Niedersachsen-Vorwärts Juli/August 2011

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 LIEBE GENOSSINNEN, LIEBE GENOSSEN, die Nachfrage steigt seit 40 Jahren stetig an: Immer mehr Eltern in Niedersachsen wollen ihre Kinder auf Gesamtschulen schicken. Das ist ein Erfolg für engagierte Pädagoginnen und Pädagogen, für die Schulträger und nicht zuletzt für die SPD. Wir sind unserer Überzeugung treu geblie- ben, dass es der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen gut tut, wenn sie lange gemeinsam lernen – voneinander und mit- einander. Die CDU weigert sich beharrlich, diese Wahrheit anzuerkennen und wehrt sich mit vielen Mitteln gegen den Elternwillen, noch viel mehr Gesamtschulen – vor allem Inte- grierte Gesamtschulen – im Land zu eröff- nen. Das neueste Mittel im Abwehrkampf sind die Oberschulen. Diese sollen durch gezielte Besserstellung den Integrierten Gesamtschulen das Wasser abgraben, zukünftig auch bundesweit. Das sieht ein Antrag für den CDU-Bundesparteitag vor. Umso wichtiger ist es, dass wir uns auch in Zukunft mit allem nötigen Nach- druck für das Zwei-Wege-Modell mit Inte- grierten Gesamtschulen und den Gymna- sien einsetzten. Am Besten deutschland- weit! Euer Olaf Lies Landesvorsitzender vorwärts NIEDERSACHSEN JULI/AUGUS T 2011 | WWW.SPD-NIEDERSACHSEN.DE EDITORIAL mit dem weder Freunde noch Gegner der neuenSchulformgerechnethatten:Eltern von 603 Kindern standen Schlange vor der noch lange nicht fertiggestellten Schule, um ihre Kinder anzumelden. Es war, als sei eine Schleuse geöff net worden oder ein Damm gebrochen. Dabei gab es im ersten Jahrgang nur Platz für 180 Kin- der in sechs Klassen. Es kam zu panikarti- gen Reaktionen betroffener Eltern. Unter dem Druck der Öffentlichkeit, besonders der Eltern, stießen Aufnahmeausschuss der Schule sowie Rat und Verwaltung der Stadt praktisch über Nacht ihre Planun- gen um und besch lossen, dass die IGS acht Parallelklassen statt sechs haben und 240 statt 180 Kinder aufnehmen sollte. Am 13. September 1971 war erster Schultag an der ersten Integrierten Gesamtschule Han- novers und – mit vier weiteren Gesamt- schulen – Niedersachsens. Woran liegt das – diese Nachfrage und Beliebtheit bei vielen Men- schen von Anfang an und bis heute? Aus meiner Sicht sind es zwei Merk male, die die Anziehungskraft von Gesamt- schulen ausmachen: Zum Einen ist in ihren Kollegien nach wie vor der Impuls lebendig, aus dem heraus sie gegründet worden sind: dass Schule sich nicht damit Ende der 60er Jahre gab es in Niedersach- sen wie in anderen Bundesländern grünes Licht für eine Schulform, die das bis dahin konkurrenzlose gegliederte Schulwesen allein durch ihre Existenz herausforderte,  ja in Frage stellte : d ie Gesamtsc hule. Ermöglicht wurde diese Alternative, weil eine »Bildungskatastrophe« – so der Sozio- loge Picht – drohte: Während Wirtschaft und Gesellschaft dringend auf eine Aus- weitung höherer Bildung angewiesen waren, ermöglichte das Gymnasium nur einer in der Regel privilegierten Minder- heit den Zugang zum Studium; Arbeiter- kinder blieben ausgeschlos sen. Bis dahin galt das nicht als Skandal. Jetzt aber war davon die Rede, Bildungsreserven müssten erschlossen werden. Auch in Hannover ging es nicht mehr darum, ob eine Gesamtschule gegründet werden sollte – darin gab es zunächst einen weit reichenden Konsens -, sondern wo. Und es erstaunt nicht, dass die sozial- demokratisch regierte Stadt sich für den Standort Linden entschied – den Stadtteil, der am stärksten durch die Arbeiterschaft geprägt war und dessen Kinder folglich bis dahin a m meist en bena chteiligt und weitgehend auf der S tufe von »Volksschü- lern« geblieben waren. Im Frühjahr 1971 fanden die Anmeldun- gen statt, und sie erbrachten ein Ergebnis, LERNEN OHNE ANGST Vor 40 Jahren wurden in Niedersachsen die ersten Gesamtschulen gegründet. Von Christoph Walther Im Niedersachsen-vorw ärts: »TiL – Themen im Landtag« (Mittelteil Seiten 1–4) Fortsetzung auf Seite 2 Gemeinsam ist besser als getrennt – bim Lernen profitieren Kinder und Jungendliche voneinander .  Foto: Shutterstock

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Die regionales Ausgabe des Niedersachsen-Vorwärts, Juli / August 2011

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LIEBE GENOSSINNEN,LIEBE GENOSSEN,die Nachfrage steigt seit 40 Jahren stetigan: Immer mehr Eltern in Niedersachsen

wollen ihre Kinder auf Gesamtschulenschicken. Das ist ein Erfolg für engagiertePädagoginnen und Pädagogen, für dieSchulträger und nicht zuletzt für die SPD.Wir sind unserer Überzeugung treu geblie-ben, dass es der Entwicklung von Kindernund Jugendlichen gut tut, wenn sie langegemeinsam lernen – voneinander und mit-einander.

Die CDU weigert sich beharrlich, dieseWahrheit anzuerkennen und wehrt sich mitvielen Mitteln gegen den Elternwillen, nochviel mehr Gesamtschulen – vor allem Inte-grierte Gesamtschulen – im Land zu eröff-nen. Das neueste Mittel im Abwehrkampf 

sind die Oberschulen. Diese sollen durchgezielte Besserstellung den IntegriertenGesamtschulen das Wasser abgraben,zukünftig auch bundesweit. Das sieht einAntrag für den CDU-Bundesparteitag vor.

Umso wichtiger ist es, dass wir unsauch in Zukunft mit allem nötigen Nach-druck für das Zwei-Wege-Modell mit Inte-grierten Gesamtschulen und den Gymna-sien einsetzten. Am Besten deutschland-weit!

