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Auszug aus: Wasser und Boden, 2001 1 Nicole von Lieberman, Stephan Mai Entscheidungsunterstützung im Sturmflutschutz durch Risikoanalyse Decision Support in Coastal Flood Protection using Risk Analysis 1 Entscheidungsunterstützung mittels Risikoanalyse Deiche als Hauptelement des Küstenschutzes werden an den deutschen Küsten heute noch auf der Grundlage von extremen Einzelereignissen, ohne Zuordnung einer Eintrittswahrscheinlichkeit, bemessen. In Niedersachsen wird nach dem sogenannten Einzelwert- (Bezirksregierung Weser Ems 1997), in Schleswig-Holstein nach dem modifizierten Vergleichswert-Verfahren (MLR 2001) bemessen. Durch die Erweiterung der üblichen Standardverfahren zu einem probabilistischen Bemessungsschema unter Berücksichtigung der Eintrittswahrscheinlichkeiten der hydrologischen und meteorologischen Randbedingungen ist eine Ermittlung der Versagenswahrscheinlichkeit des Küstenschutzsystems möglich (CUR 1990). Neben der Beurteilung der aktuellen Sicherheit eines Küstenabschnitts kann die probabilistische Bemessung eine Grundlage zur Beurteilung des Einflusses geänderter Randbedingungen wie Wasserstände, Wellenhöhen etc. auf die Sicherheit liefern und in einem weiteren Schritt das Risiko eines Schadenseintritts im Hinterland abgeschätzt werden (von Lieberman et al. 2001). Sie liefert somit grundlegende Hilfen zur Entscheidungsfindung. Die Grundlage einer Risikoanalyse bildet die Ermittlung des maßgeblichen Versagensmechanismus` der zu untersuchenden Küstenschutzsysteme. Für Hauptdeich-geschützte Küstenabschnitte wird, wie auch bei dem Vergleichswert- und Einzelwert-Verfahren, als maßgeblicher Versagensmechanismus der Wellenüberlauf über den Deich betrachtet. Die sogenannte Zuverlässigkeitsfunktion Z wird für diesen Fall als Differenz von Deichhöhe h D und Tidehochwasserstand Thw am Deichfuß sowie dem Wellenauflauf R 98% definiert: Z = h D - Thw - R 98% (1) Eine Definition der Zuverlässigkeit ist ebenso auf der Basis der Wellenüberlaufmenge, wie z. B. von (Reeve 1998) beschrieben, möglich. Dies erlaubt auch die Berücksichtigung des Sicherheitszuwachses durch Kronenmauern (Pohl 1997). Die zulässige mittlere Überlaufmenge kann in Bezug auf die funktionelle Sicherheit mit 310 -4 m³/(sm) und in Bezug auf die strukturelle Sicherheit mit 110 -3 m³/(sm) angenommen werden (Oumeraci et al. 1999). Für die nachfolgenden Untersuchungen wurde nach (Tautenhain 1981) eine zulässige Überlaufmenge von 5,5510 - 4 m³/(sm) angesetzt. Die Wahrscheinlichkeit des Versagens berechnet sich aus der Wahrscheinlichkeitsdichte p (Thw, uw, γw) der Randbedingungen der offenen Küste aus Tidehochwasserstand Thw, Windgeschwindigkeit u w und Windrichtung γ w : W W 0 Z< ) , u (Thw, 0 Z d du Thw d p p W W γ = ∫∫∫ γ < (2) Werden die Eintrittswahrscheinlichkeiten der Versagenszustände p Z(Z) mit den Versagensfolgen C (Z) , z. B. infolge Deichbruchs, gewichtet, kann das Risiko der betroffenen Region berechnet werden: = 0 ) Z ( ) Z ( Z dZ C p Risiko (3) Eine Integration der einzelnen, in den Gleichungen 1 bis 3 dargestellten, Teilschritte der Risikoanalyse ist zur Unterstützung von Entscheidungsprozessen z. B. mit Hilfe eines geographischen Informationssystems (GIS) möglich. Für den Zusammenfassung Zur Untersuchung des Sicherheitsniveaus der Küstenschutzbauwerke an der deutschen Nordseeküste wurde die Methode der Risikoanalyse exemplarisch für den Jade- Weser-Raum angewendet. Um die Berücksichtigung der komplexen Methode bei der Auswahl von Küstenschutzstrategien zu ermöglichen, wurde das Bauwerks- und Seegangsinformationssystem BASIS entwickelt. Die Grundlage bildet das Geographische Informationssystem ArcView. Summary An analysis of the reliability of coastal defences at the German North-Sea was performed for the estuaries Jade and Weser using risk analysis. The method and also information on waves and coastal defences is implemented in the geographical information system BASIS supporting the decisions on an

