser Zeit zum byzantinischen Ex-archat Ravenna Viele Syrer Griechen aus dem Osten und von Sizilien Soumlh-ne hoher kaiserlicher Beamter hat-ten in dieser Zeit das Papstamt inne Dementsprechend waren auch in der paumlpstlichen Verwaltung viele Maumlnner oumlstlicher Praumlgung taumltig Hinzu kommt daszlig das orientalische Moumlnchtum um die Mitte des 7 Jahrhunderts zu einer

30 Nach Ausweis von Ildefons Schuster war Leo XII (1823shy1829) der letzte Papst der die Station in S Anastasia gehalten hat Vgl I Schuster Liber sacramentorum Geschichtliche und liturgische Stushydien uumlber das roumlmische Meszligbuch Bd 2 Regensburg 1929 16931 A Franzen R Baumlumer Papstgeschichte Das Petrusamt in seiner Idee und in seiner geschichtlishychen Verwirklichung in der Kirche Freiburg i Br 1974 91

bdquoMacht in Rom geworden (war) die mit houmlchstem Selbstbewuszligtsein auftratldquo32 So traten die Grie chen kloumlster Roms auf einer Lateran synode im Jahr 649 korporativ auf33

Das wirkte auch auf die Gestaltung der staumldtischen Liturgie ein Zahlrei-che Uumlbersetzungen griechischer Texte kamen damals in den Bestand der rouml-mischen Antiphonen und Responso-rien34 Neue Kirchen wurden zu Ehren orientalischer Heiliger gebaut deren Kult damit bedeutender wurde Man denke an die Anar gyren die selbstlos heilenden Martyreraumlrzte Cosmas und Damian denen insgesamt neun Kir-chen gewidmet waren und deren Na-men ihren Platz im Canon der Messe fanden

Papst Sergius I (687-701) hat nach Aus-weis des Liber ponti ficalis angeordnet bdquout tempore confractionis dominici cor-poris Agnus Dei qui tollis peccata mun-di miserere nobislsquo a clero et populo de-canteturrdquo 35 Dabei handelt es sich um ein Element aus oumlstlichen Liturgien das entweder Sergius nach Rom ge-

32 A Baumstark Vom geschichtlichen Werden der Liturgie Freiburg i Br 1923 6333 Mansi 10 9031034 Vgl Paleacuteographie musicale 2 Solesmes 1890 6shy935 Lib pont ed Duchesnes I 376

Stillgebet mit gefalteten Haumlnden

50

bracht hat oder das durch die Zuwan-derung griechischer Kleriker aus den vom Islam uumlberfluteten Gebieten des Ostens nach Rom gebracht worden war Im Orient wurde die Opfergabe der Eucharistie schon fruumlh als Lamm bezeichnet und in der Brechung des eucharistischen Brotes sieht man dort einen Hinweis auf Passion und Sterben des Herrn In der Liturgie der Westsyrer finden sich schon fruumlh Texte die waumlh-

rend der Brechung vom Lamm Gottes sprechen das die Suumlnden der Welt hinwegnimmt36 Vielleicht hatte Papst Sergius der selber syrischer Abstam-mung war die Vorlage fuumlr das Agnus Dei als Gesang zur fractio panis hierher

Auf Sergius sollen nach manchen Quellen auch die vier groszligen Mari-enfeste Mariauml Geburt Verkuumlndigung Lichtmeszlig und Entschlafung zuruumlck gehen Die Zuordnung ist nicht ganz sicher auf jeden Fall wurden sie zu Sergiuslsquo Zeit schon in Rom gefei-ert Sergius soll aber die naumlchtlichen Lichter pro zessio-nen von St Hadrian am Forum nach St Maria Maggiore angeordnet haben Diese volkstuumlmli-chen und belieben Prozessionen ka-men zuerst in Antiochien auf Von dort brachte Johannes Chrysostomos sie nach Konstantinopel Ambrosius fuumlhr-te sie in Mailand ein bis sie schlieszliglich Sergius nach Rom brachte37

Mit den Marienfesten und ihren Pro-zessionen kamen auch viele griechi-sche Gesaumlnge in die roumlmische Liturgie so zum Beispiel bdquoNa tivitas tua Dei Ge-nitrix Virgoldquo urspruumlnglich als Antiphon in der Collecta-Kirche am Fest Mariauml Ge burt vor dem Beginn der Messe38 jetzt noch als Magnificat -Anti phon der 2 Vesper zu Mariauml Geburt bdquoO admira-bile commer ciumldquo und bdquoMirabile mys-teriumldquo als Antiphonen zu Vesper und Laudes am 1 Januar bdquoHodie cae lesti sponsoldquo zum Benedictus an Epipha-nie bdquoAdorna thalamum tuum Sionldquo

36 Vgl Jungmann Missarum Sollemnia Bd 2 41637 Siehe dazu K Gamber Oratio ad collectam Ein Beitrag zur roumlmischen Sta tionsliturgie in Ders Missa Ro men sis 195shy19938 Vgl aaO 196

urspruumlnglich als Anitphon in der Coll-ecta-Kirche jetzt zur Kerzenprozession am Mariauml Lichtmeszlig gesungen bdquoDies sanctificatus illuxit nobisldquo als Alleluja-vers der 3 Weihnachtsmesse bdquoGaude-amus omnes in Dominoldquo als Introitus von Allerheiligen Auch das aumllteste Marienge bet der Kirche die mariani-sche Antiphon bdquoSub tuum praesidiumldquo fand in dieser Zeit den Weg nach Rom

32 Weitere orientalische QuellenEine weitere wichtige auszligerroumlmische Quelle fuumlr unsere Liturgie ist die Litur-gie der Mutterkirche von Jerusalem Wie wir aus dem Bericht der aquitani-schen Pilgerin Egeria (oder Aetheria) aus dem Ende des 4 Jahrhunderts wis-sen wurden in Jerusalem schon fruumlh dramatisierte Gottesdienste an den je-weiligen heiligen Staumltten abgehalten wo die entsprechenden Evangelien-stellen verlesen wurden Besonders ausgepraumlgt war das in der Karwoche

Die Jerusalemer Palmsonntagliturgie wie sie nach dem bdquoTypikon der Kirche von Jerusalemldquo aus dem Beginn des 7 Jahrhunderts39 gefeiert wurde kam zunaumlchst in den byzantinischen Os-ten mit dem die Metropole Aquileja im Fruumlhmittelalter intensiven Handel trieb Aquileja war nach Rom nicht nur die groumlszligte Handelsstadt sondern auch bedeutendste Kirchenprovinz Sie umfaszligte weite Teile Norditali-ens der Alpen bis an die Donau und die alte Provinz Pannonien (Ungarn) Aquileja wurde wohl der Uumlbermittler