Euer

Olaf LiesLandesvorsitzender

vorwärtsNIEDERSACHSEN

J U L I / A U G U S T 2 0 1 1 | W W W . S P D - N I E D E R S A C H S E N . D E

EDITORIAL

mit dem weder Freunde noch Gegner derneuen Schulform gerechnet hatten: Elternvon 603 Kindern standen Schlange vorder noch lange nicht fertiggestelltenSchule, um ihre Kinder anzumelden. Eswar, als sei eine Schleuse geöffnet wordenoder ein Damm gebrochen. Dabei gab esim ersten Jahrgang nur Platz für 180 Kin-der in sechs Klassen. Es kam zu panikarti-gen Reaktionen betroffener Eltern. Unterdem Druck der Öffentlichkeit, besondersder Eltern, stießen Aufnahmeausschuss

der Schule sowie Rat und Verwaltung derStadt praktisch über Nacht ihre Planun-gen um und beschlossen, dass die IGS achtParallelklassen statt sechs haben und 240statt 180 Kinder aufnehmen sollte. Am 13.September 1971 war erster Schultag an derersten Integrierten Gesamtschule Han-novers und – mit vier weiteren Gesamt-schulen – Niedersachsens.

Woran liegt das – diese Nachfrageund Beliebtheit bei vielen Men-schen von Anfang an und bis heute?

Aus meiner Sicht sind es zwei Merkmale,die die Anziehungskraft von Gesamt-

schulen ausmachen: Zum Einen ist inihren Kollegien nach wie vor der Impulslebendig, aus dem heraus sie gegründetworden sind: dass Schule sich nicht damit

Ende der 60er Jahre gab es in Niedersach-sen wie in anderen Bundesländern grünesLicht für eine Schulform, die das bis dahinkonkurrenzlose gegliederte Schulwesenallein durch ihre Existenz herausforderte, ja in Frage stellte: die Gesamtschule. –Ermöglicht wurde diese Alternative, weileine »Bildungskatastrophe« – so der Sozio-loge Picht – drohte: Während Wirtschaftund Gesellschaft dringend auf eine Aus-weitung höherer Bildung angewiesenwaren, ermöglichte das Gymnasium nur

einer in der Regel privilegierten Minder-heit den Zugang zum Studium; Arbeiter-kinder blieben ausgeschlossen. Bis dahingalt das nicht als Skandal. Jetzt aber wardavon die Rede, Bildungsreserven müsstenerschlossen werden.

Auch in Hannover ging es nicht mehrdarum, ob eine Gesamtschule gegründetwerden sollte – darin gab es zunächsteinen weit reichenden Konsens -, sondernwo. Und es erstaunt nicht, dass die sozial-demokratisch regierte Stadt sich für denStandort Linden entschied – den Stadtteil,der am stärksten durch die Arbeiterschaftgeprägt war und dessen Kinder folglich

bis dahin am meisten benachteiligt undweitgehend auf der Stufe von »Volksschü-lern« geblieben waren.Im Frühjahr 1971 fanden die Anmeldun-gen statt, und sie erbrachten ein Ergebnis,

LERNEN OHNE ANGSTVor 40 Jahren wurden in Niedersachsen die ersten Gesamtschulen gegründet.

Von Christoph Walther 

Im Niedersachsen-vorwärts:»TiL – Themen im Landtag«

(Mittelteil Seiten 1–4)

Fortsetzung auf Seite 2

Gemeinsam ist besser

als getrennt – bim Lernen

profitieren Kinder und

Jungendliche voneinander. Foto: Shutterstock

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II NIEDERSACHSEN 07|08/2011 vorwärts

rinnen und Lehrer an Gesamtschulenlegen den größten Wert darauf, dassunsere Schülerinnen und Schüler gern

zur Schule gehen. Wir bemühen unsum ein Lernklima, das möglichstwenig durch Zeitdruck, Notendruckund den Kampf mit einer Überfüllevon Stoff bestimmt wird; das tun w irseit 40 Jahren, deshalb gibt es in derSek.I kein Sitzenbleiben, Lernentwick-lungsberichte statt Noten und Zensu-ren bis Klasse 8; deshalb hieß der ersteBestseller über Gesamtschulen Anfangder 80er, ein Fischer- Taschenbuch,»Lernen ohne Angst«- und seine Auto-ren waren Lehrer der IGS Li nden, dasVorwort schrieb Oskar Negt. Und weilwir seit 40 Jahren mit dem Lernen

ohne Angst gute Erfahru ngen haben,gibt es ein großes Zutrauen von unsIGS-Lehrerinnen und -lehrern in dasEntwicklungspotential unserer Schü-lerinnen und Schüler.

Schulen nicht als Lernfabriken betreiben

Wir lassen ih nen Zeit, bieten ihnen Lern-formen an, bei denen sie die Bedeutungvon Themen entdecken können und die

Gelegenheit haben, in Projekten zu ler-nen oder künstlerisch zu produzierenoder sich politisch zu engagieren.

Ja, das kostet Zeit. Aber es ist erfüllteZeit und wir vermeiden so das Missver-ständnis, dass Schule als Lernfabrikbetrieben werden muss, damit Schülerin-nen und Schüler auf reglementier tenWegen Bildung erwerben und Leistungerbringen. Eine allzu sorgfältige Erzie-hung dieser Art, so bemerkte schon unserniedersächsischer AufklärungsphilosophLichtenberg, bringt allzu oft nur »Zwerg-obst« hervor. Viel eher sind wir der Mei-nung, dass wahre Bildung, zu der auch dieBereitschaft zur intensiven Anstrengungbei lohnenden Zielen gehört, am besten ineiner Schule gedeiht, die sich als »fröhli-

ches Haus« versteht. So nannte schon Vit-torino da Feltre, ein Humanist und Erzie-her der Renaissance im 15. Jh., die von ihmgegründete Schule. In einem fröhlichenHaus machen Lehrer und Schüler gemein-same Sache, auch wenn sie wie an der IGSLinden aus 38 Nationen kommen, indemsie neugierig spannende Fragen aufwer-fen und auf Lösungen hinarbeiten. Wirwerden uns Mühe geben, auch in dennächsten 40 Jahren ein »fröhliches Haus«zu sein.■

begnügen darf, das gesellschaftlicheGefüge von sozialen Privilegien einer-seits, sozialer Benachteiligung anderer-

seits nur abzubilden und zu reproduzie-ren, sondern dass sie eine emanzipatori-sche Aufgabe hat: mehr Chancengleich-heit und mehr Bildungsgerechtigkeit inunserer Gesellschaft zu verwirklichen.Die IGSen werden nicht aufhören daranzu arbeiten, wirkliche Gesamt-Schulen zuwerden, um allen Kindern Ler nwege zueröffnen und Angebote zu machen – keinKind braucht ausgeschlossen zu werdenoder verloren zu gehen. Deshalb wird dieIGS Linden – erste Preisträgerin des»Jakob-Muth-Preises für inklusive Schu-len« im Jahr 2009 – auch weiterhin zu denPionierschulen gehören, die Inklusion

pädagogisch vorantreiben und einigeRäume mehr in der Einen Schule für Alleeinrichten wollen, denn so sagt es schonFriedrich Schleiermacher, Pädagoge undTheologe des 19. Jahrhunderts: »es wärefrevelhaft, die Erziehung so anzuordnen,dass die Ungleichheit absichtlich undgewaltsam festgehalten wird auf demPunkt, auf welchem sie steht.«

