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Nr. 2/2014 Natur in NRW Erhaltungszustand von Arten und Lebensräumen in NRW Leitfaden: Artenschutz und Windenergie Artenschutz: Fledermausquartiere in der Ökologischen Baubegleitung Schwarze Liste: Umgang mit invasiven Arten Prozessschutz: Waldökosystem und Wald-Wild-Frage Landesforstgesetz: Weihnachtsbäume sind kein Wald

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Nr. 2/2014Natur in NRW

Erhaltungszustand von Arten und Lebensräumen in NRW

Leitfaden:Artenschutz und Windenergie

Artenschutz:Fledermausquartiere in der Ökologischen Baubegleitung

Schwarze Liste:Umgang mit invasiven Arten

Prozessschutz:Waldökosystem und Wald-Wild-Frage

Landesforstgesetz:Weihnachtsbäume sind kein Wald

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Natur in NRW 2/142

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ISSN 2197-8328

100% Umweltpapier

Flachland-Mähwiesen, blütenreiche Kalkmager-rasen im Bergland, Kiebitz und Mittelspechtgehören zu den Lebensraumtypen beziehungs-weise Vogelarten, die Auskunft über den Er-haltungszustand der Natur in NRW geben.

Fotos: T. Schiffgens, J. Weiss

Nr. 2/2014Natur in NRW

Erhaltungszustand von Arten und Lebensräumen in NRW

Leitfaden:Artenschutz und Windenergie

Artenschutz:Fledermausquartiere in der Ökologischen Baubegleitung

Schwarze Liste:Umgang mit invasiven Arten

Prozessschutz:Waldökosystem und Wald-Wild-Frage

Landesforstgesetz:Weihnachtsbäume sind kein Wald

Der Skabiosen-Scheckenfalter (Euphydryas aurinia) befindet sich in NRW in einemschlechten Erhaltungszustand. Sein Lebensraum sind extensiv genutzte Wiesen.

Foto: M. Kaiser

Carla MichelsUmgang mit invasiven Arten im Naturschutz 27

Christian SollerDie ökologische Baubegleitung bei Baumfällungen 32

Matthias Kaiser, Ernst-Friedrich Kiel, Phillip FestLeitfaden hilft Windenergieanlagen artenschutzgerecht zu planen 23

Ralf Schlüter, Matthias Kaiser, Thomas Schiffgens, Jutta Werking-RadtkeWie geht es der Natur? Zustand des europäischen Naturerbes in NRW 13

Peter Herkenrath, Bettina Fels, Michael Jöbges, Matthias Kaiser, Heinrich KönigWie geht es der Natur? Zustand der Vogelwelt in NRW 19

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Wie geht es der Natur inNordrhein-Westfalen?Der Erhaltungszustand der Lebensraumtypenund der Arten gibt Auskunft über den Zustandder Natur. Die Erstellung des zweiten FFH-Gesamtberichtes aller Bundesländer an die EU-Kommission im Jahr 2013 erfolgte erst-mals anhand einheitlicher länderübergreifenderErhebungs- und Bewertungskriterien. Das vor-liegende Heft von Natur in NRW stellt nun einen Vergleich der nordrhein-westfälischenmit den bundesdeutschen Ergebnissen vor undgibt in diesem Rahmen eine Einschätzung. Einweiterer Beitrag des Heftes befasst sich eben-falls mit dem Zustand der Natur in NRW. Dabei stehen die planungsrelevanten Vogel-arten im Fokus. Während die Situation derWaldvogelarten als vergleichsweise günstig be-zeichnet werden kann, überwiegen bei denAgrarvogelarten schlechte Erhaltungszustände.Zwei weitere Beiträge dieser Ausgabe von Natur in NRW haben den Artenschutz zum Thema. Planung und Ausführung beim Ausbauder Windenergie in NRW führen häufig zuKonflikten mit dem Naturschutz. Der in diesemHeft vorgestellte Leitfaden zur „Umsetzungdes Arten- und Habitatschutzes bei der Planungund Genehmigung von Windenergieanlagen in Nordrhein-Westfalen“ soll dazu beitragen, Fragen zu Artenschutzprüfung und FFH-Ver-träglichkeitsprüfung im Rahmen der Umset-zung des Windenergie-Erlasses zu klären. Auchbei der Umsetzung anderer Baumaßnahmenwie beispielsweise im Straßenbau sind Arten-und Naturschutzbelange zu berücksichtigen. In einem Heftbeitrag geht es um die Rolle derökologischen Baubegleitung bei Fällung vonBäumen mit Fledermausquartieren.Die Einwanderung von noch nicht in der jeweiligen biogeografischen Region verbreite-ten, invasiven Arten einzudämmen und einerAusbreitung weiterer Neobiota vorzubeugen,ist ein länderübergreifendes Ziel und auch immer wieder Thema in Natur in NRW. AmBeispiel von fünf invasiven Arten werden imvorliegenden Heft notwendige Maßnahmenund Schwierigkeiten im Umgang mit invasivenArten erläutert.Darüber hinaus berichtet Natur in NRW über eine bemerkenswerte Anzahl und Vielfalt vonVögeln im noch nicht renaturierten Mündungs-bereich der Emscher, die dort bereits seit Jahren nachgewiesen werden.Zwei Beiträge dieser Ausgabe von Natur inNRW beschäftigen sich mit dem Thema Wald.Zum einen wird zum aktuellen Stand der Prozessschutzdiskussion Position bezogen unddabei mit dem systemorientierten Prozess-schutz ein neuer Begriff eingeführt. Ob Weih-nachtsbaum- und Schmuckreisigkulturen unterden Waldbegriff fallen, war lange strittig. Derletzte Aufsatz des aktuellen Heftes weist darumauf neue Regelungen zu Weihnachtsbaum- undSchmuckreisigkulturen im LandesforstgesetzNRW hin.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Thomas DelschenKommissarischer Präsident des Landesamtesfür Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW

Editorial

Der Kormoran (Phalacrocorax carboein) gehört zu den Brutvogelarten, die als wind-energieanlagenempfindlich eingeordnet werden. Foto: P. Schütz

Informationsangebote 49

Buchbesprechungen 46

Journal 4

Editorial 3

Veranstaltungshinweise 10

Andreas Neitzke Prozessschutz, Waldökosysteme und die „Wald-Wild-Frage“ 39

Yuri KranzWeihnachtsbaum- und Schmuckreisigkulturen im Wald 43

Johannes Meßer, Paul SchnitzlerDie Emschermündung: Vogelwelt an einem Fluss im Wandel 35

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Jubiläum: Zehn JahreNationalpark EifelDer erste und bislang einzige NationalparkNordrhein-Westfalens feiert 2014 zehn-jähriges Jubiläum. Auf großen Flächen ist das Motto „Natur Natur sein lassen“ bereits umgesetzt. Aufgrund der Eingriffe der vorangegangenen Jahrzehnte wird die Natur jedoch auf etlichen Flächen noch einige Zeit brauchen um sie in Naturent-wicklung beziehungsweise Prozessschutzzu entlassen. Ziel vorab war es, innerhalbvon 30 Jahren einen Prozessschutzanteilvon 75 Prozent zu erreichen. Schon heute,nach nur zehn Jahren, unterliegen fast 60Prozent der knapp 11.000 Hektar großenNationalparkfläche dem Prozessschutz.Ab 2014 gibt es im gesamten Kermeterund damit im großen Kernbereich desParks keine Bewirtschaftung mehr. Etwa7.000 verschiedene Tier- und Pflanzen-arten wurden bisher im Nationalpark nach-gewiesen, 1.600 davon stehen auf RotenListen.Die eine oder andere Kritik an Fehlent-wicklungen der letzten zehn Jahre im NPEifel wurde zumeist durch die Natur-schutzverbände vorgebracht. Immer wiederin der Diskussion sind die Themen Wald-umbau, Ausbau des Wegesystems oderJagd im Nationalpark. Über die National-parkgremien, in denen die Verbände mit-arbeiten, besteht dabei die Chance, auchMaßnahmen anzusprechen, die möglicher-weise den Zielen des Nationalparks zu-widerlaufen.Neben dem Erhalt des Naturerbes setzt derNationalpark auch das zweite Ziel, seinenBildungsauftrag, erfolgreich um. Mehr als37.000 Menschen nahmen 2012 an organi-

sierten Veranstaltungen teil. Die fünf Na-tionalpark-Tore mit Ausstellungen wurdenseit ihrer Eröffnung von mehr als 1,75 Mil-lionen Gästen besucht. Ausgehend von„Nationalparktoren“ kann jeder zu indivi-duellen Erlebniswanderungen starten. Werdas Gebiet unter fachkundiger Begleitungkennenlernen möchte, kann aus jährlich600 Ranger-Touren, Familientagen sowieProgrammen für Schulklassen, Kinder-und Jugendgruppen wählen. Vorbildlichsind auch die Projekte zum barrierefreienNaturerleben für Alle. In den Bildungsauf-trag einbezogen sind im NP Eifel auch dieSchulen, mehr als 100 wurden als Natio-nalparkschulen zertifiziert.Bereits in der Planungsphase des National-parks brachten der Förderverein National-park Eifel e.V. und die NUA NRW als Part-ner erste Projekte wie Ausstellungen undInformationsveranstaltungen auf den Weg.Bürgerinnen und Bürger wurden dabeifrühzeitig in den Dialog mit einbezogenund informiert. Die erste Nationalpark-Internetseite, von der NUA entwickelt undbetreut, ging bereits im Sommer 2002 online. Zahlreiche Forstwirte absolviertenin den nachfolgenden Jahren den NUA-Rangerlehrgang. Im NUA Waldführer-Lehrgang, den inzwischen mehr als 150Teilnehmerinnen und Teilnehmer besuchthaben, wurde das Konzept des zertifizier-ten Natur- und Landschaftsführers auf dieBelange eines Wald-Nationalparks zuge-schnitten.Die offizielle Geburtstagsfeier des NP Eifel findet am 30. und 31. August inSchleiden-Gemünd statt, im Kurhaus, sei-nen Außenanlagen und im Nationalpark-Tor. Der erste Tag wird ein Fachthementagsein, an dem Forscher dem breiten Publi-kum Ergebnisse ihrer Untersuchungen derTier- und Pflanzenwelt im Nationalparknahe bringen.

Wettbewerb der EntenteFlorale DeutschlandUnter dem Motto „Gemeinsam aufblühen”regt die Entente Florale Deutschland imRahmen des UN-Dekade-Projektes „Bio-logische Vielfalt“ Initiativen zur Gestal-tung eines anziehenden Stadtbildes an. DerWettbewerb will das Ideenpotenzial derBewohner nutzen, fördert Engagementund bündelt Maßnahmen im Hinblick aufdie gemeinsame Entwicklung einerl(i)ebenswerten Stadt. In einer Gemein-schaftsaktion von Verwaltung, Politik,Wirtschaft und Bürgern sollen dabei städ-tische Räume mit Grün und Blumen leben-dig gestaltet werden. Seit 2001 hat sich der Wettbewerb EntenteFlorale – „Gemeinsam aufblühen“ als er-folgreiches Forum kreativer, nachhaltigerund grüner Stadtentwicklung etabliert.Mehr als 250 Kommunen haben sich die-

ser Herausforderung bereits gestellt undsind mit einem schöneren Wohn- und Le-bensumfeld belohnt worden. Der Wettbe-werb kann der Startschuss für eine nach-haltige und bürgerliche Stadt- und Grün-entwicklung sein, die auch mit einer er-neuten Teilnahme fortgesetzt werden kann.Der Wettbewerb fördert damit die weitrei-chenden positiven Effekte einer nachhalti-gen Stadtbegrünung. Er zielt darauf ab, dasWohn- und Arbeitsumfeld zu verbessernund mehr Lebensqualität für die Bewohnerihrer Stadt zu schaffen. In diesem Zu-sammenhang ist der Städtewettstreit einwichtiges Instrument zur Umsetzung derAgenda 21 auf lokaler Ebene – sowohl imöffentlichen, privaten als auch gewerb-lichen Bereich.Die Anmeldeunterlagen für den Wettbe-werb werden von dem Komitee EntenteFlorale bestätigt und stehen auf der Web-site www.entente-florale.de/ zur Verfügung.Antragsformulare müssen bis zum 30. November 2014 bei der GeschäftsstelleEntente Florale eingegangen sein.

Gehölzpflege anStraßen: Neue VorgabenGehölzschnitt an Straßen sorgt immer wie-der für Diskussionsstoff. An erster Stellesteht für die Straßenbauer die Verkehrs-sicherheit, zu rigider Rückschnitt sorgtaber regelmäßig für Protest bei Anliegern.Daher haben Verkehrsministerium undUmweltministerium NRW die entspre-chenden Richtlinien überarbeitet. Nachden aktualisierten Richtlinien wird das der-zeit praktizierte abschnittsweise „auf denStock setzen“ der Gehölze entlang vonBundesfern- und Landesstraßen ab sofortdurch eine selektive Durchforstung der Bestände ersetzt. Außerdem wird ein kon-kreter Planungsablauf zur Organisationund Durchführung der Gehölzpflege ge-regelt. Schließlich sind die Vorgaben zurBerücksichtigung des Artenschutzes, zurBeteiligung der Landschaftsbehörden undzur Öffentlichkeitsarbeit präzisiert worden.Bei der Neuformulierung der aus dem Jahr2001 stammenden Hinweise zur Gehölz-pflege an Bundesfern- und Landesstraßenin Nordrhein-Westfalen waren neben denMinisterien der Landesbetrieb StraßenbauNRW, das LANUV und der LandesbetriebWald und Holz beteiligt.Gehölzflächen an Straßen müssen von denzuständigen Straßenbaulastträgern regel-mäßig gepflegt werden. Diese Gehölz-pflegearbeiten richten sich nach den Vor-gaben des Bundesnaturschutzgesetzes inVerbindung mit gesonderten Richtlinienfür die Straßenbauverwaltungen.Weitere Informationen zur Gehölzpflege:www.strassen.nrw.de/umwelt/gehoelzpflege/gehoelzpflege.html.

Journal

Zwei Jahre vor der Ausweisung des Nationalparks Eifel wurde Mitte 2002 inGemünd die Ausstellung über den ge-planten Nationalpark damals in Anwesen-heit von Volker Hoffmann (Förderverein),Christoph Lorbach (Bürgermeister Schlei-den) Dr. Thomas Griese (Umweltstaats-sekretär), Horst Frese (Leiter der NUA)und Henning Walter (späterer Leiter Nationalparkforstamt Eifel) eröffnet.

Foto: A. Niemeyer-Lüllwitz

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Regionalmarketing istVertrauensmarketingBewährte und gute neue Wege der Regio-nalvermarktung – darüber sprachen Land-wirte, Wissenschaftler und Verbände aufder NUA-Tagung: Regionalvermarktungund Kulturlandschaft – bewährte und guteneue Wege, die im April in der Biolo-gischen Station Oberberg in Nümbrechtstattfand. Laut Bundesministerium fürErnährung und Landwirtschaft achten 92Prozent der Deutschen auf die Herkunftvon Lebensmitteln. Über 70 Prozent kau-fen mehrmals im Monat ein regionalesProdukt. Weniger Verbraucher kaufen ausschließlich preisorientiert. Das sindChancen für regionale ProdukteRegionalität steht für mehr als nur für Her-kunft. Es steht für artgerechte Tierhaltung,Verbrauchersicherheit, Natur- und Klima-schutz und hat auch soziale Aspekte. Regionalität ist identitätsstiftend und sorgtdafür, dass Arbeitsplätze in der Regionbleiben.64 Prozent der Deutschen möchten inihrem Urlaub landestypische Spezialitätengenießen, die regionale Küche, erklärt Liselotte Unseld vom Deutschen Verbandfür Landespflege und erörtert die wichtigeBedeutung von regionalen Produkten fürden Tourismus.Die bewährten Wege einer gelungenen Regionalvermarktung reichen von Stadt-festen mit regionalen Märkten wie dem„Tag der Regionen“ über buchbare Wan-dermärkte bis hin zur „Beziehungskiste“ –eine Zusammenstellung regionaler Pro-dukte des „SooNahe-Bündnis“. Dabei ver-anschaulicht Monika Stallknecht von der„EntwicklungsAgentur Wirtschaft KreisWesel“ (EAW) die Wichtigkeit von Ko-operationen zwischen Landwirten, Ver-bänden und Verwaltung auch auf überre-gionaler Ebene. Eine große Bedeutung alsBrücke zwischen Produkt und Verbraucherhat die Gastronomie. Bei einem erfolg-reichen Regionalmarketing steht die Ein-

zigartigkeit des Produkts im Mittelpunkt.Idealerweise korreliert die Vermarktungregionaler Produkte mit der Landschafts-entwicklung und ist damit auch ein wich-tiger Impuls für den Naturschutz.

A. Heyermann/M.G.

Mehr Akzeptanz fürErneuerbare Energien„Mehr Akzeptanz der Erneuerbaren Ener-gien durch Energiegenossenschaften“ solautete der Titel eines Workshops, den dieNatur- und Umweltschutzakademie NRWam 17. Mai 2014 in der Gläsernen Heiz-zentrale in Saerbeck durchführte. Teilneh-mende waren überwiegend Mitarbeiterin-nen und Mitarbeiter von Behörden sowieinteressierte Bürgerinnen und Bürger.Jan Dobbertin vom Landesverband Er-neuerbare Energien stellte in seinem Vor-trag Einflussfaktoren vor, die entscheidendauf die Akzeptanz von Erneuerbaren Ener-gien-Projekten in der Bevölkerung wirkenkönnen. Wichtig sei, dass Betroffene vorOrt in die Planung mit einbezogen würdenund über alle Phasen Transparenz gewähr-leistet sei. Vor allem in den baurechtlichenVorgaben und der Beachtung der Natur-schutzbelange sieht Dobbertin die größtenHerausforderungen für die Windkraft.Sascha Schulz von der EnergieagenturNRW rückte in seiner Präsentation die finanzielle Bürgerbeteiligung in den Vor-dergrund. Neben möglichen Gesellschafts-formen wie der GbR oder einer GmbH &CO KG sei vor allem die Gründung einerGenossenschaft empfehlenswert, da dieseebenso die Risiken wie auch den Nutzenvon Bürgerenergieanlagen auf viele Schul-tern verteile. Dieses Modell wäre daherdann zu berücksichtigen, falls die Bürgersowohl bei der Produktion als auch Finan-zierung beteiligt seien.Eine vertiefende Einführung zur Gründungvon Energiegenossenschaften gab AsmusSchütt vom Rheinisch-Westfälischen Ge-nossenschaftsverband. So wurden in sei-nem Beitrag die drei tragenden Säulen der Selbsthilfe, der Selbstverwaltung undder Selbstverantwortung herausgestellt,auf denen sich eine Genossenschaft wertegeleitet stütze. Eine Genossenschaft habe keine Kapitalinteressen, sondern imWesentlichen einen Förderauftrag, wenn-gleich unter optimalen Voraussetzungendie Energieanlagen Eigentum der Genos-senschaft seien.Guido Wallraven, Stadt- und Umwelt-planer und maßgeblich im Planungs- undUmsetzungsprozess der Saerbecker Klima-kommune involviert, gab in seinem Vor-trag einen anschaulichen Überblick zu den wesentlichen Herausforderungen undHandlungsfeldern der drei Leitprojekte desSaerbeckers Bioenergieparks. Bei allen

Projekten sei hinsichtlich des Planungs-prozesses der finanziellen Teilhabe auf Be-teiligungsmöglichkeiten der Bürgerinnenund Bürger geachtet worden. Im Rahmendes Projektes „Saerbecker Sonnenseite“habe man in Zusammenarbeit mit der ört-lichen Grundschule die Solarpotenzialeprivater Gebäude ermittelt, um geeigneteDachflächen für Panels auszuweisen. DesWeiteren habe man Wege zur Gebäude-dämmung aufgezeigt. Wallraven stellte zudem die „Gläserne Heizzentrale“ vor.Hier wurde hinter einer Glasfassade einHolzpellet-Heizkessel installiert, der dasnaheliegende Schul- und Sportzentrum mit Fernwärme versorgt. Das eigentlicheHerzstück der Energie- und Klimakom-mune Saerbeck sei, so Wallraven, aller-dings der Bioenergiepark Saerbeck. Aufdem Gelände eines ehemaligen Munitions-depots der Bundeswehr wurden siebenWindräder, zwei Biogasanlagen, eine Bio-abfallbehandlungsanlage sowie ein sechsMegawatt Photovoltaikpark errichtet.Der Veranstaltungstag zeigte den Teilneh-merinnen und Teilnehmern auf, dass mehrAkzeptanz der Erneuerbaren Energien inder Bevölkerung durch Energiegenossen-schaften geschaffen werden kann. Doch,so zeigt es das Beispiel in Saerbeck, ver-langt ein solcher Prozess von allen Be-teiligten viel Engagement und Ausdauer.

M. Haes/B. St.

Klimabedingte Wande-rungen vorhersagenWohin Tiere und Pflanzen ziehen müssen,um sich den durch den Klimawandel ver-änderten Verhältnissen anzupassen, unter-sucht ein Team von Wissenschaftlern unterBeteiligung von Forschern der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg(FAU). Untersucht wurde, welche Musterdie Temperaturveränderungen in den ver-gangenen 50 Jahren aufweisen, um so vor-hersagen zu können, in welche Regionendie jeweiligen Arten abwandern werden.Die Studie soll dabei helfen, den Arten-schutz effizienter zu gestalten. Ihre Ergeb-nisse haben die Wissenschaftler in derFachzeitschrift Nature veröffentlicht.Der Klimawandel ist ein globales Phäno-men mit Auswirkungen auf die gesamteTier- und Pflanzenwelt. Wichtiger als ab-solute Temperaturveränderungen ist fürdas Überleben der einzelnen Spezies dann,wie schnell und in welche Richtung sichZonen gleicher Temperatur über den Glo-bus bewegen. Und damit wohin und mitwelcher Geschwindigkeit Arten wandernmüssen, um ihre gewohnten Klimabedin-gungen beizubehalten.Anhand ihrer Analysen identifizierten dieWissenschaftler drei verschiedene Bereiche:Klimaquellen, Klimasenken und Klima-

Journal

Regionale Produkte können, idealerweisemit Landschaft, Natur und Menschen derRegion identifizierbar, zu regiontypischenSpezialitäten werden.

Foto: A. Heyermann

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korridore. Klimaquellen sind Regionen,von denen alle Klima-Vektoren wegzielen:In diesen Regionen entsteht ein Klima, dases in den angrenzenden Gebieten nichtgibt. Das bedeutet, dass dort Arten aus-wandern, aber keine neuen Arten zuwan-dern. Beispiel dafür ist der Äquatorraum,hier steigen die Temperaturen immer wei-ter an, die ansässigen Arten wandern inumliegende kühlere Regionen ab. Da derÄquator als warme Region isoliert liegt,können aber keine Arten aus anderenheißen Gebieten zuwandern.Klimasenken sind Regionen, in denen daslokale Klima verschwindet. Arten könnenhier nicht in andere Gebiete abwandern.Gebirge stellen ein Beispiel für Senkendar: Steigen die Temperaturen an, könnenBewohner des Gipfels nicht in kühlere Regionen ausweichen. In Senken undQuellen ist langfristig am ehesten mit klimabedingtem Artensterben zu rechnen,wenn es den Arten dort nicht gelingt, sichan das neue Klima anzupassen oder demgewohnten Klima hinterherzuziehen.Die herausgearbeiteten Muster sollen nundazu dienen, den Schutz der Artenvielfalteffizienter zu machen. Denn Schutzmaß-nahmen machen am ehesten da Sinn, wodie Geschwindigkeit des Klimawandelsklein ist. In Quellen, Senken und Korrido-ren ist die Bedrohung nur mit erheblichemAufwand abzuwenden, beispielsweise indem man Tiere und Pflanzen in andere Regionen umsiedelt. Was wiederum zunicht absehbaren Konsequenzen in den betroffenen Lebensräumen führt.

Verbandsklagerecht im TierschutzNRW stärkt den Tierschutz: Das nord-rhein-westfälische Verbraucherschutzmi-nisterium hat im Januar die ersten siebenTierschutzvereine auf seiner Internetseite(www.umwelt.nrw.de) veröffentlicht, dieeine staatliche Anerkennung nach demneuen Gesetz über das Verbandsklagerechtund Mitwirkungsrechte für Tierschutzor-ganisationen erhalten haben. Mit diesemGesetz wird ein Signal für den Tierschutzgesetzt und gleichzeitig eine Rechtslückegeschlossen. Mit dem neuen Verbandsklagerecht wirddort eine Überprüfung tier schutz recht -licher Vorgaben durch Gerichte möglich,wo es sie bislang nicht gab. Gesetzlichfestgelegte Kriterien stellen sicher, dassnur seriöse Organisationen anerkannt wer-den, die jahrelange Erfahrung im Tier-schutz nachweisen und so verantwortungs-voll mit ihren neuen Möglichkeiten umge-hen können. Das Verbraucherschutzmini-sterium hat jetzt die folgenden sieben Ver-eine offiziell bestätigt und veröffentlicht:AnimalRights Watch, BundesverbandTierschutz, Deutscher Tierschutzbund,

Deutsches Tierschutzbüro, EuropäischerTier- und Naturschutz, Landestierschutz-verband NRW, Menschen für Tierrechte –Bundesverband der Tierversuchsgegner.Mit der offiziellen Anerkennung habendiese Tierschutzvereine nun die Berechti-gung, die neuen Rechte auch tatsächlich inAnspruch zu nehmen.Nach der Anerkennung durch das Landeröffnet das Gesetz den Organisationen dieMöglichkeit, bereits im Vorfeld bestimm-ter Genehmigungsverfahren zur Haltungvon Tieren Stellung zu nehmen. Sofern dieVerletzung von Tierschutzvorschriften imRaum steht, können die Vereine Klagengegen tierschutzrelevante Erlaubnisse, et-wa zur Kürzung von Hühnerschnäbelnoder der Schwänze von Kälbern erhebenoder gegen Genehmigungen zum Bau neu-er Ställe. Gegen die Genehmigung vonTierversuchen ist eine Feststellungsklagezulässig. Inzwischen haben einige an-dere Bundesländer den nordrhein-westfäli-schen Gesetzentwurf zum Vorbild für ent-sprechende eigene Gesetzesvorhaben ge-nommen.

Artenverlust in derKulturlandschaft Die Intensivierung der Landwirtschaft hatzu einem hohen Verlust der Artenvielfalt inden Kulturlandschaften in Nord- und Mit-teldeutschland geführt. Das haben Wissen-schaftler der Universität Göttingen in Zusammenarbeit mit dem SenckenbergMuseum für Naturkunde in Görlitz heraus-gefunden. Auf rund 1.000 Untersuchungs-flächen – Ackerland, Grünland und Fließ-gewässer – wiederholten die Forscher Ve-getationsaufnahmen aus den 1950er- und1960er-Jahren, um den Wandel zu analy-sieren.Dabei stellten sie unter anderem fest, dassdie Fläche artenreichen Grünlands auf fri-schen bis feuchten Böden in den vergange-

nen 50 Jahren um rund 85 Prozent abge-nommen hat – heute dominieren artenarmeintensiv gedüngte Grünländer. Ackerwild-kräuter, die in den Fünfzigerjahren nochfast die gesamte Ackerfläche bedeckten,wachsen heute aufgrund von Düngung undPestiziden nur noch auf knapp fünf Prozentder Ackerfläche. Die Zahl der Pflanzen -arten ging im Grünland um 30 Prozentzurück, im Ackerland im Inneren der Fel-der um 71 Prozent und in Fließgewässernum 19 Prozent; die Häufigkeit der einzel-nen Pflanzenarten ist in ähnlichem Aus-maß rückläufig. Zunahmen konnten ledig-lich bei sieben anpassungsfähigen Artenim Grünland, bei 18 Arten im Ackerlandund bei zwei Arten in Fließgewässern fest-gestellt werden.Vor rund 50 Jahren standen Grünland-Pflan zen wie beispielsweise Wiesen-Schaumkraut und Kuckucks-Lichtnelkeauf fast jeder Wiese. Heute sind nur nochRestbestände von weniger als fünf Prozentim Vergleich zu damals vorhanden, vieler-orts sind die Pflanzen ausgestorben. Auchim Ackerland betragen die Bestandsver -luste vielfach zwischen 95 und 99 Prozent– ehemals weit verbreitete Arten wie derAcker-Rittersporn, die Knollen-Platterbseund das Sommer-Adonisröschen sind heutefloristische Seltenheiten. Frühere Studienhaben vergleichbare Verluste auch für Vögel im Acker- und Grünland gezeigt. DieEntwicklung bei anderen Organismengrup-pen wie beispielsweise Insekten ist bislangweniger bekannt.

Europaweites Projektzum Zustand der FlüsseÜberschwemmungen im Norden, Dürrenim Süden – der Klimawandel sorgt dafür,dass Europa seine Wasserbewirtschaftungüberdenken muss, zumal weitere men-schengemachte Probleme hinzukommen:Landwirtschaft, Energieversorger und In-dustrie nutzen die Gewässer intensiv undverändern oder belasten sie. Wie sich dasauf die biologische Vielfalt und ihre Um-weltfunktionen auswirkt, untersucht in den nächsten vier Jahren das ProjektMARS (Managing Aquatic Ecosystemsand Water Resources under MultipleStress).Koordiniert wird es von der AbteilungAquatische Ökologie der Universität Duis-burg-Essen (UDE). Beteiligt sind 24 Part-ner aus 16 Ländern, die EU fördert es mitneun Millionen Euro.16 Flüsse und ihre Einzugsgebiete werdenuntersucht, darunter sind die Themse, dieösterreichische Drau, die untere Donau,die Sorraia in Portugal, sowie der Pinios inGriechenland, aber auch die Ruhr und dieElbe.Die Forscher simulieren in Experimenten,was passiert, wenn mehrere Belastungen

Journal

Früher verbreitet, heute auf unserenÄckern selten geworden: der Acker-Ritter-sporn. Foto: Universität Göttingen

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gemeinsam wirken; sie modellieren auf-wändig, wie Phytoplankton, Wasserpflan-zen, Wirbellose sowie Fische auf multipleStörfaktoren reagieren – auch in renatu-rierten Bereichen. Dabei wird eng mit Po-litik und Wasserwirtschaft zusammen ge-arbeitet, um zu definieren, welche Maß-nahmen wo sinnvoll sind, um den gutenökologische Zustand wieder herzustellen,wie in der europäischen Wasserrahmen-Richtlinie bis 2027 gefordert.

Fotowettbewerb derNaturparke 2014Der Verband Deutscher Naturparke e.V.(VDN) lädt auch in diesem Jahr wiederAmateur- und Profi-Fotografen herzlichzur Teilnahme an der nächsten Runde des Fotowettbewerbs „Augenblick Natur!“ein. Gesucht werden wieder ausdrucks-starke Motive aus allen NaturparkenDeutschlands – aufgenommen aus der ganzpersönlichen Perspektive der Besucher. Der Wettbewerb läuft bis zum 31. Oktober2014.Die eingereichten Bilder sollen die einzig-artige Vielfalt und Schönheit der deutschenNaturlandschaften aufzeigen und die Na-turparke mit ihren verschiedenen Facetteneiner breiten Öffentlichkeit bekannt machen. Alle Bilder des Wettbewerbs wer-den auf der Website www.naturpark-fo-tos.de veröffentlicht. Die 100 besten Bilderdes Wettbewerbs werden monatlich vonden Besuchern des Portals gewählt (voteper click). Aus diesen Top 100 wählt diedreiköpfige Jury jeden Monat die 10 be-sten aus; aus diesen werden am Ende desWettbewerbs jeweils die beste Tier-, Pflan-zen- und Landschaftsaufnahme mit einemFotowochende im Naturpark Hohe Mark –Westmünsterland belohnt.Weitere Infos über die Naturparke, beson-ders reizvolle Fototouren und natürlich denWettbewerb gibt es auf www.naturparke.de.

Neues RadroutingportalDas neue Naturerlebnis- und Radrouting-portal für Nordrhein-Westfalen ist online.An der Schnittstelle zwischen Naturschutzund Tourismus versetzt das Portal www.natur-erleben-nrw.de den Naturfreund zu-künftig in die Lage, ein- oder mehrtägigeTouren zwischen 200 ausgewählten Natura-2000-Gebieten in Nordrhein-Westfalen zuerstellen. Gefördert von der EU und demnordrhein-westfälischen Umweltministe-rium, haben der NABU NRW und dieFachhochschule Münster dieses Projekt inden vergangenen zwei Jahren im Rahmendes „NRW-EU-Ziel2-Programms – Regio-nale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäfti-gung“ umgesetzt.

In enger Zusammenarbeit, insbesonderemit den Biologischen Stationen, wurde be-reits bei der Auswahl der Gebiete daraufgeachtet, dass diese naturverträglich er-schlossen sind oder sich auf andere Weisefür die touristische Nutzung eignen und soder eigentliche Zweck der ausgewähltenNatura-2000-Gebiete – der Schutz der Natur – nicht beeinträchtigt wird. „Auchwenn die Besucherfrequenz in besondersbeliebten Gebiete wächst, ist es aus Sichtdes Naturschutzes dennoch wünschens-wert, dort wo eine entsprechende Infra-strukur mit Wegen und Aussichtspunktenvorhanden ist, zumindest in Teilen ein Na-turerleben zu ermöglichen“, sagte JosefTumbrinck, Vorsitzender des NABU NRW.Denn Natur erleben und Natur schützenseien zwei Seiten einer Medaille. Nur werdie Natur schätze und liebe, sei auch bereit,sich für ihren Erhalt einzusetzen.Eigens für dieses Projekt hat die FH Müns-ter ihr Fahrradroutingsystem Naviki deut-lich überarbeitet und erweitert. „So ist indem neuen Portal ein Fahrradrouting mög-lich, das speziell auf die Natura-2000-Ge-biete zugeschnitten ist und den Natur-freund in die Lage versetzt, Touren anhandindividuell festgelegter Auswahlkriterienzusammenzustellen“, erklärte Naviki-Projektleiter Prof. Dr. Gernot Bauer. „MitNaviki unter der Haube, Europas meist-verbreitetem Fahrradroutenplaner, ist dasneue Online-Portal des NABU nicht nurnaturschutzfachlich ganz weit vorne, son-dern auch technisch“, so der Informatik-Professor. Zudem werden ab Ende MärzApps für Smartphones die Möglichkeitbieten, unterwegs Informationen über dieaktuelle Route, die Gebiete und so genannte„Points of Interest“ (POI) abzurufen.Neben touristischen Informationen findensich unter www.natur-erleben-nrw.de aus-führliche Angaben zu faunistischen undfloristischen Besonderheiten.

Pflanzen in GewässernkontrollierenDurch die Folgen der Klimaerwärmungwandern unerwünschte Wasserpflanzen in heimische Gewässer ein. Eine gezielteÜberwachung der Wasserflächen wäre nötig, das bisherige Verfahren ist für eineregelmäßige Überwachung jedoch meistzu teuer. Forscher der Technischen Univer-sität München (TUM) entwickelten jetzteine schnellere und kostengünstigere Methode.Um zu untersuchen, wie sich das Öko-system von Seen verändert, überprüfenWasserwirtschaftsämter regelmäßig derenPflanzenbestände. Für diese Inspektionensind aufwendige Beobachtungen durchTaucher notwendig. Doktoranden der Lim-nologischen Station der TUM in Iffeldorfhaben nun ein neues Verfahren, bei dem

hochaufgelöste Luft- und Satellitenbildereinen Teil der Taucharbeiten ersetzen. Genutzt wird dabei die Lichtreflexion derPflanzen, die je nach Farbe und Aufbau der Pflanze artspezifische Unterschiedeaufweist.Allerdings erschweren Faktoren wie Was-serinhaltsstoffe, Art des Sediments, Licht-brechung oder unterschiedliche Wassertie-fen die Bewertung der Pflanzenbestände.Daher haben die Gewässerforscher mathe-matische Algorithmen entwickelt, die inVerbindung mit den Messdaten die Fehleraus den Bildern „herausrechnen“ können.Da sich die einzelnen Gewässer stark unterscheiden, hat jeder See seinen eige-nen Algorithmus.Die neue Methode eignet sich insbeson-dere für große, einheitliche Pflanzenbe-stände. Wo kleinräumige Wechsel der Vegetation anzutreffen sind, müssen wiebisher Taucharbeiten durchgeführt werden.

Artenschutzprojekt fürden Rotmilan gestartetLand zum Leben heißt das neue Arten-schutzprojekt für den Rotmilan, dass derDachverband Deutscher Avifaunisten (DDA)e.V. gemeinsam mit dem Deutschen Ver-band für Landschaftspflege (DVL) und derDeutschen Wildtier Stiftung durchführt. In insgesamt elf Projektgebieten in achtBundesländern werden in Zusammen-arbeit mit der Land- und ForstwirtschaftLandschaftspflegemaßnahmen umgesetzt,um die Lebensbedingungen des Rotmilanszu verbessern.Der Rotmilan brütet in keinem anderenLand der Erde ähnlich zahlreich wie in

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Luftbilder – hier vom Westufer des Starn-berger Sees – können zeigen, wie stark bestimmte Wasserpflanzen verbreitet sindund wie die Wasserqualität ist (blau: un-bewachsenes Sediment, grün und gelb:spärliche Vegetation, rotbraun: dichte Vegetation).

Foto: Landesamt für Vermessung und Geodäsie Bayern

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Deutschland. Doch sein Bestand ist be-droht. Dafür sind auch die immer inten-siver werdende Landwirtschaft mit demgroßflächigen Anbau von Mais und Wintergetreide verantwortlich.Langjährige Untersuchungen des Pro-gramms „Monitoring Greifvögel und Eulen Europas“ zeigen, dass sich der Be-stand des Rotmilans seit Anfang der1990er Jahre in Deutschland um rund ein Drittel verringert hat. Das Projekt„Rotmilan – Land zum Leben“ wird durchdas Bundesprogramm Biologische Vielfalt gefördert, mit dem die Bundesregierungdie Ziele der Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt umsetzt. Mehr Informationen sind erhältlich auf der Webseite www.dda-web.de/ unter „Rot-milan-Projekt“ und auf der Projekt-Home-page www.rotmilan.org.

Neue Naturbewusst-seinsstudieDie Deutschen mögen Wildnis, sind für naturnahe Wälder und Flussauen und lehnen Gentechnik in der Natur ab. Dassind einige Ergebnisse der neuen Natur-bewusstseinsstudie, die das Bundesamt fürNaturschutz (BfN) Anfang Mai in Bonnvorgestellt hat.Die Deutschen haben offenbar ein gutesund realistisches Gespür für die nach-haltige Nutzung der Natur. 93 Prozent sindlaut Studie der Auffassung, dass die Naturnur so genutzt werden darf, dass die Viel-falt und ihre Lebensräume auf Dauer ge-sichert sind, und Eigenart und Schönheitder Landschaften erhalten bleibt.Zum Thema Wildnis lagen bisher keinebundesweit repräsentativen Informationenvor. Knapp zwei Drittel der Deutschen gefällt Natur umso besser, je wilder sie ist. Das gilt besonders für die Wälder. Viervon fünf Personen wollen, dass die Wild-nis in Deutschland für Menschen zugäng-lich ist. Dass ein solcher Kontakt nur unter

bestimmten Voraussetzungen geschehenkann, damit Wildnis auch weiterhin er-halten bleibt, ist den meisten bewusst.Wildnis findet sich in Deutschland vor allem in den inneren Schutzzonen der Nationalparks. Die Studie belegt, dass diese von einem Großteil der Bevölkerunggeschätzt werden. Eine große Mehrheitstimmt zu, dass Nationalparks Arbeits-plätze schaffen, gut zu Deutschland passenund die Region aufwerten.Nähere Informationen unter www.bfn.de/0309_naturbewusstsein.html.

