vorwärts April 2012

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vorwärts DIE ZEITUNG DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATIE n GEGRÜNDET 1876 April 2012 VORWÄRTS.DE: JETZT NEU! € 2.50 – A 07665 4 1 9 7 4 0 7 5 0 2 5 0 6 0 4 ILLUSTRATION: JENS BONNKE € 2.50 – A 07665 SCHWARZ-GELB VERSAGT DIE ENERGIEWENDE DROHT ZU SCHEITERN HANNELORE KRAFT »WIR KÄMPFEN MIT ERHOBENEM HAUPT« PETER FELDMANN SENSATIONSSIEG BEI FRANKFURTER OB-WAHL

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Zeitung der deutschen Sozialdemokratie. Titel: Schwarz-Gelb versagt bei der Energiewende. Hannelore Kraft im Interview

Transcript of vorwärts April 2012

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SchWaRz-gElb VERSagTdie energiewende droht zu scheitern

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PETER fElDmannsensationssieg bei frankfurter ob-wahl

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In Hessen kommt der E-PostbriefModerne Mitgliederkommunikation mit der Deutschen PostImmer auf dem Laufenden, immer aktuell – die SPD-Landesverbände informieren ihre Mitglieder

stets über neue politische und parteiinterne Entwicklungen. So auch in Hessen: Der Landesver-

band zählt 61.000 Mitglieder zwischen Kassel und Darmstadt, mit denen er über unterschiedliche

Kanäle regelmäßig kommuniziert. Seit Kurzem nutzt die Landesgeschäftsstelle in Wiesbaden

einen neuen bequemen und sicheren Kommunikationskanal für den Dialog zwischen Partei und

Mitgliedern – den E-Postbrief der Deutschen Post.

Kontakt:SPD-Landesverband Hessen Rheinstrasse 2265185 [email protected]

Die hessische SPD kooperiert bereits seit 2005 mit der Deutschen Post.

Besonders eng war die Zusammenarbeit mit dem Landesverband in den

Landtagswahlkämpfen 2008 und 2009. Das jüngste gemeinsame Projekt

von SPD Hessen und der Deutschen Post ist die Einbindung des E-Postbriefs

in die Mitgliederkommunikation der Partei. So ist der Landesverband

seit Dezember 2011 für seine Mitglieder auf diesem Weg erreichbar

([email protected]). Um den neuen Kommunikationskanal und

die E-Postbrief Adresse bekannt zu machen, verschickte die Landesge-

schäftsstelle in Wiesbaden im Rahmen einer Mitgliederbefragung einen

Brief an alle 61.000 Genossinnen und Genossen in Hessen – verbunden

mit dem Hinweis, sich für den E-Postbrief registrieren zu lassen.

Mehr als 90 Prozent kennen ihn …

Mehr als 90 Prozent der Deutschen kennen den E-Postbrief. Immer mehr

Bürger, Unternehmen und Verwaltungen in Deutschland nutzen ihn

auch: rund eine Million Privatkunden, mehr als 100 Großkunden und

rund 4.000 Mittelständler.

Der E-Postbrief etabliert sich zunehmend als leistungsfähige Plattform

für sichere und bequeme elektronische Schriftkommunikation. Seine

Produkteigenschaften überzeugen: So können E-Postbriefe rund um die

Uhr sicher online versandt werden – bequem von zu Hause aus oder im

Büro, über das Portal www.epost.de oder über eine Firmenanwendung.

Und sie erreichen jeden Empfänger in Deutschland. Besitzt jemand noch

kein E-Postbrief Postfach, druckt die Deutsche Post das Schreiben aus,

kuvertiert es und stellt den Brief anschließend per Postboten zu. Dabei

profitieren alle Nutzer von der flächendeckenden und lückenlosen Ver-

knüpfung des sicheren elektronischen Netzes mit dem bewährten phy-

sischen Postnetz.

Ganz wichtig in Zeiten von Internetkriminalität und Datenklau: Der

E-Postbrief erfüllt höchste Anforderungen an Sicherheit und Datenschutz.

Dies belegen die Zertifikate der Unternehmensgruppe TÜV NORD und

des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Ganz

aktuell hat der E-Postbrief das Datenschutz-Gütesiegel des Unabhängigen

Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) erhalten. Das

ULD bescheinigt damit, dass der E-Postbrief die geltenden Vorschriften

für Datenschutz und Datensicherheit erfüllt.

Doch was genau macht den E-Postbrief so sicher? Durch das Identifizie-

rungsverfahren tritt kein Nutzer unter falschem Namen auf. Jeder

Teilnehmer identifiziert sich durch das POSTIDENT-Verfahren kostenlos

in seiner Postfiliale. Spam und Viren sind ausgeschlossen, eine Ver-

änderung des Inhalts durch unbefugte Dritte ist durch hoch sichere

Verschlüsselungsverfahren unmöglich.

Versand wichtiger Unterlagen per E-Postbrief

Die Vorteile des E-Postbriefes haben den Landesverband in Hessen über-

zeugt. Der Landesgeschäftsführer Dr. Wilfried Lamparter erklärt: „Mittels

E-Postbrief sind wir für unsere Mitglieder noch besser zu erreichen.“ So

wird die Kommunikation mit den Mitgliedern weiter vorangetrieben

und verbessert. Beim Massenversand über den E-Postbrief spart der

Landesverband Zeit und Geld. Große Teile der Schriftkommunikation

können digitalisiert werden. So werden die Prozesse schneller und kosten-

günstiger. Die Parteimitglieder können sich zudem über noch schnellere

Reaktionen bei Serviceanfragen freuen. Auch in Zukunft setzt die hessische

SPD auf den E-Postbrief. Denkbar sind neue Einsatzgebiete wie der Ver-

sand von wichtigen Unterlagen an die Delegierten von Parteitagen und

Konferenzen.

Privatkunden, Unternehmen sowie Verwaltungen verfügen mit dem E-POSTBRIEF über ein sicheres,

schnelles und bequemes Kommunikationsmedium. Er ist eine Brücke zwischen digitaler und analoger Welt und erreicht alle Empfänger in Deutschland.

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04/2012 vorwärts Inhalt 3

tItel

EnErgiEwEndE: Schwarz-gElb vErSagt

4 So nicht! – Das Versagen der Bundesregierung

5 zum wEchSEl bErEit – Interview T. Schäfer-Gümbel

6 ParadEbEiSPiEl – Erneuerbare Energien in Morbach

8 drEiSPrung – Wünsche an die Energieversorgung

9 nEtzintElligEnz – Probleme beim Stromtransport

Kolumnen

10 global gEdacht – Rafael Seligmann

11 bErlinEr tagEbuch – Uwe Knüpfer

18 zwiSchEnruf – Christoph Zöpel

27 daS allErlEtztE – Martin Kaysh

Kämpferisch: hannelore Kraft im interview Seite 12

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Er ist der Kurator unserer „vorwärts“-galerie auf Seite 23: björn Engholm, der frühere SPd-vorsitzende. in jeder ausgabe stellt er exklusiv für unsere leser junge zeitgenössische Kunst vor. und hat dabei eines im Sinn: „Kauft Kunst!“

aus der redaKtIon

thEmEn in diESEm hEft

news

10 PEtEr fEldmann – Er triumphiert in Frankfurt

12 hannElorE Kraft – Sie setzt auf Sieg in NRW

parteI leben!

13 SEit‘ an SEit‘ – T. Albig und die Gewerkschaften

14 arbEitSgEmEinSchaftEn in dEr SPd Migration und Vielfalt

15 Porträt Serpil Midyatli: Aufstieg im Sauseschritt

wIrtschaft

22 daS branchEnPorträt: Umwelttechnik

Kultur

23 vorwärtS-galEriE – Ironische Trophäen

24 rEzEnSion – W. Schroeder: Vorsorge und Inklusion

hIstorIe

25 diE SiEbzigErJahrE und diE SPd – Erhard Eppler

26 wEr war’S? – Lothar Pollähne

17 ParlamEnt

18 lESErbriEfE

25 imPrESSum

26 rätSElSEitE

27 SEitwärtS

Diese AusgABe enthält eine

VerlAgs-sonDerVerÖFFentlichung

Zum themA »gesunDheit«, seiten 20+21

Redaktionsschluss 26. März 2012

vorwärtS-rEgional aPril bErlin: tEmPElhof-SchÖnEbErg nrw: dortmund

die Siebzigerjahre: Erhard Eppler blickt zurück Seite 25

Protest: demo gegen merkels Energiepolitik Seite 4

liEbE lESErin,liEbEr lESEr!

demokratie ist schön. Gut, sie produ-ziert keine pompösen bilder von auf-märschen und geschlossenen reihen. wer sich für so etwas begeistert, ist in diktaturen besser aufgehoben. demokratie ist unübersichtlich, ihr alltag meist grau. demokratische willensbildung gebiert weder ewige triumphe noch totale niederlagen, sondern Kompromisse.

der gelungenste Kompromiss des landes heißt Joachim Gauck. Könnte angela merkel „durchregieren“, wäre christian wulff noch immer bundes-präsident. dass diese republik aus einer peinlichkeit das beste machte, sollte auch skeptiker überzeugen.

leider agiert die Kanzlerin in der energiewende genauso lässig, selbst-verliebt und tapsig wie bei der bun-despräsidentenkür. das spricht sich herum. Kritik an frau merkels „re-gierungskunst“ kommt inzwischen aus allen teilen der Gesellschaft, von umweltverbänden bis zu handwerk und Industrie. was von schwarz-Gelb noch zu erwarten ist, bringt die titelzeich-nung dieses „vorwärts“ auf den punkt.

wie frau auch unter schwierigen bedin-gungen Kurs hält, das hat hannelore Kraft in nordrhein-westfalen gezeigt. und als es nicht mehr ging, legte sie das schicksal der rot-grünen Koalition beherzt in die hände der wähler.

die wenden sich nicht nur in den ländern sozialdemokraten zu, sondern auch und gerade dort, wo politik am konkretesten ist: in den städten. In frankfurt, in mainz, in schonungen.

denkbar konkret ist auch das neue vorwärts-branchenporträt. wir zeigen, wo junge menschen Zukunft haben. denn darum geht es, immer.

mit herzlichen Grüßen,

uwe KnüpferChefredakteur

4 TiTel vorwärts 04/2012

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»Ohne Energieminister wird die Energiewende nicht zu schaffen sein.«Claudia Kemfert,Energieexpertin des DIW

G egen die Wand gefahren“, sagt der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank- Walter Steinmeier. „Wir sind an

wichtigen Punkten nicht zügig genug vorangekommen“, kritisiert ex-Bundes-umweltminister Klaus Töpfer (CDU). „Aus Sicht der Verbraucher droht die energie-wende ins Wasser zu fallen“, bilanziert Gerd Billen, Vorstand des Verbraucher-zentrale Bundesverbands (vzbv). Vor gut einem Jahr führte die Atomkatastrophe im japanischen Fukushima zu einem abrupten Sinneswandel der Bundesregie-rung: erst wollte sie die Atomkraftwerke länger laufen lassen. Nach Fukushima verkündete sie den Ausstieg bis 2022. Doch die Wende droht zu scheitern.

Atomausstieg: Obwohl 2011 acht Kernkraftwerke vom Netz gingen, kam es im Winter nicht zu Stromausfällen. Trotzdem solle niemand Hurra rufen, warnt Matthias Kurth, bis Februar 2012 Präsident der Bundesnetzagentur. im-mer noch kämen fast 1/6 unseres Stroms aus deutschen Kernkraftwerken. „Der

Härtetest für die energiewende kommt erst, wenn auch die anderen Kernkraft-werke vom Netz gehen.“

Netzausbau: Für die Anbindung der Offshore-Windparks fehlen Seekabel und für den Abtransport des Wind-stroms an land Netze, so dass an wind-reichen Tagen die energie nicht immer vollständig eingespeist werden kann. Ohne Netzausbau gebe es keine energie-wende, denn in den nächsten zehn Jah-ren soll die Windstromproduktion mehr als verdoppelt werden, so Kurth.

Kraftwerksneubauten: Neue Koh-lekraftwerke ersetzen einen Teil der Kernkraftwerke, so Claudia Kemfert, energieexpertin des Deutschen insti-tuts für Wirtschaftsforschung. „in der Kombination mit erneuerbaren energi-en sind allerdings Gaskraftwerke besser geeignet“, so die expertin. Sie können flexibler auf das variable Angebot der erneuerbaren reagieren. Aber für Kraft-werke, die nur als Reserve laufen sollen, fallen keine Bauentscheidungen. Kurth

hält das für ein noch größeres Problem als den zu langsamen Netzausbau.

Förderpolitik: Bis 2050 soll der Ge-bäudebestand klimaneutral werden, aber die steuerliche Förderung energe-tischer Gebäudesanierung steckt fest im Streit zwischen Bund und ländern. Nachdem Anfang 2012 die Vergütung für Photovoltaik gesenkt worden war, will die Bundesregierung nun plötzlich die Vergütung noch einmal radikal um 20 bis 30 Prozent kürzen.

energiepreise: Nur wenn die energie-wende zügig vorangeht, lassen sich die enerigepreise unter Kontrolle halten. Die Kosten für die energiewende dürfen aber nicht allein den Verbrauchern auf-gebürdet werden, fordert der vzbv. Der-zeit beträgt die Umlage für erneuerbare energien 3,59 Cent pro Kilowattstunde. Sie könnte bis 2016 auf 6,7 Cent steigen, so der vzbv, u.a. weil es immer mehr Ausnahmen für Unternehmen gibt.

eine erfolgreiche energiewende sieht anders aus. SPD-Chef Sigmar Gabriel for-dert deshalb ein Bundesenergieministe-rium, das die Kompetenzen bündelt und trifft damit auf Zustimmung. Nur ein solches Ministerium ermögliche koor-diniertes Vorgehen, sagt Stephan Weil, Präsident des Verbands kommunaler Un-ternehmen. So sieht es auch Claudia Kem-fert: „Die energiewende ist ein enorm wichtiges und langwieriges Projekt – oh-ne energieminister wird diese Herkules-aufgabe nicht zu schaffen sein.“ n

Protest in Berlin: Tausende demonstrierten gegen die Kürzung der Solarförderung, darunter SPD-Chef Sigmar Gabriel sowie Jürgen Trittin und Renate Künast von den Grünen.

Debatten

vorwärts.de

... täglich neu!

So niChT!EnERGiEwEnDE Zickzackkurs bei der Förderpolitik, schleppender Netzausbau, fehlende Gaskraftwerke – Umstieg auf erneuerbare stockt Von Susanne Dohrn

04/2012 vorwärts TiTel 5

Chronik des sCheiterns

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Die Bundesregierung hat die AKW-Laufzeiten erst verlängert, dann den Ausstieg beschlossen. Ist sie über-haupt in der Lage, die Energiewende erfolgreich voranzutreiben?Nein, im Gegenteil: es gibt weder einen Masterplan noch sind die Zuständig-keiten geklärt. Deshalb fordern wir ein eigenständiges energieministerium, und zwar nicht als Unterabteilung des Wirt-schafts- oder des Umweltministeriums. Die energiewende muss endlich von einer Hand gesteuert werden.Ist der Atomausstieg bis 2022 zu schaffen oder müssen wir mit einer er-neuten Laufzeitverlängerung rechnen?Die schwarz-gelbe Regierung gefährdet mit ihrem Abstimmungschaos gerade den Atomausstieg. Grundsätzlich ist er aber möglich. Wenn wir die erneuerba-ren entsprechend ausbauen, auch frü-her. Unser Ziel muss klar sein, die Atom-kraft aus dem energiemix Deutschlands herauszunehmen.Schwarz-Gelb will die Solarförderung kürzen. Mit welchen Folgen?Was da passiert, ist grundfalsch. Damit fährt die Bundesregierung alle positi-ven entwicklungen bei der Solarenergie vor die Wand. Die Subventionskürzun-gen sind gerade unter dem Stichwort Planungssicherheit verheerend. Das energieeinspeise-Gesetz war eines der größten Konjunkturprogramme seit dem Marshallplan. Durch die energie-wende haben wir 370 000 Arbeitsplätze gefördert. Jetzt ist ein ganzer Wirt-schaftszweig gefährdet. Wie konsequent ist ein Atomausstieg, wenn die Bundesregierung weiter am Vertrag der Europäischen Atom-gemeinschaft zur Förderung der Kernenergie festhält?es ist längst klar, mit Schwarz-Gelb ist keine wirkliche energiewende möglich. Für mich ist kaum nachvollziehbar, dass wir an anderen Standorten der Welt die Kernenergie fördern. Deswegen streiten wir um einen Politikwechsel, damit die Bundesregierung auch in europa auf ei-ne energiewende dringt.Für viele Verbraucher wird der Strom in diesen Monaten bis zu neun Prozent teurer. Wird Strom zum Luxus?Nein, eine sozialdemokratische Her-ausforderung ist, dass Strom bezahl-bar bleibt und nicht zur neuen sozia-len Frage des 21. Jahrhunderts wird.

Momentan gestalten vor allem die Strom- anbieter RWe, e.ON, enBW und Vatten-fall den Preis. Um endlich einen Wettbe-werb sicherzustellen, müssen die Städte und Gemeinden zu den Trägern der ener-giewende werden. Das heißt nicht, dass die Kilowattstunde am ende nicht teu-rer wird. Aber durch einsparmaßnah-men und die Umstellung können wir die Preise in der Summe stabil halten.Ist es fair, dass stromintensive Industrie bevorteilt wird und zum Beispiel keine Netzentgelte zahlt?Grundsätzlich ist es richtig, dass wir für die energieintensiven industrien Wett-bewerbsverzerrungen vermeiden, um den Bestand nicht zu gefährden. Wir ha-ben die Wirtschafts- und Finanzmarkt-krise nur deshalb gut überstanden, weil wir einen starken industriellen Kern haben. im Übrigen ist er auch einer der Garanten für eine erfolgreiche energie-wende. Wir sollten allerdings diskutie-ren, wie diese Wettbewerbsverzerrung ausgeglichen werden kann.Welche Möglichkeiten gibt es?Möglich sind zum einen pauschale ent-lastungen wie Steuervergünstigungen. Zum anderen ein so genannter Grenz-kostenausgleich, um die Mehrkosten ei-ner klimafreundlicheren Produktion zu

reduzieren. Über beide Konzepte werden wir noch einmal nachzudenken haben.Stichwort Energieeffizienz: Wo gibt es den größten Handlungsbedarf?Hier geht es vor allem um Gebäude. Die energetische Sanierung von Wohn- und Wirtschaftsgebäuden muss gesteigert werden. im Bereich der Anlagentechnik ist es die Kraft-Wärme-Kopplung, die die Wirkungsgrade von Kraftwerken erhöht. Hier haben effizienzfragen nach wie vor großes entwicklungspotenzial.Kritiker weisen darauf hin, dass die energetische Gebäudesanierung die Mieten in die Höhe treibe.Das ist zwar in Teilen tatsächlich so, darf aber nicht zum Nachteil der Mieter werden. Deshalb setzen wir uns für Ver-änderungen im Mietrecht ein, was die Abrechnungsfähigkeit und die Veranla-gung von energetischer Sanierung an-geht. Ziel muss sein, dass die Bruttomiete nicht steigt, sich aber durch den gerin-geren energieverbrauch gegebenenfalls die Anteile der Kalt- und Warmmiete verschieben. Um das zu erreichen, muss mehr saniert werden. Wenn sich aber alle drei Monate die Grundlagen für die energiewende ändern, wundert es nicht, dass wir ein investitionsklima haben, in dem sich viele Akteure verweigern. n

26. OktOber 2009 Im Koalitionsvertrag legen Union und FDP fest, die Lauf-zeiten der Atomkraftwerke als „Brückentechnologie“ zu verlängern.