39 Vgl A Baumstark La Sollenniteacute des palmes dans lrsquoanciennes et la nouvelle Rome in Ireacutenikon 13 (1936) 22shy46 bes 38

hll Cosmas und Damian

Papst Sergius I

51Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

der je ru sa le mit isch-byzantinischen Palmenfeier in den Westen Manche der noch heute gesungenen Texte am Palmsonntag kamen auf diesem Weg in den Westen So stellt der Einzugs-gesang am Ende der Palm prozession bdquoIn grediente Do minoldquo eine freie Uumlber-setzung eines griechischen Troparions aus der Vesper des Palmsonntags dar40

Auch die Karfreitagsliturgie ist stark vom Osten beeinfluszligt Die Enthuumll-lung und Verehrung des Kreuzes geht ebenfalls auf Jerusalem zuruumlck Die dazu gesungenen Improperien und die Trishagion-Verse sind Uumlbernah-men aus dem Orient41

Die an die Kreuzverehrung spaumlter an-gefuumlgte bdquoMissa praesancti fi cationumldquo ist syrischen Ursprungs wo sie vom Patriarchen Severus von Antiochien zwischen 511 und 518 eingefuumlhrt wur-de42 Sie wird im Abendland zuerst in Ravenna uumlbernommen das als Syrer-Zentrale im Abendland galt und fin-det uumlber Aquileja weite Verbreitung bevor sie wohl im 9 Jahrhundert als eigene Feier bdquoad vesperumldquo in die Liturgie der roumlmischen Titelkirchen kommt

Auch die bdquoDepositio crucisldquo am Karfrei-tag und die bdquoElevatio crucisldquo in der Os-

40 Vgl A Baumstark Orientalisches in den Texten der abendlaumlndischen Palmfeier in JLW VII (1927) 148shy15341 Vgl A Baumstark Der Orient und die Adoratio crucis in JLW II (1922) 1shy17 E Wellesz Eastern Eleshyments in Western Chant Oxford 1947 21shy2642 Vgl M Tarschnišvili Die missa praesanctificashytorum und ihre Feier nach georgischen Quellen in ALW II (1952) 75shy80

ternacht zur Matutin wie sie bis in die Neuzeit in weiten Teilen des Abend-lands uumlblich waren gehen auf oumlstli-che byzantinische Quellen zuruumlck und kamen uumlber die Metropole Aquileja ins Abendland fanden aber keinen Eingang in die stadtroumlmische Liturgie Der zur anschlieszligenden naumlchtlichen Prozession mit dem Kreuz gesunge-ne Hymnus bdquoCum rex gloriaeldquo ist ein-deutig orientalischen Ursprungs wie schon die Bezeichnung Christi als bdquorex gloriaeldquo (vgl 1 Petr 319) zeigt Eine entsprechende orientalische Parallele ist bis jetzt noch nicht gefunden wor-den

Wo diese Gottesdienste stattfanden waren sie - in spaumlterer barocker Form - bis zur neuen Kar wochen li tur gie Pius XII die meistbesuchten Gottesdiens-te des Jah res besonders das Heilige Grab43 Neuerdings gibt es Bemuumlhun-gen diese alten volkstuumlmlichen Feiern wiederzubeleben und sie in die neue Liturgie zu integrieren44

4 SchluszligMit diesen wenigen Beispielen kon-kreter Uumlbersetzungen orientalischer

43 Vgl W Bauer Die Depositio und Elevatio crucis in der Dioumlzese Regensburg in Vergangenheit und Zukunft Ein Beitrag zur Integrierung traditioneller ortskirchlicher Liturgie in die erneuerte Liturgie des Paschatriduums maschinenschriftlich Regensburg 197544 Vgl z B Manuale Trevirense Heilige Woche shy Karwoche und Ostern Trier 1999

Quellen fuumlr die roumlmische Liturgie be-schlieszligen wir unsere Uumlberlegungen Zahlreiche weitere koumlnnte man noch anfuumlgen

Wir konnten sehen daszlig die roumlmische Liturgie auf verschiedenen auszligerrouml-mischen Quellen beruht Ganz am An-fang stand die fruumlhe alexandrinische Liturgie auf deren Eucharistiegebet die lateinische Fassung des roumlmischen Meszlig-Canons zuruumlckgeht

Gregor der Groszlige nutzte bei der Ab-fassung seines Sakramentars das er urspruumlnglich nur fuumlr seine persoumlnliche Stationsliturgie zusammengestellt hat das aber dann durch die zeitlichen Umstaumlnde zum allgemeinen roumlmi-schen Meszligbuch wurde neben den rouml-mischen Meszlig-Libelli seiner Vorgaumlnger vor allem das Sakramentar des Pauli-nus von Nola

Dieses gregorianische Sakramen tar verbreitete sich im ganzen Abendland durch die Foumlrderung Karls d Gr auch im fraumlnkisch-germanischen Raum wo es durch altgallikanische Quellen er-weitert wurde Diese erweiterte Form des Sakramentars kam schlieszliglich nach Rom zuruumlck wo es nach einer Zeit des kirchlichen und liturgischen Niedergangs in bereinigter Form als stadtroumlmisches Liturgiebuch ange-nommen und so zur Grundlage fuumlr die Reformbestrebungen des Konzils von Trient wurde

Kreuzweg in Jerusalem

52

In einem zweiten Teil sahen wir daszlig die griechischen orientalischen Ein-fluumlsse nicht auf den Canon beschraumlnkt waren In der byzantinischen Epoche Roms kamen wichtige Impulse aus dem Osten Im Ordo missae zeugen das bdquoKyrie eleisonldquo und das bdquoAg nus Deildquo sowie die Erwaumlhnung der Heili-gen Cosmas und Damian im Canon fuumlr griechische Quellen unserer Liturgie Manche Feste wie die vier groszligen Ma-rienfeste und viele liturgische Gesaumln-ge dieser Zeit beruhen ebenfalls auf griechischen Quellen

In etwas spaumlterer Zeit vermittelte vor allem Aquileja orientalische Texte und Gebraumluche in den Westen die zumin-dest zum Teil in die allgemeine roumlmi-sche Liturgie uumlbernommen wurden Anderes wie die volkstuumlmlichen Kar- und Ostergottesdienste wurde nur in bestimmten Ortskirchen rezipiert

So ist die roumlmische Liturgie aus ei-gentlich roumlmischen und zahlreichen orientalischen und altgallikanischen Quellen zum Missale Romanum von 1962 harmonisch gewachsen Deshalb

konnte der spaumltere Papst Benedikt XVI mit Recht sagen es sei dasjenige bdquoMis-sale das alle Jahrhunderte hindurch seit den Sakramentaren der alten Kir-che gewachsen istldquo45