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Auszug aus: Wasser und Boden, 2001

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Nicole von Lieberman, Stephan Mai

Entscheidungsunterstützung im Sturmflutschutzdurch RisikoanalyseDecision Support in Coastal Flood Protection using Risk Analysis

1 Entscheidungsunterstützung mittelsRisikoanalyse

Deiche als Hauptelement des Küstenschutzeswerden an den deutschen Küsten heute noch aufder Grundlage von extremen Einzelereignissen,ohne Zuordnung einer Eintrittswahrscheinlichkeit,bemessen. In Niedersachsen wird nach demsogenannten Einzelwert- (Bezirksregierung WeserEms 1997), in Schleswig-Holstein nach demmodifizierten Vergleichswert-Verfahren (MLR2001) bemessen.

Durch die Erweiterung der üblichenStandardverfahren zu einem probabilistischenBemessungsschema unter Berücksichtigung derEintrittswahrscheinlichkeiten der hydrologischenund meteorologischen Randbedingungen ist eineErmittlung der Versagenswahrscheinlichkeit desKüstenschutzsystems möglich (CUR 1990). Nebender Beurteilung der aktuellen Sicherheit einesKüstenabschnitts kann die probabilistischeBemessung eine Grundlage zur Beurteilung desEinflusses geänderter Randbedingungen wieWasserstände, Wellenhöhen etc. auf die Sicherheitliefern und in einem weiteren Schritt das Risikoeines Schadenseintritts im Hinterland abgeschätztwerden (von Lieberman et al. 2001). Sie liefertsomit grundlegende Hilfen zurEntscheidungsfindung.

Die Grundlage einer Risikoanalyse bildet dieErmittlung des maßgeblichenVersagensmechanismus` der zu untersuchendenKüstenschutzsysteme. Für Hauptdeich-geschützteKüstenabschnitte wird, wie auch bei demVergleichswert- und Einzelwert-Verfahren, alsmaßgeblicher Versagensmechanismus derWellenüberlauf über den Deich betrachtet. Diesogenannte Zuverlässigkeitsfunktion Z wird fürdiesen Fall als Differenz von Deichhöhe hD undTidehochwasserstand Thw am Deichfuß sowie demWellenauflauf R98% definiert:

Z = hD - Thw - R98% (1)

Eine Definition der Zuverlässigkeit ist ebenso aufder Basis der Wellenüberlaufmenge, wie z. B. von(Reeve 1998) beschrieben, möglich. Dies erlaubtauch die Berücksichtigung desSicherheitszuwachses durch Kronenmauern (Pohl1997). Die zulässige mittlere Überlaufmenge kannin Bezug auf die funktionelle Sicherheit mit3⋅10-4 m³/(s⋅m) und in Bezug auf die strukturelleSicherheit mit 1⋅10-3 m³/(s⋅m) angenommen werden(Oumeraci et al. 1999). Für die nachfolgendenUntersuchungen wurde nach (Tautenhain 1981)eine zulässige Überlaufmenge von 5,55⋅10-

4 m³/(s⋅m) angesetzt.Die Wahrscheinlichkeit des Versagens

berechnet sich aus der Wahrscheinlichkeitsdichtep(Thw, uw, γw) der Randbedingungen der offenen Küsteaus Tidehochwasserstand Thw,Windgeschwindigkeit uw und Windrichtung γw:

WW0Z<

) ,u (Thw,0Zd du Thwd pp

WW

γ= ∫∫∫ γ< (2)

Werden die Eintrittswahrscheinlichkeiten derVersagenszustände pZ(Z) mit den VersagensfolgenC(Z) , z. B. infolge Deichbruchs, gewichtet, kanndas Risiko der betroffenen Region berechnetwerden:

∫∞−

⋅=0

)Z()Z(ZdZCpRisiko (3)

Eine Integration der einzelnen, in den Gleichungen1 bis 3 dargestellten, Teilschritte der Risikoanalyseist zur Unterstützung von Entscheidungsprozessenz. B. mit Hilfe eines geographischenInformationssystems (GIS) möglich. Für den

ZusammenfassungZur Untersuchung des Sicherheitsniveaus derKüstenschutzbauwerke an der deutschenNordseeküste wurde die Methode derRisikoanalyse exemplarisch für den Jade-Weser-Raum angewendet. Um dieBerücksichtigung der komplexen Methode beider Auswahl von Küstenschutzstrategien zuermöglichen, wurde das Bauwerks- undSeegangsinformationssystem BASISentwickelt. Die Grundlage bildet dasGeographische Informationssystem ArcView.

SummaryAn analysis of the reliability of coastaldefences at the German North-Sea wasperformed for the estuaries Jade and Weserusing risk analysis. The method and alsoinformation on waves and coastal defences isimplemented in the geographical informationsystem BASIS supporting the decisions on an

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Küstenraum zwischen Jade- und Weserästuarwurde im Rahmen des BMBF-Forschungsvorhabens „Risiko einer Küstenregion“,welches von 1998 bis 2000 am Franzius-Institut fürWasserbau und Küsteningenieurwesen bearbeitetwurde, das Programmsystem ArcView gewählt,dessen Funktionsumfang unter Verwendung derProgrammiersprache Avenue hinsichtlich einerverbesserten Interaktivität und Nutzerführung zumsogenannten Bauwerks- undSeegangsinformationssystem BASIS erweitertwurde (Mai et al. 2001a).

2 Küstenschutz der Jade-Weser-RegionDas gewählte Untersuchungsgebiet erstreckt sichvon der Außenweser am Leuchtturm Alte Weserüber den Jade- und Außenweserbereich bis in dieUnterweser südlich von Bremerhaven.

Ein Fokusstandort der Risikoanalyse wurde aufdas Stadtgebiet Bremerhavens gelegt, das durchDeiche, Kaimauern und ein Sperrwerk in derGeestemündung gegen Sturmfluten geschützt wird.Bild 1 zeigt die Implementierung vonInformationen zum Küstenschutz in dasInformationssystem BASIS. Dort ist die Abfragevon technischen Zeichnungen, Kenndaten derBauwerke, Satellitenbildern sowie Fotografien derBauwerke möglich.

Neben den Bauwerksinformationen sind die fürdie Berechnung der Eintrittswahrscheinlichkeiteneines Versagens des Küstenschutzsystemserforderlichen Belastungsgrößen, i. e.Wasserstände, Strömungsgeschwindigkeiten,Wellenhöhen und -perioden, für jeden Ort imModellgebiet aus langjährigen Statistiken bzw.numerischen Simulationen mit demSeegangsmodell SWAN bestimmt worden.

Bild 2 stellt die Verteilung der signifikantenWellenhöhen im Untersuchungsgebiet für einenWasserstand von 1 mNN, einerWindgeschwindigkeit von 20 m/s ausnordwestlicher Richtung dar. Hier zeigt sich eineAbnahme der signifikanten Wellenhöhe deseinlaufenden Seegangs von rd. 3,50 m amnördlichen Modellrand auf etwa 0,50 m in derFahrrinne vor Bremerhaven. Der Einfluss derFahrrinne mit erhöhter Wassertiefe führt dort auchzu erhöhtem Seegang. Das Seegangsmodell wurdean Bojenmessungen kalibriert (Mai et al. 2000).