28. Septbember 2010 Die Bundesregierung legt ihr Energiekonzept vor. Die AKW-Laufzeit wird darin um durchschnittlich 12 Jahre verlängert.

14. märz 2011 Nach dem Atomunfall von Fukushima verkündet Bundeskanzlerin Merkel ein dreimonatiges Moratorium für die Verlängerung der AKW-Laufzeiten.

30. mai 2011Die Ethikkommission empfiehlt den endgültigen Ausstieg aus der Atomkraft binnen eines Jahrzehnts.

6. Juni 2011 Die Bundesregierung beschließt, die Energiewende zu beschleunigen.

29. Februar 2012 Das Kabinett verkündet die Kürzung der Solarförderung um bis zu 30 Prozent.

zum weChsel bereitenergiepolitik thorsten Schäfer-Gümbel leitet die energiekommission der SPd. Seine Forderung: »die energiewende muss aus einer Hand gesteuert werden.« Interview Marisa Strobel

seine Vision: bis 2050 soll der strom zu 100 prozent aus erneuerbaren energien erzeugt werden.

energieVerbrauCh in deutsChland

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Quelle: dena/bmwi

6 TiTel vorwärts 04/2012

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S ie wurde zur Klimaschutz-Kom-mune 2006 ernannt, erhielt den Deutschen Solarpreis 2007 und

ist Siegerin im Wettbewerb Kommuna-ler Klimaschutz 2009 – Morbach, eine 11 000-einwohner-Gemeinde im Huns-rück. Mit seinem energiepark spielt der Ort eine Vorreiterrolle in Deutschland, denn Morbach versorgt bereits seit 2002 all seine 4400 Privathaushalte vollstän-dig mit regenerativer energie. Momentan reicht die erzeugte energie von jährlich etwa 45 Millionen Kilowattstunden sogar für rund 13 000 Haushalte aus, weswegen auch ein Teil der ortsansässigen indust-riebetriebe mit der Öko-energie versorgt werden kann. „Die Akzeptanz in der Be-völkerung ist sehr hoch,“ bestätigt Micha-el Grehl von der Gemeindeverwaltung Morbach. Die entscheidung für den ener-giepark fiel 2001 nicht nur parteiübergrei-fend, sondern auch unter einbezug der Bürger. „Wir haben den Flächennutzungs-plan ohne negativen einwand aus der Be völkerung zur Rechtskraft gebracht.“ Tamara Müller, SPD-Ortsvereinsvorsit-

zende der Gemeinde Morbach, ergänzt: „Unser Ortsverein hat das Projekt von Anfang an begleitet und mitgetragen.“

Energiepark lockt TouristenDie komplette Versorgung von Privat-haushalten mit erneuerbarer energie ist also heute schon möglich. Das Paradebei-spiel, wie Müller den energiepark nennt, wird auf einer Fläche von 146 Hektar betrieben, was etwa 200 Fußballfeldern entspricht. Dort finden sich 14 Wind-krafträder, eine große Photovoltaikanlage und eine Biosgasanlage. Die dort erzeugte Abwärme wird genutzt, um in der eige-nen Anlage Holzpellets herzustellen. Rat- und Bürgerhaus werden damit beheizt. Zudem sind die öffentlichen Gebäude in Morbach mit Photovoltaikanlagen aus-gestattet. „Die Rohstoffe stammen aus-schließlich aus der Region bis zu einem Umkreis von 80 Kilometern“, sagt Grehl. insgesamt spart Morbach durch den Öko-Strom jährlich etwa 32 500 Tonnen CO

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ein. Die Anlagen werden hauptsächlich durch einen heimischen Projektentwick-

ler für erneuerbare energien betrieben. Neben weiteren kleineren investoren spielt auch die Bürgerbeteiligung eine Rolle. So wurde ein Windrad vollständig durch die Bürger Morbachs finanziert, ein „Bürgerwindrad“ also. Den einwohnern war neben der gemeinsamen entschei-dung auch die wirtschaftliche effizienz wichtig. Morbach nimmt dank der Anla-gen Gewinne aus Pachteinnahmen und Gewerbesteuer ein. Sogar den Tourismus kurbelt das einmalige Projekt kräftig an. „Wir hatten schon Minister aus Sri lan-ka und China zu Besuch“, erinnert sich Tamara Müller. Auch andere SPD-Orts-vereine seien oft Gäste im energiepark. Trotz aller erfolge macht Michael Grehl auf ein großes Problem aufmerksam: „Die ortsansässigen industriebetriebe sind so energieintensiv, dass die produzierte energie für sie nicht völlig ausreicht.“ Aus diesem Grund wird die Gemeinde erst 2020 energieautark sein. Tamara Müller ist optimistisch: „Die energielandschaft Morbach ist noch lange nicht am ende ihrer Möglichkeiten angelangt.“ n

im westen geht die sonne aufenergielandschaft 100 Prozent regenerative Quellen – Morbach weiß, wie es geht Von Romy Hoffmann

morbacher energielandschaft: auf dem ehemaligen us-munitionslager wird ein energiemix erzeugt, hier mit solarpark und windkraftanlagen.

Zahlen und fakten

erneuerbare energien in deutschland

3,1%betrug ihr anteil an der stromerzeugung 1990

6,4%trugen sie im Jahr 2000 zur stromerzeugung bei

20%waren es im Jahr 2011

Quelle: arbeitsgruPPe erneuerbare energien-statistik

strom aus der sonne

1 Mio.Photovoltaikanlagen gab es ende 2011 in deutschland

Quelle: bundesVerband solarwirtschaFt

energie-revolution

So viel Leistung liefern Eneuerbare Energieträger in Deutschland in der Strom­herstellung (in Megawatt)

Quelle: arbeitsgruPPe erneuerbare energien-statistik

Wasserkraft

Windenergie

photovoltaik

Biomasse

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35384401

609729075

7624820

11647187

04/2012 vorwärts TiTel 7

schließlich mit regenerativer energie versorgt werden soll. Finanziert werden soll die Wende mit einem Bürgerfonds für erneuerbare energien. Wer Anteile am Fonds erwirbt, ist an den Gewin-nen beteiligt. „Die Rendite bleibt bei den Bürgern und geht nicht an Banken oder investoren“, so Oertzen. Dass die energiewende zu teuer wird, glaubt er nicht. „Wir haben das durchgerechnet. Wir werden auch zukünftig Strom zu wettbewerbsfähigen Preisen anbieten können.“ n

A b ende 2014 will Winsen ganz auf Atomstrom verzichten. Das haben SPD und Grüne im

Stadtrat im Oktober 2011 beschlossen. „Ausschlaggebend war das Unglück in Fukushima“, erklärt der SPD-Fraktions-vorsitzende Dirk Oertzen. Außerdem plant die Stadt in Niedersachsen, auf regenerative energieerzeugung umzu-steigen. Dank eigener Stadtwerke kann die Stadt entscheiden, wie sehr sie selbst in die Produktion einsteigt und welchen Strom sie einkauft. Ziel sei es, so Oertzen, möglichst viel Strom vor Ort zu produ-zieren, damit die Wertschöpfung im Ort bleibt. inzwischen haben die Stadtwer-ke alle geeigneten Photovol taikflächen im Ort erfasst. ein Windpark ist geplant und ein neues Wohnquartier, das aus-

Einige nennen sie die „vier Besat-zungsmächte“: Denn e.ON, RWe, enBW und Vattenfall beherrschen

den deutschen Strommarkt. Jahrelang setzten sie vor allem auf Kohle, Gas und Atomkraft. Jetzt steuern auch sie auf er-neuerbare energien um:

E.ON: Deutschlands größter ener-gieversorger investiert seit Jahren in Offshore-Windparks, vor allem in Groß-britannien und Dänemark, demnächst auch in Polen. im brandenburgischen Falkenhagen erprobt e.ON, wie sich aus Windstrom mittels elektrolyse Wasser-stoff herstellen lässt, der ab 2013 ins erd-gasnetz eingespeichert werden soll.

RWE: in der Tochtergesellschaft RWe innogy hat Deutschlands größter Strom-erzeuger die Aktivitäten rund um Wind-kraft an land, Wasserkraft und Biomasse gebündelt. Das Unternehmen erforscht neue Speichermöglichkeiten für energie, z.B. mit Druckluft. Bis 2025 sollen 75 Pro-zent der Stromerzeugung des Unterneh-mens CO

2-frei oder CO

2-arm sein.

EnBW: setzt vor allem auf Windener-gie und Wasserkraft. Das Unternehmen verhandelt mit rund 100 Standorten, um bis zu 400 Windanlagen zu bauen. Der enBW-Windpark „Baltic 1“ in der Ostsee vor der Halbinsel Zingst wurde 2011 in Betrieb genommen. Auf kommunaler ebene will enBW die Wende mit Projek-ten wie „Nachhaltige Stadt“ schaffen.

Vattenfall: in der lausitz in Branden-burg betreibt das Unternehmen seit 2008 die weltweit erste Pilotanlage, bei der das bei der Kohleverbrennung anfallende Kli-magas CO

2 abgeschieden und verflüssigt

wird. in Senftenberg in Brandenburg wird CO

2 in einer Pilotanlage zur Algenzucht

verwendet. Vattenfall ist außerdem am Windpark „Alpha Ventus“ beteiligt und plant einen weiteren Offshore-Windpark mit dem Namen „Sandbank 24“ vor der Nordseeinsel Sylt. n

M it fast 1,4 Millionen einwoh-nern ist München die dritt-größte Stadt Deutschlands. in

drei Jahren will die Stadt die Privathaus-halte und den Nahverkehr vollständig mit Strom aus erneuerbaren energien versorgen. Bis 2025 soll auch der Strom-bedarf von industrie und Gewerbe aus regenerativen Quellen gedeckt werden. Damit wäre München Spitzenreiter un-ter den Großstädten.

Dafür investieren die Stadtwerke München (SWM) neun Milliarden euro. Die SWM gehören mit über 6500 Mitar-beitern und einem Jahresumsatz von mehr als 3,7 Milliarden euro zu den größten kommunalen energieversor-gern in Deutschland. „Nur weil die Stadt ihre Stadtwerke nicht verkauft, sondern in städtischer Hand behalten hat, kann der Stadtrat überhaupt das ehrgeizige Ziel von 100 Prozent erneuerbare ener-gien vorgeben“, betont Oberbürgermeis-ter Christian Ude (SPD).

Seit das energieunternehmen 2009 die initiative gestartet hat, wird an insgesamt 20 Standorten parallel mo-dernisiert, geplant und zugekauft. Der Anteil erneuerbarer konnte seitdem ver-zehnfacht werden. Doch bereits vor der Ausbauoffensive produzierten die Stadt-werke Öko-Strom. Zum Beispiel in ihren

zehn Wasserkraftwerken. Oder in der Biogasanlage, die mit Mist aus dem Tier-park Hellabrunn betrieben wird. Teile der Messe werden nach wie vor durch Geothermie versorgt. Mittlerweile sind auf dem Messegebäude 38 100 Quadrat-meter Solarzellen hinzugekommen.

Regenerative energien und große Städte passen eigentlich nicht gut zu-sammen: Solarparks, Wasserkraftwerke oder Windräder – sie alle brauchen viel Platz. Für Städte wie München reicht das energiepotenzial in und rund um die Stadt schlicht nicht aus. „Bilanzielle Versorgung“ lautet hierfür die lösung: Hierbei wird Strom aus regenerativen Quellen andernorts eingespeist, aber von Münchner Öko-Strom Kunden be-zahlt und verbraucht. insgesamt steigt somit – bilanziell – der Stromanteil aus erneuerbaren energien im Netz an. „Un-ser überregionales engagement führt uns an Orte, an denen der Wind stärker und gleichmäßiger bläst bzw. die Son-ne häufiger und intensiver scheint“, begründen die Stadtwerke ihr europa-weites engagement. ein Solarkraftwerk in Spanien ist bereits im Testbetrieb. Zusammen mit privaten Unternehmen investieren die Stadtwerke in neue Windparks. Jetzt müssen nur noch die Stromnetze ausgebaut werden. n

München leuchtetstadtwerke Alle Privathaushalte sollen ab 2015 mit Öko-Strom versorgt werden Von Nils Hilbert

so geht’sBürgerfonds Winsen an der Luhe wird atomstromfrei

Von Susanne Dohrn

wende der rIesenkonZerne Wie die großen Energieunternehmen auf den Atomausstieg reagierenVon Susanne Dohrn

auch rwe setzt auf erneuerbare energien: z.B. mit seinem Biomassekraftwerk in Berlin

ansicht aus der luft: winsen an der luhe

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… Mehr lesen!

Nina Scheer: Energiewende begreifen

Leuchtturm:Meck-Pomm gibt den Takt vor

OV Spremberg: Diskussion über Brandenburg 2030

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8 TiTel vorwärts 04/2012

sauberhubert weiger

BUND

So klingt einer, der sich seiner Sache sicher ist. „Der Atomausstieg ist auch ohne Kohlekraftwerke bis zum ende die-ser legislaturperiode zu machen“, sagt Hubert Weiger. Nach Ansicht des Vor-sitzenden des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sol-len bis 2020 mindestens 45 Prozent des Strombedarfs aus erneuerbaren energi-en gedeckt werden. Bis spätestens 2050 soll die Komplettversorgung erreicht sein. Neben dem Ausbau der erneuerba-ren setzt Weiger dabei auf energieeffizi-enz und aufs Stromsparen. „Dezentrale Gaskraftwerke wird es übergangsweise wohl auch noch brauchen“, räumt der BUND-Chef ein. „Die sollten aber ökolo-

gisch optimiert werden, also auch die Wärme nutzen.“ Auch für Biogasanlagen oder Kraft-Wärme-Kopplung würde Wei-ger keine Baugenehmigung mehr ertei-len. Zentrales Werkzeug der energiewen-de sei das erneuerbare-energien-Gesetz (eeG). Die Forderung nach einer Abschaf-fung des eeG bedeute daher „die kom-plette Abkehr vom erfolgreichen Weg in eine zukunftsfähige Stromerzeugung.“ n

sicherheinrich hiesinger

ThyssenKrupp

Bis zum Frühjahr 2011 waren die Rah-menbedingungen für die deutsche in-dustrie klar. „Wir alle haben enorme Anstrengungen unternommen, um den Verbrauch von Rohstoffen und energie und damit auch den Ausstoß von CO

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deutlich zu senken“, blickt der Vorstands-vorsitzende von ThyssenKrupp, Heinrich Hiesinger, zurück. Dann kamen Fukushi-ma und der Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Atomausstieg. „Heute trifft die Politik überstürzt entscheidungen, ohne die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen industrie auch für die Zukunft abzu-sichern.“ Dabei sei Planungssicherheit das A und O für die Großunternehmen. Hiesinger bemängelt nicht die Wende an

bezahlbararibert peters

Bund der Energieverbraucher

Aribert Peters geht es um Gerechtigkeit. „energiewende bedeutet Demokratisie-rung und setzt diese voraus“, erinnert der Vorsitzende des Bundes der ener-gieverbraucher. „Die Begünstigung von Großkonzernen auf Kosten der Übrigen passt dazu nicht.“ Peters fordert des-halb, dass künftig auch stromintensive Betriebe die volle eeG-Umlage bezahlen. Zurzeit werden sie bei den Stromkosten umfangreich begünstigt. Der Bund der

energieverbraucher sieht darin eine europarechtswidrige Beihilfe und hat Beschwerde in Brüssel eingelegt. „Wir befürworten das eeG und die damit verbundenen Zusatzkosten“, stellt Peters klar. Allerdings müssten die Bedingun-gen für alle gleich sein. Aus Peters‘ Sicht treiben vor allem „überzogene Gewinne der Versorger, fehlender Wettbewerb bei der Stromerzeugung und Manipulatio-nen der Stromhandelsgroßmärkte“ die Preise. Das soll sich ändern, notfalls per Abstimmung mit den Füßen: „Wie beim Wahlzettel stimmt der Verbraucher mit einem Versorgerwechsel auch über des-sen Geschäftspolitik ab.“ n

energetischer dreisprungstromversorgung Es sind drei Wünsche auf einmal: Sauber, sicher und bezahlbar soll der Strom in Deutschland sein. Drei Sichtweisen Von Kai Doering

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Umlage nach Erneuerbare-Energien-Gesetz 13,7 %

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Nettonetzentgelt 19,9 %

Abrechnung, Messung und Messstellenbetrieb 2,7 %

Steuern (Strom- und Umsatzsteuer) 24,0 %

Konzessions-abgabe 6,5 %

Umlage nach Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz 0,2 %

Energiebeschaffung und Vertrieb (inkl. Marge) 33,0 %

gesamt 25,45

Cent/kWh

Quelle: Bundesnetzagentur, Stand: 1. April 2011

So setzt sich der Strompreis für private Haushalte zusammen

Entwicklung des Strompreises 2006 bis 2011

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Umlage nach Erneuerbare-Energien-Gesetz 13,7 %

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Nettonetzentgelt 19,9 %

Abrechnung, Messung und Messstellenbetrieb 2,7 %

Steuern (Strom- und Umsatzsteuer) 24,0 %

Konzessions-abgabe 6,5 %

Umlage nach Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz 0,2 %

Energiebeschaffung und Vertrieb (inkl. Marge) 33,0 %

gesamt 25,45

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Quelle: Bundesnetzagentur, Stand: 1. April 2011

So setzt sich der Strompreis für private Haushalte zusammen

Entwicklung des Strompreises 2006 bis 2011

tipps zum weiterlesen

sich, sondern „die Risiken, die durch eine überstürzte Vorgehensweise entstehen, und die fehlende Absicherung von Wett-bewerbsfähigkeit und Versorgungssi-cherheit.“ langfristig gefährde dies den Standort Deutschland, investitionen würden anderswo getätigt. Hiesinger ist sicher: „Von der Bundesregierung wird die Komplexität der energiewende un-terschätzt.“ ndie energiewende ist auch

eine reise ins ungewisse. Johannes winterhagen hat sie bereits unternommen und erklärt eindrucksvoll, was uns noch bevorsteht, wo er hindernisse sieht und was die gesellschaft leisten muss, damit das Jahr- hundert-projekt ein erfolg wird.Johannes WinterhagenabgeschaltetHanser Verlag 2012, 256 Seiten, 17,90 Euro ISBN 978-3-4465-2773-0

dass die energiewende kommt, ist mittlerweile klar. strittig sind das wie und das wann. nina scheer benennt hürden und her-ausforderungen – und sagt, wie eine vollversorgung aus erneuerbaren energien erreicht werden kann.Nina Scheerenergiewende fortsetzen vorwärts|buch Verlag 2012, 120 Seiten, 10 Euro ISBN 978-3-86602-751-0, erscheint im Mai

deutschland gilt weltweit als innovativstes land bei den erneuerbaren energien. martin Frey zeigt, wo sie besichtigt werden können – von der „energie-insel“ pellworm bis zur energie-gemeinde wildpoldsried.Martin Freydeutschland – erneuerbare energien entdeckenKarl Baedeker Verlag 2011, 192 Seiten, 14,95 Euro ISBN 978-3-8297-1290-3

Rezensionen:vorwärts.de/kultur/buchtipp

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04/2012 vorwärts TiTel 9

ANZeiGe

intelligenz im netzstromtransport Mit ihm steht und fällt die Energiewende. Doch die Hindernisse sind vielfältig, neue Technik ist teuer Von Marian Bichler

D ie SPD in Schleswig-Holstein will den Netzausbau voranbrin-gen, wenn sie die landtagswahl

am 6. Mai gewinnt. „Wir müssen einen Prozess organisieren, den möglichst alle als Gewinn empfinden“, betont Spitzen-kandidat Torsten Albig. Dass die ener-giewende nicht ohne viele zusätzliche Netzkilometer möglich sein wird, darü-ber sind sich inzwischen alle Beteiligten einig. Der künftig im Norden produzierte Windstrom wird sonst das Netz verstop-fen, bevor er im Süden ankommt. Gerade deshalb sucht Torsten Albig den Dialog.

