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„Es geht darum, das Animalische zu bezwingen“ Professor Dr. Thomas Schack über asiatische Philosophie, Niederlagen und mentale Aspekte im Wing Tsun Mit dem 43-jährigen Psy- chologen und Sportwissen- schaftler des Institutes für Neurokognition und Bewe- gung der Universität Biele- feld sprach Melanie Otto. KÖLNER-STAD-ANZEIGER: Herr Professor Schack, Sie sind Spezia- list für den Bereich mentale Kon- trolle und mentales Training, wo finden Sie diese Aspekte im Wing Tsun? THOMAS SCHACK: Das ist eine grundsätzliche Anlage in den Kampfkünsten. Wing Tsun existiert ja letztendlich, um das Mentale zu entwickeln. Da geht es um Dinge wie Geduld, Lebensführung und Präsenz. Vor allem lernt man im Hier und Jetzt präsent zu sein, die komplette Aufmerksam- keit auf das zu lenken, was abläuft, und sich zu kon- zentrieren. Ist das auch der Grund, warum Sie selber Wing Tsun betreiben? SCHACK: Ja, auf jeden Fall. Am Anfang war es auch das Gefühl des abso- lut Neuen. Ich habe mich wirklich wie körperlich bescheuert gefühlt. Nor- malerweise denkt man doch, wenn jemand drückt, dann drückt man dagegen, aber das war etwas ganz anderes. Hier musste ich lernen nachzuge- ben, um die Kraft des Gegners nut- zen zu können. Gibt es denn Merkmale im Wing Tsun, die Sie in unseren westlichen Sportarten vermissen? SCHACK: Beim Wing Tsun findet das Denken in der Bewegung statt, quasi mit dem Körper selbst. Der Körper ist nicht nur der Mittel zum Zweck, um ein Hindernis zu über- springen oder eine be- stimmte Strecke zu lau- fen. In der Leichtathletik beispielsweise sind meine Ziele klar, ich muss die 100 Meter so und so schnell laufen, um zu gewinnen, das ist eher ein Missbrauch des Körpers. In der Kampfkunst ist der Körper mein Verbündeter. Warum spricht man denn im Wing Tsun von Kampfkunst und nicht von Kampfsport? SCHACK: Als erstes geht es im Wing Tsun nicht um die sportlichen As- pekte. Die Bewegungen basieren auf der asiatischen Philosophie, und die mentalen Aspekte sind vielfäl- tig. Da geht es um Angstbewälti- gung und Persönlichkeitsentwick- lung und nicht nur ums reine Gewin- nen, man sollte mit Stil verlieren können, denn gerade mit Niederla- gen muss man lernen umzugehen. Sie sagen, die Bewegungen basieren auf der asiatischen Philosophie. Können Sie ein Beispiel geben? SCHACK: Der direkteste Bezug zur Philosophie ist die Verknüpfung des Wing Tsun mit dem Taoismus. Hier ist das Bild des Wassers wesentlich. Sich verhalten wie Wasser gilt als vorbildlich, immer vorwärts strö- men, nachgeben und umfließen kön- nen, weich sein und doch den härtes- ten Stein abtragen können, das gilt als erstrebenswertes Leitbild im Wing Tsun. Und warum gelten die Bewegungen im Wing Tsun als intelligent? SCHACK: Weil man über das Rohe und Animalische, das Aggressive und Primitive im Kämpfen weit hin- aus streben soll. Es geht darum, sich zu kultivieren, seine Bewegungen und seinen Geist zu kontrollieren, das Animalische zu bezwingen und in geordnete Bahnen zu leiten. Gera- de hier setzt auch mein eigenes In- teresse ein: Wie kann ich die Urkräf- te, die in mir leben, konzentrieren und für mich nutzen. Glauben Sie mir, da gibt es viel zu entdecken. Thomas Schack: Verknüpfung mit dem Taoismus. Obwohl Wing Tsun schnell zu erlernen ist, bedeutet das Training lebenslanges Lernen Weibliche Seele Profis dieser asiatischen Kampfkunst können blind kämpfen, dabei erfühlen sie, wo sich der Gegner sich befindet. VON MELANIE OTTO Köln- Im Hintergrund des licht- durchfluteten Raumes läuft ruhige, asiatische Musik, von der Decke hängt ein langer, roter Sandsack herab. Plötzlich fliegen Fäuste durch die Luft und schnelle, kurze Tritte suchen das Schienbein des Gegners. Christian Pape und Ulf Zibis kämpfen wortlos. Die bei- den trainieren in der Kampfsportschule Ka- mehaus bis zu dreimal wöchentlich Wing Tsun, eine südchine- sische Kampfkunst, die sich als reine Selbstverteidigung versteht und ihren Schülern mehr Si- cherheit geben möchte. „Ich wäre früher vor je- der körperlichen Ausein- andersetzung mit irgend jemandem abgehauen. Heute kann ich standhal- ten und besser reagieren. Ich kann auch mal, wenn mir einer blöd kommt, sa- gen: »Hey,stopp mal, jetzt ist Schluss,« und das konnte ich früher nicht“, erklärt der 45-jährige Software-Inge- nieur Zibis sein verbessertes Selbstwertgefühl, das er durch diese Sportart bekommen hat. Dabei spielt die eigene Mus- kelkraft im Wing Tsun eine untergeordnete Rolle. Es lehrt vielmehr, die Kraft des Geg- ners auszunutzen, um diese dann gegen ihn selbst zu wen- den. Wer die Techniken be- herrscht, der kann auch als kör- perlich schwacher Mensch ei- nen stärkeren Gegner bezwin- gen. Ein Grund, warum sich