Bild 1 Archiv von Fotografien und TechnischenZeichnungen der Küstenschutzbauwerke, hier:Deiche in BremerhavenFigure 1 Archive of coastal defenses, here: dikesin Bremerhaven

Bild 2 Interaktiver Atlas zurSeegangsvorhersage in Außenweser und Jade,hier: signifikante WellenhöheFigure 2 Interactive Wave Atlas for the estuariesWeser and Jade, here: significant wave height

Bild 3 Interaktiver Atlas zur Wasserstands- undStrömungsvorhersage in Außenweser und Jade,hier: mittlere TideverhältnisseFigure 3 Atlas of tidal forecasts for the estuariesWeser and Jade, here: mean tidal conditions

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In Bild 3 sind Ergebnisse der Wasserstands- undStrömungssimulationen für die EingangsparameterTidehochwasserstand am Leuchtturm Alte WeserThw = 1,05 mNN, Tidehub am Leuchtturm AlteWeser Thb = 2,25 m, WindgeschwindigkeituW = 20 m/s und Windrichtung γW = 330° zumZeitpunkt des maximalen Ebbstroms amLeuchtturm Alte Weser mit dem ProgrammMIKE 21 HD dargestellt. Die Wasserstände imMündungsbereich bei Bremerhaven betragen rd.0,90 mNN, während der Wasserstand amLeuchtturm Alte Weser bereits auf 0,20 mNNabgesunken ist. Die maximalenStrömungsgeschwindigkeiten der Fahrrinne derAußenweser betragen 0,10 m/s bis 0,20 m/s. DieKalibrierung des Modells erfolgte an den Pegeln„Spieka-Neufeld“, „Wremertief“, „BremerhavenAlter Leuchtturm“ und „Fedderwardersiel“ desUntersuchungsgebiets.

0 0.25 0.5 0.75 1Anstieg des Tidehochw assers [m]

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Deich in BremerhavenSeedeichW eserdeichLohmanndeich

Bild 4 Jährlichkeit des Wellenüberlaufs anausgewählten Deichabschnitten Bremerhavens beiAnstieg des TidehochwassersFigure 4 Recurrence Interval of wave overtoppingat different dikes in Bremerhaven in case of visingtidal high water levels

Die aus den Gleichungen 1 und 2 resultierendenVersagenswahrscheinlichkeiten für dieverschiedenen Deichprofile des betrachtetenKüstenabschnitts sind ebenso im BASIS abrufbar.Neben den aktuellen meteorologischen undhydrologischen Randbedingungen wurde auch einAnstieg des Tidehochwassers zwischen 0 m und 1m berücksichtigt. In Bild 4 sind exemplarisch diefür das Stadtgebiet Bremerhaven resultierendenJährlichkeiten eines Wellenüberlaufs, d. h. dieKehrwerte der Versagenswahrscheinlichkeiten,dargestellt und den einzelnen in Bild 1dargestellten Deichabschnitten „Lohmanndeich“(Nr. 1), „Weserdeich“ (Nr. 2) und „Seedeich“(Nr. 3) zugeordnet. Die Jährlichkeit einesWellenüberlaufs beträgt derzeit etwa 500 Jahre

(Nr. 1) bis 2.500 Jahre (Nr. 3) und reduziert sichbei einem Anstieg des Thw um 0,5 m auf etwa 200bis 1.000 Jahre. Ein Anstieg des Thw um 1,0 mwürde zu einer Reduzierung auf bis zu 20 Jahre amLohmanndeich führen. Zur Zeit wird daher durchdas Hansestadt Bremische Hafenamt,Bremerhaven, eine Neubemessung desLohmanndeichs durchgeführt.

3 Überflutung des HinterlandsEin Versagen von Küstenschutzbauwerken führt imAllgemeinen zu einer Schädigung desWertebestands im Küstenhinterland. Um dasmögliche Schadenpotenzial eines solchenVersagens zu bestimmen, sind dieÜberflutungsflächen zu ermitteln.