Lassen Sie mich schlieszligen mit einem Wort des Trierer Theologen Michael Fiedrowicz bdquoDie uumlberlieferte Messe im roumlmischen Ritus ist ein alter von vielen Jahrhunderten und Stilrichtungen ge-praumlgter Bau oftmals ergaumlnzt und weiter ausgeschmuumlckt zuweilen hier und dort restauriert ein Bau bei dem man Teil fuumlr Teil das Jahrhundert seines Ursprungs nachweisen koumlnnte nur in den seltens-ten Faumlllen auch den Kuumlnstler namhaft zu machen wuumlszligte der dieses oder jenes Element gestaltet und dem Ganzen hin-zugefuumlgt hatldquo46

45 J Ratzinger Aus meinem Leben Erinnerungen (1927shy1977) Stuttgart 21998 172shy17146 M Fiedrowicz Die uumlberlieferte Messe 65

Wormser Dom (Nord-Ost-Seite)

Heiliges Grab in der Pfarrkirche zum hl Nikolaus in Eggen (Suumldtirol)

Wormser Dom barocker Hochaltar (Johann Balthasar Neumann)

Page 9: Nichtrömische Quellen der römischen Liturgie · P. Martin Reinecke. 42 sche Gemeinde in Rom verfaßt, bear-beitet oder übernommen, wo sie auch eine Zeit lang gebraucht wurde. Die

49Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

Anfang der lateinisch-roumlmischen Li-turgie Der roumlmische Meszlig-Kanon das Herzstuumlck der Liturgie geht auf eine Uumlbersetzung einer oumlstlichen naumlherhin alexandrinischen Anaphora zuruumlck Damit houmlren Beeinflussung und Be-reicherung der Liturgie Roms aus dem griechischen Osten nicht auf

Die byzantinische Epoche RomsAus der Fruumlhzeit Roms als die Litur-gie noch griechischsprachig war hat sich das bdquoKyrie eleisonldquo in der Litanei und der Messe erhalten waumlhrend es in den altgallikanischen Liturgien zu-mindest in den Fuumlrbitt-Litaneien mit bdquoDomine miserereldquo29 uumlbersetzt wird Die groszlige Zahl der orientalischen griechischsprachigen Paumlpste bis ins 4 Jahrhundert ist beredtes Zeugnis fuumlr den griechischen Einfluszlig auf die fruumlhe roumlmische Kirche und ihre Liturgie

Doch auch spaumlter gab es noch be-deutende griechische Praumlsenzen in der Ewigen Stadt die immer wieder Einfluszlig auf die nun lateinische Litur-gie hatten So gab es z B im 4 Jahr-hundert ei ne griechische Gemeinde in der Titelkirche S Anastasia im Grie-chenviertel am Fuszlig des Palatin Ihr ha-ben wir die zweite Weihnachtsmesse bdquoin auroraldquo zu verdanken wo der Papst auf dem Ruumlckweg von der Mitter-nachtsmesse in S Maria Maggiore den Stationsgottesdienst hielt bevor er die Hauptmesse bdquoin dieldquo in St Peter fei-erte Die urspruumlngliche Ei genmesse zu Ehren der hl Ana stasia muszligte spaumlter

29 Vgl die bdquoDeprecatio sancti Martini pro populoldquo im irischen Stowe Missal F E Warren The liturgy and ritual of the Celtic church Suffolk 21987 229

dem liturgisch houmlheren Weihnachts-fest weichen geblieben ist - aus Res-pekt vor der griechisch-spra chi gen Be-voumllkerung - die Komme moration und die Stationskirche30

Der griechisch orientalische Einfluszlig in Rom blieb auch nach der Zeit Gre-gors d Gr bestehen bdquoDie Paumlpste dieser Epoche sind samt und sonders noch dem byzantinisch-hellenistischen Mittelmeerraum der Antike zuzu-rechnen Das sbquoMittelalterlsquo beginnt in Rom erst um die Mitte des achten Jahrhundertsldquo31 Politisch gehoumlrte Rom in dieser Zeit zum byzantinischen Ex-archat Ravenna Viele Syrer Griechen aus dem Osten und von Sizilien Soumlh-ne hoher kaiserlicher Beamter hat-ten in dieser Zeit das Papstamt inne Dementsprechend waren auch in der paumlpstlichen Verwaltung viele Maumlnner oumlstlicher Praumlgung taumltig Hinzu kommt daszlig das orientalische Moumlnchtum um die Mitte des 7 Jahrhunderts zu einer

30 Nach Ausweis von Ildefons Schuster war Leo XII (1823shy1829) der letzte Papst der die Station in S Anastasia gehalten hat Vgl I Schuster Liber sacramentorum Geschichtliche und liturgische Stushydien uumlber das roumlmische Meszligbuch Bd 2 Regensburg 1929 16931 A Franzen R Baumlumer Papstgeschichte Das Petrusamt in seiner Idee und in seiner geschichtlishychen Verwirklichung in der Kirche Freiburg i Br 1974 91

bdquoMacht in Rom geworden (war) die mit houmlchstem Selbstbewuszligtsein auftratldquo32 So traten die Grie chen kloumlster Roms auf einer Lateran synode im Jahr 649 korporativ auf33

Das wirkte auch auf die Gestaltung der staumldtischen Liturgie ein Zahlrei-che Uumlbersetzungen griechischer Texte kamen damals in den Bestand der rouml-mischen Antiphonen und Responso-rien34 Neue Kirchen wurden zu Ehren orientalischer Heiliger gebaut deren Kult damit bedeutender wurde Man denke an die Anar gyren die selbstlos heilenden Martyreraumlrzte Cosmas und Damian denen insgesamt neun Kir-chen gewidmet waren und deren Na-men ihren Platz im Canon der Messe fanden

Papst Sergius I (687-701) hat nach Aus-weis des Liber ponti ficalis angeordnet bdquout tempore confractionis dominici cor-poris Agnus Dei qui tollis peccata mun-di miserere nobislsquo a clero et populo de-canteturrdquo 35 Dabei handelt es sich um ein Element aus oumlstlichen Liturgien das entweder Sergius nach Rom ge-

32 A Baumstark Vom geschichtlichen Werden der Liturgie Freiburg i Br 1923 6333 Mansi 10 9031034 Vgl Paleacuteographie musicale 2 Solesmes 1890 6shy935 Lib pont ed Duchesnes I 376

Stillgebet mit gefalteten Haumlnden

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bracht hat oder das durch die Zuwan-derung griechischer Kleriker aus den vom Islam uumlberfluteten Gebieten des Ostens nach Rom gebracht worden war Im Orient wurde die Opfergabe der Eucharistie schon fruumlh als Lamm bezeichnet und in der Brechung des eucharistischen Brotes sieht man dort einen Hinweis auf Passion und Sterben des Herrn In der Liturgie der Westsyrer finden sich schon fruumlh Texte die waumlh-

rend der Brechung vom Lamm Gottes sprechen das die Suumlnden der Welt hinwegnimmt36 Vielleicht hatte Papst Sergius der selber syrischer Abstam-mung war die Vorlage fuumlr das Agnus Dei als Gesang zur fractio panis hierher