Rohrkolben als BaumaterialDie Erfolgsgeschichte der SumpfpflanzeRohrkolben begann vor 18 Jahren mitihrem Anbau in Niedermooren. Gefördertvon der Deutschen Bundesstiftung Um-welt (DBU) offenbarte ein Modellprojektdie Ökovorteile der Pflanze: Da für ihrenAnbau hohe Wasserstände nötig sind, kön-nen sich die seit Jahrhunderten für dieLandwirtschaft trockengelegten Nieder-moore wieder erholen. Außerdem reinigtsie das Wasser und speichert große Men-gen Kohlendioxid. Dabei wurde die Pflan-ze eigentlich für das Herstellen von Bau-material aus nachwachsenden Rohstoffenangebaut. Auch dies ist nun in einem an den Rohrkolbenanbau anknüpfendenDBU-Projekt gelungen. Das Büro fürDenkmalpflege und Baustoffentwicklungaus Postmünster entwickelte aus der Was-serpflanze ein zugleich dämmendes undtragendes Baumaterial, das sich besondersfür die Sanierung historischer Fachwerk-häuser sehr gut eignet. „Wenn sich aus einem Naturschutzprojekt Perspektivenfür weitere Entwicklungen etwa im ökolo-gischen Bauen ergeben, ist das der Ideal-fall einer erfolgreichen Förderung“, sagteDBU-Generalsekretär Dr. Heinrich Botter-mann.Der Rohrkolben funktioniert wie einenatürliche Kläranlage, er kommt sehr gutmit teils aus der Landwirtschaft stammen-dem nährstoffbelastetem Wasser zurechtund reinigt es. Zudem bindet die PflanzeKohlendioxid. Die vernässten Anbau -flächen verhindern die Freisetzung vonTreibhausgasen und sind gleichzeitig Lebensraum für daran angepasste Tier-und Pflanzenarten.

Hotspot OberrheinDie nördliche Oberrheinebene im Drei-ländereck von Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Hessen bietet vielen seltenen Arten eine Heimat. Diese wichti-gen Lebensräume will die zum Teil dichtbesiedelte Region schützen, ausbauen und

miteinander vernetzen. Das ist das Ziel eines „Hotspot-Projekts“ im Bundespro-gramm Biologische Vielfalt, das vom Bun-desumweltministerium gefördert wird.Als einer von 30 in Deutschland ausge-wiesenen „Hotspots der BiologischenVielfalt“ besitzt die Gegend insgesamt eine hohe Dichte und Vielfalt besondererArten und Lebensräume. Das Gebiet be-heimatet zum Beispiel seltene Fischartenund ist ein international wichtiger Brut-,Rast- und Überwinterungsplatz für Watt-und Wasservögel.Das Projekt „Lebensader Oberrhein – Naturvielfalt von nass bis trocken“ solldieses Artenspektrum sichern. Ziel istauch, dass verschwundene Arten wie die Sumpfschildkröte und der Schlamm-peitzger wieder in die Region zurück-kehren. Zudem sollen Anwohner, Land-wirte und Fischer für die außerordentlichebiologische Vielfalt in ihrer Region sensi-bilisiert werden.Das Bundesumweltministerium stellt ausdem Bundesprogramm Biologische Viel-falt rund 3,8 Millionen Euro zur Ver-fügung. Das Bundesamt für Naturschutzbegleitet das Naturschutzprojekt als Be-willigungsbehörde fachlich. Koordiniertwird das auf sechs Jahre angelegte Projektvom NABU-Landesverband Rheinland-Pfalz. Weiterer Projektpartner ist der NABU-Landesverband Baden-Württem-berg.

Herbivoren helfen der VielfaltWeidende Tiere wirken dem Verlust an Biodiversität, den die Düngung von Wie-sen verursacht, teilweise entgegen. Da sievorwiegend hochwüchsige Pflanzen fres-sen, fördern sie indirekt niedrigwüchsigePflanzen, die vom zusätzlichen Licht pro-fitieren und die Artenvielfalt bereichern.Dies berichtet ein internationales For-schungsteam unter Beteiligung der Eid-genössischen Forschungsanstalt WSL undder Universität Zürich im Fachjournal Nature. Im Rahmen des sogenannten „Nutrient Network“ hatten Forschungs-teams auf fünf Kontinenten, beispiels-weise in afrikanischen Savannen, der nord-amerikanischen Prärie und hochalpinenWeiden, Daten aufgenommen.Düngemittel führen weltweit in Wiesen-und Weideökosystemen zu einer Abnahmeder Artenvielfalt. Schnell- und hochwüch-sige Kräuter und Gräser überleben dannauf Kosten aller anderen Pflanzen. Denn in gedüngten Wiesen- und Weideökosyste-men stehen Nährstoffe praktisch unbe-schränkt zur Verfügung, so dass sich dieKonkurrenzverhältnisse zwischen den Arten verschieben. Ergebnisse einer imWissenschaftsjournal „Nature“ veröffent-lichten Studie belegen, dass die Konkur-

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Die meisten Deutschen lieben die Wildnisund sind gern in der Natur. Foto: G. Hein

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renz der Wurzeln um Nährstoffe durch dasAusbringen von Düngern abgeschwächtoder sogar aufgehoben wird und nur nochdie oberirdische Konkurrenz um Lichtstattfindet. Durch Düngung werden vor allem schnell- und hochwüchsige Pflanzen-arten gefördert. Auf der WSL-Forschungs-fläche in der Val Müstair (Graubünden) istdas beispielsweise der Blaue Eisenhut, derweniger wüchsige Pflanzen beschattet, also von der Lichtquelle abschneidet undzum Absterben bringt.Pflanzenfressende Tiere (Herbivoren) kön-nen unter gewissen Bedingungen diesenVerlust an Biodiversität verlangsamen, wiedie Studie zeigt. Wenn Tiere die hoch-wüchsigen Pflanzen abweiden, steht trotzhohem Nährstoffangebot weniger wüchsi-gen Pflanzenarten genügend Licht zur Ver-fügung, so dass die meisten von ihnenüberleben und das Ökosystem stabilisierenkönnen.

Waldklimafond fördertNABU-ProjektIn einem der ersten großen Projekte, dieaus dem neuen Waldklimafonds gefördertwerden, soll auf bis zu 4.000 Hektar unter-sucht werden, wie sich der Wasserhaushaltstabilisieren lässt, damit der Wald auch in Zeiten des Klimawandels dauerhaft gesund bleibt. Untersucht werden soll indem Projekt des NABU-Münsterland zumBeispiel, wie Wälder auch lange Trocken-perioden überstehen können.Der Waldklimafonds wurde im ver-gangenen Jahr durch das Bundesumwelt-ministerium und das Bundeslandwirt-schaftsministerium gemeinsam aufgelegt.Er fördert Maßnahmen zum Erhalt undzum Ausbau des Kohlenstoff-Minderungs-potenzials von Wald und Holz sowie zur Anpassung der Wälder an den Klima-wandel. Das Projekt in Münster wird mitknapp drei Millionen Euro gefördert.Die NABU-Naturschutzstation Münster-land will untersuchen, wie die Anpas-

sungsfähigkeit von feuchten Wäldern anden Klimawandel erhöht werden kann.Feuchte Waldstandorte sind für die CO2-Speicherung besonders wertvoll. Dahersoll die bisherige Entwässerung gestopptund durch naturraumtypische Wasserver-hältnisse ersetzt werden. Von den Maßnah-men profitiert auch die biologische Viel-falt, weil die Lebensbedingungen für Artenwie Feuersalamander, Kreuzotter, Mittel-specht und Wespenbussard deutlich besserwerden.Die Ergebnisse der Untersuchungen sollenspäter auch auf andere Waldflächen über-tragen werden können. Zudem werden Informationsveranstaltungen und Schu-lungen für Waldbesitzer und andere Inter-essierte angeboten.Weitere Informationen zum Waldklima-fonds sind zu finden unter www.waldklima-fonds.de.

Nationalpark Schwarzwald Mit dem Nationalpark Schwarzwald wurdeAnfang des Jahres der erste NationalparkBaden-Württembergs ins Leben gerufen.Der Stuttgarter Landtag hatte im Novem-ber 2013 das grundlegende Gesetz zum Na tionalpark Schwarzwald beschlossen.Deutschlandweit gibt es nun 15 National-parke.Ein Nationalpark-Rat, der Vertretern derRegion breite Mitbestimmung im Natio-nalpark Schwarzwald ermöglicht, hattesich Ende Januar konstituiert. Der Rat er-möglicht den Vertretern der Region Mitbe-stimmung in allen Angelegenheiten desNationalparks, die von grundsätzlicher Be-deutung sind. Dazu gehören unter anderemdie Erstellung eines Nationalpark-Plansoder das Verkehrs- und Tourismuskonzept.Gemeinsam mit der Region soll der Natio-nalpark zu einem naturschutzfachlichenLeuchtturm und zu einem bedeutendenwirtschaftlichen und touristischen Impuls-geber der Region werden.Zu Jahresbeginn haben die ersten rund 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter derNationalparkverwaltung ihre Arbeit aufge-nommen. Dabei handelt es sich weit über-wiegend um Förster, Waldarbeiter und bis-herige Mitarbeiter des Naturschutzzen-trums Ruhestein, die bereits bisher auf derFläche gearbeitet haben. Rangerinnen undRanger sowie Naturpädagoginnen und -pädagogen führen seit Jahresbeginn fasttäglich Schulklassen und andere Gruppendurch den Nationalpark Schwarzwald. Eine der ersten Aufgaben des National-park-Rats wird die Erstellung des Na -tionalparkplans sein. Im Nationalparkplanwerden Leitbild, Ziele und Aufgaben desParks festgelegt und diese mit konkretenMaßnahmen hinterlegt, die die National-

parkverwaltung in den nächsten Jahrenumsetzen wird. Der Nationalpark-Rat wirddie Standorte für Besucherzentrum, Por -tale und Infopunkte in der Region fest -legen.Bis Ende 2016 sollen alle 89 Stellen desNationalparks besetzt sein.

Gefährdete Wildpflan-zen vernetzt schützenEin bundesweites Netzwerk soll die gene-tische Vielfalt von 15 gefährdeten heimi-schen Wildpflanzen sichern. Das ist dasZiel eines Projekts aus dem Bundespro-gramm Biologische Vielfalt, das vom Bundesumweltministerium gefördert wird.Die gefährdeten Wildpflanzen gehören zuden Arten, für deren Schutz Deutschlandeine besondere Verantwortung hat. Dazuzählen die Arnika (Arnica montana), derSumpfenzian (Gentianella uliginosa) undeine heimische Orchidee, das BreitblättrigeKnabenkraut (Dactylorhiza majalis). In einer ersten Projektphase wird das Saatgutder 15 Arten an den Wildstandorten bundes-weit gesammelt und in Saatgutgenbankengelagert. Dann legen die beteiligten Bota-nischen Gärten Erhaltungs- und Vermeh-rungskulturen an, um anschließend in einerdritten Phase mit diesem Material ge-fährdete Populationen am Naturstandort zu stärken.Das Bundesumweltministerium stellt ausdem Bundesprogramm Biologische Viel-falt über 2,4 Millionen Euro zur Ver-fügung. Das Bundesamt für Naturschutzbegleitet das Naturschutzprojekt als Be-willigungsbehörde fachlich. Umgesetztwird das Projekt „Wildpflanzen-SchutzDeutschland“ von einem bundesweitenNetzwerk, zu dem sich die BotanischenGärten von Berlin, Karlsruhe, Osnabrück,Potsdam und Regensburg sowie die Päda-gogische Hochschule Karlsruhe zusam-menschließen. Koordiniert wird das auffünf Jahre angelegte Vorhaben vom Bota-nischen Garten der Universität Osnabrück.

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In Deutschland steht Arnica (Arnica mon-tana) auf der Roten Liste auf Stufe 3.

Foto: P. Schütz

Weidende Tiere wirken dem Verlust an Bio-diversität, den die Düngung von Wiesenverursacht, teilweise entgegen.

Foto: G. Hein

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Nationalpark Eifel feiert JubiläumDer Nationalpark Eifel lädt am letzten Augustwochenende alle Interessierten indas Kurhaus Schleiden-Gemünd ein, umgemeinsam sein zehnjähriges Bestehen miteinem bunten Programm zu feiern. Dazuwerden unter dem Motto „Tiere und Pflanzen im Nationalpark Eifel“ am erstenVeranstaltungstag Forschungsergebnisseder letzten zehn Jahre in einem wissen-schaftlichen Symposium präsentiert, diesowohl Experten ansprechen als auch fürden Laien verständlich sein sollen. DasBonner Springmaus-Improvisationstheatersetzt mit einem Exklusivprogramm denSchlusspunkt für den ersten Veranstal-tungstag. Am Sonntag setzt sich das Unter-haltungsangebot aus Livebands, Ausstel-lungen und Talkrunden zusammen. Zudemwird NRW-Umweltminister JohannesRemmel mit einer Laudatio die Veranstal-tung feierlich eröffnen.Einzelheiten unter www.nationalpark-eifel.de.

32. Deutscher NaturschutztagDie Interessengebiete des Naturschutzesund andere Bereiche der Gesellschaft be-rühren sich bei Themen wie dem Hoch-wasserschutz, der Umsetzung der Energie-wende, der Akzeptanz von Artenschutzoder dem Gebietsschutz. Ein Dialog zwi-schen den Akteuren, bei dem Ansätze wiedie internationale Biodiversitätsstrategieoder rechtliche Entwicklungen beleuchtetwerden, kann zu einem nachhaltigenSchutz der Natur sowie einer gesellschaft-lichen Vermittlung beitragen.Das Umweltministerium Rheinland-Pfalz(MULEWF) richtet hierzu gemeinsam mit

dem Bundesverband Beruflicher Natur-schutz (BBN) e.V., dem Bundesamt fürNaturschutz (BfN) und dem Deutschen Naturschutzring (DNR) e.V. am 8. bis 12. September in Mainz den 32. DeutschenNaturschutztag (DNT) aus. Zum dies-jährigen Thema „Verantwortung für dieZukunft – Naturschutz im Spannungsfeldgesellschaftlicher Interessen“ werden neben Vortrags- und Diskussionsrundenspannende Exkursionen, Ausstellungensowie auch ein attraktives Begleit-programm der Stadt Mainz angeboten.Der DNT ist der zentrale Fachkongress desNaturschutzes in Deutschland, der bereitsseit 1925 in einem zweijährigen Turnusausgetragen wird.

Schutz heimischer FledermausartenDie Biologie der Fledermaus ist außer-gewöhnlich vielfältig und facettenreich.Doch werden ihre natürlichen Lebens-räume aufgrund einer intensiven Land-und Forstwirtschaft bedroht. In der Folgekann es zu einer Reduzierung von Nah-rungsquellen und der Zerstörung ihrer natürlichen Quartiere kommen. Der „Praxis-workshop: Fledermausschutz für Groß undKlein“, der vom 23. bis zum 24. August2014 in Düsseldorf stattfindet, behandeltWissenswertes über die heimischen Fleder-mausarten, deren Lebensweise, ihre Ge-fährdung und ihren Schutz. TheoretischesHintergrundwissen wird durch Praxis-einheiten im Freiland und mit Anregungenfür den praktischen Fledermausschutz so-wie der Umweltbildungsarbeit verknüpft.Informationen und Anmeldung: www.bund-nrw.de/bildungsoffensive oder tele-fonisch unter 02921/346943, Teilnahme-beitrag: 60 €, für BUND-Mitglieder 45 €.

Natur für alle in NATURA 2000-GebietenMit seiner Initiative „Eifel barrierefrei –Natur für alle“ fördert der Naturpark Nordeifel seit über 10 Jahren erfolgreichund anerkannt das Natur- und Land-schaftserlebnis für Menschen mit Behinde-rung und ältere Menschen. Zusammen mit10 regionalen Partnern hat der NaturparkNordeifel das Projekt „Natur für alle in Natura 2000-Gebieten der Eifel“ umge-setzt und mit Infrastrukturmaßnahmen dieErreichbarkeit und Erlebbarkeit von Naturund Landschaft verbessert.Über barrierefreie Medien werden dieseAngebote den Zielgruppen vermittelt. Dasdurch die Ziel 2-Förderung im WettbewerbErlebnis.NRW geförderte Projekt hat ge-

zeigt, dass auch in ausgewählten schutz-würdigen Gebieten eine nachhaltige Umsetzung barrierefreier Naturerlebnis-infrastuktur möglich ist.In dem Seminar „Natur für alle in NATU-RA 2000-Gebieten“, das NUA und Natur-park Nordeifel e.V. vom 10. bis 11. Sep-tember 2014 in Nideggen anbieten, werdendie Initiative und das Projekt durch ver-schiedene Beispiele und Partner zum bar-rierefreien Naturerlebnis vorgestellt unddiskutiert. Bei einer Exkursion werdenverschiedene Einzelprojekte besucht, wo-bei Verantwortliche aus der Praxis fürRückfragen zur Verfügung stehen.Weitere Informationen und Anmeldung:NUA, Siemensstraße 5, 45659 Reckling-hausen, Tel. 02361/305-0, [email protected], www.nua.nrw.de.Teilnahmegebühr: 40 € inkl.Verpflegung.

Wege in der LandschaftWeg- und Feldraine bieten Platz für einereichhaltige Pflanzen- und Tiergemein-schaft. Sie können als ökologischesGrundgerüst in der Agrarlandschaft gelten.Sie verbinden, genauso wie Hecken oderBachläufe, einzelne Biotope miteinanderund bieten Nahrung, Rückzugs- und Lebens-raum für eine Vielfalt an seltenen Arten.Raine prägen unser Landschaftsbild undbieten Naturerleben auf jedem Spazier-gang direkt vor der Haustür. Doch die Anzahl der bunt blühenden Wegesränderist seit Jahren rückläufig, die Ursachenhierfür sind vielfältig.Die zweitägige Fachtagung „Wege in derLandschaft – Feld- und Wegraine erhaltenund wiederbeleben“ vom 28. bis zum 29.August in Lengerich wird den Ursachenauf den Grund gehen, aber ein Haupt-augenmerk darauf legen, wie Feld- undWegraine auch in Zeiten knapper Kassenwiederbelebt werden können. Expertinnenund Experten berichten aus der Praxis und

Veranstaltungshinweise

Schon 10 Jahre gibt es den ersten Nationalpark in NRW. Die beliebten Rangertouren erfreuen sich seitdem regerNachfrage. Foto: G. Hein

Weg- und Feldraine bieten Lebensraum fürPflanzen- und Tierarten, die häufig auflandwirtschaftlichen Flächen ansonstenkeinen Raum mehr haben. Foto: G. Hein

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diskutieren verschiedene Maßnahmen. Amzweiten Tag bringen die Teilnehmendenihr Wissen selbst mit ein, in einem Work-shop werden neue Ideen und Strategien zurRevitalisierung der Feld- und Wegrainegesammelt. Am Nachmittag führt eine Exkursion zu bereits erfolgreichen Maß-nahmen. Ausrichter der Tagung sind NUA,LANUV und MKULNV NRW.Weitere Informationen und Anmeldung:NUA-Tagungshaus, Siemensstraße 5,45659 Recklinghausen, Tel. 02361/305-0,[email protected], www.nua.nrw.de.Teilnahmegebühr: 70 € inkl. Verpflegung.

Städtische Böden imKlimaschutz in NRWStädtische Böden können durch ihre Funk-tion als Kohlenstoffspeicher und ihreKühlfunktion für die bodennahen Luft-schichten dem Klimawandel entgegen-wirken. Viele Eingriffe in den Boden, ins-besondere bei Baumaßnahmen, haben inder Vergangenheit zu einer Verringerungder Klimafunktion städtischer Böden ge-führt. Die Klimafunktion großer Gebiete inNRW ist daher bereits stark herabgesetzt.Sehr deutlich zeigt sich das bei der zu-nehmenden Ausbildung städtischer Wärme-inseln.Böden sind beispielsweise in der Lage, ge-speichertes Wasser nach und nach abzu-geben und so die Lufttemperatur zu senkenund das Stadtklima zu regulieren. EineBerücksichtigung der Klimafunktionendes Bodens in den Planungsprozessen bie-tet daher auch den Kommunen vielfältigeMöglichkeiten zum Klimaschutz und zurAnpassung an den Klimawandel.Die Veranstaltung „Städtische Böden imKlimaschutz in NRW“, die die NUA in Zusammenarbeit mit dem LANUV NRWam 25. September in Recklinghausendurchführt, richtet sich an Vertreterinnenund Vertreter von Kommunalverwaltungund -politik, der Umwelt- und Natur-schutzverbände sowie Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter von Architekten- undPlanerbüros.Weitere Informationen und Anmeldung:NUA-Tagungshaus, Siemensstraße 5,45659 Recklinghausen, Tel. 02361/305-0,[email protected], www.nua.nrw.de.Teilnahmegebühr: 35 € inkl. Verpflegung.

Klimaschutz undNahmobilitätSchädliche Klimagase entstehen vor allembei der Verbrennung fossiler Energieträgerwie etwa in den Verbrennungsmotoren unserer Fahrzeuge. Nach Berechnungen(Stand 2009) des LANUV NRW ist der

Straßenverkehr mit einer Emission vonknapp 32 Millionen Tonnen CO2 eq. an derGesamtsumme der schädlichen Klimagasebeteiligt.Da steht der Straßenverkehr im Mittel-punkt einer effektiven Klimaschutzpolitikin NRW. Es geht darum, Verkehr zu ver-meiden, zu verlagern und zu verbessern.Daher gilt es, die Rollen von Bahn, Bus,Auto, Fahrrad und anderer Formen derFortbewegung hinsichtlich ihrer Effizienz,ihrer städtebaulichen und ökologischenVerträglichkeit sowie im Hinblick auf die private und gesellschaftliche Kosten-verteilung zu überdenken.In dem Workshop „Klimaschutz undNahmobilität“, den die NUA am 18. Sep-tember 2014 in Recklinghausen durch-führt, sollen mögliche Wege zu einer um-weltverträglichen Nahmobilität aufgezeigtund diskutiert sowie Beispiele für ein neues Denken im Bereich der Nahmobi-lität vorgestellt werden. Zielgruppe derVeranstaltung sind die Vertreterinnen undVertreter von Kommunalverwaltung und -politik, Stadt-, Verkehrsplanungs- und Architektenbüros sowie Vertreterinnenund Vertreter der Natur- und Umwelt-schutzverbände.Weitere Informationen und Anmeldung:NUA-Tagungshaus, Siemensstraße 5,45659 Recklinghausen, Tel. 02361/305-0,[email protected], www.nua.nrw.de.Teilnahmegebühr: 35 € inkl. Verpflegung.

Fahrrad-Exkursion im MünsterlandDie Landwirtschaft im Münsterland zeich-net sich durch einen hohen Grad an Hete-rogenität aus: Einerseits gibt es malerischeLandschaften, Streuobstwiesen, Wälder undidyllische Höfe; andererseits wurden anvielen Orten Gärbehälter für Biogas-anlagen und große Hallen zur Masthaltungerrichtet.Eine Fahrrad-Exkursion des BUND NRWbietet den Teilnehmern vom 23. bis zum24. August die Gelegenheit, Interessantesüber die Folgen und Ursachen der Intensiv-landwirtschaft, der Tierhaltung und desMaisanbaus zu erfahren. Darüber hinaussollen auch brisante Thematiken, wie dieGentechnik oder die Biogasanlagen ange-sprochen werden. Ebenfalls werden denTeilnehmern wichtige organisatorischeHilfestellungen und Tipps zur Umsetzungeigener Exkursionen mit auf den Weg gegeben. Die Veranstaltung richtet sich analle, die das Münsterland und die Land-wirtschaft mit Exkursionen kennenlernenund näher erkunden möchten.Anmeldung und Information: Bildungs-offensive BUND NRW Paradieser Weg 19,59494 Soest, Tel. 02921/346943, E-Mail:[email protected].

Umweltbildung in IndustriebrachenIm Ruhrgebiet kann man noch immer die Relikte der Kohle- und Stahlindustriesehen. Einst galten sie als entscheidenderKonjunkturmotor und boten tausendenMenschen Arbeitsplätze und Wohlstand.Doch die Natur erobert sich ihren Lebens-raum zurück. Dieses Erbe ist als außer-schulischer Lernort für Schulklassen undGanztagsschulen geeignet und stellt einspannendes Exkursionsziel für Freizeit-gruppen dar. Kinder und Jugendliche er-leben den Artenreichtum in verschiede-nen Lebensräumen und werden mit Naturkenntnissen aus ihrem näheren Um-feld vertraut gemacht. Darüber hinaus werden soziale Fähigkeiten entwickelt undder naturwissenschaftliche Entdeckergeistgefördert.Die Multiplikatorenfortbildung – Methodenund Möglichkeiten von Umweltbildungauf Industriebrachen, die RegionalverbandRuhr (RVR), die Biologische Station West-liches Ruhrgebiet (BSWR) und die NUAam 6. September 2014 anbieten, richtetsich an Lehrkräfte, Erzieherinnen, Natur-guides sowie an Leiterinnen von Exkur-sionen und Jugendgruppen. Diese sollen dazu motiviert werden, Industriebrachenals Ort von Umweltbildung fachkompetentzu nutzen.Nachdem den Teilnehmern zunächst theoretische Grundlagen zur Industrie-natur vermittelt werden, ist es vorgesehen,den Gleispark Frintrop und die BracheVondern praxisnah zu erkunden sowie um-weltpädagogische Potenziale aufzuzeigen.Anmeldung und weitere Informationen:Biologische Station Westliches Ruhrge-biet, Ripshorster Str. 306, 46117 Oberhau-sen, Tel. 0208/46 86 09-0, E-Mail: [email protected]: 35 €, inklusive Material-mappe „IndustrieNatur“.

Veranstaltungshinweise

Die Natur erobert sich auf vielen Industrie-brachen im Ruhrgebiet ihren Lebensraumzurück. Foto: M. Graner

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Vielfalt im FreilichtmuseumDas LWL-Freilichtmuseum Detmold öffnetam 6. und 7. September für alle Genießervon gesundem Essen, blühenden Gärtenund für alle diejenigen seine Pforten, diesich für Themen der biologischen Vielfaltbegeistern können.Dabei haben die Besucher an diesem Wochenende die Gelegenheit, an ver-schiedenen Ständen Leckereien zu kostensowie Praxistipps über den Aufbau und diePflege von Naturgärten zu erfahren. DieAussteller werden neben ökologischen Lebensmitteln auch Gartenschmuck undandere Accessoires für alle Interessiertenmit einem grünen Daumen anbieten. In denhistorischen Museumsküchen wird mansich über Themen wie der Vorratshaltungvon Lebensmitteln informieren können.Außerdem bietet eine Pflanzentauschbörseallen Hobbygärtnern die Möglichkeit zumAustausch von Setzlingen an.Nähere Informationen in Kürze unter:www.lwl.org/LWL/Kultur/LWL-Freilicht-museum-Detmold/aktuelles/freilichtgenuss/

Wasserrahmenrichtlinieund Natura 2000Fließgewässer in einen guten ökologischenZustand zu entwickeln ist Ziel der euro-päischen Wasserrahmenrichtlinie. Damitwird zugleich auch zum Natur- und Arten-schutz in den Flußauen beigetragen. Dennnatürliche Lebensgemeinschaften der Fließ-gewässer und Auen profitieren von einernaturnahen Entwicklung. Die Förderungvon natürlicher Flussdynamik erfordertaber auch Abstimmung mit den Natur-schutzzielen, wenn die Aue oder Teileschon als FFH-Gebiet geschützt sind. Altarme können sich zu wertvollen Still-gewässerhabitaten entwickeln. Ein Zulas-sen von mehr Dynamik könnte den FFH-

Gebietsschutz infrage stellen. Hier bestehtDiskussions- und Abstimmungsbedarfzwischen Natur- und Gewässerschutz. DieTagung von NUA, LANUV, MKULNVund Wassernetz NRW mit dem Titel „Wasserwirtschaft und Naturschutz – Wasserrahmenrichtlinie und Natura 2000“thematisiert dieses Spannungsfeld undzeigt Lösungsmöglichkeiten anhand vonPraxisbeispielen auf. Die Tagung findet am18. September 2014 in Recklinghausenstatt. Die Teilnahmegebühr beträgt 35 €inkl. Verpflegung.Weitere Informationen und Anmeldung:NUA-Tagungshaus, Siemensstraße 5,45659 Recklinghausen, Tel. 02361/305-0,[email protected], www.nua.nrw.de.

Gewässerschutz aufkommunaler EbeneDie seit Dezember 2000 gültige EU-Was-serrahmenrichtlinie hat ambitionierte Um-weltziele für den Schutz des Grundwassersund der Oberflächengewässer aufgestellt.Als Hauptziel wird ein guter Zustand vonFlüssen, Seen, Küstengewässern und demGrundwasser bis zum Jahr 2027 ange-strebt. Auf der Tagung der NUA NRW„Gewässerschutz – erfolgreich in der Gemeinde, so geht’s!“ am Dienstag, dem26. August 2014, werden Planungs- undUmsetzungsschritte an Fließgewässernerörtert, die von Gemeinden zu beachtenund zu verwirklichen sind. Im Rahmen einer Exkursion sollen vor Ort Maß-nahmen besichtigt werden, die bereits zurErreichung eines guten ökologischen Zustandes auf lokaler Ebene umgesetztworden sind.Weitere Informationen und Anmeldung:NUA-Tagungshaus, Siemensstraße 5,45659 Recklinghausen, Tel. 02361/305-0,[email protected], www.nua.nrw.de.Teilnahmegebühr: 35 € inkl. Verpfle-gung.

Pilze in der UmweltbildungPilze erscheinen im öffentlichen Bewusst-sein meist nur als Speise- und Schimmel-pilze. Beim näheren Hinsehen eröffnetsich dem Betrachter eine faszinierende Fadenwelt. Obwohl Pilze ein dankbaresThema für die Umweltbildung im Waldsind, trauen sich immer noch zu wenigeUmweltbildner an diese Thematik heran.Das von der NUA und der BiologischenStation Oberberg ausgerichtete Seminar„Pilze – Ökologie und Vielfalt“ bietet alleninteressierten Natur- und Landschaftsfüh-rerinnen die Möglichkeit, sich im Rahmeneiner vom BANU anerkannten Fortbil-dung im Themenbereich der wunderbaren

Welt der Pilze fortzubilden. Wie kann dasThema „Pilze“ interessant vermittelt wer-den und welche Besonderheiten sind imReich der Pilze zu beachten? Diese undweitere Fragen sollen anhand von kon-kreten Praxistipps rund um Korallen,Schwämme und Niedlinge am Freitag,dem 26. September 2014, in Warburg be-antwortet werden.Weitere Informationen und Anmeldung:NUA-Tagungshaus, Siemensstraße 5,45659 Recklinghausen, Tel. 02361/305-0,[email protected], www.nua.nrw.de.Teilnahmegebühr: 20 €.

Tiere an GebäudenMieter und Hauseigentümer ahnen seltenvon der Vielfalt der Gäste, die in ihrenHäusern Unterschlupf finden. Von derMehlschwalbe bis zur Zwergfledermausnutzen sie oft kleinste Nischen und Spaltenals Brut- oder Überwinterungsplatz. Leiderwird den Tieren diese Unauffälligkeit häufig zum Verhängnis, da sie als unbe-kannte Untermieter bei Sanierungsarbeitennicht in die Planung mit einbezogen wer-den und folglich einen Verlust ihrer Nist-stätten erleiden. Die Veranstaltung „Tieream Gebäude“, die am 5. September 2014in Recklinghausen angeboten wird, greiftdiese Problematik nun das dritte Jahr inFolge auf. Mit der Veranstaltung wird auch das Projekt „Artenschutz am NUA-Gebäude“ vorgestellt, an dem exempla-risch verschiedene Nisthilfen für Fleder-mäuse und Vögel angebracht wurden.Weitere Informationen und Anmeldung:NUA-Tagungshaus, Siemensstraße 5,45659 Recklinghausen, Tel. 02361/305-0,[email protected], www.nua.nrw.de.Teilnahmegebühr: 35 € inkl. Verpflegung.

Wilde Wochen im FichtelgebirgeNach der erfolgreichen Premiere im letztenJahr finden die „Wilden Wochen“ im Fichtelgebirge 2014 vom 27. Septemberbis zum 2. November statt. Mit dem abwechslungsreichen Programm kosten Besucher nicht nur die vielseitigen Kräuter-Kreationen der Wildkräuter-Köchedes „Essbaren Fichtelgebirges“, sondernerleben auch die ursprüngliche Mittel-gebirgslandschaft aktiv und hautnah. Soentdecken sie etwa im Naturpark Fichtel-gebirge die herbstlichen Schätze des Wal-des und gehen im neuen Wildgehege oderGreifvogelpark der Region mit den Tierenauf direkte Tuchfühlung.Nähere Informationen bei der Tourismus-zentrale Fichtelgebirge e.V. unter 09272/96903-0 oder auf www.tz-fichtelgebirge.de.Weitere News, Bilder und Videos auf Facebook und Twitter.

Veranstaltungshinweise

Auen, Orte der Vielfalt und wirksamerHochwasserschutz. Im Bild die Möhneaueoberhalb des Möhnesees.

Foto: A. Niemeyer-Lüllwitz

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13Natur in NRW 2/14

Zustand der Natur

bestimmte Lebensraumtypen und Arten,für deren Fortbestand nur in Europa Sorgegetragen werden kann, „Gebiete von ge-meinschaftlicher Bedeutung“ aus, die so-genannten FFH-Gebiete. Der Zustand derFFH-Lebensraumtypen und Arten wird imFFH-Bericht zusammengefasst über alleVorkommen innerhalb und außerhalb vonFFH-Gebieten beurteilt. Differenziert wird dabei nach den Vorgaben der EU zwi-schen der atlantischen biogeographischenRegion (Tiefland) und der kontinentalenRegion (Bergland).

Datengrundlagen

Auf Bundes- und auf Landesebene wurdeerstmals ein stichprobenbasiertes Biotop-beziehungsweise Artenmonitoring ange-wendet. Um landesspezifische Aussagenzu ermöglichen, wurde das Stichproben-netz in NRW weiter verdichtet. Für beson-

ders seltene Arten und Lebensraumtypenerfolgte ein Totalzensus. Die Erhebungenauf den Monitoringflächen wurden zumüberwiegenden Teil von den BiologischenStationen in NRW durchgeführt. Insbeson-dere Spezialkartierungen schwierig zu er-fassender Arten wurden durch Experten imAuftrag des LANUV bearbeitet. Währendim FFH-Bericht 2007 die qualitative Aus-prägung von Vorkommen nur innerhalbvon FFH-Gebieten dokumentiert werdenkonnten, wurden gemäß den Anforderun-gen der EU in der Berichtsperiode 2007 bis2012 auch Vorkommen außerhalb derFFH-Gebietskulisse einbezogen. Bei denLebensraumtypen erfolgte die Bewertungder Parameter „Verbreitung“ und „Fläche“auf Basis des Biotopkatasters unter Einbe-ziehung des Biotopmonitorings und derÖkologischen Flächenstichprobe NRW.Die Beurteilung der „Strukturen und Funk-tionen“ erfolgte erstmals auf der Grund-

Alle EU-Staaten sind nach Art. 17der Richtlinie zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der

wildlebenden Tiere und Pflanzen (Fauna-Flora-Habitatrichtlinie = FFH-Richtlinie)verpflichtet, alle sechs Jahre über den Erhaltungszustand der besonders schutz-bedürftigen Arten und Lebensräume zu be-richten. Dem ist das Bundesumweltminis-terium mit Übermittlung des deutschenGesamtberichtes für den Berichtszeitraum2007 bis 2012 an die EU-Kommission imNovember 2013 nachgekommen.

Ziel ist der „günstige Erhaltungszustand“

Die Fauna-Flora-Habitatrichtlinie gehörtzu den wichtigsten Beiträgen der EU zumErhalt der Biologischen Vielfalt und deseuropäischen Naturerbes. Ihr Ziel ist es,den sogenannten günstigen Erhaltungs-zustand der in den Anhängen der Richtlinieenthaltenen Arten und Lebensraumtypenzu bewahren oder wiederherzustellen. Dieser liegt dann vor, wenn eine Art oderein Lebensraumtyp ungefährdet ist – so-wohl hinsichtlich der Verbreitung, demUmfang wie auch der qualitativen Ausprä-gung der Vorkommen – und dies voraus-sichtlich auch in Zukunft sein wird. DerErhaltungszustand der einzelnen Arten be-ziehungsweise Lebensraumtypen wird imFFH-Bericht in drei Stufen bewertet:l günstig (grün), l unzureichend (gelb) und l schlecht (rot)(vgl. SCHLÜTER, KIEL 2008). Die Einstu-fung erfolgt anhand von je vier Para-metern: Verbreitung, Fläche, Strukturenund Funktionen, Zukunftsaussichten beiden Lebensräumen sowie Verbreitung, Population, Habitatqualität und Zukunfts-aussichten bei den Arten. Ein wichtiges Instrument zur Umsetzungder FFH-Richtlinie ist die Ausweisung vonSchutzgebieten. Jedes EU-Land weist für

Ralf Schlüter, Matthias Kaiser, Thomas Schiffgens, Jutta Werking-Radtke

Wie geht es der Natur? Zustand deseuropäischen Naturerbes in NRWIm November 2013 hat das Bundesumweltministerium den aktuellen FFH-Gesamtbericht für Deutschland an die EU-Kommission übermittelt. Damit liegt nun der zweite Gesamtbericht für Deutsch-land (Berichtsperiode 2007 bis 2012) vor, der sich aus den Teilbeiträgen der Länder zusammensetzt. Die Erhebung und Bewertung wichtiger Parameter erfolgte dabei erstmals auf der Basis eines länderübergreifenden, stichprobenbasierten Monitorings. Den Teilbeitrag für Nordrhein-Westfalen mit 78 Arten und 44 Lebensraumtypen hat das LANUV erarbeitet. Zugleich liegt damit ein Bericht vor,der wie ein Barometer widerspiegelt, in welchem Zustand sich die Natur in NRW befindet.