Wie in anderen Bundesländern, wird auch in Schleswig-Holstein gegen neue Höchstspannungsmasten protestiert. Manche Sorgen sind berechtigt, wie ein kürzlich vorgestelltes Gutachten über die ökologischen Auswirkungen von Freilei-tungen und erdkabeln feststellt. Umso wichtiger ist die Prüfung im einzelfall. „Neue Stromleitungen sollten überall dort vorrangig in der erde verlegt wer-den, wo Freileitungen nicht natur- und siedlungsverträglich sind“, sagt Albig.

Bei der Diskussion über den Bau neuer Trassen geht jedoch schnell unter, dass Netzengpässe nicht nur in den dicken Starkstromseilen auftreten. Weit über 90 Prozent der erneuerbar erzeugten ener-gie werden erst einmal dezentral vom herkömmlichen Niederspannungsnetz aufgenommen. „Die Verteilnetze bekom-men damit zunehmend eine Rolle, die bisher nur das Übertragungsnetz inne-hatte“, erläutert die Geschäftsführerin des Bundesverbands der energie- und Wasserwirtschaft (BDeW), Hildegard Müller. Das kann bei starkem Wind und bei viel Sonnenschein die Stabilität der Stromversorgung gefährden.

Den Niederspannungsnetzen feh-len Trafostationen mit digitalen Mess-einrichtungen zur Überwachung und Steuerung der fluktuierenden energien. eine Aufrüstung mit den nötigen iT-Kom-ponenten ist deshalb zwingend erforder-lich. Dem pflichtet auch Stephan Weil bei, Präsident des Verbands kommunaler Unternehmen: „Wenn die lokalen Ver-teilnetze nicht fit gemacht werden, dann wird das System sehr schnell an seine Grenzen stoßen.“ Die deutsche Akademie der Technikwissenschaften Acatech geht noch einen Schritt weiter: „Nur ein intel-ligentes energienetz, ein so genanntes

Smart Grid, kann die Herausforderungen der energiewende bewältigen.“

Wer aber kümmert sich darum und wer bezahlt es? Während der Ausbau des Transportnetzes umfangreich ge-plant wird, hinkt die entwicklung der intelligenz im Verteilnetz hinterher. Belastbare Kostenabschätzungen und ein tragfähiges Geschäftsmodell fehlen. „Die entscheidung über den einsatz von Smart Grids ist eine rein unternehmeri-sche des jeweiligen Netzbetreibers“, gibt sich Achim Zerres von der Bundesnetz-agentur zugeknöpft. Dem hält Telekom-Managerin Gabriele Riedmann de Trini-dad entgegen: „Den Ausbau des Smart Grids wird man nur vorantreiben, wenn man sich davon einen Nutzen verspricht. Der ist in Deutschland aber zwischen endkunden, Verteilnetzbetreibern und Stromlieferanten gesplittet.“

Betriebswirtschaftlich geht die Rech-nung also nicht auf. erst volkswirtschaft-lich ergibt sich der Vorteil der schlauen Netze: Nur mit „smarten Technologien“

kann das ständig wechselnde Angebot der erneuerbaren energien genau re-gistriert und sicher auf die Stromnach-frage abgestimmt werden. BDeW-Stra-tege Andreas Kuhlmann sieht deshalb Handlungsbedarf: „Die Politik wird den Auftrag der Bundesnetzagentur kritisch überdenken müssen. Regulierung darf nicht mehr nur für billige Netzentgelte sorgen. im Vordergrund müssen die rich-tigen Rahmenbedingungen für die Um-setzung der energiewende stehen.“

Der Druck ist groß, denn auch im Aus-land wird die energiewende aufmerksam beobachtet. „Wir müssen den anderen Staaten Mut machen, indem wir eine in-telligente Netzstruktur aufbauen, dezen-trale erzeugungskapazitäten heben und neue Arbeitsplätze entstehen lassen“, fordert Matthias Miersch, umweltpoliti-scher Sprecher der SPD-Bundestagsfrak-tion. Aus seiner Sicht kann Deutschland den Umstieg auf ein intelligentes, erneu-erbares energiesystem schaffen – und damit weltweit ein Beispiel sein. n

notwendiges Übel: Höchstspannungsmasten sind für den transport von erneuerbarer energie unerlässlich. Der Bau neuer trassen wird aber immer wieder zum zankapfel.

möchte die menschen an der energiewende beteiligen: schleswig-Holsteins spD-spitzenkandidat torsten albig

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10 News vorwärts 04/2012

Global Gedachtvon Rafael Seligmann

Haltet den Dieb! Das Prinzip ist so alt wie die menschliche Hinterlist. Man zettelt Ungutes an, lässt es zumindest geschehen, und schiebt nach dessen Aufdeckung die Missetat anderen in die schuhe. Der Täter gibt sich als Heiler aus. Nach diesem Muster handelt gegen-wärtig der französische staatspräsident Nicolas Sarkozy. Als sich der konservative Pariser erst-mals um das Amt des staatspräsidenten bewarb, gab er sich als unerschrockener Arzt der französischen Nation, die sein Vorgänger Jacques Chirac korrumpiert hatte. sarkozy dagegen wollte die ge-sellschaftlichen Übel bei der wurzel pa-cken. Besonderes Augenmerk sollte auf die verbesserte Integration moslemi-scher Jugendlicher gelegt werden. Nach seiner wahl aber begnügte sich sarkozy mit Kosmetik. eine glutäugige Ministe-rin aus dem Maghreb symbolisierte gute Absichten. Doch Geld zur Verbesserung der gesellschaftlichen Zustände und der Bildung fehlte weitgehend. „sarko“ wur-de Präsident der Reichen. Nun, da sich die rechtspopulistische Kandidatin Marine Le Pen als Ord-nungspolitikerin aufspielt und rassis-tische Ressentiments bedient, gebärdet sich sarkozy ebenfalls als Mann der Ord-nung und Beschützer des verängstigten Bürgertums. Damit will er vergessen machen, dass die Konservativen durch ihr Nichtstun Mitverantwortung für die Missstände tragen. Auf der britischen Insel agieren die Konservativen unter Premier David Cameron mit einer ent-sprechenden politischen Umkehrlogik. sie gaben sich liberal, aufgeschlossen, verweigerten aber die dringend not-wendigen Mittel zum Abbau der sozia-len Misere bei Zuwanderern und Ärme-ren in den Vorstädten. Als die Lage dort schließlich explodierte, mimte der Tory den strengen Gesetzeshüter. Der konservative Taschenspielertrick gleicht sich in Großbritannien wie in Frankreich. Dringend notwendige Mit-tel für die gesellschaftliche entwick-lung und Bildung werden im unproduk-tiven Militärhaushalt verpulvert. wenn es zu sozialen Unruhen kommt, die man auf diese weise indirekt geschürt hatte, schwingt man sich zur Ordnungsmacht auf, um die stimmen der ängstlichen Bourgeoisie einzusammeln. schaden-freude ist nicht angebracht. Denn auf diese weise geht der soziale Frieden eu-ropas vor die Hunde. n

peter folGt petra wahlsiege sind umso schöner, wenn sie überraschend sind. Im ersten Durchgang für die Frankfurter Oberbürgermeister-wahl hatte Peter Feldmann mit 6,1 Punkten Rückstand noch auf Platz zwei gelegen. In der stichwahl am 25. März triumphierte er mit 57,4 Prozent über den Kandida-ten der CDU, Hessens Innenminister Boris Rhein. Feldmann, 53-jähriger sozial betriebswirt und als sPD-Linker bekannt, löst damit zum 1. Juli Petra Roth (CDU) an der spitze der fünftgröß-ten stadt Deutschlands ab. sie hatte im vergangenen November nach 17 Jahren im Amt überraschend ihren vor-zeitigen Rückzug bekanntgegeben. n KD

Strahlender Sieger: peter feldmann (l.) und hessens Spd-chef thorsten Schäfer-Gümbel

falScheS zielFür sigmar Gabriel hat die Diskussion über die Aufkündigung des solidar-pakts II das falsche Ziel. „wir lösen das Problem der verarmten städte jetzt nicht dadurch, dass wir arme Kommunen aus dem westen gegen arme Kommunen aus dem Osten ausspielen“, schreibt der sPD-Chef in einem Beitrag für die „De-MO“, die am 29. März erscheint. statt-dessen müsse der Bund endlich auch dafür bezahlen, wenn er den Kommu-nen zusätzliche Aufgabe aufbürde. n KD

der jünGSteAm ende eines langen Tages lag er mit drei stimmen vorn. 2335 wähler hatten bei der Bürgermeisterwahl im unterfränkischen schonungen stefan Rottmann angekreuzt, 2332 seinen Gegenkandidaten von der CsU. Der 25-jährige Bankfachwirt ist damit „Deutschlands jüngster Bürgermeister“, wie tags darauf auch viele Zeitungen titelten. Mit 16 hatte Rottmann eine Petition eingereicht. „Über diesen weg fand ich Gefallen an der Kommunalpoli-tik.“ Der weg hat den jungen Mann nun ins schonunger Rathaus geführt, weitere etappen nicht ausgeschlossen. n KD

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farbe bekennen – mit kuliS und taSchen extra für SoziS Der neue »spD-Werbeshop« bietet online spD-artikel

Der eine tut es lieber dezent mit dem Parteilogo auf einem Bleistift, der andere greift ger-ne zur knallroten Tüte: Mit Kulis, Taschen, Notizblöcken oder Flaschenöffnern können Sozialdemokraten zeigen, wo sie politisch stehen. Bislang bo-ten zwei Firmen getrennt von einander SPD-Produkte an: der Familienbetrieb Lahnstein Wer-bung, 1968 von Volker Lahn-stein gegründet, der als aktiver Juso und Wahlkämpfer den ersten mobilen Infostand ent-wickelte. Und die SPD- Tochter „Image“, die im Bundestags-

wahlkampf 1998 zur Unterstützung der Kampagne gegründet wurde. Inzwi-schen bietet Image mehr als 300 Produkte an, darunter Ausgefallenes wie den SPD-Toaster.Jetzt gibt es zusätzlich etwas Neues: Die einstigen Konkurrenten Image und Lahnstein Werbung haben sich zusammengetan und für ein extra Sor-timent eine gemeinsame Firma mit eigenem Online-Shop eröffnet: Unter www.spdwerbeshop.de können Genossen vom Brillenputztuch bis zum Einkaufsbeutel vieles in Rot und mit SPD-Schriftzug kaufen. Der SPD-Wer-beshop ist auch unter der Servicehotline 02104-2029250 zu erreichen, und zwar montags bis donnerstags zwischen 8 und 16 Uhr sowie freitags von 8 bis 14 Uhr. n YH

da sehen wir rot: das neue Sortiment des Spd-Werbeshops.

04/2012 vorwärts News 11

Berliner TageBuchNotiert von Uwe Knüpfer

„was für ein schöner sonntag!“ Joachim Gauck war kaum zum Bundespräsiden-ten gewählt, da hatte er schon einen satz geprägt, der Flügel bekam. wer abergläubisch ist, mag den 18. März für einen deutschen schicksalstag hal-ten. Nehmen wir es als demokratische Fügung, dass Gauck an einem 18. März Bundespräsident geworden ist – und am 18. März 1990 Mitglied der ersten frei gewählten Volkskammer der unter-gehenden DDR.Am 18. März 1848 gingen Berliner Bür-ger für Pressefreiheit und Demokratie auf die straße – gegen den feudalen Obrigkeitsstaat. Preußische soldaten feuerten in die Menge. 254 Tote wur-den gezählt: Männer, Frauen, Kinder. syriens mörderischer Diktator Assad kann sich auf die Hohenzollern als Vor-bild berufen.Gleich nach Gaucks wahl eilte Michael Hartmann zum Brandenburger Tor, zum Platz des 18. März. Für den innenpoliti-schen sprecher der sPD-Bundestagsfrak-tion markiert der 18. März die Ausrufung der ersten Republik auf deutschem Bo-den: 1793, in Mainz. Auch dieser aller-erste Anlauf zur deutschen Demokratie fand übrigens ein blutiges ende.wir sind seither weit gekommen in Deutschland. wir haben, in Joachim Gaucks worten, ein „Demokratiewun-der“ erlebt. würde der 18. März zu einem deutschen Gedenktag erhoben, würde wenigstens einmal jährlich klar, dass wunder nicht vom Himmel fallen. Traditionell erinnert man in Deutsch-land lieber an Fürsten und Feldherren als an Demokraten. Oder wenigstens an Männer wie Friedrich Hecker, den badi-schen Che Guevara des 19. Jahrhunderts. Vom „Leben und Mythos eines deutschen Revolutionärs“ berichtete eine Ausstel-lung in der baden-württembergischen Landesvertretung. Zwar trugen auch brave Bürger vor 150 Jahren gerne Hecker-Hüte, doch als es in die schlacht ging, hielten sie sich lieber fern. waren sie nun gescheiter oder feiger, als sie sich am stammtisch gerne gaben?wieso fällt mir jetzt die schrumpfen-de FDP ein? Ihre Bundestagsfraktion bat zum Umtrunk in das alte Reichs-postfuhramt. In fotogen verfallenden Kulissen warfen sich die liberalen Ma-chos Rainer Brüderle und Wolfgang Kubicki rhetorisch Bälle zu. Fotogen da-neben stand Katja Suding, aufgefallen als Hamburger FDP-spitzenkandidatin. Reden durfte sie nicht. Das sagt genug zum Thema Frauen und die FDP. n

Drei Fragen anBilkay ÖneyVor einem guten Dreivierteljahr sind Sie von Berlin nach Baden-Württem-berg gegangen. Wie lange hat es gedauert, bis Sie „integriert“ waren?sich als Berlinerin in Baden-württem-berg zu integrieren – geht das über-haupt? Aber spaß beiseite: Natürlich muss man sich immer integrieren, egal wohin man geht. Integration ist nichts, was nur eine bestimmte Gruppe betrifft, sondern jeden einzelnen. Und Integra-tion ist nie abgeschlossen. wenn man den Ort wechselt, geht sie von vorne los. Auch zwischen Berlin und Baden-würt-temberg gibt es kulturelle Unterschiede. Die Uhren ticken überall anders und auf diesen Takt muss man sich einlassen. Freunde wollen bei mir inzwischen einen süddeutschen Akzent heraushören.Was haben Sie bislang erreicht?einiges. wir haben den so genannten Gesprächsleitfaden für einbürgerungs-willige abgeschafft. er sollte potenzielle Islamisten enttarnen und war diskri-minierend. stattdessen habe ich den Runden Tisch Islam ins Leben gerufen, um Problemen von Muslimen genauer auf den Grund zu gehen. Das war eine Maßnahme, die kein Geld gekostet, aber eine große wirkung entfaltet hat. wir haben auch eine Bundesratsinitiative gestartet, um die Optionspflicht aufzu-heben. Junge Menschen sollen sich nicht zwischen zwei staatsbürgerschaften entscheiden müssen, sondern beide be-halten dürfen, wenn sie das wollen. wir haben auch dafür gesorgt, dass ältere Zuwanderer keinen Deutschtest mehr machen müssen und dass studien- und Ausbildungszeiten bei der einbürgerung angerechnet werden.Wollen Sie Baden-Württemberg zum Musterländle in Sachen Integration machen?ein Musterländle sind wir schon des-halb nicht, weil andere Länder auch sehr viel in diesem Bereich machen. es wäre absolut vermessen zu sagen, wir sind das Musterbeispiel für Integra-tionspolitik. Aber natürlich haben wir den Anspruch, gute Lösungsansätze für bestehende Probleme zu bieten. wenn dann andere bei uns abschreiben, ha-ben wir nichts dagegen. n KDFo

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Bilkay Öney ist Integrationsministerin von Baden-Württemberg

Waltraut GrunauEssenzum 65. Parteijubiläum Claus Arndtehem. MdBzum 85. Geburtstag

Johann Brunsehem. Landesvorsitzender in Niedersachsenzum 80. Geburtstag

Werner Labschehem. MdBGünter Schröderehem. Vorsitzender der Gewerkschaft der PolizeiAxel Wernitzehem. MdBGünther Winklerehem. Bezirksgeschäftsführer in Südbayernzum 75. Geburtstag

Horst Schildehem. MdBLisa Seusterehem. MdBzum 70. Geburtstag

herzlichen glückwunsch

leBenDige inklusionIm sommer finden in London die 30. Olympischen sommerspiele statt – und die 14. Paralympics für sportler mit Behinderung. „Gerade in diesem Jahr können wir uns bewusst machen, dass es keine Unterschiede zwischen sportlern mit und ohne Behinderung gibt“, schreibt Michaela engelmeier-Heite in einem Kommentar für vorwärts.de. Der Begriff „Inklusion“ könne so mit Leben gefüllt wer-den, meint die sPD-sportbeauftragte. n KD

www.vorwärts.de

gegen rassismus„Deutschland steckt bei der Antidiskri-minierungspolitik noch in den Kin-derschuhen“, sagt Aziz Bozkurt. 2001 hatte er die „Berliner erklärung“ gegen Thilo sarrazin mitinitiiert. Umso ent-scheidender sei der „Kampf gegen das Vergessen“, der Tag gegen Rassismus am 21. März ein wichtiges Datum. Im Interview mit vorwärts.de fordert Boz-kurt von seiner Partei: „Die sPD muss die speerspitze für das neue vielfältige Deutschland sein.“ n KD

zeichen auF schwarz-roT nach der vorgezogenen landtagswahl läuft im saarland alles auf eine große koalition hinaus.