Auf Sergius sollen nach manchen Quellen auch die vier groszligen Mari-enfeste Mariauml Geburt Verkuumlndigung Lichtmeszlig und Entschlafung zuruumlck gehen Die Zuordnung ist nicht ganz sicher auf jeden Fall wurden sie zu Sergiuslsquo Zeit schon in Rom gefei-ert Sergius soll aber die naumlchtlichen Lichter pro zessio-nen von St Hadrian am Forum nach St Maria Maggiore angeordnet haben Diese volkstuumlmli-chen und belieben Prozessionen ka-men zuerst in Antiochien auf Von dort brachte Johannes Chrysostomos sie nach Konstantinopel Ambrosius fuumlhr-te sie in Mailand ein bis sie schlieszliglich Sergius nach Rom brachte37

Mit den Marienfesten und ihren Pro-zessionen kamen auch viele griechi-sche Gesaumlnge in die roumlmische Liturgie so zum Beispiel bdquoNa tivitas tua Dei Ge-nitrix Virgoldquo urspruumlnglich als Antiphon in der Collecta-Kirche am Fest Mariauml Ge burt vor dem Beginn der Messe38 jetzt noch als Magnificat -Anti phon der 2 Vesper zu Mariauml Geburt bdquoO admira-bile commer ciumldquo und bdquoMirabile mys-teriumldquo als Antiphonen zu Vesper und Laudes am 1 Januar bdquoHodie cae lesti sponsoldquo zum Benedictus an Epipha-nie bdquoAdorna thalamum tuum Sionldquo

36 Vgl Jungmann Missarum Sollemnia Bd 2 41637 Siehe dazu K Gamber Oratio ad collectam Ein Beitrag zur roumlmischen Sta tionsliturgie in Ders Missa Ro men sis 195shy19938 Vgl aaO 196

urspruumlnglich als Anitphon in der Coll-ecta-Kirche jetzt zur Kerzenprozession am Mariauml Lichtmeszlig gesungen bdquoDies sanctificatus illuxit nobisldquo als Alleluja-vers der 3 Weihnachtsmesse bdquoGaude-amus omnes in Dominoldquo als Introitus von Allerheiligen Auch das aumllteste Marienge bet der Kirche die mariani-sche Antiphon bdquoSub tuum praesidiumldquo fand in dieser Zeit den Weg nach Rom

32 Weitere orientalische QuellenEine weitere wichtige auszligerroumlmische Quelle fuumlr unsere Liturgie ist die Litur-gie der Mutterkirche von Jerusalem Wie wir aus dem Bericht der aquitani-schen Pilgerin Egeria (oder Aetheria) aus dem Ende des 4 Jahrhunderts wis-sen wurden in Jerusalem schon fruumlh dramatisierte Gottesdienste an den je-weiligen heiligen Staumltten abgehalten wo die entsprechenden Evangelien-stellen verlesen wurden Besonders ausgepraumlgt war das in der Karwoche

Die Jerusalemer Palmsonntagliturgie wie sie nach dem bdquoTypikon der Kirche von Jerusalemldquo aus dem Beginn des 7 Jahrhunderts39 gefeiert wurde kam zunaumlchst in den byzantinischen Os-ten mit dem die Metropole Aquileja im Fruumlhmittelalter intensiven Handel trieb Aquileja war nach Rom nicht nur die groumlszligte Handelsstadt sondern auch bedeutendste Kirchenprovinz Sie umfaszligte weite Teile Norditali-ens der Alpen bis an die Donau und die alte Provinz Pannonien (Ungarn) Aquileja wurde wohl der Uumlbermittler

39 Vgl A Baumstark La Sollenniteacute des palmes dans lrsquoanciennes et la nouvelle Rome in Ireacutenikon 13 (1936) 22shy46 bes 38

hll Cosmas und Damian

Papst Sergius I

51Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

der je ru sa le mit isch-byzantinischen Palmenfeier in den Westen Manche der noch heute gesungenen Texte am Palmsonntag kamen auf diesem Weg in den Westen So stellt der Einzugs-gesang am Ende der Palm prozession bdquoIn grediente Do minoldquo eine freie Uumlber-setzung eines griechischen Troparions aus der Vesper des Palmsonntags dar40

Auch die Karfreitagsliturgie ist stark vom Osten beeinfluszligt Die Enthuumll-lung und Verehrung des Kreuzes geht ebenfalls auf Jerusalem zuruumlck Die dazu gesungenen Improperien und die Trishagion-Verse sind Uumlbernah-men aus dem Orient41

Die an die Kreuzverehrung spaumlter an-gefuumlgte bdquoMissa praesancti fi cationumldquo ist syrischen Ursprungs wo sie vom Patriarchen Severus von Antiochien zwischen 511 und 518 eingefuumlhrt wur-de42 Sie wird im Abendland zuerst in Ravenna uumlbernommen das als Syrer-Zentrale im Abendland galt und fin-det uumlber Aquileja weite Verbreitung bevor sie wohl im 9 Jahrhundert als eigene Feier bdquoad vesperumldquo in die Liturgie der roumlmischen Titelkirchen kommt

Auch die bdquoDepositio crucisldquo am Karfrei-tag und die bdquoElevatio crucisldquo in der Os-

40 Vgl A Baumstark Orientalisches in den Texten der abendlaumlndischen Palmfeier in JLW VII (1927) 148shy15341 Vgl A Baumstark Der Orient und die Adoratio crucis in JLW II (1922) 1shy17 E Wellesz Eastern Eleshyments in Western Chant Oxford 1947 21shy2642 Vgl M Tarschnišvili Die missa praesanctificashytorum und ihre Feier nach georgischen Quellen in ALW II (1952) 75shy80

ternacht zur Matutin wie sie bis in die Neuzeit in weiten Teilen des Abend-lands uumlblich waren gehen auf oumlstli-che byzantinische Quellen zuruumlck und kamen uumlber die Metropole Aquileja ins Abendland fanden aber keinen Eingang in die stadtroumlmische Liturgie Der zur anschlieszligenden naumlchtlichen Prozession mit dem Kreuz gesunge-ne Hymnus bdquoCum rex gloriaeldquo ist ein-deutig orientalischen Ursprungs wie schon die Bezeichnung Christi als bdquorex gloriaeldquo (vgl 1 Petr 319) zeigt Eine entsprechende orientalische Parallele ist bis jetzt noch nicht gefunden wor-den

Wo diese Gottesdienste stattfanden waren sie - in spaumlterer barocker Form - bis zur neuen Kar wochen li tur gie Pius XII die meistbesuchten Gottesdiens-te des Jah res besonders das Heilige Grab43 Neuerdings gibt es Bemuumlhun-gen diese alten volkstuumlmlichen Feiern wiederzubeleben und sie in die neue Liturgie zu integrieren44

