NNNN EUES UND AAAA - bibelkommentare.de · 3 Esau **** William Kelly Der Unterschied in Leben und...

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N EUES UND EUES UND EUES UND EUES UND A LTES LTES LTES LTES aus der biblischen Schatzkammer (Matt. 13, 52) Heft 25 Januar/Februar 2003 5. Jahrgang Inhalt Inhalt Inhalt Inhalt „Dein Thron, o Gott, ist von Ewigkeit zu Ewigkeit“ 1 Esau 3 Einführende Vorträge zum Johannesevangelium (Kap. 1-2) 6 Wie kann ich den Willen Gottes kennen? 16 „Dein Thron, o Gott, ist von Ewigkeit zu Ewigkeit“ „Dein Thron, o Gott, ist von Ewigkeit zu Ewigkeit“ „Dein Thron, o Gott, ist von Ewigkeit zu Ewigkeit“ „Dein Thron, o Gott, ist von Ewigkeit zu Ewigkeit“ (Hebr. 1, 8) „Warum toben die Nationen und sinnen Eitles die Völkerschaften?“ lesen wir in Psalm 2. Obwohl die eigentliche Erfüllung dieser Voraussage noch in der Zukunft liegt, sehen wir doch, wie unsere Tage durch diese Worte charakterisiert werden können. Während Europa mehr und mehr aus einstmals verfeindeten Nationen zu einem einheitlichen Völkerblock zusam- mengeschweißt wird, geraten die übrigen Völker der Erde, insbesondere der islamischen Welt, zusehends in Aufruhr. Alles dient zur Verwirklichung der gött- lichen Ratschlüsse. Gott erlaubt Satan, das Tier aus dem Völkermeer aufsteigen zu lassen (Off. 13) und das zusammengebrochene römische Reich wieder aufzurichten, um zu zeigen, wie Er Seinen König gegen den vereinigten Widerstand der ganzen Menschheit auf Seinen irdischen Thron zu setzen vermag. Während Europa also einen nach menschlichem Maßstab in sich selbst ruhenden Block darstellt, der erst durch das Kommen des Herrn Jesus erschüttert und zerstört wird (Dan. 2), sind die Völker der soge- nannten Dritten Welt durch ihr Toben gekennzeich- net. Dieses Toben richtet sich unter anderem gegen Israel und seinen und der Christen Gott, den Jehova des alten Bundes, Der sich uns heute als Vater, Sohn und Heiliger Geist geoffenbart hat. Toben zeigt sich in vernunftlosem, lärmenden Verhalten, wie wir es heute insbesondere unter den Palästinensern sehen. Wenn nach den Voraussagen des Wortes Gottes ziemlich bald ein charismatischer Führer aufstehen wird, den die Bibel als „den Assyrer“ oder „König des Nordens“ bezeichnet, wird der ganze Nahe Osten – und vielleicht noch manch andere Region der Erde – in Brand geraten und das „Pulverfaß“, das die Weltpolitiker heute klar erkennen und ver- geblich zu entschärfen versuchen, explodieren. In der stabilen Lage unserer europäischen Staaten erleben wir dieses Toben nicht. Wir erkennen statt dessen jenes Sinnen in Eitelkeit. Eitelkeit in der Aus- drucksweise des Wortes Gottes Alten und Neuen Testaments ist das, was sich im Licht der Gedanken Gottes als vergeblich und nichtig erweist. * Es sind Pläne und Vorsätze sowie ihre Verwirklichung, die nicht nach dem Willen Gottes fragen. Unsere Gesell- schaft einschließlich der etablierten Kirchen und des Staats offenbaren zunehmenden Abfall von Gott. Die grundlegenden göttlichen Grundsätze hinsichtlich der Geschlechter, der Ehe und der Erziehung werden von solchen, die in Verantwortung vor Gott stehen und zum Teil ihre Autorität von Gott empfangen haben (Röm. 13, 1), um sie in Seinem Sinn zu verwalten, über Bord geworfen. Schamlosigkeit und Aberglau- ben florieren. Von Gott und Seinem Christus wissen nur noch wenige. Der Herr Jesus ist ihnen gleichgül- tig. Esoterik und Pseudoreligionen, angefangen von politischen Ideologien über Selbstverwirklichungsleh- ren für den Beruf und Hedonismus (Lust als oberstes Lebensprinzip), blühen. Diese Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen. In diesen Umständen fragt uns Gott: „Welche solltet ihr dann sein in heiligem Wandel und Gottseligkeit!“ (2. Petr. 3, 11). Gläubige Christen, die ihrem Herrn treu nachfolgen möchten, könnten da leicht mutlos werden. Wie gut, daß unser Herr alles vorausgesehen und uns einen solchen Vers, wie er im obenstehenden Titel ange- führt ist, in Seiner Heiligen Schrift mitgeteilt hat! In * vergl. das Bibelbuch „Prediger“.

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  • NNNNEUES UNDEUES UNDEUES UNDEUES UND AAAALTESLTESLTESLTES aus der biblischen Schatzkammer

    (Matt. 13, 52)

    Heft 25 Januar/Februar 2003 5. Jahrgang

    InhaltInhaltInhaltInhalt „Dein Thron, o Gott, ist von Ewigkeit zu Ewigkeit“ 1 Esau 3 Einführende Vorträge zum Johannesevangelium (Kap. 1-2) 6 Wie kann ich den Willen Gottes kennen? 16 „Dein Thron, o Gott, ist von Ewigkeit zu Ewigkeit“„Dein Thron, o Gott, ist von Ewigkeit zu Ewigkeit“„Dein Thron, o Gott, ist von Ewigkeit zu Ewigkeit“„Dein Thron, o Gott, ist von Ewigkeit zu Ewigkeit“

    (Hebr. 1, 8) „Warum toben die Nationen und sinnen Eitles die Völkerschaften?“ lesen wir in Psalm 2. Obwohl die eigentliche Erfüllung dieser Voraussage noch in der Zukunft liegt, sehen wir doch, wie unsere Tage durch diese Worte charakterisiert werden können. Während Europa mehr und mehr aus einstmals verfeindeten Nationen zu einem einheitlichen Völkerblock zusam-mengeschweißt wird, geraten die übrigen Völker der Erde, insbesondere der islamischen Welt, zusehends in Aufruhr. Alles dient zur Verwirklichung der gött-lichen Ratschlüsse. Gott erlaubt Satan, das Tier aus dem Völkermeer aufsteigen zu lassen (Off. 13) und das zusammengebrochene römische Reich wieder aufzurichten, um zu zeigen, wie Er Seinen König gegen den vereinigten Widerstand der ganzen Menschheit auf Seinen irdischen Thron zu setzen vermag. Während Europa also einen nach menschlichem Maßstab in sich selbst ruhenden Block darstellt, der erst durch das Kommen des Herrn Jesus erschüttert und zerstört wird (Dan. 2), sind die Völker der soge-nannten Dritten Welt durch ihr Toben gekennzeich-net. Dieses Toben richtet sich unter anderem gegen Israel und seinen und der Christen Gott, den Jehova des alten Bundes, Der sich uns heute als Vater, Sohn und Heiliger Geist geoffenbart hat. Toben zeigt sich in vernunftlosem, lärmenden Verhalten, wie wir es heute insbesondere unter den Palästinensern sehen. Wenn nach den Voraussagen des Wortes Gottes

    ziemlich bald ein charismatischer Führer aufstehen wird, den die Bibel als „den Assyrer“ oder „König des Nordens“ bezeichnet, wird der ganze Nahe Osten – und vielleicht noch manch andere Region der Erde – in Brand geraten und das „Pulverfaß“, das die Weltpolitiker heute klar erkennen und ver-geblich zu entschärfen versuchen, explodieren. In der stabilen Lage unserer europäischen Staaten erleben wir dieses Toben nicht. Wir erkennen statt dessen jenes Sinnen in Eitelkeit. Eitelkeit in der Aus-drucksweise des Wortes Gottes Alten und Neuen Testaments ist das, was sich im Licht der Gedanken Gottes als vergeblich und nichtig erweist.* Es sind Pläne und Vorsätze sowie ihre Verwirklichung, die nicht nach dem Willen Gottes fragen. Unsere Gesell-schaft einschließlich der etablierten Kirchen und des Staats offenbaren zunehmenden Abfall von Gott. Die grundlegenden göttlichen Grundsätze hinsichtlich der Geschlechter, der Ehe und der Erziehung werden von solchen, die in Verantwortung vor Gott stehen und zum Teil ihre Autorität von Gott empfangen haben (Röm. 13, 1), um sie in Seinem Sinn zu verwalten, über Bord geworfen. Schamlosigkeit und Aberglau-ben florieren. Von Gott und Seinem Christus wissen nur noch wenige. Der Herr Jesus ist ihnen gleichgül-tig. Esoterik und Pseudoreligionen, angefangen von politischen Ideologien über Selbstverwirklichungsleh-ren für den Beruf und Hedonismus (Lust als oberstes Lebensprinzip), blühen. Diese Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen. In diesen Umständen fragt uns Gott: „Welche solltet ihr dann sein in heiligem Wandel und Gottseligkeit!“ (2. Petr. 3, 11). Gläubige Christen, die ihrem Herrn treu nachfolgen möchten, könnten da leicht mutlos werden. Wie gut, daß unser Herr alles vorausgesehen und uns einen solchen Vers, wie er im obenstehenden Titel ange-führt ist, in Seiner Heiligen Schrift mitgeteilt hat! In * vergl. das Bibelbuch „Prediger“.

  • 2welcher Erhabenheit steht dieser Vers vor uns! Schon wenn wir ihn in unserer Sprache übersetzt langsam laut lesen, erkennen wir in der Abfolge der Töne seine Erhabenheit und die Unerschütterlichkeit, der in ihm enthaltenen Wahrheit. Gott tritt vor uns, Er, der erhabene Schöpfer und Erhalter aller Dinge – seien es die grandiosen Ob-jekte des Weltalls oder die kleinsten Bestandteile der Atome. Seine Geschöpfe auf dieser Erde mögen Ihn vergessen oder Ihn leugnen – wie könnte dies Ihn erschüttern?! Seitdem die Erde steht, trägt Er sie in Seiner Allmacht. Jeder Mensch hat von I h m sein Leben empfangen und muß es I h m zurückgeben, sobald E r es will. Was ist der Mensch in seinem Toben und seiner Eitelkeit? Der anfangs zitierte Psalm 2 sagt: „Der im Himmel thront, lacht, der Herr spottet ihrer.“ Schon ein irdisches Sprichwort sagt: „Wer zuletzt lacht, lacht am besten!“ Gott wird nach Seinen Vorsätzen Seinen geliebten Sohn als König in die Welt einführen und das Tausendjährige Reich aufrichten. Dann wird sich die ganze Schar der Erlö-sten an dem wahren Isaak (= „Lacher“) erfreuen. Die Gottlosen aber werden an dem Ort weilen, wo sie in Qualen sind (Lk. 16, 23), bis sie zuletzt die Stätte ohne Wiederkehr erreichen, welche gekennzeichnet ist durch Weinen und Zähneknirschen (Matt. 13, 42). Wenn wir aufgefordert werden, niemand zu fürchten, der den Leib zu töten vermag – und sei er noch so mächtig! –, so sagt der Herr Jesus gleich danach: „Fürchtet aber vielmehr den, der sowohl Seele als Leib zu verderben vermag in der Hölle“ (Matt. 10, 28). Sogar die Gewalt des Teufels muß vor der All-macht Gottes weichen, um zuletzt in den Feuersee geworfen zu werden. Gott weiß, daß wir in uns selbst schwache Geschöpfe sind. Darum ruft er uns unzäh-lige Male in Seinem Wort zu: „Fürchte dich nicht!“ Der große Gott steht auf unserer Seite. „Jehova ist mein Licht und mein Heil, vor wem sollte ich mich fürchten?“ (Ps. 27, 1). Um diese Gewißheit und den daraus resultierenden Frieden genießen zu können, müssen wir allerdings in enger Gemeinschaft mit Gott leben. Ein Sonntagschullied sagt: „Wenn wir uns von Ihm abwenden, wird es finster um uns her.“ Elia ist ein Beispiel dafür, wie wir in 1. Könige 19 lesen. Doch Gott wird in unserem Vers aus dem Hebräer-

    brief in einem besonderen Charakter dargestellt. Es wird Sein Thron erwähnt. Ein Thron spricht von Herr-schaft. Gott sitzt auf Seinem Thron. Von dort aus regiert Er das ganze Universum, zu der unsere Erde gehört, und alle Welten, die unserem Verständnis verborgen bleiben. Die Bibel schildert uns verschie-dentlich diesen Regierungssitz Gottes (z. B. Hi. 1 u. 2; 1. Kg. 22). Selbst Satan muß vor diesem Thron erscheinen und sich Gottes Anordnungen beugen. Mögen Menschen auf der Erde ihre wirklichen oder ideellen Herrschersitze als Monarchen oder schein-bar vom Volk gewählte Regierungsvertreter einneh-men – Gott sitzt auf dem höchsten Thron. Mögen die Regierenden auf der Erde auch Gott ignorieren und ihren eigenen Träumen und Vorstellungen folgen – Gott nimmt von allem Kenntnis und wird es nach Sei-nen Maßstäben richten. Wenn heutzutage viele Dinge geschehen, die Seinen Maximen widersprechen, so wissen wir, daß nichts auf der Erde geschehen darf, das Er nicht zuläßt. Welche Pläne und Absichten Er damit verfolgt, ist uns Gläubigen nicht immer erkenn-bar. Wir dürfen jedoch sicher sein, daß Gott nicht willkürlich handelt (Kgl. 3, 33). Auf jeden Fall gilt für uns Erlöste, daß alle Dinge zum Guten mitwirken (Röm. 8, 28). Diese Oberherrschaft, dieser Thron, besteht von Ewigkeit zu Ewigkeit. Gott hat die oberste Regie-rungsgewalt in den vergangenen Ewigkeiten ausge-übt. Er wird sie in den zukünftigen Ewigkeiten aus-üben.* Sollten Ihm dann in unserer Zeit die Zügel aus der Hand geglitten sein? Auch wenn es so aussehen mag – die unerschütterliche Wahrheit, wie sie in dem betrachteten Vers zum Ausdruck kommt, bleibt bestehen. Möge sie uns zum Trost sein beim Eintritt in ein neues Jahr irdischer Zeitrechnung! (Vielleicht ist es unser letztes hier auf der Erde!) Seien die Umstände noch so finster und mögen sie noch viel größere Finsternis für die Zukunft voraussagen – e i n e s bleibt bestehen: „Du aber bist derselbe, und deine Jahre werden „Du aber bist derselbe, und deine Jahre werden „Du aber bist derselbe, und deine Jahre werden „Du aber bist derselbe, und deine Jahre werden nicht vergehen."nicht vergehen."nicht vergehen."nicht vergehen." (Hebr. 1, 12).(Hebr. 1, 12).(Hebr. 1, 12).(Hebr. 1, 12). J. D.