Ein Zweites erklärt aus meinerSicht die ungebrochene Anziehungs-kraft von Gesamtschulen: Wir Lehre-

Fortsetzung von Seite 1

Christoph Walther,

Schulleiter der IGS Linden und

Sprecher der Integrierten

Gesamtschulen Hannovers

DRAUF SICHT

Es gibt wenig, was der gemeine Journalist mehr fürchtet als

das Sommerloch. Es entsteht, wenn der gemeine Politiker sichseine Sommerpause nimmt. Da, wo in der übrigen Zeit einePressemitteilung die nächste Pressekonferenz jagt; woDebatten über Erdverkabelung, Schnäbel-Abschneiden beiLegehennen, Kastrationen von Schweinen, Vergraben vonAtommüll oder über einen Klosterkammer-Präsidenten toben,da klafft in den Sommerferien ein Loch. Es gibt nur zwei Mög-lichkeiten für den Journalisten, nicht hineinzufallen: Entwe-der er geht selbst in den Sommerurlaub, oder er berichtet überPolitiker im Sommerurlaub.

Wir werden also wie alle Jahre wieder über Presse undRundfunk erfahren, wo wer aus dem politischen Geschäft sichvon den Strapazen des Regierens und Opponierens erholt.Den biederen Typen zieht es nach Cuxhaven an die Nordsee,der und die Anspruchslose wandert durch den Harz, der und

die Abenteuerlustige fliegt nach Mallorca, der und die Kultur-beflissene begibt sich auf eine Rundtour durch die bunte Viel-falt der Heimatmuseen.

Zurück bleiben die politischen Stallwachen, die in denHauptstädten die Schreibtische umlungern. Einige von ihnennutzen die Abwesenheit der Platzhirsche und Platzkühe, umein wildes Sommertheater zu veranstalten. Mangels Alternati-ven halten die zurück gebliebenen Journalisten ihnen Kameras,Mikrofone und Notizblöcke bereitwillig hin. So gelangenabstruse Vorschläge in die Öffentlichkeit. Etwa ein Ausgehver-bot ab 21 Uhr für Jugendliche, oder die Deo-Pflicht für Arbeit-nehmer an heißen Tagen, oder Mallorca für 50 Milliarden Eurovon Spanien zu kaufen und Palma in Palmhausen umzutaufen.

Aber es gibt im Sommer natürlich noch andere Themen, dieim Winter keinen Menschen interessierten. Zum Beispiel die

Sommerurlauber, die sich tausende Kilometer über Autobah-nen quälen und vor lauter Stress Kinder, Ehefrauen und Hundeauf den Raststätten vergessen. Es geht immer um vergesseneFrauen, Kinder und Hunde, nie um zurück gelassene Ehemän-ner. Denn die sitzen bei langen Autobahn-Exkursionen grund-

sätzlich am Steuer und lassen ums Verrecken keine Frau auf 

den Fahrersitz, ist ja auch ein Fahrer-und kein Fahrerinnen-Sitz.In diesem Sommer bleiben sicher auch wieder das eine

oder andere Kind samt Mutter auf der Autobahn-Strecke, aberwahrscheinlich kein niedersächsischer Hund. Denn es ab Juligilt das neue NHundG, wie der Jurist sagt. Entgegen demWortlaut »Niedersächsisches Hunde Gesetz« verlangt esweniger vom Hund als viel mehr von seinem Besitzer und Füh-rer. Frauchen und Herrchen müssen ihren Liebling mit einemChip versehen, ihn versichern und innerhalb der nächstenzwei Jahre einen Hundeführerschein machen.

Ab Juli 2013 ist er Pflicht. Es ist aber nicht ratsam, mit derPrüfung bis dahin zu warten. Denn den Hundeführerscheingibt es nur gegen tiefes Wissen. Wer künftig mit seinem Hunddurch Niedersachsens weite Lande spazieren will, muss zumBeispiel Kenntnisse über den Tierschutz haben (das haben ja

noch nicht mal Profi-Geflügelzüchter), er muss sich mit Sozial-verhalten und Rasse seines Hundes auskennen, Gefahrensitua-tionen erkennen, Rechtsvorschriften im Kopf haben und denHund erziehen und ausbilden können. Die nächsten Sommer-urlaube sind jedenfalls für Hundehalter tabu. Sie müssen min-destens zwei Jahre lang pauken, um die Prüfung zu bestehen.

Eine Fluglizenz ist leichter zu bekommen, was nicht ver-wunderlich ist. Denn der Hundeführerschein ermächtigt sei-nen Inhaber, den Hund auch Menschen ohne Lizenz anzuver-trauen. So darf Opa seinen Bello mit dem unbedarften Enkelan der Leine laufen lassen. Verfügt Opa dagegen über einenPilotenschein und ein Flugzeug, darf sein Enkel nicht einfachlos fliegen, mit dem Hinweis »Opa hat den Schein«. Also, soein Hundeführerschein ist schon was Besonderes.

Allerdings ist sowohl in der Luft als auch auf dem Lande

Vorsicht geboten: Wenn ein Mensch mit Hund einem anderenMenschen ohne Hund auf dem Spazierweg zuruft: »Er willnicht spielen, er will nur beißen«, dann handelt es sich um denEnkel ohne Lizenz zum Hundehalten. ■

Kurt-Peter Christophersen

Kurt-Peter Christophersen

ist ein erfahrener Schreiber

und Niedersachsen-

Kenner. Er wirft regelmäßig

einen satirischen Blick

auf die Landespolitik.

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NIEDERSACHSEN III07|08/2011 vorwärts

Altbundeskanzler Gerhard Schröder zusammen mit dem parlamentarischen

Geschäftsführer Thomas Oppermann (l.) und Landesgruppenchef Holger Ortel.

Angelika Kerstan

GERD GIBT GASAltbundeskanzler Gerhard Schröder spricht auf dem Pfingsttreffen der SPD-LandesgruppeNiedersachsen/Bremen. Holger Ortel kündigt seinen Rückzug als Vorsitzender an.