4 SchluszligMit diesen wenigen Beispielen kon-kreter Uumlbersetzungen orientalischer

43 Vgl W Bauer Die Depositio und Elevatio crucis in der Dioumlzese Regensburg in Vergangenheit und Zukunft Ein Beitrag zur Integrierung traditioneller ortskirchlicher Liturgie in die erneuerte Liturgie des Paschatriduums maschinenschriftlich Regensburg 197544 Vgl z B Manuale Trevirense Heilige Woche shy Karwoche und Ostern Trier 1999

Quellen fuumlr die roumlmische Liturgie be-schlieszligen wir unsere Uumlberlegungen Zahlreiche weitere koumlnnte man noch anfuumlgen

Wir konnten sehen daszlig die roumlmische Liturgie auf verschiedenen auszligerrouml-mischen Quellen beruht Ganz am An-fang stand die fruumlhe alexandrinische Liturgie auf deren Eucharistiegebet die lateinische Fassung des roumlmischen Meszlig-Canons zuruumlckgeht

Gregor der Groszlige nutzte bei der Ab-fassung seines Sakramentars das er urspruumlnglich nur fuumlr seine persoumlnliche Stationsliturgie zusammengestellt hat das aber dann durch die zeitlichen Umstaumlnde zum allgemeinen roumlmi-schen Meszligbuch wurde neben den rouml-mischen Meszlig-Libelli seiner Vorgaumlnger vor allem das Sakramentar des Pauli-nus von Nola

Dieses gregorianische Sakramen tar verbreitete sich im ganzen Abendland durch die Foumlrderung Karls d Gr auch im fraumlnkisch-germanischen Raum wo es durch altgallikanische Quellen er-weitert wurde Diese erweiterte Form des Sakramentars kam schlieszliglich nach Rom zuruumlck wo es nach einer Zeit des kirchlichen und liturgischen Niedergangs in bereinigter Form als stadtroumlmisches Liturgiebuch ange-nommen und so zur Grundlage fuumlr die Reformbestrebungen des Konzils von Trient wurde

Kreuzweg in Jerusalem

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In einem zweiten Teil sahen wir daszlig die griechischen orientalischen Ein-fluumlsse nicht auf den Canon beschraumlnkt waren In der byzantinischen Epoche Roms kamen wichtige Impulse aus dem Osten Im Ordo missae zeugen das bdquoKyrie eleisonldquo und das bdquoAg nus Deildquo sowie die Erwaumlhnung der Heili-gen Cosmas und Damian im Canon fuumlr griechische Quellen unserer Liturgie Manche Feste wie die vier groszligen Ma-rienfeste und viele liturgische Gesaumln-ge dieser Zeit beruhen ebenfalls auf griechischen Quellen

In etwas spaumlterer Zeit vermittelte vor allem Aquileja orientalische Texte und Gebraumluche in den Westen die zumin-dest zum Teil in die allgemeine roumlmi-sche Liturgie uumlbernommen wurden Anderes wie die volkstuumlmlichen Kar- und Ostergottesdienste wurde nur in bestimmten Ortskirchen rezipiert

So ist die roumlmische Liturgie aus ei-gentlich roumlmischen und zahlreichen orientalischen und altgallikanischen Quellen zum Missale Romanum von 1962 harmonisch gewachsen Deshalb

konnte der spaumltere Papst Benedikt XVI mit Recht sagen es sei dasjenige bdquoMis-sale das alle Jahrhunderte hindurch seit den Sakramentaren der alten Kir-che gewachsen istldquo45

Lassen Sie mich schlieszligen mit einem Wort des Trierer Theologen Michael Fiedrowicz bdquoDie uumlberlieferte Messe im roumlmischen Ritus ist ein alter von vielen Jahrhunderten und Stilrichtungen ge-praumlgter Bau oftmals ergaumlnzt und weiter ausgeschmuumlckt zuweilen hier und dort restauriert ein Bau bei dem man Teil fuumlr Teil das Jahrhundert seines Ursprungs nachweisen koumlnnte nur in den seltens-ten Faumlllen auch den Kuumlnstler namhaft zu machen wuumlszligte der dieses oder jenes Element gestaltet und dem Ganzen hin-zugefuumlgt hatldquo46

45 J Ratzinger Aus meinem Leben Erinnerungen (1927shy1977) Stuttgart 21998 172shy17146 M Fiedrowicz Die uumlberlieferte Messe 65

Wormser Dom (Nord-Ost-Seite)

Heiliges Grab in der Pfarrkirche zum hl Nikolaus in Eggen (Suumldtirol)

Wormser Dom barocker Hochaltar (Johann Balthasar Neumann)

Page 10: Nichtrömische Quellen der römischen Liturgie · P. Martin Reinecke. 42 sche Gemeinde in Rom verfaßt, bear-beitet oder übernommen, wo sie auch eine Zeit lang gebraucht wurde. Die

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bracht hat oder das durch die Zuwan-derung griechischer Kleriker aus den vom Islam uumlberfluteten Gebieten des Ostens nach Rom gebracht worden war Im Orient wurde die Opfergabe der Eucharistie schon fruumlh als Lamm bezeichnet und in der Brechung des eucharistischen Brotes sieht man dort einen Hinweis auf Passion und Sterben des Herrn In der Liturgie der Westsyrer finden sich schon fruumlh Texte die waumlh-

rend der Brechung vom Lamm Gottes sprechen das die Suumlnden der Welt hinwegnimmt36 Vielleicht hatte Papst Sergius der selber syrischer Abstam-mung war die Vorlage fuumlr das Agnus Dei als Gesang zur fractio panis hierher

Auf Sergius sollen nach manchen Quellen auch die vier groszligen Mari-enfeste Mariauml Geburt Verkuumlndigung Lichtmeszlig und Entschlafung zuruumlck gehen Die Zuordnung ist nicht ganz sicher auf jeden Fall wurden sie zu Sergiuslsquo Zeit schon in Rom gefei-ert Sergius soll aber die naumlchtlichen Lichter pro zessio-nen von St Hadrian am Forum nach St Maria Maggiore angeordnet haben Diese volkstuumlmli-chen und belieben Prozessionen ka-men zuerst in Antiochien auf Von dort brachte Johannes Chrysostomos sie nach Konstantinopel Ambrosius fuumlhr-te sie in Mailand ein bis sie schlieszliglich Sergius nach Rom brachte37

Mit den Marienfesten und ihren Pro-zessionen kamen auch viele griechi-sche Gesaumlnge in die roumlmische Liturgie so zum Beispiel bdquoNa tivitas tua Dei Ge-nitrix Virgoldquo urspruumlnglich als Antiphon in der Collecta-Kirche am Fest Mariauml Ge burt vor dem Beginn der Messe38 jetzt noch als Magnificat -Anti phon der 2 Vesper zu Mariauml Geburt bdquoO admira-bile commer ciumldquo und bdquoMirabile mys-teriumldquo als Antiphonen zu Vesper und Laudes am 1 Januar bdquoHodie cae lesti sponsoldquo zum Benedictus an Epipha-nie bdquoAdorna thalamum tuum Sionldquo