    * Der paradoxe Ausdruck „Ewigkeiten“ in der Mehrzahl-form soll unsere Unfähigkeit ausdrücken, mit dem Begriff Ewigkeit umzugehen.

  • 3EsauEsauEsauEsau****

    William Kelly

    Der Unterschied in Leben und Verhalten der Söhne Isaaks war für beide von folgenreicher Bedeutung und ist für jeden Leser der Bibel, da er Gottes Gnade benötigt, eine ernste Warnung. „Und die Knaben wuchsen heran. Und Esau wurde ein jagdkundiger Mann, ein Mann des Feldes; Jakob aber war ein sanfter Mann, der in den Zelten blieb. Und Isaak hatte Esau lieb, denn Wildbret war nach seinem Munde; Rebekka aber hatte Jakob lieb. Und Jakob kochte ein Gericht; und Esau kam vom Felde und war matt. Da sprach Esau zu Jakob: Laß mich doch essen von dem Roten, dem Roten da, denn ich bin matt! Darum gab man ihm den Namen Edom. Und Jakob sprach: Verkaufe mir heute dein Erstgeburts-recht. Und Esau sprach: Siehe, ich gehe hin zu ster-ben, und wozu mir da das Erstgeburtsrecht? Und Jakob sprach: Schwöre mir heute! Und er schwur ihm und verkaufte sein Erstgeburtsrecht dem Jakob. Und Jakob gab Esau Brot und ein Gericht Linsen; und er aß und trank und stand auf und ging davon. So ver-achtete Esau das Erstgeburtsrecht.“ (1. Mos. 25, 27-34). Während die Knaben heranwuchsen, wurde erkenn-bar, daß Esau keinen Glauben hatte, Jakob aber wohl. Das Leben enthüllte weit mehr als die Zunge, womit sich das Herz beschäftigte und wo sein Schatz lag. Von ihren Vorfahren wird gesagt: „Diese alle sind im Glauben [oder: „dem Glauben gemäß“ ] gestor-ben“ (Hebr. 11, 13). Sie hatten die vorhergesagten Segnungen nicht empfangen, „sondern sahen sie von ferne und begrüßten sie und bekannten, daß sie Fremdlinge und ohne Bürgerschaft auf der Erde [oder: „im Lande“ ] seien.“ Davon zeugten sie, in-dem sie in Zelten wohnten. Bei Esau war das nicht der Fall. Er fand keinen Geschmack an der gläubigen und erwartungsvollen Haltung der Patriarchen. Er verwarf all die Lehren, die ihm Leben und Bekenntnis seines Vaters und Großvaters vorstellten. Nimrod war

    * Erschienen unter den Titeln „The Sons, Esau and Jacob“ und „Isaac blessing Esau“ in Bible Treasury N3 (1900/01) 129-130 u. 273-274

    sein Vorbild und nicht Abraham. Noch weniger be-schäftigte er sich mit Dem, Der vor den Augen jener Alten strahlte, die auf der Erde ein Zeugnis von der Kraft ihres Glaubens empfangen hatten. Er erwählte sich die Jagd als sein Metier und ging darin auf. Er wurde ein geschickter Jäger, ein Mann des Feldes. Er suchte sichtbare und irdische Befriedigung und fand sein Vergnügen in den Wechselfällen dieser Welt. Gerne erprobte er seine Geschicklichkeit und alle seine eigenen Hilfsmittel. Gelegentliche Gefahren sowie auch der Erfolg waren ihm lieb. Wie bei dem angeführten Rebell, welchem er nacheiferte, fehlte Gott gänzlich in seinen Gedanken. Was kehrte er sich an jener herrlichen Erwartung des Sieges über die Mächte des Bösen durch eine Person, die mehr als ein Mensch war – obwohl von einer Frau geboren – und trotz härtester Leiden triumphieren sollte! Das Unsichtbare war nichts für Esau, dessen Herz von den Dingen seines täglichen Lebens erfüllt war, wäh-rend er Spaß daran fand, Tiere zu fangen und zu töten Jakob wird als ein sanfter Mann geschildert, der in den Zelten blieb. Er war Miterbe Isaaks und Abra-hams in Hinsicht auf die Verheißung. Gleicher Glaube bewirkte auch gleiche Frucht. Er erwartete die Stadt mit Grundlagen, welche diese Erde nicht bieten kann und deren Schöpfer und Baumeister Gott ist. In sei-nem natürlichen Wesen gab es genug, gegen das er zu wachen und zu kämpfen hatte; aber er schaute über diesen irdischen Schauplatz hinaus. Dadurch wurde er davor bewahrt, nach Grundsätzen des Ei-genwillens zu leben, als gäbe es nichts jenseits die-ser Erde. Im Vergleich zu Abraham war sein Wandel schwach; und verglichen mit Isaak führte er ein sehr wechselvolles Leben. Trotzdem konnte er kurz vor seinem Tod sagen, daß Gott ihn sein ganzes Leben lang geweidet und daß Sein Engel ihn von allem Übel erlöst hat (1. Mos. 48, 15f.). Esau konnte nicht von einer solchen Hirtensorge reden, denn er fühlte nie ein Bedürfnis danach und hätte sich ihrer geschämt. Die Erde, so wie sie ist, war sein Feld der Freude und die wilden Tiere die Gegenstände seiner kunstfertigen Bemühungen. Die Zukunft in der göttlichen Herrlich-keit erschien seinem Herzen nur wie ein erzählter Traum. So unvollkommen Jakob auch war, er erlebte schon hier die wachsame und gnädige Umsicht Got-tes und wartet jetzt auf „jenen Tag“. Ausschließlich

  • 4ein solches Leben verleiht Rechtschaffenheit vor Gott. Das Wohnen in Zelten allein reicht nicht aus; auch der Beduine handelt so. Bei Jakob zeugte es jedoch von seinem Pilgercharakter und seinen Hoffnungen. Ach, die Fehler der Kinder verraten nur zu oft die Nachlässigkeit (oder Schlimmeres) ihrer Eltern! Vorlieben, wie in Vers 28 geschildert, mögen natür-lich erscheinen, doch sie bringen unvermeidlich Züchtigung mit sich. Ein Elternteil mag einen Cha-rakter schätzen, der ihm völlig entgegengesetzt ist, wie wir es bei Isaak sehen. Ein anderes Kind wird vorgezogen, weil es Vater oder Mutter so ähnelt. Das erkennen wir in Rebekka. Beide Eltern wären geseg-neter und selbst mehr ein Segen gewesen, wenn sie ihren Kindern mit wachsamer Liebe im Glauben jenen Weg befohlen hätten, den Jehova bei Abraham in 1. Mose 18, 19 so sehr lobt. Jetzt muß der inspirie-rende Geist Gottes eine demütigende Geschichte erzählen; und wir erfahren von der Zucht in der sittli-chen Regierung Gottes. Vorübergehender Hunger führte zu schwerwiegend-sten Folgen. Als Esau einmal matt und hungrig nach Hause kam, hatte Jakob gerade eine Linsenmahlzeit gekocht. Nun war die Gelegenheit da. Jakob hatte schon lange nach jenem Vorrecht getrachtet, welches von seinen Vorvätern her bis hin zu seinen Nach-kommen mit Segen verbunden war. Er wußte, daß sein Bruder weniger Wert darauf legte und nutzte Esaus Bedürfnis, um den Handel abzuschließen. „Laß mich doch essen von dem Roten, dem Roten da!“, sagte der erschöpfte Jäger. „Verkaufe mir heute dein Erstgeburtsrecht!“, antwortete schnell der ungläubige Gläubige. Esau, wie immer nur auf das Gegenwärtige bedacht, stimmte mit einem Eid zu. „Und Jakob gab Esau Brot und ein Gericht Linsen; und er aß und trank und stand auf und ging davon.“ Dann folgt der einfache und ernste Kommentar: „So verachtete Esau das Erstgeburtsrecht.“ Zweifellos litt Esau großen Hunger; und die Schüssel vor seinen Augen war verführerisch für einen hungri-gen Jäger. Aber hatte er keinen Vater, der ihn liebte, und keine Mutter, die ihn mitleidvoll versorgte? Wenn du willst, tadle Jakob dafür, daß er die Gelegenheit ergriffen hat, um das zu ergreifen, was Esau nicht wertschätzte! Letzteres trat hier klar zutage. Esau

    wollte keine Stunde länger hungern und dürsten. Jenes „Rote“ da wollte er sofort haben, koste es, was es wolle. Mögen andere um Christi willen „in Wachen oft, in Hunger und Durst, in Fasten oft, in Kälte und Blöße“ (2. Kor. 11, 27) sein – was be-deutete das für einen Mann, der nur dazu lebte, um sich selbst zu befriedigen? Er konnte keine Stunde länger fasten. „Siehe, ich gehe hin zu sterben, und wozu mir da das Erstgeburtsrecht?“ Schon Ismael, der Sohn der Sklavin, war böse genug. Nach dem Fleisch geboren verfolgte er den Sohn, dessen Geburt nach dem Geist geschehen war. Er verspottete den Sohn und Erben Abrahams, der un-ter Umständen geboren wurde, die für jeden, der glaubte, auf das Eingreifen Gottes zurückzuführen waren. Esau war jedoch noch viel schuldiger, weil er aufgrund eines Gebets und entsprechend einer Pro-phezeiung dem Erben der Verheißung geboren wurde. Dabei besaß er jeden Vorzug vor Jakob, den ihm seine Erstgeburt geben konnte. Wurde er nicht zusammen mit Jakob unter den vertrauten Tönen des Wortes Gottes und in seinen Wegen auferzogen – jedenfalls soweit uns dies bekannt ist? Jetzt wurde er einer Versuchung ausgesetzt, die für einen Jäger doch verhältnismäßig leicht ist. Dabei standen ihm Hilfsquellen zur Verfügung, die nie versagt hatten und von denen es kaum glaublich ist, daß diese sei-nen brennenden Hunger nicht gestillt hätten. Trotz-dem verkaufte er mit Überlegung sein Erstgeburts-recht für eine einzige Speise (Hebr. 12, 16), wofür er sich vom Heiligen Geist das schreckliche Stigma eines „Ungöttlichen“ zuzog.

    * * * Kommen wir jetzt zu Esau und seinem Segen! „Und es geschah, sowie Isaak geendet hatte, Jakob zu segnen, ja, es geschah, als Jakob nur eben von sei-nem Vater Isaak hinausgegangen war, da kam sein Bruder Esau von seiner Jagd. Und auch er bereitete ein schmackhaftes Gericht und brachte es zu seinem Vater und sprach zu seinem Vater: Mein Vater stehe auf und esse von dem Wildbret seines Sohnes, damit deine Seele mich segne. Und sein Vater Isaak sprach zu ihm: Wer bist du? Und er sprach: Ich bin dein Sohn, dein Erstgeborener, Esau. Da erschrak Isaak mit großem Schrecken über die Maßen und sprach: Wer war denn der, welcher ein Wildbret erjagt und mir gebracht hat? Und ich habe von allem gegessen,