Erfolg des Naturschutzes: Blütenreiche Kalkmagerrasen im Bergland befinden sich in einem guten Erhaltungszustand. Foto: T. Schiffgens

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14 Natur in NRW 2/14

Zustand der Naturlage der Ergebnisse des Biotopmonitoringsund der Ökologischen Flächenstichprobe.Die Ergebnisse des FFH-Berichtsent-wurfs für Nordrhein-Westfalen wurden imHerbst 2012 in mehreren Expertenrundenunter Teilnahme von Vertretern der Bio-logischen Stationen, des LandesbetriebsWald und Holz, der Naturschutzverbändeund der Wissenschaft validiert. Am 21. Februar 2013 wurden die Ergebnissedes Berichtsentwurfs unter Leitung desNRW-Umweltministeriums Vertretern derVerbände, Naturschutzbehörden und denNatura 2000-Vertragspartnern des Landesvorgestellt. Das MKULNV hat den Berichtfür NRW am 26. März 2014 veröffentlicht(MKULNV 2014). Alle Ergebnisse desFFH-Berichts sind unter www.naturschutzinformationen-nrw.de/ffh-bericht-2013 im Fachinformationssystem des LANUV verfügbar. Die Ergebnisse desFFH-Berichtes für Deutschland wurdenvom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau- und Reaktorsicherheitveröffentlicht (BMUB 2014).

Situation der Lebensraumtypen

Insgesamt kommen in NRW 44 Lebens-raumtypen vor (34 atlantisch, 38 konti-nental) (Abb. 1). Es besteht ein deutlicher Unterschied zwischen dem Erhaltungs-zustand der Lebensraumtypen im atlanti-schen Tiefland (mit Niederrheinischer/mBucht/Tiefland und Westfälischer/Bucht/Tiefland) und im kontinentalen Bergland(mit Eifel, Sauer- und Siegerland, Bergi-schem Land und Weserbergland). Im atlantischen Tiefland ergab die Bewer-tung für ein gutes Fünftel (21%) einengünstigen, für knapp ein Fünftel (18 %) einen unzureichenden und für drei Fünftel(59 %) einen schlechten Erhaltungszu-stand.In einem schlechten Erhaltungszustand be-finden sich dabei häufig nährstoffarmeStillgewässer, Moore, Grünlandlebens-

räume sowie Hartholzauenwälder. Bei-spiele für einen unzureichenden Erhal-tungszustand sind die Eichenmisch- be-ziehungsweise Buchenwälder nasser odernährstoffarmer Standorte, nährstoffreicheStillgewässer und naturnahe Fließ-gewässer. In einem günstigen Erhaltungs-zustand befinden sich insbesondere Wald-meister-Buchenwälder sowie die Trocken-und Wacholderheiden.

Im kontinentalen Bergland sieht die Situa-tion deutlich besser aus. Hier sind zweiDrittel (66 %) der Lebensraumtypen in einem günstigen Erhaltungszustand, wäh-rend weniger als ein Zehntel (8 %) als un-zureichend sowie ein Viertel (24 %) alsschlecht bewertet wurden. Günstig ist derZustand fast aller Lebensraumtypen derWälder, Felsen, Fließgewässer und Heidensowie von Kalkmager- und Borstgras-

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ATL 2013 KONT 2013

unbekannt schlechtunzureichend günstig

Abb. 1: Erhaltungszustand der Lebens-raumtypen in NRW 2013 (ATL = atlan-tisch, KONT = kontinental)

LebensraumtypNRW

atlantisch

NRW

kontinental

Lebensraum-Name (* prioritärer LR) LR-Typ 2007 2013 2007 2013

Salzwiesen* 1340* U U S S

Sandheiden mit Calluna und Genista auf Binnendünen 2310 G UO

Offene Grasfl. mit Corynephorus und Agrostis auf Binnendü. 2330 G SO G G

Oligotrophe Gewässer 3110 S S

Nährstoffärmere basenarme Stillgewässer 3130 S S

Oligo- bis mesotr. kalkhaltige Gewässer 3140 G G

Eutrophe Gewässer 3150 U SO S S

Dystrophe Gewässer 3160 G G G SO

Fließgewässer mit Unterwasservegetation 3260 U U G G

Schlammige Flussufer mit Chenopodion/Bidention 3270 G SO G G

Feuchtheiden 4010 G S– G G

Trockene Heiden 4030 G G G G

Wacholderheiden 5130 G G G G

Lückige Kalk-Pionierrasen* 6110* G S– S G1

Schwermetallrasen 6130 G U–

Kalkhalbtrockenrasen* 6210* S S G G

Borstgrasrasen 6230 S S G G

Pfeifengraswiesen 6410 S S S S

Feuchte Hochstaudenfluren 6430 XX XX XX XX

Magere Flachlandmähwiesen 6510 S S U S–

Artenreiche Bergmähwiesen 6520 U S–

Naturnahe lebende Hochmoore* 7110* S S S S

Geschädigte Hochmoore 7120 S S S S

Übergangs- und Schwingrasenmoore 7140 S S G G

Senken mit Torfmoorsubstraten 7150 S GO S G1

Kalkreiche Sümpfe mit Cladium mariscus u. Carex davalliana 7210* S S

Kalktuffquellen* 7220* S GO G G

Kalkreiche Niedermoore 7230 S S U U

Silikatschutthalden des Hügel- u. des Berglandes 8150 G G

Kalkschutthalden des Hügel- u. des Berglandes* 8160* G G

Natürliche u. naturnahe Kalkfelsen u. ihre Felsspaltenveg. 8210 G G

Natürliche u. naturnahe Silikatfelsen u. ihre Felsspaltenveg. 8220 G G

Silikatfelskuppen mit ihrer Pioniervegetation 8230 G G

Nicht touristisch erschlossene Höhlen 8310 G G

Hainsimsen-Buchenwald 9110 G UO G G

Waldmeister-Buchenwald 9130 G G G G

Orchideen-Buchenwald 9150 S U+ G G

Sternmieren-Stieleichen-Hainbuchenwald 9160 U U G G

Labkraut-Eichen-Hainbuchenwald 9170 S G1

Schlucht- und Hangmischwald* 9180* G G

alter bodensaurer Eichenwald der Sandebene 9190 U SO G SO

Moorwälder* 91D0* S S G U–

Erlen- und Eschenwälder u.Weichholzauenw. an Fließgew.* 91E0* U SO G G

Eichen-Ulmen-Eschen-Mischwälder 91F0 S S

Tab. 1: Gesamtbewertung Erhaltungszustand der Anhang I – Lebensraumtypen. G (grün)= günstiger Erhaltungszustand, U (gelb)= unzureichender Erhaltungszustand, S (rot)=schlechter Erhaltungszustand, kein Eintrag = LRT fehlt in atlantischem bzw. kontinen-talem NRW, XX = Datenlage unzureichend, O = verbesserte Daten, keine tatsächliche Änderung zu 2007, – = tatsächliche Verschlechterung zu 2007

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15Natur in NRW 2/14

Zustand der Naturrasen. Die mit „unzureichend“ bewerte-ten Moorwälder, Schwermetallrasen undKalkflachmoore sind Lebensraumtypender kleinflächigen Sonderstandorte. Diesgilt auch für die als schlecht bewerte-ten Lebensraumtypen wie Hochmoore,Pfeifengraswiesen und Binnensalzwiesen.Ebenfalls schlecht bewertet wurden dieFlachland- und Bergmähwiesen, die in allerdings deutlich höherem Flächen-umfang vorkommen. Einen Überblicküber die Einzelbewertungen gibt Tabelle 1.Aufgrund der verbesserten Datenlage er-geben sich in einigen Fällen abweichendeEinstufungen gegenüber 2007, die metho-disch bedingt sind und keine Änderung des realen Erhaltungszustandes darstellen.Dies betrifft zehn Lebensraumtypen in deratlantischen und fünf in der kontinentalenRegion.Bei sechs Lebensraumtypen haben sichreale Verschlechterungen ergeben. Beson-ders hervorzuheben sind aufgrund ihresgroßflächigen Vorkommens die Flachland-und Bergmähwiesen in der kontinentalenRegion (Bergland), deren Erhaltungszu-stand sich durch die auch im Bergland zu-nehmende Intensivierung der Grünland-nutzung verschlechtert hat.Weitere Verschlechterungen zeigen sichbei Lebensraumtypen auf Sonderstand-orten. Dazu zählen die Feuchtheiden imFlachland, bei denen insbesondere klein-flächige Vorkommen auf Sandstandortenzurückgegangen sind. Schwermetallrasensind in wenigen Vorkommen von Gehölz-sukzession betroffen, und die damit ver-bundenen Flächenverluste führten zur Ab-wertung. Bei Moorwäldern im Berglandhaben stellenweise lebensraumuntypischeGehölze und Grasbestände zugenommen.Vereinzelt haben sich Lebensraumtypenwie naturnahe Fließgewässer mit Unter-wasservegetation etwas verbessert. Diesreicht allerdings im Umfang nicht aus, um die Schwelle zu einem besseren Er-haltungszustand zu überschreiten.

Situation der Wiesen-Lebensräume

Artenreiche Wiesen prägten ehemals dasBild der Flussniederungen des Flachlandssowie großer Teile des Hügel- und Berg-lands. Wiesenmargerite, Wiesen-Pippauund Wiesen-Flockenblume sind hier typi-sche Pflanzenarten. Beispiele für typischeTierarten sind Wiesenpieper und Wiesen-knopf-Ameisenbläuling. Diese auf nichtzu hohe Düngung und zweimalige Mahdangewiesenen Wiesen gehören zu den ar-tenreichsten Lebensräumen. Der Erhal-tungszustand der Flachland- und Berg-mähwiesen ist inzwischen als schlecht ein-gestuft, da sowohl der Flächenumfang alsauch der Artenreichtum deutlich zurückge-gangen sind. Ursachen sind insbesonderedie erhöhte Düngung und zu hohe Schnitt-häufigkeit. Viele buntblühende Arten derWiesen werden dadurch von wenigen

nährstoffliebenden Grasarten verdrängt.Der Intensivierungstrend wurde durch dengestiegenen Energiepflanzenanbau weiterverstärkt. Hinzu kommen Verluste durchdie Umwandlung in Äcker und die Inan-spruchnahme für Siedlungs-, Gewerbe-und Verkehrsflächen. Die Förderung derextensiven Wiesennutzung im Rahmen des

Vertragsnaturschutzes in den letzten Jahr-zehnten konnte diesen Prozess verlangsa-men aber nicht stoppen. Die vorhandenenVorkommen müssen daher erhalten undverbessert sowie verlorene Flächenanteilewiederhergestellt werden, um eine Verbes-serung des Erhaltungszustandes zu errei-chen.

Tab. 2a: Gesamtbewertung Erhaltungszustand der Anhang II, IV und V – Arten. G (grün)= günstiger Erhaltungszustand, U (gelb)= unzureichender Erhaltungszustand, S (rot) =schlechter Erhaltungszustand, XX = Datenlage unzureichend, n.b. = nicht bewertet, O = verbesserte Daten, keine tatsächliche Änderung zu 2007, – = tatsächliche Ver-schlechterung zu 2007

Arten NRW atlantisch NRW kontinental Bund

Artname (* prioritäre Arten) 2007 2013 2007 2013 atlant. kont.

Säugetiere

Baummarder (Martes martes) U U U U G G

Bechsteinfledermaus (Myotis bechsteinii) S S S S S U

Braunes Langohr (Plecotus auritus) G G G G G G

Breitflügelfledermaus (Eptesicus serotinus) G G G G U U

Europäischer Biber (Castor fiber) G G G G G G

Feldhamster (Cricetus cricetus) S S – – S S

Fischotter (Lutra lutra) – S – – U U

Fransenfledermaus (Myotis naterreri) G G G G G G

Graues Langohr (Plecotus austriacus) S S S S U G

Große Bartfledermaus (Myotis brandtii) U U U U U U

Großer Abendsegler (Nyctalus noctula) G G U G ¹ G U

Großes Mausohr (Myotis myotis) U U U U U G

Haselmaus (Muscardinus avellanarius) G G G G XX U

Iltis (Mustela putorius) G G G G U U

Kleine Bartfledermaus (Myotis mystacinus) G G G G U G

Kleiner Abendsegler (Nyctalus leisleri) U U U U U U

Luchs (Lynx lynx) – – – S – S

Mopsfledermaus (Barbastella barbastellus) S S S S S U

Mückenfledermaus (Pipistrellus pygmaeus) XX U XX U XX U

Nordfledermaus (Eptesicus nilsoni) – – S S XX U

Rauhhautfledermaus (Pipstrellus nathusii) G G G G G U

Teichfledermaus (Myotis dasycneme) G G G G U U

Wasserfledermaus (Myotis daubentoni) G G G G G G

Wildkatze (Felis silvestris) – – U U S U

Wimperfledermaus (Myotis emarginatus) S S S S S U

Zweifarbfledermaus (Vespertilio murinus) G G G G XX XX

Zwergfledermaus (Pipistrellus pipistrellus) G G G G G G

Amphibien

Geburtshelferkröte (Alytes obstetricans) U S¯ U S¯ S S

Gelbbauchunke (Bombina variegata) S S S S S S

Grasfrosch (Rana temporaria) G G G G U G

Kammmolch (Triturus cristatus) G G U U U U

Kleiner Wasserfrosch (Rana lessonae) G G G G XX XX

Knoblauchkröte (Pelobates fuscus) S S S S S U

Kreuzkröte (Bufo calamita) U U U U U U

Laubfrosch (Hyla arborea) U U U U U U

Moorfrosch (Rana arvalis) U G ¹ U G O U U

Seefrosch (Rana ridibunda) G G G G U G

Springfrosch (Rana dalmatina) G G G G G G

Teichfrosch (Rana kl. esculenta) G G G G G G

Wechselkröte (Bufo viridis) U U – U S S

Reptilien

Mauereidechse (Podarcis muralis) U U U U U G

Schlingnatter (Coronella austriaca) U U U U U U

Zauneidechse (Lacerta agilis) G G G G U U

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Zustand der Natur

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NRW ATL NRW KON

unbekannt schlecht

unzureichend günstig

Sammelbericht abgegeben wird. Aus die-sem lassen sich keine landesspezifischenAussagen ableiten.Für die 78 bewerteten Arten (Abb. 2) zei-gen sich insgesamt wenige Unterschiedezwischen deren Erhaltungszustand imTiefland und im Bergland. In beiden bio-geographischen Regionen umfassen so-wohl die Arten mit günstigem als auch mit schlechtem Erhaltungszustand etwa 40Prozent der Gesamtmenge, die restlichen20 Prozent der Arten befinden sich in einem unzureichenden Erhaltungszustand.Bei artengruppenspezifischer Betrachtunglässt sich feststellen, dass unter den Artender Anhänge II und IV der FFH-Richtliniedie Weichtiere und Krebse sowie die Farn-und Blütenpflanzen und Moose insgesamteinen sehr hohen Anteil an Arten in einemschlechten Erhaltungszustand aufweisen.In allen anderen Gruppen finden sich ver-mehrt auch Arten mit unzureichendemoder günstigem Erhaltungszustand.In einem schlechten Erhaltungszustand be-finden sich vor allem Arten, die auf exten-siv genutzte Grünlandflächen angewiesensind. Mit dem Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling (Maculinea nausithous),dem Großen Moorbläuling (Maculinea teleius), dem Schwarzfleckigen Feuerfal-ter (Maculinea arion), dem Blauschillern-den Feuerfalter (Lycaena helle) und demSkabiosen-Scheckenfalter (Euphydryasaurinia) fallen die Tagfalter besonders beidieser Gruppe auf. Dieses Ergebnis ent-spricht den Befunden der entsprechendenLebensraumtypen (Flachland- und Berg-mähwiesen).Methodisch bedingt bessere Einstufungenergeben sich bei dem Großen Abendseglersowie beim Moorfrosch. Bei diesen Artenhaben sich die Erfassungs- und Nachweis-methoden technisch weiterentwickelt. Dieverbesserte Datenlage hatte Einfluss aufdie Einstufung in einen günstigeren Erhal-tungszustand. Leichte Verbesserungen, zu-mindest im Trend für die zukünftige Ent-

Tab. 2b: Erläuterungen siehe Tab. 2a

Situation der Arten

Insgesamt wurden in NRW 78 Arten derAnhänge II, IV und V der FFH-Richtliniebewertet (Tab. 2 a und b). Für die arten-

reichen Artengruppen des Anhangs V(Flechten, Moose, Bärlappe) wurde keinelandesweite Bewertung vorgenommen.Hierzu wurde auf Bundesebene vereinbart,dass für Deutschland insgesamt nur ein

Abb. 2: Erhaltungszustand der Arten inNRW 2013 (ATL = atlantisch, KON = kon-tinental)

Arten NRW atlantisch NRW kontinental Bund

Artname (* prioritäre Arten) 2007 2013 2007 2013 atlant. kont.

Weichtiere und Krebse

Bauchige Windelschnecke (Vertigo moulinisiana) S S S S S G

Edelkrebs (Astacus astacus) U U U U S S

Flussperlmuschel (Margaritifera margaritifera) – – S S S S

Gemeine Flussmuschel (Unio crassus) S S – – S S

Schmale Windelschnecke (Vertigo angustior) S S S S XX U

Steinkrebs (Austropotamobius torrentium) – – S S – S

Weinbergschnecke (Helix pomatia) G G G G G G

Zierliche Tellerschnecke (Anisus vorticulus) S S – – S –

Schmetterlinge

Blauschillernder Feuerfalter (Lycaena helle) – – U S¯ – S

Dunkl. Wiesenknopf-Ameisenbläuling (Maculinean ausithous)

S S U S¯ S U

Großer Moorbläuling (Maculinea teleius) – – S S – U

Nachtkerzen-Schwärmer (Proserpinus proserpina) G G G G XX XX

Schwarzfleckiger Feuerfalter (Maculinea arion) – – S S – S

Skabiosen-Scheckenfalter (Euphydryas aurinia) – – S S – S

Spanische Flagge (Euplagia quadripunctaria) G G G G G G

Käfer

Großer Eichenbock (Cerambyx cerdo) S S – – S S

Gruben-Großlaufkäfer (Carabus (variolosus) nodulosus) n.b. – n.b. S – S

Hirschkäfer (Lucanus cervus) U U U U U G

Eremit (Osmoderma eremita) S S S S S U

Libellen

Asiatische Keiljungfer (Gomphus flavipes) G G XX XX G U

Große Moosjungfer (Leucorrhinia pectoralis) U U XX XX U U

Grüne Keiljungfer (Ophiogomphus caecilia) n.b. S n.b. S U G

Helm-Azurjungfer (Coenagrion mercuriale) G G – G U U

Vogel-Azurjungfer (Coenagrion ornatum) S S – – S U

Zierliche Moosjungfer (Leucorrhinia caudalis) n.b. S n.b. – XX U

Farn- und Blütenpflanzen und Moose

Arnika (Arnica montana) S S G G S U

Einfache Mondraute (Botrychium simplex) S S – – S –

Firnisglänzendes Sichelmoos (Hamatocaulis vernicosus) n.b. S n.b. – S S

Frauenschuh (Cypripedium calceolus) S S S S S U

Froschkraut (Luronium natans) S S S S S S

Glanzstendel (Liparis loeselii) S S S S S U

Grosssporiges Goldhaarmoos (Orthotrichum rogeri) – S – – S G

Haar-Klauenmoos (Dichelyma capillaceum) S S – – S –

Kriechender Sellerie (Apium repens) S S – – S U

Prächtiger Dünnfarn (Trichomanes speciosum) – – U U – G

Fische und Neunaugen

Äsche (Thymallus thymallus) G U¯ G U¯ S U

Bachneunauge (Lampetra planeri) G G G G G G

Barbe (Barbus barbus) G G G G G G

Bitterling (Rhodeus amarus) G G G G G G

Flussneunauge (Lampetra fluviatilis) G U¯ U S¯ U S

Groppe (Cottus gobio) G G G G G G

Lachs (Salmo salar) S S S S S S

Maifisch (Alosa alosa) S S S S S S

Meerneunauge (Petromyzon marinus) U U U S¯ U S

Schlammpeitzger (Misgurnus fossilis) S S S S U U

Steinbeißer (Cobitis taenia) U U U U U G

Weißflossiger Gründling (Gobio albipinnatus) n.b. n.b. n.b. n.b. n.b. n.b.

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17Natur in NRW 2/14

Zustand der Naturwicklung, sind bei dem Großen Moorbläu-ling (Maculinea teleius) und der Zaun-eidechse erkennbar.Mit insgesamt fünf neu bewerteten undteilweise wieder eingewanderten Artenstellen diese „neuen“ Arten die größte An-zahl von echten Veränderungen in der Be-wertung dar. Hier darf auf die Libellen-arten (Grüne Keiljungfer (Ophiogomphuscaecilia) und Zierliche Moosjungfer (Leu-corrhinia caudalis)) verwiesen werden.Gerade bei den Libellenarten, die an Fließ-gewässer gebunden sind, zeigt sich eineinsgesamt positive Entwicklung.Tatsächliche Verschlechterungen zeigensich bei insgesamt sechs Arten. Hierzuzählen die bereits erwähnten Schmetter-lingsarten Blauschillernder Feuerfalter(Lycaene helle) und Dunkler Wiesen-knopf-Ameisenbläuling (Maculinea nau-sithous) im Bergland. Neben der Ge-burtshelferkröte (Alytes obstetricans) ge-hören hierzu auch die drei FischartenÄsche (Thymallus thymallus), Flussneun-auge (Lampetra fluviatilis)) und Meer-neunauge (Petromyzon marinus). Die Fisch-arten leiden insbesondere unter der nachwie vor insgesamt unzureichenden Struk-turgüte der Fließgewässer.

Situation des Skabiosen-Scheckenfalters

Der Skabiosen-Scheckenfalter ist in Nord-rhein-Westfalen auf wenige Vorkommenim Siegerland beschränkt. Früher gab esauch Vorkommen in der Eifel, dort konn-ten im Berichtszeitraum – trotz intensiverNachsuche keine Tiere mehr gefundenwerden. Der Skabiosen-Scheckenfalter istsowohl auf feuchten als auch auf trockenenStandorten verbreitet, wobei in beiden Fäl-len stets nur extensiv genutzte, magereGrünlandstandorte mit einer lückigen,niedrigwüchsigen Vegetation besiedeltwerden. Für ein erfolgreiches Habitat-management ist entscheidend, dass die Artfür die Nahrungsaufnahme und die Eiab-lage offenbar unterschiedliche Teillebens-räume nutzt. Die Förderung der extensivenWiesennutzung im Rahmen des Vertrags-naturschutzes hat zumindest im Siegerlandzu einer Bestandsstützung beigetragen.Zukünftig immens wichtig ist eine Beibe-haltung dieser Naturschutzmaßnahmen.Von der extensiven Nutzung für den Ska-biosen-Scheckenfalter profitieren auch eine Reihe weiterer Arten und Lebens-raumtypen der FFH-Richtlinie, wie etwader Blauschillernde Feuerfalter oder dieBerg-Mähwiesen.

Vergleich der Ergebnisse Bund und NRW

In Abbildung 3 werden die Ergebnisse derBerichte von NRW und Bund bezogen aufdie Lebensraumtypen gegenübergestellt.In der atlantischen Region zeigen sich in23 Fällen identische, in acht Fällen für

NRW bessere und in zwei Fällen schlech-tere Einstufungen. In der kontinentalenRegion sind die Einstufungen in 17 Fällenidentisch, in 16 Fällen für NRW besser undin vier Fällen schlechter. Die Unterschiedehaben verschiedene Ursachen. Zum Bei-spiel muss bei der hohen Zahl bessererEinstufungen in der kontinentalen Regionvon NRW berücksichtigt werden, dass diese Region in NRW fast ausschließlichdas Bergland umfasst, während sie deutsch-landweit hohe Anteile intensiver genutzterFlachlandregionen enthält. SchlechtereEinstufungen für NRW ergeben sich um-gekehrt etwa auch daraus, dass einige Lebensraumtypen hier mit wenigen Ein-zelflächen am Rande ihres Verbreitungs-gebietes vorkommen (z.B. Kalkmager-rasen im Flachland). Der bessere Zustandvon Lebensraumtypen wie etwa Heidenoder Kalkmagerrasen ist auch ein Ergebniserfolgreicher nordrhein-westfälischer Na-turschutzanstrengungen.Bei den Arten (s. Abb. 4) zeigt sich für beide Regionen, dass der Anteil von Arten

in einem günstigen Erhaltungszustand inNRW höher als im Bund ist. In der atlanti-schen Region ist der Anteil an Arten mitschlechtem Erhaltungszustand ungefährgleich groß wie im Bund, in der kontinen-talen Region gibt es in NRW mehr Artenmit einem schlechten Erhaltungszustand.Dieses Ergebnis überrascht nicht und liegtvor allem an der großen Anzahl Arten, diein NRW an der Nordwestgrenze ihrer Ge-samtverbreitung mit teilweise nur sehr klei-nen Vorkommen beheimatet sind (Bech-steinfledermaus, Graues Langohr, Mops-fledermaus, Mauereidechse, Knoblauch-kröte, beide Windelschnecken, DunklerWiesenknopf-Ameisenbläuling, GroßerMoorbläuling, Eremit, Frauenschuh).

Einschätzung der Ergebnisse

Der FFH-Bericht 2013 zeigt den in Nord-rhein-Westfalen insgesamt hohen Anteilvon Lebensraumtypen und Arten im un-günstigen Erhaltungszustand. Nach wievor ist die Situation insbesondere für dieLebensraumtypen im Flachland deutlichschlechter als im Bergland. Allerdings hatsie sich bei den Lebensraumtypen im Berg-land weiter verschlechtert, was sich groß-flächig insbesondere bei den Mähwiesendes Wirtschaftsgrünlandes zeigt. Dennochsind beispielsweise am guten Zustand derKalkmagerrasen und Heiden sowie einzel-ner Arten im bundesweiten Vergleich dieErfolge der Naturschutzarbeit in Nord-rhein-Westfalen erkennbar. Die nach-folgend aufgeführten Faktoren sind auchein wesentlicher Grund dafür, dass die Situation nicht noch schlechter ist.Wichtige Erfolgsfaktoren in Nordrhein-Westfalen sind insbesondere:l Schutzgebiete: Nordrhein-Westfalen

hat unter den Flächenländern im bun-desweiten Vergleich die meisten Natur-schutzgebiete mit dem höchsten Anteilan der Landesfläche (über 3000 Gebiete,7,9 %).

l Schutzgebietsbetreuung: Mit dem Netzder knapp 40 Biologischen Stationen besteht ein in der Form bundesweit ein-maliges Gebietsbetreuungssystem.

l Vertragsnaturschutz: In NRW ist seitden 1980er Jahren ein stabiles und be-währtes Modell des Vertragsnaturschut-zes etabliert. Im Rahmen der Evaluationzeigte sich die insgesamt hohe Wirk-samkeit aufgrund der zielgenauen Aus-richtung der Fördermaßnahmen auf dieAnforderungen der Lebensraumtypenund Arten.

l Flächen im öffentlichen Eigentum:Wichtige Kernflächen befinden sich imöffentlichen Eigentum und ermöglichendamit langfristige und wirkungsvolleBiotopentwicklungsmaßnahmen (z. B.Wiedervernässung).

l Große Förderprojekte: Nordrhein-Westfalen nutzt mit bislang 29 Projekten

0 8

3130

2920

1726

17 37

3017

29 26

2 30%

20%

40%

60%

80%

100%

NRWATL

BundATL

NRWKONT

BundKONT

unbekannt schlechtunzureichend günstig

Abb. 4: Vergleich der Bewertung des Er-haltungszustands der Arten zwischen demBund und NRW 2013 (ATL = atlantisch,KON = kontinental)

20 22

9 12

610

3

15

72

25

10

0%

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40%

60%

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100%

NRWATL

BundATL

NRWKONT

BundKONT

unbekannt schlechtunzureichend günstig

Abb. 3: Vergleich der Bewertung des Er-haltungszustands der Lebensraumtypenzwischen dem Bund und NRW 2013 (ATL= atlantisch, KONT = kontinental)

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18 Natur in NRW 2/14

Zustand der Naturbundesweit am umfangreichsten dasProgramm LIFE+, mit dem die EU dieUmsetzung der FFH-Richtlinie unter-stützt. Darüber hinaus werden Bundes-programme, Strukturfördermittel undMittel für die Umsetzung der Wasser-rahmenrichtlinie für die Umsetzung von FFH-Zielen genutzt. BiologischeStationen spielen als Initiator und Trägerder Projekte eine herausragende Rolle.

l Militärische Liegenschaften: Die überlange Zeiträume extensiv genutzten militärischen Liegenschaften repräsen-tieren bedeutende Naturressourcen inNRW. Die Zusammenarbeit zwischender für die Pflege zuständigen Bundes-anstalt für Immobilienaufgaben, denStreitkräften sowie den Landschafts-behörden und Biologischen Stationen istgut und trägt zur Sicherung des günsti-gen Erhaltungszustandes der Arten undLebensraumtypen dieser Flächen maß-geblich bei.

l Artenschutzprogramme: Zur Umset-zung des Artenschutzes auch außerhalbvon Schutzgebieten wurden und werdenumfangreiche Handlungsempfehlungenund Leitfäden entwickelt und in eineminternetgestütztem Fachinformations-system für jedermann zugänglich prä-sentiert. Dabei werden sowohl die Fel-der Artenschutz/Landwirtschaft, Arten-schutz/Forstwirtschaft und Arten-schutz/Planung berücksichtigt. Spezifi-sche Artenschutzprogramme und Maß-nahmenkonzepte (z. B. Entschneidungs-konzept NRW) wurden und werden für Feldhamster, Wolf, Wildkatze,Luchs, Biber, Mopsfledermaus, Gelb-bauchunke, Knoblauchkröte, Laub-frosch, Äsche, Wiesenknopf-Ameisen-bläuling, Eremit und Helm-Azurjungfererarbeitet und umgesetzt.

l Wildnisentwicklungsgebiete: Die Aus-weisung von Wildnisentwicklungsge-bieten im Staatswald in Verbindung miteinem korrespondierenden Programmzu Sicherung von Alt- und Totholz imBiotopverbund sollen helfen, den güns-tigen Erhaltungszustand in den Buchen-wäldern zu stabilisieren.

Fast alle FFH-Lebensraumtypen und Habi-tate von FFH-Arten unterliegen Nutzun-gen beziehungsweise sind von Nutzungs-einflüssen betroffen. Hierzu zählen z. B.Land- und Forstwirtschaft, Wasserwirt-schaft, Rohstoff- und Energiegewinnung,Siedlungs-, Industrie- und Infrastruktur-vorhaben sowie Erholungsnutzung. Diesgilt auch für Schutzgebiete, in denen häu-fig eine extensive landwirtschaftliche Nut-zung zum Erhalt von Grünland-Lebens-raumtypen und -Habitaten erforderlich ist.Entscheidend für einen guten Erhaltungs-zustand ist die naturschutzgerechte Ausge-staltung der Nutzungen. Diese wird durchden Einsatz der oben genannten Natur-schutzinstrumente angestrebt. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die wirt-

schaftlichen Rahmenbedingungen dieLandnutzung häufig deutlich stärker be-einflussen als es die Naturschutzinstru-mente können. Ein Beispiel ist die intensi-vere Nutzung landwirtschaftlicher Flächenunter anderem im Zuge des verstärktenEnergiepflanzenanbaus. Die deutlich er-höhten Pachtpreise schränken die Akzep-tanz der freiwilligen Vertragsnaturschutz-angebote ein. Bei der Ausgestaltung vonübergeordneten rechtlichen Rahmenset-zungen, Subventionen oder Programmenmüssen die möglichen direkten oder in-direkten Auswirkungen auf die biologischeVielfalt in allen Politikbereichen daherstärker in Richtung einer Förderung derBiodiversität berücksichtigt werden (z. B.Agrarförderung, Förderung erneuerbarerEnergien). Die zahlreichen bekannten Synergien sollten dafür besser als bisher in Wert gesetzt und genutzt werden (z. B.Auenentwicklung mit Hochwasserschutz,Moor- und Grünlandschutz mit Klima-schutz, Bestäuberfunktion von Insektenfür Nutzpflanzen).

Konsequenzen für die Naturschutzarbeit in NRW

Die Biodiversitätsstrategien auf euro-päischer und nationaler Ebene verlangenmit Blick auf die rechtlichen Anforderun-gen der FFH-Richtlinie eine erheblicheSteigerung des Anteils der FFH-Arten und-Lebensräume mit gutem oder verbesser-tem Erhaltungszustand. Dies erfordert dieBeibehaltung und Steigerung der bisheri-gen Anstrengungen. Zentrale Vorgaben,mit welchen Maßnahmen und Konzeptendie Situation verbessert werden soll, ent-hält die vom Land vorbereitete nordrhein-westfälische Biodiversitätsstrategie.

Um Verbesserungsmaßnahmen gezieltsteuern und finanzielle Mittel effizient ein-setzen zu können, ist es wichtig, regionaleHandlungsschwerpunkte zu bestimmenund zu vermitteln. Zuständig für die Um-setzung von Naturschutzmaßnahmen inFFH-Gebieten sind die Kreise und kreis-freien Städte, unterstützt von den Biologi-schen Stationen, sowie die Regionalforst-ämter. Zur Verdeutlichung der regionalenHandlungsschwerpunkte hat das LANUVdas Konzept der kreisspezifischen Ver-antwortlichkeitsprofile entwickelt (vgl.SCHLÜTER et al. 2009). Die Verantwortlich-keitsprofile werden vom Umweltministe-rium und dem LANUV allen betroffenenKreisen und kreisfreien Städten vorgestelltund konkrete Handlungsnotwendigkeitenprimär in den FFH-Gebieten identifiziert.In Regionalgesprächen mit Partnern ausLandwirtschaft, Forstwirtschaft und Natur-schutzverbänden werden Maßnahmen, abgestimmt, um zukünftig verbesserte Erhaltungszustände bei den Arten und Lebensraumtypen der FFH-Richtlinie zuerreichen.

LiteraturBundesministerium für Umwelt, Naturschutz,Bau- und Reaktorsicherheit (BMUB) 2014:URL: www.bmub.bund.de/P2976Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Land-wirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz NRW(MKULNV) 2014: URL: www.umwelt.nrw.de/ministerium/presse/presse_aktuell/presse140326.phpSCHLÜTER, R., KIEL, E-F. 2008: Erste Bilanzüber die Biologische Vielfalt in Nordrhein-Westfalen. In: Natur in NRW 2/2008, S. 28–33SCHLÜTER, R., KAISER, M., SCHIFFGENS, T.2009: Ergebnisse des FFH-Monitorings –Handlungsschwerpunkte für die Kreise. In:Landesamt für Natur, Umwelt und Verbrau-cherschutz (LANUV), Jahresbericht 2009, S. 53

Zusammenfassung

Im Beitrag werden die Ergebnisse desFFH-Berichtes für das Land Nordrhein-Westfalen erläutert und mit dem FFH-Gesamtbericht für Deutschland vergli-chen. Erstmals wurde bei der Erhebungder Daten ein stichprobenbasiertes Bio-top- beziehungsweise Artenmonitoringangewendet. Der Teilbeitrag für Nord-rhein-Westfalen spiegelt den Zustand derNatur in NRW wider. Alle Ergebnisse fürNRW sind unter www.naturschutzinfor-mationen-nrw.de/ffh-bericht-2013 imFachinformationssystem des LANUVverfügbar. Für die 44 Lebensraumtypenin NRW besteht ein deutlicher Unter-schied zwischen dem Erhaltungszustandder Lebensraumtypen im atlantischenTiefland und im kontinentalen Bergland.Für die 78 bewerteten Arten zeigen sichinsgesamt wenige Unterschiede zwi-schen deren Erhaltungszustand im Tief-land und im Bergland. Es lässt sich fest-stellen, dass die Weichtiere und Krebsesowie die Farn- und Blütenpflanzen undMoose insgesamt einen sehr hohen Anteil an Arten in einem schlechten Er-haltungszustand aufweisen. In allen anderen Gruppen finden sich vermehrtauch Arten mit unzureichendem odergünstigem Erhaltungszustand.

Anschrift der Verfasser

Ralf Schlüter, Dr. Matthias Kaiser, Thomas Schiffgens, Jutta Werking-RadtkeLandesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV)Abteilung Naturschutz, Landschaftspflege,Jagdkunde, FischereiökologieLeibnizstraße 1045659 RecklinghausenE-Mail: [email protected],[email protected],[email protected],[email protected]

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19Natur in NRW 2/14

Zustand der Natur

tung“ der 134 planungsrelevanten Vogel-arten überarbeitet und somit eine Übersichtüber den aktuellen Erhaltungszustand ge-liefert. Bei den planungsrelevanten Vogel-arten handelt es sich um die Arten des An-hangs I der VSchRL, Zugvogelarten nachArt. 4(2) der VSchRL, die Arten der RotenListe Nordrhein-Westfalens sowie die koloniebrütenden Vogelarten (KIEL 2005).Die Ampelbewertung lehnt sich an diedreistufige (Grün, Gelb, Rot) Bewertungder Lebensraumtypen und Arten nach derFFH-Richtlinie an. Zusammen mit der Roten Liste (SUDMANN et al. 2008) bietetdie Ampelbewertung eine wichtige Hilfezur Bewertung möglicher Konsequenzenvon Eingriffen in Natur und Landschaft für die Bestände der planungsrelevantenVogelarten auf der Ebene der biogeografi-schen oder landesweiten Populationen(www.naturschutzinformationen-nrw.de/artenschutz/).

Hierzu wurde wie bei den Arten der FFH-Richtlinie ein Kriteriensystem benutzt, dasauf Verbreitung, Population, Habitat, denZukunftsaussichten und einer Gesamtbe-wertung – getrennt nach der atlantischenund der kontinentalen biogeografischenRegion – beruht. Die atlantische Regionumfasst in NRW das Tiefland mit Nieder-rheinischer und Westfälischer Bucht, diekontinentale Region das Bergland mit Eifel, Bergischem Land, Sauer- und Siegerland sowie dem Weserbergland.

Als Quellen wurden die Ergebnisse derÖkologischen Flächenstichprobe (ÖFS),die Daten des Brutvogelatlasses NRW(GRÜNEBERG et al. 2013) und Daten der Vogelschutzwarte genutzt.