36 Vgl Jungmann Missarum Sollemnia Bd 2 41637 Siehe dazu K Gamber Oratio ad collectam Ein Beitrag zur roumlmischen Sta tionsliturgie in Ders Missa Ro men sis 195shy19938 Vgl aaO 196

urspruumlnglich als Anitphon in der Coll-ecta-Kirche jetzt zur Kerzenprozession am Mariauml Lichtmeszlig gesungen bdquoDies sanctificatus illuxit nobisldquo als Alleluja-vers der 3 Weihnachtsmesse bdquoGaude-amus omnes in Dominoldquo als Introitus von Allerheiligen Auch das aumllteste Marienge bet der Kirche die mariani-sche Antiphon bdquoSub tuum praesidiumldquo fand in dieser Zeit den Weg nach Rom

32 Weitere orientalische QuellenEine weitere wichtige auszligerroumlmische Quelle fuumlr unsere Liturgie ist die Litur-gie der Mutterkirche von Jerusalem Wie wir aus dem Bericht der aquitani-schen Pilgerin Egeria (oder Aetheria) aus dem Ende des 4 Jahrhunderts wis-sen wurden in Jerusalem schon fruumlh dramatisierte Gottesdienste an den je-weiligen heiligen Staumltten abgehalten wo die entsprechenden Evangelien-stellen verlesen wurden Besonders ausgepraumlgt war das in der Karwoche

Die Jerusalemer Palmsonntagliturgie wie sie nach dem bdquoTypikon der Kirche von Jerusalemldquo aus dem Beginn des 7 Jahrhunderts39 gefeiert wurde kam zunaumlchst in den byzantinischen Os-ten mit dem die Metropole Aquileja im Fruumlhmittelalter intensiven Handel trieb Aquileja war nach Rom nicht nur die groumlszligte Handelsstadt sondern auch bedeutendste Kirchenprovinz Sie umfaszligte weite Teile Norditali-ens der Alpen bis an die Donau und die alte Provinz Pannonien (Ungarn) Aquileja wurde wohl der Uumlbermittler

39 Vgl A Baumstark La Sollenniteacute des palmes dans lrsquoanciennes et la nouvelle Rome in Ireacutenikon 13 (1936) 22shy46 bes 38

hll Cosmas und Damian

Papst Sergius I

51Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

der je ru sa le mit isch-byzantinischen Palmenfeier in den Westen Manche der noch heute gesungenen Texte am Palmsonntag kamen auf diesem Weg in den Westen So stellt der Einzugs-gesang am Ende der Palm prozession bdquoIn grediente Do minoldquo eine freie Uumlber-setzung eines griechischen Troparions aus der Vesper des Palmsonntags dar40

Auch die Karfreitagsliturgie ist stark vom Osten beeinfluszligt Die Enthuumll-lung und Verehrung des Kreuzes geht ebenfalls auf Jerusalem zuruumlck Die dazu gesungenen Improperien und die Trishagion-Verse sind Uumlbernah-men aus dem Orient41

Die an die Kreuzverehrung spaumlter an-gefuumlgte bdquoMissa praesancti fi cationumldquo ist syrischen Ursprungs wo sie vom Patriarchen Severus von Antiochien zwischen 511 und 518 eingefuumlhrt wur-de42 Sie wird im Abendland zuerst in Ravenna uumlbernommen das als Syrer-Zentrale im Abendland galt und fin-det uumlber Aquileja weite Verbreitung bevor sie wohl im 9 Jahrhundert als eigene Feier bdquoad vesperumldquo in die Liturgie der roumlmischen Titelkirchen kommt

Auch die bdquoDepositio crucisldquo am Karfrei-tag und die bdquoElevatio crucisldquo in der Os-

40 Vgl A Baumstark Orientalisches in den Texten der abendlaumlndischen Palmfeier in JLW VII (1927) 148shy15341 Vgl A Baumstark Der Orient und die Adoratio crucis in JLW II (1922) 1shy17 E Wellesz Eastern Eleshyments in Western Chant Oxford 1947 21shy2642 Vgl M Tarschnišvili Die missa praesanctificashytorum und ihre Feier nach georgischen Quellen in ALW II (1952) 75shy80

ternacht zur Matutin wie sie bis in die Neuzeit in weiten Teilen des Abend-lands uumlblich waren gehen auf oumlstli-che byzantinische Quellen zuruumlck und kamen uumlber die Metropole Aquileja ins Abendland fanden aber keinen Eingang in die stadtroumlmische Liturgie Der zur anschlieszligenden naumlchtlichen Prozession mit dem Kreuz gesunge-ne Hymnus bdquoCum rex gloriaeldquo ist ein-deutig orientalischen Ursprungs wie schon die Bezeichnung Christi als bdquorex gloriaeldquo (vgl 1 Petr 319) zeigt Eine entsprechende orientalische Parallele ist bis jetzt noch nicht gefunden wor-den

Wo diese Gottesdienste stattfanden waren sie - in spaumlterer barocker Form - bis zur neuen Kar wochen li tur gie Pius XII die meistbesuchten Gottesdiens-te des Jah res besonders das Heilige Grab43 Neuerdings gibt es Bemuumlhun-gen diese alten volkstuumlmlichen Feiern wiederzubeleben und sie in die neue Liturgie zu integrieren44

4 SchluszligMit diesen wenigen Beispielen kon-kreter Uumlbersetzungen orientalischer

43 Vgl W Bauer Die Depositio und Elevatio crucis in der Dioumlzese Regensburg in Vergangenheit und Zukunft Ein Beitrag zur Integrierung traditioneller ortskirchlicher Liturgie in die erneuerte Liturgie des Paschatriduums maschinenschriftlich Regensburg 197544 Vgl z B Manuale Trevirense Heilige Woche shy Karwoche und Ostern Trier 1999

Quellen fuumlr die roumlmische Liturgie be-schlieszligen wir unsere Uumlberlegungen Zahlreiche weitere koumlnnte man noch anfuumlgen

Wir konnten sehen daszlig die roumlmische Liturgie auf verschiedenen auszligerrouml-mischen Quellen beruht Ganz am An-fang stand die fruumlhe alexandrinische Liturgie auf deren Eucharistiegebet die lateinische Fassung des roumlmischen Meszlig-Canons zuruumlckgeht

Gregor der Groszlige nutzte bei der Ab-fassung seines Sakramentars das er urspruumlnglich nur fuumlr seine persoumlnliche Stationsliturgie zusammengestellt hat das aber dann durch die zeitlichen Umstaumlnde zum allgemeinen roumlmi-schen Meszligbuch wurde neben den rouml-mischen Meszlig-Libelli seiner Vorgaumlnger vor allem das Sakramentar des Pauli-nus von Nola