  • 5ehe du kamst, und habe ihn gesegnet; er wird auch gesegnet sein. Als Esau die Worte seines Vaters hörte, da schrie er mit einem großen und bitterlichen Geschrei über die Maßen und sprach zu seinem Vater: Segne mich, auch mich, mein Vater! Und er sprach: Dein Bruder ist mit Betrug gekommen und hat deinen Segen weggenommen. Da sprach er: Ist es nicht, weil man ihm den Namen Jakob gegeben, daß er mich nun zweimal überlistet hat? Mein Erst-geburtsrecht hat er weggenommen, und siehe, nun hat er meinen Segen weggenommen! Und er sprach: Hast du mir keinen Segen aufbehalten? Da antwor-tete Isaak und sprach zu Esau: Siehe, ich habe ihn zum Herrn über dich gesetzt und alle seine Brüder ihm zu Knechten gegeben, und mit Korn und Most habe ich ihn versehen, und nun, was könnte ich für dich tun, mein Sohn? Und Esau sprach zu seinem Vater: Hast du nur diesen einen Segen, mein Vater? Segne mich, auch mich, mein Vater! Und Esau erhob seine Stimme und weinte. Da antwortete sein Vater Isaak und sprach zu ihm: Siehe, fern von der Fettig-keit der Erde wird dein Wohnsitz sein und ohne den Tau des Himmels von oben her. Und von deinem Schwerte wirst du leben, und deinem Bruder wirst du dienen; und es wird geschehen, wenn du umher-schweifst, wirst du sein Joch zerbrechen von deinem Halse.“ (1. Mos. 27, 30-40). Diese Szene bewegt unsere Gefühle. Das betrügeri-sche Verhalten von Jakob und Rebekka ruft Entrü-stung hervor. Wir empfinden mit dem irrenden und betrogenen alten Gläubigen und haben Mitleid mit der bitteren Verzweiflung Esaus, obwohl letzterer sich schon früher als unwürdig und gottlos erwiesen hatte. Aber wir freuen uns auch über den Wende-punkt der Gnade in Isaaks Seele. Isaak beugte sich, als Gott seine Bemühungen hinsichtlich desjenigen unter seinen Söhnen durchkreuzte, der seinen Appe-tit zu befriedigen wußte. Ach, er hatte vergessen, daß Jehova schon Seinen Willen bezüglich Jakobs kundgetan hatte. Als Gott Isaaks Ratschluß zunichte machte, schimpfte er nicht auf seine Frau und den jüngeren Sohn, sondern beugte sich im Selbstgericht und „großem Schrecken über die Maßen“ und be-siegelte im Glauben, was seine Lippen unabsichtlich, doch unter der Leitung Gottes, ausgesprochen hat-ten. „Er wird auch gesegnet sein.“ Er empfand, daß der Irrtum auf seiner Seite lag, wie sehr andere auch

    einen Tadel verdient hatten. Gott hatte das sicherge-stellt, was schon vor der Geburt der Söhne voraus-gesagt war. Jetzt wirkte in Isaak der Glaube. Das Fleisch, welches vorher seine Augen verdunkelt hatte, hinderte nicht mehr. Das ist auch die Sprache des Heiligen Geistes in Hebräer 11. Der Segen er-folgte nicht der Neigung Isaaks entsprechend, son-dern gegen dieselbe. „Durch Glauben segnete Isaak“ – nicht Esau und Jakob, sondern – „d e n Jakob und d e n Esau“, und zwar „in Bezug auf zukünftige Dinge.“* Jehova als der Herr-Gott ist frei, nach dem Wohlge-fallen Seines Willens zu handeln, sei es für den Him-mel, sei es für die Erde. Wenn der Mensch seinen eigenen Willen durchsetzen möchte, so ist das Tor-heit und Sünde. Als Heiliger wurde er abgesondert, um Gott nicht nur in den zehn Geboten zu gehor-chen, sondern in allem. Als Sünder ist er Satans Sklave und betrügt sich nur selbst, wenn er sich sei-ner Freiheit, seines freien Willens und was auch im-mer rühmt. Die notwendige Pflicht eines Geschöpfes liegt im Gehorsam. Keine Vernunftschlüsse können diese Verpflichtung aufheben, obwohl sie den gefal-lenen Menschen blenden mögen. Dennoch ist es eine Schande für den Gläubigen, sich ebenso wie die ganze bewohnte Welt überlisten zu lassen. Satan vermag anzuklagen; aber er sollte eigentlich keinen

    * In Hebr. 11, 20 werden in dem Segen, den Isaak aus-sprach, Jakob und Esau betont getrennt gesehen. Das geschieht auf eine Weise, die, soweit ich weiß, für die griechische Sprache charakteristisch ist. Beiden Söhnen wird ein Artikel zugewiesen: „d e n Jakob und d e n Esau“. Damit sollen beide als gut unterschiedene Persön-lichkeiten vor die Blicke gestellt werden. Normalerweise hätte es ausgereicht, wenn der Artikel vor beiden wegge-lassen worden wäre. – Dieselbe Darstellungsweise sehen wir am Beispiel von Paulus und Barnabas in Ap. 13, 2. 43. 46. 50, insbesondere wenn wir mit Vers 7 bzw. dem 14. Vers des 14. Kapitels vergleichen. Ap. 15, 2 enthält beide grammatische Formen nebeneinander und in Vers 22 sind beide Namen hinter einem Artikel vereinigt. Dies seien nur einige Beispiele von dem, was im Griechischen üblich ist. (W. K.). (Anm. d. Übers.: Die hier genannten sprachlichen Feinheiten sind in der nicht-bearbeiteten Elberfelder Bibelübersetzung – leider jedoch nicht gene-rell – konsequenter als in der neuen, bearbeiteten be-rücksichtigt worden.)

  • 6Menschen, der das Wort Gottes und Seinen Geist besitzt, hintergehen können, wie wir es leider eine Zeitlang bei Isaak sehen. Nichtsdestoweniger wurde dieser zuletzt wiederhergestellt.* Trotzdem blieb ein Segen für Esau übrig – ein Se-gen, der eigentlich seiner Natur viel mehr entsprach als der, welcher für Jakob bestimmt war. Was küm-merte Esau sich um die Verheißungen des Bundes? Welchen Reiz bot ihm das Königreich des Messias? War er bereit, den Messias zu verehren und sich Ihm zu unterwerfen? Die Fettigkeit der Erde und der Tau des Himmels von oben her entsprachen mehr seinem Geschmack.† Der Himmel war für ihn nur eine Senti-mentalität, deren Genuß er gern anderen überließ. Er war, wie er sich schmeichelte, ein praktischer Mann. Die gegenwärtige Welt war für ihn ein Schauplatz freudevoller Erregung, abwechslungsreich genug, um ihre Vergnügungen zu vergrößern. Wie schön auch, mit dem Schwert von seinen Feinden zu leben! Er beneidete nicht jene armen geistlosen Geschöpfe, welche, jedenfalls ihren Worten nach, vom Wort Got-tes lebten. Solch einen Fanatismus verachtete er. Leider erklärte das Wort, daß er, Esau, seinem Bru-der dienen sollte. Das war ärgerlich – und mußte sich erst noch zeigen. Er wollte jedenfalls alles tun, die Erfüllung dieses Ausspruchs zu verhindern. Außerdem sagte jenes Wort ja auch, daß er sich ei-nes Tages beim Herumschweifen aus den Banden lösen und das Joch von seinem Hals zerbrechen würde. Das war Freude genug. Dann mochte der Bruder ruhig den Rest bekommen. – Esau war welt-lich gesinnt. Diese Sünde der Weltlichkeit wächst in unseren Tagen mehr und mehr. Dabei zeigt sie sich in der Christenheit viel auffallender als im Heidentum. Zweifellos steht das Ende des Zeitalters kurz bevor. Der Tag des Herrn eilt heran. Doch zuerst muß der Abfall von Gott kommen und zu seiner Zeit der Mensch der Sünde, der Gesetzlose, offenbar werden, den der Herr Jesus mit dem Hauch Seines Mundes verzehren und bei der Erscheinung Seiner Ankunft vernichten wird (2. Thess. 2, 8).

    * In diesem Zusammenhang sei auf den Artikel „Isaak“ von J. G. Bellett im „Botschafter des Heils in Christo“ 37 (1889) hingewiesen. (Übs.) † vergl. Fußnote in der „Elberfelder Bibel“ bzw. Darbys Übersetzung (Übs.)

    Einführende Vorträge zum JohannesevangeliumEinführende Vorträge zum JohannesevangeliumEinführende Vorträge zum JohannesevangeliumEinführende Vorträge zum Johannesevangelium‡‡‡‡

    William Kelly (1821-1906)

    Kapitel 1Kapitel 1Kapitel 1Kapitel 1

    Die Anfangsverse des Johannesevangeliums (V. 1-18) führen den großartigsten Gegenstand ein, den Gott jemals durch den Griffel eines Menschen be-schreiben ließ. Er ist nicht nur großartig bezüglich des Themas, sondern auch in jeder anderen Hinsicht. Denn der Heilige Geist stellt hier das WORT vor uns, das ewige WORT. Er beginnt mit Seiner Existenz vor aller Zeit, als es noch kein Geschöpf gab und Es bei Gott war. Strenggenommen wird nicht vom „WORT bei dem Vater“ gesprochen, weil dieser Ausdruck nicht der Genauigkeit der Wahrheit entspricht, sondern vom „Wort ... bei Gott“. Der Begriff „Gott“ umfaßt sowohl den Vater, als auch den Heiligen Geist. Jene Person, die damals der Sohn der Vaters war – ich brauche es wohl nicht immer wieder zu sagen –, wird hier als der Offenbarer Gottes betrachtet; denn Gott als Solcher offenbart sich nicht selbst. Er verkündet Sein Wesen durch das WORT. Nichtsdestoweniger wird hier von dem WORT gesprochen, bevor es ir-gend jemand gab, dem Gott sich offenbaren konnte. Es ist demnach im unbedingtesten Sinn ewig. „Im Anfang war das Wort“, als noch keine Zeit gezählt wurde; denn der Anfang dessen, was wir Zeit nennen, wird uns erst im dritten Vers vorgestellt. „Alles“, wird dort gesagt, „ward durch dasselbe.“ Das ist eindeu-tig der Ursprung jeder Kreatur, wo immer oder wer immer sie sein mag. Vor den irdischen gab es schon himmlische Wesen. Von welchem Erschaffenen – organisch oder anorganisch, Engel oder Menschen, Himmel oder Erde – wir auch sprechen mögen: Alles wurde durch das WORT. Auf diese Weise wird Er, in Dem wir den Sohn des Vaters erkennen, als das WORT vorgestellt. Er exi-stierte als Person im Anfang (�ν �ρχ��. Er war bei Gott, und Er war Gott. Er war von gleicher Natur wie Gott und doch eine unterschiedene Persönlichkeit. Um diese Aussagen vor allem gegen die Träumereien

    ‡ aus: Lectures Introductory to the Study of the Gospels, Heijkoop, Winschoten, NL, 1970

  • 7der Gnostiker* und anderer Irrlehrer zu bestätigen, wird hinzugefügt, daß Er im Anfang bei Gott war. Wir müssen auch noch beachten: „Das Wort war bei Gott“ und nicht beim V a t e r. So wie das WORT und Gott, so stehen auch der Sohn und der Vater in be-sonderer Wechselbeziehung. Wir werden hier mit den genausten und gleichzeitig kürzesten Ausdrücken in die Gegenwart der höchsten denkbaren Wahrheiten gestellt, welche Gott allein kannte und welche aus-schließlich Er den Menschen mitteilen konnte. Tat-sächlich verkündet ausschließlich Gott d i e Wahr-heit; denn hier geht es nicht einfach um bloßes Wissen über unterschiedliche Sachverhalte, wie ge-nau die zugrundeliegenden Informationen auch sein mögen. Wären alle diese Aussagen auch mit der be-wundernswürdigsten Genauigkeit übermittelt worden, so würden sie doch in sich selbst nicht im geringsten an eine göttliche Offenbarung heranreichen. Eine solche Mitteilung würde nicht nur in ihrer Wertigkeit, sondern auch in ihrer Art von einer göttlichen Offen-barung abweichen. Eine Offenbarung seitens Gottes setzt nicht nur wahrhaftige Aussagen voraus. Sie macht außerdem Gottes Gesinnung kund, damit sie sittlicherweise im Menschen wirken und seine Gedan-ken und Gefühle entsprechend dem Charakter Gottes bilden können. Gott macht sich selbst bekannt in dem, was Er durch, von und in Christus mitteilt. In der Stelle vor uns will der Heilige Geist zur Ver-herrlichung Gottes ganz offensichtlich Wahrheiten bekannt machen, welche die Gottheit aufs engste betreffen und unendlichen Segen für alle Menschen in der Person des Herrn Jesus enthalten. Diese Verse beginnen demnach mit Christus, unserem Herrn, und zwar – nicht v o n , sondern – i m Anfang, als noch nichts erschaffen war. Sie sprechen von der Ewigkeit Seiner Existenz. Zu keiner Zeit in der Vergangenheit konnte gesagt werden, daß es Ihn nicht gab; im Ge-genteil, Er w a r da. Er war jedoch nicht allein. Auch Gott war da – nicht nur der Vater, sondern ebenfalls

    * Gnostizismus: Philosophisches System nicht-christlicher und christlicher Prägung. Christlicher Gnostizimus ist seit dem zweiten Jahrhundert bis in unsere Tage in seinen unterschiedlichen Strömungen eine der einflußreichsten Irrlehren. Hier spricht Kelly von der gnostischen Lehre, daß die Person des Sohnes nicht ewig bei Gott war, son-dern erst später erschaffen wurde. (Übs.)

    der Heilige Geist. Sie waren da neben dem WORT selbst, welches Gott war und genauso eine göttliche Natur besaß wie sie. Zudem wird nicht gesagt, daß Es im Anfang „war“ in dem Sinn, daß Es damals ins Dasein gerufen wurde (�γéντο); denn Es „war“ (�ν). So „war“ also das Wort vor aller Zeit. Wenn die große Wahrheit der In-karnation (Fleischwerdung) in Vers 14 erwähnt wird, lesen wir dort nicht, daß das WORT ins Dasein geru-fen, sondern daß Es Fleisch gemacht wurde (�γéντο) – Es trat in diesen Z u s t a n d ein. Letztere Wahrheit steht somit in einem großen Ge-gensatz zu den Versen 1 und 2. Im Anfang, vor irgendeinem Geschöpf, war also das WORT; und das WORT war bei Gott. Es gab folglich in der Gottheit verschiedene Personen; und auch das WORT war eine von Ihnen. Es war keine Emanation† Gottes in der Zeit, die, ihrer Natur nach ewig und göttlich, von Gott als ihrer Quelle ausging. Solche Gedanken sind menschliche Träumereien. Das WORT besaß eine eigene Persönlichkeit und war gleichzeitig Gott – „das Wort war Gott.“ Ja, der nächste Vers verknüpft die beiden bisherigen Aussagen und gibt eine Zwischensumme: Es, das WORT, war im Anfang bei Gott. Die Personalität war genauso ewig wie Seine Existenz. Es war auch nicht in irgendeiner mystischen Weise i n Gott, sondern b e i Gott. Ich kann mir keine Aussage vorstellen, die mit so wenigen, ein-fachen Worten in bewunderungswürdigerer Weise vollständig und eindeutig ist. Danach wird die Schöpfung dem WORT zugeschrie-ben. Wenn irgend etwas existiert, dann kann es nur von Gott erschaffen sein. Auch diese Worte sind wie-der die Genauigkeit selbst. „Alles ward durch das-selbe, und ohne dasselbe ward auch nicht eines, das geworden ist.“ In anderen Bibelstellen mögen Worte benutzt werden, die weniger stark sind. Der Un-glaube mag diese spitzfindig mit „gestalten“ oder „anpassen“ erklären. Hier jedoch gebraucht der Heilige Geist die eindeutigste Sprache, um darzule-gen, daß alles begann bzw. sein Dasein empfing durch das WORT. Nichts erhielt seine Existenz außer † Emanation: philosophischer Begriff, der „Ausfluß“ bedeutet. (Übs.)