„Gewonnen, aber das Ziel nicht erreicht.“ So fasste Sigmar Gabriel das Ergeb-nis der vorgezogenen Landtagswahl im Saarland aus SPD-Sicht zusammen. Die Sozialdemokraten konnten sich zwar über einen deutlichen Stimmenzu-wachs um 6,1 Punkte im Vergleich zu 2009 freuen. Mit 30,6 Prozent landeten sie dennoch deutlich hinter der CDU, die 35,2 Prozent der Stimmen erhielt. Auf Platz drei folgte die Linke mit 16,1 Prozent. Die Piratenpartei ist mit 7,4 Prozent erstmals im saarländischen Landtag vertreten. Den Grünen gelang der Wiedereinzug mit 5 Prozent knapp. Die FDP scheiterte mit 1,2 Prozent deutlich an der Fünf-Prozent-Hürde.SPD-Spitzenkandidat Heiko Maas kündigte rasche Koalitionsverhandlungen mit der CDU an. Beide Parteien hatten bereits vor der Wahl mitgeteilt, eine Große Koalition bilden zu wollen. Maas zeigt sich dabei selbstbewusst. Zwar habe er sich einen anderen Wahlausgang gewünscht, doch der Vorsitzende der Saar-SPD stellte klar: „Wir sind die, ohne die es nicht geht.“ Die saarländi-sche „Jamaika-Koalition“ aus CDU, Grünen und FDP war Anfang des Jahres zur Hälfte der Legislatur von Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer aufgekündigt worden. Nach anfänglichen Gesprächen mit der SPD entschied sie sich für vorgezogene Neuwahlen im kleinsten deutschen Flächenland. n KD

gibt künftig im saarland mit den Ton an: sPD-chef heiko maas

12 News vorwärts 04/2012

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Frau Ministerpräsidentin, hat man Ihnen – mit Blick auf die Umfragen – schon zur Neuwahl in NRW gratuliert?Nein, denn Gratulationen sind jetzt über-haupt noch nicht angebracht. wir müs-sen hart kämpfen, um unser Ziel zu errei-chen, am Abend des 13. Mai als stärkste Partei vorne zu liegen. Natürlich hat es mich gefreut, wie viele Genossinnen und Genossen uns Glück gewünscht haben und uns aktiv im wahlkampf unterstüt-zen wollen. Das gibt kräftig Rückenwind für die nächsten wochen.In den Umfragen liegt die SPD klar vor der CDU. In der Ministerpräsidenten-Frage liegen Sie sogar mit 57 zu 26 Prozent vor Ihrem CDU-Herausforde-rer. Einige SPD-Anhänger könnten glauben, die Sache sei schon gelaufen. Bei uns in der NRwsPD glaubt keiner, dass die wahl schon entschieden ist. wir gehen mit erhobenem Haupt in diesen wahlkampf, und wir werden bis zur letz-ten Minute um die stimmen der Bürge-rinnen und Bürger werben. wir wissen aus dem letzten wahlkampf, wie schnell sich Umfragen ändern können. Daher gilt weiterhin: Umfragen sind keine wahler-gebnisse.Die SPD ist bereits im Wahlkampf, wie ist die Stimmung an der Basis?sehr gut. Die Partei hat sofort nach der überraschenden Auflösung des Landtags auf wahlkampf-Modus umgeschaltet. In unzähligen Gesprächen, Mails, sMs oder Anrufen wird deutlich, dass die NRwsPD jetzt heiß darauf ist, ein gutes sPD-ergeb-nis zu erzielen. es macht mich als Landes-vorsitzende stolz, wie geschlossen und entschlossen die Genossinnen und Ge-nossen in diesen wahlkampf gehen.Mit knapp zwei Jahren war Ihre Minderheitsregierung stabiler, als von vielen erwartet. Hat sich die Minderheitsregierung als erfolg reiches Modell erwiesen?wir haben gezeigt, dass eine Minderheits-regierung über einen gewissen Zeitraum erfolgreiche Politik machen kann. Doch man darf sich auch nichts vormachen: ei-ne Minderheitsregierung ist immer ein in-stabiles Gefüge – und enorm anstrengend, weil der Koordinierungs- und Abstim-mungsbedarf sehr hoch ist. Ich glaube aber auch, dass die vergangenen zwanzig Monate der Demokratie gut getan haben. Denn als Minderheitsregierung mussten wir offen auf die anderen Fraktionen zu-gehen, und diese Bereitschaft zum Dialog haben viele Bürgerinnen und Bürger als wohltuend empfunden.20 Monate hat Rot-Grün regiert. Mit welchen Ergebnissen?Rot-Grün hat NRw in dieser Zeit nach vorne gebracht. Dazu gehört ganz si-cher der historische schulkonsens mit der CDU. Der erbitterte streit über die richtige schulstruktur gehört damit der Vergangenheit an und über die sekun-

darschulen ermöglichen wir längeres gemeinsames Lernen. Dann haben wir die studiengebühren abgeschafft und das letzte Kita-Jahr beitragsfrei gestellt. Die Mitbestimmung im öffentlichen Dienst ist wiederhergestellt und gestärkt worden, und über das Tariftreuegesetz sichern wir ab, dass es bei öffentlichen Aufträgen nicht zu Lohndumping kommt. Nicht vergessen darf man auch, dass wir mit dem „stärkungspakt stadtfinanzen“ trotz der angespannten Haushaltslage des Landes den besonders notleidenden Kommunen in NRw die notwendige Un-terstützung zukommen lassen.Mit welchen Themen will die SPD den Wahlkampf führen?wir wollen den guten weg, den NRw mit dieser Landesregierung eingeschlagen hat, fortsetzen. wir müssen bei bester Bil-dung weitermachen, bei der Hilfe für die Kommunen nicht nachlassen und den Industriestandort NRw sichern. Doch Herzensangelegenheit bleibt für mich, dass wir das Projekt „Kein Kind zurück-lassen“ weiter ausbauen. wir wollen in NRw mit frühen Hilfen für Kinder und Familien und einer gezielten Politik der Vorbeugung soziale Reparaturkosten einsparen. Denn das sichert den sozialen Zusammenhalt, eröffnet aber auch eine gute wirtschaftliche Perspektive für un-ser Land.Die CDU versucht, Ihnen das Etikett der „Schuldenkönigin“ anzuheften. Wie wird die SPD darauf im Wahlkampf antworten?wir müssen darauf gar nicht im wahl-kampf reagieren, denn wir haben mit un-serer verantwortungsvollen Haushalts- und Finanzpolitik längst die richtigen weichen gestellt. wir sparen konsequent, aber mit Augenmaß und nicht mit dem Rasenmäher. Allein für den jetzt geschei-terten Haushalt 2012 waren zusätzliche einsparungen von 750 Millionen euro und dann noch einmal 360 Millionen euro vorgesehen. Zweitens investieren wir ge-zielt in Kinder, Familien, Vorbeugung und Kommunen; um für unser Land eine gute Zukunft zu sichern. Und drittens machen wir als sPD nicht nur in NRw den Rücken breit dafür, dass wir mehr einnahmen brauchen, damit der staat seiner Verant-wortung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern auch nachkommen kann. starke schultern in diesem Land können und müssen mehr tragen als schwache.Welche bundespolitischen Auswirkun-gen hat die Wahl?wir kämpfen bis zum 13. Mai für eine starke sPD und die Fortsetzung von Rot-Grün. wenn uns dies gelingt, bin ich fest davon überzeugt, dass es einen deutlichen schub geben wird für das Bundestags-wahljahr 2013. Von Nordrhein-westfalen sind auch in der Vergangenheit politische Veränderungen angestoßen worden. Das kann jetzt auch wieder so sein. n

»Wir kämpfen mit erhobenem haupt«neuWahl in nrW hannelore kraft setzt auf sieg. Und auf die stärken der sPD Interview Lars Haferkamp

„Wir müssen hart kämpfen“, sagt hannelore kraft. Denn: „umfragen sind keine Wahl­ergebnisse.“

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Partei leben!

A m 6. Mai wird in Schleswig- Holstein ein neuer Landtag gewählt. Die SPD mit ihrem

Spitzenkandidaten Torsten Albig geht mit großem Optimismus in diese Wahl. Auf einer Betriebsräte- und Gewerk-schaftskonferenz in Norderstedt am 13. März unter dem Motto „Gute Arbeit und gerechte Löhne“ verdeutlichte die Partei noch einmal die Bedeutung der Landtagswahl für die Arbeitnehmerin-nen und Arbeitnehmer im Norden.

Gemeinsam mit dem stellvertreten-den SPD-Vorsitzenden und Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz sprach sich Albig für einen allgemeinen gesetzli-chen Mindestlohn nicht unter 8,50 Euro aus. Als Ministerpräsident werde er auf Bundesebene dafür Druck machen. „Wir brauchen die Gewerkschaften an unserer Seite, auch im Kampf um die Finanzaus-stattung der Kommunen“, betonte Albig auch im Hinblick auf die aktuelle Ta-rifauseinandersetzung im Öffentlichen Dienst. „Kommune gegen Gewerkschaf-ten – das ist nicht der Kampf. Wir werden uns nicht auseinanderdividieren lassen.“ Sozialdemokraten und Gewerkschaften müssten eine offensive Ausgabendebatte um eine ausreichende Ausstattung mit Schulen, Kindertagestätten, Altenein-

richtungen führen unter der zentralen Fragestellung: Was wollen wir eigentlich von unserem Land? Dabei sei dann auch die Einnahmenseite der Kommunen von entscheidender Bedeutung. Denn sie ver-fügten im Gegensatz zu Bund und Län-dern nicht über eigene Stellschrauben, um ihre Finanzsituation entscheidend zu verbessern. „Wenn den Kommunen nicht geholfen wird, sind wir gemeinsam die Gekniffenen“, so Albig an die Adresse der Betriebsräte und Gewerkschaften.

Es sei ein groteskes Missverständnis der jetzigen Regierung, dass die Mitbe-stimmung im öffentlichen Sektor ein Kostenfaktor zu Lasten der Kommunen sei, kritisierte Albig und kündigte an, nach der Landtagswahl als Ministerprä-sident die bewährten Mitbestimmungs-regelungen für den Öffentlichen Dienst in Schleswig-Holstein wiederherzustellen. Er versprach, bei öffentlichen Aufträgen die Tariftreue zum Maßstab zu machen: „Wir wollen nicht, dass in Schleswig-Hol-stein unter Tarif bezahlt wird.“

Albig schloss mit einem selbstbe-wussten Aufruf: „Die Sozialdemokra-tie ist wieder da. Die Sozialdemokratie will regieren, sie kann regieren, sie wird regieren. Gemeinsam werden wir das Land voranbringen.“ n

Gemeinsam für die interessen der arbeitnehmer: Hamburgs erster bürgermeister Olaf Scholz (m.) und SPD-Spitzenkandidat torsten albig (2.v.l.) in norderstedt

Fragen stellen: vorwärts.de/nahlesfrage

vorwärts 04/2012 Pa r t e i l e b e n ! 13

CHefSaCHe

anDrea Direkt!Was hat der Europäische Fiskalpakt mit der Finanztransaktionssteuer zu tun? Wenn man es rein formal betrachtet, wenig. Der Fiskalpakt ist ein geschlos-sener Komplex, der das Schulden-machen in Europa begrenzen soll. Wir glauben aber, dass die Konzentration auf eine rein haushalterische Spar-logik die Wirtschaft in den von der Wirtschaftskrise betroffenen Ländern nicht ankurbeln kann. Wir brauchen vielmehr Wachstumsimpulse, also Investitionen. Die wollen wir nicht über neue Schulden finanzieren, son-dern über eine Spekulantensteuer. Mit der Finanztransaktionssteuer werden die Verursacher der Krise in Haftung genommen. Deshalb hat der Partei- vorstand klar gesagt: Solange die Einführung der Finanztransaktions-steuer von Schwarz-Gelb blockiert wird, solange werden wir dem Fiskal-pakt nicht zustimmen.Die SPD hat die Praxisgebühr einst eingeführt. Warum soll sie jetzt wie-der abgeschafft werden?In den ersten Jahren hat die Praxis-gebühr ihre Steuerungswirkung gut erfüllt. Mittlerweile ist das aber nicht mehr der Fall. Der bürokratische Auf-wand in den Arztpraxen ist dagegen nicht geringer geworden. Und die Praxisgebühr belastet auch die gerin-gen Einkommen stärker, weil jeder bei einem Arztbesuch pauschal zehn Euro bezahlen muss. Wir diskutieren daher schon länger über den Sinn der Gebühr. Bisher hatten die Krankenkassen stets ein großes Defizit und waren daher auf das Geld angewiesen. Da sie jetzt deutlich im Plus sind, ist der Zeitpunkt günstig, um die nicht mehr wirkende Praxisgebühr abzuschaffen. n

Warum seid Ihr gerade jetzt SPD-Mitglied geworden?Schreibt uns [email protected]

»Darum bin iCH in Der SPD…«

klauDia JOCHum

ist Sozialversicherungs- fachangestellte. Seit februar 2012 ist sie mitglied des Ortsvereins Quierschied im Saarland.

Meine Eltern, Schwester und Schwager waren schon aktive SPD-Mitglieder. Als politisch sehr interessierte Bürgerin schätze ich unsere SPD-Spitze, vor allem Frank-Walter Stein-meier, der auf mich sehr authentisch wirkt. Ich bin angewidert von unserer Bundesregierung und möchte mich für eine bessere Politik einsetzen. n

Seit’ an Seit’SCHleSwiG-HOlStein spD-spitzenkandidat albig setzt im land-tagswahlkampf auf den schulterschluss mit den Gewerkschaften

Von Werner Loewe

inHalt

kurz & knaPP

Nachrichten aus den Ortsvereinen Termine

neue aG

Die AG Migration und Vielfalt

POrträt

Serpil Midyatli – Aufstieg im Sauseschritt

14 Partei leben vorwärts 04/201214 Pa r t e i L e b e n ! 04/2012 vorwärts

gezieLt StoLPernMittlerweile sind sie in mehr als 500 Orten in den Gehweg eingelassen: die „Stolpersteine“, Mahnmahl für Opfer des nS-regimes. Die SPD Worms-Mitte hat nun die Patenschaft für drei neue Messing-Quader übernommen. insge-samt wurden in der Stadt 13 weitere Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig verlegt. eine Patenschaft allein

war ihnen nicht genug: Vorstandsmit-glied Heinfried Becker (2. v. r.) hat alle Stolpersteine mit einem GPS-Gerät vermessen. Das ergebnis findet sich im internet unter www.worms.de: eine in-teraktive Karte zeigt die lage der Steine an – Gedenkinschriften inklusive. n NH

Schreibt uns über Eure Aktionen gegen Rechts:

[email protected]

Die Drei e’S„Die nächste Welle der industriellen revolution“, so nennt Michael Müller (SPD) die energiewende. auf einer Kon-ferenz des Herbert-Wehner-bildungs-werkes im März in Dresden diskutierte der Umweltexperte mit Vertretern aus Politik und Wirtschaft über die ener-giepolitik in Sachsen. Müller nannte die Debatte um fehlende Stromspeicher und mangelnde netze eine „alibi-Diskussion“. er betonte stattdessen die bedeutung der drei „e's": ausbau der erneuerbaren, energieeffizienz und energieeinsparung. Hier blieben viele Potenziale ungenutzt, kritisierte er. n MS

werbung aDealkoholwerbung hat im sportlichen Um-feld nichts zu suchen – darüber sind sich die begründer der bremer Petition bcgh einig, . 2011 gegründet, setzt sich die nach den initiatoren Hans-Werner ber-telsen, Martin Claßen, Gerd Glaeska und Hans Huppertz benannte Petition für ein Verbot von alkoholwerbung im Sport ein. im Februar 2012 übernahm bremens First lady Birgit Rüst die Schirmherr-schaft. n RH www.bcgh.de

17. AprilFilmabend„Die wundersame Welt der Waschkraft“, Dokumentar-film über die Reinigung deutscher Hotelwäsche in Polen mit anschließender Diskussion über den Wandel der Arbeitswelt, Gera, Kino im Comma, 18.30 [email protected]

18. AprilAusstellungseröffnung„Hans Madej. Bilder aus dem Osten“, Berlin, Willy-Brandt-Haus, 19.30 Uhr, Ausstellung läuft bis zum 17. Mai 2012freundeskreis-wbh.de

25. AprilDiskussionsabend„Dresden auf Entzug – Wie funktioniert die Stadt ohne Öl?“, mit Vertretern aus Wirt-schaft, Handel und Verkehr, Dresden, Deutsches Hygiene-Museum, 17 [email protected]

Dufte aktion 22 000 rosen verteilte die berliner SPD zusammen mit der arbeitsgemein-schaft Sozialdemokratischer Frauen (aSF) zum internationalen Frauentag am 8. März in berlin. Zu ihnen gehörten auch Martina Hartleib (r.) und Ilona Laschütza. Schon früh morgens standen die Sozialdemokraten vor bahnhöfen und einkaufszentren. Der Weltfrauen-tag erinnert daran, dass die Gleichheit von Frauen und Männern noch immer nicht vollständig gegeben ist. „Die Gleichheit aller Menschen ist einer der Grund pfeiler der Überzeugung und des engagements der SPD“, sagt die aSF-Vor-sitzende eva Högl. Deswegen beteuert Klaus Wowereit, berlins regierender bürgermeister: „Wir werden Druck machen, um die beruflichen aufstiegs-chancen von Frauen zu entwickeln und die Vereinbarkeit von Familie und beruf zu verbessern.“ n RH

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der SPD hat der „arbeitskreis integration und Migration“ be-

reits durchgesetzt. im Juli 2010 gegrün-det, hat der arbeitskreis nun ein weiteres Ziel erreicht: Den aufstieg zur arbeits-

gearbeitet: „Den Vorschlag dazu haben wir bereits 1996 auf einer bundeskon-ferenz Sozialdemokratischer Migrantin-nen und Migranten in bonn formuliert. auf den bundesparteitagen wurde er jedoch jahrelang abgelehnt.“

anders als der arbeitskreis soll die aG „Migration und Vielfalt“ heißen. Denn den begriff integration lehnt der arbeitskreis inzwischen ab. er vermitt-le eine zu einseitige Sichtweise, als sei-en nur die einwanderer in einer bring-schuld, sich anzupassen, erklärt Kolat. Stattdessen will sich die aG für eine bewusste Diversitätspolitik einsetzen. „Die Gesellschaft ist kulturell vielfältig – und das wollen wir betonen“, führt der arbeitskreis-Vorsitzende aus.

Wenn demnächst die richtlinien verabschiedet werden, geht es daran, Mitglieder zu gewinnen. bislang be-stand der arbeitskreis aus 84 Mitglie-dern, ernannt von den landesverbän-den. Der „aG Migration und Vielfalt“ dagegen kann jeder beitreten. „Wir haben keine ausschlusskriterien. im Gegenteil: Migration und Vielfalt sind keine themen nur der Migranten. es ist wichtig, dass sich alle an der arbeit beteiligen“, betont Kolat. Umgekehrt will sich die arbeitsgemeinschaft in die Fachressorts einbringen. „Vielfalt ist kein thema für sich, sondern betrifft alle bereiche, ob nun Gesundheits-, Wirt-schafts- oder bildungspolitik.“ n MS

ArbeitsgemeinschAFtseit Dezember 2011,Arbeitskreis seit 2010

mitglieDer84

bunDesvorsitzKenan Kolat

[email protected]

SPD-Chef Sigmar gabriel (m.) und kenan kolat (4. v. r.) bei der Vorstellung des arbeitskreises

Der bunte arm Der ParteiVieLfaLt ein thema nicht nur für migranten

arbeitSgemeinSChaften in Der SPD Folge 2

gemeinschaft. „als aG ist man teil der Kreis- und landesverbände und in den Gremien stimmberechtigt“, erläutert Kenan Kolat den neuen Status. Darauf hat der Vorsitzende des „arbeitskreises integration und Migration“ lange hin-

migration unD VieLfaLt

vorwärts 04/2012 Pa r t e i L e b e n ! 15

Selbstbewusst und redegewandt: Serpil Midyatli eroberte die Herzen der Genossen im Sturm. nun will sie ihren Wahlkreis eckernförde erobern. Der ist eher ländlich und „schwarz“.

H ast du Lust, auf ein Podium mit Heide Simonis zu gehen?“ „Ich, wieso? Was soll ich denn da

sagen?“„Das, was Du uns im Restaurant auch immer erzählst.“ Serpil Midyat-li sagte zu. So begann im Jahr 2000 ihr Einstieg in die Politik.

24 war sie damals und eine erfolg-reiche Geschäftfrau, die seit ihrem 18. Lebensjahr das Restaurant ihrer Eltern in Kiel leitete und Feste für 400 Perso-nen ausrichtete. Das Abitur auf dem Wirtschaftsgymnasium hatte sie dafür sausen lassen. Und eine Ausbildung? Als sie ihre beiden jüngeren Brüder so weit eingearbeitet hatte, dass sie das Restau-rant übernehmen konnten, galt sie in

den Augen potenzieller Ausbilder als überqualifiziert.

Was hat sie auf dem Podium erzählt? „Ich habe gesagt, dass die Zeiten vorbei sind, in denen man über Migranten re-det, aber nicht mit ihnen. Dass eine Ge-neration heranwächst, die sich das nicht gefallen lässt.“ Serpil Midyatli gehört zu dieser Generation. „Ich wollte mich im-mer für die Gemeinschaft einsetzen“, sagt sie. Sie engagierte sich in der Schü-lervertretung und war stellvertretende Schülersprecherin.

Schon jetzt ein MedienstarDer Abend mit der schleswig-holstei-nischen Ministerpräsidentin war also

kein Zufall. Er endete damit, dass Ser-pil Midyatli in die SPD eintrat. In ihrem Ortsverein wurde sie zur Schriftführe-rin gewählt, danach in den Landesvor-stand und dort zur Beisitzerin. Ein Auf-stieg mit Siebenmeilenstiefeln, der 2009 über einen Listenplatz in den schleswig-holsteinischen Landtag führte.