Von Irmela Körner und Lars Wegener 

»SCHLECKER MUSS MIT SEINENBESCHÄFTIGTEN REDEN«

tei. In Hinblick auf die niedersächsischeLandtagswahl Anfang 2013 sagte Schrö-der: »Ohne ökonomische Kompetenzsind Wahlen nicht zu gewinnen.«

Dass Union und FDP in der Frage desAtomausstiegs inzwischen voll auf denPfad der Tugend eingeschwenkt seienfreue ihn, spottete der bekennende Nie-dersachse. Deshalb riet er seinen Genos-sen, bei den vorliegenden Atomaus-

stiegsgesetzen im Bundestag ein zweitesMal über die eigenen Pläne abzustim-men. Die Atomenergie, so Schröder, seivon Angela Merkel immer wieder alsBrückentechnologie bezeichnet worden.Nun brauche es für den wegfallendenAtomstrom ebenfalls einen Ersatz alsBrückentechnologie. »Und das ist Gas«,erklärte Schröder unter dem Gelächterder Zuhörer. Zur Auswahl stehe Nordafri-ka oder auch der Iran, allerdings nur mitbegrenzten Möglichkeiten. Ebenfalls inFrage käme Russland, mit unbegrenztenMöglichkeiten.

Beim Stichwort Griechenlandhilfen

ging der Bundeskanzler mit seiner Nach-folgerin hart ins Gericht. Sie habe durchihre zögerliche Haltung alles verteuert.»Man kann ein Land auch ruinieren,

vorwärts: In Interviews kündigt der

neue Schlecker-Chef an, dass 800 Filia-

len geschlossen werden sollen. Wissen

Sie, wo in Niedersachsen Schließungenerfolgen werden?

Kerstan: Wenn ich heute aus dem Ladengehe, weiß ich morgen nicht, ob ich nocheinmal reingehen kann. Es gibt derzeitnur Gerüchte und keine konkreten Aus-sagen der Unternehmensleitung. VieleMitarbeiterinnen machen sich großeSorgen um ihre Zukunft. Bei uns arbeitenviele Frauen mittleren Alters und auchAlleinerziehende, die Angst davor haben,keine neue Stelle zu finden.

vorwärts: Die neue Spitze will die

Läden umbauen und das Angebot ver-

bessern. Reichen diese Maßnahmen

aus ihrer Sicht, um Schlecker wiederattraktiver zu machen?

Kerstan: Es ist richtig, dass etwas verän-dert wird. Unser Angebot ist häufig sehrausgedünnt – und wenn ich dreimal das

indem man es überfordert«. Er riet zurGeduld, da Reformen bekanntermaßenerst nach Jahren wirkten. Als beredtesBeispiel nannte er die Agenda 2010, ander heute niemand mehr zweifle - »außereinige in der SPD«. Mit Blick auf das Jahr

2013 rechnet Schröder seinen Genossengute Chancen aus, ohne sich zu Spekula-tionen in Personalfragen hinreißen zulassen. ■

gewünschte Duschgel nicht anbietenkann, bleiben die Kunden halt weg. Dastut mir schon weh, denn ich arbeite sehr

gerne bei Schlecker, trotz aller Probleme.Ich bin skeptisch, dass die Umstrukturie-rung bis Ende 2012 gelingen kann, wie esdie neue Schleckergeneration in Inter-views verspricht. Bisher sind gerade ein-mal 60 Filialen modernisiert worden.

vorwärts: Was fordern Sie als

Betriebsrätin von ihrem Arbeitgeber?

Kerstan: Lars und Meike Schlecker müs-sen ihre Verantwortung gegenüber denBeschäftigten ernster nehmen. Die Per-sonalplanung muss offengelegt wer-den! Es kann nicht sein, dass wir uns alleInformationen über die Zukunft vonSchlecker im Internet zusammensu-

chen müssen. Die Chefs müssen mit denBeschäftigten reden, nicht nur über sie.Eine solche Offenheit würde auch demangeschlagenen Image von Schleckergut tun.■SchumS

Rund 200 Gäste aus Verbänden, Wirt-schaft und Medien begrüßten die SPD-Landesgruppe Niedersachsen/Bremenzum fünften Pfingsttreffen Anfang Juniin der Landesvertretung Bremen.

Holger Ortel, Vorsitzender der Lan-desgruppen, sorgte mit einer »mehrspra-chigen« Begrüßungsrede – mit Passagenauf Platt – für eine ungezwungene Atmo-sphäre, die den Abend prägte. Der Del-

menhorster Bundestagsabgeordnetekündigte an, im Herbst nicht mehr fürden Vorsitz der Landesgruppe zu kandi-dieren. »Genosse Wiederwahl tritt nichtwieder an«, erklärte Ortel, der 10 JahreVorsitzender der Landesgruppe war. »DerKapitän verlässt die Brücke, aber er gehtnicht von Bord«.

Der Festredner des Abends, Altbun-deskanzler Gerhard Schröder, war ausalter Verbundenheit zur LandesgruppeNiedersachsen gerne der Einladung zumPfingsttreffen gefolgt - und überzeugtemit einer Rede, gemischt aus politischenSeitenhieben gegen die schwarz-gelbe

Regierung, humorvollen Bemerkungenund guten Ratschlägen an seine SPD. Ersprach über den Atomausstieg, die Grie-chenlandhilfen und die Lage seiner Par-

In der Märzausgabe berichtete Schlecker-

Betriebsrätin Angelika Kerstan über die

schwierigen Arbeitsbedingungen bei der

Drogeriekette. Mittlerweile gibt es eine

neue Unternehmensspitze, das Filialnetzsoll neu strukturiert werden. Gegenüber

dem »vorwärts« bemängelt Angelika Ker-

stan die Informationspolitik von Schlecker

gegenüber den Beschäftigten.

ImpressumHerausgeber: 

SPD Niedersachsen

Verantwortlich:Michael Rüter

Redaktion: Remmer Hein,

Christoph Matterne,

Lothar Pollähne,

Sebastian Schumacher

Anschrift: Odeonstraße 15/16,30159 Hannover

E-Mail: [email protected]

Layout & Satz: Anette Gilke

[email protected]

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IV NIEDERSACHSEN 07|08/2011 vorwärts

UNSERE DIREKTBEWERBERINNEN

UND -BEWERBERIn dieser und der nächsten Ausgabe des Niedersachsen-Vorwärts stellen wir Direktbewerberinnen undDirektbewerber für den Kommunalwahlkampf 2011 vor.