  • 8durch das WORT. Doch die Ausdrucksweise läßt aus-reichend Raum für unerschaffene Wesen, die, wie wir schon gesehen haben, ewig und voneinander unter-schieden existieren und trotzdem alle gleichermaßen Gott sind. Die Darlegung stellt nachdrücklich fest, daß das WORT der Ursprung von allem ist, was ins Dasein gebracht wurde (γνóµν). Es gibt keine Kreatur, welche nicht auf diese Weise von Ihm ihr Dasein empfangen hat. Nichts kann strenger und unbeding-ter den Gedanken ausschließen, daß irgendein Ge-schöpf ohne das WORT erschaffen worden sei. Es stimmt, daß in anderen Bibelstellen Gott als Schöpfer bezeichnet wird. Andererseits lesen wir, daß Er durch den Sohn die Welten erschaffen hat (Hebr. 1, 2). In der Schrift kann es jedoch keine Widersprü-che geben. Die Wahrheit besteht darin: Alles Er-schaffene wurde entsprechend dem unumschränkten Willen des Vaters erschaffen. Allerdings war der Sohn, das WORT, die Person, welche die Macht aus-übte, und zwar immer in Verbindung mit der Kraft des Heiligen Geistes, wie ich hinzufügen möchte, weil die Bibel uns darüber sorgfältig belehrt. Diese Aus-sagen sind von ungeheurer Bedeutung für das Thema des Heiligen Geistes im Johannesevangelium, weil in ihm die Natur und das Licht Gottes in der Per-son Christi bezeugt werden sollen. Deshalb sehen wir hier den Herrn Jesus nicht einfach als den M e n -s c h e n, der von einer Frau unter dem Gesetz gebo-ren wurde (Gal. 4, 4). Das findet seinen passenden Platz in den Evangelien von Matthäus und Lukas. Johannes zeigt, was Er war und ist als G o t t. Auf der anderen Seite läßt das Markusevangelium jede dies-bezügliche Angabe weg. Ein Geschlechtsregister, wie wir es bei Matthäus und Lukas gefunden haben, war demnach völlig unpassend. Der Grund dafür ist klar. Markus’ Thema ist, ein Zeugnis von Jesus abzulegen, Der, obwohl der Sohn Gottes, die Stellung eines Die-ners auf der Erde eingenommen hatte. Bei einem Diener, auch wenn er aus edlem Geschlecht stammt, fragt niemand nach einem Geschlechtsregister. Von einem Diener wird verlangt, daß er seine Arbeit gut ausführt; seine Abstammung ist unwichtig. Dies galt sogar für den Sohn Gottes. Er erniedrigte sich so vollkommen bis zur Stellung eines Knechtes (und der Geist Gottes berücksichtigte dieses so genau), daß infolgedessen ein Geschlechtsregister im Markus-evangelium weggelassen wird. Dabei wurde es im

    Matthäusevangelium unbedingt gefordert; und auch bei Lukas wird es mit solch auffallender Schönheit und Bedeutung vorgelegt. Aus erhabeneren Ge-sichtspunkten war auch im Johannesevangelium kein Platz dafür. Bei Markus geschah die Weglassung wegen der niedrigen Stellung in Unterwürfigkeit, zu welcher der Herr sich herabließ, im Johannesevange-lium aus genau dem entgegengesetzten Grund. Nach seiner Schilderung steht der Herr weit über jedem Geschlechtsregister. Er ist die Ursache für das Ge-schlechtsregister eines jeden Menschen – ja, die Quelle des Ursprungs aller Dinge. Wir dürfen daher kühn sagen, daß bei Johannes eine solche Abstam-mungslinie nicht eingefügt werden konnte, weil sie mit dem Charakter des Evangeliums nicht überein-stimmt. Wenn irgendeine Art Geschlechtsregister überhaupt hier seinen Platz haben konnte, dann nur ein solches, wie wir es in der Einleitung – den Ver-sen, mit denen wir uns gerade beschäftigen – finden und welches die göttliche Natur und ewige Perso-nalität des Herrn herausstellt. Er war das WORT; und Er war Gott. Er war – wenn wir es schon vorwegneh-men wollen – der Sohn, der eingeborene Sohn des Vaters. Wenn irgend etwas, dann sind in unserem Evangelium die einführenden Verse Sein Ge-schlechtsverzeichnis, und zwar aus einem ganz of-fensichtlichen Grund; denn überall im Johannesevan-gelium ist Er Gott. Zweifellos wurde das Wort Fleisch, wovon wir bald noch mehr in dieser inspirierten Ein-leitung hören werden. Außerdem wird unbedingt festgehalten, daß Er wirklich Mensch wurde. Aber Er nahm Menschheit an. Die Herrlichkeit Seiner Gottheit besaß Er seit Ewigkeiten; sie war Seine ewige We-sensnatur. Letztere wurde Ihm nicht mitgeteilt. Eine abgeleitete untergeordnete Gottheit gibt es nicht und kann es auch nicht geben, obwohl Menschen als Bevollmächtigte Gottes und Seine Stellvertreter in der Regierungsgewalt Götter genannt werden (Ps. 82, 6; Joh. 10, 34). Er w a r Gott vor aller Zeit und bevor die Schöpfung begann. Er war unabhängig von ir-gendwelchen Umständen Gott. So haben wir also gesehen, wie der Apostel Johannes für das WORT eine ewige Existenz, eine eigene Persönlichkeit und die göttliche Natur geltend macht und dabei noch die ewige Unterscheidung als eigene Person bestätigt. Das ist das WORT in Beziehung zu Gott (πρò̋ τòν θóν). Als nächstes wird von Seinen Verbindungen

  • 9zur Schöpfung berichtet. (V. 3-5). Die ersten Verse sprechen ausschließlich von Seiner Existenz. In Vers 3 handelt und erschafft das WORT. Es bewirkte, daß alle Dinge ins Dasein gerufen wurden. Nichts, was existiert, ist unabhängig vom WORT entstanden (γéγονν). Keine Darstellung könnte umfassender, keine ausschließender sein. Der vierte Vers sagt etwas von Ihm voraus, was noch bedeutungsvoller ist, und zwar nicht die schöpferi-sche Kraft wie in Vers 3, sondern das Leben. „In ihm war Leben.“ Gesegnete Wahrheit für jene, die wis-sen, wie der Tod sich über diesen niedrigeren Schauplatz der Schöpfung ausgebreitet hat! Und das um so mehr, als der Geist hinzufügt: „Und das Leben war das Licht der Menschen.“ Nicht Engel gehörten zu seinem Einflußbereich; es war auch nicht auf ein auserwähltes Volk beschränkt. „Das Leben war das Licht der M e n s c h e n.“ Es gab im Menschen, so-gar als er noch nicht gefallen war, kein Leben. Bestenfalls wurde der erste Mensch, Adam, als der Odem Gottes ihn belebte, eine lebendige Seele (1. Mos. 2, 7). Selbst hinsichtlich eines Erlösten wird nirgendwo gesagt, daß in ihm Leben ist oder war, obwohl er Leben hat. Doch er hat es ausschließlich im Sohn. In Ihm, dem WORT, war Leben; und das Leben war das Licht der Menschen. Hier erkennen wir die Beziehungen zwischen Leben, Licht und Menschen. Zweifellos handelte alles, was in alten Zeiten enthüllt wurde, von Ihm. Jedes Wort, das von Gott ausging, kam von Ihm, dem WORT und Licht der Menschen. Aber damals war Gott noch nicht geoffenbart worden; denn d a s W O R T war noch unbekannt. Im Ge-genteil, Er wohnte in der tiefen Finsternis hinter dem Vorhang im Allerheiligsten, oder Er besuchte die Menschen in der Gestalt eines Engels. In Vers 5 wird jedoch gesagt: „Das Licht scheint in der Finsternis.“ Beachte die Abstraktheit des Ausdrucks – „das Licht scheint“, wird gesagt, und nicht „schien“! Wie ernst, daß das Licht nichts als Finsternis vorfindet! Und was für eine Finsternis! Wie undurchdringlich und hoff-nungslos! Jede andere Finsternis fügt sich dem Licht und entweicht. Doch hier „hat die Finsternis es nicht erfaßt.“ Der Heilige Geist berichtet die Tatsache und nicht einfach ein theoretisches Prinzip. Das Licht war dem Menschen angepaßt und ausdrücklich für ihn

    bestimmt, sodaß er ohne Entschuldigung ist. War denn auch dafür Sorge getragen worden, daß das Licht den Menschen gebührend vorgestellt wurde? Auf welchem Weg wurde das Zeugnis des Lichts gesichert? Gott war zweifellos dazu in der Lage. War Ihm dieses Zeugnis von nebensächlicher Bedeutung? Nein, Gott g a b Zeugnis. Zuerst sehen wir Johannes den Täufer und dann das LICHT selbst. „Da war (�γéντο � ward) ein Mensch, von Gott ge-sandt, sein Name Johannes.“ (V. 6). Der Heilige Geist übergeht alle Propheten, die verschiedenen früheren Handlungsweisen des Herrn im Alten Testament und die Schatten des Gesetzes. Nicht einmal auf die Ver-heißungen wird angespielt. Einige von ihnen finden wir später, wo sie zu einem ganz anderen Zweck angeführt oder erwähnt werden. Johannes kam also, um von dem LICHT zu zeugen, damit alle durch ihn glaubten. Aber der Heilige Geist wacht sorgfältig über jeden Mißbrauch dieser Stelle. Will irgend jemand eine enge Parallele sehen zwischen dem Licht der Menschen in dem WORT und ihm, der in einem der folgenden Kapitel (Kap. 5, 35) eine brennende und scheinende Lampe genannt wird? Mag er seinen Irrtum erkennen! „Er“, Johannes, „war nicht das Licht.“ Es gibt nur ein einziges LICHT und kein zweites. Kein Licht ist Ihm gleich. Gott kann nicht mit einem Menschen verglichen werden. Johannes kam, „auf daß er zeugte von dem Lichte.“ Er sollte nicht dessen Platz einnehmen und sich selbst als Licht hinstellen. Das wahre LICHT war jenes, „welches, in die Welt kommend, jeden Menschen erleuchtet.“ Als Gott beschäftigt Es sich notwendigerweise mit jedem Menschen; denn Seine Herrlichkeit konnte nicht auf einen Teil der Menschheit beschränkt bleiben. Die wichtige Wahrheit, die hier verkündigt wird, besteht in der Verbindung dieses allgemeinen Lichts, bzw. der Offenbarung Gottes in Ihm an die Menschen, mit Seiner Inkarnation. Durch andere Bibelstellen wissen wir, daß das Gesetz sich eine Zeitlang aus bestimm-ten Gründen mit dem jüdischen Volk befaßte. Das war nur ein beschränkter Einflußbereich. Nun, da das WORT in die Welt kommt, scheint das Licht in der einen oder anderen Weise für jedermann. Dabei läßt es Menschen unter dem Verdammungsurteil, und zwar, wie wir wissen, die große Masse der Menschen, die nicht glauben will. Es ist ein Licht, daß nicht nur auf, sondern auch in den Menschen scheint, wenn