Für das BASIS wurde die mit einem Deichbruchverbundene Überflutung des Hinterlands anausgewählten Fokusstandorten imUntersuchungsgebiet mit Hilfe zweidimensionalernumerischer Simulationen unter Verwendung desProgramms MIKE 21 HD bestimmt. DieRandbedingungen am Fokusstandort wurden den inBild 3 dargestellten Ergebnissen derStrömungssimulation entnommen. Bild 5verdeutlicht die Funktionalität des BASIS, welchessowohl die Darstellung von Standbildern derÜberflutung als auch Animationen desÜberflutungsvorgangs beinhaltet, am Beispiel einesVersagens des Küstenschutzsystems amGeestesperrwerk, Bremerhaven, für dasTidegeschehen der Sturmflut von 29.10.1996 rd. 10Stunden nach Eintritt des Versagens. VergleichbareErgebnisse sind für die übrigen Fokusstandorte imInformationssystem BASIS abrufbar.

Bild 5 Ergebnis der numerischen Simulationeines Überflutungsvorgangs im StadtgebietBremerhaven mit dem Modell MIKE 21 HDFigure 5 Results of numerical simulations of theinundation of Bremerhaven using the modelMIKE 21 HD

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4 Folgen bei ÜberflutungZur Ermittlung des Wertebestands imUntersuchungsgebiet wurde ein analoger Ansatzauf Basis der Deutschen Grundkarten im Maßstab1:5.000, wie er in Bild 6 dargestellt ist, gewählt.Hierbei wurden flächenhafte Größen, wieAckerland und Bauflächen, und linienhafteVariablen, wie Straßen und Bahnstrecken, erfasst.Diese Informationen sind im BASIS abrufbar.

Bild 6 Prinzip des Analogen Vorgehens bei derErfassung des Wertbestands imUntersuchungsgebietFigure 6 Concept of the determination ofeconomic values within the hinterland

Bei Überflutung von Teilen des Hinterlands werdendie dort vorhandenen Werte teilweise zerstört. DerGrad der Schädigung ist von den Parametern derÜberflutung, wie z. B. Wassertiefe,Fließgeschwindigkeit und Anstiegsgeschwindigkeitdes Wassers, abhängig (Egli 1999). Für dieBerechnung des Risikos im BASIS wurde, wie inVeröffentlichungen des (CUR 1990) und von(Schmidtke 1995) beschrieben, die Wassertiefe alsden Schädigungsgrad charakterisierenderParameter gewählt. Bild 7 zeigt die im BASISimplementierte Funktionalität zurFolgeschadenberechnung. Hier erfolgte dieSchadensberechnung für den in Bild 5 dargestelltenÜberflutungsfall nach einem Versagen desKüstenschutzsystems am Geestesperrwerk inBremerhaven. Der resultierende Schaden amGesamtvermögen im Innenstadtbereich beträgt rd.1.000 DM/m², der Gesamtschaden rd. 1 Mrd. DM(Mai et al. 2001b).

Aus dem Produkt derVersagenswahrscheinlichkeiten und derFolgeschäden kann nach Gleichung 3 eineBerechnung und somit eine Zonierung des Risikosvorgenommen werden. Bild 8 zeigt diese Zonierungunter Annahme eines infolge Klimawandelsbedingten Anstiegs des mittleren Tidehochwassersvon 1 m. Eine Integration des Risikos in deneinzelnen Zonen ist in BASIS als Gesamtrisikoabrufbar und beträgt für den in Bild 5 dargestelltenÜberflutungsfall rd. drei Mio. DM pro Jahr.

Bild 7 Verteilung des Schadens beiDeichversagen am Geestesperrwerk (Mai et al.2001b)Figure 7 Distribution of loss in case of a failure ofthe dike near the storm surge barrier at the Geeste(Mai et al. 2001b)

Bild 8 Kartierung des Risikos beiDeichversagen am Geestesperrwerk (Mai et al.2001b)Figure 8 Mapping of risk in case of a failure of thedike near storm surge barrier at the river Geeste(Mai et al. 2001b)

5 Zusammenfassung und AusblickDie Methodik der Risikoanalyse erweitert diebislang im Küstenraum praktiziertendeterministischen Bemessungsverfahren in der Art,dass Kosten von Schutzsystemen der dadurcherreichten Risikominderung gegenüber gestelltwerden können. So können kostenoptimaleSchutzsysteme erarbeitet werden. DieImplementierung der Risikoanalyse in einGeographisches Informationssystem visualisiert diekomplexe Struktur der gesamten Risikoanalyse undbietet so Entscheidungsträgern Unterstützung beider zukünftigen Planung und Unterhaltung vonSchutzsystemen im Küstengebiet.