Nun hat sie einen eigenen Wahlkreis. Eckernförde heißt er und liegt an der Ostsee in einer malerischen Hügelland-schaft. Eine ländliche Gegend und wie sie sagt „ziemlich schwarz“. Den Wahl-kreis im ersten Anlauf zu holen, werde wohl „ein bisschen schwierig“, gibt sie zu. „Ich bin ja nicht so bekannt.“ Aber da untertreibt sie. Als erste Muslimin

Porträt

aufStieG iM SauSeScHrittSerPiL MiDyatLi Sie ist 36 Jahre alt, erfolgreiche Unternehmerin, Mutter, Muslimin. Am 6. Mai kandidiert sie für den Landtag in Schleswig-Holstein. Eine Erfolgsgeschichte Von Susanne Dohrn

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NeueS DeSigN

vorwärts.de

Neue iNhalte

16 Pa r t e i L e b e n ! 04/2012 vorwärts

im schleswig-holsteinischen Landtag ist Serpil Midyatli ein Medienstar. Kürzlich filmte ein Fernsehteam sie in der Schule, in der sie jeden Montag vorliest.

Mit Platz 2 auf der Landesliste ist ihr ein Mandat im nächsten Landtag sicher. Davor kommen harte Wochen. „Wahl-kampf ist Ausnahmezustand. Das weiß meine Familie“, sagt die 36-Jährige. De-ren Unterstützung hat sie: Um die zwei Söhne, acht und zweieinhalb, kümmert sich ihr Mann. Eltern und Geschwister seien „total stolz“ und die Gäste des Res-taurants gäben alle Zeitungsartikel über sie bei ihren Brüdern ab.

In der SPD-Landtagsfraktion ist sie für Integration, Kinder- und Jugendpo-litik sowie Rechtsextremismus zustän-dig. Themen, die gut zusammenpassen, findet sie. „Junge Menschen brauchen eine Perspektive. Man muss ihnen das Gefühl geben, dazuzugehören.“ Dann sei die Gefahr geringer, dass sie sich extremen Gruppierungen anschließen.

Es stört sie, dass das Thema Migra-tion eher negativ diskutiert wird. „Es gibt wahnsinnig viele Erfolgsgeschich-ten. In der Öffentlichkeit wird so getan, als ob das Ausnahmen sind. Ich sage dann immer: Ich bin keine Ausnahme.

rungspunkte zwischen Unternehmern und SPD, z.B. deren gesellschaftliches Engagement. Wie recht sie hat, zeigt sich, als sie mit einer kleinen Delegation von SPD-Lokalpolitikern einen Wind-parkentwickler besucht. Der spendet ohne zu zögern für ein Kinderfest sei-ner Gemeinde. Aber er hat auch ein An-liegen: schnellere Entscheidungen für Windparkstandorte. Das kann die Abge-ordnete, die selbst Unternehmerin war, gut verstehen. Sie betont aber, dass die Energiewende nur mit Beteiligung und Akzeptanz vor Ort möglich ist.

Ein Anliegen hat auch der Saatgut-züchter, den sie als nächstes besucht. Er möchte die Null-Grenzwerte für gen-technisch veränderte Saat – ein bisschen nur – gelockert wissen. Serpil Midyatli verhehlt nicht, dass sie gentechnisch veränderte Lebensmittel ablehnt, ver-spricht aber, sich zu erkundigen, was es mit den Grenzwerten auf sich hat.

Noch ist es im Wahlkreis nicht selbstverständlich, eine Muslimin als Abgeordnete zu haben. Bei einem der Firmenbesuche werden Blätterteigröll-chen mit Würstchen gereicht und kleine Quiches mit Schinken. Serpil Midyatli lehnt höflich ab: Sie sei Vegetarierin. n

Ich bin die große Realität.“ Klar müss-ten die Probleme angesprochen werden, „aber oft erleben wir, dass die positiven Seiten komplett ausgeblendet werden.“

Drahtseilakte im Wahlkreis Viel Wert legt sie auf Unternehmens-besuche. „Das ist ein Bereich, den wir Sozialdemokraten manchmal etwas vernachlässigen.“ Sie sieht viele Berüh-

»Ich bin die große Realität. «Serpil Midyatli,über erfolgreiche Migranten in Deutschland

Freude über das neue OV-büro: Jörg Meyer, OV-Vorsitzender, Serpil Midyatli und Sönke rix , Mdb, (v.l.) eröffnen das neue SPD-büro in eckernförde.

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A N Z E I G E N M A R K TBerliner vorwärts Verlagsgesellschaft mbH, Stresemannstraße 30, 10963 BerlinTel.: 030/255 94-166 ■ Fax: 030/255 94-190 ■ E-Mail: [email protected] Sie bitte immer Rubrik, Erscheinungsmonat sowie Ihre Bankverbindung an. Preis: Pro Wort berechnen wir 3,50 Euro inkl. MwSt., für gewerbliche Anzeigen 4,00 Euro zzgl. MwSt.; Anzeigenschluss ist jeweils der 10. Tag des Monats.

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Kommunalpolitik besser machenNeue Herausforderungen erfordern moderne Kommunalpolitik.Lesen Sie mehr in der DEMO 3-4/2012

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Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands trauert um

Karl-Heinz Kunckel30. Juni 1944 – 9. März 2012

Karl-Heinz Kunckel schloss sich unmittelbar nach dem Fall der Mauer der Sozialdemokratie an.

Er hat maßgeblich am Aufbau der SPD Sachsen mitgewirkt.

Karl-Heinz Kunckel war von

Mai bis Oktober 1990Mitglied der ersten freigewählten Volkskammer der DDR

1990 –1999Vorsitzender SPD-Landtagsfraktion in Sachsen

1993 –1999Landesvorsitzender der SPD in Sachsen

1993 –1999Mitglied des Parteivorstandes

Durch sein großes Engagement für eine soziale Demokratie hat er über Parteigrenzen hinweg hohes Ansehen erworben.

Karl-Heinz Kunckel hat unsere Grundwerte „Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität“ vorgelebt.

Wir werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren.

Martin DuligVorsitzender der SPD Sachsen

Sigmar GabrielVorsitzender der SPD

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04/2012 vorwärts Parlament 17

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit: Anlässlich des Equal-Pay-Day am 23. März demonstrierte die SPD-Bundestagsfraktion vor dem Brandenburger Tor in Berlin für Gleichbehandlung.

SPEnDEn, DiE LEBEn rETTEn

Für ihn ist es eine „Frage der Mitmenschlichkeit“: 2010 spendete Frank-Walter Stein-meier seiner Frau, als diese schwer erkrankte, eine Niere. Jetzt setzt sich der SPD-Frak-tionschef auch bundesweit für mehr Organspender ein. Zusammen mit Volker Kau-der (CDU) hat er einen Grup-penantrag aller Fraktionen initiiert. Über die beantragte Änderung des Transplanta-tionsgesetzes berät nun der Bundestag. Demnach sollen alle Erwachsenen regelmäßig von ihren Krankenkassen be-fragt werden, ob sie zu einer Organspende bereit sind. Ab 2016 soll die Antwort auch auf den Gesundheitskarten dokumentierbar sein. n MS

P ünktlich zum Internationalen Frauentag am 8. märz beschei­nigte die Organisation für wirt­

schaftliche Zusammenarbeit und ent­wicklung (OeCD) Deutschland eine Spitzenposition, die alles andere als be­geistert. Demnach ist in der Bundesrepu­blik das lohngefälle zwischen männern und Frauen europaweit am größten. Knapp 22 Prozent verdient eine Frau in Vollzeit weniger als ein mann. Der Schnitt in den 34 ländern, die von der OeCD erfasst werden, liegt bei 16 Prozent.

„Dieses ergebnis ist für Deutschland nicht nur bitter, sondern auch beschä­mend. Und es ist vor allem nicht länger

hinnehmbar“, mahnt die frauenpolit­ische Sprecherin der SPD­Bundestags­fraktion, Caren marks. Im mai will die SPD­Fraktion deshalb einen Gesetzent­wurf in den Bundestag einbringen, der Unternehmen verpflichten soll, die ent­lohnungspraxis offen zu legen. Dadurch könnten lohndiskriminierungen leich­ter erkannt werden. Geht ein Unterneh­men nicht gegen solche lohnabstände vor, würde der Staat mit Sanktionen eingreifen. „Für uns gilt dabei: So wenig Staat wie möglich, und so viel wie nö­tig“, so Caren marks. Sie ist überzeugt: „mehr transparenz wird versteckte lohndiskriminierungen abbauen.“

Ähnlich blamabel fallen die deutschen Zahlen zu Frauen in Chefetagen aus. We­niger als vier von hundert Vorstandspos­ten sind weiblich besetzt. In norwegen ist es dagegen fast jeder zweite Posten. Seit 2006 wirkt hier eine Frauenquote. auch in Frankreich hat die einführung einer Quote erste erfolge erzielt: Von zwölf Prozent im Oktober 2010 ist der anteil auf aktuell 22 Prozent gestiegen.

Die SPD­Bundestagsfraktion fordert deshalb auch hier eine gesetzliche re­gelung für Vorstände und aufsichtsräte. Ihr Gesetzentwurf sieht eine Geschlech­terquote für mitbestimmte Unterneh­men ab 500 mitarbeitern vor. ab 2015 soll demnach der Frauenanteil bei 40 Prozent liegen.

Im Gegensatz zu der „Flexiquote“ von Bundesfrauenministerin Kristina Schröder (CDU), die auf den guten Wil­len der Wirtschaft setzt, fordert die SPD­Bundestagsfraktion verbindliche Vor­gaben. „Wir brauchen keine ,zahnlosen tiger‘, sondern wirkungsvolle Sanktio­nen“, erklärt Christel Humme, Spreche­rin der arbeitsgruppe Gleichstellungs­politik der SPD­Fraktion.

Bei der Umsetzung soll deshalb das Konzept des „freien Stuhls“ helfen. Wer­den Positionen nicht quotengerecht besetzt, muss der Platz für das unterre­präsentierte Geschlecht frei bleiben. Da die Quote im aufsichtsrat sowohl für die arbeitnehmer­ als auch die aktio­närsseite gilt, hätte die quotengerechte Seite in diesem Fall mehr Gewicht. Dies wird jede Seite vermeiden wollen – eine selbstregulierende Wirkung. n MS

»KEinE zAhnLoSEn TiGEr«GLEichSTELLunG SPD-Fraktion fordert Frauenquote

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Frank-Walter Steinmeier: „Merkel wird auf uns zukommen müssen.“

FiSKALPAKT iST unzurEichEnDDie eU­Staaten müssen ihre Schulden zurückfahren. Darüber sind sich Bundesregierung und Opposition einig. Dem Fis­kalpakt von Schwarz­Gelb will die SPD­Bundestagsfraktion trotzdem nicht ohne weiteres zustimmen. Sie fordert zudem wachstumsfördernde maßnahmen und eine Besteuerung der Finanzmärkte. „europa kommt nur aus der Krise, wenn wir raum geben für Investitionen und Wachstum. Diese Seite fehlt im Fiskalpakt“, so Fraktionschef Frank­Walter Steinmeier. Wichtig sei auch, die Kosten der Finanzmarktkrise gerecht zu verteilen. Im Juni soll der europäische Fiskalpakt in Deutsch­land verabschiedet werden. Dies gelingt nur, wenn er die Zwei­drittelmehrheit im Bundestag und Bundesrat erhält. n MSFo

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Das Wörterbuch der PolitikverdrossenheitDer »Parteienstreit«

Im heutigen China erstreben die kommunistischen Führer in Übereinstimmung mit einer jahrhundertealten Philosophie die „harmonische Gesellschaft“. Wie schön: Konflikte sind verboten, Streit ist verboten, Parteien sind verboten! Die KP denkt und lenkt, und alles wird gut. Wer aber an die Diktatur der Harmonie nicht glaubt, der ist in einem demo-kratischen System besser aufgehoben. Da herrscht nicht nur Wettbewerb zwischen Privatunternehmen (das gibt’s in China inzwischen auch), sondern vor allem zwischen Ideen und Interessen.Weil die Menschen unterschiedlich sind, weil es nicht die eine Wahrheit und nicht die eine einzig mögliche Zukunft gibt, deshalb soll es für jeden die Freiheit geben, seine Meinung zu sagen und Parteien zu gründen, die miteinander konkurrieren, das heißt auch: streiten.Parteien ihr „Gezänk“ vorzuwerfen, ist also ähnlich geist-reich, wie Vögel für das Fliegen zu kritisieren. Aber: Demo-kratischer Streit kann und muss gelernt werden – und das gelingt nicht immer gleich gut. Wohl wahr. n H.P. B

Der Autor Hans-Peter Bartels ist seit 1998 Mitglied des Bundestages. Weitere Stichworte und Buchstaben: vorwärts.de/politik

P »Wer sich beim Thema Solar-förderung nicht einmal gegen Rösler durch-setzen kann, ist nicht gut genug für NRW.«Thomas Oppermann,Parlamentarischer Geschäfts-führer der SPD-Fraktion, über die Spitzenkandidatur von Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) bei den Landtagswahlen in NRW.

18 Meinung vorwärts 04/2012

Leserbriefeeine KLarsteLLung

unser jüngster „seitwärts“-Comic hat eine lebhafte Diskussion ausgelöst. Lei-der scheint eine Klarstellung notwen-dig zu sein: Mit der Figur des „Anton“, gezeichnet mit einem Roten Stern so-wie Hammer und Sichel, waren weder die Jusos noch die Falken gemeint.unter dem Deckmantel rechts- wie linksextremistischer ideologie wird gewalt verübt. Diese Tatsache wurde im Comic abgebildet. Das Ziel war nicht, Rechts- und Linksextremis-mus gleichzusetzen. Dazu sind ihre Ziele und Mittel viel zu unterschiedlich.Angesichts der Blutspur rechtsextremer Mörder ist der Aufstand der Demokra-ten unverzichtbar. Die Redaktion

ComiC seitwärts03/2012

Die pauschale gleichsetzung von Links- und Rechtsextremisten ist nicht nachvollziehbar: Beide werden als dumm, unpolitisch, nur auf Krawall ausgerichtet gezeichnet. Dabei hat doch gerade die letzte Zeit gezeigt: nazis wollen offen bestimmte gruppen in der gesellschaft bekämpfen, nämlich Aus-länderinnen, ausländisch aussehende Menschen, Juden u.v.a.m. Von Linken hören wir das nicht. Jens Schwieger, Hamburg

gelungener Comic. (...) interessanter-weise scheint der „harte linke Kern“ der Meinung zu sein, linke gewalt sei irgendwie besser als rechte gewalt, da diese ja aus den vermeintlich „richtigen“ Motiven hervorgeht. Hier kann man nur sagen: Jede Form von gewalt, gleich ob von links oder rechts, ist zu verabscheuen. Danke für diese tolle Überzeichnung, in der sich – glaubt man dem internet – viele wieder erkennen konnten. Jens Lordan, per Facebook

Dass ihr es wirklich wagt, diese rechts-extreme mörderische ideologie, der seit den 90er Jahren mindestens 47 Menschen, wahrscheinlich aber eher 181 Menschen, zum Opfer gefallen sind, auf eine Stufe zu stellen mit irgendwelchen angezündeten Autos, macht mich wirklich fassungslos. Nicole Bormann, München

ein Juso-Landesverband meint, in sein sozialdemokratisches Liederheft gehöre auch die SeD-Parteihymne. eine Orts-sektion leitet ihre Selbstdarstellung mit

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AdenAuers Muffig-klerikAles erbeWie Rafael Seligmann aus­führt: „Alle Religionen sind per se intolerant. Denn die religiösen Bücher scheren sich nicht um tolerante Werte.“ Die Wahrheit dieser Erkenntnis ist leider in vielen Weltgegenden immer wieder zu sehen. Die Sonderrechte der Kirchen in unserem Staat gehen auf Hitlers (!) fort­geltendes Reichskonkordat und Adenauers muffig­klerikales Erbe zurück. Aller­höchste Zeit, dies zu ändern! Antisoziale und undemo­kratische Relikte sollten in einem freiheitlichen Staat nicht weiter ihr Unwesen treiben dürfen. Hier ist Aufklärung nachzuholen.

Manfred Ramm, Ladenburg

PoPulistische kirchenPhobie Wer es bei uns in der Partei zu etwas gebracht hat, darf getrost gegen Kirche sein – und vermutlich die Kirchensteuer sparen. Kirchenphobie ist populär, nichts ist so populistisch instrumentalisierbar wie das Banner: „Pfui Teufel, Kirche! Igittigitt!“ (...) Es lebe der Rückfall in die proletarische Kirchenfeindlichkeit des 19. Jahrhunderts. Wer sich also darüber beschwert, dass die Kirchen sich angeblich im 19. Jahrhundert bewegen, sollte sich selber fragen, ob es ihm dann nicht ähnlich ginge. Gerd Schwieger, Osterholz-Scharmbek

PlurAlisMus erhAlten Der Wertekanon unserer Gesellschaft basiert auf der Aufklärung, deren Ideen die SPD seit beinahe 150 Jahren vertritt, wodurch unsere pluralistische Demokratie erst möglich wurde. So hat sie auch die Weiterentwick­lung der Kirchen bewirkt, einen Arbeitskreis Christen in der SPD ermöglicht. Nun erwarten die Laizisten die entsprechende Anerkennung, denn nur in der Balance blei­ben die Werte unserer Partei, bleibt Pluralismus erhalten.

Adelheid und Günter Hamacher, per E-Mail

»zwisChenruf«

ohne siCherheit Keine freiheitChristoPh zöPeL Mit sozialer integration sicherte die SpD unsere Demokratie. Daran fehlt es bisher in den arabischen Staaten. Mit bitteren Folgen

Prof. Christoph Zöpel ist seit 2001 Mitglied im SPD-Parteivorstand. Von 1999 bis 2002 war er Staatsminister im Auswärtigen Amt. In Nordrhein-Westfalen war er von 1980 bis 1990 Minister für Stadtentwicklung.

Mitreden & bloggen:

vorwärts.de/politik

D er arabische Frühling ist ver-blüht, europa hat durch igno-ranz der sozialen Verhältnis-

se dazu beigetragen. Für traditionelle Diplomatie und wirtschaftsliberale Politik ist das kein Wunder, Sozialde-mokraten aber müssen nachdenklich werden. Die jungen Demonstranten haben „Schuldige“ vertrieben, aber sozial hat sich nichts geändert. So wa-ren islamische Parteien erfolgreich, mit „traditionellen Lösungen“, konträr zu Vorstellungen der internetgenera-tion. „Westliche“ Begeisterung über die Freiheitsliebe junger Araber hat den meisten von ihnen nicht viel ge-bracht. grund der Aufstände waren auch die Wohlstandsunterschiede zu europäischen Staaten sowie unglei-ches Wachstum und soziale ungerech-tigkeit. in den arabischen Staaten hat von 100 Arbeitsfähigen nicht die Hälf-te Arbeit. Die Jugendarbeitslosigkeit ist weltweit die höchste, sie ist aber ein Übergangsproblem, Folge hoher geburtenraten 20 Jahre zuvor, heute liegt in Tunesien die Kinderzahl pro Frau unter zwei.

Die eu fördert marktorientierte entwicklungskonzepte mit weniger Steuern und Sozialabgaben. Das führt zu Wachstum mit mehr ungleichheit. Trotz besserer Bildung fehlt Arbeit für die gut ausgebildeten Jungen. Arbei-ten können sie nur im so genannten informellen Sektor, in dem es keine Arbeitsverträge und keinen sozialen Schutz gibt.

europa begeisterte sich zunächst über mehr Freiheit, engagierte sich aber nicht für Freiheit von materiel-ler not. Diese Halbierung der Men-schenrechte diskreditiert „westliche“ Demokratie bei jungen Arabern. So-zialdemokratie verbindet Freiheit und soziale Sicherheit in der Demokratie zu sozialer integration. Das überwand nationalistische wie religiöse Aggres-sivität, das könnte auch den islam to-lerant machen.