  • 10dort durch die Wirksamkeit der göttlichen Gnade Glaube vorhanden ist. Eines ist gewiß: Welches Licht auch immer in Verbindung mit Gott leuchtet und wo immer Er es darreicht – es gibt und gab niemals geistliches Licht unabhängig von Christus. Alles an-dere ist Finsternis. Es kann nicht anders sein. Dieses Licht mußte seinem Charakter nach von Gott zu allen Menschen ausgehen. Anderswo wird gesagt: „Die Gnade Gottes ist erschienen, heilbringend für alle Menschen“ (Tit. 2, 11). Das heißt nicht, daß alle Menschen die Segnung empfangen. Doch hinsichtlich ihrer Reichweite und ihres Wesens wendet sich die Gnade an jeden. Gott sendet sie an alle Menschen. Das Gesetz mochte eine einzige Nation leiten. Die Gnade weigert sich, in ihrem Mahnruf eingeschränkt zu werden, obwohl dies durch den Unglauben des Menschen tatsächlich geschieht. „Er war in der Welt, und die Welt ward durch ihn.“ (V. 10). Die Welt sollte daher ihren Schöpfer gekannt haben. Aber, „die Welt kannte ihn nicht.“ Von Anfang an war der Mensch als Sünder verloren. Der unbe-grenzte Schauplatz steht vor den Blicken – nicht Israel, sondern die Welt. Nichtsdestoweniger kam Christus in das Seinige, Sein ordnungsgemäßes, Ihm eigenes Besitztum; denn es gab zusätzlich noch besondere Beziehungen. Die Juden sollten eigentlich mehr Verständnis über Ihn besessen haben – jene, die in besonderer Weise bevorrechtigt waren. Es war nicht so. „Er kam in das Seinige, und die Seinigen nahmen ihn nicht an; so viele ihn aber aufnahmen, denen gab er das Recht, Kinder Gottes zu werden“ (V. 11-12). Es ging nicht mehr um Jehova und Seine Knechte. Auch spricht der Heilige Geist genauge-nommen nicht, wie unsere englische Bibelüber-setzung es ausdrückt, von Söhnen, sondern von Kindern. Nach dem Willen Seiner herrlichen Person sollte es jetzt in Verbindung mit Gott nur noch Glieder der Familie Gottes geben. Das war die Gnade, die Gott in Dem entfaltete, Der in Wahrheit und Vollstän-digkeit Seine Gesinnung offenbarte. Er gab ihnen das Recht, den Platz von Kindern Gottes einzunehmen, nämlich jenen, die an Seinen Namen glauben. Dem Titel nach mögen sie außerdem Söhne sein; hier haben die Erlösten jedoch das Recht von Kindern. Wir lesen von keiner vorbereitenden Zuchthandlung, keiner besonderen Läuterung der Menschen. Die

    Unwissenheit der Welt hatte sich erwiesen; die Ver-werfung durch Israel war vollständig. Danach erst hören wir von diesem neuen Platz als Kinder. Es handelt sich jetzt um eine ewige Wirklichkeit. Der Name Jesu Christi stellte die letzte Probe dar. Es bestand ein Unterschied in der Art, wie die Welt und wie Israel handelten. Bei der Welt zeigte sich Unkenntnis, bei Israel Verwerfung. Glaubt irgend jemand an Seinen Namen? Wer er auch sei – so viele Ihn aufnehmen, werden Kinder Gottes. Der Heilige Geist spricht nicht von jedem Menschen, sondern nur von dem, der glaubt. Nimmt jemand den Herrn nicht an? Für ihn, sei er aus Israel oder von der Welt, ist alles vorbei. Das Fleisch und die Welt werden sittlich gerichtet. Gott der Vater bildet eine neue Familie in, durch und für Christus. Alle anderen Menschen be-weisen, daß sie nicht nur böse sind, sondern auch die vollkommene Güte und darüber hinaus Leben und Licht, das wahre Licht im WORT, hassen. Wie könnten solche Personen Beziehungen zu Gott haben? So wird diese Frage schon zu Beginn des Evange-liums eindeutig beantwortet. Offensichtlich ist, kenn-zeichnend für Johannes, alles entschieden. Er schreibt nicht von einem Messias, Der kommt, sich selbst offenbart und sich Israels Verantwortlichkeit vorstellt, wie wir es in anderen Evangelien mit äu-ßerst gewissenhafter Sorgfalt beschrieben finden. Diese Prüfung wird von Anfang an als abgeschlossen betrachtet. Beim Kommen in diese Welt erleuchtete das LICHT jeden Menschen mit der Fülle dessen, was in Ihm war. Dabei wurde sofort der wahre Zustand ei-nes jeden offenbar. Genauso wird es auch am letzten Tag sein, wenn Er alles richten wird. Darauf weist unser Evangelist später hin (Joh. 12, 48). Bevor uns die Art und Weise der Offenbarung des WORTES in Vers 14 vorgestellt wird, erhalten wir das Geheimnis erklärt, warum einige, aber nicht alle, Chri-stus annahmen. Sie waren nämlich keineswegs bes-ser als die übrigen. Die natürliche Geburt hatte mit diesem neuen Zustand nichts zu tun. Diejenigen, die Ihn aufnahmen, bekamen eine gänzlich neue Natur. „Welche nicht aus Geblüt, noch aus dem Willen des Fleisches, noch aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind.“ (V. 13). Es war eine außer-gewöhnliche Geburt. Sie war von Gott. Der Mensch hatte in keinster Weise Anteil daran. Dem Gläubigen

  • 11wurde allein aus Gnaden eine neue und göttliche Natur (2. Petr. 1, 4) mitgeteilt. Sowohl die Natur des WORTES als auch der Platz des Christen werden ab-strakt beschrieben. Es ist für uns jedoch wichtig zu wissen, w i e Es diese Welt betrat. Wir haben schon gesehen, daß in Ihm Licht auf die Menschen schien. Wie geschah das? Um diese unendlichen Absichten zu erfüllen, wurde (�γéντο) das WORT „Fleisch und wohnte unter uns.“ Hier erfahren wir, in welcher persön-lichen Stellung Es sich befand, als Es Gott offenbarte und das Werk ausführte. Wir lesen in unserem Vers nicht, was Es Seiner Natur nach war, sondern was Es wurde. Das große Wunder der Inkarnation wird uns vorgestellt. „Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, (und wir haben seine Herrlichkeit angeschaut, eine Herrlichkeit als eines Eingeborenen vom Vater).“ (V. 14). Sein Wesen, als Es unter den Jün-gern „zeltete“ (vergl. Fußnote), war „voller Gnade und Wahrheit.“ So gesegnet das Licht ist, indem es der sittlichen Natur Gottes entspricht, müssen wir doch beachten, daß die Wahrheit mehr ist als dieses; und die Wahrheit wurde durch Gnade eingeführt. Wahrheit ist die Offenbarung Gottes – ja, des Vaters und des Sohnes – und entlarvt den Menschen. Der Sohn war nicht gekommen, um das Gericht des Ge-setzes, das die Juden kannten, auszuführen. Er sollte auch nicht ein neues und höheres Gesetz verkünden. Er hatte einen Auftrag, der unvergleichlich erhabener und Gottes würdiger war und außerdem zu einer Person „voller Gnade und Wahrheit“ paßte. Er for-derte nichts. Er kam, um zu geben – ja, um sozusa-gen das Beste zu geben, was Gott hatte. Was ist göttlicher in Gott als Gnade und Wahrheit? Das fleischgewordene Wort war auf der Erde v o l -l e r Gnade und Wahrheit. An ihrem Tag sollte sich auch die Herrlichkeit zeigen. Inzwischen entfaltete sich jedoch die Güte, die aktiv in Liebe inmitten des Bösen und für die Bösen wirkte. Sie machte Gott und den Menschen und zudem jede sittliche Wechselbe-ziehung bekannt und zeigte, was Gott durch und in dem fleischgewordenen WORT für den Menschen geworden ist. Das ist Gnade und Wahrheit. In diesem Charakter kam Jesus. „Johannes zeugt von ihm und rief und sprach: Dieser war es, von dem ich sagte: Der nach mir Kommende ist mir vor, denn er war vor

    mir.“ (V. 15). Auch wenn Er zeitlich gesehen nach Johannes kam, war Er notwendigerweise an Rang vor ihm; denn Er war (�ν) – nicht wurde (�γéντο) – vor ihm. Er war Gott. Diese Aussage ist eine Einfü-gung, obwohl sie Vers 14 bestätigt. Sie verbindet das Zeugnis des Johannes mit diesem neuen Textab-schnitt der Offenbarung Christi im Fleisch. Ähnlich sahen wir in früheren Versen, die von Christi Natur als das WORT in abstrakter Weise handeln, wie die Person des Johannes in den Text eingewoben wurde. Dann wird der Faden von Vers 14 wieder aufgenom-men, indem uns Vers 16 mitteilt: „Denn aus seiner Fülle haben wir alle empfangen.“ So reich und deut-lich göttlich war die Gnade: Nicht einige Seelen, ver-dienstvoller als die übrigen, wurden nach einer abge-stuften Rangfolge der Ehre belohnt, sondern „aus seiner Fülle haben wir a l l e empfangen.“ Was könnte auffälliger im Gegensatz stehen zu dem Sy-stem der Regierung Gottes auf der Erde, welches Er aufgerichtet hatte und welches die Menschen aus früheren Zeiten kannten? Er vermochte jetzt nicht mehr, aber auch nicht weniger zu geben als „Gnade um Gnade.“ Trotz der eindringlichen Zeichen und dem offensichtlichen Finger Gottes, der die zehn Worte auf Tafeln von Stein schrieb, versinkt das Ge-setz nun in verhältnismäßige Bedeutungslosigkeit. „Das Gesetz wurde durch Moses gegeben.“ Gott läßt sich hier nicht herab, es „Sein Gesetz“ zu nennen, obwohl es natürlich Sein Gesetz war. Dabei war es sowohl in sich selbst als auch in seiner Anwendung heilig, gerecht und gut, und zwar, falls man es ge-setzmäßig gebrauchte (1. Tim. 1, 8). Doch wenn der Geist vom Sohn Gottes spricht, schrumpft das Gesetz sofort zur kleinst möglichen Größe zusammen. Alles trägt zur Ehre bei, die der Vater auf den Sohn legt. „Das Gesetz wurde durch Moses gegeben; die Gnade und die Wahrheit ist durch Jesum Christum geworden (�γéντο).“ (V. 17). Das gegebene Gesetz war in sich selbst kein Geber, sondern ein Eintreiber. Jesus voller Gnade und Wahrheit gab, statt zu fordern oder anzunehmen. Er selber hatte gesagt: „Geben ist seliger als nehmen“ (Ap. 20, 35). Wahrheit und Gnade wurden im Menschen weder gesucht, noch gefunden; sie erschienen hienieden erst durch Jesus Christus. Wir sehen also, wie das WORT Fleisch wurde und den

  • 12Namen „Jesus Christus“ erhielt. Diese Person, diese vielschichtige Person, wurde in der Welt geoffenbart; und sie war es, die alle Segnungen in die Welt brachte. Gnade und Wahrheit kamen durch Jesus Christus. Zuletzt – und damit schließt dieser Abschnitt – erfah-ren wir von einem weiteren bemerkenswerten Gegen-satz. „Niemand hat Gott jemals gesehen; der einge-borene Sohn“ usw. (V. 18). Jetzt geht es nicht mehr um Seine Natur, sondern um Seine Beziehungen. Da-her wird nicht mehr einfach vom WORT gesprochen, sondern vom Sohn, und zwar vom Sohn im höchsten möglichen Charakter. Der Ausdruck „eingeborener Sohn“ unterscheidet Ihn von jedem anderen, der in einem untergeordneten Sinn „Sohn Gottes“ genannt werden mag. „Der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist.“ Beachte! Hier steht nicht „war“, sondern „ist“. Wir sehen, wie Er diese vollkommene Intimität mit dem Vater beibehielt, ohne durch räum-liche oder andere Umstände, in die Er eintrat, beein-trächtigt zu werden. Nichts tat im geringsten Seiner persönlichen Herrlichkeit oder der unendlich nahen Beziehung, die Er zum Vater seit aller Ewigkeit hatte, Abbruch. Er kam in diese Welt und wurde Fleisch, indem Ihn eine Frau gebar. Seine persönliche Herr-lichkeit blieb jedoch dieselbe, auch als Er, geboren von der Jungfrau, über die Erde wandelte bzw. als die Menschen Ihn verwarfen. Er blieb sogar der eingebo-rene Sohn im Schoß des Vaters, als Er als Messias abgeschnitten und am Kreuz von Gott wegen der Sünde, unserer Sünde, verlassen wurde. Unter allen äußeren Veränderungen blieb Er, wie seit Ewigkeiten, der eingeborene Sohn im Schoß des Vaters. Be-achte auch, daß Er als solcher Gott offenbarte! Nie-mand hat Gott jemals gesehen. Er konnte nur von einer Person bekannt gemacht werden, die in der Vertrautheit der Gottheit selbst Gott war, nämlich vom eingeborenen Sohn im Schoß des Vaters. Der Sohn befand sich in dieser unaussprechlichen Gemein-schaft der Liebe und machte sowohl Gott als auch den Vater kund. So haben wir nicht nur alle aus Sei-ner Fülle empfangen – und welch unbegrenzte Fülle war in Ihm! –, sondern das fleischgewordene WORT ist auch der eingeborene Sohn im Schoß des Vaters. Er besaß die Befähigung, alles kundzumachen – wie Er es ja auch getan hat. Der Heilige Geist zeigt hier zusammen mit der Natur des Sohnes das Muster und

    die Fülle des Segens in Ihm, Der den Vater darge-stellt hat. Wie angemessen ein solches Zeugnis von der Herr-lichkeit des Heilandes ist, braucht kaum herausge-stellt zu werden. Schon wenn wir diese wunderbaren Worte des Heiligen Geistes lesen, empfinden wir als Gläubige, daß wir uns auf einem ganz anderen Bo-den befinden als in den übrigen Evangelien. Natürlich sind diese genauso inspiriert wie das des Johannes. Aber sie wurden nicht inspiriert, um dasselbe Zeugnis zu liefern. Jedes Evangelium hat sein besonderes Thema; und dennoch harmonieren alle miteinander. Sie sind vollkommen, sind göttlich und keineswegs einfache Wiederholungen derselben Dinge. Jene Per-son, Die alle inspirierte, um Ihre Gedanken über Jesus nach der besonderen Linie, die Sie ihnen be-stimmte, mitzuteilen, benutzte auch Johannes. Letz-terer verkündete die höchste Offenbarung und schloß so den Kreis mit den erhabensten Blicken auf den Sohn Gottes. Danach sehen wir in einer Weise, die mit unserem Evangelium übereinstimmt, die Verbindung Johannes des Täufers mit dem Herrn Jesus dargestellt, und zwar unter geschichtlichen Gesichtspunkten. In jedem Teil des Vorworts hat unser Evangelist den Täufer erwähnt. Doch nirgendwo verkündet dieser, daß Je-sus Derjenige sei, Der das Reich der Himmel einfüh-ren sollte. Davon erfahren wir hier kein Wort. Nichts wird von der Worfschaufel in Seiner Hand gesagt – auch nichts davon, daß Er die Spreu mit unauslösch-lichem Feuer verbrennen wird (Matt. 3). Diese Ein-zelheiten sind natürlich völlig wahr; wir finden sie anderswo. Seine irdischen Rechte werden da gefun-den, wo sie hingehören, jedoch nicht hier, wo der eingeborene Sohn, Der im Schoß des Vaters ist, Sei-nen passenden Platz findet. Die Aufgabe des Johan-nes in unserem Kapitel bestand nicht darin, auf Seine Messiasrechte aufmerksam zu machen. Diese führte er selbst dann nicht an, als die Juden Priester und Leviten von Jerusalem sandten, um ihn zu fragen: „Wer bist du?“ Das beruhte natürlich weder auf Un-wissenheit, noch auf einer leichtfertigen Beantwor-tung ihrer Fragen. Denn „er bekannte und leugnete nicht, und er bekannte: Ich bin nicht der Christus. Und sie fragten ihn: Was denn? Bist du Elias? Und er sagt: Ich bin's nicht. Bist du der Prophet? Und er

