Niedrigzins, Hochfrequenzhandel und Finanzsystem in der Vertrauenskrise: Strategien für Unternehmen

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Niedrigzins, Hochfrequenzhandel und Finanzsystem in der Vertrauenskrise: Strategien für Unternehmen Vortrag bei Satell Rechtsanwälte Steuerberater Alexis Eisenhofer, financial.com AG - 13.11.2014, München

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Niedrigzins, Hochfrequenzhandel und Finanzsystem in der Vertrauenskrise: Strategien für Unternehmen

Vortrag bei Satell Rechtsanwälte Steuerberater

Alexis Eisenhofer, financial.com AG - 13.11.2014, München

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Niedrigzins: “New Normal”?

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Seit 1981 sind die Zinsen in der westlichen Welt (hier am Beispiel der USA) stark gesunken

➢ Seit Aufhebung des Goldstandards konnte Geldmenge politisch bestimmt werden

➢ Massive Umverteilung von Gläubigern zu Schuldnern

➢ DM-Millionär bekommt statt damals (1981) 140.000 DM/Jahr heute nur ca. 1.500 EUR/Jahr Festgeld (ca. 33% von Hartz IV)

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Sinkende Zinsen wurden durch Ausweitung der Kredite kompensiert (Unternehmen nach Bilanzsumme)

➢ Marktwert der Deutschen Bank 43 Mrd. USD (1,5% der Bilanzsumme)

➢ Leverage entstand durch “Basel-Regelwerk”

➢ Diversifikationseffekt (Basel II vs. Basel I) haben Banken c.p. durch Hebel kompensiert

➢ Deutsche Bank Bilanz ≙ 1,13-fache der dt. Staatsschulden

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Weltweit stark gestiegene Staatsverschuldung(absolut, aber auch relativ im Verhältnis zum BIP)

➢ Wege aus der Schuldenfalle:(1) Zurückzahlen(2) Staatspleite(3) “Herauswachsen”(4) Krieg(5) Inflation

➢ Schwaches Wachstum und schlechte Demographie in den Industrienationen

➢ Langfristig ist die Krise unausweichlich, kurzfristig gibt es die Zentralbank

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Seit der Lehman Krise wurden die Zinsen quasi abgeschafft bei 3-facher Bilanzsumme der Zentralbanken

➢ Geldpolitik ist wirkungslos (“Liquiditätsfalle”)

➢ Einzig Fiskalpolitik kann Deflation verhindern

➢ USA hat richtig auf die Krise reagiert, Europa versagt durch Austeritätspolitik

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Geldpolitik ist wirkungslos, weil die Kreditnachfrage fehlt

➢ Umschuldung von alten Krediten

➢ Gute Unternehmen finanzieren sich selbst, schlechte sind nicht kreditwürdig (wettbewerbsfähig)

➢ Die einzige Option wäre Fiskalpolitik (Keynes)

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Eurokrise: Realwirtschaftliche Anpassungen bleiben aus und verhindern Wettbewerbsfähigkeit der Südländer

➢ Die bisherigen Anpassungen reichen bei weitem nicht aus

➢ Rettungsprogramme und EZB nehmen Anpassungsdruck

➢ Jahrzehntelanges Siechtum Europas durch massive Fehlallokation von Kapital

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Die 4 trostlosen Optionen für den Euro führen alle zu einer Radikalisierung Europas

➢ 4 trostlose Optionen:(1) Transferunion(2) Deflation im Süden(3) Inflation im Norden(4) Austritte

➢ Alle Anpassungen sind unpopulär und erleben massiven Widerstand

➢ “Krisenbank”: EZB hat 50% ihrer Zeit Euro eingeführt und zu 50% dessen Krise bekämpft

➢ Der Euro ist kein “Friedensprojekt”

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“Sollbruchstelle Demographie”: Spätestens in 15 Jahren scheitert die Rettungspolitik

➢ Babyboomer gehen bis 2030 in den Ruhestand (heute nur 50% der Geburten des Jahrgangs 1964)

➢ Inflation wahrscheinlich, weil Rentner Bonds verkaufen und konsumieren

➢ Sozialer Stress in Deutschland verhindert Transferzahlungen an Ausländer

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Hochfrequenzhandel, künstliche Liquidität und Dark Pools

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Seit über 30 Jahren hat die Finanzbranche mittels “Verbriefung” Anlageideen gegen den Zinsschwund kreiert

➢ Diversifikationseffekt: Risiko auf viele Schultern verteilen

➢ Problem: Erhebliche Informations-asymmetrien

➢ Mehr als 12 Mio. Finanzinstrumente; nur ca. 5.000 Unternehmen tatsächlich “investierbar” (Liquidität)

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Handelsstrategien von Algorithmic Trading

➢ Mehr als 100.000 Quotes/Sekunde in der Amazon-Aktie am 07.06.2013

➢ Lime Brokerage: 880 ns Trading & Clearing; 20% Umsatz in Nordamerika durch 1 Unternehmen

➢ Wettkampf im Bereich von 5-7 ns; Co-Location (7 ms LON-FRA)

➢ ∅ Haltedauer einer Aktie in Nordamerika: 22 s

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Deutliche Verringerung des Spread (und Vergrößerung der Liquidität) an den Börsen durch Algorithmic Trading

➢ “Noise Trader” (Privatanleger) profitieren, “Informed Trader” (Institutionelle Anleger) verlieren Marge