Die Sozialistische internationale hat ihre Strategie globaler Wohlfahrts-staatlichkeit mit sozialdemokrati schen Parteien aus Marokko und Tunesien konkretisiert, bei zwei grundposi-tionen.

erstens: Bei allen traditionellen ökonomischen und kulturellen Struk-turen können auch in arabischen Staaten Familie und religiöse soziale Verantwortlichkeit staatliche Sozial-politik nicht ersetzen. Zweitens: in-formelle Arbeit ist der entscheidende gegensatz zu sozialer integration.

in arabischen Staaten wird Demo-kratie nur real, wenn sich Sozialde-mokraten und islamische Parteien darüber verständigen.

industrielle Produktion und So-zialstaat sind dort möglich. Aber soziale integration erfordert gerech-te Besteuerung, die Beschäftigten brauchen starke gewerkschaften und Tarifverträge, Mindestlöhne sind nütz-lich. und ausländische investoren soll-ten, besonders im Tourismus, so ziale Konditionen, vergleichbar denen zu Hause, akzeptieren. n

04/2012 vorwärts Meinung 19

einem Zitat ernst Thälmanns ein. Oft genug ballen Jungsozialisten ihre Faust zum Rontfrontkämpfergruß und brül-len diesen. (...) Dabei vergessen wohl manche, was es heißt, demokra tischer Sozialist zu sein: gegen jede Form von antidemokratischem Denken einzustehen. Stefan Braun, per E-Mail

Die „sozialistischen Jugendtreffs“ der Falken fangen viele junge Leute auf, die wenig Hoffnung haben, und zeigen ihnen Perspektiven auf. Das machen wir ehrenamtlich und sind es dabei gewohnt, keinen Dank oder sogar Beleidigungen entgegengebracht zu bekommen. Aber dies auch noch aus den „eigenen“ Reihen? Das trifft uns dann doch. Sebastian Merz, per E-Mail

es geht hier nicht darum, dass sich Ju-sos von der Darstellung des linken Sozi-alisten provoziert fühlen. Wer dies tut, identifiziert und solidarisiert sich mit idealen, die mit Sozialdemokratie rein gar nichts zu tun haben. (...) Hammer, Sichel und roter Stern sind keinesfalls embleme der Jusos oder der Falken. Mir scheint es so, als hätten manche Freude daran, endlich mal den „vorwärts“ als angebliche Zeitung des Parteivorstands zu kritisieren. Felix Fleischle, auf vorwärts.de

ich glaube, dass wir uns auch heute ge-nauso wenig schämen müssen, wenn wir in unseren Bundesprogrammen am „demokratischen Sozialismus“ festhal-ten, wie zu Zeiten Willy Brandts oder Rosa Luxemburgs. Julian Schwering, per E-Mail

Man sollte doch darauf kommen, dass es gar nicht um links und rechts als

echte politische gesinnung geht, son-dern um idioten, die die gesinnung als Deckmantel für gewalt und Zerstö-rungswut missbrauchen. So gesehen, ist der Comic viel tiefgründiger, als die Vorredner hier glauben wollen, denn da steckt schon Wahrheit drin. Yuri im Juso-Blog

Auch wenn ich die kriminellen Aktionen von sog. Linksautonomen und -extremisten und die Menschenverach-tung der stalinistischen Parteien mit ihren fundamentalistischen Begrün-dungen für gewalt, Verfolgung und Mord auf eine Stufe mit Faschisten und islamistischen Terrorgruppen setzen würde – die sozialistischen Jugend-treffs, die ich kennengelernt habe (...) bei der Sozialistischen Jugend Deutsch-lands „Die Falken“ hatten damit nichts am Hut – auch wenn wir manchmal rote Sterne getragen haben. Wir woll-ten einen demokratischen Sozialismus und gewaltfreiheit. Rolf Stöckel, per E-Mail

Wer eigentum seiner Mitbürger beschä-digt und denen die eigene Meinung aufdrängen will, hat kein Verständnis verdient. ne saftige Karikatur, wie im Comic, allerdings schon. Richard Müller, im Juso-Blog

Der „vorwärts“ gräbt die Totalitaris-mustheorie wieder aus – Sozialisten und Faschisten sind die Feinde der Demokratie. Lustig? ganz und gar nicht. Heiner Erling, Berlin

Als Juso fühle ich mich nicht ange-sprochen. (...) Mit Autos anzündenden Dumpfbacken, die unsere gesamte gesellschaft für kaptialistisch-verdorben halten, will ich nichts zu tun haben. Jonas im Juso-BlogFo

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david füleki comics mit hintergrund

Mit solchen Reaktionen hatte David Füleki nicht gerechnet. „Als ich den Comic für die März-Ausgabe des ‚vorwärts‘ gezeichnet habe, wäre ich nie auf die Idee gekommen, dass man ihn so extrem interpretieren kann“, sagt der 26-Jährige. Seit einem Jahr setzt der mehrfach preis gekrönte Zeichner im „seitwärts“ politische Themen als Comic um. „In der März-Ausgabe wollte ich zeigen, dass es politikinteressierte Jugend-liche gibt, aber eben auch ‚Spinner‘, die den politischen Deckmantel nutzen, um ihre Aggressionen auszuleben.“ Das ist nicht bei allen Lesern

gut angekommen. Die „vorwärts“-Redaktion erhielt viele Leserbriefe (s. links), im Internet entbrannte eine Debatte. David Füleki richtete eine eigene Diskussionsrunde auf seiner Facebook-Seite ein und bezog zu den Vorwürfen Stellung.Normalerweise hat der Me-dienkommunikationsstudent mit politischen Themen eher wenig zu tun. Bekannt ist er für lockere Unterhaltung wie im Comic „Studieren mit Rind“ oder für seine Neu-interpretation des Märchens „Struwwelpeter“. Aus den Reaktionen auf den letzten „seitwärts“ will er Konse-quenzen ziehen: „Mit linken politischen Gruppierungen werde ich sensibler umge-hen. Aber an meinen Figuren ändere ich nichts.“ n KD

Interview mit David Füleki:vorwärts.de/politik

Neues DesigN

vorwärts.de

Neue iNhalte

»diskreditierende gleichsetzung«extremismus links und rechts ist nicht dasselbe

Interview Kai Doering

engagierte debatte in der redaktion: Juso-chef sascha Vogt (links) und sein stellvertreter Julian zado diskutieren ausführlich mit vorwärts-chefredakteur uwe knüpfer über den letzten „seitwärts“-comic und die kritik daran. einig war sich die runde, dass rechts- und linksextre-mismus nicht gleichzusetzen sind. uwe knüpfer verwies auf zahlreiche Berichte im „vorwärts“ über initiativen gegen rechts, auch solche der Jusos. er versprach, weitere würden folgen.

david Füleki

Dr. Gero Neugebauer lehrt am Otto-Suhr-Institut für Politik-wissenschaft der Freien Universität Berlin. Sein Schwerpunkt ist die empirische politische Soziologie.

links- und Rechtsextremismus werden häufig in einem atemzug genannt. Kann man beide gleich bewerten?nein. Klar ist: Rechtsextremismus ist die Summe bestimmter persönlicher einstellungen wie z.B. Fremdenfeind-lichkeit, Antisemitismus oder nationa-lismus. Linksextremismus ist vor allem ein Begriff des Verfassungsschutzes und der Medien. Sie fassen darunter anti-demokratische Bestrebungen von links wie Kommunismus und Anarchismus zusammen. Rechtsextreme wollen vor allem die Demokratie zerschlagen. ex-treme Linke kämpfen gegen den Kapi-talismus, nur ein Teil von ihnen gegen die parlamentarische Demokratie. Die Rechten leben gewalt als Mittel der p olitischen Auseinandersetzung, in der Linken gibt es dafür kaum Akzeptanz. Die gleichsetzung diskreditiert gewalt-freie demokratiekritische Aktivitäten.Bundesfamilienministerin Kristina schröder hat dennoch die Mittel zur Bekämpfung von links- und Rechts-extremismus zusammengefasst.Das geschah primär aus innerpartei-lichen gründen. in der CDu war man schon lange damit unzufrieden, dass die Regierung ein größeres Augenmerk auf die Bekämpfung des Rechtsextre-mismus gerichtet hat, als sich um den Linksextremismus zu kümmern.Kritisiert wird auch die so genannte extremismusklausel. initiativen, die eine Förderung vom Familien-ministerium erhalten wollen, müssen erklären, dass sie und ihre Partner sich zur freiheitlich-demokratischen grundordnung bekennen.Diese Klausel ist kompletter unsinn und eine politische gehorsamsleistung. Wie man als studierte Politikwissenschaft-lerin – mit extremismus als Studienthe-ma – auf solch eine idee kommen kann, erschließt sich mir nicht. Wenn man sie ernst nimmt, müssten alle initiativen ihre Kooperationspartner vom Verfas-sungsschutz überprüfen lassen. Aller-dings stünden dafür nur dessen Krite-rien zur Verfügung. n

Gesundheit 04-2012-Verlags-sonderVeröffentlichung 20

Gut versorgt: Der alte Mann ist Patient im geriatrischen Ida-Wolff-Krankenhaus der AWO in Berlin. Die Klinik ist auf die medizinische Versorgung älterer Menschen spezialisiert.

Im Zweifel kommt der Leasing-Pfleger Die Suche nach examiniertem Personal ist für Jürgen Brockmeyer

von der Pflegegesellschaft der Berliner AWO längst Alltag.

Interview: Yvonne Holl

Das AWO Pflegenetz unterhält acht Sozialstationen in Berlin. Wie viele Menschen betreuen Sie? aktuell betreuen 243 Pfleger und Kranken-schwestern täglich 743 Menschen.Spüren Sie den demografischen Wandel? Ja. nicht nur das durchschnittsalter unse-rer Patienten ist mit 84 Jahren hoch. unse-re Mitarbeiter sind im schnitt inzwischen fast 50 Jahre alt. Welche Leistungen werden hauptsäch-lich abgefragt? 60 Prozent laufen über die Pflegeversiche-rung, da geht es um Körper- und grund-pflege: also duschen, Waschen, Baden, beim anziehen helfen, essen zubereiten und einkaufen. 30 Prozent betreffen die häusliche Kran-kenpflege: tabletten reichen, spritzen ge-ben und Verbände wechseln.Zehn Prozent laufen über die sozialhilfe, zum teil ist das Pflege, aber hauptsäch-lich tagesstrukturierende Maßnahmen für psychisch erkrankte, vergleichsweise jun-ge Menschen ab 50 Jahren. Haben sich die Anforderungen an das Pflegepersonal verändert?Ja. Zwar nicht im Bereich der Pflege selbst. aber die so genannte umsetzung der Qua-litätsanforderungen, beispielsweise das ausfüllen von dokumentationsbögen, hat stark zugenommen. außerdem bemerken wir, dass immer mehr Menschen hilfe bei der antragstellung brauchen sowie bei aufgaben, die früher weitaus stärker fami-lie und Bekannte abgedeckt haben: sich zu kümmern, wenn die Waschmaschine ka-putt ist oder die Katze zum tierarzt muss. Viele Menschen leben inzwischen allein und haben niemanden, der das macht. dann springen wir ein, obwohl wir das na-türlich nicht bezahlt bekommen.

Zeitarbeitsfirmen. Wir kooperieren auch mit anderen Pflegediensten und vermit-teln. aber da sieht es oft nicht viel besser aus. ich habe schon Beschwerdeanrufe von hausärzten bekommen, die uns als siebten dienst anriefen und wieder eine absage erhielten.Wenn Sie also gute Bewerber hätten, würden Sie die sofort einstellen?richtig. die eröffnung unserer station in Berlin-neukölln hat sich beispiels-weise um ein Jahr verzögert, weil wir so lange brauchten, um das Personal zu finden. Wie kann dieser Engpass gelöst werden?Wir haben beispielsweise unsere arbeits-organisation verändert: um ältere Pfle-gekräfte zu reaktivieren, habe ich einen starken jungen Mann eingestellt, der nur für s einkaufen für die Patienten zuständig ist. da ist oft schwer zu tragen, manchmal in den 3. stock und das mehrmals am tag. Bald soll ein ganzes einkaufs-team das Pflegepersonal entlasten. Würden deutlich höhere Gehälter helfen und Anreize schaffen? im Prinzip schon, aber es geht nicht um sehr viel mehr geld, sondern darum, dass das vorhandene nicht noch weiter gekürzt wird. die Kassen versuchen seit Jahren, uns zu drücken. aber für 11 euro brutto die stunde finden sie keine Pflegefachkräfte, noch dazu in der ambulanten Pflege, wo es fast nur teilzeitstellen gibt, wo sie in den Wohnungen schwierige arbeitsbedingun-gen haben und durch die hausbesuche der Witterung ausgesetzt sind. Was zahlen Sie?12,50 euro müssen schon sein, um über-haupt examiniertes Pflegepersonal zu be-kommen. Wir zahlen auch noch Zulagen für Wochenend- und feiertagsarbeit.

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Jürgen Brockmeyer ist Geschäftsführer der AWO Gemeinnützigen Pflege-gesellschaft mbH in Berlin

Umfrage

Bereit für die Bürgerversicherung

die Mehrheit der Bundesbürger befür-wortet die einführung einer Bürgerver-sicherung für die Pflege. das hat eine umfrage der arbeiterwohlfahrt (aWo) ergeben. 65 Prozent der Befragten wa-ren dafür, bei einkommen unter 1500 euro netto waren es sogar 74 Prozent. „Viele Menschen haben nicht mehr die finanziellen Mittel, um private Vorsor-ge zu betreiben“, so der aWo-Bundes-vorsitzende Wolfgang stadler. deshalb sei es „notwendiger denn je, die finan-zierungsgrundlage für die Pflege zu ver-breitern“. alle Versicherungspflichtigen sollten je nach höhe ihres einkommens in diesen topf einzahlen. dies wäre laut stadler „gelebte solidarität" und zugleich ein „kraftvolles Zeichen für zu-kunftstaugliche Pflege". n YH

Alle sprechen vom Mangel beim Personal in der Pflege. Spüren Sie den auch? auf jeden fall! Wir haben immer stellen frei und können etwa in der häuslichen Krankenpflege derzeit keine Patienten mehr annehmen.Warum gibt es die Lücke gerade dort?Weil dort ausgebildete Krankenschwes-tern benötigt werden. Pflegehelfer kön-nen wir im Zweifel selbst fortbilden. aber bei den fachkräften haben wir Probleme. Was sagen Sie den Patienten, die Sie ablehnen müssen?in dringenden fällen setzen wir leasing-personal ein, also Krankenschwestern aus

31 Millionen Versicherte,96 Prozent zufriedene KundenEs gibt heute so viele Privatversicherte wie noch nie. Und es werden jedes Jahr mehr. Nahezu alle sind mit ihrem Versicherungsschutz rundum zufrieden. Und wenn es doch mal klemmt, gibt es Ansprech­partner: bei den Versicherern oder bei einer neutralen Schlichtungsstelle. Diese verzeichnete im vergangenen Jahr 6.500 Eingaben. Das sind gerade 0,02 Prozent aller Privat versicherten. Von so viel Zufriedenheit können andere Branchen nur träumen. www.gesunde-versicherung.de

PKV – Die gesunde Versicherung.

21 xx-2012-Verlags-sonderVeröffentlichung Gesundheit21 Verlags-sonderVeröffentlichung-04-2012 Gesundheitfo

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die alten werden immer mehr. nicht nur in deutschland. Weltweit verdreifacht sich die Zahl der über 60-Jährigen bis 2050, so die Weltgesundheitsorganisation Who. grund genug für die Who, den diesjähri-gen Weltgesundheitstag unter das motto: „altern und gesundheit“ zu stellen.

denn die drastische erhöhung der le-benserwartung im laufe des vergangenen Jahrhunderts sei ein „beispielloser erfolg“, stelle aber „die einzelnen Bürger, ihre fa-milien und die gesellschaft insgesamt“ vor große herausforderungen. und das nicht nur in den industrienationen.

insbesondere in den weniger ent-wickelten ländern dieser Welt sei die situation geradezu prekär, warnt die Who. manche staaten werden nur eine einzige generation haben, um ihre gesundheits- und sozialsysteme auf eine alternde Welt vorzubereiten. die Who animiert insti-tutionen und Vereine, sich rund um den 7. april intensiv mit diesem thema zu beschäftigen, experten sowie Bürger zu diskussions- und infoveranstaltungen ein-zuladen. dabei soll es insbesondere auch um die frage gehen, „was der einzelne Bür-ger und der staat zur förderung eines ak-tiven und gesunden alterns tun können“.

der Weltgesundheitstag wird seit 1950 in vielen ländern der Welt am 7. april, dem tag der gründungsversamm-lung der Who, begangen. es gibt immer

ein leitthema, das von globaler Bedeu-tung sein soll. in der Vergangenheit waren das sowohl grunsätzliche felder wie hun-ger (1963), Wasser (1954) oder ernährung (1974) als auch konkrete Krankheiten wie tuberkulose (1964), herzleiden (1972) und der Blutdruck (1978).

die gesundheit von Kindern stand sogar in den Jahren 1977, 1979, 2003 und 2005 im mittelpunkt. ebenso ist das

diesjährige thema kein neues: „aktiv le-ben – gesund alt werden“ hieß es bereits 1999. damals wollte die Who „alter als chance und erfolg werten“. 2012 widmet sich übrigens auch die europäische union den senioren und begeht das „europäi-sche Jahr für aktives altern und solidarität zwischen den generationen.“ n YH

www.weltgesundheitstag.de

www.ej2012.de

Längeres Leben birgt neue Herausforderungen

Am 7. April ist Weltgesundheitstag. Bereits zum zweiten Mal hat die WHO die Auswirkungen der alternden Gesellschaft zum Thema gemacht.

Demografischer Wandel auf usbekisch: Großeltern in Chiva mit ihrer Enkeltochter.

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36,2%der Deutschen werden 2030 über 60 Jahre alt seinQuelle: statistisches Bundesamt

112 000Pflegekräfte fehlen im Jahr 2025, so die PrognosePrognose: gKV-sPitZenVerBand

uMFRAGE

Welcher Partei trauen Sie am ehesten zu, eine gute Gesundheitspolitik zu betreiben?