  • 13antwortete: Nein. Sie sprachen nun zu ihm: Wer bist du? auf daß wir Antwort geben denen, die uns ge-sandt haben; was sagst du von dir selbst? Er sprach: Ich bin die „Stimme eines Rufenden in der Wüste: Machet gerade den Weg des Herrn“, wie Jesaias, der Prophet, gesagt hat. Und sie waren abgesandt von den Pharisäern. Und sie fragten ihn und sprachen zu ihm: Was taufst du denn, wenn du nicht der Christus bist, noch Elias, noch der Prophet?“ (V. 20-25). Jo-hannes erwähnte nicht einmal, daß Jesus nach Seiner Verwerfung als Messias in eine höhere Herrlichkeit eintreten sollte. Seine Worte an die Pharisäer bezüg-lich des Herrn waren wirklich kurzangebunden. Er redete auch nicht wie vorher und nachher von der göttlichen Grundlage Seiner Herrlichkeit. Er äußerte einfach, daß unter ihnen Jemand stände, von Dem sie keine Kenntnis hätten, „der nach mir Kommende, dessen ich nicht würdig bin, ihm den Riemen seiner Sandale zu lösen.“ (V. 27). In Bezug auf sich selbst, sagte er, daß er n i c h t der Christus sei, hinsichtlich Jesus nur diese wenigen Worte. Wie auffallend ist diese Kürze! Denn er wußte, daß Er der Christus war. Es lag hier jedoch nicht in der Absicht Gottes, davon zu berichten. Mit Vers 29 beginnt das Zeugnis des Johannes an seine Jünger. Wie reich ist dies! Und wie wunderbar stimmt es mit dem Charakter unseres Evangeliums überein! Jesus ist das Lamm Gottes, welches die Sünde der Welt wegnimmt. Außerdem ist Er, wie er schon gesagt hatte, der Ewige. Doch das Zeugnis des Täufers steht hier in Verbindung mit Seiner Of-fenbarung an Israel; und deshalb kam Johannes und taufte mit Wasser. Diesen Grund gibt er j e t z t an, jedoch nicht in seinem Gespräch mit den Pharisäern in den Versen 25-27. Weiterhin bezeugt Johannes, daß er den Geist wie eine Taube hernieder kommen sah und auf Jesus bleiben. Das war das vereinbarte Zeichen, daß Er es ist, Der mit Heiligem Geist tauft, nämlich der Sohn Gottes. Niemand anderes konnte diese beiden Werke ausführen; denn darin erkennen wir sowohl Sein großes Werk auf der Erde als auch Seine himmlische Macht. Insbesondere unter diesen beiden Gesichtspunkten gibt Johannes Zeugnis von Christus. Er ist das Lamm, welches die Sünde der Welt wegnimmt. Er ist aber auch Der, welcher mit Heiligem Geist tauft. Beide Werke betreffen den Men-schen auf der Erde – das eine, als Er hienieden war,

    das andere vom Himmel aus. Sein Tod am Kreuz umschließt natürlich viel mehr, doch es gehört zum ersten Werk. Sein Taufen mit dem Heiligen Geist folgte auf Seine Himmelfahrt. Trotzdem wird nur we-nig von dem himmlischen Teil gesprochen, weil das Johannesevangelium den Herrn Jesus mehr als den Ausdruck Gottes auf der Erde entfaltet. Sein Charak-ter als Mensch, der in den Himmel eingegangen ist, paßt weit mehr in den Aufgabenbereich des Apostels der Nationen. Im Johannesevangelium wird Er als Sohn des Menschen, Der im Himmel ist, beschrieben; denn Er gehört zum Himmel, weil Er göttlich ist. Auf Seine Erhöhung dort wird auch in unserem Evange-lium hingewiesen, jedoch nur ausnahmsweise. Beachten wir auch die Ausdehnung Seines Werkes im 29. Vers. Als das Lamm Gottes – vom Vater wird nicht gesprochen – hat Er es mit der Welt zu tun. Die volle Kraft jenes Titels wird sich aber erst entfalten, wenn das herrliche Ergebnis Seines Blutvergießens die letzten Spuren der Sünde in dem neuen Himmel und auf der neuen Erde, in denen Gerechtigkeit wohnt, weggeschwemmt hat. Das „Lamm Gottes“ findet natürlich auch eine gegenwärtige Anwendung im Zusammenhang mit jener Wirksamkeit der Gnade, in welcher Gott jetzt das Evangelium an Sünder jeg-licher Art aussendet. Dennoch wird allein der ewige Tag die volle Wirkung dessen zeigen, was in Verbin-dung steht mit Jesus als dem Lamm Gottes, welches die Sünde der Welt wegnimmt. Wir können auch fest-stellen, daß es nicht um die S ü n d e n geht, wie oft irrtümlich gesagt oder gesungen wird, sondern um die „S ü n d e der Welt“. Der Opfertod Dessen, Der Gott ist, geht weit über Israel hinaus. Wie könnte er in enge Grenzen eingeschlossen werden? Sein Tod übergeht stillschweigend alle Fragen der Haushal-tungen, bevor er in seinem ganzen Ausmaß jenen Ratschluß erfüllt, für den Jesus gestorben ist. Ohne Zweifel findet er auch in der Zwischenzeit seine An-wendung. Ersterer ist jedoch das endgültige Ergebnis des Werkes des Herrn als Lamm Gottes. Der Glaube weiß allerdings jetzt schon, daß nicht mehr die Sünde als großer Gegenstand vor Gott steht; denn seit dem Kreuz hat Er immer das Opfer, welches die Sünde wegnimmt, vor Seinen Augen. Bemerkenswerterweise wendet Er es schon heute auf die Versöhnung eines Volkes an, welches außerdem durch den Heiligen Geist zu einem Leib getauft wird. Bald wird Er es

  • 14auch jener Nation, den Juden, und den anderen Völ-kern zurechnen und zuletzt (selbstverständlich mit Ausschluß der Ungläubigen und Bösen) dem ganzen System der Welt. Letzteres beziehe ich nicht auf alle Einzelpersonen, sondern auf die Schöpfung. Denn nichts ist sicherer, als daß die Schuld jener, die den Sohn Gottes nicht angenommen haben, größer sein wird, weil sie das Evangelium gehört haben. Die Ver-werfung Christi ist eine Mißachtung Gottes in einer Angelegenheit, über die Er besonders eifersüchtig wacht, nämlich die der Ehre des Heilands, Seines Sohnes. Die Ablehnung Seines kostbaren Blutes macht im Gegenteil ihre Lage unvergleichlich schlim-mer als die der Heiden, welche niemals die gute Bot-schaft gehört haben. Was für ein Zeugnis von Seiner Person! Nur ein gött-liches Wesen konnte so mit der Welt handeln. Zwei-fellos mußte Er ein Mensch werden, um, unter ande-rem, zu leiden und zu sterben. Nichtsdestoweniger verkündet das Ergebnis Seines Todes Seine Göttlich-keit. Das erkennen wir auch in der Taufe mit dem Heiligen Geist. Wer konnte auf eine solche Macht Anspruch erheben? Kein normaler Mensch, kein En-gel, auch nicht der größte, der Erzengel, sondern allein der Sohn! Dies sehen wir auch später, als Er einzelne Seelen zu sich zieht und sich mit ihnen beschäftigt. Wäre Jesus in Seiner Person nicht Gott gewesen, dann hätte diese Handlungsweise Gott verunehrt. Er hätte falsch gehandelt als ein Nebenbuhler Gottes; denn die Art und Weise ist sehr auffallend, in welcher Er der Mit-telpunkt wurde, um welchen sich die Gottesfürchtigen sammelten. Das geschah am dritten Tag (vergl. V. 19, 29, 35), wie hier gezählt wird, des Zeugendien-stes des Johannes. Gleichzeitig war er sozusagen der erste Tag (vergl. V. 35, 43; Kap. 2, 1), an dem Jesus in Seiner Gnade hier auf der Erde sprach und wirkte. Es ist klar, daß der Herr, wenn Er nicht Gott gewesen wäre, in Seiner Handlungsweise mit den ersten Jün-gern die Herrlichkeit Gottes beeinträchtigt hätte. Ein solcher Platz konnte einem Menschen angesichts der alleinigen Autorität Gottes nicht zustehen. Aus dem-selben Grund wäre er auch für die Menschen durch und durch verderblich gewesen. Da Jesus jedoch Gott war, offenbarte Er statt dessen die Herrlichkeit Got-tes hienieden und hielt sie aufrecht. Deshalb übergab

    Johannes, der vorher der geehrte Zeuge des Rufes Gottes, „die Stimme eines Rufenden“, war, unter dem Überfließen der Freude seines Herzens und seines Zeugnisses seine Jünger an Jesus. „Hinblickend auf Jesum, der da wandelte, spricht er: Siehe, das Lamm Gottes! Und es hörten ihn die zwei Jünger reden und folgten Jesu nach.“ (V. 36-37). Unser Herr war sich Seiner Herrlichkeit, wie immer, völlig bewußt und handelte entsprechend. Wir müssen im Gedächtnis behalten, daß uns in die-sem Teil des Evangeliums unter anderem insbeson-dere die Handlungen des Sohnes Gottes vor Seinem normalen galiläischen Dienst gezeigt werden. Der Zeit nach gehen die ersten vier Kapitel des Johannes Seinem Wirken in den anderen Evangelien voraus. Johannes war noch nicht ins Gefängnis geworfen worden. In Matthäus, Markus und Lukas beginnt der öffentliche Dienst unseres Herrn mit der Gefangen-nahme des Täufers. Doch all das, was geschichtlich gesehen über den Herrn Jesus in Johannes 1 bis 4 erzählt wird, geschah vor der Gefangenschaft des-selben. Hier haben wir also eine bemerkenswerte Darstellung der Ereignisse, die Seinem galiläischen Dienst, bzw. Seinem öffentlichen Auftreten, voraus-gingen. Bevor irgendein Wunder geschehen war, hatte Er trotz der Schlichtheit und Demut Seines Auftretens das tiefe, ruhige und beständige Bewußt-sein, daß Er Gott war. Wir sehen das auch schon in dem Wirken jener, die Seine Herrlichkeit bekannt machten. Es gab in Seinem Geist ganz offensichtlich kein schrittweises Wachstum. Er war Gott; und Er handelte entsprechend. Wenn Er Seine Macht her-ausstellte, dann übertraf diese nicht nur jedes menschliche Maß, sondern erwies sich auch eindeu-tig als göttlich, obwohl Er der Demütigste und Ab-hängigste unter den Menschen war. Wir erfahren, wie Er jenen Seelen, die von dem vorhergesagten Boten Jehovas, der den Weg vor Seinem Angesicht bereiten sollte, vorbereitet waren, als Herr und nicht als Mit-knecht begegnete. Einer von den beiden, die zuerst von Ihm angezogen wurden, fand seinen Bruder Simon mit den Worten: „Wir haben den Messias ge-funden“ (V. 41) und führte ihn zu Jesus. Dieser gab ihm sofort seinen neuen Namen in Worten, die mit gleicher Leichtigkeit und Gewißheit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft überblickten. Unabhängig von Seiner göttlichen Einsicht kennzeichnete schon die

  • 15Umänderung oder die Gabe des Namens Seine Herr-lichkeit. Am nächsten Tag begann Jesus, direkt und indirekt andere in Seine Nachfolge zu berufen. Er forderte Philippus auf, Ihm nachzufolgen. Dieser findet Natha-nael. Im Umgang mit Letzterem sehen wir die göttli-che Macht, wie sie sowohl die Seele von Menschen auslotet als auch die Schöpfung durchdringt. Da war jemand auf der Erde, der alle Geheimnisse kannte. Er sah Nathanael unter dem Feigenbaum. Er war Gott. Die Berufung des Nathanael weist auch symbolisch eindeutig auf Israel in den letzten Tagen hin. Die Anspielung auf den Feigenbaum bestätigt diese An-sicht, ebenso Nathanaels Bekenntnis: „Rabbi, du bist der Sohn Gottes, du bist der König Israels.“ (V. 49; siehe Ps. 2). Doch der Herr sprach zu ihm von grö-ßeren Dingen, die er sehen sollte, und sagte: „Wahr-lich, wahrlich, ich sage euch: Von nun an werdet ihr den Himmel geöffnet sehen und die Engel Gottes auf- und niedersteigen auf den Sohn des Menschen.“ (V. 51). Das ist die größere, allumfassende Herrlichkeit des Sohnes des Menschen nach Psalm 8. Der auffal-lendste Teil dieser Prophezeiung sollte jedoch schon vom gegenwärtigen Zeitpunkt an verwirklicht werden; denn die Herrlichkeit Seiner Person brauchte nicht auf den Tag der Herrlichkeit zu warten, um die Auf-merksamkeit der Engel Gottes – diese Auszeichnung als Sohn des M e n s c h e n – auf sich zu ziehen.