Dieses gregorianische Sakramen tar verbreitete sich im ganzen Abendland durch die Foumlrderung Karls d Gr auch im fraumlnkisch-germanischen Raum wo es durch altgallikanische Quellen er-weitert wurde Diese erweiterte Form des Sakramentars kam schlieszliglich nach Rom zuruumlck wo es nach einer Zeit des kirchlichen und liturgischen Niedergangs in bereinigter Form als stadtroumlmisches Liturgiebuch ange-nommen und so zur Grundlage fuumlr die Reformbestrebungen des Konzils von Trient wurde

Kreuzweg in Jerusalem

52

In einem zweiten Teil sahen wir daszlig die griechischen orientalischen Ein-fluumlsse nicht auf den Canon beschraumlnkt waren In der byzantinischen Epoche Roms kamen wichtige Impulse aus dem Osten Im Ordo missae zeugen das bdquoKyrie eleisonldquo und das bdquoAg nus Deildquo sowie die Erwaumlhnung der Heili-gen Cosmas und Damian im Canon fuumlr griechische Quellen unserer Liturgie Manche Feste wie die vier groszligen Ma-rienfeste und viele liturgische Gesaumln-ge dieser Zeit beruhen ebenfalls auf griechischen Quellen

In etwas spaumlterer Zeit vermittelte vor allem Aquileja orientalische Texte und Gebraumluche in den Westen die zumin-dest zum Teil in die allgemeine roumlmi-sche Liturgie uumlbernommen wurden Anderes wie die volkstuumlmlichen Kar- und Ostergottesdienste wurde nur in bestimmten Ortskirchen rezipiert

So ist die roumlmische Liturgie aus ei-gentlich roumlmischen und zahlreichen orientalischen und altgallikanischen Quellen zum Missale Romanum von 1962 harmonisch gewachsen Deshalb

konnte der spaumltere Papst Benedikt XVI mit Recht sagen es sei dasjenige bdquoMis-sale das alle Jahrhunderte hindurch seit den Sakramentaren der alten Kir-che gewachsen istldquo45

Lassen Sie mich schlieszligen mit einem Wort des Trierer Theologen Michael Fiedrowicz bdquoDie uumlberlieferte Messe im roumlmischen Ritus ist ein alter von vielen Jahrhunderten und Stilrichtungen ge-praumlgter Bau oftmals ergaumlnzt und weiter ausgeschmuumlckt zuweilen hier und dort restauriert ein Bau bei dem man Teil fuumlr Teil das Jahrhundert seines Ursprungs nachweisen koumlnnte nur in den seltens-ten Faumlllen auch den Kuumlnstler namhaft zu machen wuumlszligte der dieses oder jenes Element gestaltet und dem Ganzen hin-zugefuumlgt hatldquo46

45 J Ratzinger Aus meinem Leben Erinnerungen (1927shy1977) Stuttgart 21998 172shy17146 M Fiedrowicz Die uumlberlieferte Messe 65

Wormser Dom (Nord-Ost-Seite)

Heiliges Grab in der Pfarrkirche zum hl Nikolaus in Eggen (Suumldtirol)

Wormser Dom barocker Hochaltar (Johann Balthasar Neumann)

Page 11: Nichtrömische Quellen der römischen Liturgie · P. Martin Reinecke. 42 sche Gemeinde in Rom verfaßt, bear-beitet oder übernommen, wo sie auch eine Zeit lang gebraucht wurde. Die

51Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

der je ru sa le mit isch-byzantinischen Palmenfeier in den Westen Manche der noch heute gesungenen Texte am Palmsonntag kamen auf diesem Weg in den Westen So stellt der Einzugs-gesang am Ende der Palm prozession bdquoIn grediente Do minoldquo eine freie Uumlber-setzung eines griechischen Troparions aus der Vesper des Palmsonntags dar40

Auch die Karfreitagsliturgie ist stark vom Osten beeinfluszligt Die Enthuumll-lung und Verehrung des Kreuzes geht ebenfalls auf Jerusalem zuruumlck Die dazu gesungenen Improperien und die Trishagion-Verse sind Uumlbernah-men aus dem Orient41

Die an die Kreuzverehrung spaumlter an-gefuumlgte bdquoMissa praesancti fi cationumldquo ist syrischen Ursprungs wo sie vom Patriarchen Severus von Antiochien zwischen 511 und 518 eingefuumlhrt wur-de42 Sie wird im Abendland zuerst in Ravenna uumlbernommen das als Syrer-Zentrale im Abendland galt und fin-det uumlber Aquileja weite Verbreitung bevor sie wohl im 9 Jahrhundert als eigene Feier bdquoad vesperumldquo in die Liturgie der roumlmischen Titelkirchen kommt

Auch die bdquoDepositio crucisldquo am Karfrei-tag und die bdquoElevatio crucisldquo in der Os-

40 Vgl A Baumstark Orientalisches in den Texten der abendlaumlndischen Palmfeier in JLW VII (1927) 148shy15341 Vgl A Baumstark Der Orient und die Adoratio crucis in JLW II (1922) 1shy17 E Wellesz Eastern Eleshyments in Western Chant Oxford 1947 21shy2642 Vgl M Tarschnišvili Die missa praesanctificashytorum und ihre Feier nach georgischen Quellen in ALW II (1952) 75shy80

ternacht zur Matutin wie sie bis in die Neuzeit in weiten Teilen des Abend-lands uumlblich waren gehen auf oumlstli-che byzantinische Quellen zuruumlck und kamen uumlber die Metropole Aquileja ins Abendland fanden aber keinen Eingang in die stadtroumlmische Liturgie Der zur anschlieszligenden naumlchtlichen Prozession mit dem Kreuz gesunge-ne Hymnus bdquoCum rex gloriaeldquo ist ein-deutig orientalischen Ursprungs wie schon die Bezeichnung Christi als bdquorex gloriaeldquo (vgl 1 Petr 319) zeigt Eine entsprechende orientalische Parallele ist bis jetzt noch nicht gefunden wor-den

Wo diese Gottesdienste stattfanden waren sie - in spaumlterer barocker Form - bis zur neuen Kar wochen li tur gie Pius XII die meistbesuchten Gottesdiens-te des Jah res besonders das Heilige Grab43 Neuerdings gibt es Bemuumlhun-gen diese alten volkstuumlmlichen Feiern wiederzubeleben und sie in die neue Liturgie zu integrieren44

4 SchluszligMit diesen wenigen Beispielen kon-kreter Uumlbersetzungen orientalischer

43 Vgl W Bauer Die Depositio und Elevatio crucis in der Dioumlzese Regensburg in Vergangenheit und Zukunft Ein Beitrag zur Integrierung traditioneller ortskirchlicher Liturgie in die erneuerte Liturgie des Paschatriduums maschinenschriftlich Regensburg 197544 Vgl z B Manuale Trevirense Heilige Woche shy Karwoche und Ostern Trier 1999