BURKHARD BISANZBürgermeister für die SamtgemeindeBardowick»Politik wird mit Menschen gemacht;

wichtig ist, dass sie auch für Menschen

 gemacht wird. Es gibt viel zu tun,

insbesondere bei den Krippen, Kindergär-

ten, der nachschulischen Be-

treuung, den Busanbindungen und den

 Angeboten für die ältere Generation.«

www.burkhardbisanz.de

UTE FEHNBürgermeisterin für den FleckenCoppenbrügge

»Ich schreibe ZUKUN FT groß: heimische Wirtschaft stärken, erneuerbare

Energien ausbauen, miteinander innovative Konzepte für Jung und Alt 

schnell umsetzen.«  www.ute-fehn.de

MICHAEL RIESENBürgermeister für Bad Harzburg

»Gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern möchte ich Bad Harzburgzu einer lebenswerten Stadt für Menschen aller Altersklassen weiterentwik-

keln. Mit Kreativität, Ideen, Durchsetzungsvermögen und Entscheidungs-

 freudigkeit werde ich eine moderne Stadtentwicklung einleiten und so Bad

Harzburg fit für die Zukunft machen.« www.michael-riesen

MATTHIAS NASSBürgermeister für die SamtgemeindeScharnebeck»Die Menschen ernst nehmen, Bürgerinter-

essen erkennen, politische Entscheidungen

im Sinne der Bürgerinnen und Bürger 

herbeiführen. «

JOHANN SAATHOFFBürgermeister für die Gemeinde

Krummhörn (Ostfriesland)»Ich setze mich ein für Arbeitsplätze und

Bildungsgerechtigkeit insbesondere im

ländlichen Raum.«

www.spd-krummhoern.de

MANFRED EERTMOEDBürgermeister für Hinte»Es ist mir eine besondere Freude, in meiner 

Heimatgemeinde als Bürgermeister 

kandidieren zu dürfen.«

www.manfred-eertmoed.de

WERNER PREISSNERBürgermeister für Algermissen»Gemeinsam mit einer starken SPD- Frakti-

on im Gemeinderat kann man in und für 

 Algermissen viel erreichen.« www.spd-algermissen.de

ANGELA SCHÜRZEBERGLandrätin für den Landkreis Holzminden

»Den Landkreis, die Schatzkammer desWeserberglandes, will ich als attraktiven

Lebens- und Arbeitsraum zukunftssichernd

entwickeln.« www.spd-ub-holzminden.de

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NIEDERSACHSEN V07|08/2011 vorwärts

»Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität,die Grundwerte der SPD, sind auch

zutiefst christliche Werte«, betonte diestellvertretende LandesvorsitzendeGabriele Lösekrug-Möller in ihrerBegrüßung zu einer Veranstaltung desSPD-Landesverbandes. Ziel der Veran-staltung solle es sein, einen Arbeitskreis»Christinnen und Christen im SPD-Lan-desverband Niedersachsen« ins Lebenzu rufen. Ein großer Teil der SPD-Mit-gliedschaft sei auch als Kirchenmitglie-der aktiv, ein Grund mehr, einen solchenKreis zu gründen. Unter dem Titel»Suchet der Stadt Bestes« (Jeremia 29, 7)ging es um die Frage, was Bürger- undChristengemeinde zur Entwicklung des

gesellschaftlichen Miteinanders auf kommunaler Ebene beisteuern kön-nen.

Stefan Schostok, Vorsitzender derniedersächsischen SPD-Landtagsfrakti-on, erklärte in einem Grußwort, derAnstoß zu mancher großen gesell-schaftspolitischen Debatte sei aus denKirchen hervorgegangen und die SPDkönne von der Kirche lernen, »wie mansolche Grundsatzdebatten gestaltet«.

Großen Eindruck bei den rund 80Gästen hinterließ das Referat von Cor-nelia Coenen-Marx, Referatsleiterin derEvangelischen Kirche in Deutschland

(EKD) für sozial- und gesellschaftspoli-tische Fragen. Die gewachsenen sozi-alen Netze, in denen wir leben, seienbrüchiger geworden, erklärte die Refe-rentin. Reichtums- und Armutsquartie-

re in den Kommunen grenzten sichimmer mehr voneinander ab. Die Tren-

nung in der Gesellschaft werde sich imRahmen des demographischen Wan-dels noch weiter verschärfen. »Von die-sen Prozessen ist Kirche nicht unbe-rührt«, betonte die Referentin. Die Zahlder Kirchenmitglieder sinke ebenso wiedamit verbundenen Kirchensteuerein-nahmen. Kirche müsse sich mit Famili-enzentren an Familien und Pflegebe-dürftige wenden. »Aber nicht nur diequantitativen, auch die qualitativenAnforderungen wachsen.« Coenen-Marx erklärte, man brauche beim Aus-bau der Pflege dieselbe Bewegung wiebei Bildung und Erziehung.

In der von Benno Haunhorst, Spre-cher des AK Christen in der SPD auf Bundesebene, moderierten Podiums-diskussion strich die Bundestagsabge-ordnete Caren Marks aus Wedemark(Hannover Land) heraus: »Neben mei-nem Bundestagsmandat bin ich nichtzufällig im Rat einer Gemeinde aktiv,sondern weil ich das sogenannte »Klei-ne« nicht aus dem Blick verlieren möch-te.«

Über die Diakonie zurück zurKirche

Der anschließend auf dem Podium als»Urgestein« der Politik vorgestellte KarlRavens wollte diese Bezeichnung so garnicht für sich gelten lassen. Lieber sei er»glühende Lava« als kalter harter Stein,

betonte der ehemalige Bundesbaumi-nister und Vorsitzende der niedersäch-sischen SPD-Landtagsfraktion sowielangjähriges Mitglied der Synode. Unddass diese Bezeichnung weit besser auf ihn zutraf, davon konnten sich die Besu-cher der Veranstaltung ein überzeugen-des Bild machen. Ravens erklärte, überdie Diakonie sei er letztlich zur Kirchezurück gekommen, nachdem er im Drit-

ten Reich einen uniformiert durch dieKirche stiefelnden Pastor habe erlebenmüssen. Aus seiner Zeit als Bundesbau-minister berichtete er, dass er damalsstark mit der Frage des sozialen Woh-nungsbaus befasst gewesen sei. Mitzurückgehender Förderung und Ein-führung einer Fehlbelegungsabgabehabe man unbeabsichtigt eine Fehlent-wicklung unterstützt. Nur noch ganzbestimmte Schichten seien in den sogeförderten Stadtteilen angesiedeltworden mit allen Problemen, die auseiner so entmischten Bevölkerungerwachsen. Mit der Bemerkung »Sie

müssen sich mal vorstellen, wir wür-den einen Stadtteil haben, in dem esnur allein erziehende Väter gebe«,machte er den Besuchern deutlich,welch eine Fehlentwicklung man inbester Absicht gefördert habe. Es gelte,Menschen, die abgestürzt seien, wiederin die Gesellschaft zurückzuführen. Anseine Partei richtete er den Wunsch,man möge auf Parteitagen häufigerLeute wie Frau Coenen-Marx zu Wortkommen lassen.