    Kapitel 2Kapitel 2Kapitel 2Kapitel 2 Am dritten Tag war die Hochzeitsfeier in Kana in Ga-liläa, an der Jesu Mutter sowie auch Er Selbst und Seine Jünger teilnahmen. Die Verwandlung des Was-sers in Wein war das erste Zeichen von Seiner Herr-lichkeit, ein weiteres jene erste Reinigung des Tem-pels. So haben wir also bisher gesehen, wie zunächst einige Herzen von Ihm angezogen und andere zur Nachfolge aufgefordert wurden. Danach fanden wir im Sinnbild die zukünftige Berufung Israels. Zuletzt verschwand das Zeichen sittlicher Reinigung zugun-sten der Freude des neuen Bundes, wenn die Zeiten des Messias kommen, um die notleidende Erde zu segnen. Aber im Zusammenhang damit findet die Ausübung des Gerichts in Jerusalem und seinem schon so lange geschändeten Tempel statt. All das weist klar auf das Tausendjährige Reich hin.

    Der Herr rechtfertigte diese Gerichtshandlung vor den Augen der Juden mit Seiner Beziehung zu Gott als Seinem Vater und verhieß ihnen in dem Tempel Seines Leibes ein Zeichen als Zeugnis von Seiner Auferstehungsmacht. „Brechet diesen Tempel ab, und in drei Tagen werde ich ihn aufrichten.“ (V. 19). Er ist immer Gott; Er ist der Sohn. Er macht lebendig und weckt aus den Toten auf. Später wurde Er als Sohn Gottes erwiesen durch die Kraft der Toten-Auf-erstehung (Röm. 1, 4). Sie hatten Augen, aber sie sahen nicht, Ohren, doch sie hörten nicht, auch ver-standen sie nichts von Seiner Herrlichkeit. Ach, das galt nicht nur für die Juden! Denn die Erkenntnis war vor Seiner Auferstehung bei den Jüngern nur ge-ringfügig größer. Die Auferstehung des Herrn ist nicht nur eine Offenbarung Seiner Macht und Herr-lichkeit, sondern auch die einzige Befreiung für Jün-ger des Herrn aus der Sklaverei jüdischer Einflüsse. Ohne dieselbe gibt es kein göttliches Verständnis über Christus, Seine Worte und die Bibel. Außerdem steht sie unmittelbar mit dem Beweis von dem Ruin des Menschen durch die Sünde in Verbindung. Ob-wohl nur kurz geschildert, stellt dieses Ereignis doch eine wesentliche Wahrheit vor, die zu einem der wichtigsten Teile des Evangeliums überleitet. C h r i -s t u s war das wahre Heiligtum und nicht jenes Ge-bäude, an dem die Menschen so lange in Jerusalem gebaut hatten. Der Mensch mochte Ihn „abbrechen“, Ihn zerstören, so weit er dazu in der Lage war; und dennoch sollte jene Tat in der Hand Gottes zur Grundlage besserer Segnungen werden. Er war Gott; und in drei Tagen wollte Er diesen Tempel wieder aufbauen. Der Mensch war gerichtet; ein anderer Mensch war gekommen, der Herr vom Himmel, Der bald mit Auferstehungsmacht bekleidet sein sollte. Unsere Verse sprechen nicht von der Offenbarung Gottes, wie Er in Seiner göttlichen Natur oder kund-gemacht im Fleisch den Menschen begegnet. Auch wird hier nicht das Handeln Gottes in Seinen Haus-haltungen in eingeschobenen Sätzen oder Bildern (wie in Joh. 1 bis 2, V. 11) vorgestellt, anfangend beim Zeugnis Johannes des Täufers und endend mit dem Tausendjährigen Reich in der Person des Soh-nes voller Gnade und Wahrheit. Jetzt ging es um den Zustand des Menschen und sein Verhältnis zum Reich Gottes. Diese Frage erhob sich am Passahfest in Jerusalem, wo viele an Seinen Namen glaubten,

  • 16nachdem sie die von Ihm gewirkten Zeichen gesehen hatten. Dort wurde sie auch vom Herrn beantwortet. Eine schreckliche Wahrheit trat ans Licht. Der Herr vertraute sich ihnen nicht an, weil Er alle Menschen kannte. Wie vernichtend sind diese Worte! Er hatte es nicht nötig, daß Ihm jemand vom Menschen Zeugnis gab; denn Er wußte, was in demselben war. Das war keine Verleumdung, sondern ein ernstes, würdiges Urteil. Der strittige Punkt, ob Gott dem Menschen vertrauen kann, fand seine Antwort; denn Er konnte es tatsächlich nicht. In Wirklichkeit bestand nun die Frage darin, ob der Mensch Gott vertraute. Aber, ach, er wollte nicht!

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    Wie kann ich den Willen Gottes kennenWie kann ich den Willen Gottes kennenWie kann ich den Willen Gottes kennenWie kann ich den Willen Gottes kennen????

    (Aufgelesenes) „Viele möchten gern ein angenehmes und bequemes Mittel wissen, wie man den Willen Gottes erkennen kann, ungefähr so wie man ein Rezept für irgend etwas empfängt. Aber es giebt kein Mittel, das nicht in unmittelbarer Beziehung zu dem Zustande unserer Seele stände. Ferner fragen wir oft nach dem Willen Gottes und nach Seiner Leitung in Umständen, in welchen wir uns nicht befinden würden, wenn wir Seinem Willen gefolgt wären. Wäre unser Gewissen wirklich in einer gesunden Thätigkeit, so würde die erste Wirkung die sein, uns aus diesen Umständen herauszuführen. Unser eigner Wille hat uns in diesel-ben gebracht, und nichtsdestoweniger möchten wir gern den Trost der Leitung Gottes genießen auf ei-nem Pfade, den wir uns selbst erwählt haben. Das ist sehr häufig der Fall. Wir dürfen versichert sein, daß es uns nicht schwer fallen wird, den Willen Gottes zu erkennen, wenn wir Ihm nahe genug sind. In einem langen und thätigen Leben mag es vorkommen, daß Gott in Seiner Liebe uns nicht immer sogleich Seinen Willen offenbart, damit wir unsere Abhängigkeit von Ihm fühlen, be-sonders dann, wenn jemand eine besondere Neigung hat, nach seinem eignen Willen zu handeln. Allein „wenn dein Auge einfältig ist, so wird dein ganzer Leib licht sein“ (Matt. 6, 22). Daraus folgt, daß dann, wenn der Leib nicht licht ist, das Auge der Einfalt entbehrt. Vielleicht wird man sagen: „Das ist

    ein schlechter Trost.“ Aber ich antworte: Es ist ein reicher Trost für alle diejenigen, deren einziges Be-gehren es ist, ein einfältiges Auge zu haben und mit Gott zu wandeln; allerdings nicht für solche, wel-che gern jeder Mühe, Seinen Willen kennen zu ler-nen, entgehen möchten. „Wenn jemand am Tage wandelt, so stößt er nicht an, weil er das Licht dieser Welt sieht; wenn aber jemand in der Nacht wandelt, so stößt er an, weil das Licht nicht in ihm ist“ (Joh. 11, 9-10). Der Grundsatz bleibt immer derselbe. „Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis wan-deln, sondern das Licht des Lebens haben“ (Joh. 8, 12). Man kann sich diesem moralischen Gesetz des Christentums nicht entziehen. Deshalb bittet der Apostel in Kol. 1, 9-10: „daß ihr erfüllt sein möget mit der Erkenntnis seines Wi l lens, in al ler Weishei t und geist l i chem Verständnis, um zu wandeln würdig des Herrn, zu allem Wohlgefallen, in allem guten Werke fruchtbringend, und wachsend durch die Erkenntnis Gottes.“ Die gegensei-tige Verbindung dieser Dinge ist von unermeßlicher Wichtigkeit für die Seele. Wenn jemand in einer Weise wandeln will, die des Herrn würdig ist, so muß er Ihn genau kennen; und wiederum wachsen wir auf die-sem Wege in der Erkenntnis des Willens Gottes. „Und um dieses bete ich, daß eure Liebe noch mehr und mehr überströme in Erkenntnis und aller Einsicht, damit ihr prüfet, was das Vorzüglichere sei, auf daß ihr lauter und unanstößig seid auf den Tag Christi“ (Phil. 1, 9-10). Endlich steht geschrieben, daß der geistliche Mensch „alle Dinge beurteilt, er selbst aber wird von niemandem beurteilt“ (1. Kor 2, 15). Wir werden daher nur fähig sein, den Willen Gottes, diesen kostbaren Willen, zu unterscheiden, je nach-dem unser geistlicher Zustand ein guter ist. Was wir zu thun haben, ist, uns nahe bei Ihm zu halten. Gott würde nicht gütig gegen uns sein, wenn Er uns er-laubte, Seinen Willen ohne das zu erkennen. Wer daher sucht, diesen Willen in einer geringeren oder größeren Entfernung von Gott zu verstehen, der sucht in einer verkehrten, bösen Weise; und leider ist es gerade dies, was wir so viel und oft thun.“ (Botschafter des Heils in Christo 34 (1886) 333-335)

    Herausgeber: Joachim Das, Diekmissen 16, D-24159 Kiel „Neues und Altes“ erscheint zweimonatlich und kann kostenlos

    vom Herausgeber bezogen werden.

  • NNNNEUES UNDEUES UNDEUES UNDEUES UND AAAALTESLTESLTESLTES aus der biblischen Schatzkammer

    (Matt. 13, 52)

    Heft 26 März/April 2003 5. Jahrgang

    InhaltInhaltInhaltInhalt Gibt es eine abrahamitische Urreligion? 17 Eva 19 Einführende Vorträge zum Johannesevangelium (Kap. 3-4) 21 Die ganze Waffenrüstung Gottes 27 Der Name „Jehova” 32

    Gibt es eine abrahamitische Urreligion?Gibt es eine abrahamitische Urreligion?Gibt es eine abrahamitische Urreligion?Gibt es eine abrahamitische Urreligion?

    Der Leser mag denken: Was soll diese Frage und was haben wir mit diesem Problem zu tun? Doch nach-dem der Schreiber dieser Zeilen vor einiger Zeit Ton-kassetten mit Vorträgen zum Buch Daniel von einem Vortragenden, der „Bruder genannt“ wurde (1. Kor. 5, 11) und früher einer der „Führer“ unter uns war, zur Beurteilung empfangen hat, mußte er erkennen, daß diese Irrlehre keineswegs vor unseren Türen haltmacht. Daher soll an dieser Stelle warnend auf diese neue und moderne Lehre des Widersachers Gottes kurz eingegangen werden. Letztendlich han-delt es sich um eine Theorie, welche die Herrlichkeit des Werkes unseres Herrn Jesus angreift. Aufgrund der Tatsache, daß sowohl der alt-testa-mentliche Glaube der Israeliten (bzw. Juden), der christliche Glaube sowie auch der Islam alle irgendwie mit Abraham in Verbindung stehen, wollen christliche Vordenker schließen, daß alle drei Glaubensrichtun-gen einen einzigen göttlichen Ursprung haben und folglich drei verschiedene Wege zu Gott darstellen. Daher sei es nicht nur unnötig, sondern sogar ver-boten, unter Juden oder Mohammedanern zu missio-nieren. Daß den liberalen protestantischen Theolo-gen und Funktionären jede Art von Mission schon lange ein Dorn im Auge ist, verwundert nicht. Jetzt meinen sie mit der Vorstellung von dieser abrahami-tischen Urreligion eine theoretische Basis für ihr Ge-dankengebäude gefunden zu haben. So wird ange-deutet, daß der dreieinige Gott des Christentums

    nicht nur mit dem Jehova des Alten Bundes (und das ist richtig und schriftgemäß!), sondern auch mit dem Gott des Islam, Allah, identisch sei. Es ist nun um so gefährlicher, wenn diese Lehre, wie in den oben ge-nannten Vorträgen, nur versteckt gebracht wird und nicht offen. Hier soll nicht auf die lehrmäßigen Unterschiede der drei Glaubensrichtungen ausführlich eingegangen werden, sondern vielmehr auf die Art ihres Ur-sprungs, ihrer Fortführung und Gottes Stellungnahme dazu. Der Glaube der Israeliten, wie er in der Bibel geschil-dert wird, wurde von Gott gestiftet. Alle Schrift des Alten Testaments ist von Gott inspiriert, ist Sein Wort und die Wahrheit. Der Mensch ist verloren; und Gott bot ihm am Berg Sinai die Möglichkeit einer Errettung durch das Halten des Gesetzes und Seiner Gebote an. Schnell zeigte sich aber, daß der Mensch, die Israeliten, nicht in der Lage waren, Gottes Forderun-gen für ihr Heil zu erfüllen, weil dies wegen des ge-fallenen Zustands des Menschen unmöglich ist. Da das Gesetz also in bezug auf die Erlösung nichts zustande gebracht hat und bringen konnte, sehen wir verborgen und unterschwellig eine andere Linie der Handlungsweise Gottes mit dem Menschen, näm-lich die der Gnade. Die Gläubigen jener Zeit er-kannten, daß sie irgendwie jenseits der Erfüllung des Gesetzes gerechtfertigt werden, und glaubten daran. Aber wie schon gesagt, dieser Heilsweg gehörte nicht zu der offiziell geoffenbarten Lehre. Wenn Gott nicht diese verborgene Tür zu Seinem Heil geöffnet und offen gehalten hätte, wäre kein Mensch errettet worden und die Menschheit schon längst ausgestorben. So erwies sich jener Heilsweg Gottes, der israelitische, als nutzlos, und zwar nicht wegen seiner ihm innewohnenden Kraftlosigkeit, sondern wegen der Unfähigkeit des Menschen, ihm zu folgen. Hier ist nicht der Platz, darauf einzugehen, warum