Quellen fuumlr die roumlmische Liturgie be-schlieszligen wir unsere Uumlberlegungen Zahlreiche weitere koumlnnte man noch anfuumlgen

Wir konnten sehen daszlig die roumlmische Liturgie auf verschiedenen auszligerrouml-mischen Quellen beruht Ganz am An-fang stand die fruumlhe alexandrinische Liturgie auf deren Eucharistiegebet die lateinische Fassung des roumlmischen Meszlig-Canons zuruumlckgeht

Gregor der Groszlige nutzte bei der Ab-fassung seines Sakramentars das er urspruumlnglich nur fuumlr seine persoumlnliche Stationsliturgie zusammengestellt hat das aber dann durch die zeitlichen Umstaumlnde zum allgemeinen roumlmi-schen Meszligbuch wurde neben den rouml-mischen Meszlig-Libelli seiner Vorgaumlnger vor allem das Sakramentar des Pauli-nus von Nola

Dieses gregorianische Sakramen tar verbreitete sich im ganzen Abendland durch die Foumlrderung Karls d Gr auch im fraumlnkisch-germanischen Raum wo es durch altgallikanische Quellen er-weitert wurde Diese erweiterte Form des Sakramentars kam schlieszliglich nach Rom zuruumlck wo es nach einer Zeit des kirchlichen und liturgischen Niedergangs in bereinigter Form als stadtroumlmisches Liturgiebuch ange-nommen und so zur Grundlage fuumlr die Reformbestrebungen des Konzils von Trient wurde

Kreuzweg in Jerusalem

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In einem zweiten Teil sahen wir daszlig die griechischen orientalischen Ein-fluumlsse nicht auf den Canon beschraumlnkt waren In der byzantinischen Epoche Roms kamen wichtige Impulse aus dem Osten Im Ordo missae zeugen das bdquoKyrie eleisonldquo und das bdquoAg nus Deildquo sowie die Erwaumlhnung der Heili-gen Cosmas und Damian im Canon fuumlr griechische Quellen unserer Liturgie Manche Feste wie die vier groszligen Ma-rienfeste und viele liturgische Gesaumln-ge dieser Zeit beruhen ebenfalls auf griechischen Quellen

In etwas spaumlterer Zeit vermittelte vor allem Aquileja orientalische Texte und Gebraumluche in den Westen die zumin-dest zum Teil in die allgemeine roumlmi-sche Liturgie uumlbernommen wurden Anderes wie die volkstuumlmlichen Kar- und Ostergottesdienste wurde nur in bestimmten Ortskirchen rezipiert

So ist die roumlmische Liturgie aus ei-gentlich roumlmischen und zahlreichen orientalischen und altgallikanischen Quellen zum Missale Romanum von 1962 harmonisch gewachsen Deshalb

konnte der spaumltere Papst Benedikt XVI mit Recht sagen es sei dasjenige bdquoMis-sale das alle Jahrhunderte hindurch seit den Sakramentaren der alten Kir-che gewachsen istldquo45

Lassen Sie mich schlieszligen mit einem Wort des Trierer Theologen Michael Fiedrowicz bdquoDie uumlberlieferte Messe im roumlmischen Ritus ist ein alter von vielen Jahrhunderten und Stilrichtungen ge-praumlgter Bau oftmals ergaumlnzt und weiter ausgeschmuumlckt zuweilen hier und dort restauriert ein Bau bei dem man Teil fuumlr Teil das Jahrhundert seines Ursprungs nachweisen koumlnnte nur in den seltens-ten Faumlllen auch den Kuumlnstler namhaft zu machen wuumlszligte der dieses oder jenes Element gestaltet und dem Ganzen hin-zugefuumlgt hatldquo46

45 J Ratzinger Aus meinem Leben Erinnerungen (1927shy1977) Stuttgart 21998 172shy17146 M Fiedrowicz Die uumlberlieferte Messe 65

Wormser Dom (Nord-Ost-Seite)

Heiliges Grab in der Pfarrkirche zum hl Nikolaus in Eggen (Suumldtirol)

Wormser Dom barocker Hochaltar (Johann Balthasar Neumann)

Page 12: Nichtrömische Quellen der römischen Liturgie · P. Martin Reinecke. 42 sche Gemeinde in Rom verfaßt, bear-beitet oder übernommen, wo sie auch eine Zeit lang gebraucht wurde. Die

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In einem zweiten Teil sahen wir daszlig die griechischen orientalischen Ein-fluumlsse nicht auf den Canon beschraumlnkt waren In der byzantinischen Epoche Roms kamen wichtige Impulse aus dem Osten Im Ordo missae zeugen das bdquoKyrie eleisonldquo und das bdquoAg nus Deildquo sowie die Erwaumlhnung der Heili-gen Cosmas und Damian im Canon fuumlr griechische Quellen unserer Liturgie Manche Feste wie die vier groszligen Ma-rienfeste und viele liturgische Gesaumln-ge dieser Zeit beruhen ebenfalls auf griechischen Quellen

In etwas spaumlterer Zeit vermittelte vor allem Aquileja orientalische Texte und Gebraumluche in den Westen die zumin-dest zum Teil in die allgemeine roumlmi-sche Liturgie uumlbernommen wurden Anderes wie die volkstuumlmlichen Kar- und Ostergottesdienste wurde nur in bestimmten Ortskirchen rezipiert

So ist die roumlmische Liturgie aus ei-gentlich roumlmischen und zahlreichen orientalischen und altgallikanischen Quellen zum Missale Romanum von 1962 harmonisch gewachsen Deshalb

konnte der spaumltere Papst Benedikt XVI mit Recht sagen es sei dasjenige bdquoMis-sale das alle Jahrhunderte hindurch seit den Sakramentaren der alten Kir-che gewachsen istldquo45

Lassen Sie mich schlieszligen mit einem Wort des Trierer Theologen Michael Fiedrowicz bdquoDie uumlberlieferte Messe im roumlmischen Ritus ist ein alter von vielen Jahrhunderten und Stilrichtungen ge-praumlgter Bau oftmals ergaumlnzt und weiter ausgeschmuumlckt zuweilen hier und dort restauriert ein Bau bei dem man Teil fuumlr Teil das Jahrhundert seines Ursprungs nachweisen koumlnnte nur in den seltens-ten Faumlllen auch den Kuumlnstler namhaft zu machen wuumlszligte der dieses oder jenes Element gestaltet und dem Ganzen hin-zugefuumlgt hatldquo46

45 J Ratzinger Aus meinem Leben Erinnerungen (1927shy1977) Stuttgart 21998 172shy17146 M Fiedrowicz Die uumlberlieferte Messe 65

Wormser Dom (Nord-Ost-Seite)

Heiliges Grab in der Pfarrkirche zum hl Nikolaus in Eggen (Suumldtirol)

Wormser Dom barocker Hochaltar (Johann Balthasar Neumann)