➢ Asymmetrische Verteilung der Gewinner (Goldman Sachs, Timber Hill); viele Verlierer

➢ Ausweichen von “Smart Money” in Dark Pools

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Dark Pools: Preissicherheit und Ausführungsunsicherheit

➢ Anonymer und intransparenter Handel (bereits ca. 15% aller Transaktionen)

➢ Garantierter Preis, jedoch nur Ausführung bei zufälligem Match

➢ “Zombie-Märkte”, wenn relevante Informationen nur mehr in Dark Pools (unsichtbar) verarbeitet werden

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Exkurs: Finanztransaktionssteuer reduziert Hedging-Aktivitäten und führt zu großen Risiken im Bankensektor

➢ Banken kaufen Optionen und verkaufen diese mit Marge als Optionsscheine

➢ Jede Kursveränderung muss im “Maschinenraum” abgesichert werden, damit Banken risikolos bleiben

➢ “Sand im Getriebe”: Selbst eine kleine Steuer schafft neue “Zombie-Banken”

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Vertrauenskrise: Was können Finanzberater überhaupt?

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Langfristig verlieren (fast) alle Fondsmanager gegen ihre Benchmark

➢ Je länger der Anlagezeitraum, umso sicherer ist die Unterrendite

➢ Timing-Fähigkeit praktisch nicht vorhanden

➢ Kosten und Kassehaltung verringern Performance

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Marktarithmetik (William Sharpe, 1991):“Aktiv” ist Benchmark (“Passiv”) minus Kosten

➢ Nullsummenspiel: Übergewichtung in einem Fonds bedeutet Untergewichtung in anderem Portfolio

➢ Informationsvorsprung ist sehr klein: Einer hat den Vorteil, alle haben die Kosten

➢ Survivorship Bias “überblendet” das Unvermögen

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Massive Verzerrung der beobachteten Renditen aktiver Fonds durch Survivorship Bias “schützt” Fondsindustrie

➢ Besonders schlechte Fonds werden geschlossen und fehlen im Rückblick

➢ Survivorship Bias in etwa so groß wie Management Vergütung

➢ Neueste Forschung zu “Incubation Bias”: Verzerrung vor Start

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Timing-Schwierigkeit am Beispiel des MSCI World Index 1970-2014 ohne Top/Flop 5 Monate (ca. 1% aller Monate)

➢ \Flop 5 M: 8,78% p.a.\Top 5 M: 5,47% p.a.Buy & Hold: 6,79% p.a.

➢ Wenige “Super-Ereignisse” bestimmen das Ergebnis, überraschen aber meistens alle

➢ “Tagesgeschäft” bringt vergleichsweise wenig Rendite

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Erforderliche Trefferquote einer monatlichen Long/Short-Strategie für bloßen Kapitalerhalt

➢ Risikoaverse Investoren fordern eine Risikoprämie

➢ Heutige Verluste werden nicht durch morgige Gewinne kompensiert (Zins/Risikoprämie)

➢ Erforderliche Quote ca. 58%; “Super-Ereignisse” sind aber unvorhersehbar

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Was bringen Ratings? Persistenz von Fondsmanagern besteht in den meisten Studien nicht

➢ Gleichgewichtete Portfolios mit jährlichem Rebalancing

➢ Wissenschaft sieht Rankings als “Kontra-Indikator” (Faktorladungen; Mean Reversion); Studien verneinen mehrheitlich Persistenz

➢ Lediglich schlechteste Ratings persistent (Kostenprobleme bei kleinen Fonds)

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Interessenkonflikt: Finanzberater verkaufen Fonds in Abhängigkeit der Rückvergütung

➢ Die Höhe der Rückvergütung entscheidet über Mittelzuflüsse

➢ Schlechte Fonds bezahlen höhere Rückvergütung

➢ Rückvergütungen sind oft nicht bekannt

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“Flow of Funds”: Unternehmen gewinnen, Haushalte verlieren, und Finanzinstitute verdienen Provisionen

➢ Haushalte sparen, Unternehmen finanzieren Projekte, und Finanzinstitute allozieren Kapital

➢ Unternehmen haben Informationsvorteil, Analysten und Fondsmanager sollen kontrollieren

➢ Prozyklische Mittelflüsse durch Haushalte verhindern effiziente Kontrolle

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Schlussfolgerungen für Unternehmer

➢ Solange der Euro besteht, werden die Zinsen niedrig bleiben; der Euro wird (spätestens) an demographischen Problemen in 15 Jahren scheitern

➢ Die USA sind und bleiben Europa wirtschaftlich weit voraus

➢ Auf effizienten Märkten ist Kostenreduktion die beste Strategie

➢ Wohlstand wird durch reale Produkte und Dienstleistungen (Aktien) geschaffen

➢ Nur in Dinge investieren, die man versteht

Page 27: Niedrigzins, Hochfrequenzhandel und Finanzsystem in der Vertrauenskrise: Strategien für Unternehmen

Anhang: Überblick über wissenschaftliche Studien zu High Frequency Trading

➢ Ausreichende Daten erst seit kurzer Zeit verfügbar

➢ “Algo-Trade”: Order & Ausführung/Storno innerhalb 2 Sekunden

➢ Studie von Kirilenko et al. (2011) über Flash Crash war “Fat Finger Trade”

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Die Entwicklung des Hochfrequenzhandels an den US-Börsen von 2006 bis 2013 (Trades per Second)

➢ Daten zu HFT bei Nanex.com verfügbar