Mit einem Aufruf zur Gründung desArbeitskreises Christen in der SPDbeschloss SPD-Landesvorsitzender Olaf 

Lies den Abend. In Hannover gebe eseine solche Initiative bereits seit 30 Jah-ren. Man wolle aber für alle niedersäch-sischen SPD-Mitglieder eine solcheMöglichkeit eröffnen. Damit solle nichtzerstört werden, »was vor Ort gut läuft«,machte Lies deutlich. Geplant sind Tref-fen, die viermal im Jahr stattfinden,zudem zweimal jährlich eine Veranstal-tung.■

Interessentinnen und Interessenten an

der Mitarbeit im Arbeitskreis »Christen in

der SPD« beim Landesverband Nieders-

achsen wenden sich an:

SPD-Landesverband NiedersachsenOdeonstraße 15/16

30159 Hannover

Telefon: 0511.1674-0

[email protected]

SUCHET DER STADT BESTESPodiumsdiskussion mit Oberkirchenrätin Cornelia Coenen-Marx – Arbeitskreis »Christen in derSPD Niedersachsen« gegründet

Von Remmer Hein

V.l.n.r.: Referatsleiterin der EKD für sozial- und gesellschaftspolitische Fragen, Cornelia Coenen-

Marx, Benno Haunhorst, Sprecher des AK Christen in der SPD und Caren Marks MdB, familienpoliti-

sche Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion. Foto: Hans-Werner Blum

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VI NIEDERSACHSEN 07|08/2011 vorwärts

MEHR ALS WIRTSCHAFT UND

WACHSTUMKanzlerin Merkel ohne Krisenkonzept / Starkes Europa im Eigeninteresse Deutschlands

Von Matthias Groote

GROOTE FÜR EU-EIGENMITTELFinanzsystem ist kompliziert und unflexibel / Kritik am Landtagspräsidenten

opa mit starker Kaufkraft liegt im hohenEigeninteresse Deutschlands.

Zu allem Überfluss ist die Europä-ische Zentralbank (EZB) nicht mehrglaubwürdig und unabhängig, fälltsomit als objektiver Berater aus. Es warsehr nachlässig von Kanzlerin Merkel,als sie es nicht verhinderte, dass die EZBgriechische Staatsanleihen kaufte – und

somit direkte Beteiligte der Krise wurde.Als Großkreditgeber ist sie ein schlechterEntscheidungshelfer.

Griechenland braucht einen erkenn-baren Forderungsverzicht der Gläubiger.Eine sanfte Umschuldung allein reichtnicht aus. Nötig ist, private Gläubiger anHilfsaktionen für Euro-Staaten wie Grie-chenland und am Euro-Rettungsschirm,dem Europäischen Stabilitätsmechanis-mus (EMS), zu beteiligen. Aber es muss

Einige Mitgliedsstaaten wollen den lang-fristigen EU-Haushalt einfrieren.Matthias Groote, EU-Abgeordneter ausOstfriesland: »Das bedeutet Abstriche,die auch Niedersachsen spüren würde.«Um die gemeinsam vereinbarten EU-Ziele zu erreichen, muss der EU-Haushaltum fünf Prozent gegenüber dem Stand2013 erhöht werden. Das meint die großeMehrheit des EU-Parlaments.

Wichtig für Niedersachsen: Die Aus-gaben für Regional- und Agrarpolitik sol-len auf heutigem Niveau bleiben, fordern

die Abgeordneten. Sie verlangen außer-dem höhere Investitionen in die Energie-Infrastruktur.

Der mehrjährige Finanzrahmen(MFR) ab 2014 muss die vereinbartenpolitischen Ziele widerspiegeln. »Wirbrauchen eine Erhöhung, weil Europawettbewerbsfähig bleiben muss und wirdafür einen realistischen Haushalt brau-chen«, sagt Matthias Groote. Eine Erhö-hung um fünf Prozent über dem Niveauvon 2013 heißt: Der EU-Haushalt nimmt1,11 Prozent des gesamten Bruttonatio-naleinkommens der EU in Anspruch,gegenüber 1,06 Prozent im Jahr 2013.

Wie die meisten Abgeordneten istGroote mit dem gegenwärtigen Finan-zierungssystem unzufrieden, das fastausschließlich auf nationalen Beiträgenberuht und sehr kompliziert ist. Laut EU-

mehr kommen: Die Griechen werden niewieder auf einen grünen Zweig kommen,wenn die EU weiter nur auf harte Sparein-schnitte setzt. Das hält dort innenpoli-tisch auf Dauer keine Regierung durch.Hilfreich wäre ein Europäisches Wachs-tumsprogramm, das sich aus Umschich-tungen bestehender EU-Fonds und einemVerzicht auf griechische Ko-Finanzierun-

gen bei Infrastruktur-Ausgaben speist.Auch wenn es zurzeit wenig oppor-

tun erscheint und die Ökonomie Vorranghat: Europa bedeutet mehr als Wirt-schaft und Wachstum. Europa steht fürWohlstand und Frieden, Demokratie undMeinungsfreiheit. Europa ist nicht dasProblem, sondern die Lösung. DennDeutschland ist als »Global Player« zuklein und als Exportnation zu groß, umauf Europa verzichten zu können. ■

Vertrag soll der Haushalt aus Eigenmit-teln finanziert werden. Groote: »Daswäre fairer, transparenter, einfacher undgerechter.« Eine solche Reform würdeweder den Haushalt ausdehnen nochdie Bürger mit mehr Steuern belasten. ■

Deutschland ist als Weltmacht zu kleinund als Wirtschaftsmacht zu groß, umauf Europa verzichten zu können. DerKommentator der »Wirtschaftswoche«hat mehr als Recht. Nicht nur er machtsich dieser Tage Gedanken um Europa.Auslöser ist die seit langem aktute Schul-denkrise mehrerer EU-Staaten, wieIrland und Portugal, allen voran jedoch

Griechenland. Leider hat die Bundesre-gierung kein schlüssiges Konzept, mitdem sie die europäischen Partner über-zeugen und mitziehen könnte.

Neben Deutschland fällt auch Frank-reich als europäische Lokomotive aus. Zuallem Unglück führt Kanzlerin Merkelunser Land immer mehr in die Isolation.Dabei sind gerade wir Deutschen auf Europa angewiesen – als wichtigesExportgebiet. Ein solide finanziertes Eur-

Landtagspräsident Hermann Dinkla,CDU, denkt kleinkariert und wider-sprüchlich. Gemeinsam mit den Land-tagspräsidenten aus Deutschland, Öster-reich und Südtirol will er die Vergabe vonFördermitteln der EU stärker beeinflus-sen – und dafür die Bürokratie in Nieder-sachsen durch zusätzliche Referentenaufblähen. Besser wäre, er würde seineCDU-Freunde in Brüssel unterstützen,wenn es um den künftigen Finanzrah-men der EU in den Jahren 2014 bis 2020geht.