Für die folgende Auswertung werden dieplanungsrelevanten Vogelarten in Lebens-raumgilden sowie nach dem Zugverhaltenaufgeteilt; die Einteilung folgt im Wesent-

Gemäß Artikel 12 der Richtlinie desRates vom 2. April 1979 über dieErhaltung der wildlebenden Vogel-

arten (EU-Vogelschutzrichtlinie, VSchRL,79/409/EWG) erstellen die Mitgliedsstaa-ten alle drei Jahre einen Bericht über dieAnwendung der aufgrund dieser Richtlinieerlassenen einzelstaatlichen Vorschriften.Im Jahre 2011 wurde beschlossen, die Be-richtspflicht derjenigen der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (92/43/EWG, FFH-RL)anzupassen. Damit einhergehender Wech-sel zu einem Sechs-Jahres-Turnus und dieFokussierung auf die Ergebnisse der erlas-senen Vorschriften und Maßnahmen. Dererste neuartige Bericht wurde parallel zumFFH-Bericht (s. SCHLÜTER et al. 2014, i. d.Heft) erstellt. Der Bericht erläutert den Zu-stand der Europäischen Vogelschutzgebiete(VSG), die nach den Vorgaben der VSchRLausgewiesen wurden, und die Situation dersogenannten Triggerarten. Das sind Arten desAnhangs I der VSchRL und regelmäßigeZugvogelarten nach Artikel 4(2), für diedie Mitgliedsstaaten VSG ausgewiesen haben. Außerdem enthält der Bericht In-formationen über erfolgte Maßnahmen,den Anteil der VSG mit Managementplä-nen und Erfolge bei der Umsetzung derVSchRL. Die Angaben stammen vomDachverband Deutscher Avifaunisten(DDA) und der Länderarbeitsgemein-schaft der Vogelschutzwarten (LAGVSW). Die Ergebnisse des Berichts an dieEU-Kommission, der im Dezember 2013übermittelt wurde, werden derzeit publi-ziert (BfN 2014; BfN, DDA & LAG VSWin Vorber.; www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/presse/2014/Ergebnisse_Vogel-schutzbericht_Bestand_Trend.pdf).

Ampelbewertung der planungs-relevanten Vogelarten in NRW

Anders als der FFH-Bericht (BfN 2014,SCHLÜTER et al. 2014) enthält der Bundes-bericht über die Umsetzung der VSchRLkeine Gesamtbewertung des Erhaltungszu-standes der Arten. In NRW hingegen hatdas LANUV zeitgleich die „Ampelbewer-

Peter Herkenrath, Bettina Fels, Michael Jöbges, Matthias Kaiser, Heinrich König

Wie geht es der Natur? Zustand der Vogelwelt in NRWIm Zuge der Erstellung des Berichtes der Bundesrepublik Deutschland an die EU-Kommission zu den Ergebnissen der Umsetzung der EU-Vogelschutzrichtlinie wurde, anders als beim FFH-Bericht, keine Bewertung des Erhaltungszustands der Vogelwelt durchgeführt. In Nordrhein-Westfalen hat dasLANUV zeitgleich die bestehende Ampelbewertung der planungsrelevanten Vogelarten überarbeitet undeine neue Bewertung des Erhaltungszustands dieser Arten vorgelegt, die der besonderen Aufmerksamkeitdes Naturschutzes bedürfen.

Der Mittelspecht (Dendrocopos medius) konnte sich in NRW in den letzten Jahren deutlich ausbreiten. Im Bild: Bruthöhlenbau in Totholz. Foto: J. Weiss

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20 Natur in NRW 2/14

Zustand der Naturlichen BAUER et al. (2005). Betrachtet wer-den lediglich die Brutvogelarten. Zu be-achten ist, dass hier die Gruppe der pla-nungsrelevanten Vogelarten (s.o.) und nichtdie Gesamtheit der Brutvögel des Landesbetrachtet wird, es sich also um die Vogel-arten handelt, die der besonderen Aufmerk-samkeit des Naturschutzes bedürfen.

Situation in den Hauptlebensräumen

Die Gesamtbewertung zeigt für die pla-nungsrelevanten Arten sowohl für dasTief- wie das Bergland von 2007 (Jahr derletzten Ampelbewertung, KIEL 2007) zu2013 eine Zunahme der Anteile der Artenmit unzureichendem (Gelb) und schlech-tem (Rot) Erhaltungszustand und eine Ab-nahme des Anteils der Arten im günstigenErhaltungszustand (Abb. 1). Die absolutenArtenzahlen haben sich für die Regionenvon 2007 zu 2013 aus verschiedenenGründen leicht geändert (z.B. in einer Region ausgestorbene Arten). Insgesamtliegen die Verhältnisse im Bergland etwasgünstiger als im Tiefland.Die Betrachtung der vier Lebensraumgil-den zeitigt unterschiedliche Ergebnisse. Beiden Wäldern (Abb. 2) finden sich in beidenRegionen mehr Arten mit günstigem als mitunzureichendem oder schlechtem Erhal-tungszustand. Arten wie Mäusebussard undSchwarzspecht geht es nach wie vor gut inden Wäldern des Landes. Allerdings ist dieTendenz von 2007 bis 2013 in der atlan-tischen Region negativ, bedingt durch eineungünstigere Einstufung von unter ande-rem Kuckuck und Pirol. In der kontinen-talen Region hat sich die Lage in den sechsJahren dagegen kaum verändert.

Beispiel Mittelspecht

Der Mittelspecht ist eine Vogelart der Eichenwälder mit hohem Totholzanteil.Der Bestand in NRW wird aufgrund derDaten der Ökologischen Flächenstich-

probe auf etwa 6.000 Reviere geschätzt.Wie schon 2007 konnte der Erhaltungszu-stand auch 2013 im Tief- und im Berglandals „günstig“ (Grün) eingestuft werden.Wie in großen Teilen Mitteleuropas hatsich die Art in NRW in den letzten Jahrendeutlich ausgebreitet. Als Gründe könnendie gestiegenen Anteile alter Eichen unddes Totholzes in unseren Wäldern, aberauch die überwiegend milden Winter derletzten Jahrzehnte angenommen werden.Eine naturnahe Waldwirtschaft mit hohemAltbaum- und Totholzanteil ist die wich-tigste Maßnahme, um diesen Verwandtendes häufigen Buntspechtes bei uns auchlangfristig zu erhalten.Besondere Aufmerksamkeit verdienen dieArten des Agrarlandes (Abb. 3). Hier über-wogen schon 2007 die unzureichenden undschlechten Einstufungen, und diese Situa-tion hat sich 2013 noch verstärkt. WenigenArten mit günstigem Erhaltungszustand(z.B. Schwarzkehlchen im Tief- und Neun-töter im Bergland; Schleiereule und Turm-falke in beiden Regionen) stehen 43 Pro-zent Arten mit schlechtem Zustand imTiefland (z.B. Steinschmätzer und Ufer-schnepfe) und 42 Prozent im Bergland(z.B. Kiebitz und Steinkauz) gegenüber.Die Unterschiede zwischen den beiden Regionen sind marginal.

Beispiel Kiebitz

Der Kiebitz ist ein Kurzstreckenzieher, derauf Acker- und feuchtem Grünland brütet.Während der Bestand in NRW in den2000er Jahren noch 20.000 Paare über-schritt, zeigt die Art seitdem einen rapidenRückgang. Derzeit ermittelt das LANUVin Zusammenarbeit mit dem Dachverbandder Biologischen Stationen und der Nord-rhein-Westfälischen Ornithologengesell-schaft den aktuellen Bestand. In der Am-pelbewertung 2013 wird die Art im Berg-land mit schlechtem Erhaltungszustand(Rot) und im Tiefland mit unzureichendemZustand mit abnehmender Tendenz (Gelb)

eingestuft. Dies entspricht der Situation inweiten Teilen des Bundesgebietes undEuropas. Hauptursachen sind die intensiveBewirtschaftung des Agrarlandes mit hohen Brutverlusten bei der Ackerbearbei-tung und mangelnder Nahrung für die Jun-gen sowie der Verlust von Feuchtgrünland.Auch die starke, leider immer noch legaleBejagung in mehreren Ländern der EU, dieals Durchzugs- und Überwinterungsgebietdienen, dürfte zum Rückgang beitragen(European Commission 2009). In den letz-ten Jahren haben die trockenen Frühjahreder Art zusätzlich zu schaffen gemacht.Neben der Erhaltung und Entwicklung vonfeuchten Extensivgrünländern bilden dieStabilisierung eines hohen Grundwasser-standes in Feuchtgebieten und im Grün-land, die Extensivierung der Acker- undGrünlandnutzung, die Sicherung und Ver-mehrung von Brachen und der bessereSchutz vor Bejagung in anderen EU-Län-dern die wichtigsten Schutzmaßnahmen.Bei den Arten der Binnengewässer (Abb. 4)hat der Anteil der Arten mit unzureichen-dem Erhaltungszustand in beiden Regio-nen leicht zugenommen, im Tiefland er-freulicherweise auf Kosten derer mitschlechtem Erhaltungszustand. Gut geht es

Abb. 1: Erhaltungszustand derplanungsrelevanten Brutvogel-arten in NRW (ATL = atlan-tische, KON = kontinentale Region, n = Artenzahl)

Abb. 2: Erhaltungszustand derplanungsrelevanten Brutvogel-arten der Wälder in NRW (ATL= atlantische, KON = konti-nentale Region, n = Artenzahl)

Abb. 3: Erhaltungszustand derplanungsrelevanten Brutvogel-arten des Agrarlandes in NRW(ATL = atlantische, KON =kontinentale Region, n = Arten-zahl)

Abb. 4: Erhaltungszustand derplanungsrelevanten Brutvogel-arten der Binnengewässer inNRW (ATL = atlantische, KON= kontinentale Region, n = Artenzahl)

Der Kiebitz (Vanellus vanellus) zeigt einenrapiden Rückgang. Hauptursachen sinddie intensive Bewirtschaftung des Agrar-landes sowie der Verlust von Feucht-grünland. Foto: J. Weiss

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21Natur in NRW 2/14

Zustand der NaturArten wie Schnatterente und Teichhuhn imTiefland sowie Eisvogel und Zwergtaucherin beiden Regionen, schlecht dagegen etwaKnäkente und Rotschenkel im Tiefland sowie Tafelente und Bekassine in beidenRegionen.Die Gilde der Arten der Siedlungen um-fasst nur wenige Arten, so dass die Inter-pretation der Übersichtsbewertung (Abb. 5)mit Vorsicht erfolgen sollte. In beiden Regionen zeigt sich wie bei den Arten derBinnengewässer eine Zunahme des Anteilsder Arten mit unzureichendem Erhaltungs-zustand, im Bergland eine Abnahme der-jenigen im schlechten Zustand. Gut geht esin beiden Regionen beispielsweise Grün-specht und Saatkrähe, während Arten wieGartenrotschwanz, Mehl- und Rauch-schwalbe in beiden Regionen einen unzu-reichenden Erhaltungszustand aufweisen.

Situation der Zugvögel

Deutliche Unterschiede lassen sich bei unseren Brutvögeln auch zwischen denZugtypen feststellen. Eine positive Situa-tion findet sich bei den Standvögeln undTeilziehern, bei denen Teile der Populationzu den Standvögeln, andere Teile aber zuden Kurzstreckenziehern zählen. Diesebeiden Gruppen werden hier gemeinsambetrachtet (Abb. 6). Über die Hälfte der Arten in beiden Regionen befindet sich in einem günstigen Zustand, wozu etwa Sperber, Grün- und Mittelspecht beitragen.Die Kurzstreckenzieher sind Vögel, die inWest- oder Südeuropa bis Nordafrika über-wintern. Hier finden wir 2013, bei aller-dings geringen Artenzahlen, gegenüber2007 weniger Arten mit günstigem undmehr mit schlechtem Erhaltungszustand in der kontinentalen Region (Abb. 7). Gutgeht es etwa Schnatterente und Schwarz-kehlchen im Tiefland sowie Kormoran undZwergtaucher in beiden Regionen. Raub-würger und Wiesenpieper werden in bei-den Regionen als in schlechtem Zustandeingestuft.

Bei den Langstreckenziehern, die in Afrikasüdlich der Sahara überwintern, hat in beiden Regionen der Anteil der Arten mit schlechtem Zustand zwar leicht abge-nommen (z.B. Weißstorch und Flusssee-schwalbe), aber nur wenige Arten weiseneinen günstigen Erhaltungszustand auf(z.B. Nachtigall und Schwarzmilan imTiefland sowie Schwarzstorch und Wald-laubsänger im Bergland) (Abb. 8). Deut-lich zugenommen hat im Tief- wie imBergland der Anteil der Arten mit unzu-reichendem Erhaltungszustand (z.B. Baum-pieper und Feldschwirl).

Beispiel Schwarzstorch

Der Schwarzstorch, ein Brutvogel derWälder des Berglandes, gehört zu den wenigen Langstreckenziehern mit positi-ver Bestandsentwicklung. In NRW brüten100 bis 110 Paare und sein Erhaltungszu-stand wird im Bergland mit „günstig“(Grün) bewertet. Um die Wende vom 19.zum 20. Jahrhundert als Brutvogel in NRWausgestorben, setzte Ende der 1970er Jahre beginnend mit dem Sauerland dieWiederbesiedlung ein. NRW beherbergtetwa 15 Prozent des auf 650 bis 750 Paaregeschätzten bundesdeutschen Bestandes.Die Art braucht störungsarme Wälder mitalten Bäumen zur Nestunterlage und Fließ-gewässern zur Nahrungssuche. Wichtig fürdie langfristige Sicherung des Bestandes in NRW ist die Freihaltung einer Horst-schutzzone von Störungen und Holzein-schlag sowie der Erhalt altholzreicherWälder und der Nahrungsflächen.

Bundesweiter und internationaler Vergleich

Die Ergebnisse der Ampelbewertung derplanungsrelevanten Vogelarten in NRWpassen gut in die überregional erkennbarenTendenzen. Der Erhaltungszustand der Arten des Agrarlandes und – wegen der ge-ringen Artenzahlen eingeschränkt – auchder Binnengewässer und Siedlungen ist

insgesamt schlecht, während bei den Artenunserer Wälder die positive Situation über-wiegt. Der bundesweite Nachhaltigkeits-indikator Artenvielfalt und Landschafts-qualität zeigt mit Stand 2010 ebenfalls beiden Vogelarten des Agrarlandes eine deut-liche Entfernung vom Zielwert, nur leichtbesser sieht es bei den Siedlungen und Bin-nengewässern aus, während sich die Artender Wälder deutlich besser präsentieren. Inden Indikator fließt die Bestandsentwick-lung von 59 ausgewählten Brutvogelartenein; die Zielwerte sind artspezifisch festge-legt (SUDFELDT et al. 2012). Das europa-weite Monitoring zeigt ebenfalls schlechteWerte für die Arten des Agrarlandes: Datenaus 25 europäischen Ländern belegen einenRückgang dieser Arten von 1980 bis 2009um 48 Prozent (PECBMS 2011).

Konsequenzen für den Naturschutz

Bei SCHLÜTER et al. (2014) sind die für Er-folge beim Schutz der Lebensraumtypenund Arten der FFH-Richtlinie verantwort-lichen Faktoren dargestellt. Sie gelten un-eingeschränkt auch für die planungsrele-vanten Vogelarten. Besonderes Augen-merk muss den Vogelarten des Agrarlandesgelten, für die bundesweite Analysen vor-liegen (DRV 2011, DO-G & DDA 2011,HOFFMANN 2013). Eine Umkehrung deragrarpolitischen Rahmenbedingungen hinzu einer deutlich stärkeren Einbeziehungökologischer Aspekte ist Voraussetzungfür eine echte Kehrtwende bei den Be-ständen unserer Wiesen- und Feldvögel.Flächendeckend muss auf lokaler Ebene inKooperation aller Beteiligten – Landbesit-zer und -bewirtschafter, Behörden, Biolo-gische Stationen und Verbände – an lokalangepassten Maßnahmen gearbeitet wer-den, wie es in vielen Wiesenvogelschutz-gebieten durch die Kreise und Biologi-schen Stationen praktiziert wird und wiedas derzeit bei der durch das LANUV unddie Bezirksregierungen koordinierten Er-

Abb. 5: Erhaltungszustand derplanungsrelevanten Brutvogel-arten der Siedlungen in NRW(ATL = atlantische, KON =kontinentale Region, n = Arten-zahl)

Abb. 6: Erhaltungszustand derplanungsrelevanten Standvögelund Teilzieher (Brutvögel) inNRW (ATL = atlantische, KON= kontinentale Region, n = Artenzahl)

Abb. 7: Erhaltungszustand der planungsrelevanten Kurz-streckenzieher (Brutvögel) inNRW (ATL = atlantische, KON= kontinentale Region, n = Artenzahl)

Abb. 8: Erhaltungszustand der planungsrelevanten Lang-streckenzieher (Brutvögel) inNRW (ATL = atlantische, KON= kontinentale Region, n = Artenzahl)

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22 Natur in NRW 2/14

Zustand der Natur

arbeitung von Vogelschutz-Maßnahmen-plänen für die Vogelschutzgebiete Wälderund Wiesen bei Burbach und Neunkirchen,Hellwegbörde (ILLNER & JOEST 2013) undWeseraue der Fall ist. Der Leitfaden„Wirksamkeit von Artenschutzmaßnah-men“ (MKULNV 2013) erläutert die indiesem Zusammenhang erforderlichenMaßnahmen.Zu vernachlässigen sind aber auch nichtdie planungsrelevanten Arten in schlech-tem Erhaltungszustand der Wälder, Bin-nengewässer und Siedlungen, für die BMU(2007) und MKULNV (2013) Maßnahmenvorstellen. Für die besonders gefährdeteGruppe der Langstreckenzieher gilt es neben den notwendigen Verbesserungen inden Brutgebieten bei uns Probleme in denDurchzugs- und Überwinterungsgebietenim Mittelmeerraum und in Afrika südlichder Sahara stärker als bisher durch Pro-jekte und Anpassungen der Entwicklungs-zusammenarbeit anzugehen. Die Tatsache,dass Arten mit bei uns ungünstigem oder schlechtem Erhaltungszustand, wieetwa Kiebitz, Turteltaube und Feldlerche,immer noch in großen Zahlen legal in EU-Mitgliedsstaaten Süd- und West-europas gefangen oder geschossen werdendürfen (European Commission 2007,2009), ist nicht akzeptabel, und diesbezüg-liche Bemühungen der Bundesregierungund von Naturschutzverbänden verdienenvolle Unterstützung. Die Entwicklungszu-sammenarbeit sollte in den Entwicklungs-ländern Afrikas die Umsetzung der natio-nalen Strategien zur Biologischen Vielfalt,wie sie in Umsetzung der Konvention überBiologische Vielfalt dort erarbeitet wordensind (Secretariat of the Convention on Biological Diversity 2010), gezielt unter-stützen, insbesondere im Hinblick auf die Sicherung und nachhaltige Nutzungder auch für unsere Zugvögel wichtigenLebensräume.

LiteraturBAUER, H.-G., E. BEZZEL & W. FIEDLER (2005):Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas. 3 Bände, Aula-Verlag, Wiebelsheim.Bundesamt für Naturschutz (BfN) (2014): DieLage der Natur in Deutschland. Ergebnisse vonEU-Vogelschutz- und FFH- Bericht. Bonn.Bundesministerium für Umwelt, Naturschutzund Reaktorsicherheit (2007): Nationale Strate-gie zur Biologischen Vielfalt. Berlin.Deutsche Ornithologen-Gesellschaft (DO-G)& Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA)(2011): Positionspapier zur aktuellen Bestands-situation der Vögel der Agrarlandschaft. Vogel-warte 49: 340–347.Deutscher Rat für Vogelschutz (DRV) (2011):Stummer Frühling in der Feldflur: Bedrohungder Agrarvögel und politische Handlungsnot-wendigkeiten. Berichte zum Vogelschutz47/48: 27–30.European Commission (2007): ManagementPlan for Skylark (Alauda arvensis) 2007–2009.Natura 2000 Technical Report 006-2007.European Commission (2009): EuropeanUnion Management Plan Lapwing (Vanellusvanellus) 2009–2011. Natura 2000 TechnicalReport 2009-033.GRÜNEBERG, C., S. R. SUDMANN, J. WEISS, M.JÖBGES, H. KÖNIG, V. LASKE, M. SCHMITZ & A. SKIBBE (2013): Die Brutvögel Nordrhein-Westfalens. NWO & LANUV (Hrsg.), LWL-Museum für Naturkunde, Münster.HOFFMANN, J. (Hrsg., 2013): Tagungsband:Fachgespräch „Agrarvögel – ökologische Be-wertungsgrundlage für Biodiversitätsziele inAckerbaugebieten“, 1.–2. März 2013, Klein-machnow. Julius-Kühn-Institut, Quedlinburg.ILLNER, H. & R. JOEST (2013): Vogelschutz inder Agrarlandschaft – derzeitige Schutzmaß-nahmen und Entwicklungsziele für das Euro-päische Vogelschutzgebiet Hellwegbörde(NRW). Berichte zum Vogelschutz 49/50: 99–113.KIEL, E.-F. (2005): Artenschutz in Fachplanun-gen. LÖBF-Mitteilungen 1/05: 12–17.KIEL, E.-F. (2007): Geschützte Arten in Nord-rhein-Westfalen. Vorkommen, Erhaltungszu-stand, Gefährdungen, Maßnahmen. Ministe-rium für Umwelt und Naturschutz, Landwirt-schaft und Verbraucherschutz des LandesNordrhein-Westfalen, Düsseldorf.MKULNV (2013): Leitfaden „Wirksamkeitvon Artenschutzmaßnahmen“ für die Berück-sichtigung artenschutzrechtlich erforderlicherMaßnahmen in Nordrhein-Westfalen. Düssel-dorf. www.naturschutzinformationen-nrw.de/artenschutz/de/downloads.Pan-European Common Bird MonitoringScheme (PECBMS) (2011): Population Trendsof Common European Breeding Birds 2011.CSO, Prag.SCHLÜTER, R., M. KAISER, T. SCHIFFGENS & J. WERKING-RADTKE (2014): Wie geht es derNatur? Zustand des europäischen Naturerbes inNRW. Natur in NRW 39. Jg., in diesem Heft.Secretariat of the Convention on Biological Diversity (2010): Global Biodiversity Outlook3. Montréal, Kanada.SUDFELDT, C., F. BAIRLEIN, R. DRÖSCHMEISTER,C. KÖNIG, T. LANGGEMACH & J. WAHL (2012):Vögel in Deutschland – 2012. DDA, BfN &LAG VSW, Münster.SUDMANN, S.R., C. GRÜNEBERG, A. HEGEMANN,F. HERHAUS, J. MÖLLE, K. NOTTMEYER-LINDEN,

Anschrift der Verfasser

Peter Herkenrath, Bettina Fels, Michael Jöbges, Dr. Matthias KaiserLandesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV)Fachbereich Artenschutz, Vogelschutz-warte, LANUV-ArtenschutzzentrumLeibnizstraße 1045659 RecklinghausenE-Mail: [email protected],[email protected], [email protected], [email protected]

Heinrich KönigLandesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV)Fachbereich Monitoring, Effizienzkontrolle in Naturschutz undLandschaftspflegeLeibnizstraße 1045659 RecklinghausenE-Mail: [email protected]

Zusammenfassung

2013 hat die Bundesregierung einen Be-richt zu den Ergebnissen der Umsetzungder EU-Vogelschutzrichtlinie vorgelegt.Dieser enthält, anders als der Bericht zur Umsetzung der Fauna-Flora-Habi-tat-Richtlinie, keine Bewertung des Er-haltungszustands der Vogelarten. DasLANUV hat daher die bestehende Am-pelbewertung der planungsrelevantenVogelarten in NRW überarbeitet. Für dieGesamtheit der so bewerteten Brut-vogelarten ergeben sich von 2007 auf2013 leichte Verschlechterungen in derBewertung in der atlantischen (Tiefland)wie der kontinentalen Region (Berg-land). Vergleichsweise günstig präsen-tiert sich die Situation der Waldvogel-arten, wo günstige Erhaltungszuständeüberwiegen. Unzureichende und schlech-te Erhaltungszustände überwiegen beiden Agrarvogelarten, mit deutlichenVerschlechterungen gegenüber 2007.Auch bei den Brutvogelarten der Bin-nengewässer und Siedlungen haben, allerdings bei geringen Artenzahlen, dieAnteile der Arten mit günstigem Erhal-tungszustand in beiden Regionen abge-nommen. Teilt man die planungsrele-vanten Brutvogelarten nach Zugtypenein, zeigt sich ein Überwiegen der güns-tigen Erhaltungszustände bei den Stand-vögeln und Teilziehern, während bei denLangstreckenziehern im Tief- und Berg-land die Anteile der Arten mit unzu-reichenden und schlechten Erhaltungs-zuständen überwiegen.

W. SCHUBERT, W. VON DEWITZ, M. JÖBGES & J. WEISS (2008): Rote Liste der gefährdetenBrutvogelarten Nordrhein-Westfalens, 5. Fas-sung, Stand Dezember 2008. Charadrius 44:137–230.

Der Schwarzstorch (Ciconia nigra), der alsBrutvogel vor Jahrzehnten bereits in NRWals ausgestorben galt, gehört zu den wenigen Langstreckenziehern mit positiverBestandsentwicklung. Foto: P. Schütz

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23Natur in NRW 2/14

Windenergie und Artenschutz

per Runderlass veröffentlicht worden ist(MKULNV & LANUV 2013). Voraus gin-gen ein breiter Erörterungsprozess mit denVerbänden der Windkraft und des Natur-schutzes sowie eine Ressortabstimmung.

Ziele und Inhalte des Leitfadens

Der Leitfaden konzentriert sich imSchwerpunkt auf die Anforderungen desArten- und Habitatschutzes an die Planungund Genehmigung von WEA in Nord-rhein-Westfalen. Dabei liegt der Fokus aufden betriebsbedingten Auswirkungen. DerLeitfaden bietet den an Windenergie-Pla-nungen Beteiligten einen gemeinsamenRahmen für die Durchführung von ASP,FFH-VP, Bestandserfassungen, die Erar-beitung von Maßnahmenkonzepten unddas Monitoring. Die Zielgruppe des Leit-fadens sind somit Landschafts-, Planungs-und Genehmigungsbehörden, Gemeindensowie beispielsweise Naturschutzverbän-de, Planungsbüros, Projektierer und ande-

re. Bezüglich der baubedingten Auswir-kungen sowie der sonstigen naturschutz-fachlichen Wirkungen von WEA (zumBeispiel Eingriff ins Landschaftsbild) wirdauf die sonst üblichen Prüfmethoden und -verfahren verwiesen (vor allem MKULNV 2010). Zielsetzung des Leitfadens sind dieStandardisierung der Verwaltungspraxissowie die rechtssichere Planung und Ge-nehmigung von WEA in Nordrhein-West-falen.

Dreistufige Artenschutzprüfung (ASP)

Stufe I: Vorprüfung (Artenspektrum,Wirkfaktoren)

In dieser Stufe wird durch eine überschlägi-ge Prognose geklärt, ob im Planungsgebietund gegebenenfalls bei welchen FFH-Artendes Anhangs IV FFH-Richtlinie und beiwelchen europäischen Vogelarten arten-schutzrechtliche Konflikte auftreten kön-nen. Um dies beurteilen zu können, sind alle verfügbaren Informationen zum betrof-

Der Klimaschutz und der Erhalt derbiologischen Vielfalt stellen unsheute vor große Herausforderungen

(IPCC 2014, SCBD 2010). In Nordrhein-Westfalen ist es beschlossenes Ziel derLandesregierung, die Energiewende vor-anzutreiben und dazu unter anderem dieWindenergie auszubauen. Gleichzeitigwird mit Hochdruck an der Fertigstellungder landesweiten Biodiversitätsstrategiegearbeitet (vgl. NRWSPD – BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN NRW 2012). Die energiepoli-tischen Ausbauprojekte können im Kon-flikt zu Naturschutzbelangen stehen, wennzum Beispiel empfindliche Arten durch denBetrieb von Windenergieanlagen gestörtoder Vögel und Fledermäuse durch Kolli -sion mit den Rotorblättern getötet werden(z. B. BRINKMANN et al. 2011, STEINBORN etal. 2011). Um diese Konflikte zukünftigmöglichst zu vermeiden, werden im Wind-energie-Erlass NRW, der grundsätzlich denAusbau der Windenergie fördern soll, dieBelange des Natur- und Artenschutzes aus-drücklich berücksichtigt. So schließt derWindenergie-Erlass zum Beispiel den Neu-bau von Windenergieanlagen (WEA) inNaturschutzgebieten aus und ermöglicht inFFH- und Vogelschutzgebieten nur das Re-powering (Erneuern von Altanlagen; vgl.MKULNV, MWEBWV & STAATSKANZLEI

NRW 2011). In der Planungs- und Genehmigungspraxisvon WEA gibt es allerdings immer nochzahlreiche ungeklärte Fragen bezüglichder rechtssicheren Umsetzung der notwen-digen Artenschutzprüfung (ASP) und dergegebenenfalls erforderlichen FFH-Ver-träglichkeitsprüfung (FFH-VP), insbeson-dere beim Repowering.

Leitfaden für NRW

Vor diesem Hintergrund haben das LA-NUV und das NRW-Umweltministeriumden Leitfaden „Umsetzung des Arten- undHabitatschutzes bei der Planung und Ge-nehmigung von Windenergieanlagen inNRW“ erarbeitet, der im November 2013

Matthias Kaiser, Ernst-Friedrich Kiel, Phillip Fest

Leitfaden hilft Windenergieanlagenartenschutzgerecht zu planenEin Leitfaden für die Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen in NRW

Beim Ausbau der Windenergie in NRW sind Konflikte mit dem Naturschutz absehbar. LANUV und Um-weltministerium NRW haben den Leitfaden „Umsetzung des Arten- und Habitatschutzes bei der Planungund Genehmigung von Windenergieanlagen in Nordrhein-Westfalen“ erarbeitet, der dazu beitragen soll,Fragen bezüglich der rechtssicheren Umsetzung des Windenergie-Erlasses NRW zu Artenschutzprüfung(ASP) und FFH-Verträglichkeitsprüfung (FFH-VP) zu klären.

Vor dem Bau von Windparks sind Natur- und Artenschutzbelange zu auf Verträglichkeitder Anlage zu prüfen. Foto: A. Niemeyer-Lüllwitz

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Windenergie und Artenschutz

fenen Artenspektrum einzuholen (z. B.Fachinformationssystem „Geschützte Ar-ten in Nordrhein-Westfalen“, @LINFOS).Vor dem Hintergrund des Vorhabentyps undder Örtlichkeit sind alle relevanten Wirk-faktoren des Vorhabens einzubeziehen. Im-mer wenn die Möglichkeit besteht, dass eines der artenschutzrechtlichen Zugriffs-verbote des § 44 Abs. 1 Bundesnaturschutz-gesetz (BNatSchG) erfüllt wird, ist für diebetreffenden Arten eine vertiefende Art-für-Art-Betrachtung in Stufe II erforderlich.

Stufe II: Vertiefende Prüfung derVerbotstatbestände

Hier werden die Zugriffsverbote artspezi-fisch im Sinne einer Art-für-Art-Betrach-tung geprüft sowie gegebenenfalls. erfor-derliche Vermeidungsmaßnahmen inklusi-ve vorgezogener Ausgleichsmaßnahmenund ein Risikomanagement konzipiert.Anschließend wird geprüft, bei welchenArten trotz dieser Maßnahmen gegen dieartenschutzrechtlichen Verbote verstoßenwird. Hierzu ist gegebenenfalls ein spe-zielles Artenschutz-Gutachten einzuholen.

Stufe III: Ausnahmeverfahren

In dieser Stufe wird geprüft, ob die drei Ausnahmevoraussetzungen des § 45Abs. 7 BNatSchG (zwingende Gründe, Al-ternativlosigkeit, keine Verschlechterungdes Erhaltungszustandes) vorliegen undinsofern eine Ausnahme von den Verbotenzugelassen werden kann.

Vögel und Fledermäuse besonders gefährdet

Vor allem Vögel und Fledermäuse sinddurch den Betrieb von WEA gefährdet. Be-stimmte Arten gelten dabei als überdurch-schnittlich gefährdet; diese werden alswindenergie-empfindliche (kurz WEA-empfindliche) Arten bezeichnet. Dabei

sind drei betriebsbedingte Auswirkungenvon WEA für verschiedene Vogel- und Fledermausarten zu unterscheiden, die imZusammenhang mit den artenschutzrecht-lichen Zugriffsverboten des § 44 Abs. 1BNatSchG relevant sind:Verbot Nr. 1: letale Kollisionen (ein-schließlich der Tötung durch Barotrauma =Gesundheitsstörung durch Änderungendes Umgebungsdrucks an den vorbeistrei-chenden Rotorblättern), sofern sich hier-durch ein signifikant erhöhtes Tötungsrisi-ko für die Individuen ergibt.Verbot Nr. 2: erhebliche Störwirkungen,sofern sich der Erhaltungszustand der lo-kalen Population verschlechtern kann.Verbot Nr. 3: Meideverhalten bei Flügenund Nahrungssuche, sofern hierdurch dieFortpflanzungs- und Ruhestätten beein-trächtigt werden können.

Windenergie-empfindliche Arten

Für Nordrhein-Westfalen sind die WEA-empfindlichen Arten im hier vorgestelltenLeitfaden zusammengestellt worden. DieListe umfasst insgesamt 27 Brutvogelarten,zehn Arten aus der Gruppe der Rast- undZugvögel und acht Fledermausarten. Krite-rien für eine Aufnahme der Arten in denLeitfaden stammen zum einen aus ein-schlägiger Fachliteratur, zum anderen ausder Liste der WEA-empfindlichen Arten imPapier der Länderarbeitsgemeinschaft derVogelschutzwarten (LAG VSW 2007 undin Vorbereitung). Des Weiteren wurde dieListe der in Deutschland aufgefundenen

Eine WEA-empfindliche Brutvogelart:Das Haselhuhn (Tetrastes bonasia).

Foto: P Schütz

Eine WEA-empfindliche Brutvogelart: DerRotschenkel (Tringa totanus).

Foto: G. Hellmann

Tab. 1: WEA-empfindliche Arten in NRW

Artnamen Wissenschaftl. Name

Brutvögel

Baumfalke Falco subbuteo

Bekassine Gallinago gallinagoFlussseeschwalbe u.Trauerseeschwalbe

Sterna hirundoChlidonias niger

Grauammer Emberiza calandra

Großer Brachvogel Numenius arquata

Haselhuhn Tetrastes bonasia

Kiebitz Vanellus vanellus

Kormoran Phalacrocorax carbo

Kornweihe Circus cyaneus

Kranich Grus grus

Rohrweihe Circus aeruginosus

Rotmilan Milvus milvus

Rotschenkel Tringa totanus

Schwarzmilan Milvus migrans

Schwarzstorch Ciconia nigra

Sumpfohreule Asio flammeus

Uferschnepfe Limosa limosa

Uhu Bubo bubo

Wachtel Coturnix coturnix

Wachtelkönig Crex crex

Wanderfalke Falco peregrinus

Weißstorch Ciconia ciconia

Wiesenweihe Circus pygargus

Ziegenmelker Caprimulgus europaeus

Zwergdommel Ixobrychus minutus

Rohrdommel Botaurus stellaris

Rast- und Zugvögel

Kranich Grus grusSingschwan undZwergschwan

Cygnus cygnusCygnus bewickii

Kiebitz Vanellus vanellus

Goldregenpfeifer Pluvialis apricaria

Mornellregenpfeifer Charadrius morinellus

Nordische Wildgänse

Fledermäuse

Großer Abendsegler Nyctalus noctula

Kleiner Abendsegler Nyctalus leisleri

Rauhhautfledermaus Pipistrellus nathusii

Mückenfledermaus Pipistrellus pygmaeus

Nordfledermaus Eptesicus nilssonii

Breitflügelfledermaus Eptesicus serotinus

Zweifarbfledermaus Vespertilio murinus

Zwergfledermaus Pipistrellus pipistrellusEine WEA-empfindliche Fledermausart:Die Rauhautfledermaus (Pipistrellus nathu-sii). Foto: H. Vierhaus

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25Natur in NRW 2/14

Windenergie und Artenschutz

Kollisionsopfer von Vögeln und Fleder-mäusen (Landesamt für Umwelt, Gesund-heit und Verbraucherschutz Brandenburg,DÜRR 2012) nach einheitlichen Kriterienausgewertet. Bei allen anderen nicht WEA-empfindlichen Arten, die im Leitfadennicht näher genannt werden (z.B. Mäuse-bussard, Turmfalke, Schleiereule), ist imSinne einer Regelfallvermutung davon aus-zugehen, dass die artenschutzrechtlichenZugriffsverbote infolge der betriebsbe-dingten Auswirkungen von WEA grund-sätzlich nicht ausgelöst werden.

Bestandsaufnahme

Die Prüfung der Artenschutzbelange undder FFH-Verträglichkeit setzt eine ausrei-chende Ermittlung und Bestandsaufnahmevoraus. Erforderlich sindl in Artenschutzprüfungen: Daten, de-

nen sich in Bezug auf das Vorhabenge-biet die Häufigkeit und Verteilung derbetroffenen Arten sowie deren Lebens-stätten entnehmen lassen.

l in FFH-Verträglichkeits prüfun gen:Geeignete naturschutzfachliche Bewer-tungsmethoden und -maßstäbe, die denbesten einschlägigen wissenschaftlichenErkenntnissen entsprechen. Erfasst wer-den müssen jedoch nur die für die Er-haltungsziele maßgeblichen Gebietsbe-standteile.

Je bedeutender ein Artvorkommen und jegravierender die zu erwartenden Beein-trächtigungen, umso größer kann der Untersuchungsaufwand ausfallen. Nur inKenntnis aller Fakten kann beurteilt wer-den, ob die Verbotstatbestände des § 44Abs. 1 BNatSchG erfüllt sind oder ob eineerhebliche Beeinträchtigung des jeweili-gen Natura 2000-Gebietes vorliegt.Das verpflichtet den Antragsteller jedochnicht, ein lückenloses Arteninventar zu er-stellen. Methodik und Untersuchungstiefe

unterliegen dem Grundsatz der Verhältnis-mäßigkeit und hängen maßgeblich von dennaturräumlichen Gegebenheiten und denzu erwartenden Beeinträchtigungen ab.Hierzu ist es zunächst erforderlich, bereitsvorhandene Erkenntnisse sowie Fachlite-ratur auszuwerten. Die in Nordrhein-West-falen verfügbaren und geeigneten Daten-quellen werden im Leitfaden vorgestellt.Für den Energieatlas NRW hat das LA-NUV eine Abgrenzung von Schwerpunkt-vorkommen ausgewählter WEA-empfind-licher Vogelarten erarbeitet (LANUVNRW 2014 a). Auch das Fundortkatasterbeim LANUV ist in diesem Zusammen-hang zur Beantwortung konkreter Fragenheranzuziehen (LANUV NRW 2014 b). Geeignet sind auch ernst zu nehmende Hin-weise, die sich aus kommunalen Datenban-ken und Katastern sowie aus Abfragen beiden Fachbehörden, den Biologischen Statio-nen, dem ehrenamtlichen Naturschutz odersonstigen Experten in der betroffenen Regi-on ergeben. Auf diesen Erkenntnissen fußtdie Entscheidung, ob weitergehende Erhe-bungen erforderlich sind. Für diese Ent-scheidungsfindung wird im Leitfaden eineeinheitliche Vorgehensweise vorgestellt.Das zu untersuchende Artenspektrum, dieAnzahl der Begehungen sowie die Erfas-sungsmethoden unterliegen dem Verhält-nismäßigkeitsgrundsatz und hängen imEinzelfall insbesondere von Größe und Lage des Untersuchungsraums sowie des-sen naturräumlicher Ausstattung und denartspezifischen Erfordernissen ab. Maß-geblich ist auch, ob zu dem Gebiet bereits

hinreichend aktuelle und aussagekräftigeErgebnisse aus früheren Untersuchungenvorliegen. Für die Planung von WEA-Konzentrationszonen und immissions-schutzrechtliche Genehmigungsverfahrenfür WEA wird im Leitfaden ein landesweiteinheitlicher Standard für derartige Unter-suchungen vorgegeben. Diese Standardssind im Regelfall anzuwenden. Nur in be-gründeten Fällen ist in Abstimmung zwi-schen unterer Landschaftsbehörde und An-tragssteller ein davon abweichender Unter-suchungsaufwand möglich.Für die Brutvögel wird eine Kartierungnach den Vorgaben des „Methodenhand-buchs zur Erfassung der BrutvögelDeutschlands“ vorgesehen (SÜDBECK et al.2005). Dabei werden zwischen Februar undJuli die Flächen mehrfach kartiert. Ergän-zend ist eine Horstbaumsuche zur Lokalisa-tion des genauen Brutstandortes vor allemvon Greifvögeln vorgesehen. Für WEA-empfindliche Vogelarten, die im nahen Um-feld von WEA brüten, kann zudem eineRaumnutzungskartierung notwendig wer-den. Rastende Vögel müssen auf ihren Nah-rungsflächen im Frühjahr und Herbst unter-sucht werden, Arten, die bei uns überwin-tern, auch während der Wintermonate. Fle-dermäuse werden mit einem Methodenmixaus Handdetektoren und Dauerfassungsge-räten auf den Flächen erfasst (vgl. RODRI-GUEZ et al. 2008). Hier sind zwischen Aprilund Oktober zwölf Kartierdurchgänge er-forderlich. In Waldgebieten lassen sich die-se Methoden mit Dauererfassungsgerätenoberhalb der Baum krone gut ergänzen. FürRepowering-Vorhaben kann auch an denbestehenden Altanlagen in der Höhe mit einem Erfassungsgerät an der Gondel derWEA gearbeitet werden.

Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen

Falls sich aus den Kartierungsergebnissenheraus die Möglichkeit ergibt, dass arten-schutzrechtliche Verbote eintreten können,bietet sich die Konzeption geeigneter Ver-meidungsmaßnahmen an. Dies können her-kömmliche Vermeidungs- und Minderungs-maßnahmen sein. Hierzu zählen zum Bei-spiel Änderungen der Projektgestaltung,insbesondere Meidung der Fortpflanzungs-und Ruhestätten, optimierte Aufstellung dereinzelnen Anlagen oder Bauzeitenbeschrän-kungen. Darüber hinaus gestattet § 44 Abs. 5 BNatSchG die Durchführung vorge-zogener Ausgleichsmaßnahmen. Diese sindim Rahmen der Zulassungsentscheidung,beziehungsweise im Landschaftspflegeri-schen Begleitplan festzulegen. Sie müssenartspezifisch ausgestattet sein, auf geeigne-ten Standorten durchgeführt werden unddienen der ununterbrochenen Sicherung der ökologischen Funktion von betroffenenFortpflanzungs- und Ruhestätten für dieDauer der Vorhabenswirkungen. Darüberhinaus können sie im Sinne von Vermei-

Eine WEA-empfindliche Brut-, Rast- undZugvogelart: Der Kranich (Grus grus).

Foto: P. Schütz

WEA-Standort liegt:

l innerhalb von Schwerpunktvorkom-men von WEA-empfinglichen Vo-gelarten oder im Umfeld von be-kannten Quartieren WEA-empfind-licher Fledermausarten⇒ASP I + II immer erforderlich⇒ in der Regel Kartierungen erfor-

derlichl im Bereich bekannter Vorkommen

außerhalb von Schwerpunktvorkom-men von WEA-empfindlichen Vo-gelarten oder im Umfeld von Le-bensräumen WEA-empfindlicherFledermausarten⇒ASP I immer erforderlich⇒ASP II fallweise erforderlich⇒ in der Regel Kartierungen erfor-

derlichl Keine Vorkommen im oben genann-

ten Sinne bekannt⇒ASP I immer erforderlich⇒ ASP II in der Regel nicht erfor-derlich⇒ in der Regel keine Kartierungen

erforderlich

Erforderliche Prüfungen je nach Lage derWEA.

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26 Natur in NRW 2/14

Windenergie und Artenschutzdungsmaßnahmen dazu beitragen, erheb-liche Störungen von lokalen Populationenabzuwenden oder zu reduzieren bezie-hungsweise die mögliche Steigerung einesKollisionsrisikos für die betreffenden Artenunter ein signifikantes Niveau sinken zu lassen.Als weitere Vermeidungsmaßnahmen be-nennt der Leitfaden beispielsweise Ab-schaltalgorithmen für kollisionsgefährdeteGreifvogel- und Fledermausarten. In Zei-ten, in denen Acker- und Grünlandflächenim Windpark besonders attraktiv für jagen-de Greifvögel sind (z. B. direkt nach derErnte bzw. Mahd der Flächen), können dieWEA für einen kurzen Zeitraum tagsüberabgeschaltet werden. Fledermäuse sind bevorzugt in warmen und windarmenNächten auch in höheren Luftschichten ak-tiv; hier bietet sich eine Abschaltung wäh-rend entsprechender Witterungsbedingun-gen nachts an (vgl. BRINKMANN et al.2011). Durch eine entsprechende Gestal-tung des Mastfußbereichs kann dessen Attraktivität für nahrungssuchende Greif -vögel reduziert werden. Gerade in Kombi-nation mit der Anlage attraktiver Nah-rungshabitate abseits der WEA kann es ge-lingen, eine Lenkung der Nahrungssuch-flüge in sichere, anlagenferne Bereicheund gleichzeitig eine Verbesserung derNahrungsressourcen für diese Artengruppezu erreichen (vgl. MAMMEN et al. 2010).Sofern Brut- oder essenzielle Rast- undNahrungshabitate durch Meide-Effekteoder Störungen verloren gehen, sind dieseLebensstätten im räumlichen Zusammen-hang durch entsprechende lebensraumge-staltende Maßnahmen aufzuwerten und zuoptimieren. Für viele der WEA-empfind -lichen Arten liegen bereits ausformulierteMaßnahmenvorschläge im MKULNV-Leitfaden „Wirksamkeit von Artenschutz-maßnahmen“ vor (MKULNV 2013). Aufdiesen wird im Leitfaden „Umsetzung desArten- und Habitatschutzes bei der Pla-nung und Genehmigung von Windener -gieanlagen in Nordrhein-Westfalen“ ver-wiesen.Der Leitfaden wird alle drei Jahre eva-luiert und gilt zunächst unbefristet. Er ist verfügbar im Internet unter:www.umwelt.nrw.de/naturschutz/artenschutz/windkraft_artenschutz/ undwww.naturschutzinformationen-nrw.de/artenschutz/→ Downloads.

Literatur

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Anschriften der Verfasser

Dr. Matthias KaiserLandesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV)Fachbereich Artenschutz, Vogelschutz -warte; LANUV-ArtenschutzzentrumLeibnizstraße 1045659 RecklinghausenE- Mail: [email protected]

Dr. Ernst-Friedrich KielReferat III-4: Biotop- und Artenschutz,NATURA 2000, Klimawandel und Natur-schutz, VertragsnaturschutzDr. Phillip Fest Referat VII-3: Erneuerbare Energien, Systemintegration und Speicher Ministerium für Klimaschutz, Umwelt,Landwirtschaft, Natur- und Verbraucher-schutz des Landes NRW (MKULNV)Schwannstraße 340476 DüsseldorfE-Mail: [email protected], [email protected]

Zusammenfassung

In der Planungs- und Genehmigungspra-xis von WEA gibt es, auch nach demWindenergie-Erlass NRW immer nochzahlreiche ungeklärte Fragen bezüglichder rechtssicheren Umsetzung der not-wendigen Artenschutzprüfung (ASP)und der gegebenenfalls erforderlichenFFH-Verträglichkeitsprüfung (FFH-VP),insbesondere beim Repowering. Der vonLANUV und NRW-Umweltministeriumentwicklete Leitfaden „Umsetzung desArten- und Habitatschutzes bei der Pla-nung und Genehmigung von Windener-gieanlagen in NRW“ Leitfaden bietet denan Windenergie-Planungen Beteiligteneinen gemeinsamen Rahmen für dieDurchführung von ASP, FFH-VP, Be-standserfassungen, die Erarbeitung vonMaßnahmenkonzepten und das Monito-ring. Unter anderem werden etwa 50WEA-empfindliche Arten im hier vorge-stellten Leitfaden benannt.

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Daneben finden sich Regelungen zu ge-bietsfremden Arten auch im Pflanzen-schutzrecht (Schutz der Kulturpflanzenvor gebietsfremden Pflanzenschädlingen),im Tierseuchengesetz, im Jagd- und Fischereirecht. So ist zum Beispiel dasAussetzen gebietsfremder jagdbarer Artendurch die Landesjagdbehörde (BJagdG, § 28 Absatz 3) zu genehmigen. Das Aus-setzen gebietsfremder Fische, Neunaugen,Muscheln und Krebse sowie deren Laichist gemäß §14 LandesfischereiverordnungNRW verboten, gemäß Aquakultur-Arten-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 708/2007) genehmigungspflichtig.

Einfuhr-, Besitz- und Vermarktungsverbote

Etliche invasive Arten gelangen als ausge-musterte Aquarientiere in die Natur, sozum Beispiel Rotwangen-Schmuckschild-

kröte (Trachemys scripta elegans), RoterAmerikanischer Sumpfkrebs (Procamba-rus clarkii) oder Marmorkrebs (Procam-barus fallax f. virginalis) (CHUCOLL et al.2012). Auch im Gartenhandel und alsAquarienpflanzen werden invasive Artenangeboten, etwa Amerikanischer Stinktier-kohl (Lysichiton americanus), Nadelkraut(Crassula helmsii) oder BrasilianischesTausendblatt (Myriophyllum aquaticum).Erfahrungsgemäß sind einige der im Aqua-rien- und Gartenhandel angebotenen Exo-ten nach wenigen Jahren in siedlungsnahenStill- und Fließgewässern zu finden. Wennsie kältere Winter überleben und sich erfolgreich reproduzieren, können sie eineGefahr für heimische Arten darstellen.

Nur für einige invasive Arten bestehen gesetzliche Einfuhr-, Besitz- und Handels-beschränkungen. Durch § 3 Bundesarten-schutzverordnung sind in Deutschland Be-sitz und Vermarktung von Grauhörnchen

Herkulesstaude, Dreikantmuschel,Wollhandkrabbe, Nutall’s Wasser-pest, Späte Traubenkirsche, Bei-

fuß-Ambrosie – europaweit addieren sichdie Schäden, die durch invasive Arten jährlich verursacht werden auf mindestens12 Milliarden Euro (Generaldirektion fürUmwelt 2014). Mit der Zunahme des glo-balen Personen- und Warenverkehrs wirdauch die Zahl der eingeschleppten Artengrößer. Sie kommen als blinde Passagierein Containern, im Ballastwasser vonFrachtschiffen, als Diasporen im Pflanz-ballen exotischer Zierpflanzen, in Auto-reifen, im Verpackungsholz. Andere wer-den gezielt eingeführt und gelangen dannals verwilderte Zierpflanzen, Pelztiere,Haustiere, jagdbares Wild, oder Bienen-tracht in die Natur. Sie vermehren sich aufKosten der heimischen Arten und ver-ändern die Zusammensetzung der Lebens-gemeinschaften. Im schlimmsten Fall füh-ren sie zum lokalen Aussterben von Artenund zur Verringerung der Biodiversität.

Rechtliche Grundlagen

Mit der Konvention über Biologische Viel-falt 1992 (CBD 1992, Artikel 8h) wurdeerstmals die Verpflichtung zu Vorsorge,Kontrolle und Bekämpfung invasiver Arten eingegangen: „Jede Vertragsparteiwird die Einbringung nichtheimischer Arten, welche Ökosysteme, Lebensräumeoder Arten gefährden, verhindern, dieseArten kontrollieren oder beseitigen“. DasBundesnaturschutzgesetz setzte 2010 dievölkerrechtliche Verpflichtung in nationa-les Recht um. Nach § 40(1) sind „geeig-nete Maßnahmen zu treffen, um einer Ge-fährdung von Ökosystemen, Biotopen undArten durch Tiere und Pflanzen nichthei-mischer oder invasiver Arten entgegenzu-wirken“. Weitere Absätze des § 40 steckenden rechtlichen Rahmen zur Umsetzung.Sie beinhalten die Verpflichtung zum Monitoring (Absatz 2), zur Prävention,Kontrolle und gegebenenfalls zur Be-kämpfung (Absatz 3) sowie den sogenann-ten Genehmigungsvorbehalt (Absatz 4),wonach das Aussetzen gebietsfremder Ar-ten in die freie Natur von der zuständigenLandschaftsbehörde zu genehmigen ist.

Carla Michels

Umgang mit invasiven Arten im NaturschutzInvasive Arten sind vom Menschen eingeschleppte, gebietsfremde Arten, die sich in der Natur ausbreitenund so stark vermehren können, dass sie heimische Arten und Ökosysteme gefährden können. Einige verursachen auch ökonomische und gesundheitliche Schäden. Regelungen zu Prävention undKontrolle invasiver gebietsfremder Arten sollen den zukünftigen Umgang mit den Invasoren erleichtern.

Nach 10 Jahren „Riesen“-Weberknecht-Invasion sind Art und Herkunft noch nicht identifiziert und es besteht Monitoring- und Forschungsbedarf. Foto: C. Michels

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(Sciurus carolinensis), AmerikanischemBiber (Castor canadensis), Schnapp-schildkröte (Chelydra serpentina), undGeierschildkröte (Macroclemys temmin-ckii) verboten. Die EU-Einfuhrverordnung(Verordnung (EU) Nr. 101/2012 zur Ände-rung der VO (EG) Nr. 338/97) untersagtdie Einfuhr der invasiven Grauhörnchen(Sciurus carolinensis), Pallas-Schönhörn-chen (Callosciurus erythraeus), Fuchs-hörnchen (Sciurus niger), Schwarzkopf-Ruderente (Oxyura jamaicensis), Rotwan-gen-Schmuckschildkröte, Zierschildkröte(Chrysemys picta) und Ochsenfrosch (Lithobates catesbeiana) in die Länder derEuropäischen Union. Insbesondere durchdas Besitz- und Vermarktungsverbot wirddie Ausbreitung einer noch nicht in derbiogeografischen Region verbreiteten, invasiven Art wirksam eingedämmt, eineAusweitung auf weitere Problemartenscheint daher geboten. Allerdings zeigt dasBeispiel der Schmuckschildkröten, dassindizierte Arten vom Handel schnell durchverwandte Arten ersetzt werden können.So wurden statt der verbotenen Rotwan-gen-Schmuckschildkröte und Zierschild-kröte die Gelbwangen-Schmuckschild-kröte (Trachemys scripta scripta) und wei-tere verwandte Arten auf den Markt ge-bracht, die ähnliche Probleme wie die bei-den mit Einfuhrverbot belegten Arten er-warten lassen – ein Hase-und-Igel-Spiel!

EU-Gesetzesinitiative zum Umgang mit invasiven Arten

Da die Ausbreitung invasiver Arten an denLändergrenzen nicht halt macht, arbeitet dieEU an einem verbindlichen Rechtsrahmen,der ein EU-weit koordiniertes Vorgehen er-möglichen soll. Aufbauend auf den Leitli-nien zur Prävention und Verhinderung derEinbringung (Guiding principles 2002), derKonvention über biologische Vielfalt, die

den Vorrang der Prävention vor der Be-kämpfung einforderten, folgte im Jahr 2008das EU-Papier „Hin zu einer EU-Strategiefür den Umgang mit invasiven Arten“, dasdiesen Grundsatz aufgreift und die Notwen-digkeit eines europäischen Vorgehens be-gründet. Im Herbst 2013 wurde dann derEU-Verordnungsvorschlag herausgebracht(Generaldirektion für Umwelt 2014), derein EU-weit koordiniertes Vorgehen gegeninvasive gebietsfremde Arten in Gesetzes-form gießen soll. Der Entwurf sieht vor, diebekannten gebietsfremden, invasiven Arteneiner Risikoanalyse nach normierten Krite-rien zu unterziehen und in einer Liste zupriorisieren. Dabei sollen die Biologie derArt sowie das potenzielle Schadensaus-maß und ökologische, wirtschaftliche und soziale Aspekte berücksichtigt werden. DerSchwerpunkt wird auf Präventionsmaßnah-men gelegt; sie umfassen Einfuhr-, Ver-marktungs-, Besitz-, Tausch- und Trans-portverbote sowie Grenzkontrollen und die Überwachung artspezifischer Ausbrei-

tungspfade. Für Ansiedlungen, die den Prä-ventionsmaßnahmen entgangen sind, siehtder Entwurf eine Verpflichtung zur Früher-kennung und sofortigen Tilgung vor. Be-reits etablierte verbreitete Arten, bei denender Tilgungsaufwand im Hinblick auf diezu erwartenden ökologischen, wirtschaft-lichen und sozialen Vorteile zu hoch wäre,sind zu kontrollieren und einzudämmen.Von den 1.500 bis 1.800 bekannten invasi-ven Arten sollen im ersten Schritt nur die 50 EU-weit bedeutsamsten invasiven Ar-ten, die in einer Liste geführt werden, insVisier genommen werden. Der Schwer-punkt bei der Auswahl soll auf Arten gelegtwerden, die noch nicht oder nur in räumlicheng begrenzten Teilen der EU vorkommen.Den Ländern steht offen, Maßnahmen fürweitere national bedeutsame, invasive Ar-ten zu ergreifen. Erst nach der Auswertungder mit der Verordnung gemachten Erfah-rung ist vorgesehen, den Geltungsbereichgegebenenfalls auf ein größeres Artenkol-lektiv zu erweitern.

Artname Wissenschaftlicher Vorkommen Name in NRW

Nadelkraut Crassula helmsii X

Großer Wassernabel Hydrocotyle ranunculoides X

Wechselständige Wasserpest Lagarosiphon major X

Großblütiges Heusenkraut Ludwigia grandiflora X

Kent‘s Heusenkraut Ludwigia x kentiana

Amerikanischer Stinktierkohl Lysichiton americanus X

Brasilianisches Tausendblatt Myriophyllum aquaticum X

Verschiedenblättriges Tausendblatt Myriophyllum heterophyllum X

Pontischer Rhododendron Rhododendron ponticum

Braunrote Schlauchpflanze Sarracenia purpurascens

Tab. 1: Aktionsliste der Schwarzen Liste der Gefäßpflanzen Deutschlands (NEHRING et al.2013).

Das Brasilianische Tausendblatt (Myriophyllum aquaticum) hatsich bislang nur in wenigen Gewässern aber rasch und groß flächigausgebreitet. Foto: A. Hussner

Der Waschbär (Prokyon lotor) hat sich im Osten Nordrhein-West-falens stark vermehrt und hat dort negativen Einfluss auf Amphi-bien-Laichpopulationen. Foto: H. Vierhaus

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NeobiotaSchwarze Listen für Deutschland

Auf Bundesebene wurden bereits Listeninvasiver Arten publiziert, 2010 die der invasiven Fische (NEHRING et al. 2010) und2013 die der invasiven Gefäßpflanzen(NEHRING et al. 2013), die sogenanntenSchwarzen Listen. Schwarze Listen fürweitere Tiergruppen sollen folgen. Auchhier wird dem Präventionsgedanken Rech-nung getragen, indem die Prioritäten aufEinfuhrkontrolle, Früherkennung, schnelleTilgung und Monitoring gelegt werden. So wurden zunächst diejenigen invasivenPflanzen- und Tierarten in einer Warnlisteaufgenommen, die in Deutschland nochnicht vorkommen, deren Schadenspoten-zial aus anderen Ländern belegt ist und deren Einschleppung mutmaßlich auch in Teilen Deutschlands schädlich wäre(RABITSCH et al. 2013). Mit hoher Prioritätist die Einführung oder Einschleppung dieser Arten durch präventive Maß-nahmen, etwa Handelsbeschränkungen, zuverhindern. Die Warnliste der in Deutsch-land noch nicht vorkommenden invasivenTiere und Pflanzen enthält zehn Gefäß-pflanzen-Arten.Zehn weitere Arten stehen auf der Aktions-liste der Schwarzen Liste der Gefäßpflan-zen, darunter sieben Arten, die auch inNordrhein-Westfalen vorkommen. Unterden invasiven Arten priorisiert die Aktions-liste Arten mit bisher nur kleinräumigerVerbreitung. Außerdem ist für diese Artennachgewiesen, dass sie nachteilige Wir-kungen auf Flora und/oder Fauna habenund dass Methoden zur wirksamen undnachhaltigen Bekämpfung existieren. Jedeseinzelne Vorkommen der Arten der Aktions-liste soll bekämpft werden. Sieben der zehnPflanzenarten der Aktionsliste sind Was-serpflanzen. Sofern sie in Fließgewässernwie zum Beispiel der Große Wassernabel(Hydrocotyle ranunculoides) in Erft und

Niers vorkommen, ist eine nachhaltige Bekämpfung besonders schwierig, da Diasporen und Sprossfragmente verdriftetwerden. Auch die submers wachsenden,zum Teil in größerer Tiefe wurzelnden invasiven Myriophyllum-Arten, die sichaus kleinsten Sprossfragmenten regenerie-ren können, sind schwer zu bekämpfen.Genauso wie das Nadelkraut (Crassulahelmsii), das im Fühlinger See, einem 100Hektar großen Baggersee-Komplex imnördlichen Kölner Stadtgebiet, als zumTeil dominante Art in bis zu acht MeternTiefe vorkommt (www.tauchseen-portal.de/see/nrw/koeln/fuehlinger-see).

Auf der Managementliste der SchwarzenListe stehen weitere 28 invasive Pflanzen-arten, die eines der oben angeführten Kriterien nicht erfüllen, das heißt bereitsweit verbreitet oder nicht bekämpfbar sind,zum Beispiel Herkulesstaude (Heracleum mantegazzianum), Japanischer Knöterich(Reynoutria japonica) oder Douglasie(Pseudotsuga menziesii). Gegen diese Arten sollen Maßnahmen ergriffen wer-den, um einer Besiedlung größerer bisherunbesiedelter Räume vorzubeugen, oderum lokal Schaden von gefährdeten Artenund Lebensräumen abzuwenden.

Im Gegensatz zu dem EU-Vorschlag gehenwirtschaftliche und gesundheitliche Schä-den nicht in die Invasionsbewertung desBundes ein, so dass eine Art wie die Bei-fuß-Ambrosie (Ambrosia artemisiifolia) in der Schwarzen Liste fehlt. Als Acker-unkraut und allergene Pflanze verursachtsie europaweit die größten wirtschaft-lichen Schäden unter den invasiven Artenüberhaupt. Für die heimische Tier- undPflanzenwelt ist sie aber nach derzeitigemKenntnisstand kein Problem. Sie findetsich zusammen mit 41 weiteren Pflanzen-arten in der sogenannten Grauen Liste. Indieser Grauen Liste werden weitere poten-ziell invasive Arten aufgelistet, bei denen

ein negativer Einfluss auf die Biodiversitätzwar anzunehmen („begründeter Ver-dacht“), aber nicht belegt ist (NEHRING etal. 2010).

Neobiota-Portal NRW

Das Land Nordrhein-Westfalen unterhältmit dem Neobiota-Portal (http://neobiota.naturschutzinformationen-nrw.de) beimLANUV eine Informationsplattform überdie invasiven Arten in Nordrhein-West-falen. Sie enthält aktuell 45 (potenziell) in-vasive Neophyten und Neozoen und wirdlaufend aktualisiert. Über jede einzelne Artwird in den Abschnitten Biologie, Lebens-raum, Herkunft, Ausbreitungswege, Aus-wirkungen auf Flora und Fauna, Präven-tion und Bekämpfung ausführlich infor-miert. Eine Verbreitungskarte in NRW sowie aktuelle Links und umfangreiche Literaturangaben vervollständigen das Informationsangebot.

Großblütiges Heusenkraut (Ludwigia grandiflora)

Das Großblütige Heusenkraut besiedeltFlachwasserbereiche stehender und lang-sam fließender Gewässer und nasse Wie-sen, wo sie im flachen Wasser dichte Mat-ten bildet und den Lichteinfall und dieFließgeschwindigkeit des Gewässers starkverringert. Die absterbende Biomasse sedimentiert und verursacht Sauerstoff-mangel und einen Anstieg des pH-Wertes(DANDELOT et al. 2004, 2005). Das Groß-blütige Heusenkraut beeinträchtigt dasWachstum anderer Pflanzenarten durch allelopathische (= wachstumshemmende)Substanzen (DANDELOT et al. 2008). GroßeMassenbestände sind vor allem aus Frank-reich bekannt, wo es sich von Südfrank-reich nach Norden ausgebreitet hat undgroße Schäden bei Schifffahrt, Wasserwirt-schaft, Tourismus und Fischerei verur-

Das Großblütige Heusenkraut (Ludwigia grandiflora) ist in NRWbisher noch nicht aufgetreten.

Foto: A. Hussner

Der sich derzeit massiv ausbreitende Signalkrebs (Pacifastacusleniusculus) trägt die tödliche Krebspest in die Flussoberläufeund letzten Refugialgebiete des heimischen Edelkrebses.

Foto: U. Römer

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Neobiotasachte. Einzelvorkommen sind auch ausGroßbritannien, Belgien, den Nieder-landen und der Schweiz gemeldet worden,wo es zum Teil erfolgreich getilgt werdenkonnte. In Deutschland wurde ein großerBestand an der Leda in Niedersachsen ent-deckt und beseitigt (NEHRING & KOLTHOFF

2011). Es wird durch Verdriftung und Ver-schleppung von Sproß- und Wurzelfrag-menten verbreitet, möglicherweise auchdurch Wasservögel. Das Großblütige Heu-senkraut steht auf der Aktionsliste derSchwarzen Liste Deutschlands. In Nord-rhein-Westfalen ist es bisher noch nichtaufgetreten. Mit den nächsten Vorkommenin Holland und Belgien steht es aber un-mittelbar vor unserer Haustür. Jedes Vor-kommen sollte gemeldet und möglichstohne Zeitverzug durch die Landschafts-behörde getilgt werden.

Signalkrebs (Pacifastacus leniusculus)

Der Signalkrebs ist nach dem Kamber-krebs (Orconectes limosus) die häufigstegebietsfremde Flußkrebs-Art (www.edel-krebsnrw.de/krebse_frame.htm ). Er wurdeals Ersatz für den zurückgehenden Edel-krebs angesiedelt, dem er hinsichtlich Lebensweise, Aussehen und Körpergrößesehr ähnelt. Wie alle amerikanischenFlusskrebsarten überträgt auch er – selbstrecht unempfindlich gegen den Erreger –die für den Edelkrebs tödliche Krebspest.Aufgrund seiner Robustheit, Aggressivitätund höheren Vermehrungsrate verdrängt erden Edelkrebs auch ohne Krebspest-Infek-tion. Er besiedelt ähnliche Gewässer wieder Edelkrebs und breitet sich derzeit mas-siv aus. Anders als der Kamberkrebs steigter auch in die sommerkühlen Gewässer-oberläufe der Mittelgebirge auf, wo er denEdelkrebs in seinen letzten Rückzugs-räumen bedroht. Angesichts der bereitsgroßen Bestände und der weiten Verbrei-tung ist eine Totalbekämpfung nicht mehrmöglich. Es gilt aber durch offensive Auf-klärung das Aussetzen des Signalkrebses

und anderer amerikanischer Krebsarten,die alle Überträger der Krebspest sind, indie freie Natur zu verhindern. Auch ist der Rückbau von Fließgewässer-Querbau-werken im Einzelfall abzuwägen, wenndurch die entstehende Barrierefreiheit einebedeutsame Refugialpopulation des Edel-krebses bedroht würde. Die Entwicklungfischpassierbarer Krebssperren muss wei-ter vorangetrieben werden.

Kanadagans (Branta canadensis)

Kanadagänse wurden als ansehnliche Exo-ten gerne in Tiergärten und Parks gehalten.Die Nachkommen wurden nicht immerflugunfähig gemacht und konnten in die Freiheit entkommen. Sie wurden zuStammeltern einer seit den 1970er Jahrenstark anwachsenden Freilandpopulation.Es wurden jährliche Zuwachsraten von 15Prozent ermittelt (GEITER et al. 2002). Siebrüten an verschiedensten Gewässertypeneinzeln oder in Kolonien. Größere Gänse-trupps können Schilfröhrichte durch Fraßschädigen. Dies gilt allerdings sowohl fürdie Kanada- als auch für die heimischeGraugans (Anser anser), mit der sie amBrutplatz um Ressourcen konkurrierenkann. Da gleichzeitig häufig auch Bisam(Ondatra zibethicus) und/oder Nutria(Myocastor coypus) beteiligt sind, lassensich die Röhrichtschäden nicht immer ein-deutig den Gänsen zuordnen. Der Verlustvon Röhrichten wirkt sich negativ auf dieTierarten des Röhrichts, zum BeispielRohrammer oder Teichrohrsänger aus. DieKonkurrenz gegen die Graugans stellt keine Gefährdung dar, da auch die Grau-gans wachsende Populationen hat (SUD-MANN 2013). Probleme gibt es an städti-schen Parkgewässern und Badeseen durchVerunreinigungen mit Kot, der sich imSommer während der Jungenaufzucht- undMauserzeit auf Liegewiesen und Parkrasenreichlich ansammeln kann und die Frei-zeitnutzung beeinträchtigt. Angesichts derstark zunehmenden Populationen wurdedie Kanadagans ins Jagdrecht aufgenom-men und darf vom 16. Juli bis 31. Januargeschossen werden. Ein Monitoring überdie weitere Ausbreitung und die Auswir-kungen auf die Gewässerlebensräume istwünschenswert.

Beifuß-Ambrosie (Ambrosia artemisiifolia)

Die hoch allergene Beifuß-Ambrosie ver-ursacht Heuschnupfen und Asthma. Alsspätblühende Sommerannuelle verlängertsie die Heuschnupfensaison in den Herbst.Eingeschleppt mit Vogelfutter wächst sieauf Brach- und Schuttflächen, an gestörtenPlätzen, Weg- und Straßenrändern und alsAckerunkraut in der Feldflur. Der jährlicheSchaden in Landwirtschaft und Gesund-heitswesen in der Europäischen Union be-läuft sich auf geschätzte 4,5 Milliarden €und damit auf mehr als ein Viertel der ge-

schätzten Gesamtkosten für alle invasivenArten zusammen (Generaldirektion Um-welt 2014). In NRW ist die Beifuß-Am-brosie die erste invasive Pflanzenart, diesystematisch landesweit bekämpft wird.2007 wurde beim LANUV eine Melde-stelle eingerichtet (www.lanuv.nrw.de/natur/arten/ambrosia.htm). Bis Ende 2013gingen dort 428 Ambrosia-Meldungen ein.Die Meldestelle veranlasst die Bekämp-fung bei den Städten und Gemeinden.Rechtsgrundlage ist das Ordnungsrecht(Gesundheitsvorsorge, Gefahrenabwehr).Nach Einführung einer Ergänzung im EU-Futtermittelrecht 2012, die die EinfuhrAmbrosia-haltiger Futtersaaten EU-weitunterbindet, stagnierte die Zahl der neu ge-meldeten Vorkommen, gleichzeitig konn-ten die großen, selbst reproduzierendenAmbrosia-Bestände durch die Bekämp-fung drastisch reduziert werden (MICHELS

2013, 2014). Ob die Invasion wirksam ein-

Die Kanadagans wurde wegen stark wachsender Populationen ins Jagdrechtaufgenommen. Foto: C. Michels

Beifuß-Ambrosie (Ambrosia artemisiifolia)Foto: C. Michels

Herkunft und der Artzugehörigkeit des„Riesen“-Weberknecht (Leiobunum spec.)sind bislang noch ungeklärt.

Foto: C. Michels

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gedämmt werden kann, wird sich in dennächsten Jahren herausstellen. Entscheidenddabei wird sein, ob es gelingt, die Aus-breitung an Straßenrändern zu verhindern.Die Verbreitung durch Kraftfahrzeuge imvordersten Bankettbereich hat das Vogel-futter nach seiner Unschädlichmachungdurch die neue EU-Futtermittelverordnungals Hauptausbreitungsvektor abgelöst(NAWRATH & ALBERTERNST 2011).

„Riesen“-Weberknecht (Leiobunum spec.)

In den vergangenen 10 Jahren hat sich aus-gehend von den Niederlanden ostwärts einlangbeiniger Weberknecht ausgebreitet,der inzwischen bereits Berlin erreicht hat(FRIMANN & NEUMANN 2011). Besondersim Ruhrgebiet war eine rasche Ausbrei-tung von West nach Ost und eine starke Zunahme der Bestände zu beobachten. Die Tiere sitzen tagsüber in Gruppen vonmehreren Hundert an wind- und regen-geschützten Hauswänden, in Mauernischenoder Unterführungen. Auffallend ist dassynchrone Auf- und Niederschwingen derdicht gedrängt sitzenden Körper, wennman sich nähert, das als Abwehrverhaltengedeutet wird. Ausgehend von einem frühen Fund in den Niederlanden wird spekuliert, dass die große und sehr auf-fällige Art mit Warentransporten über denRotterdamer Hafen eingeschleppt wurde.Bis heute – zehn Jahre nach Beginn der Invasion – ist das Rätsel der Herkunft undder Artzugehörigkeit noch immer unge-

löst. Weberknechte leben räuberisch – sieernähren sich von Kleinstlebewesen amBoden und in der Laubstreu. Es ist anzu-nehmen, dass die massiven Populations-zuwächse des nächtlichen Räubers Aus-wirkungen auf die heimische Bodenlebe-welt haben, doch die Kenntnislage ist dürftig. So wirft der unbekannte „Riesen“-Weberknecht ein Schlaglicht auf die oftunzureichenden Kenntnisse bei Invasionenund den großen Forschungs- und Monito-ringbedarf.

Literatur

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Anschrift der Verfasserin

Dipl. Biol. Carla MichelsLandesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV)Fachbereich Biotopschutz, VertragsnaturschutzLeibnizstraße 1045659 RecklinghausenE-Mail: [email protected]

Zusammenfassung

Das Europäische Parlament und der Rat haben im Herbst 2013 einen Verord-nungsvorschlag über Prävention undKontrolle invasiver gebietsfremder Arten vorgelegt, der nun in den Mit-gliedsstaaten zu beraten sein wird. Kern-punkt des Vorschlags ist die Auswahlvon 50 invasiven Pflanzen- und Tier-arten, für die dann EU-weit die Ver-pflichtung von Prävention und Kon-trolle bestehen soll. Das Bundesamt fürNaturschutz legte im Herbst 2013 eineListe, die sogenannte Aktionsliste vonzehn in Deutschland prioritär zu be-kämpfenden invasiven Pflanzenartenvor, weitere 28 Pflanzenarten stehen aufder sogenannten Managementliste derSchwarzen Liste Gefäßpflanzen. Anfünf Einzelbeispielen werden die not-wendigen Maßnahmen und die Schwie-rigkeiten im Umgang mit invasiven Arten beleuchtet.

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Der Amerikanische Stinktierkohl (Lysichi-ton americanus), eine großblättrige Stau-de, die sich in Quelle- und Auernwäldernausbreiten kann, steht auf der Aktionslisteder Schwarzen Liste Deutschlands.

Foto: C. Michels

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Ökologische Baubegleitung

dungen 2 und 3 zeigen videoendoskopi-sche Aufnahmen des gleichen Quartiers zu verschiedenen Zeiten innerhalb einesJahres. Im Mai war die Baumhöhle vonAbendseglern bewohnt. Im Juli war die-selbe Höhle von einer Myotis-Art belegt.Neben einer nachgeschalteten Nutzungverschiedener Fledermausarten gibt esauch gleichzeitige Vergesellschaftungenmehrerer Arten.

Hier ist explizit anzumerken, dass es nurbei entsprechend ausgestalteten Höh-lungen möglich ist, diese endoskopischvollständig einzusehen und einen momen-tanen Besatz gesichert auszuschließen. DieMehrzahl der Baumhöhlen lassen sich aberaufgrund ihrer Dimension oder Ausgestal-tung nicht vollständig einsehen.

PraxisbeispielAnhand des folgenden Beispiels aus einemLeitungsbauprojekt soll ein Einblick inpraktische Aufgabenstellungen der ÖBBmit dem Teilaspekt der Fällung von Bäu-men mit potenziellen und tatsächlichenFledermausquartieren aufgezeigt werden.Im Zuge eines Leitungsbauprojektes wurde ein etwa 30 Meter breiter Arbeits-streifen eingerichtet. Innerhalb dieserTrasse wurden sämtliche Gehölze entfernt.Im Rahmen von Voruntersuchungen konn-ten mehrere Abendsegler-Winterquartierein Bäumen ermittelt werden, die jedoch imRahmen der Baufeldräumung weichenmussten. Zur Vermeidung von direkten Individuenverlusten sollten, gemäß derVorgaben aus dem Landschaftspflege-

Die ökologische Baubegleitung (ÖBB)soll eine unabhängige Begleitungund Dokumentation der geneh-

migungskonformen Abwicklung gewähr-leisten. Gleichsam sollen Problemstellenund auch Missstände dokumentiert wer-den. Die ÖBB stellt daneben das fachliche Bindeglied zwischen Bauleitung, Umwelt-behörden, und -verbänden oder weiterenBetroffenen dar. Meist beginnt der Einsatzder ÖBB erst mit dem tatsächlichen Bau-beginn. Durch eine frühzeitige Integrationbereits in der Planungsphase nach der Genehmigungserteilung können Konfliktedurch eine terminliche Abstimmung derBaumaßnahmen mitunter gänzlich vermie-den oder teils deutlich minimiert werden.

Fledermausquartiere an Bäumen

Fledermäuse sind nicht in der Lage, sichselbst geeignete Schlafplätze zu schaffen,daher sind „Waldfledermäuse“ auf ein natürliches Baumhöhlenangebot angewie-sen. Grundsätzlich sind Quartiere dieserArtengruppe vom Stammfuß bis in denKronenbereich eines Baumes möglich.Auch Bäume mit geringem Brusthöhen-durchmesser können Fledermausquartierebeherbergen. Höhlungen, die eine poten-zielle Eignung als Fledermausquartier be-sitzen, sind in der Regel hinter der Ein-flugöffnung nach oben ausgefault, frei vonZugluft und es dringt kein Regenwasservon oben in die Höhlung ein (MESCHEDE &HELLER 2000).

Die Quartiere können für die Tiere zu den verschiedenen phänologischen Phasen jeweils eine unterschiedliche Bedeutung haben (Winterquartier, Zwischen-/Männ-chenquartier, Wochenstubenquartier, Balz-quartier). Artspezifisch werden die Quar-tiere mitunter innerhalb weniger Tage ge-wechselt (DIETZ et al. 2007). Die Abbil-

Christian Soller

Die ökologische Baubegleitung bei BaumfällungenDer Einsatz einer ökologischen Baubegleitung (ÖBB) bei der Fällung von Bäumenmit Fledermausquartieren.