Quelle: ard-deutschlandtrend, 11/2011, Befragt: WahlBerechtigte

Anteil der Befragten in Prozent

SPD

CDU/CSU

Grüne

Linke

FDP

keiner PArtei, WeiSS niCht

37

23

5

14

3

17

Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung

KZBV» Zahnmedizin: Lücken schließen – in der gesetzlichen Krankenversicherung

Eine gute Nachricht vorweg: Die Deutschen haben immer gesündere Zähne. Anfang der achtziger Jahre hatten zwölfjährige Kinder in Deutschland im Schnitt sieben Zähne mit Karies. Heute liegt der Wert bei 0,7, also einem Zehntel. Parallel hat sich der Anteil der Zahnmedizin an den Ausgaben der gesetzlichen Kranken versicherung halbiert. Deutschland hat sich damit im internationalen Vergleich vom Schmuddel-kind zum Klassenprimus entwickelt. Für diese Erfolgs-ge schichte gibt es einen Grund: Eindeutiger als in anderen Gesundheitsbereichen wurde auf Prävention gesetzt. Und für Kinder bzw. Jugendliche wurden kostenfreie Prophylaxeleistungen eingeführt, die das Fundament für ein langfristig zahngesundes Leben legen.Diese positive Bilanz bedeutet allerdings nicht, dass man die Hände in den Schoß legen kann. Denn unsere Ge-sellschaft verändert sich, und mit den Veränderungen kommen neue Herausforderungen. Immer mehr Menschen werden immer älter, und das stellt die zahn-medizinische Versorgung vor neue Aufgaben. Nicht nur, weil altersassoziierte Erkrankungen wie Parodontitis zu-nehmen und nach versorgungspolitischen Antworten verlangen, sondern vor allem, weil die demografische

Entwicklung eine strukturelle Lücke im zahnmedi-zinischen Leistungskatalog der gesetzlichen Kranken-versicherung offenbart.Dieser Katalog stützt sich auf drei Annahmen: Er-wachsene können eigenverantwortlich Mundhygiene betreiben, eine Praxis aufsuchen und bei der Behand-lung kooperieren. Doch es gibt eine wachsende Zahl von Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen, die motorisch eingeschränkt, immobil oder wegen kogni tiver Einschränkungen nicht kooperationsfähig sind. Auf sie treffen diese Annahmen ganz oder teilweise nicht zu. Ausgerechnet die schwächsten Mitglieder unserer Gesellschaft fallen damit durch das Raster der konventionellen Versorgung und haben eine deutlich schlechtere Zahngesundheit als der Bevölkerungsdurch-schnitt. Es ist ein gesamtgesellschaftliche Aufgabe, das zu ändern. Die Zahnärzteschaft hat unter dem Titel „Mundgesund trotz Handicap und hohem Alter“ ein Konzept erarbeitet, das den Weg aufzeigt. Den Erfolg der Prophylaxe bei Kindern und Jugendlichen aufnehmend setzt es auf die Verankerung eines konsequenten Präventionsmanagements in der Alters- und Behinderten-zahnmedizin. Doch die nötigen Grundlagen muss der Gesetzgeber schaffen.

Mehr erfahren Sie unter www.kzbv.de Jozef Sedmák/shotshop

225x102_AZ_Zahnmedizin.indd 3 26.03.12 13:01

22 Wirtschaft vorwärts 04/2012

HocH oben ist viel zu tunumwelttecHnik Kaum eine Branche verändert sich schneller. Experten für Windräder oder Recyclingwerke haben derzeit gute Job- und Aufstiegschancen Von Susanne Dohrn

E in windiger tag vor den toren hamburgs. fünf junge Männer und eine frau sind auf dem Weg

zum „Windcasting“. sie wollen service-techniker für Windkraftanlagen werden. Vorher sollen sie beweisen, dass sie auch in bis zu 150 Metern höhe arbeiten kön-nen. Dafür müssen sie die senkrechte Lei-ter im innern des turms erklimmen.

Windenergie ist ein Bereich von vielen in der Umwelttechnik. Die Querschnitts-branche umfasst alle Unternehmen, die Umweltschutzgüter und Dienstleistun-gen anbieten – von abfallwirtschaft und recycling, Gewässerschutz und abwas-serbehandlung, Luftreinhaltung, Erneu-erbaren Energien bis zu sparsamer Ener-gienutzung. allein im handwerk gibt es 15 bis 20 Berufe, die ständig mit Energie- und Umwelttechnik zu tun haben, sagt Kai hünemörder. Er leitet in hamburg das Zentrum für Energie-, Wasser- und Umwelttechnik der handwerkskammer. solche Zentren organisieren die Weiter-bildung in den 54 Kammerbezirken.

Umwelttechnik ist eine Wachstums-branche. Gut ausgebildete fachkräfte sei-en eine wesentliche Voraussetzung für das weitere Wachstum. aber fachkräf-temangel behindere bereits die Entwick-lung, heißt es im Umweltwirtschaftsbe-richt der Bundesregierung von 2011. Es ist zudem ein tätigkeitsfeld, das sich ständig verändert. Einen neuen Beruf, z.B. den Umwelthandwerker, zu schaffen, mache deshalb keinen sinn, sagt hünemörder. „Die Leute brauchen ihre Basisqualifika-tionen und müssen dann die Zusatzqua-lifikationen drauf satteln.“

auch bei so genannten Boombran-chen ist eine gute ausbildung wichtig,

um einen Job zu finden, ihn zu behalten und vielleicht aufzusteigen. Eine aus-wahl:

Servicetechniker für Windkraftanlagen warten und reparieren Windräder. sie müssen körperlich fit sein, höhentaug-lich und bereit, an wechselnden Orten zu arbeiten. außerdem benötigen sie einen Gesellenbrief im Bereich Elektrik, Metall oder einer vergleichbaren tech-nikerausbildung. Der Lehrgang dauert sieben Monate. arbeitgeber sind her-steller und Betreiber von Windanlagen.

Fachkräfte für Gebäudetechnik sor-gen für eine wirtschaftliche Energie-versorgung. sie planen, installieren und warten anlagen der Energie- und Klimatechnik. Voraussetzung ist eine ausbildung als installateur- und hei-zungs- oder Kälteanlagenbauer. Voll-zeitlehrgänge dauern zwei Monate. arbeitgeber sind Klempnereien und Elektroinstallationsbetriebe, Kranken-häuser, flughäfen oder die Gebäude-wirtschaft.

Das brancHenportrÄt

Meister für Kreislaufwirtschaft über-nehmen führungsaufgaben in der ab-fallwirtschaft. sie brauchen mathemati-sches und technisches Verständnis sowie eine mit Erfolg abgelegte abschlussprü-fung zur fachkraft für rohr-, Kanal- und industrieservice, abwasser- oder Wasser-versorgungstechnik, Kreislauf- und ab-fallwirtschaft, zum Ver- und Entsorger und mindestens ein Jahr Berufspraxis. Die Weiterbildung dauert sechs Monate bis zwei Jahre. arbeitgeber sind meist kommunale Betriebe, wie stadtreinigun-gen oder recyclingwerke.

Staatlich geprüfte Techniker – Schwer-punkt Umweltschutztechnik entwi-ckeln umweltfreundliche Entsorgungs-konzepte, warten anlagen der abfall- und Wasserversorgung oder Energiegewin-nung. Die Weiterbildung an fachschulen dauert zwei bis vier Jahre. Nötig ist eine Berufsausbildung und ein Jahr Praxis. arbeitgeber sind chemische und phar-mazeutische industrie, Umweltschutz-ämter, kommunale Gewerbeaufsicht und forschungseinrichtungen. n

Ausbildung Verdienst Arbeitsmarktchancen

Servicetechniker für Windkraftanlagen

Gesellenbrief plus 7 Monate Lehrgang

2200 bis 3000 Euro steigender Bedarf, Aufstiegsmöglichkeiten zum Teamleiter, Projektmanagement im Ausland

Fachkräfte für Gebäudetechnik

Ausbildung und 2-monatige Weiterbildung

2000 bis 2200 Euro steigender Bedarf, Aufstiegschancen zum Facility Manager

Meister für Kreislaufwirtschaft

Ausbildung, Berufserfah-rung und 6 Monate bis 2 Jahre Weiterbildung

2200 bis 3400 Euro begrenzte Stellenzahl, Weiterbildung zum Techniker möglich

Staatlich geprüfte Techniker – Schwer-punkt Umweltschutz

Ausbildung, Berufspraxis und 2- bis 4-jährige Weiter-bildung an einer Fachschule

2700 bis 5000 Euro aktuell sehr hoher Bedarf

tipp!

Mehr Informationen zu Jobs in der Umweltwirtschaft gibt es bei den regionalen Handwerkskammern oder im Internet unter: elbcampus.de hwk-duesseldorf.de/uzh

QuEllE: BpB 2009

auf einen blick

2 Mio.Beschäftigte in der Umweltwirtschaft

30%Akademikeranteil bei den Beschäftigten

76 Mrd.Euro Produktionsvolumen von Umweltschutzgütern in Deutschland

15,4%Welthandelsanteil Deutschlands bei Umwelt-schutzgütern

vollkommen schwindelfrei: techniker fabian spoehr kontrolliert den rotorkranz eines windrades von Ge wind energy in niedersachsen.

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04/2012 vorwärts Kultur 23

D en titel „100 Meisterwerke“ der gleichnamigen Fernsehserie aus den 1990er Jahren entlehn-

te der Düsseldorfer Bildhauer Peter Nagel für eine Serie von 100 Nashornköpfen. Wie Jagdtrophäen sind sie auf eine Holz-platte montiert. „Eine kleine Kunstge-schichte“ nennt Nagel diese Arbeiten. Mit Witz und Ironie zitieren sie die Werke bekannter Künstler mit ihren Stilmerk-malen und ihrer typischen Arbeitsweise. Sie arbeiten heraus, was den Wiederer-kennungswert des jeweiligen Werkes ausmacht.

In intellektueller Souveränität spielt Peter Nagel mit einer Kombination disparater Elemente und der Verfrem-dung des Vertrauten. Die Präsentation der Serie als Jagdtrophäe mit einem kleinen Metallschild, das den Namen des zitierten Künstlers trägt, ironisiert hintersinnig leise den zeitgenössischen Kunstmarkt, auf dem Kunstwerke nach bekannten Namen gekauft und als Prestigeobjekte und Kapitalanlage mit

hohen renditeerwartungen gehandelt werden.

In Auftrag gegeben worden war die Serie von einem Hamburger Kunst-sammler. Aus dieser Serie bietet der „vorwärts“ die Skulpturen Joan Miró und Keith Haring zum Kauf an. n

ironische trophäenJunge zeitgenössische Kunst exklusiv für die vorwärts-Leser empfohlen von Björn Engholm

Bei den vielen Debatten, die wir In- die-Jahre-Gekommenen bei Bier und Wein am Stammtisch führen, geht es zumeist um Fragen der Ökonomie, der Kontrolle ausufernder Finanzzockerei-en oder um soziale Gerechtigkeit – und was unsere Partei noch tun, oder bes-ser: korrigieren, sollte. Dass die the-men „Geist und Kultur“ dabei meist zu kurz kommen, wurmt mich. Denn was braucht die Berliner republik, was be-nötigen die Föderationen von Bayern bis Schleswig-Holstein, was ihre Kom-munen von Flensburg bis Passau ganz grundsätzlich?

Für eine KulturrepublikSie brauchen einen kritischen Geist, der sich nicht in ökonomischer rationali-tät erschöpft, sondern alle Felder des politischen und sozialen lebens durch-dringt und wieder Zukunftsoptionen eröffnet. Sie brauchen die Künste, die Musik, die literatur, Darstelllung und Bildkunst, deren Promotion Voraus-setzung ist für die Vitalisierung aller schöpferischen Menschenpotenziale. Woher, wenn nicht aus der Pluralität kultureller Expressionen, sollten wir die Kraft zu Imagination, Phantasie und Kreativität denn ziehen? und wie, wenn nicht mit einem Höchstmaß an Phantasie und Kreativität sollten wir wirtschaftlich und vor allem auch so-zial erfolgreich sein?

Ich wünsche mir ein geistiges, kul-turelles und soziales Klima, in dem Menschen lustvoll und grenzenlos von ihren großen Geistern und kulturellen Gütern Gebrauch machen. Ein land, in dem neugieriges Sehen, sensibles Hö-ren, Querdenken, starke Gefühle, be-wusstes Mitempfinden zu Hause sind, eine Gemeinschaft, in der Prestige nur verdient, wer sich auch kulturell und sozial engagiert.

Das Quäntchen HoffnungSich in einer Zeit voller ökonomischer Dominanz länder und Gemeinden vor-zustellen, in denen kultureller Honig fließt und kritischer Geist das undenk-bare wieder zu denken beginnt, das hört sich verdammt naiv an. Aber wie-weit, bitte, kämen wir ohne ein Quänt-chen Hoffnung? n

Kauft Kunst!von Björn Engholm

Björn Engholm, SPD-Parteivorsitzender von 1991 bis 1993, war Bundesbildungsminister und Ministerpräsident von Schleswig-Holstein

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Ja, ich Kaufe Kunst

Hiermit bestelle ich:

Exemplare der skluptur nashorn „Joan Miró“ à 310,00 Euro

Exemplare der skluptur nashorn „Keith haring“ à 310,00 Euro

(inkl. Mehrwertsteuer)

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peter nagel, Lierenfelder str. 39, 40231 Düsseldorftelefon (0211) 788 61 41

die edition Format: 30 x 30 x 30 cm, einzeln gefertigt, handbemalt, siginiert, mit Material zum Aufhängen.Auslieferung durch den KünstlerZahlung bei LieferungPreis inkl. MwSt. je 310,- Euro

vorwärts galerie

Bildhauer peter nagel

Peter Nagel, Jahrgang 1963, studierte an der Düsseldor-fer Kunstakademie von 1983 bis 1991 Bildhauerei bei Tony Cragg, Peter Kleemann und Alfonso Hüppi. Ab 1988 war er Meisterschüler bei Prof. Alfonso Hüppi.

Nach einem Lehrauftrag 1994 und 1995 an der Düsseldorfer Kunstakade-mie arbeitete er von 1998 bis 1999 als Gastdozent am Edna Manley College in Kingston/Jamaika.

Seine Arbeiten zeigte er in rund zwei Dutzend Einzel-ausstellungen und vielen Gruppenausstellungen.

Peter Nagel lebt und arbeitet in Düsseldorf.

Skluptur Nashorn »Joan Miró«

Skulptur Nashorn »Keith Haring«

24 Kultur vorwärts 04/2012

vorwärts.deRezensionen

Die Favoriten mit Den meisten »KlicKs«

Benjamin LebertIm WInter deIn HerzHoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2012, 157 Seiten, 18,99 Euro, ISBN 978-3-455-40360-2

Paul MattickBusIness as usual. KrIse und scHeItern des KapItalIsmusEdition Nautilus, Hamburg 2012, 160 Seiten, 12,90 Euro, ISBN 978-3-89401-754-5

Rayk WielandKeIn Feuer, das nIcHt Brennt Verlag Antje Kunstmann, München 2012, 160 Seiten, 16,95 Euro, ISBN 978-3-88897-748-0

Lena Gorelik»sIe Können aBer gut deutscH!« Warum IcH nIcHt meHr danKBar seIn WIll, dass IcH HIer leBen darF, und tole-ranz nIcHt WeIterHIlFt.Pantheon Verlag, München 2012, 240 Seiten, 14,99 Euro, ISBN 978-3-570-55131-8

Rainer HankdIe pleIterepuBlIK. WIe der scHuldenstaat uns entmündIgt und WIe WIr uns BeFreIen KönnenKarl Blessing Verlag, München 2012, 448 Seiten, 19,95 Euro, ISBN 978-3-89667-421-0

Alexander Rahrder Kalte Freund. Warum WIr russland BraucHen: dIe InsIder-analyseCarl Hanser Verlag, München 2011, 352 Seiten, 19,90 Euro, ISBN 978-3-446-42438-8

ins leere tretenWie es ist, sich im eigenen leben fehl am Platz zu fühlen, davon erzählt Hanna lemke in „Geschwisterkinder“. Nach ihrem viel beachteten Debüt, dem Kurzgeschichtenband „Ge-sichertes“, widmet sich die Autorin in ihrer neuen Erzählung den Geschwistern ritschie und Milla. Zwei junge Menschen, die sich bisweilen fühlen wie die kleinen Blechfiguren zum Aufziehen, „die dann losliefen, unbeirrbar, und, selbst wenn sie über die tischkante fielen, immer weiter traten, ins leere“. Dabei haben sie kein Interesse, auf ein Ziel zuzulaufen, das ihnen nichts bedeutet. lemke erzählt in ihrer wunderschö-nen, präzisen Sprache von der unsicherheit einer Generation, die auf der Suche nach etwas Authentischem ist – und wenn es eine echte Empfindung ist: „,Ich glaube, ich habe Angst’, sagte sie. Es klang in ihren Ohren wie eine vage Vermutung, wie die Frage, ob es wirklich dieser Begriff war, der das Gefühl beschrieb.“ Hanna lemke ist ein Glücksfall für die deutschsprachige literatur. n BG

Hanna LemkegescHWIsterKInder Verlag Antje Kunstmann, München 2012, 127 Seiten, 14,95 Euro, ISBN 978-3-88897-749-7

ausverKauF Der DDrIm März 1990 wird die treuhand gegründet. Sie soll die volks-eigenen Betriebe der DDr vor dem Ausverkauf schützen. Als sie vier Jahre später abgewickelt wird, steht ihr Name für Ver-rat und Verramschen. 15 000 Betriebe hat die größte Holding der Welt privatisiert, soll heißen verkauft – 90 Prozent davon an westdeutsche Interessenten. Dabei hat die treuhand 34 Milliarden DM erwirtschaftet und 245 Milliarden Verlust gemacht. Diesem längst nicht aufgearbeiteten Kapitel der deutsch-deutschen Geschichte widmet sich der Journalist und Filmemacher Dirk laabs. In seinem Buch „Der deutsche Goldrausch“ beschreibt er detail- und faktenreich den Ver-teilungskampf. „Die Ostdeutschen haben ein Anrecht darauf, dass ihnen erklärt wird, warum die treuhand mit dem Ver-kauf der gesamten ostdeutschen Volkswirtschaft nur 34 Milliarden Euro erzielt hat“, schreibt laabs. Sein kenntnis-reiches Buch ist ein Wirtschaftskrimi, ein minutiöses Proto-koll und ein Beitrag zur Aufarbeitung der Geschichte. n BG

Dirk Laabsder deutscHe goldrauscHDie wahre Geschichte der TreuhandPantheon Verlag, München 2012, 384 Seiten, 16,99 Euro, ISBN  978-3-570-55164-6

E in Buch, das sitzt. Ein Stück sozial-demokratischer Gesellschaftsent-wurf: dass Sozialstaat als solcher

nur gelingen kann, wenn er das ganze leben umfasst, vorsorgend, begleitend, kurierend, nachsorgend. Dass er viel mehr ist als ein wichtiges Sozialversi-cherungssystem: Auch Bildung, Familie, Arbeit und Daseinsvorsorge sind unver-zichtbare Aspekte von Sozialstaat.

Dass Staat und Gesellschaft zusam-menfinden müssen in sozialen Netz-werken, horizontal und vertikal, damit die Idee gelingt. Wolfgang Schroeder bleibt nicht bei der Definition und der

Analyse hängen. Der praktizierende So-zialpolitiker steuert die Kernfrage an: Was müssen wir tun, damit wir dauer-haft Sozialstaat garantieren können? Er gibt Antworten: Kinder stark machen, alle. Das heißt auch: Den Kindern mit schwachem Startkapital helfen, damit das Versprechen auf Chancengleichheit eingehalten wird. Gerade, wenn die El-tern das nicht garantieren können.

Die markanten Veränderungen in den Geschlechterbeziehungen, die Viel-falt der Milieuformen und die sozio-ökonomischen Wandlungen am Ar-beitsplatz als drei Wechselwirkungen

erkennen, als treibende strukturelle Kraft für Sozialstaatlichkeit. Eine in-klusive Arbeitsgesellschaft sein, in der Arbeit als prägendes Prinzip wirkt im Hinblick auf Selbstbild und Dynamik der Gesellschaft. Dass dann kein Platz ist für bedingungsloses Grundeinkom-men, ist klar. Auch gut.

Großer Scheinwerfer auf die Sozial-berufe: Erzieherinnen, Alten-Pflegerin-nen, lehrerinnen, (in femininer Form, denn 80 Prozent sind weiblich). Ohne mehr gesellschaftliche Wertschätzung, die sich auch in angemessenen löhnen zeigt, wird der Fachkräftemangel nicht abwendbar sein.