Das hier vorgestellte Informationssystem BASISwird derzeit im Rahmen des interdisziplinärenBMBF-Forschungsvorhabens „Klimawandel undpräventives Risiko- und Küstenschutzmanagement

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an der deutschen Nordseeküste KRIM“(Förderkennzeichen: 01LD0014) zu eineminteraktiven und internet-gestütztenEntscheidungshilfesystem (Decision SupportSystem) erweitert. Es wird zudem Aspekte derÖkologie, Wirtschaftsgeographie, Risikowahr-nehmung und -akzeptanz beinhalten.

Literatur

Bezirksregierung Weser Ems (1997): GeneralplanKüstenschutz für den Regierungsbezirk Weser-Ems, Oldenburg.

Centre for Civil Engineering Research and Codes (CUR)(1990): Probabilistic Design of Flood Defences,Technical Advisory Committee on WaterDefences (TAW), Report 141.

Egli, T. (1999): Richtlinie Objektschutz gegenNaturgefahren, Gebäudeversicherungsanstalt desKantons St. Gallen.

Mai, S., von Lieberman, N., Fittschen, T., Bartels, K. (2000):Seegang in der Weser vor Bremerhaven – einVergleich von Naturmessung und numerischerSimulation. Hansa, Jg. 137, H. 9, S. 278-281.

Mai, S., von Lieberman, N. (2001): Bauwerks- undSeegangsinformationssystem BaSIS.Tagungsband zum 16. DeutschenHydrographentag, Potsdam, VI/B/1-15.

Mai, S., von Lieberman, N. (2001): GIS-unterstützteRisikoanalyse. HANSA, Jg. 138, H. 7, S. 63-66.

Ministerium für ländliche Räume,Landesplanung,Landwirtschaft und Tourismus desLandes Schleswig-Holstein (MLR) (2001): GeneralplanKüstenschutz – Integriertes Küstenschutzmanagementin Schleswig-Holstein, Entwurf.

Oumeraci, H., Kohlhase, S., Kunz, H., Weiss, D. (1999):Berechnungsansätze für Wellenauflauf undWellenüberlauf an Seedeichen. HTG und DGGTSprechtag.

Pohl, R. (1997): Überflutungssicherheit von Talsperren.Wasserbauliche Mitteilungen des Instituts für Wasserbau und Technische Hydromechanik derTechnischen Universität Dresden, H. 11.

Reeve, D.E. (1998): Coastal Flood Risk Assessment, Journal of Waterway, Port, Coastal, and Ocean Engineering, No. 5.

Schmidtke, R.F. (1995): Sozio-ökonomische Schäden vonHochwasserkatastrophen, Darmstädter Wasserbau-Mitteilungen, H. 40.

Tautenhain, E (1981): Der Wellenüberlauf an Seedeichen unter Berücksichtigung des Wellenauflaufs – EinBeitrag zur Bemessung –. Mitteilungen desFranzius-Institut für Wasserbau und Küsteningenieurwesen der Universität Hannover, H. 53, S. 1-245.

von Lieberman, N., Mai, S. (2001): Elemente der Risikoanalyse im Küstenraum Tagungsband zum31. Wasserbau-Symposium Aachen IWASA.

Anschriften der VerfasserWissenschaftliche Assistentin Dr.-Ing. Nicole vonLieberman, e-Mail: [email protected] Mitarbeiter Dipl.-Phys. Dipl.-Ing.Stephan Mai, e-Mail: [email protected] für Wasserbau und Küsteningenieurwesen,Nienburger Str. 4, 30167 Hannove