In den vergangenen Jahren haben die Ansprüche an die ökologischen Belange in der Planung und Umsetzung von Baumaßnahmen, nicht zuletzt durch die Stärkung des Artenschutzes in den beiden Novellen des BNatSchG in 2007 und 2010, deutlich zugenommen. Das Instrument der ÖBB wird insbesondere im Rahmen von Groß- und Infrastrukturprojekten eingesetzt. Daneben werden spezielleVorhaben, die artenschutzrechtliche Verbotstatbestände, wie den Verlust von Fledermausquartieren, auslösen könnten, vermehrt ökologisch fachlich begleitet.

Endoskopische Baumhöhlenkontrolle mittels Seilklettertechnik Foto: N. Noel/C. Soller

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Ökologische Baubegleitung

rischen Begleitplan, potenzielle und fest-gestellte Abendsegler-Quartiere vor derenBezug im Herbst nach vorheriger Kon-trolle verschlossen werden.Die Planfeststellung des Gesamtprojekteswurde jedoch, entgegen des geplanten Ge-nehmigungstermins, erst im Winter erteilt,so dass die Winterquartiere im Trassen-bereich eventuell bereits bezogen waren.Da der Holzeinschlag aber bis zum 1. Märzabgeschlossen sein musste, wurden dieBaumhöhlen, soweit erreichbar, mittelsLeiter und Seilklettertechnik auf einen Fle-dermausbesatz kontrolliert. Problematischwar die Lokalisation der im Rahmen derVoruntersuchungen festgestellten Baum-höhlen im Gelände, da dabei eine ein-

deutige Markierung während der Kartie-rungsarbeiten nicht erfolgte und die derÖBB zur Verfügung stehenden Bauausfüh-rungspläne nur allgemein Trassenabschnittemit Fledermausquartieren auswiesen. Derfledermauskundliche Originalbericht derVoruntersuchung konnte der ÖBB ebenfallsnicht zur Verfügung gestellt werden.Verschiedene Höhlenbäume und tote Bäume standen am Rande der geplantenTrasse. Eine Beeinträchtigung des Bauab-laufs durch diese Gehölze war nicht anzu-nehmen. In Abstimmung mit der Bau-leitung wurden die Bäume markiert undgänzlich vom Holzeinschlag ausgenommen.Die ökologische Funktion dieser natur-schutzfachlich hochwertigen Gehölze

konnte somit erhalten und der Eingriff minimiert werden. Bäume deren Höh-lungen als Fledermausquartier ungeeignetoder nachweislich ohne Besatz waren,wurden verschlossen und von der ÖBB zurFällung freigegeben. In einem Quartier-baum wurden videoendoskopisch mehrereüberwinternde Abendsegler festgestellt.Von der ÖBB wurde die Bauleitung infor-miert und der Quartierbaum blieb zunächstvom Holzeinschlag ausgespart (Abb. 4).

Abb. 1: Beispiele für Fledermausquartiere an Bäumen (MESCHEDE & HELLER 2000 ver-ändert durch KOWARIK et al. 2011).

Abb. 2: Endoskopaufnahme eines Baum-quartiers mit Abendseglern.

Foto: C. Soller

Abb. 3: Endoskopaufnahme eines Baum-quartiers mit einer Myotis-Art.

Foto: C. Soller

Abb. 4: Aussparung eines Quartierbaumsim Zuge der Baufeldräumung.

Foto: C. Soller

Anschließend wurde das Quartier im Früh-jahr wiederholt mittels Seilklettertechnikkontrolliert und erst nach dem sicherenVerlassen der Tiere im April gefällt (Abb. 5).

Abb. 5: Kontrolle eines Abendsegler-Win-terquartiers mittels Seilklettertechnik.

Foto: C. Soller

Einzelne Baumhöhlen befanden sich imTotholz zum Teil in größeren Höhen, sodass sie mittels Leiter nicht erreichbar waren. Aufgrund mangelnder Standfestig-keit der toten Bäume war auch der Einsatzvon Seilklettertechnik nicht möglich. Dadie Bäume in einem Erlenbruch standen,war wegen des weichen Untergrundes und der eingeschränkten Erreichbarkeit die

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Ökologische Baubegleitung

Nutzung eines Hubsteigers ebenfalls nichtmöglich. Eine Kontrolle der Höhlen amstehenden Gehölz war daher mit den zurVerfügung stehenden Mitteln nicht durch-zuführen. Mittels Greifbagger (Abb. 6)wurden die Bäume letztendlich im Bereichder Höhlung fixiert und möglichst schonendzu Boden gelegt, wo sie anschließend aufFledermausquartiere kontrolliert wurden.Anschließend wurde der Höhlenbaum vomBagger am Rand der Trasse wieder auf-recht in den moorigen Untergrund ge-drückt, wodurch eine potenzielle Nutzungder Höhle weiterhin gegeben war. Vor-geschlagen wurde von der ÖBB auch das analoge Aufstellen weiterer gefällterBäume, um eine Anreicherung mit stehen-dem Totholz zu erreichen.Für den Verlust von tatsächlichen und potenziellen Fledermaus-Winterquartierenwaren zahlreiche Fledermauskästen alsKompensation vorgesehen, die durch dieÖBB angebracht wurden. Eine Erfolgs-kontrolle, ein Risikomanagement oder eine Betreuung der Ersatzquartiere warennicht Bestandteil der Genehmigung. Einenachfolgende eigenständige Kontrolle derKästen zeigte, dass alle drei angebrachtenKastentypen (Flachkästen, Sommer-Klein-höhle, Winter-Großhöhle) durch Vögel besiedelt waren. Die Funktion der Kästenals Kompensationsmaßnahme für kon-kurrenzschwächere Fledermausarten wardemnach nur noch eingeschränkt odernicht mehr gegeben (HÜBNER 2002).

Fazit

Im Rahmen einer ÖBB stehen aus zeit-lichen Gründen meist nur kurzfristige Untersuchungsmethoden wie die Video-endoskopie mit ihrer eingeschränkten Aus-

sagekraft zur Verfügung. Durch Mulm-untersuchungen besteht gegebenenfallsnoch die Möglichkeit durch indirekte Hin-weise wie Kot oder Haare die Nutzung einer Höhle durch Fledermäuse festzustel-len (TEERINK 1991). Die zur Durchführungder ÖBB eingesetzten Personen sollten je-doch über Erfahrungen für solche Spezial-untersuchungen verfügen. Anderenfallssollten unbedingt entsprechende Fachleutehinzugezogen werden.Der Einsatz einer ÖBB ist grundsätzlichnicht geeignet, Defizite in der Daten-erhebung im Vorfeld zu beheben oder gareine projektspezifische Geländeerhebungim Vorfeld komplett zu ersetzen. Belast-bare Aussagen über den Besatz einerBaumhöhle lassen sich nur durch geeig-nete Voruntersuchen und gegebenenfallsdie Kombination verschiedener Nachweis-methoden erbringen.Mitunter verbleibt trotz eingehender Vor-untersuchungen eine Restunsicherheit überdie Nutzung einer Baumhöhle. In diesemFall sollte die Möglichkeit gegeben sein,den Bauablauf durch die ÖBB entspre-chend zeitlich oder in Ihrer Ausführung an-zupassen. Solche Anpassungen lassen sichmöglichst konfliktarm anbringen, wenndie ÖBB frühzeitig in die Planung desBauablaufs vor dem eigentlichen Bau-beginn eingebunden wird.Insbesondere der Hinweis auf rechtlicheVorgaben (besonders aus dem Arten-schutz) lässt die ÖBB häufig als „bau-behinderndes Instrument“ erscheinen. Flexible, pragmatische und mitunter krea-tive Lösungen unter Einbeziehung der zurVerfügung stehenden zahlreichen Mittelneiner Baustelle können helfen, die Akzep-tanz deutlich zu erhöhen. Die Vermeidungartenschutzrechtlicher Verbotstatbestände

Anschrift des Verfassers

Dipl.-LandschaftsökologeChristian SollerIngenieur- & Sachverständigenbüro Thomas Baum Nordwohlder Dorfstraße 47 27211 Bassum-NordwohldeE-Mail: [email protected]

Zusammenfassung

Der Erhalt eines Fledermausquartiersstellt immer die beste Lösung dar, istaber in der Umsetzung geplanter Vor-haben nicht immer möglich. Zur Ver-meidung von direkten Individuenverlus-ten wird die Fällung von Bäumen mitpotenziellen oder bekannten Fleder-mausquartieren mitunter durch eineökologische Baubegleitung fachlich be-gleitet. Quartiere können in allen Teilenund Höhen sowie auch in Bäumen ge-ringer Mächtigkeit vorhanden sein. Gesicherte Aussagen über die Nutzungvon potenziell geeigneten Baumquartie-ren durch Fledermäuse lassen sich nurdurch entsprechende Voruntersuchungenerbringen. Im Rahmen einer ökologi-schen Baubegleitung (ÖBB) können nur kurzfristige Untersuchungen zummomentanen Fledermausbesatz vonQuartieren erbracht werden. Dabei ist es nicht bei allen Höhlen möglich, einen gesicherten Negativ-Nachweis zuerbringen.

steht jedoch an erster Stelle und kann zuzeitlichen und daraus folgend zu mone-tären Belastungen im Bauablauf führen.

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Abb. 6: Vorsichtiges Niederlegen eines Höhlenbaums mittels Bagger mit Greifwerkzeug.Foto: C. Soller

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Emschermündung

ser vorgenommen und der bisherige Mün-dungsabsturz durch flache, für die Fisch-fauna passierbare Sohlgleiten ersetzt. DasGewässer wird dabei in drei Arme aufge-spalten (Emschergenossenschaft 2013b).

Untersuchungen

Seit mindestens 2002 ist bekannt, dass imMündungsbereich unterhalb und oberhalbdes noch bestehenden Absturzbauwerkeszahlreiche Wasservögel rasten, wie es vor

dem Abschalten der Kläranlage KleineEmscher auch an der Kleinen Emscher inDuisburg bekannt war (MEßER 2002). SeitHerbst 2003 werden jeweils von Septem-ber bis April monatliche Wasservogelzäh-lungen im Zusammenhang mit der inter-nationalen Wasservogelzählung am Nie-derrhein durchgeführt. Darüber hinaus hatdie Emschergenossenschaft Dekadenzäh-lungen (drei Zählungen je Monat) von2005 bis 2007 von der Mündung bis zurKläranlage Emschermündung durchführen

Die Emscher wurde Anfang des 20.Jahrhunderts zur Sicherstellung einer geordneten Abwasserablei-

tung und zum Hochwasserschutz in einemdurch Bergsenkungen massiv verändertenurban-industriellen Ballungsraum begradigt,vertieft, eingedeicht und von ursprünglich109 Kilometern auf 81 Kilometer verkürzt.Die Mündung wurde infolge von Abfluss-veränderungen durch Bergsenkungenzweimal verlegt (Emschergenossenschaft1999); sie mündet heute etwa acht Kilo-meter weiter nördlich als vor gut 100 Jah-ren in den Rhein. Die Emscher fließt heuteüber Oberhausen und Dinslaken zumRhein, nördlich an Duisburg vorbei; dieRelikte der früheren Flussläufe, Alte undKleine Emscher in Duisburg, sind heutenoch vorhanden. Die dort anfallendenWassermengen werden über Pumpwerkein den Rhein abgeleitet. Über das KlärwerkEmschermündung wird zurzeit die ge-samte Abwasser führende Emscher ge-klärt, so dass auf den verbleibenden siebenKilometern bis zum Rhein in der Regel gereinigtes Abwasser abfließt.Bezüglich der Gewässerstrukturgüte giltdie Emscher aufgrund der Ausbauvorge-schichte an der Mündung als „vollständigverändert“. Die biologische Gewässergütekann unterhalb des Klärwerks Emscher-mündung nach dem Saprobienindex (DIN38410) als „mäßig“ bewertet werden, einigeTierarten aus der Wirbellosenfauna be-siedeln diesen Abschnitt in teils großer Individuendichte (Emschergenossenschaft2013a). Gebietstypische Beeinträchtigun-gen der Wasserqualität bestehen bei ver-schiedenen Parametern/Parametergruppenwie Chlorid, Sulfat und Metallen.Seit 1992 werden die Emscher und ihreNebenläufe im Generationenprojekt Em-scher-Umbau mit einem Investitionsvolu-men von 4,5 Mrd. Euro umgebaut. Bis2020 soll wieder ein naturnahes Fluss-system entstehen, dabei werden 400 Kilo-meter unterirdische Abwasserkanäle ge-baut und 350 Kilometer Fluss- und Bach-läufe naturnah umgestaltet. Zurzeit wirdauch mit dem naturnahen Umbau der Emschermündung begonnen. Dabei wirddie Mündung erneut weiter nach Nordenverlegt, eine Aufweitung der Gewässer-sohle mit Anlage naturnaher Auengewäs-

Johannes Meßer, Paul Schnitzler

Die Emschermündung: Vogelweltan einem Fluss im WandelNoch ist die Mündung der Emscher ein erheblich verändertes Gewässer mit einer stark eingeschränkten Gewässergüte, das aber für Wasservögel und Fledermäuse ein herausragendesNahrungshabitat darstellt.

Abb. 1: Emschermündung Foto: Emscher Wassertechnik GmbH

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Abb. 2: Verteilung ausgewählter Entenarten über den Winter an der Emschermündung(Mittelwerte 2003 bis 2013)

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Emschermündung

lassen. Außerdem wird seit 2007 auf die-sem Abschnitt jeden Winter eine Mitwin-terzählung vorgenommen. Weitere Deka-denzählungen an der Mündung bis zumApril 2011 runden den Datenbestand ab.Im Zusammenhang mit der Planung zurökologischen Umgestaltung hat die Biolo-gische Station im Kreis Wesel (BSKW) imJahre 2010 eine Untersuchung der Fleder-mausbestände durchgeführt (Emscherge-nossenschaft 2013b). Der Untersuchungs-umfang zur Erfassung der Fledermäuse ander Emschermündung und der näherenUmgebung umfasste im Jahr 2010 zweiDetektorbegehungen sowie sechs Horch-boxnächte. Die Detektorbegehungen wur-den in die ausgehende Wochenstubenzeitsowie die Postreproduktionsphase be-ziehungsweise beginnende Migrationszeit gelegt, die Horchboxnächte wurden über die gesamte Untersuchungsperiode verteilt. Die Horchboxen standen an der Emscher-

mündung oberhalb des Absturzbauwerkes(2 Standorte), an der Rotbachmündung (1 Standort) sowie in der Umgebung an Hecken (3 Standorte) und am Bahndamm (1 Standort) nördlich der Emschermündung.Erkenntnisse über die Wirbellosenfaunaund Unterwasservegetation liegen von derEmschergenossenschaft vor.

Wassergebundene Vogelarten

Unterhalb der Kläranlage Emschermün-dung bis zur Einmündung in den Rheinwurden seit 2002 38 wassergebundene Vogelarten nachgewiesen. Dabei gelten 16Arten als regelmäßige Gäste, 9 Arten alsunregelmäßige Gäste und von 13 Arten liegen nur Einzelbeobachtungen vor. Aus-nahmeerscheinungen sind beispielsweiseSchwarzhalstaucher, Wasseramsel undEisvogel. Beispiele für unregelmäßigeGäste sind Haubentaucher, Kormoran und

Brandente. Von den regelmäßigen Gästenbrüten Stockente und Gebirgsstelze an derEmscher. Bei der Gebirgsstelze ist es mit 8 bis 10 Brutpaaren einer der größten Brut-bestände im ganzen Kreis Wesel.Bemerkenswerte Ansammlungen sind beiZwergtaucher, Krickente, Schnatterente,Pfeifente, Waldwasserläufer und Fluss-uferläufer zu verzeichnen (Abb. 3). Wäh-rend Reiherente, Tafelente, Blesshuhn,Stockente, Lachmöwe und andere nur ingeringer oder „ortsüblicher“ Zahl hier auf-treten. Normalerweise werden im Winterbis über 1.000 Wasservögel (ohne Möwen)je Zählung festgestellt. Im Mittel von Sep-tember bis April sind es 200 bis 250 Was-servögel je Termin. Die Maximalwerte aufdem gesamten etwa sieben Kilometer langen Untersuchungsabschnitt liegen beiüber 4.000, an der Mündung bei über 2.000Wasservögeln (ohne Möwen). Die Ergeb-nisse der Zählungen lassen erkennen, dassdie größten Ansammlungen an wasserge-bundenen Vogelarten in Frostperioden beiTrockenwetter und bei gleichzeitig niedri-gen Rheinwasserständen auftreten, wenndie Wasservögel keine alternativen Rast-plätze finden. Bei erhöhten Abflüssenscheint der Energieverbrauch zum An-schwimmen gegen die Strömung zu hochzu sein.Abbildung 2 zeigt den Rastverlauf für aus-gewählte Entenarten. Während die Stock-ente an der Mündung mit durchschnittlichetwa 100 Exemplaren bis zum Beginn derBrutzeit an der Emscher rastet, ist dieKrickente mit durchschnittlich 150 bis 280Exemplaren vertreten (Maximum im Januar). Die Pfeifente erreicht ihr Maxi-mum mit knapp 100 Tieren im Durch-schnitt im Dezember, die Schnatterente mitcirka 80 im Januar. Der Rastplatz Emscher-mündung ist für die Krickente und dieSchnatterente von bundesweiter Bedeu-tung, da in der Mehrzahl der vergangenenJahre Maximalwerte von über zwei Pro-zent des gesamten Rastbestandes in derBundesrepublik Deutschland festgestellt

Abb. 3: Unterlauf der Emscher oberhalb des Absturzbauwerkes an der Mündung mitKrick-, Pfeif-, Stock- und Schnatterenten. Foto: Emscher Wassertechnik GmbH

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Abb. 4: Mittel- und Maximalwerte für die Krickente (links) und die Schnatterente (rechts) September bis April von 2003 bis 2013

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Emschermündung

Artname wissenschaftlicher Name Anteil %

Wasserfledermaus Myotis daubentoni 0,14Teichfledermaus Myotis dasycneme 0,02unbest. Mausohrfledermaus Myotis spec. 1,27Mückenfledermaus Pippistrellus pygmaeus 0,16Rauhautfledermaus Pippistrellus nathusii 14,94Zwergfledermaus Pippistrellus pipistrellus 83,14Großer Abendsegler Nyctalus noctula 0,21Breitflügelfledermaus Eptesicus serotinus 0,23

Tab. 1: Nachgewiesene Fledermausarten 2010

Abb. 5: Aktivitäten der Fledermäuse am 23.09.2010: links oben:Hecke nördlich der Emschermündung, rechts oben: Bahndamm,Mitte links: Rotbachmündung, Mitte rechts: EmschermündungBrücke Hagelstraße (Speicherüberlauf nach 9 Stunden), untenlinks: Emschermündung Brücke Heerstraße.

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wurden (Abb. 4). Für die Pfeifente ist dieEmschermündung von landesweiter Be-deutung (regelmäßig >2 Prozent des Rast-bestandes von NRW).Darüber hinaus bemerkenswert sind dieRastbestände von Flussuferläufer undWaldwasserläufer. Der Flussuferläufer giltals seltener Wintergast, der Waldwasser-läufer als unregelmäßiger Wintergast inNRW. Beide sind jedoch an der Emscherregelmäßige Wintergäste. In den Winter-monaten von Dezember bis Februar sindauf den sieben Kilometern von der Kläran-lage bis zur Mündung regelmäßig 1 bis 3Flussuferläufer und 2 bis 13 Waldwasser-läufer anzutreffen. Auf dem Durchzug sindes bis zu 15 Exemplare beider Arten(Durchschnitt August bis April: 3 Fluss-uferläufer, 6 Waldwasserläufer).Auch für Insekten jagende Kleinvögel wieMauersegler, Rauch- und Mehlschwalben

gilt die Emscher unterhalb der KläranlageEmschermündung während des Zuges undzur Zeit der Jungenaufzucht bekannter-maßen als Nahrungsgebiet. Es ist davonauszugehen, dass im April/Mai und Junibis September zeitweise mehrere hundertTiere der vorgenannten Arten an der Em-

scher jagen. Es liegen jedoch nur Einzel-beobachtungen und keine konkreten Zäh-lungen vor. Bekannt ist auch, dass Greif-vogelarten, die diese Vögel jagen, eben-falls die Emschermündung in diesen Zeiten häufig aufsuchen. Hierzu gehören unter anderem Baumfalken und Sperber.

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Emschermündung

Fledermäuse

Im Untersuchungsraum wurden im Jahre2010 sieben Fledermausarten bestimmt sowie ein nicht bestimmbarer Vertreter derGattung Myotis nachgewiesen (Tab. 1).Mit Ausnahme der Zwergfledermaus wer-den in NRW alle Fledermausarten in derRoten Liste der gefährdeten Tiere undPflanzen (LANUV 2010) geführt (die Mückenfledermaus war zum Zeitpunkt derListenerstellung noch nicht bekannt). ImZuge der unter Nutzung der Echtzeit-Detektoren durchgeführten Untersuchungwurden in 27 auswertbaren Horchbox-nächten 19.403 Dateien aufgezeichnet, die17.373 Fledermausrufe enthielten. In Tabelle 1 sind die nachgewiesenen Artenmit ihrer relativen Häufigkeit zusammen-gestellt. Die Zwergfledermaus ist mit Ab-stand die am häufigsten registrierte Art, dieim gesamten Gebiet angetroffen wurde.Gut 83 Prozent aller Registrierungen ent-fallen auf diese Art, wobei die Streuungzwischen 32 Prozent und 95 Prozent be-zogen auf die Einzelnächte liegt. Währenddes Begehungstermins Ende Septemberwurden 20 bis 22 Balzreviere verortet. DieRauhautfledermaus ist mit deutlichem Ab-stand zur Zwergfledermaus die Art mit denzweitmeisten Registrierungen. Im Schnitterreicht sie rund 15 Prozent aller Aufnah-men, wobei die Streuung zwischen deneinzelnen Standorten in der Hauptaktivi-tätsphase zwischen 4 Prozent und 35 Pro-zent liegt. Ende September war sie mit 67Prozent aller Registrierungen am Standort„Brücke Hagelstraße“ sogar die am häufigsten registrierte Art und übertraf die Zwergfledermaus um mehr als dasDoppelte.Vergleichbar mit den wassergebundenenVogelarten zeigt sich an der Emschermün-dung eine ungewöhnlich hohe Aktivitätder Fledermäuse. Sowohl an den nörd-lich gelegenen Hecken als auch an der Rotbachmündung, einem vergleichsweise naturnahen Gewässerabschnitt, sind die

Aktivitäten um ein vielfaches geringer alsan der Emschermündung (Abb. 5).

Schlussfolgerungen

Die Emschermündung ist – beim gegen-wärtigen Ausbauzustand nicht unbedingtzu erwarten – für Wasservögel ein Lebens-raum von herausragender Bedeutung.Auch für das EU-Vogelschutzgebiet, andessen Grenze es sich befindet (Abb. 6), istes gemeinsam mit der Rheinaue Walsumund dem Orsoyer Rheinbogen ein Schwer-punkt als Rastplatz für mehrere Wasser-vogelarten (MEßER et al. 2011). Damit hat die Emscher eine überregionale Bedeu-tung. Für viele rastende Wasservögel undFledermausarten ist das Nahrungsangebotauf Grund des nährstoffreichen Wassersoffensichtlich sehr attraktiv, auch bei dernoch bestehenden naturfernen Gewässer-bzw. Lebensraumstruktur.Bei deutlicher Verbesserung der Gewäs-serstruktur infolge der Gewässerumgestal-tung ergibt sich ein enormes Entwick-lungspotenzial insbesondere im Bereichder Mündung als Schnittstelle zum EU-Vogelschutzgebiet Unterer Niederrhein.Welchen Einfluss bei dieser Entwicklungeine Verbesserung der Wasserbeschaffen-heit auf die Bedeutung des Nahrungs-gebietes für wassergebundene Vogelartenund Fledermäuse haben könnte, kann Gegenstand zukünftiger Beobachtungensein.

LiteraturEmschergenossenschaft (1999): 100 JahreWasserwirtschaft im Revier – Die Emscher-genossenschaft 1899–1999. – 267 S. – Essen.Emschergenossenschaft (Hrsg.) (2013a): Fließ-gewässer im Emscherraum. Biologie, Beschaf-fenheit, Bachsysteme. – 72 S. – Essen.Emschergenossenschaft (2013b): Emscher –Ökologische Verbesserung von Dortmund bisDinslaken: Emschermündung, Ergänzung desAntrages der EG vom 18.08.2008 auf Planfest-stellung nach § 68 WHG (ehem. § 31 WHG)

Anschriften der Verfasser

Dipl.-Geol. Dr. Johannes MeßerEmscher Wassertechnik GmbHBrunnenstraße 3745128 EssenE-Mail: [email protected]

Dipl.-Biol. Paul SchnitzlerBiologische Station im Kreis Wesel e.V.Freybergweg 946483 WeselE-Mail: [email protected]

Zusammenfassung

Die Emscher ist zurzeit noch ein erheb-lich verändertes Gewässer mit einerstark eingeschränkten biologischen Ge-wässergüte und Wasserqualität. Offen-sichtlich wegen der noch vorhandenenhohen Nährstofffracht gibt es im Mün-dungsbereich Massenansammlungen vonWirbellosen, die zum Beispiel wasser-gebundene Vogelarten und Fledermäuseanziehen. Von 16 Wasservogelarten wirddie Emscher dort regelmäßig und von 9 weiteren Arten unregelmäßig als Nah-rungs- (und Rast-) habitat aufgesucht.Teilweise rasten hier bei Trockenwetter-abfluss über 4.000 Wasservögel (ohneMöwen). Für Krick- und Schnatterenteist die Emschermündung von bundes-weiter und für die Pfeifente von lan-desweiter Bedeutung. Bemerkenswert sind regelmäßige Winternachweise vonWaldwasserläufer und Flussuferläuferunterhalb der Kläranlage Emschermün-dung, die in der Regel nur im Herbst undFrühjahr in NRW durchziehen. Für dasEU-Vogelschutzgebiet Unterer Nieder-rhein ist die Emschermündung in Ver-bindung mit der Rheinaue Walsum fürmehrere Wasservogelarten von außer-ordentlicher Bedeutung. Ebenso wie fürdie Wasservögel ist die Emschermün-dung auch für Fledermäuse ein heraus-ragendes Nahrungshabitat. Mit der aktuell begonnenen naturnahen Umge-staltung der Mündung könnte die Bedeu-tung der Emschermündung für eine arten-reiche Vogelwelt noch erhöht werden.

Abb. 6: Luftbild des Beobachtungsraumes: Emschermündung mit der benachbarten Rheinaue Walsum und dem Orsoyer Rheinbogen. Foto: Emscher Wassertechnik GmbH

zum Umbau der Emschermündung km 0,0 biskm 1,6, Teil 3: Landschaftspflegerischer Be-gleitplan (LBP), Anlage A-3.1 Artenschutz-rechtliche Prüfung. – Essen.LANUV (2010): Rote Liste der gefährdetenPflanzen, Pilze und Tiere in NRW. – 4. Ge-samtfassung, Fachbericht 36. – 680 S. – Reck-linghausen.MEßER, J. (2002): Die Kleine Emscher in Duis-burg – Ein bemerkenswerter Rastplatz fürKrickenten (Anas crecca). – Charadrius 38 (1):1–8., 7 Abb., 1 Tab. - Bonn.MEßER, J., ROVERS, W. & BERNOK, W. (2011):Auswirkungen von Bergsenkungen und Kies-abbau auf die winterlichen Wasservogelbe-stände in der Rheinaue Walsum. – Charadrius47 (1): 1–28 – Bonn.

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Wald-Wild-Frage

zur naturschutzgerechten Waldwirtschaftdurch. Heute findet der Begriff Prozess-schutz auch in einer allgemeineren Formim Zusammenhang mit den Schutzbemü-hungen um andere Ökosysteme, wie etwaAuengebiete, Verwendung. Dies geschiehtzu dem oft in Kombination mit Begriffenwie natürliche Dynamik, natürliche/na-turnahe Waldentwicklung beziehungswei-se natürliche Sukzession. Hier erfährt derBegriff Prozessschutz bereits inhaltlicheSpezifizierungen, die entsprechende Defi-nitionen erforderlich machen. Besondersdeutlich wird dies bei dem Naturschutz-konzept der „Brache“. Im Rahmen desProzessschutzes kommt ihm bei der Siche-rung naturnaher Entwicklungen eine großeBedeutung zu. Da die „Brache“ jedoch negative wie positive Auswirkungen aufdie Biodiversität haben kann, wurde eineAufgliederung dieses Konzepts vor allemfür Acker- und Grünlandgesellschaftennotwendig (u. a. NEITZKE 1991, 1996). DieVerwendung klar umrissener Begriffe wieGrün-, Schwarz-, Pflege-, Kurz-, Sukzessi-

ons- oder Buntbrache ermöglicht eine prä-zise Zielbeschreibung im Rahmen einesGebiets- oder Lebensraummanagements.Für Wälder arbeitete Knut STURM (1993)unter Berücksichtigung des Prozessschut-zes ein Managementkonzept aus, das sichan natürlichen Entwicklungsvorgängenorientiert. Er unterscheidet bereits zwi-schen verschiedenen Typen des Prozess-schutzes und bezieht sich dabei auf SCHER-ZINGER (1990), der die Begriffe „abschir-mender dynamischer Schutz“ und „gestal-tenden dynamischen Schutz“ in die Fach-diskussion einbringt. Auch JEDICKE (1999)hält in der „Entwicklungsphase des Pro-zessschutzes“ eine Präzisierung für not-wendig. Bei ihm erfährt der Prozessschutzeine Ausdehnung auf andere Lebensräumeund eine inhaltliche Aufspaltung, die imPrinzip ebenfalls die Überlegungen vonSCHERZINGER (1990) aufgreift. Er unter-scheidet zwischen „Prozessschutz im engeren Sinne“ oder dem „segregativenProzessschutz“ auf der einen Seite unddem „Nutzungsprozessschutz“ oder dem

Einen Schwerpunkt des Handelns imNaturschutz stellen der Erhalt unddie Sicherung der Biodiversität so-

wie die Entwicklung möglichst naturnaherLebensräume dar. Dem Prozessschutzwird hierbei in den letzten Jahren eine be-deutende Rolle zugewiesen. Im Verlauf derDiskussionen erfuhr dieses Konzept unter-schiedliche fachliche Ausdeutungen undinhaltliche Auslegungen. Damit der Pro-zessschutz beim Schutz von Waldlebens-räumen seine gewünschte Wirkung entfal-ten kann, ist bei der Ausarbeitung einer aktuellen Definition immer wieder eineRückbesinnung auf die Erstveröffent-lichung und eine Konzentration auf diewesentlichen Eigenschaften der Waldöko-systeme notwendig. Dem natürlichen Ver-hältnis von Produzenten, Konsumentenund Destruenten zueinander kommt beidem Schutz der systemeigenen Dynamikeine entscheidende Bedeutung zu.

Prozessschutz – ein Konzeptmit Geschichte

Der Grundgedanke der dynamischen Be-trachtung der Vegetation als zentralemBaustein von Ökosystemen findet sich ne-ben den eher statischen Ansätzen der mit-teleuropäischen Pflanzensoziologie seitlangem in der Fachliteratur (EGLER 1977,GRIME 1979, WATT 1947). Im deutschspra-chigen Raum hat AICHINGER die dynami-sche Betrachtungsweise gefördert und diesukzessionale Entwicklung einer systema-tischen Beschreibung von Fichtenwäldernund Zwergstrauchheiden zu Grunde ge-legt (AICHINGER 1951, 1952, 1954, 1957).Auch die Ergebnisse der Sukzessionsfor-schung gingen in die Überlegungen desNaturschutzes ein. So formulierte REM-MERT (1985) mit dem Mosaik-Zyklus einwichtiges Konzept zum Verständnis derDynamik von Waldökosystemen. Der Be-griff Prozessschutz selbst fand ab 1992Eingang in die Naturschutzliteratur (PIE-CHOCKI et al. 2010). Eine erste ausführlicheAusarbeitung führte STURM (1993) imRahmen der Entwicklung eines Konzepts

Andreas Neitzke

Prozessschutz, Waldökosystemeund die „Wald-Wild-Frage“Um Ökosysteme mit all ihren typischen Prozessabläufen zu schützen, ist es in der europäischen Kultur-landschaft notwendig, geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen. Dazu gehört, bis zur Etablierung adä-quater Prädatorenpopulationen, auch ein systemorientiertes Wildmanagement. Für dieses auf großflächigeWaldökosysteme ausgerichtete Prozessschutzkonzept wird der Begriff „systemorientierter Prozessschutz“vorgeschlagen.

Waldökosysteme: Ein lebensraumtypisches Zusammenspiel von Produzenten, Konsumen-ten und Destruenten ist die Grundlage für die Entwicklung von (sekundären) Urwälderndurch systemorientierten Prozessschutz. Foto: A. Neitzke

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40 Natur in NRW 2/14

Wald-Wild-Frage

„integrativen Prozessschutz“ auf der ande-ren Seite.Der segregative Prozessschutz soll überdie Sicherung anthropogen ungestörterund unbeeinflusster Dynamik unter Ein -beziehung von Sukzessionsprozessen zueiner höheren Naturnähe führen. Der inte-grative Prozessschutz hingegen sichert an-thropogene Nutzungsprozesse, die posi -tive Auswirkungen auf Naturschutzzieleals Nebeneffekte haben, ohne das ge-zielt Pflegeeingriffe durchgeführt werden(JEDICKE 1999).

Prozessschutz und Naturnähevon Waldökosystemen

Unter Beachtung folgender Grundannah-men des Prozessschutzes nach STURM

(1993):l Ziel des Prozessschutzes ist „eine an-

thropogen möglichst ungestörte Kon-kurrenzdynamik“ (S. 184) und

l „Der Prozessschutz im Wald verfolgtprimär das Ziel einer möglichst gro-ßen Naturnähe und damit das Zulassenvon möglichst ungestörten Prozessen“(S. 186),

ist festzustellen, dass der Prozessschutznur vollständige Waldökosysteme zumGegenstand haben kann. Andernfalls wer-den keine Systeme geringerer Hemerobie-stufen erreicht. Fehlen auf Grund mensch-licher Aktivitäten, etwa durch Ausschlussvon Nahrungsmangel oder Ausrotten vonPrädatoren, wichtige Systemkomponen-ten, führt ein „Laufen lassen“ der Entwick-

lung nicht zu naturnäheren Systemzustän-den; das Gegenteil ist vielmehr der Fall.Werden ganze trophische Ebenen ausge-schaltet, entwickeln sich keine Naturnäheund keine ausbalancierten Ökosystemzu-stände (NEITZKE 2013). Es kommt nicht zueiner Stabilisierung von Systemen durchEntfaltung der systeminternen Prozesse.Vielmehr werden Waldökosysteme desta-bilisiert. Sie verlassen ihren Systemzu-stand, der bei Betrachtung langer Zeiträu-me und sich ändernden Umweltbedingun-gen im Sinne des Prozessschutzes als einnicht zyklisches Sukzessionsstadium auf-zufassen ist. Die Entwicklung hin zu ande-ren Lebensräumen und die Vernichtung derWaldökosysteme ist die Folge. Die bereitszu beobachtenden Veränderungen durchluftbürtigen Nährstoffeintrag und den Kli-mawandel zeigen dies in aller Deutlich-keit.

Systemorientierter Prozess-schutz und Waldökosysteme

Zur Sicherung von Waldökosystemen inanthropogen überformten und stark besie-delten Landschaften ist es in Fortführungder von JEDICKE (1995, 1998, 1999) be-gonnenen Präzisierung des Konzeptes„Prozessschutz“ sinnvoll, für großflächigeWaldnaturschutzgebiete eine weitere Dif-ferenzierung vorzunehmen. Unter Berück-sichtigung des Entwurfs der Leitlinien fürNationalparke in Deutschland von EURO-PARC (zitiert in Bayerisches Staatsministe-rium f. Landschaftsentwicklung und Um-weltfragen 2001) in dem „Nationalparkegroßräumige Schutzgebiete sind, in denensich Ökosysteme in ihrer „Komplexität“,in der Gesamtheit ihrer Prozesse frei ent-falten sollen“, erscheint der Begriff „sys-temorientierter Prozessschutz“ passend.Der systemorientierte Prozessschutz si-chert die kompletten Prozessabläufe in einem Waldökosystem. Er umfasst damitdie vorübergehende oder auch länger -fristige Sicherstellung von fehlenden Pro-zess- bzw. Systemkomponenten durch denMenschen.Derartige wichtige Prozesse sind die Prä-dation und Wanderungen von Herbivoren,die Kadaververwesung sowie die Naturver-jüngung systemtypischer Gehölzarten imRahmen einer natürlichen Walddynamik.Der Einfluss von „Schädlingen“, wie demBorkenkäfer oder die tiefgreifende Land-schaftsgestaltung der Biber sind ebenfallswichtige Elemente des systemorientiertenProzessschutzes (Abb. 1 u. 2). Hierbei han-delt es sich jedoch um Prozesse, die in derKulturlandschaft flankierende Maßnahmenerfordern, wie den Bau von Wildbrücken,eine Schalenwildregulierung oder die Ent-nahme von mit Schädlingen befallenenBäumen, dort wo Großschutzgebiete anPrivat- oder Kommunalwälder angrenzen.(u.a. PARDEY & RÖÖS 2006).

Systemorientierter Prozess-schutz und Wildregulation

Durch eine an den Systemabläufen orien-tierten Schalenwildregulation kann das

Der systemorientierte Prozessschutz zielt auf die Sicherstellung der Gesamtheit mög-lichst anthropogen unbeeinflusster Prozessabläufe innerhalb kompletter Ökosysteme.Grundlage der Beurteilung ihrer Vollständigkeit sind naturnahe Ökosysteme. Die Elemente der einzelnen Kompartimente (Produzenten, Konsumenten, Destruenten)sollen ihre eigenen raum-zeitlichen Lebenszyklen unter systemtypischer Beeinflus-sung durch Konkurrenz und Konsumption im weitesten Sinne durchlaufen können.Um dieses möglichst große Ausmaß an systemeigenen Prozessabläufen zu erreichen,wird akzeptiert, dass auf anthropogen bestimmte Prozesse und Strukturen zur Ge-währleistung ausbalancierter Ökosysteme in der notwendigen Dauer ausgleichendeingewirkt wird. Hierzu zählen unter anderem der Ersatz der Wirkung der Prädationdurch Wildmanagement, die Überwindung der Zerschneidung der Landschaft durchBiotopverbundsysteme oder die Einleitung systemtypischer Prozesse durch geeig neteMaßnahmen.