Matthias Groote MdEP

Matthias Groote übergibt dem Präsidentender EU-Kommission, Jose Manuel Barroso, mehr

als 3000 Stimmen gegen Armut. Die junge

Gruppe »Peer Leader« aus Grootes Heimatort

Ostrhauderfehn haben die Stimmen ge-

sammelt.  Foto: European Union

www.groote.eu/aktuell/neues-aus-strassburg/

BANKEN-CHEFS UND EINLAGENSICHERUNG

Zu einer Informationsveranstaltung zum Thema Europäische Einlagensi-cherung hatte MdEP Matthias Groote nach Leer eingeladen. Mehr als 60

Bank- und Sparkassen-Chefs aus Weser-Ems kamen. Das Foto zeigt vonlinks Heinz Feldmann (Sparkasse Leer-Wittmund), Torsten Bauer (Nds.Sparkassenverband), Georg Litmathe (Genossenschaftsverband Weser-Ems), die Europaabgeordneten Peter Simon und Matthias Groote, sowieCarsten Rinne (Sparkasse Leer-Wittmund).

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NIEDERSACHSEN VII07|08/2011 vorwärts

BESCHLÜSSE ZU KOMMUNAL-POLITIK UND GORLEBENund Bürger und spricht sich für bessereArbeitsbedingungen für Pflegekräfte aus.

Klar positionierte sich der Landespar-teitag auch in Sachen Gorleben, erteiltendie Delegierten auf Initiative der Genos-sinnen und Genossen aus dem SPD-Unter-bezirk Uelzen/Lüchow-Dannenberg denPlänen der CDU eine unmissverständlicheAbsage, den Salzstock als Endlager fürhochradioaktiven Atommüll in Erwägungzu ziehen. Eine ergebnisoffene Endlager-

suche solle deutschlandweit stattfinden –ohne den ungeeigneten Standort imWendland hierbei zu berücksichtigen. InWolfsburg praktizierte der Landesverbanddie Öffnung der SPD für Nichtmitglieder:Alle Interessierten konnten an Reden undAntragsberatungen teilnehmen und sichim Foyer an »Gesprächsinseln« über dieZiele der SPD bei der Kommunalwahl infor-mieren – Kritik anzubringen war aus-drücklich gewünscht. Erstmals hattenaußerdem die VertreterInnen der im Jahr

2010 etablierten Foren die Gelegenheit,ihre politischen Vorstellungen in Form vonAnträgen einzubringen und mittels Rede-beitrag um Zustimmung zu werben. Davonmachten die Foren »Partizipation undDemokratie im Internet« sowie »Nachhal-tigkeit und Neue Energie« Gebrauch – undsie erreichten breite Mehrheiten für ihreAnträge »Aufbruch ins digitale Zeitalter«und »CCS und CCR behindern nachhalti-gen Fortschritt«. ■SchumS

Volles Haus im CongressParkWolfsburg.

Kleines Foto v.l.n.r.:

Stefan Schostok, Stephan

Weil, Olaf Scholz und Olaf 

Lies beim Landesparteitag.

 Fotos (2): Christoph Matterne

Auf dem ersten Offenen Landesparteitagder niedersächsischen SPD stand die Kom-munalpolitik im Mittelpunkt der Antrags-beratungen. So erörterten, verändertenund beschlossen die Delegierten den kom-munalpolitischen Leitantrag des Landes-vorstandes. Dieser sieht unter anderemhöhere Einnahmen der Kommunen durchdie Einbeziehung der Freien Berufe in dieGewerbesteuer vor, fordert das kommuna-le Wahlrecht für Nicht-EU-Bürgerinnen

Offener Landesparteitag in Wolfsburg

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VIII NIEDERSACHSEN 07|08/2011 vorwärts

VORWÄRTSRÄTSEL

Es hätte die Wiederbelebung

der Beatles sein können, zu der

George Harrison im Sommer

1971 einlud, aber Paul McCart-

ney lehnte spontan ab und

John Lennon, obwohl mittler-

weile nur einen Steinwurf von

Veranstaltungsort entfernt

lebend, nahm seine Zusage

zurück, als er erfahren musste,dass Yoko Ono als Gast uner-

wünscht war. Lediglich Ringo

Starr hatte Zeit für einen bis

dato nicht gesehenen Tag des

Rock. An Stelle der verschnupf-

ten Ex-Beatles kamen andere

Götter aus dem Rock-Olymp.

Als George Harrison, Ringo,

Eric Clapton, Bob Dylan und

viele andere Granden am 1.

August 1971 die Bühne des

Madison Square Garden in

New York rockten, hatte wohl

niemand die Idee, dass sie

Rock-Geschichte schreibenwürden. Das gemeinsame

Konzert war zum einen der

Abgesang auf die Sixties und

zum andern der Auftakt für

eine mittlerweile unüber-

schaubare Anzahl von Benefiz-

Konzerten. Der Anlass für das

Konzert war ein Drama auf 

dem indischen Subkontinent.

Kurz nachdem sich der Osten

Pakistans für unabhängig

erklärt hatte, was zum Krieg

führte, setzte ein Wirbelsturm

große Teile des Landes unter

Wasser. Zigtausende starbenund in der Folge kam es zu

einer Hungerkatastrophe von

bis dahin ungeahntem Aus-

maß. Bis heute erbringt die

Verwertung des Konzertes auf 

CD und DVD Geld für notlei-

dende Menschen in dem Land

ein, nach dem das Konzert sei-

nen Namen erhielt. Welchen?

Zu gewinnen gibt es eine DVD

dieses Konzerts.■lopo

Die Lösung bitte an den

vorwärts, Odeonstr. 15/16,

30159 Hannover

Im Juni war der Paperback

Writer gesucht. Gewonnen

hat Christian Meyer aus

Stadthagen

KEIN VERSICHERTER MUSS

SICH SORGEN MACHENVorwärts-Interview mit Dr. Jürgen Peter, Vorstandsvorsitzender der AOK Niedersachsen

falls bundesweit auf, nicht nur in unseremBundesland. Die AOK Niedersachsen istdie größte landesunmittelbare Kranken-kasse. Jeder dritte Niedersachse ist bei unsversichert. Wir sind finanzwirtschaftlichstabil aufgestellt und können zum jetzigenZeitpunkt einen Zusatzbeitrag für unsereVersicherten auch für das kommende Jahr

ausschließen.Vorwärts: Viele Menschen machen

sich Sorgen, was aus ihnen wird, wenn

auch ihre Krankenkasse Konkurs anmel-

det. Haben vor allem alte und gebrechli-

che Menschen überhaupt Aussicht, zu

vergleichbaren Konditionen eine neue

Versicherung zu finden?