  • 18Gott diesen doch letztlich erfolglosen Weg zu Seinem Heil in der israelitischen „Religion“* eingerichtet hat. Davon sprechen ausführlich einige Briefe des Apostel Paulus, insbesondere der Römerbrief. Ich möchte nur den Aspekt herausstellen, daß Gott etwas Neues offenbaren mußte, das genauso göttlich war wie das Alte und eigentlich in seinen Grundzügen schon zur Zeit des Alten wirkte, auch wenn die Grundlage dazu, das Werk von Golgatha, noch in der Zukunft verbor-gen lag. Dieses Neue finden wir in den Mitteilungen des Neuen Testaments, d. h. in den Lehren des soge-nannten Christentums. Jetzt hat sich Gott vollkommen und vollständig in der Person Seines Sohnes geof-fenbart. Das Endgültige ist erschienen; es folgt nichts Neues mehr. Darauf geht insbesondere der Hebräer-brief ein. Er zeigt, daß alles, was im Alten Testament geschildert wird, letztlich hinweist auf die Dinge, die zum Christentum gehören. Die Schatten sind vorbei; das Wahrhaftige ist gekommen. „Was aber alt wird und veraltet, ist dem Verschwinden nahe“ (Hebr. 8, 13). Damit wird die alte jüdische „Religion“ ersetzt durch das Neue, das Christentum. Wenn das Gesetz mit seinen Anordnungen und Satzung abgelöst wird durch die Wege Gottes in Gnade aufgrund des Wer-kes des Herrn Jesus auf Golgatha, dann bietet es natürlich weder einen wahren, noch scheinbaren Weg der Erlösung. Die Juden werden folglich nur nach den Grundsätzen des Neuen Testaments errettet und müssen sich genauso bekehren wie jeder andere Mensch auch. Darum wird gerade zu ihnen, d. h. sogar zu ihren religiösen und politischen Führern, gesagt: „Es ist in keinem anderen das Heil, denn auch kein anderer Name ist unter dem Himmel, der unter den Menschen gegeben ist, in welchem wir errettet werden müssen“ (Ap. 4, 12). Wie steht es nun mit dem Islam, der Religion der Mohammedaner? Auch hier können nur einige we-nige Argumente zu seiner Beurteilung vorgestellt werden. Zunächst einmal wurde der Islam einige Jahrhunderte nach der Ausbreitung des Christentums eingeführt, d. h., als das Neue Testament schon voll- * Der Ausdruck „Religion“ in Anführungszeichen weist darauf hin, daß ein von Gott gestifteter Glaube keine Religion im eigentlichen Sinn ist.

    endet war. Mohammed, der Schreiber des heiligen Buches der Moslem, des Koran, behauptet, daß er neue Offenbarungen von Gott empfangen habe. Das widerspricht den Aussagen des Neuen Testaments, welches sagt, daß das Wort Gottes vollständig ist, und welches jede Hinzufügung oder Wegnahme unter Strafe stellt (Off. 22, 18f.). Des weiteren erklärt Mo-hammed, daß der Engel Gabriel ihm den Koran ver-kündigt habe.† Wir wollen den grundsätzlichen Inhalt dieser Aussage nicht in Frage stellen. Setzen wir voraus, daß ihm wirklich ein Wesen begegnet ist, welches ihm seine Lehren mitgeteilt hat. Diese Leh-ren widersprechen aber den eindeutigen Aussagen der Bibel. Als Wichtigstes wird das Heilswerk des Herrn Jesus und Seine Gottheit geleugnet. Darum dürfen wir die Worte des Apostel Paulus hier anfüh-ren: „Aber wenn auch wir oder ein Engel aus dem Himmel euch etwas als Evangelium verkündigte au-ßer dem, was wir euch als Evangelium verkündigt haben: er sei verflucht!“ (Gal. 1, 8). Dieser Engel kann also weder der Engel Gabriel gewesen sein, noch überhaupt ein Engel Gottes. Was für ein über-menschliches Wesen bleibt dann noch übrig? Ein-deutig ein böser Geist, ein Engel Satans, ein Dämon! Demnach ist der Islam eine Lehre von Dämonen (1. Tim. 4, 1). Wenn der oberste Herr dieser Dämonen sich „Allah“ nennen läßt, kann Allah eigentlich nichts anderes als der Teufel, Satan, sein. Diese Ansicht wird wohl von jedem bestätigt, der in irgendeiner Weise mit dem Islam und der islamischen Welt zu tun hatte. Wir sehen also, eine abrahamitische Urreligion gibt es nicht. Abraham ist auf demselben Weg errettet worden wie auch wir. Daher wird er der Vater der Gläubigen genannt (Röm. 4; Gal. 3, 29). Wenn es keine abrahamitische Urreligion gibt, dann können auch nicht Judentum, Christentum und Islam drei Zweige aus dieser Wurzel sein. Es bleibt nur ein ein-ziger Weg der Erlösung, welcher für alle Menschen gilt, nämlich der Glaube an die unverdiente Barmher-zigkeit unseres Gottes, die ihre Grundlage in dem Werk des Herrn Jesus findet. Darum besteht für alle Menschen der Weg zum Heil nicht in der Erfüllung einer Religion mit ihren Vorschriften, sondern in dem † Der Brockhaus multimedial 2002 premium, Mannheim, 2001, Stichwort: Islam: Mohammed

  • 19Grundsatz „Glaube an den Herrn Jesus, und du wirst errettet werden, du und dein Haus“ (Ap. 16, 31). Folglich müssen wir auch weiterhin dem Missionsbefehl unseres Herrn nachkommen (Mk. 16, 15), und zwar nicht allein bei den Heiden, sondern auch bei Juden und Mohammedanern. J. D.

    „Wer den Sohn hat, hat das „Wer den Sohn hat, hat das „Wer den Sohn hat, hat das „Wer den Sohn hat, hat das Leben; wer den Sohn Gottes nicht Leben; wer den Sohn Gottes nicht Leben; wer den Sohn Gottes nicht Leben; wer den Sohn Gottes nicht

    hat, hat das Leben nicht.“hat, hat das Leben nicht.“hat, hat das Leben nicht.“hat, hat das Leben nicht.“ 1. Joh. 5, 12

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    EvaEvaEvaEva**** (Eve tempted)

    (1. Mose 3, 1-5)

    William Kelly

    Überall zeigt sich die Verschlagenheit des Feindes. Er verführt das schwächere Gefäß, indem er es durch einleuchtende Gesichtspunkte verlockt. Wie gleicht dies unserem Leben! Welch ein Licht wird auf unsere Tagesumstände mit ihren bitteren Folgen durch Un-glaube und Ungehorsam geworfen! Wir vergessen Gott; und Dinge der gegenwärtigen Welt nehmen Seinen Platz ein. Das ist das Ziel Satans. Er will die Seele in einen Zustand offener Gottlosigkeit und Ver-zweiflung bringen, bis eine schlechte Tat in einem bösen Zustand endet. Hier gibt der Heilige Geist einem jeden Kind Adams diesen Bericht mit seinen lehrreichen Einzelheiten vom Anfang des sittlich Bösen auf der Erde. Er be-schreibt jenes Ereignis mit der großartigen und doch tiefen Einfachheit Seiner ersten Bücher der Inspira-tion. „Und die Schlange ... sprach zu dem Weibe: Hat Gott wirklich gesagt: Ihr sollt nicht essen von jedem Baum des Gartens?“ (V. 1). Sie fragte nur danach, was Gott gesagt hatte. Doch wenn wir eine solche Frage er-lauben, wird Gott verunehrt. Unsere Abwehr ist durchbrochen; und der Feind kann bei uns eindrin-gen. Jeder Zweifel am Wort Gottes ist der Beginn

    * Bible Treasury 20 (1894) 43-44

    schlimmsten Übels. Es bedeutet, über Ihn zu Gericht zu sitzen. Dabei ist Er der Einzige, Der richten kann und darf. Das geschieht jetzt durch Sein Wort; und so wird es auch, wie unser Herr sagt, am letzten Tag sein. Wie anmaßend also für einen Menschen, Ihn richten zu wollen! „Ein Sohn soll den Vater ehren, und ein Knecht seinen Herrn. Wenn ich denn Vater bin, wo ist meine Ehre? Und wenn ich Herr bin, wo ist meine Furcht? spricht Jehova der Heerscharen“ (Mal. 1, 6). Mittels einer einfachen, leicht zweifelnden Frage untergrub Satan die erste Pflicht eines Geschöpfes. Was beabsichtigte er damit? Er wollte Zweifel an Gottes Güte einflüstern. „Wie? Darfst du nicht von allen Bäumen des Gartens essen? Ist es möglich, daß dir etwas verboten ist? Wie kann Gott dich lieben und dir gleichzeitig etwas Gutes vorent-halten? Da muß wohl ein Irrtum vorliegen. „Hat Gott wirklich gesagt: Ihr sollt nicht essen von jedem Baum des Gartens?“ Ist es so?“ Es steht geschrieben: „Widerstehet dem Teufel, und er wird von euch fliehen“ (Jak. 4, 7). Eva hingegen hörte zu und unterhielt sich mit ihm. Damit begann das Unheil. Dabei ersetzte die Schlange den Namen Gottes als dem Schöpfer mit sittlichen Beziehungen zum Menschen („Jehova Gott“) durch den distan-zierteren und abstrakteren Ausdruck „Gott“ als dem Gott der Schöpfung. Eva ging in die Falle und be-schäftigte sich mit der Frage, welche nur die Be-gierde nach dem verbotenen Gegenstand anstacheln sollte. Der Rebell Satan wollte in seiner Bosheit die Pläne des Höchsten durchkreuzen und Gefährten in seiner Sünde und seinem Elend haben. Indem sie dem Teufel ihr Ohr lieh, anstatt sich sofort von ihm wegzuwenden, verlor Eva das Bewußtsein ihrer Be-ziehung zu Gott, die Jehova in Seiner Herablassung gewährt hatte, und wurde im Verlauf des Gesprächs Satans Beute. „Und das Weib sprach zu der Schlange: Von der Frucht der Bäume des Gartens essen wir; aber von der Frucht des Baumes, der in der Mitte des Gartens ist, hat Gott gesagt, davon sollt ihr nicht essen und sie nicht anrühren, auf daß ihr nicht sterbet.“ (V. 2-3). Wenn sie sich bewußt geblieben wäre, daß ihre Ver-antwortung darin bestand, Gott zu gehorchen, hätte sie die Frage übel aufgenommen und nicht beant-wortet. Aber ihre Entgegnung zeigt uns, wie die böse

  • 20Absicht Satans keineswegs folgenlos blieb. Eva fügte etwas zum Verbot hinzu und nahm etwas von der Strafandrohung weg. Jehova hatte nichts von einem Anrühren der verbotenen Frucht gesagt, sondern ih-nen in eindringlichsten Ausdrücken den Tod ange-kündigt für den Tag, an welchem sie davon aßen. Eine Übertreibung ist genauso wenig die Wahrheit wie eine Einschränkung derselben. Beide schwächen sie und sind das Werk Satans. Die Wahrheit heiligt uns; Sein Wort ist Wahrheit. Aber Wissen spricht nicht unbedingt davon, daß die Wahrheit mit Liebe als von Gott kommend angenom-men wurde. Eva kannte die ihnen geschenkte Freiheit hinsichtlich aller anderen Früchte und die Strafe für das Essen von dem einzigen verbotenen Baum sehr gut und konnte dem Versucher davon berichten. Sie wagte es jedoch, auf die Worte der Schlange zu lau-schen, obwohl schon klar war, daß diese durch ihre Frage die Güte Gottes in Frage stellte. Erfreute Er sich nicht an ihrem Glück? Wer gab ihnen die Fülle an Nahrung? Legte sie großen Wert auf die Abhängig-keit von Ihm? Auf Vertrauen zu Ihm? Wie wertlos ist Erkenntnis, wenn sie nicht zu dankbarem Lob und einfältigem Gehorsam führt! Dabei gab ihnen Gott sogar die Freiheit, Ihm zu mißtrauen! Ach, der Un-glaube ist seit Evas Zeiten ungeheuer gewachsen! Durch seinen listig gewonnenen Erfolg ermutigt, geht der Feind weiter. „Und die Schlange sprach zu dem Weibe: Mit nichten werdet ihr sterben! Sondern Gott weiß, daß, welches Tages ihr davon esset, eure Au-gen aufgetan werden und ihr sein werdet wie Gott, erkennend Gutes und Böse