Abb. 1: Kadaververwesung als natürlicher Prozess des system orientierten Prozess-schutzes. Foto: V. Möller/NP Eifel

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Wald-Wild-Frage

Fehlen von Prädatoren vorübergehend zu-mindest hinsichtlich der Gehölzausstat-tung ausgeglichen werden (NEITZKE

2012 a, b). Ein an der Ökologie des Scha-lenwildes ausgerichtetes Management hatnichts mit Forderungen wie „Wald vorWild“, reinem „Trophäenkult“ oder derAufrechterhaltung anthropogener Nut-zungsprozesse im Sinne des integrativenProzessschutzes zu tun. Reine Culling-Strategien verbieten sich nicht nur ausGründen des Tierschutzes und der Waidge-rechtigkeit. Gerade für wandernde, soziale

Tierarten sind die Tradition und das Wei-tergeben erworbenen Wissens über Wan-derwege und -zeiten in den (Mütter-) Fa-milienverbänden entscheidend (u. a. AH-NERT 2006). Dies trifft auch auf die Bin-dung von Rotwild an Setzflächen zu, waszur längerfristigen Offenhaltung von Suk-zessionsflächen und damit zu einer diffe-renzierten horizontalen Struktur beiträgt(SIMON et. al. 2011). Herbivorenregulationmuss all diese Umstände berücksichtigen.Nur so erreicht man ein systemeigenes In-einandergreifen der Prozesse. Denn un-

strittig erfordern naturnahe Wälder sys-temadäquate Wildbestände. Es sind daherRahmenbedingungen zu schaffen, bei de-nen sich die Tier- und Waldbestände sys-temkonform entwickeln können (Abb. 3,4). Hierbei kann das Ergebnis durchausüberraschend sein und nicht mit verbreite-ten Vorstellungen oder klassischem Lehr-buchwissen übereinstimmen. Eine Bestäti-gung und Optimierung von Simulations-modellen zur Walddynamik als effektivesund grundlegendes Instrument des Wald-und Gebietsmanagements ist nur mit der-artigen Schutzkonzepten möglich (Abb. 5)(NEITZKE 2013).Die Schalenwildregulation wäre damit so-lange Teil des Standard-Managements von(Groß-) Waldnaturschutzgebieten, bis sys-temtypische Regelungselemente/-kompo-nenten wieder im erforderlichen Umfangwirken können. Das Schalenwildmanage-ment dient der notwendigen Einstel-lung eines Systemparameters, der für denSchutz natürlicher Prozesse im Wald erfor-derlich ist.Die Strategien zur Etablierung von Präda-toren sowie anderen, in der Kulturland-schaft kritischen Prozessen, sind mit den beteiligten gesellschaftlichen Gruppenrechtzeitig und umfassend zu diskutieren.Hierzu gehört es auch, im Vorfeld offenüber das zukünftige Prädatorenmanage-ment in stark besiedelten Landschaften zusprechen. Eine die Schalenwildregulationablösende systemorientierte Prädatorenre-gulation sowie eine Ausgliederung vonGebieten mit Schwerpunktvorkommenkristallisieren sich als wichtige Punkte füreine erfolgreiche, gesellschaftlich akzep-tierte Rückwanderung von Carnivoren heraus (u.a. KALTENBORN et al. 2013).

Abb. 3: Mit Buchen ausgepflanztes natürliches Femelloch alsflankierender Eingriff zur Einleitung und Steuerung einer natür-lichen Waldentwicklung im Rahmen der Umwandlung von Fich-tenwälder in sekundäre Buchen-Urwälder durch systemorientier-ten Prozessschutz. Foto: A. Neitzke

Abb. 4: Beginnende Selbstfemelung /-plenterung der Wirtschafts-buchenwälder als wichtiger Vorgang des systemorientierten Pro-zessschutz, der nur bei systemadäquater Schalenwildregulationzum lebensraumtypischen Gehölzreichtum führt.

Foto: A. Neitzke

Abb. 2: Durch Borkenkäferfraß entstandenes „natürliches Femel loch“ als wichtige Initiale der Waldentwicklung im Rahmen des systemorientierten Prozessschutzes.

Foto: A. Neitzke

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Wald-Wild-Frage

Schalenwildmanagement und„landscape of fear“

Um eine systemgerechte Herbivorenwir-kung zu erreichen, sind die Erfahrungenmit der Rückwanderung von ausgerottetenPrädatoren bei der Wildregulation zu berücksichtigen. Erkenntnisse aus demYellow stone-Nationalpark und deutschenGroßschutzgebieten zeigen, dass der Ef-fekt von Prädatoren auf Ökosysteme nichtnur über das Beutemachen selbst, sondernauch über die Dynamisierung der Raum-nutzung der Schalenwildpopulationen er-zielt wird. Für dieses Phänomen hat sichder Begriff „landscape of fear“ eingebür-gert (HELM 2013, LAUNDRÉ et al. 2010).Um diese Effekte zu erreichen, sind in offener Diskussion neue Überlegungen zuden Regulierungsstrategien anzustellen.Aus Sicht der Wildbiologie und des Tier-schutzes böte sich beispielsweise in Groß-schutzgebieten mit Rotwild ein optionaleszusätzliches Bejagungsfenster währenddes Eingriffs in die Rehpopulation EndeMai zur Zeit der Familienauflösungsphasean. Hierdurch könnte die Regulation in derfrühen Aufzuchtperiode und in den Mona-ten Januar und Februar ausgesetzt werden.Das Ergebnis solcher räumlich differen-zierter Managementzeitfenster wäre einegleichmäßigere Verteilung des „prädatori-schen“ Drucks über das Jahr mit störungs-freien Intervallen in sensiblen Entwick-lungs- und Lebensphasen. Über diese vorOrt nach wildbiologischen Grundsätzengesteuerte Flexibilisierung könnte eineweitere Annäherung an natürliche Präda-

tionsverhältnisse unter Berücksichtigungdes Tierschutzes erreicht werden.

Systemorientierter Prozess-schutz und Tierwanderungen

Tierwanderungen sind weitere wichtigeProzesse, die bei fachlichen Betrachtungenauf der Ökosystemebene zu berücksich-tigen und zu schützen sind. In Folge der Raum-Zeit-Nutzungsmuster vor allemgroßer Pflanzenfresser kommt es zur ausge-prägten Gestaltung horizontaler und verti-kaler Strukturen von unterschiedlicher zeit-licher Dauer. Die Bedeutung dieser Raum-Zeitmuster ist seit den bahnbrechenden Un-tersuchungen von Bernhard und MichaelGrzimek in der Serengeti bekannt (B. & M. GRZIMEK 1962). Erst die Kenntnis der Einnischung der Tiere in Abhängigkeitvon Wetter und Vegetation im Jahreslauf ermöglicht einen umfassenden Prozess-schutz. Die Berücksichtigung dieser Ab-hängigkeiten und Raumansprüche, alsHommage an die beiden Forscher hier „Se-rengeti-Prinzip“ genannt, stellt den Natur-schutz weltweit vor große Probleme. Indicht besiedelten Landschaften bedarf esauch in diesem Bereich flankierender Maß-nahmen im Sinne eines systemorientiertenProzessschutzes. Die Bemühungen derdeutschen „Wald-Nationalparke“ in denengroße Huftiere vorkommen sowie bei-spielsweise die Aktivitäten der „DeutschenWildtier Stiftung“ oder auch teilweise vonHochwild- Hegeringen dokumentieren dieAnstrengungen und Initiativen zur Umset-

zung des „Serengeti- Prinzips“ (Literaturhierzu u. a. auf den Internet-Seiten der Nationalparke und der Deutschen WildtierStiftung). Die Realisation von regionalenund überregionalen Biotopverbundsyste-men sowie von Entschneidungskonzeptenist eine Voraussetzung für Tierwanderungenin stark zerschnittenen Kulturlandschaften.

Literatur

Das Literaturverzeichnis kann beim Autorangefordert werden.

Abb. 5: Auflösung der Hallenwaldstruktur des Buchenwirtschaftswaldes und Durch-wachsen der vorwüchsigen Exemplare als Urwaldriesen bei systemangepasster Scha-lenwildregulation im Rahmen des systemorientierten Prozessschutzes in einer Modell-rechnung mit dem Programm FORESTRAN (NEITZKE 1987) bei einer Entwicklungszeitvon 475 Jahren (ohne Berücksichtigung der Bodenentwicklung und des Klimawandels).

Zusammenfassung

Im Zuge der Entwicklung von Natur-schutzstrategien und Konzepten ist esnotwendig, klare Abgrenzungen undDefinitionen zu liefern. Dies trifft auchauf den Begriff Prozessschutz in Verbin-dung mit großflächigen Waldschutzge-bieten zu.Um Ökosysteme mit all ihren typischenProzessabläufen zu schützen, ist es inder europäischen Kulturlandschaft not-wendig, natürliche Prozessabläufe durchSchaffung geeigneter Rahmenbedingun-gen zu ermöglichen. Notwendige Maß-nahmen sind in diesem Zusammenhangeine prozessorientierte Schalenwildre-gulation in Schutzgebieten bis zur Etablierung adäquater Prädatorenpo-pulationen, die dann gegebenenfalls von einer Prädatorenregulation abgelöstwird. Unter Berücksichtigung der in derLiteratur zu findenden Definitionen desProzessschutzes und der Ziele desWaldökosystemschutzes wird für den an vollständigen, ausbalancierten Öko-systemen ausgerichtetem Prozessschutzder Begriff „systemorientierter Prozess-schutz“ vorgeschlagen. Dieses Konzeptunterscheidet sich vom segregativen undintegrativen Prozessschutz durch die annatürlichen, vollständigen Ökosystemenausgerichteten Prozessschutzmaßnah-men. Die Sicherung von Tierwanderun-gen, Kadaververwesung in der Flächeund des Einflusses von „Forstschädlin-gen“ gehört neben einem systemtypi-schen Verhältnis von Herbivoren undCarnivoren zu den Zielen des systemori-entierten Prozessschutzes. Dieses Kon-zept verhindert eine einseitige Betrach-tung einzelner Komponenten.

Anschrift des Verfassers

Dr. A. NeitzkeLandesamt für Natur, Umwelt und Ver-braucherschutz NRW (LANUV)Fachbereich: Planungsbeiträge zu Natur-schutz und Landschaftspflege, Biotop-verbundLeibnizstraße 1045659 RecklinghausenE-Mail: [email protected]

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43Natur in NRW 2/14

Landesforstgesetz

tungsgericht Minden im Jahr 2004 gefällt(VG Minden, Urt. v. 2. Juni 2004, Akten-zeichen: 9 K 4427/03, bei Juris). Es gingdabei jedoch um Weihnachtsbaumkulturenaußerhalb des Waldes, so dass diese Ent-scheidung für die vorliegende Bewertungnicht weiter von Belang ist. Das Oberver-waltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat-te sich mit seiner soweit erkennbar jüngs-ten Entscheidung zu dem Thema ebenfalls„nur“ mit Weihnachtsbaumkulturen außer-halb des Waldes zu befassen (OVG NRW,Urt. v. 4. Juni 1993, Aktenzeichen: 7 A3157/91). Dies zeigt, dass die bisherigeRechtslage wenig rechtliche Konflikteproduziert hat. Eine größere Rolle spieltendie Weihnachtsbaumkulturen innerhalbdes Waldes im forstlichen Bußgeldrecht,denn gelegentlich entdeckten die Forstäm-ter in NRW, dass Waldbesitzer größereWaldflächen rodeten, um Weihnachts-baum- oder Schmuckreisigkulturen anzu-legen. Dies war je nach Flächengröße zwargrundsätzlich zulässig, bedurfte jedoch un-ter Umständen der vorherigen Anzeige beider zuständigen Forstbehörde, dem Lan-desbetrieb Wald und Holz NRW, nämlich

dann, wenn die Fläche zwei Hektar über-stieg und somit die Kahlhiebsregelung des§ 10 Abs. 2 LFoG betroffen war.

Ursache der Gesetzesänderung

Zunehmend gerieten die Weihnachtsbaum-und Schmuckreisigkulturen jedoch in denFokus der Öffentlichkeit. Die Bevölkerungnahm sie teilweise nicht mehr als Waldwahr, sondern sah sie als wirtschaftlich ge-prägte Monokulturen. Auch der Einsatzvon Pflanzenschutz- und Düngemittelnwurde kritisiert. Gerade nachdem der Orkan Kyrill 2007 erhebliche Waldflächenin NRW zerstörte und innerhalb von Stun-den mehr als 15 Millionen Festmeter Holzbuchstäblich vom Winde verweht waren,sahen nicht wenige Waldbesitzer die An-lage von Weihnachtsbaum- und Schmuck-reisigkulturen auf den Sturmwurfflächenals Gelegenheit an, die Flächen einerseitszügig wieder aufzuforsten, andererseits invergleichsweise kurzer Zeit Erträge ausdiesen Flächen zu generieren. Allein imSauerland, einem der wichtigsten Her-kunftsgebiete für Weihnachtsbäume in

Schlagzeilen wie „Weihnachtsbaumer-zeuger laufen Sturm gegen Gesetzes-änderung“ (www.sauerlandinitiativ.

de, 15.03.13) „Ein Wegfall der Wald-flächen ist existenzbedrohend“ (www.sauerlandinitiativ.de, 15.03.13) oder „Meh-rere hundert sauerländische Betriebe imErhalt bedroht“ (www.derwesten.de, 12.03.13) beherrschen das Internet und erhitzendie Gemüter, wenn es um die letzte Ände-rung des Landesforstgesetzes (LFoG) bezüglich der Weihnachtsbaum- undSchmuckreisigkulturen geht (Viertes Ge-setz zur Änderung des Landesforstgesetzesvom 3. Dezember 2013; GV. NRW, Aus-gabe 2013 Nr. 41 vom 11. Dezember 2013,S. 721 bis 728). Aber was steckt wirklichdahinter?

Rechtslage bis zur Gesetzesänderung

Nach § 2 Abs. 1 S. 1 Bundeswaldgesetz(BWaldG) ist Wald definiert als jede mitForstpflanzen bestockte Grundfläche. Die-se bundesgesetzliche Definition schließtdie Weihnachtsbaum- und Schmuckreisig-kulturen zunächst einmal in den gesetz-lichen Waldbegriff mit ein. Der Bundes-gesetzgeber hat hierzu aber in § 2 Abs. 3BWaldG eine Öffnungsklausel aufgenom-men, wonach die Bundesländer u.a. Weih-nachtsbaum- und Schmuckreisigkulturenaus dem Waldbegriff ausnehmen können.Dies hatte der Landesgesetzgeber in NRWmit der alten Fassung des § 1 Abs. 2 LFoGgetan (gültig bis zum 11. Dezember 2013),denn dort war u.a. geregelt, dass außerhalbvon Waldflächen gelegene Weihnachts-baum- und Schmuckreisigkulturen nichtals Wald im Sinne des BWaldG galten. ImUmkehrschluss waren also Weihnachts-baum- und Schmuckreisigkulturen inner-halb bereits bestehender Waldflächen als„regulärer Wald“ zu sehen und fielen unterdas Forstrechtsregime. Diese Gesetzeslagebereitete über viele Jahre in der rechtlichenPraxis keine größeren Probleme, denn esgibt in den gängigen Urteilsdatenbankenkaum Entscheidungen der nordrhein-west-fälischen Verwaltungsgerichte, die sichüberhaupt mit dem Thema Weihnachts-baum- und Schmuckreisigkultur befassen.Die „jüngste“ zu diesem Thema veröffent-lichte Entscheidung wurde vom Verwal-

Yuri Kranz

Weihnachtsbaum- undSchmuckreisigkulturen im WaldNeue Rechtslage nach der Änderung des Landesforstgesetzes NRW (LFoG)

Blick über eine ehemalige ‚Kyrillfläche‘ auf der eine Weihnachtsbaumkultur entsteht.Foto: B. Leder

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Landesforstgesetz

Deutschland und Europa, wurden nachKyrill schätzungsweise mehr als 2.200Hektar Weihnachtsbaumkulturflächen aufSturmwurfflächen neu angelegt. Insgesamtschätzt man die Fläche der Weihnachts-baumkulturen auf über 4.000 Hektar(www.wochenblatt.com/landwirtschaft/nachrichten/nrw-beschraenkt-anbau-von-weihnachtsbaeumen-im-wald-7336.html).Die Landesregierung nahm dies zum An-lass die Rechtslage für die Weihnachts-baum- und Schmuckreisigkulturen zu ändern. Der Landtag hat die Gesetzesände-rung am 3. Dezember 2013 beschlossen.Sie ist am 12. Dezember 2013 in Kraft ge-treten.

Das neue Recht für Weihnachtsbaumkulturen

Die Änderung des § 1 Abs. 2 LFoG betrifftnicht nur die Neuanlage von Weihnachts-baum- und Schmuckreisigkulturen, son-dern trifft auch Regelungen zum Bestands-schutz der bereits bestehenden Kultur-flächen. Darüber hinaus hat der Gesetz-geber auch neue Regelungen zum Schutzdes Waldbodens aufgenommen, die eben-falls auf die Weihnachtsbaumkulturen aus-strahlen.

Neuanlage Weihnachtsbaum-und Schmuckreisigkulturen

Der Gesetzgeber hat die Öffnungsklauseldes § 2 Abs. 3 BWaldG nun dahingehendgenutzt, dass er Weihnachtsbaum- undSchmuckreisigkulturen auch im Wald abzwei Hektar Fläche vom Waldbegriff aus-genommen hat (§ 1 Abs. 2 S. 1 LFoG in derneuen Fassung). In der Konsequenz heißtdies, dass die erstmalige Anlage einer der-artigen Kultur auf einer Waldfläche abzwei Hektar nunmehr keine Neuanlagevon Wald und damit genehmigungsfrei ist,sondern dass durch die Neuanlage einer

Weihnachtsbaum- oder Schmuckreisig-kultur die Waldfläche in eine andere Nut-zungsart als Wald überführt wird. Dies erfüllt nun die gesetzliche Definition einerWaldumwandlung im Sinne von § 39 Abs. 1 S. 1 LFoG mit der Folge, dass dieNeuanlage von Weihnachtsbaum- undSchmuckreisigkulturen nunmehr der vor-herigen Genehmigung von Wald und HolzNRW als Forstbehörde bedarf. Das hier-für erforderliche Genehmigungsverfahrenrichtet sich nach §§ 39–42 LFoG und um-fasst die Beteiligung von anderen betroffe-nen Behörden (den sog. Trägern öffentlicherBelange, z.B. der Bezirksplanungsbehörde,dem Kreis oder der kreisfreien Stadt, derFlurbereinigungsbehörde, ggf. der Land-wirtschaftskammer und der Gemeinde)und, je nach Einzelfall, auch eine Prüfungnach dem Recht der Umweltverträglich-keitsprüfung. Wald und Holz NRW hat da-bei unter Beachtung der Ziele und Erfor-dernisse der Landesplanung die Rechte,Pflichten und wirtschaftlichen Interessendes Waldbesitzers, der eine Kultur anlegenwill, sowie die Belange der Allgemeinheitgegen- und untereinander unter dem Ge-sichtspunkt abzuwägen, welche Nutzungs-art auf die Dauer für das Gemeinwohl vongrößerer Bedeutung ist (§ 39 Abs. 2 S. 1LFoG). Viel entscheidender als der Ablaufdes Genehmigungsverfahrens ist jedochfür den Antragsteller, dass er die nachteili-gen Wirkungen der Umwandlung nunmehrdurch eine Ausgleichsmaßnahme kompen-sieren muss. Dies war bislang bei Wald-umwandlungen schon immer der Fall,tauchte jedoch meist bei der Inanspruch-nahme von Waldflächen als Bau- oderAckerland auf. Nunmehr muss eine Kom-pensationsmaßnahme auch bei der erst-maligen Anlage von Weihnachtsbaum-und Schmuckreisigkulturen erbracht wer-den, denn Wald und Holz NRW kann die zuerteilende Umwandlungsgenehmigung miteiner Nebenbestimmung versehen, insbe-sondere mit der Verpflichtung, Ersatzauf-

forstungen durch Saat oder Pflanzung vor-zunehmen (§ 39 Abs. 3 S. 1 LFoG). Bei derUmwandlung in Bau- oder Ackerland heißtdies typischerweise, dass ein Antragstellereine Ersatzfläche im gleichen oder sogargrößeren Umfang wie die Kulturfläche zurVerfügung stellen muss, auf der er eine vonWald und Holz NRW unter Umständen in Abstimmung mit weiteren beteiligtenBehörden vorgeschriebene Kompensations-maßnahme erbringen muss, wie etwa dieökologische Aufwertung einer bestehen-den Bestockung oder die erstmalige An-pflanzung einer neuen Fläche mit Forst-pflanzen. Alternativ kann – je nach ört-lichen und persönlichen Umständen – auchdie Zahlung eines Ersatzgeldes oder die Inanspruchnahme von Guthaben aus einemÖkokonto gegen ein entsprechendes Ent-gelt erfolgen. Ob diese Art der Kompensa-tion auch bei der Anlage von Weihnachts-baum- und Schmuckreisigkulturen zumTragen kommen wird, ist derzeit noch inder Diskussion. Wenn die von Wald undHolz NRW vorzunehmende Abwägung jedoch dazu führt, dass das Interesse amErhalt einer herkömmlichen Waldflächeüberwiegt, weil der Verlust zum Beispielnicht durch eine Kompensation ausge-glichen werden kann, so muss der Antrag-steller damit rechnen, dass ihm die Um-wandlungsgenehmigung versagt wird under die Weihnachtsbaumkultur nicht an-legen kann.

Der Gesetzgeber hat jedoch, wie oben be-reits mit der Zwei-Hektar-Grenze erwähnt,Ausnahmen zu dieser Regelung zuge-lassen. So gelten nach wie vor als Wald die-jenigen Weihnachtsbaum- und Schmuck-reisigkulturen, die einen nachgewiesenenGesamtumfang von weniger als zwei Hek-tar Waldfläche je Waldbesitzer haben,nicht in Nachbarschaft zu anderen alsWeihnachtsbaum- und Schmuckreisigkul-turen genutzten Waldflächen liegen undWald und Holz NRW als Weihnachts-

Weihnachtsbaumkultur mit Nordmanntannen (abies nordmaniana).Foto: B. Leder

Bereits für den Verkauf ausgezeichnete Nordmanntannen (abiesnordmaniana). Foto: B. Leder

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Landesforstgesetzbaum- und Schmuckreisigkultur angezeigtwerden (§ 1 Abs. 2 S. 2 LFoG). Auf dieseWeise entfällt die Genehmigungserforder-nis für diejenigen, die nur auf sehr kleinenFlächen Weihnachtsbäume oder Schmuck-reisig produzieren. Sie müssen ihre bereitsbestehenden Kulturflächen, wenn sie unterzwei Hektar groß sind, lediglich Wald undHolz NRW anzeigen und können sie un-verändert weiter betreiben. Der Begriff desWaldbesitzers umfasst dabei Eigentümergenauso wie Pächter oder andere Nut-zungsberechtigte (vgl. § 4 BWaldG). An-dererseits wird eine Umgehung der Baga-tellgrenze vermieden, denn ansonstenkönnte durch eine günstige Aufteilung grö-ßerer Kulturflächen auf mehrere Wald-besitzer entgegen der Konzeption des Gesetzgebers doch eine große, zusammen-hängende Fläche von Weihnachtsbaum-und Schmuckreisigkulturen entstehen. Eine weitere Ausnahme gilt für die alsWeihnachtsbaum- und Schmuckreisigkul-turen genutzten Waldflächen unter Ener-gieleitungen. Hier kommt die vergleichs-weise weit kürzere Umtriebszeit einerWeihnachtsbaum- und Schmuckreisigkul-tur, hierzu werden in der juristischen Literatur 7 bis 10 Jahre angenommen (vgl.ENDRES, Kommentar zum BWaldG, 1. Auf-lage 2014, § 2 Rn. 40; KLOSE/ORF, Kom-mentar zum Waldrecht des Bundes und derLänder, 2. Auflage 1998, § 2 Rn. 40), imVergleich zu klassischer Waldwirtschaftsogar der Aufgabe entgegen, Energielei-tungen von beeinträchtigendem Bewuchsfreizuhalten.

Übergangs- und Bestandschutzregelung

Das Herausnehmen der Weihnachtsbaum-und Schmuckreisigkultur aus dem Wald-begriff machte auch eine Übergangs- undBestandschutzregelung für die bereits bestehenden Kulturen erforderlich. DerGesetzgeber hat für die Nutzung vonWaldflächen als Weihnachtsbaum- undSchmuckreisigkulturen, die bis zum Inkrafttreten der Gesetzesänderung, alsobis zum 11. Dezember 2013, angelegt worden sind, festgeschrieben, dass sienach der alten Fassung des Landesforstge-setzes zu behandeln sind; mit der Folge,dass diese Flächen weiterhin als Wald gelten. Die Betreiber müssen für diese Flächen also keine Umwandlungsgeneh-migung beantragen und folglich auch keine Ersatzflächen bereitstellen oder andere Kompensationsmaßnahmen vor-nehmen. Diese Bestandsschutzregelung istjedoch bis zum 31. Dezember 2028 be-fristet. Nach Ablauf dieser Frist ist für denweiteren Betrieb der Kulturen ebenfalls eine Genehmigung zur Waldumwandlungnach § 39 LFoG erforderlich. Die Waldbe-sitzer haben jedoch die Möglichkeit, durchwaldbauliche Maßnahmen, die Wald undHolz NRW vor Beginn anzuzeigen sind,

die bestehenden Weihnachtsbaum- undSchmuckreisigkulturen in eine Waldnut-zung zu überführen. Wald und Holz NRWkann die angezeigten Maßnahmen zurÜberführung in eine Waldnutzung ver-sagen oder von Nebenbestimmungen ab-hängig machen, wenn sie nicht den Kenn-zeichen einer ordnungsgemäßen Forstwirt-schaft entsprechen. Die oben genannteAusnahme für Flächen unter zwei Hektarund von Kulturen unter Energieleitungenbleiben jedoch bestehen. Zusätzlich hat derGesetzgeber die Möglichkeit eröffnet, dassder Betreiber einer bis zum Inkrafttretender Gesetzesänderung angelegten Weih-nachtsbaum- und Schmuckreisigkultur mitWald und Holz NRW einen öffentlich-rechtlichen Vertrag über einen umweltver-träglichen Weihnachtsbaum- und Schmuck-reisiganbau unter besonderer Berücksich-tigung der konkreten Standortverhältnisseabschließt. In diesem Fall gilt § 1 Abs. 2LFoG in seiner alten Fassung für die Flä-chen weiter mit der Folge, dass auch dieseFlächen weiterhin als Wald gelten. Durcheine entsprechende Wahl der Vertragslauf-zeit kann der Stichtag 31. Dezember 2028überschritten werden. Der Betreiber einerKulturfläche hat so die Möglichkeit, imvertraglichen Einvernehmen mit Wald undHolz NRW den notwendigen Umbau derFläche beziehungsweise die notwendigeÄnderung der Bewirtschaftung über denStichtag hinaus schonend nach und nachvorzunehmen und die Kultur somit überden 31. Dezember 2028 hinaus zu be-treiben. Der öffentlich-rechtliche Vertragmuss bis spätestens drei Jahre nach In-krafttreten der Gesetzesänderung, also biszum 12. Dezember 2016 geschlossen wer-den. Das Umweltministerium und Waldund Holz NRW erarbeiten derzeit die Eck-punkte für solche Verträge im Dialog mitden betroffenen Verbänden (Auskunft desFachbereichs Hoheit, Schutzgebiete, Um-weltbildung bei Wald und Holz NRW).

Regelungen zum Schutz des Waldbodens

Die durch die Gesetzesänderung neu auf-genommenen Regelungen zum Schutz desWaldbodens haben ebenfalls Auswirkun-gen auf die Anlage und den Betrieb vonWeihnachtsbaum- und Schmuckreisigkul-turen. Nach § 10 LFoG in der neuen Fas-sung sind der Waldboden und seine Frucht-barkeit zu erhalten, die Ertragskraft darfnicht beeinträchtigt werden. Als Beein-trächtigung gelten insbesondere Streunut-zung, Plaggenhieb, Stockrodung, Ganz-baumentnahme, Tiefenfräsung, Erosionoder großflächige Verdichtung. Dies giltauch für bestehende oder neu angelegteWeihnachtsbaum- und Schmuckreisigkul-turen im Wald. Den Betreibern von Weih-nachtsbaum- und Schmuckreisigkulturenist es somit unter anderem untersagt,Stockrodungen und Tiefenfräsungen vor-

zunehmen, und sie müssen darauf achten,dass es nicht zu Bodenerosionen kommt.Ein Verstoß hiergegen stellt eine Ord-nungswidrigkeit dar, die mit einem Buß-geld bis zu 25.000 € geahndet werdenkann (§ 70 Abs. 1 Nr. 4 LFoG in der neuenFassung).

Ausblick

Welche Auswirkungen die Gesetzesände-rung haben wird, wird die Zukunft zeigen.Waldbesitzer und Forstbehörde müssensich auf die neuen Umstände einstellen.Durch die Übergangsfristen ist gewähr-leistet, dass die bereits bestehenden Kultu-ren langfristig in reguläre Waldflächenüberführt werden können. Die Neuanlagevon Kulturflächen wird jedoch deutlichaufwändiger, denn die Betreiber müssenMöglichkeiten für Kompensationsmaß-nahmen finden und die Forstverwaltungmuss die neuen Genehmigungsverfahrenbewältigen – eine Herausforderung für alle Betroffenen.

LiteraturENDRES, E. (2014): Kommentar zum BWaldG,1. Auflage, Berlin 2014KLOSE, F., ORF, S.: Kommentar zum Waldrechtdes Bundes und der Länder, 2. Auflage, Münster/Köln, 1998

Zusammenfassung

NRW hat das Recht der Weihnachts-baum- und Schmuckreisigkulturengrundlegend reformiert. Die Neuanlagesolcher Kulturen ist jetzt als Waldum-wandlung im Sinne des Forstrechts zuwerten mit der Folge, dass die Kultur-betreiber Ausgleichsmaßnahmen für dieInanspruchnahme der Kulturflächen er-bringen müssen. Übergangs- und Be-standsschutzregeln sollen Härtefälle bei der Anwendung des neuen Rechtsabmildern. Mit der Gesetzesänderungwerden gleichzeitig Vorschriften für denSchutz des Waldbodens aufgenommen.

Anschrift des Verfassers

Yuri KranzWald und Holz NRWJustitiariatAlbrecht-Thaer-Str. 3448147 MünsterE-Mail: [email protected]

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Für Freunde der Griechenland-Flora!Dimopoulos, P., Raus, T., Bergmeier, E.et al. (2013): Vascular Plants of Greece:An annotated checklist. Reihe EngleraNr. 31. Botan. Garten u. Museum Ber-lin-Dahlem & Hellenic Botanical SocietyAthen, 372 S., Sprache: Englisch, ISBN978-3-921800-88-1, 42 €. Bestellung:www.bgbm.org/de/node/700 oder überden Buchhandel.

Erstmals seit 100 Jahren ist eine Check listeder griechischen Farn- und Blütenpflanzenerschienen. Das 372 Seiten starke Werk„Vascular Plants of Greece: An annotatedchecklist“ entstand im Rahmen eines drei-jährigen Europäischen Forschungsprojek-tes des Botanischen Gartens und Botani-schen Museums Berlin-Dahlem mit derGriechischen Botanischen Gesellschaft.Griechenland besitzt mit seiner reich gegliederten Inselwelt und seinen fast3.000 Meter hohen Gebirgen eine außeror-dentlich artenreiche Pflanzenwelt. AchtBotaniker aus Griechenland, Deutschlandund Dänemark dokumentierten auf Exkur-sionen und unter Auswertung vieler Tau-send Herbarbelege aus wissenschaftlichenSammlungen in aller Welt über 5.700 Ar-ten und knapp 1.900 Unterarten. Sie sich-teten die komplette historische und aktuel-le Literatur und integrierten die neuestenverfügbaren molekularbiologische Befun-de. Jede fünfte aufgelistete Pflanzenart istendemisch, das heißt, sie kommt nur inGriechenland oder einem kleinen Teil vonGriechenland vor. Viele Pflanzenartenwurden im Rahmen der Forschungen fürdie Checkliste erstmals für Griechenlandnachgewiesen. Für jede Art wurden An -gaben zur regionalen Verbreitung, Areal,Status, Lebensform und Habitattyp zusam-mengetragen. Es ist ein Standard-Nach-

schlageschlagewerk für den amtlichengriechischen und europäischen Natur-schutz entstanden; dem Hobbybotanikerdient es zur Einordnung und Überprüfungder Naturbeobachtungen. Das Werk ist einMeilenstein in der Erforschung der grie-chischen Pflanzenwelt auf dem Weg hin zueiner modernen griechischen Flora.

C. Michels

GemeinschaftsprojektEnergiewendeBartosch, U., Hennicke, P., Weiger, H.(Hrsg.)(2014): GemeinschaftsprojektEnergiewende – der Fahrplan zum Erfolg. Oekom Verl., ISBN 978-3-86581-668-9, 14,95 €.

Die Energiewende ist ein Generationen-vertrag, der seinen Namen verdient. Dieheutige Generation gestaltet und finanzierteinen ökologischen Umbau des gesamtenEnergiesystems, um unsere Kinder undEnkel vor fundamentalen Risiken zu schüt-zen: vor den enormen Kosten eines fossil-nuklearen Energiesystems, vor den Risi-ken des nuklearen Brennstoffzyklus unddes Klimawandels sowie vor Energie-importabhängigkeit, Energiepreisschocksund nationaler Verwicklung in weltweiteRessourcenkriege. Wenn die Energiewendein einem Industrieland wie Deutschlandgelingt, können viele andere Länder die-sem Beispiel folgen.Das Buch „Gemeinschaftsprojekt Energie-wende“, das der BUND gemeinsam mit derVereinigung Deutscher Wissenschaftler(VDW) herausgibt, erklärt, was jetzt getanwerden muss, damit die Energiewende ein Erfolg wird. Denn aktuell droht die Energiewende von der Politik ausgebremstund von Interessenvertretern aus der Indus-trie zerredet zu werden. Für das „Gemein-schaftswerk“ Energiewende ist zudem neben einem gestaltenden Staat und einerinnovativen Wirtschaft auch das Engage-ment der Bürgerinnen und Bürger eine tragende Säule. Die Weichen für eine mög-lichst dezentrale Energiewende in derHand der Bürgerinnen und Bürger müssenjetzt gestellt werden!

Obstwiesen neu entdeckenHutter, C.-P. (2014): Obstwiesen – EinNaturparadies neu entdecken. Kosmos,144 S., ISBN 978-3-440-14030-7, 16,99 €.

Das gemeinhin etwas verstaubte Bild der landschaftsprägenden Obstgärten sollaufpoliert werden. Weg mit dem etwasschnöden Naturschutz- und Heimatimagehin zum modernen und hippen Trend-garten. So lautet das Credo des neu er-schienenen Buches: „Obstwiesen – Ein

Naturparadies neu entdecken“ von Claus-Peter Hutter. Bei erster Betrachtung reihtsich dieses reich bebilderte Werk in dieReihe anderer Streuobstbücher nahtlos ein.Doch ein genauerer Blick lohnt. Denn derAutor schafft es, das Arme-Natur-böser-Mensch-Bild der artenreichen und uner-setzlichen Mosaiksteine der deutschenObstwiesen-Landschaften zumindest an-zukratzen. Die klassischen Ansätze zumSchutz der Obstwiesen werden zwar auchin diesem auf eine breite Leserschaft ange-legten Buch dargestellt, darüber hinausaber überrascht Hutter mit ganz neuenBlickwinkeln auf das LandschaftselementObstgarten.Multifunktional, so ist laut Autor der Lebens- und Erlebnisraum Streuostwiese,die als zweite Erfindung des Paradieses bezeichnet wird. Der eigene Bioladen,Fitnessclub im Grünen, Naturspielplatz,Arche Noah, Picknickplatz, Klimaschutz-zentrum – um nur einige Ansätze des Buches zu nennen. Doch neben dem um-fassenden Blick auf die Obstwiesen ist esvor allem auch der praktische und alltags-nahe Ansatz, der dieses Buch überzeugenlässt. Welche Apfelsorten sind für was geeignet? Wie macht man Dörrobst, wieEdeldestillate und wie und wann mäht mandie Wiesen? Nicht zuletzt ist es wohl auchdie Sprache, leicht verständlich, teilweisepoetisch, teilweise bildhaft, die einem ein-fach nur Lust macht, jetzt gleich selbst aufeine Obstwiese zu fahren oder eine zupachten oder zu kaufen. Ohne irgendetwasdort zu müssen. Und genau das haben diese Kleinode der Landschaft nötig: Men-schen, die Spaß daran haben sich mit undauf ihnen zu beschäftigen. Aus welchemGrund – ob Naturschutz, Sport oder Ge-nuss – auch immer. M. Rapp

Verbreitungsatlas derFlora DeutschlandsBundesamt für Naturschutz (Hrsg.)(2013): Verbreitungsatlas der Farn- undBlütenpflanzen Deutschlands. Land-wirtschaftsverl. Münster, 912 S., ISBN978-3-7843-5319-7, 69,95 €.

Auf fast 30 Millionen Einzeldaten basiertder „Verbreitungsatlas der Farn-und Blü-tenpflanzen Deutschlands“, der im Bun-desamt für Naturschutz (BfN) der Öffent-lichkeit vorgestellt wurde. Erstmals zeigtder Atlas in 3.000 Verbreitungskarten fürganz Deutschland, welche Pflanzenartenwo in der Natur vorkommen. Damit ist nunein Datenschatz verfügbar, der umfassendAuskunft über den Zustand der Natur undihren ständigen Wandel gibt und zugleichzahlreiche interessante Auswertungen er-laubt.Der Rückgang und die Zunahme bestimm-ter Pflanzenarten belegen die ständigen

Buchbesprechungen

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Veränderungen der Flora. Der neue Atlaszeigt die Verbreitung der etwa 3.900 inDeutschland einheimischen und wild-wachsenden Farn- und Blütenpflanzen.Aber auch Neueinwanderer und „Garten-flüchtlinge“ wie Ambrosie oder Riesen-Bärenklau sind enthalten. Dieses Inventarder Pflanzenverbreitung, das jetzt erstmalsfür ganz Deutschland vorliegt, ist nicht nurals Druckwerk, sondern vor allem als Da-tenbank wichtig: Aus fast 30 MillionenDatensätzen besteht die Datenbank derFundmeldungen, die durch die Fach -organisation „Netzwerk PhytodiversitätDeutschland e.V.“ für den Atlas erstelltwurde. Erfasst wurden die Daten von Tau-senden, meist ehrenamtlich tätigen Pflan-zenexperten in jahrelanger (Kartierungs-)Arbeit in der freien Natur und den Sied-lungsräumen.

Landschaft schmeckt!Lehmann, S., Ahrens, K., Rathgeber, M.(2014): Landschaft schmeckt! Nachhal-tig kochen mit Kindern. Hrsg.: SarahWiener Stiftung. Verl. Beltz, 213 S.,ISBN 978-3-407-75396-0, 17,95 €.