Das – wichtige und anerkannte – Eh-renamt kann das professionelle Hand-werk nicht ersetzen, soll es auch nicht. Es behält aber seine große gesellschaft-liche Aufgabe. Die Projektrepublik führt in die Irre. Denn sie lädt ein zu gefähr-licher Selbstzufriedenheit. Es geht aber im Sozialstaat nicht primär um schöne Beispiele, die zeigen, dass es ginge, son-dern um die Gesamtverantwortung flä-chendeckend. lesenswert! n

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sozialstaat neu DenKenWolfgang schroeder über politische Verantwortung Von Franz Müntefering, MdB, ehemaliger SPD-Parteivorsitzender

Wolfgang SchroederVorsorge und InKlusIonWie finden Sozialpolitik und Gesellschaft zusammen? vorwärts | buch, Berlin 2012, 120 Seiten, 10 Euro, ISBN 978-3-86602-769-5

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04/2012 vorwärts Historie 25

A ls Willy Brandt 1969 seine ers-te regierungserklärung abgab, hatte er es mit zwei grundver-

schiedenen oppositionen zu tun. Da war die Unionsfraktion, die zum ersten Mal seit Gründung der republik nicht den Kanzler stellte. Und da war die außerpar-lamentarische opposition, die noch ein Jahr zuvor die Notstandsgesetze mit dem ermächtigungsgesetz von 1933 gleichge-setzt hatte. An sie war Brandts Ankün-digung gerichtet, unsere Demokratie sei nicht am ende: „Wir fangen erst richtig an!“ tatsächlich geschah Unerhörtes:

Mitten im Kalten Krieg machte sich die Bundesrepublik auf, diesen Kalten Krieg zu entschärfen. innenpolitisch jag-te eine reform die andere. Die iG Metall hatte 1972 zu einer tagung über „Lebens-qualität“ nach oberhausen eingeladen. Alles, was 2012 in einer enquete-Kom-mission des Bundestages zum Verhältnis von Wachstum, Wohlstand und Lebens-qualität verhandelt wird, war damals schon thema. Auf dem Dortmunder Wahlparteitag 1972 hat die sPD sogar eine eigene Definition von Lebensquali-tät vorgestellt. seit Denis Meadows 1972 in seinem Buch über „die Grenzen des Wachstums“ begründet hatte, dass ein „Weiter so“ brandgefährlich wäre, war die sPD die Partei, in der nun gefragt wurde, wie es dann weitergehen könnte.

Lange Zeit war nicht klar, ob sich die regierung Brandt nicht doch zuviel zu-getraut hatte. immer wieder verließ ein Abgeordneter der sPD oder der FDP seine Fraktion. rainer Barzel wagte das konst-ruktive Misstrauensvotum – und verlor. Vor der vorgezogenen Neuwahl des Bun-destages sah es lange so aus, als ob es der Union gelingen könne, alle neuen Ansät-ze zunichte zu machen. Wenige Wochen vor der Wahl wendete sich das Blatt. Wil-ly Brandt konnte den größten Wahlsieg in der Geschichte der Partei einfahren.

Bis die zweite regierung Brandt in die Gänge kam, dauerte es länger als erwar-tet. Dann kam 1973 die Ölpreiskrise. Als das Fass rohöl fünf Dollar kostete, jam-merten wir über die Verdoppelung des Öl-preises, später über die Verfünffachung. Heute leben wir mit dem Fünfzigfachen.

vorwärts-Impressum Die Sozialdemokratische Zeitung gegründet 1876 von W. Hasenclever und W. LiebknechtHerausgeberin: Andrea Nahles Redaktionsadresse: Berliner vorwärts Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 610322, 10925 Berlin; Tel. 030/25594-320, Fax 030/25594-390, E-Mail: [email protected] Chefredakteur: Uwe Knüpfer (V.i.S.d.P.) Redaktion: Lars Haferkamp (Textchef); Dagmar Günther (CvD); Hendrik Rauch (Bildred.); Kai Doering (Redaktion), Yvonne Holl (App); Vera Rosigkeit (Online); Dr. Susanne Dohrn, Birgit Güll und Werner Loewe (redaktionelle Mitarbeit); Carl-Friedrich Höck und Marisa Strobel (Volontäre) Fotografie: Dirk Bleicker Layout: Jana Schulze Korrespondenten: Jörg Hafkemeyer (Berlin), Renate Faerber-Husemann (Bonn), Lutz Hermann (Paris) Geschäftsführung: Guido Schmitz Anzeigen: Nicole Stelzner (Leitung strategische Unternehmensentwicklung und Verkauf); Nele Herrmann Valente, Manfred Köhn, Simone Roch, Carlo Schöll, Franck Wichmann und Ralph Zachrau (Verkauf) Gültige Anzeigenpreisliste: Nr. 35 vom 1.1.2012 Verlags-Sonderseiten: verantw. Guido Schmitz Vertrieb: Stefanie Martin, Tel. 030/25594-130, Fax 030/25594-199 Herstellung: metagate Berlin GmbH Druck: Frankenpost Verlag GmbH, Poststraße 9/11, 95028 Hof Abonnement: IPS Datenservice GmbH, Postfach 1331, 53335 Meckenheim; Tel. 02225/7085-366, Fax -399; bei Bestellung Inland: Jahresabopreis 22,– Euro; für Schüler/Studenten 18,– Euro; alle Preise inkl. Versandkosten und 7 Prozent MwSt.; Ausland: Jahresabopreis 22,– Euro zzgl. Versandkosten. Das Abo verlängert sich um ein Jahr, wenn nicht spätestens drei Monate vor Ablauf schriftlich gekündigt wird. Für SPD-Mitglieder ist der Bezugspreis im Mitgliedsbeitrag enthalten (bei Änderungen bitte an den SPD-UB wenden). Bankverbindung: SEB Berlin, BLZ 100 101 11, Konto-Nummer 174 813 69 00Bei Nichterscheinen der Zeitung oder Nichtlieferung ohne Verschulden des Verlages im Falle höherer Gewalt besteht kein Anspruch auf Leistung, Schadensersatz oder Minderung des Bezugspreises. Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos und Zeichnungen wird keine Haftung übernommen.

im AuFBRuCHDie SieBZiGeRJAHRe Rückblick auf ein sozialdemokratisches Jahrzehnt Von Erhard Eppler

Bernd FaulenbachDas sozIalDemokra- tIsche Jahrzehnt Von der Reformeuphorie zur Neuen Unübersichtlichkeit. Die SPD 1969-1982Verlag J.H.W. Dietz, Bonn 2011 819 Seiten, 48 Euro ISBN 978-3-8012-5035-5

War eine neue energiepolitik nötig? Nur wenige plädierten dafür, und Willy Brandt hörte aufmerksam zu. Als dann die ÖtV ihre zweistelligen Forderungen durchsetzen konnte, wurde klar, dass hier in einer neuen, kargeren epoche etwas geschehen war, was allenfalls im Wirtschaftsaufschwung zwei Jahre zu-vor hinnehmbar gewesen wäre. Brandt fühlte sich gedemütigt, aber er wies keinen neuen Weg.

Der Schock des Brandt-Rücktrittsim Mai 1974 kam Brandts rücktritt, für viele ein schock. ihm folgte ein Politiker, der sich als Krisenmanager bewährt hatte. Helmut schmidt war, anders als Brandt, gelernter Ökonom. in seiner regierungserklärung kam das Wort reform kaum mehr vor. er wollte sein Land unbeschädigt durch die Wirt-schaftsflaute steuern. er tat es durch ein – kreditfinanziertes – Konjunktur-programm. Als dann gegen ende des Jahrzehnts der zweite große Preisschub die Weltwirtschaft belastete, wollte und konnte der Kanzler nicht mehr auf dieselbe Weise antworten, zumal sein Wirtschaftsminister Graf Lambsdorff (FDP) sich sperrte. Fo

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in der Außenpolitik setzte schmidt die entspannungspolitik fort. es ging dar-um, das erreichte zu sichern, die Zweif-ler im Westen zu beruhigen.

Waren die frühen siebzigerjahre sol-che des Aufbruchs und des Umbruchs, so legte die regierung schmidt Wert auf „pragmatisches“ Handeln. Zwar hatte sich auch Brandt als Pragmatiker ver-standen. Aber jetzt bedeutete „pragma-tisch“, dass hohes Wirtschaftswachstum wieder zum Ziel der Politik wurde und dass vieles, was zwischen oberhausen und Dortmund die Partei beschäftigt hatte, lächelnd beiseite geschoben wur-de. Für die unaufhaltsam fortschreiten-de Ökologiediskussion war da kein Platz mehr, was die Parteigründung der Grü-nen zumindest beschleunigt hat.

Dass sich die sPD gegen ende des Jahr-zehnts immer mehr polarisierte, war vor allem Folge des raketenstreits um den NAto-Doppelbeschluss. Beide seiten hat-ten ihre Argumente. im Grunde war der „Doppelbeschluss“ vernünftig. Warum sollten wir dem Kreml nicht signalisie-ren: Die Pershing ii werden nur statio-niert, wenn wir uns vorher in Verhand-lungen nicht einig werden? Dieses rezept hätte erfolg haben können, wäre nicht einem neuen Us-Präsidenten der Abbau der sowjetischen raketen weit weniger wichtig gewesen als der Aufbau ameri-kanischer raketen, die von deutschem territorium aus die Zentren der anderen Weltmacht treffen konnten.

Auch wenn die siebzigerjahre, gerade für die sPD, alles andere als eine einheit waren, spricht einiges dafür, von einem sozialdemokratischen Jahrzehnt zu spre-chen. in der sPD, und nur dort, wurde diskutiert und oft auch entschieden, was auf der politischen tagesordnung stand. sogar die Atomdiskussion in der sPD war keineswegs vergeblich. Heute ist vieles von dem in der Gesamtgesellschaft an-gekommen, was 1972 die Führungsgre-mien der Partei beschäftigt hat. Wenn es eine Volkspartei auszeichnet, dass sie aufnimmt und in Politik übersetzt, was die Gesellschaft bewegt, dann war die sPD in den siebzigerjahren eine vorbild-liche Volkspartei. Die einzige. n

Bundeskanzler Willy Brandt machte sein Versprechen wahr: „Wir stehen nicht am ende unserer Demokratie, wir fangen erst richtig an.“

BuCHtipp

26 Rätsel vorwärts 04/2012

Besuch im Kalten Krieg: Bundeskanzler Konrad Adenauer (M.) 1950 in West-Berlin, umgeben von Ernst Reuter (r.) und der Gesuchten (l.)

Im Juli 1948 berichtet die englische Zeitung „Observer“ von einer kleinen, gebrechlichen Frau, „die über soviel

Güte und takt verfügt und der eine derart entwaffnende Freundlichkeit zu Gebote steht, daß selbst ihre heftigsten kommu-nistischen Gegner sich Mühe geben müs-sen, sie zu hassen“. Die kleine Frau wird verehrt wegen ihrer ehrlichkeit und Be-scheidenheit. selbst im höchsten Amt zu Hause, wohnt sie bei einer Freundin zur Untermiete. Voller Hochachtung wird sie dennoch „Königin“ genannt.

In die Wiege ist ihr das wahrlich nicht gelegt. Die Mutter verkauft Gemüse, der Vater ist Bauarbeiter. sie kann eine Mit-telschule besuchen und wird Angestellte einer Versicherungsgesellschaft. 1910 schließt sie sich der sPD an. sie organi-siert die Arbeiterwohlfahrt, macht als stadtverordnete von sich reden und ist 1919 eine der wenigen Frauen in der Ver-fassunggebenden Versammlung. 1920 wird sie in den Reichstag gewählt, dem sie bis 1933 angehört. Die Nazi-Zeit ver-sucht sie als leiterin einer Bäckerei zu überleben, verweigert den Hitlergruß und wird boykottiert. Freunde besor-gen ihr eine Anstellung als Bürokraft in Berlin. Als der Krieg zu ende und Berlin ein trümmerhaufen ist, engagiert sie sich beim Wiederaufbau. sie gründet die Arbeiterwohlfahrt und die sPD wieder, wird stellvertretende landesvorsitzende und Bürgermeisterin.

„Da, wo Männer Fehlschläge erlitten, gelang es ihr, erfolge zu erzielen“, schreibt die „New York times“ über ihr engage-ment während der Berlin-Blockade. Am 4. Juni 1957 stirbt die kleine, gebrechli-che Frau, die als „Mutter“ Berlins in die Geschichte eingegangen ist. n

Unter allen Einsendern verlosen wir eine vorwärts-Tasche. Bitte schicken Sie das Lösungswort mit dem Stichwort „Wer war’s“ bis 12. April 2012 per Post oder per E-Mail an: [email protected]

HistoRiscHEs BildER-RätsEl

Die Lösung des Bilder-Rätsels aus der vergangenen Ausgabe lautet: jocKEl fucHsDie vorwärts-Tasche hat gewonnen:

Irma Zimmer,66606 Wendel

Die Lösung des jüngsten Preisrätsels lautete: tAlER Gesucht wurden außerdem: KlEopAtRA und AlExAndRiA Jeweils ein Buch gewannen:

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Elisabeth Beardi, 79787 Lauchringen

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Klaus Pommeränig, 13465 Berlin

Irmina Koch, 66687 Wadern

WER WAR’s?Als bescheidene Frau aus dem Volk regierte sie. Als »Mutter Berlins« ging sie in die Geschichte ein

Von Lothar Pollähne

GEWinnER

KREuzWoRtRätsElDie Fragen und das Kreuzworträtsel darunter ergeben die Lösung.

Der passionierte... Schwimmer und Fünfkämpfer engagierte sich in der sozialdemokratischen Studentenschaft und wurde schon früh zu einem entschlossenen Vorkämpfer für Erneuerbare Energien. Seit 1980 war er Bundestags-Abgeordneter und gehörte über zehn Jahre lang dem SPD-Bundesvorstand an. Sein Nachname?

Der kleine Ort... in dem er geboren wurde, liegt in einem Mittelgebirge, über dessen Hauptkamm der teilweise noch heute sichtbare römische Limes verlief, nur wenige Kilometer von der größten Stadt des Bundeslandes, die aber nicht die Hauptstadt ist. Wie heißt das Mittelgebirge?

Es gibt zwEi wEgE, Das PrEisrätsEl zu lösEn: Ratefüchse beantworten zuerst die beiden Fragen. Der erste, dritte, vierte und fünfte Buchstabe des ersten Lösungswortes sowie der vierte und letzte Buchstabe des zweiten Lösungswortes ergeben in der richtigen Reihenfolge die Lösung. Es geht aber auch einfacher: Die grauen Felder im Kreuzwort rätsel ergeben in der richtigen reihenfolge das lösungswort. Gesucht wird das oben erwähnte Bundesland.

Die richtige Lösung schicken Sie bitte bis zum 12. April 2012 per Post an vorwärts, Postfach 322, 10925 Berlin oder per E-Mail an [email protected]. Bitte Absender nicht vergessen und ausreichend frankieren! Unter den richtigen Einsendungen verlosen wir zehn Bücher.

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04/2012 vorwärts Das allerletzte 27

Ort. Ich bin auch noch ehrenhauer. Da gibt es keinen Pokal für, keinen scheck, sondern nur ein arschleder und einen schnaps. Hauer, das ist ein Facharbeiter für Kohle, und arschleder erklärt sich von selbst. Ich bin also befangen und durchschaue die sache mit der ener-giewende nicht so ganz. Ich kann mich also mit Norbert röttgen vor Ort und in augenhöhe unterhalten.

Mit den Grünen bin ich in energiefra-gen durch. Die haben mich mal eingela-den. Ich habe ihnen erklärt, Kohle sei auch ein nachwachsender rohstoff. Ja, das dauert zwar etwas länger, aber sie wächst. Kohle ist sozusagen entschleu-nigte energie. Nicht lachen, bis vor kur-zem war atomkraft noch „Brückentech-nologie“. auf meine seite gezogen habe ich die zuhörer damit nicht. Mittlerwei-le ahne ich, woran es liegt. Wir hätten nur rechtzeitig untertage die Frauen-quote einführen müssen, dann wäre uns der Ärger mit den Grünen erspart geblieben. so ist das in energiefragen. Die großen Fehler wurden schon in der Vergangenheit gemacht. n

D en röttgen kannst Du erst mal vergessen bei der energie-wende. Das ahnten viele schon

lange, aber so meine ich das nicht. Der Bundesumweltminister tingelt jetzt für ein paar Wochen als spitzenkan-didaten-Darsteller durch NrW. Da kann er sich nicht auch noch gleich-zeitig in Berlin vergeblich um sachen kümmern. er kann also vorübergehend keinen schaden anrichten. Wobei man sich fragen kann, ob es einen Unterschied macht, ob der Minister zu unverbindlichen Gedan-kensplittern in die Kamera grinst oder das steffen seibert überlässt, dem regie-rungssprecher. Wenn es bei energiefragen wichtig wird, darf Norbert röttgen eh nur noch stumm grinsen und nicken zu den aus-

sagen der anderen. so wie beim atom-pingpong, da hatte seine Chefin das sagen. ansonsten wird der Wirtschafts-minister seine zuständigkeit reklamie-ren und ebenfalls freundlich etwas

verkünden oder sogar durchsetzen. Dann kann Philipp rösler im

bald zu erwartenden ruhestand wenigstens in verschiedenen talkshows rückblickend über

seine still verschiedene FDP sa-gen, man habe klar Kante gezeigt.

aber röttgen ist wenigstens mal ein paar tage in NrW, dem energieland, vor Ort. Vor Ort, das ist eigentlich ein Bergbaubegriff. Hier weiß das jeder, der auf Kohle geboren ist wie ich. Und da beginnt mein Problem. Ich bin nicht nur geografisch und erblich vorbelastet, die Opas waren noch untertage, also vor

»Kohle ist auch ein nach- wachsender Rohstoff. Das dauert zwar etwas länger, aber sie wächst.«Martin Kaysh

Arschleder erklärt sich von selbstUnsere energiepolitiker Umweltminister Norbert Röttgen grinst in jede Kamera, richtet aber keinen Schaden an. Und die Grünen haben bei der Frauenquote versagt

Von Martin Kaysh

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Martin Kaysh ist Kabarettist, Alternativkarnevalist („Geierabend“) und Blogger. Er lebt im Ruhrgebiet, freiwillig.

seitwärts Der Energiespar-Wettbewerb von David Füleki

Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie

zum …

… ersten alljährlichen Fest

des Energie-Wandels!

Und zu die-sem feierlichen

Anlass hatten wir zum ersten alljähr-lichen Energiespar-

Wettbewerb auf-gerufen!

Seit einem Jahr sind wir nun

auf dem rich-tigen Weg!

Die kleine Rena und ihr Humus-betriebenes

Fernsehgerät!

Funktioniert zwar leider noch nicht, aber die Idee ist gut!

Und auf dem zweiten

Platz …

Unsere beiden Fisch-händler Sam

und Def!

Und Platz eins des ersten alljähr-lichen Energiespar-

Wettbewerbs geht an …

Frau Kermel von der Gemeinde und ihren Mitarbeiterstab bei ihrer

Suche nach neuen Energie-haushalts-Plänen!!

Uns ist aufge-fallen, dass wir un-heimlich viel Energie sparen können, wenn wir uns einfach hin-

legen und nichts machen …

Die beiden rasieren sich nur noch ein Mal

wöchentlich, um Strom für ihren Elektro-Ra-

sierer zu sparen.

Hier unserPlatz drei …

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• Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem

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12-tägige Kreuzfahrt vom 17. bis 28. Oktober 2012

MS Princess Daphne

Stationen einer einzigartigen See(h)reise:Antalya und Mersin an der Türkischen Riviera, die Sonneninsel Zypern, das „Heilige Land“ mit den Häfen Haifa und Ashdod und Aus� ügen nach Akko, Nazareth, dem See Genezareth mit Kapernaum, Tiberias, dem Berg der Seligpreisungen und dem Ort der wundersamen Brotvermehrung, nach Jerusalem, dem Toten Meer und nach Bethlehem. Die Pyramiden der Pharaone und die ägäischen Inseln Kreta, Santorin und Rhodos.

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