Dr. Peter: Kein Versicherter muss sich Sor-gen machen, denn alle gesetzlichen Kran-kenkassen haben die Pflicht, jedes Mitgliedaufzunehmen. Ich hoffe, dass die Politikaus der aktuellen Pleite einer Krankenkas-se gelernt hat und dass sich auch die Kran-kenkassen in Zukunft fair verhalten. Es

wurden auch neue Regeln ausgearbeitet,nach denen zukünftig solche Situationenbesser gemeistert werden können.

Vorwärts: Wie sieht es bei der AOK in

Niedersachsen aus?

Dr. Peter:Wie eben erwähnt schließen wirderzeit einen Zusatzbeitrag auch für 2012aus. Durch die Fusion mit der IKK Nieder-sachsen sind wir weiter gewachsen, wirversichern aktuell 2,45 Millionen Men-schen in Niedersachsen. Wir sind im bun-desweiten Vergleich die neuntgrößtegesetzliche Krankenkasse. Auch die 6750Mitarbeiter des Unternehmens profitierendavon, dass wir uns zukunftssicher aufge-

stellt haben. Wir gestalten die Gesund-heitsversorgung hier in Niedersachsenund nehmen unsere gesellschaftliche Ver-antwortung sehr ernst. Es gilt, die Versor-gung qualitativ hochwertig, bezahlbar

und gerecht zu gestalten.Vorwärts: Finanznöte auf der einen und

Milliardenüberschüsse des Gesundheits-

fonds und Forderungen nach Beitrags-

senkungen auf der anderen Seite – wie

passt das zusammen?

Dr. Peter: Fakt ist, dass uns durch die stei-genden Kosten im Gesundheitswesenschon im kommenden Jahr eine neue Lük-ke im Gesundheitsfonds erwartet. Deraktuelle Überschuss von 1,5 Milliarden

Euro wird die neue zu erwartende Lückebei Weitem nicht schließen. Die Forderungnach einer Beitragssatzsenkung für dieKrankenkassen ist absurd. Und Kassen, dieheute bereits Ihre Rücklagen angreifenmüssen, werden in der nächsten Zeit kaumum Zusatzbeiträge herumkommen.

Vorwärts: Wäre es nicht sinnvoll, eine

Krankenkasse für alle Beitragszahler zu

schaffen? Paritätisch finanziert und die

Beiträge nach individueller Leistungsfä-

higkeit gestaffelt. Das wäre transparent

und gerecht.

Dr. Peter: Grundsätzlich gilt es in meinenAugen, das derzeitige System rund um die

Wahlfreiheit als wichtige Errungenschaftunserer Gesellschaft zu erhalten. Aber wirbrauchen einen Wettbewerb um gute Ver-sorgung – und nicht um den Preis bezie-hungsweise um Zusatzbeiträge. Hierfürmuss die Politik die Rahmenbedingungenschaffen. Eine Einheitskasse – ein Monopol– würde neue und ganz andere Effizienz-probleme aufwerfen. Auch die regionaleGesundheitsversorgung in Niedersachsenwürde darunter leiden.

Vorwärts: Als Laie hat man den Ein-

druck, das Gesundheitssystem beschäf-

tigt sich mehr mit den eigenen Struktu-

ren als mit der Gesundheit der Menschen.

Ein berechtigter Vorwurf?Dr. Peter: Der Vorwurf ist nachvollziehbar.Durch den hohen Kostendruck wird der-zeit viel diskutiert, Strukturen werden hin-terfragt. Dieser Prozess ist ganz normalund vor allem auch nötig. Allerdings spieltin meinen Augen die Gesundheit der Men-schen in der momentanen Diskussion einezu geringe Rolle. Die drei zentralen Fragensind für mich: Wie können wir angesichtsder demographischen Entwicklung unse-ren hohen qualitativen Standard haltenbzw. weiterentwickeln? Wie können wires schaffen, dass möglichst alle am medizi-nisch-technischen Fortschritt und an Inno-

vationen teilhaben können? Und die Gret-chenfrage lautet, wie wir dies alles langfri-stig und möglichst gerecht finanzierenkönnen. An diesen Zukunftsfragen müs-sen wir gemeinsam arbeiten.■SchumS

Vorwärts: Herr Dr. Peter, Konkurrenz

belebt das Geschäft – auch zwischen den

Krankenkassen. Erleben wir mit den dro-

henden Krankenkassenpleiten eine

Marktbereinigung, wie sie von der Bun-

desregierung angestrebt wurde?

Dr. Peter: Wir erleben momentan eineMarktbereinigung, das ist richtig. Politi-

sches Ziel war und ist es, dass sich die Zahlder gesetzlichen Krankenkassen auf 50 bis100 reduziert. Allerdings sollte dieses Zielnicht durch Pleiten, sondern durch Fusio-nen erreicht werden. Nur mit geplantenFusionen können sich Einheiten bilden, diedie nötige wirtschaftliche Stabilität erlan-gen. Denn Schwankungen bei den Einnah-men und Ausgaben können kleine Kassenkaum mehr auffangen. Kassen, die infinanziellen Schwierigkeiten sind, müssenZusatzbeiträge erheben. Dies löst einehohe Wechselbereitschaft bei ihren Mit-gliedern aus. Dadurch entsteht schnelleine Abwärtsspirale, denn es sind vor

allem die gesunden Mitglieder, die wech-seln. Findet eine Krankenkasse dann kei-nen Fusionspartner, droht die Schließungoder Insolvenz. Die Zahl der Krankenkas-sen wird zwangsläufig weiter sinken, hiererwartet uns noch eine größere Dynamik.

Vorwärts: Der Bundesgesundheitsmi-

nister hat weitere Pleiten wie bei der BKK

ausgeschlossen. Dennoch machen Mel-

dungen die Runde, dass viele Kranken-

kassen am Abgrund stehen. Wie ist die

Lage in Niedersachsen, werden Kranken-

kassen schließen müssen?

Dr. Peter:Nach Aussagen des Bundesversi-cherungsamtes, des BVA, sind 20 Kranken-

kassen angeschlagen und können nichtmehr die gesetzlichen Mindestrücklagenaufweisen. In Niedersachsen sind fast alleKrankenkassen bundesunmittelbar orga-nisiert, ihre Probleme treten gegebenen-