Wer bei dem Buch aufgrund des Titels einklassisches Kochbuch erwartet, wird ent-täuscht. Zwar finden sich im Buch auch einpaar Rezepte, aber der Schwerpunkt liegtdoch vielmehr beim „(Da)Hin(ter)gucken“.Gemüse – Eier – Fleisch – Getreide – Wasser – so lauten einige der insgesamt 12 Kapitel, deren Grundaufbau stets gleichist. Auf einfache, an den vier Jahreszeitenorientierte Rezeptvariationen (wie Obst-Müsli für Frühjahr bis Winter) folgenTipps zur Resteverwertung und vor allemviel Hintergrundwissen zur nachhaltigenKüchenpraxis, Ernährung und themen-bezogenen Nachhaltigkeit. So werden bei-spielsweise im Wasserkapitel Begriffe wie„Wassermüll“ und „virtuelles Wasser“kindgerecht erklärt. Abschließend findensich dann auf der „Spielwiese“ Experi-mentier- und Spielanregungen.

„Landschaft schmeckt“ macht somit all jenen Appetit, die sich gemeinsam mitKindern und Jugendlichen auf den Wegmachen wollen, Ernährung nachhaltiger zuverarbeiten, zu konsumieren und ebenauch zu schmecken. S. Horn

StadtGrünJirku, A. (Hrsg.) (2013): StadtGrün.Fraunhofer IRB Verl., 318 S., ISBN 978-3-8167-9028-0, E-Book 978-3-8167-9029-7, 49 €.

Die Wertschätzung natürlicher Elementein der Stadt ist in den letzten Jahren enormgestiegen und wird auch zukünftig einegroße Rolle spielen. Dabei geht es nichtnur um Naturerleben und Bewegung, son-dern auch um die Möglichkeit, selbst imGrünen tätig zu werden.47 Autoren widmen sich in diesem Buchdem großen Feld des städtischen Grüns. Es wird versucht, das gesamte Aufgaben-spektrum für Landschaftsarchitekten und -planer abzudecken, wobei alle rechtlichenund im engeren Sinne instrumentellenAspekte ausgespart werden. Die Themenführen von Grundlagen und Freiraum-kategorien über Ökologie und Events, bishin zu Arbeitsfeldern und -strukturen.

Die Körpersprache der BäumeMattheck, C., Bethge, K., Weber, K.(2014): Die Körpersprache der Bäume –Enzyklopädie des Visual Tree Assess-ment. Karlsruher Institut für Techno-logie, 548 S., ISBN 978-3-923704-86-6,98 €.

Bäume lügen nicht: Ihre Gestalt ist immerdie Reaktion auf äußere Einwirkungenoder innere Schäden und kann durch genaue Beobachtung zurückverfolgt wer-den. Professor Claus Mattheck und seineArbeitsgruppe am Karlsruher Institut fürTechnologie (KIT) haben die Prinzipien,wie Bäume sich entwickeln und reparie-ren, früh erkannt und sukzessive auch aufdie Optimierung von Bauteilen bezüglichLeichtbau und Dauerfestigkeit übertragen.Aus anfangs komplizierten Rechenpro-grammen entwickelten sich einfache Denk-modelle, die ein neues Verständnis der Bäume ganz ohne Formeln ermöglichen.Ihre Erkenntnisse haben die Autoren indem Buch „Die Körpersprache der Bäume“zusammengefasst.Claus Mattheck und seine Arbeitsgruppeübertrugen die von der Natur abgeschautenPrinzipien auf mechanische Bauteile undließen sie entsprechend „wachsen“. Dieentwickelten Programme hielten Einzug indie Entwicklungsabteilungen der IndustrieInzwischen optimieren viele Industrie-

unternehmen ihre Bauteile mit Mattheck’sDenkwerkzeugen. Es gibt dazu bereits eine VDI-Richtlinie 6224, Bionische Optimierung.Umgekehrt ermöglichen diese Denk-modelle ein neues Verständnis auch für Bäume, ohne auf komplizierte Formelnzurückgreifen zu müssen.

Fledermäuse im GartenDiehl, D. A. (2013): Ein Garten für Fledermäuse – Lebensräume schaffenim naturnahen Garten. Pala-Verl., 160 S.,ISBN 978-3-89566-311-3, 14 €.

Im Garten und rund ums Haus lassen sichFledermäuse gezielt fördern. Das Buchregt dazu an, „fledermäusisch“ zu denken.Es erklärt, wie sich ein Garten gestaltenlässt, damit er Interesse bei Fledermäusenweckt. Zahlreiche Pflanzenlisten für unter-schiedliche Standorte, Gestaltungsvor-schläge und Baupläne für Fledermaus-kästen helfen, den Tieren Nahrung und Unterschlupf zu bieten. Ob Staudenrabatteoder Trockenmauer, Obstbaumwiese oderKomposthaufen: Alle Gartenbereiche las-sen sich fledermausfreundlich gestalten.Selbst Balkonkästen, Dach und Hauswandkönnen zur Einladung für die Tiere werden.Mit kompetenter Information über ihre Lebensweisen und praktischen Tipps zumBeobachten erhellt dieses Buch die ver-borgene Welt der Fledermäuse – auf dasssie (wieder) zu Gästen im Garten werden.

Schutzgebiete Deutsch-lands im KlimawandelVohland, K., Badeck, F., Böhning-Gaese,K. et al. (Hrsg.)(2013): SchutzgebieteDeutschlands im Klimawandel – Risiken und Handlungsoptionen. BfN,Naturschutz und Biologische VielfaltHeft 129. Landwirtschaftsverl., 240 S.,ISBN 978-3-7843-4029-6, 22 €, E-Book16,99 €.

Es muss davon ausgegangen werden, dass sich der Klimawandel auf viele Artenund Ökosysteme negativ auswirken wird.Andererseits kann der Schutz von Öko-systemen zur Abpufferung des Klima-wandels und seiner Folgen beitragen, etwadurch die Funktion von naturnahen Moorenund Wäldern als Kohlenstoffsenken oderdie Wasserrückhaltung in der Landschaftdurch Feuchtgebiete. Schutzgebiete könnendaher neben ihrer zentralen Bedeutung fürdie Erhaltung der Biodiversität auch einewichtige Funktion beim Klimaschutz ein-nehmen. Innerhalb der Europäischen Unionwurde das gemeinsame SchutzgebietsnetzNatura 2000 aufgebaut mit dem Ziel, denFortbestand oder gegebenenfalls die Wie-derherstellung eines günstigen Erhaltungs-

Buchbesprechungen

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zustands bestimmter Lebensraumtypen undArten zu gewährleisten. Eine Risikoab-schätzung für die Schutzgüter und Schutz-ziele in den Schutzgebieten Deutschlandsexistiert bisher noch nicht, ist aber für die Anpassung des Naturschutzes an denKlimawandel dringend erforderlich. ZurSchließung dieser Lücke soll die hier vor-gestellte Studie, an der vier Forschungs-institutionen beteiligt waren, beitragen.

Klimaanpassung: Modell-region zeigt Wege aufRoßnagel, A. (Hrsg.) (2013): RegionaleKlimaanpassung: Herausforderungen –Lösungen – Hemmnisse – Umsetzungenam Beispiel Nordhessens. Reihe Inter -disciplinary Research on Climate Chan-ge Mitigation and Adaptation, Band 5.Kassel University Press, 780 S., ISBN978-3-86219-660-9, 69 €.

Es ist eine positive Vision, mit der das jetztvorgelegte Buch „Regionale Klimaanpas-sung“ schließt, kein Schreckensszenario:Der Klimawandel kommt, aber es gibtMöglichkeiten, sich darauf einzustellenund sogar neue Chancen zu nutzen. Auf780 Seiten fasst der Bericht die wichtigs -ten Erkenntnisse aus fünf Jahren For-schung zur Klimaanpassung in Nordhes-sen, aus 18 Forschungsprojekten und neunUmsetzungsprojekten im Rahmen des Ver-bundprojekts KLIMZUG zusammen. Die Inhalte des Buchs orientieren sich ander Struktur des Verbundprojekts. Szena -rienprojekte entwarfen plausible Zukunfts-bilder über die Folgen des künftigen Kli-mawandels in Nordhessen: Höhere Durch-schnittstemperaturen, feuchtere und mil-dere Winter, heißere und trockenere Som-mer, mehr Extremwetterereignisse.Ausgehend von diesen Zukunftserwartun-gen wurden für die Handlungsfelder Land-

wirtschaft, Forstwirtschaft, Wasserwirt-schaft, Energie, Verkehr, Gesellschaft,Tourismus und Gesundheit untersucht undanalysiert. Einige der Lösungsvorschlägewurden beispielhaft umgesetzt. Zudem un-tersuchten die Wissenschaftlerinnen undWissenschaftler gesellschaftliche Fakto-ren, die die Umsetzung der Empfehlungenhemmen oder fördern können und formu-lierten Vorschläge, wie Klimaanpassungerleichtert werden kann. Mit den Klimaan-passungsbeauftragten, den Klimaanpas-sungsmanagern und der Klimaanpassungs-akademie sowie den „Umsetzungsverbün-den“ wurden neue Instrumente für das Management von Veränderungsprozessenentwickelt und eingesetzt. Pdfs des Buches gibt es unter www.uni-kassel.de/hrz/db4/extern/dbupress/publik/abstract.php?978-3-86219-660-9. Die druckbare Version kostet 35 €, das digitale Buch zur Ansicht ist kostenfrei.

Vegetation von Baden-WürttembergReidl, K., Suck, R., Bushart, M. et al.(2013): Potentielle natürliche Vegeta-tion von Baden-Württemberg. Hrsg.:Landesanstalt für Umwelt, Messungenund Naturschutz Baden-Württemberg(LUBW). Verl. Regionalkultur, 344 S.,ISBN 978-3-89735-609-2, 39,80 €.

In Baden-Württembergs Landschaft fin-den sich abwechslungsreiche Oberflächen-formen, die klimatischen Verhältnisse varriieren und der Boden weist zahlreichegeologische Formationen auf. Diese Land-schaft ist auch das Ergebnis Jahrtausende-langer Einflüsse des Menschen, der sietiefgreifend veränderte und eine vielfältigeKulturlandschaft schuf.Die Potentielle Natürliche Vegetation be-schreibt einen Zustand der Vegetation, dersich einstellen könnte, wenn die Landnut-zung durch den Menschen aufhören würde.Baden-Württemberg wäre dann nahezuvollständig von Wald bedeckt – mit Aus-nahme der Standorte, auf denen von Naturaus kein Wald wachsen kann wie aufHochmooren oder größeren Felsen undBlockschutthalden.Potentielle Natürliche Vegetation stellt eine wichtige Grundlage für die Landnut-zungs- und Landschaftsplanung dar. Siekann bei der Planung, Pflege und Entwick-lung von Schutzgebieten, bei der Prüfungvon Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmenfür Eingriffe in Natur und Landschaft, bei der Entwicklung von Biotopverbund-systemen sowie bei der Anlage von Flur-gehölzen herangezogen werden. Bedeut-sam ist sie zudem für die Einschätzung vonVegetationsentwicklungen im Rahmen desKlimawandels. Für die Baumartenwahl in der regionalen waldbaulichen Planungliefert die Publikation einen Orientierungs-

rahmen, der auf eine naturnahe Bewirt-schaftung der Wälder abzielt.Herzstück des Werkes ist die Karte der Potentiellen Natürlichen Vegetationvon Baden-Württemberg im Maßstab 1:200.000. Die zu Grunde liegenden vegetationskundlichen Grundeinheiten unddie daraus abgeleiteten Kartiereinheitenwerden textlich und tabellarisch um-fassend charakterisiert und durch zahl-reiche farbige Abbildungen naturnaherBeispielbestände illustriert.

Kinderbuch zum Vogeldes Jahres 2014Ruge, K. (2013): Herr Lachmann liebtAmeisen – Eine Grünspecht Geschichte.Mit Illustrationen von C. Schmidt. Verlag Nibuk, 32 S., ISBN 978-3-931921-13-2, 12 €.

Ein Grünspecht soll lachen können? Kanner! Jedenfalls erinnert der Ruf der Grün-spechte sehr an das Lachen der Menschen.Aber können Grünspechte auch reden? MitMenschen-Kindern reden? Klaus Rugemuss es wissen, schließlich hat der frühereLeiter der Staatlichen VogelschutzwarteBaden-Württemberg jahrzehntelang zuSpechten geforscht.In seinem Kinderbuch „Herr Lachmannliebt Ameisen“ entführt Klaus Ruge in eine idyllische Wiesenwelt mit Bäumen,Hecken, Ameisenstraßen und einer großenVogelschar. Aber die Wiese ist bedroht, siesoll verschwinden für Häuser und Straßen.Gut, dass Herr Lachmann gerade vom NABU zum Vogel des Jahres gewählt worden ist. Gar keine leichte Aufgabe hater damit übernommen – denn jetzt muss er als Botschafter für die vielen anderenTiere die Zerstörung der Wiese verhindern.Ganz nebenbei erzählt die Geschichte vielüber das Leben der Grünspechte und ihrerVerwandten und Nachbarn. Tatsächlich istdie bedrohte Wiese in diesem Buch keinEinzelfall: 80 Hektar werden in Deutsch-land immer noch jeden Tag für Häuser, Fabriken und Verkehrswege neu bebaut.Das sind mehr als 100 Fußballfelder. Täg-lich! Dabei könnte in vielen Fällen auchauf alten Industriebrachen gebaut werden.Botschafter Lachmann wird wirklich vielzu tun haben, um über all diese Dinge zuinformieren.

Buchbesprechungen

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Erfolgskontrollen nachRenaturierungenRenaturierungen von Fließgewässern sindseit über zwei Jahrzehnten ein wichtigesThema in der Wasserwirtschaft und im Naturschutz. Eine Tagung der NUA in Ko-operation mit MKULNV, LANUV undWasserverband Obere Lippe bot im Juni2013 in Paderborn Gelegenheit für einenInformations- und Erfahrungsaustauschzum Stand der Umsetzung der Europäi-schen Wasserrahmenrichtlinie. Über 130Fachleute aus Wasserwirtschaft und Natur-schutz nahmen daran teil. Die im Tagungs-band „Erfolgskontrollen von Renaturie-rungsmaßnahmen an Fließgewässern“ do-kumentierten Ergebnisse der Tagung kön-nen beispielhaft für die weitere Planungund Umsetzung von Renaturierungsmaß-nahmen genutzt werden. Bezug des NUA-Seminarberichtes Band11 (Kosten: 10 € zzgl. Versand) undDown loadmöglichkeit unter www.nua.nrw.de, Publikationen.

Vögel und GlasDie Schweizerische Vogelwarte Sempachhat den ersten umfassenden Leitfaden zumThema Vögel, Glas und Licht im deutsch-sprachigen Raum herausgegeben. Dieswar möglich dank enger Zusammenarbeitmit dem Schweizer VogelschutzSVS/BirdLife Schweiz, der Wiener Um-weltanwaltschaft und diversen weiterenPartnern von der Glasindustrie bis zu Tier-schutzorganisationen. Die Broschüre zeigtauf 60 Seiten, wo die möglichen Gefah-renstellen liegen und illustriert mit einerFülle von Beispielen, wie kritische Berei-che vogelfreundlich geplant und mit wel-chen Maßnahmen Fallen nachträglichnoch entschärft werden können. Die Broschüre „Vogelfreundliches Bauenmit Glas und Licht“ gibt es als Downloadunter www.vogelglas.info/public/voegel_glas_licht_2012.pdf. Um das Problembewusstsein und vor allem die Lösungsansätze international zuverbreiten, hat die Vogelwarte Sempach eine spezielle Internetseite Vogelglas.infoeingerichtet. Dort sind alle bekanntenMaßnahmen zur Verminderung der Zahlder Vogelopfer an Glasscheiben aufge-führt.

Weidelandschaften aufalten MilitärgeländenDer Leitfaden „Einrichtung, Betrieb undwissenschaftliche Begleitung von halb -offenen Weidelandschaften auf ehemali-gen militärischen Übungsflächen – mitBeispielen aus der Oranienbaumer Heide“

gibt praxisnahe Hinweise zur Einrichtungund langfristigen Sicherung halboffenerWeidelandschaften in großflächigen, sand-geprägten Natura 2000-Gebieten, die inder Vergangenheit militärisch genutzt wur-den. Es werden unter anderem die grundle-genden Rahmenbedingungen und Proble-me zu Einrichtung und Betrieb der Weide,zur langfristigen betriebswirtschaftlichenAbsicherung der Beweidung, zur Leitbild-entwicklung und Formulierung von Ma -nagementzielen, zur Durchführung ergän-zender ersteinrichtender Maßnahmen, zurnaturschutzfachlichen Erfolgskontrolle so-wie zur Öffentlichkeitsarbeit erläutert. Die in der Oranienbaumer Heide gewähl-ten Lösungswege sowie konkrete Hinwei-se auf „Fallstricke“ sollen die Übertragungder Ergebnisse auf andere militärische Lie-genschaften erleichtern. Dieser Praxisleit-faden ist entstanden durch Förderung desModellprojektes „Pflegemanagement vonFFH-Offenlandlebensraumtypen in derOranienbaumer Heide“ von der DeutschenBundesstiftung Umwelt, den Europäi-schen Landwirtschaftsfonds für die Ent-wicklung des ländlichen Raums – Sach-sen-Anhalt 2007–2013 und der StiftungUmwelt, Natur- und Klimaschutz des Lan-des Sachsen-Anhalt. Der 49-seitige Leitfaden steht auf der Web-site www.offenlandinfo.de/publikationen/als Pdf zum Download bereit.

Wald ist Garant der Artenvielfalt in NRWOrt der Erholung, Wirtschaftsfaktor, Kli-ma- und Artenschützer, das alles sindFunktionen und Aufgaben des Waldes.Zwar bedecken die Wälder in NRW einViertel der Landesfläche, aber im Verhält-nis zur Bevölkerungszahl stehen jeder Ein-wohnerin und jedem Einwohner nur rund500 Quadratmeter Wald zur Verfügung.Der bundesweite Durchschnittswert liegtbei über 1.200 Quadratmetern. Das nordrhein-westfälische Umweltminis -terium hat nun erstmals eine umfassendePublikumsbroschüre zum Thema mit dem Titel „Wald in Nordrhein-Westfalen – Unser wertvolles Naturerbe“ veröffent-licht. Expertinnen und Experten des Ministeriums und des LandesbetriebesWald und Holz NRW haben auf 46 Seitendie wichtigsten Fakten und Daten, interes-sante Geschichten und Entwicklungen zusammengetragen. So wird der Frage nachgegangen, warumdie Fichte in NRW auch „Preußenbaum“genannt wird, wo der älteste GerichtsbaumMitteleuropas zu finden ist, wem der über-aus größte Teil des Waldes in NRW gehörtund warum in direkter Nähe zu Wuppertalund Solingen, am westlichen Rand desBergischen Landes, der ungewöhnlichsteWald in ganz Deutschland wächst.

Die Broschüre steht als E-Paper auf der Internetseite www.umwelt.nrw.de/extern/epaper/2013/wald_in_nrw_unser_wertvolles_naturerbe/ zur Verfügung und kann bestelltwerden unter www.umwelt.nrw.de/minis -terium/service_kontakt/publikationen/in-dex.php.

Invasive Arten und biologische VielfaltIn Deutschland haben sich nach Angabendes Bundesamtes für Naturschutz (BfN)bereits rund 320 neobiotische Tierartenund etwa 430 solcher Gefäßpflanzenartenetabliert. In den meisten Fällen sind dieseArten keine Bereicherung des Ökosys -tems, sondern gefährden die vorhandeneBiologische Vielfalt. Von den rund 430 in Deutschland etablier-ten gebietsfremden Pflanzenarten hat dasBfN im Rahmen einer Studie 38 Artenidentifiziert, die hinsichtlich ihrer Auswir-kungen auf Ökosysteme und andere Artenproblematisch sind. 28 von ihnen habensich bereits großräumig ausgebreitet undkönnen nicht mehr vollständig beseitigtwerden. Dazu gehören etwa der Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum),der Japan-Staudenknöterich (Fallopia ja-ponica) und die Späte Goldrute (Solidagogigantea). Sie stehen mit 25 weiteren Ar-ten auf der sogenannten Managementliste. Im Rahmen eines neuen Forschungsvorha-bens prüft das BfN, welche konkretenMaßnahmen eine weitere Ausbreitung die-ser invasiven Arten verhindern und nega -tive Auswirkungen der Ausbreitung redu-zieren können. Zehn invasive Arten, die sich bisher erstkleinräumig ausgebreitet haben, werdenauf einer sogenannten Aktionsliste zusam-mengefasst. Zu ihnen zählen zum Beispielder Große Wassernabel (Hydrocotyle ra-nunculoides) oder der Pontische Rhodo-

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dendron (Rhododendron ponticum). Beidiesen zehn Arten besteht laut BfN nocheine Chance, sie vollständig beseitigen zukönnen. Die Ergebnisse des Forschungs- und Ent-wicklungsvorhabens sind im BfN-Skriptmit der Nummer 352 erschienen. Die Studie „Nehring, S. et al. (2013): Natur-schutzfachliche Invasivitätsbewertungenfür in Deutschland wild lebende gebiets-fremde Gefäßpflanzen“ kann als gedruck-te Fassung kostenlos beim Bundesamt fürNaturschutz, Konstantinstr. 110, 53179Bonn bezogen oder unter www.bfn.de/0502_skripten.html heruntergeladen werden.

Klimaatlas Nordrhein-Westfalen erweitertDas LANUV hat seinen digitalen Klimaat-las Nordrhein-Westfalen ausgebaut. Zu-sätzlich zu den bereits seit 2011 veröffent-lichten Karten für den Zeitraum 1971 bis2000 liegen nun für alle meteorologischenGrößen auch Karten für den Zeitraum1981 bis 2010 vor. Darüber hinaus wurdenweitere Karten beispielsweise zur Längeder Vegetationszeit oder zu Planungshin-weiskarten erarbeitet. Insgesamt stellt dasLANUV damit in mehr als 220 Karten undeinem umfangreichen Textteil Informatio-nen über das Klima und seine Entwicklungin NRW zur Verfügung. Die Grundlagedafür liefern Messdaten des DeutschenWetterdienstes (DWD). Planerinnen undPlaner können das umfangreiche Karten-material beispielsweise zur Planung ge-zielter Maßnahmen zur Anpassung an denKlimawandel wie etwa zur Entwicklungder Freiflächensicherung in Ballungsräu-men nutzen.Die Daten werden im Internet sowohl in einem Fachinformationssystem (www.klimaatlas.nrw.de) als auch direkt nutzbarin GIS Anwendungen über einen Web MapServer (WMS) zur Verfügung gestellt. DieNutzung der Anwendung ist für die Öf-fentlichkeit frei zugänglich und kostenfrei.

Naturerbe schützen –Artenvielfalt bewahrenZur geplanten Neuausrichtung der Natur-schutzpolitik hat das Umweltministeriumjetzt ein Faltblatt herausgegeben: „Dieneue Naturschutzpolitik in Nordrhein-Westfalen“. Das Faltblatt gibt eine kurzeÜbersicht über die vielfältige Natur inNRW und die faszinierende Artenvielfalt,über das Artensterben, erfolgreicheSchutzprojekte und auch über die geplanteBiodiversitätsstrategie und das neue „Naturschutzgesetz NRW“. Das Ziel derneuen Biodiversitätsstrategie wird sein,umfangreiche Maßnahmen zum Erhalt der

biologischen Vielfalt in NRW umzusetzen.Darüber hinaus kündigte der Minister eineNeuausrichtung der Naturschutzgesetz-gebung des Landes an, mit dem zentralenZiel, das wertvolle und vielfach bedrohteNaturerbe in NRW zu bewahren. Hierzusoll das bisherige Landschaftsgesetz zu einem NRW-Naturschutzgesetz ausgebautwerden.Das Artensterben habe aber nicht nur Aus-wirkungen auf die natürlichen Kreisläufein der Natur. Umweltminister JohannesRemmel warnte in diesem Zusammenhangauch vor den wirtschaftlichen Einbußen imAnbau von Obst und Raps, sollte sich das Artensterben auch in NRW weiter forcieren. In Nordrhein-Westfalen sindvon den 364 heimischen Wildbienenartenbereits 45 Arten ausgestorben; weitere 129 Arten sind akut in ihrem Bestand ge-fährdet. Wilde Bienen leisten neben derHonigbiene einen wichtigen Beitrag zurBestäubung von zum Beispiel Erdbeer-feldern oder Apfelplantagen, von Blüten inder freien Natur oder in Schreber- undHausgärten.Das Faltblatt „Die neue Naturschutz-politik“ gibt es als E-Paper unter www.umwelt.nrw.de/extern/epaper/2014/neue_naturschutzpolitik/ oder kostenlos im Online-Shop des UmweltministeriumsNRW. Weitere Informationen unter www.umwelt.nrw.de/naturschutz/wildes-nrw/index.php.

Umweltrisiko GlyphosatDas Totalherbizid Glyphosat wird geradeeiner Neubewertung in der EU unterzogen.Das Bundesamt für Verbraucherschutz undLebensmittelsicherheit (BVL) kommt zudem Schluss, dass Glyphosat zur weiterenGenehmigung als Pflanzenschutzmittelempfohlen wird, obwohl die Behörde be-denken zum Einsatz des Mittels mit Blick

auf den Schutz der biologischen Vielfalteinräumt. Vor diesem Hintergrund hat der NABU eine Kurzstudie mit dem Titel „Umwelt -risiko Glyphosat“ veröffentlicht, in der dieAuswirkungen von Glyphosat und anderenPestiziden auf Gewässer und ihre Lebe -wesen untersucht wurden. Das Ergebnis:Neben Glyphosat sind weitere bedenklichePestizide zu finden, die Amphibien undaquatische Ökosysteme schädigen. DerNachweis von Gewässerbelastungen inBrandenburg weist darauf hin, dass es sichbei den Pestizidanalysen aus den Vorjahrennicht um regional begrenzte Einzelfällehandelt. Erneut wurde in den beprobtenStillgewässern Glyphosat und dessen Metabolit AMPA sowie Terbuthylazin, einhauptsächlich im Maisanbau verwendeter,ökotoxikologisch bedenklicher Herbizid-wirkstoff, dokumentiert. Die Wirkstoffegefährden akut und langfristig die aquati-schen Ökosysteme und die Böden. Hierzeigt sich aus NABU-Sicht einerseits eindringender Handlungsbedarf bei der Über-wachung und Kontrolle des Handels, dersynthetische Pestizide vertreibt und vonAgrarbetrieben, die diese anwenden, sowiebei der Bewertung und Neu-Zulassung vonPestizidwirkstoffen durch die zuständigenBehörden. Mehr zum Thema: Kurzstudie „Umwelt -risiko Glyphosat“ unter www.nabu.de/themen/landwirtschaft/pflanzenschutz/roundup/16524.html.

ÄschenhilfsprogrammNordrhein-WestfalenDas Umweltministerium hat einen Rund-erlass zum Schutz der heimischenÄschenbestände und zur Abwendung er-heblicher fischereiwirtschaftlicher Schä-den durch den Kormoran beschlossen.In Nordrhein-Westfalen ist die Äsche inder Roten Liste als gefährdete Art ein-gestuft. Untersuchungen, an denen auchder Fischereiverband NRW beteiligt war,konnten den Nachweis erbringen, dass derBestand der Äschen durch den Kormoraninsbesondere vor allem im Mittelgebirge(Äschenschutzkulisse) negativ beeinträch-tigt wird. Die Äschenschutzkulisse umfasstdie Gewässerabschnitte, in denen rück-läufige oder nur abschnittsweise guteÄschenbestände dokumentiert sind. Darüberhinaus sind für den Bestandsrückgang derÄsche auch morphologische, hydraulischeund stoffliche Defizite der Gewässer ver-antwortlich. Vor diesem Hintergrund wurden verschiedene Empfehlungen undRegelungen erarbeitet, die geeignet sind,den Äschenbestand in Nordrhein-West-falen zu sichern (Äschenhilfsprogramm).Zu den geplanten Maßnahmen zählen Lebensraumverbesserungen (Renaturie-rung) aber auch die Vergrämung von

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Kormoranen innerhalb der Äschenschutz-kulisse. Dem Anhang des Runderlasses desMKULNV ist zu entnehmen, welche Be-reiche zur Schutzkulisse gehören.Unter www.lfv-westfalen.de/content/aeschen_hilfsprogramm.php kann der Erlass heruntergeladen werden.

Erste Rote Liste wandernder VogelartenErstmalig haben der Deutsche Rat für Vogelschutz (DRV) und das Bundesamtfür Naturschutz (BfN) eine Rote Liste derwandernden Vogelarten in Deutschlandvorgestellt.Nach den für die neue Liste erhobenenoder geschätzten Daten ziehen etwa 500Millionen Zugvögel jedes Jahr durchDeutschland, die sich auf 279 regelmäßigvorkommende Vogelarten verteilen. Insge-samt wurde fast ein Viertel aller Arten als bestandsgefährdet eingestuft, darunterKornweihe, Rotschenkel, Kuckuck undOrtolan. Weitere 10 Prozent stehen auf derVorwarnliste. Die Bestände dieser Artengehen bereits merklich zurück. Zu ihnenzählen Kiebitz, Turteltaube und Trauer-schnäpper.Die Situation bei den Zugvögeln sei zwarinsgesamt etwas besser als bei Deutsch-lands Brutvögeln, dort stehen 42 Prozentauf der Roten Liste, so BfN-PräsidentinProf. Beate Jessel. Doch seien bei denwandernden Vogelarten vor allem weit-ziehende Arten besonders stark gefährdet.Auch Arten der Agrarlandschaft und derKüsten und Meere fänden sich überpro-portional häufig auf der Roten Liste.Deutschland hat eine wichtige Funktion alsDrehscheibe des Vogelzugs und müssesich dessen stärker bewusst werden undauch mehr engagieren.

Die Rote Liste wandernder Vogelartenwurde veröffentlicht im Band 49/50 (2013)der „Berichte zum Vogelschutz“, der vomDeutschen Rat für Vogelschutz (DRV) und dem Naturschutzbund Deutschland (NABU) herausgegebenen Zeitschrift. Exemplare dieser Zeitschrift können [email protected] oder beim LBV-Artenschutz-referat, Eisvogelweg 1, 91161 Hilpoltstein,zum Stückpreis von 15 € zzgl. Versand-kosten bestellt werden.Deutsche und englische Zusammenfas-sungen der Publikation stehen unterwww.drv-web.de/zeitschrift/aktuellesinfo/zur Verfügung.

VegetWeb 2.0 führtflorale Daten zusammenInformationen über Pflanzenarten, ihreStandorte und ihren Lebensraum sollenkünftig über das Online-Portal VegetWeb2.0 abrufbar sein. Die bisher teilweise nurlokal vorhandenen Daten zur Vegetationwerden dazu in einem deutschlandweitenPortal zusammengeführt und erweitert.Bei VegetWeb 2.0 werden bislang an di-versen Orten in verschiedenen Formatenund Datenbanken vorliegenden Vegeta -tionsdaten erstmals in einem gemeinsamenInformationssystem gebündelt. Auch bis-her nur auf Papier vorliegende Vegeta -tionsaufnahmen können integriert werden.Datenaustausch und Erweiterung werdendurch ein einheitliches Format deutlichverbessert. Bei Kartierungen im Geländekönnen Vegetationsdaten zum Beispielüber SmartPhones künftig direkt zusam-men mit den konkreten digitalen Ortsanga-ben einfach eingespeist werden. VegetWeb 2.0 soll so dem Anspruch an einnationales Informationssystem für Vegeta-tionsdaten gerecht werden und die zeit-gemäße Verfügbarkeit und Nutzung vege-tationskundlicher Daten besonders für Naturschutzzwecke ermöglichen. Nutzerwerden neben Planern und Wissenschaft-lern auch Landes- und Bundesbehördenund lokale Naturschutzeinrichtungen sein,nicht zuletzt auch die ehrenamtlichen Na-turschützer und Naturschützerinnen sowieinteressierte Bürgerinnen und Bürger.Das Bundesumweltministerium stellt ausdem Bundesprogramm Biologische Viel-falt rund 400.000 Euro zur Verfügung. DasBundesamt für Naturschutz begleitet dasNaturschutzprojekt als Bewilligungsbe -hörde fachlich.Getragen wird das auf drei Jahre angelegteProjekt von der Universität Greifswald.Weitere Projektpartner sind die Hoch -schule Weihenstephan-Triesdorf und dieUniversität Halle-Wittenberg.Weitere Informationen zum Projekt unter: www.biologischevielfalt.de/bp_pj_vegetweb.html.

Pestizidstudie belegtGefährdung der FaunaPflanzenschutzmittel in der Landwirt-schaft rauben Vögeln und Säugetieren dieNahrungsgrundlage und tragen so zum Artenschwund bei. Zu diesem Ergebniskommt eine Studie des NABU im Auftragdes Umweltbundesamtes (UBA). VieleVogelarten, darunter Rebhuhn, Feldlercheund Goldammer, finden durch den Chemi-kalieneinsatz weniger Nahrung, weil mitden Schädlingen auch Futtertiere wieSchmetterlingsraupen und andere Insektengetötet werden. Herbizide beseitigenaußerdem Wildkräuter auf Äckern, auf denen Insekten leben und die Kleinsäugernund Jungvögeln Schutz bieten.Betroffen von Pflanzenschutzmitteln sindvor allem die Vögel, die ihre Nahrung aufFeldern suchen und die sich überwiegendvon Insekten und anderen Kleintierenernähren. Diesen Vögeln bleibt häufignicht genügend Nahrung, um ihre Brut auf-ziehen zu können. In der Folge sinken dieBestände. Diese indirekten Gefährdungendurch Pflanzenschutzmittel sind bei Reb-huhn, Goldammer, Grauammer und Feld-lerche wissenschaftlich belegt.Die Studie enthält zahlreiche Empfeh-lungen, wie man den Schädigungen durchPestizide begegnen kann. So sind in derAgrarlandschaft mindestens zehn ProzentVorrangflächen ohne Spritzmittel erforder-lich. Zudem sollte bei der Zulassung derMittel auch die Wirkung auf die Biodiver-sität berücksichtigt werden. Schließlichwird die Einführung einer Pestizidabgabeempfohlen, die zu einer Reduzierung des Pestizidverbrauchs beitragen und denMarkt zugunsten weniger schädlicher Produkte beeinflussen könnte.Die englischsprachige Langfassung derStudie gibt es unter www2.nabu.de/p.php?ID=1801564501.

Online-Clip zur KlimaschutzpolitikÜber die Grundlagen der NRW-Klima-schutzpolitik informiert ein neuer Online-Clip des Umweltministeriums.Das Video zeigt, wie sich der Klimawandelbereits jetzt auf Nordrhein-Westfalen aus-wirkt und welche Strategien die Landesre-gierung zur Bekämpfung des Klimawan-dels und zur Klimafolgenanpassung ent-wickelt hat. Expertinnen und Experten vonLANUV und Deutschem Wetterdienst er-läutern das Phänomen Klimawandel undgeben Einblick in konkrete Projekte zur An-passung an seine Folgen. Der Clip ist nichtnur für interessierte Erwachsene, sondernauch für den Einsatz an Schulen und ande-ren Bildungseinrichtungen gedacht.Das Video „Klimaschutzpolitik in Nord-rhein-Westfalen“ ist zu finden unter:http://youtu.be/T5cQbE6yFNc.

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Nr. 2/201439. Jahrgang

ist zuständig für den Vollzug bei Veterinär-angelegenheiten und Lebensmittelsicherheit.

Es erfasst Grundlagendaten für den Biotop- undArtenschutz sowie die Landschaftsplanung und istdas Kompetenzzentrum des Landes für den GrünenUmweltschutz.

Es entwickelt landesweite und regionale Leit -bilder und Fachkonzepte,

überprüft die Effizienz von Förderprogrammenund der Naturschutz- und Landschaftspflegemaß-nahmen.

Es veröffentlicht Ergebnisse in verschiedenenPublikationsreihen und gibt mit der Zeitschrift Natur in NRW Beiträge zu allen Themenbereichenrund um den Naturschutz heraus,

informiert die Öffentlichkeit durch umfang -reiche Umweltinformationssysteme:

Internet: www.lanuv.nrw.de,Aktuelle Luftqualitätswerte aus NRW:WDR Videotext 3. Fernsehprogramm,Tafeln 177 bis 179und das Bürgertelefon: 02 01/79 95-12 14.

Die NUA ist als Bildungseinrichtung im LANUVeingerichtet und arbeitet in einem Kooperations-modell eng mit den anerkannten Naturschutzver-bänden (BUND, LNU, NABU, SDW) zusammen,

veranstaltet Tagungen, Seminare, Lehrgängeund Kampagnen für unterschiedliche Zielgruppenmit dem Ziel der Zusammenführung von Interessen-gruppen und der nachhaltigen Entwicklung desLandes,

bildet fort durch Publikationen, Ausstellungenund verschiedene Informationsmaterialien. Lum-bricus – der Umweltbus – dient als rollendes Klassenzimmer und mobile Umweltstation.

Das LANUV NRW ist die nordrhein-west-fälische Landes oberbehörde für die Bereiche Natur,Umwelt und Verbraucherschutz.

Es gliedert sich in acht Abteilungen:

x Zentraler Bereich

x Naturschutz, Landschaftspflege, Jagdkunde, Fischereiökologie

x Wirkungsbezogener und übergreifenderUmweltschutz, Klima, Umweltbildung

x Luftqualität, Geräusche, Erschütterungen,Strahlenschutz

x Wasserwirtschaft, Gewässerschutz

x Zentrale Umweltanalytik

x Anlagentechnik, Kreislaufwirtschaft

x Verbraucherschutz, Tiergesundheit, Agrarmarkt

Es hat seinen Hauptsitz in Recklinghausen mitDienststellen in Essen und Düsseldorf und weiterenAußenstellen,

untersteht dem Ministerium für Klimaschutz,Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucher-schutz (MKULNV) NRW,

beschäftigt ca. 1.300 Mitarbeiterinnen und Mit -arbeiter mit speziellen Ausbildungen für die viel-fältigen Sachgebiete der einzelnen Abteilungen.

Es berät und unterstützt die Landesregierung unddie Vollzugsbehörden,

betreibt in NRW Überwachungsnetze in den Bereichen Boden, Luft, Wasser und Umweltradio-aktivität,

betreibt die Überwachung der in den Verkehr gebrachten Lebens- und Futtermittel,

erarbeitet Konzepte und technische Lösungenzur Umweltentlastung,

befasst sich mit den Auswirkungen des Klima-wandels und entwickelt Klimafolgenstrategien,

kooperiert mit nationalen und internationalenwissenschaftlichen Institutionen,

betreibt Marktförderung durch gezielte Förderungbestimmter Produktformen und Produktionsweisen,

Landesamt für Natur, Umweltund VerbraucherschutzNordrhein-Westfalen

Postfach 1010 5245610 RecklinghausenLeibnizstraße 1045659 RecklinghausenTel.: 0 23 61/3 05-0Fax: 0 23 61/3 05-3215Internet: www.lanuv.nrw.de

Natur in NRW

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