die Kampfkunst auch hervor- ragend als Selbstverteidi- gungsform für Frauen eignet. Folgt man der Legende, so wurde Wing Tsun sogar von ei- ner Frau entwickelt: Vor über 250 Jahren hörte eine buddhisti- sche Nonne aus dem Shaolin Tempel von einer schönen Toch- ter, die einem Schläger zur Heirat versprochen wurde. Um sie zu schützen, lehrte die Nonne dem Mädchen die Techniken ihrer ei- gens entworfenen Kampfkunst, die es auch Schwächeren ermöglicht, sich zu verteidigen. Tatsächlich be- siegte die junge Frau in einem Kampf den Schläger, der daraufhin mit gebeugtem Haupt davon zog. Das Mädchen hieß „Yim Wing Tsun“ (schöner Frühling) und gab der Kampfkunst ihren Namen. „Es ist sehr bezeichnend für Wing Tsun, dass es von einer Frau entwi- ckelt wurde. Dieses Weiche sehe ich in der Nachgiebigkeit, die in dieses System eingebaut wurde. Das ist wie beim Stierkampf, man schlägt den Stier nicht weg, weil der stärker ist, man lässt den Stier vorbeigehen und schlägt dann von der Seite zu“, erklärt der Leiter und Lehrer des Kamehaus, Oliver Gross, der selbst seit 16 Jahren Wing Tsun be- treibt und unter anderem an der Sporthochschule in Peking ausge- bildet wurde. Charakteristisch für diese Kampf- kunst ist zudem, dass sie auf dem Prinzip „Weniger ist mehr“ basiert, sich auf das Wesentliche be- schränkt. Das beeindruckt den 30- jährigen Pape besonders: „Es geht hier nicht um schöne Bewegungen, sondern nur um Techniken, die funktionieren, aber das finde ich persönlich halt schön.“ Denn wer akrobatische Einlagen, bühnenreife Techniken und ballettartige Tritte zum Kopf des Gegners sucht, wird diese im Wing Tsun nicht fin- den. Es existieren nur wenige Tritt- techniken, getreten wird maximal bis Hüfthöhe und immer auf dem di- rekten und schnellsten Weg. Nicht die Ästhetik, sondern die Effektivi- tät steht im Vordergrund. „Wing Tsun ist dafür bekannt, dass es funktioniert, deshalb machen es auch Polizei und FBI. In NRW ist es die offizielle Nahkampfsportart der Exekutive und auch fast in ganz Deutschland“, fügt der 32-jährige Gross hinzu. Au- ßerdem ist Wing Tsun die einzige Kampfkunst, die den Tastreflex trai- niert. Chi Sao nennt sich die Trai- ningsform dafür, was so viel wie klebende oder haftende Arme be- deutet, und für Gross die wirkliche Seele des Wing Tsun ausmacht. „Das ist eine taktile Sache, also nichts Visuelles. Mein Partner drückt, ich spüre diesen Druck und reagiere mit einem Reflex. Geübte können sogar blind kämpfen“, er- klärt Pape. Dass die Reflexe des Tastsinns schneller reagieren können als die visuellen, befähigt den auf das Fühlen sensibilisierte Wing-Tsun-Sportler, sich enorm flink zu verteidigen. Im Gegensatz zu Kampfsportar- ten wie Karate oder Taekwon- do gibt es im Wing Tsun keine Wettkämpfe, da sich Selbst- verteidigung an keine Re- geln hält, Wettkämpfe aber immer reglementiert sind. Schwere Verletzungen könnten zudem nicht aus- geschlossen werden, da gerade Fortgeschrittene in der Lage sind, einen Gegner in kurzer Zeit ef- fektiv außer Gefecht zu set- zen. Nur ein einziges Mal wurde ein offizieller Wett- kampf organisiert, an den Gross nicht gerne zurückdenkt: „Das war nicht schön, die haben sich nur geprügelt und in jeder Runde Blut vergossen.“ Und im Gegensatz zum Stierkampf ist das bestimmt nicht die Absicht im Wing Tsun. Eine Kooperation des und des Instituts für Sportpublizistik der Deutschen Sporthochschule Köln Selbstbewusstsein durch Wing Tsun: Christian Pape (links) und Oliver Gross. BILDER OTTO/PRIVAT Nach Prinzipien ........................ Bei Wing Tsun lernt der Sportler keine festen Bewegungen, dieser Kung-Fu-Stil basiert vielmehr auf einer Handvoll Prinzipien, die kon- trolliert umgesetzt werden sollen. Am Anfang steht die „kleine Idee“, Siu Nim Tim. Das ist eine Abfolge von Bewegungen,eingeteilt in fünf Abschnitte (Sätze). Reflexe werden vom dritten Schü- lergrad an trainiert, man lernt, nach Gefühl zu reagieren (normal steuert wie alles über die Augen). Im vierten Schülergrad lernt man, Abwehr, Wendung, Angriff gleich- zeitig zu tun, als Reaktion auf den Druck des Gegners. www.wingtsunwelt.com

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Page 1: Obwohl Wing Tsun schnell zu erlernen ist, bedeutet das ... · PDF file„Es geht darum, das Animalische zu bezwingen“ Professor Dr. Thomas Schack über asiatische Philosophie, Niederlagen

„Es geht darum, das Animalische zu bezwingen“Professor Dr. Thomas Schack über asiatische Philosophie, Niederlagen und mentale Aspekte im Wing TsunMit dem 43-jährigen Psy-chologen und Sportwissen-schaftler des Institutes fürNeurokognition und Bewe-gung der Universität Biele-feld sprach Melanie Otto.

KÖLNER-STAD-ANZEIGER: HerrProfessor Schack, Sie sind Spezia-list für den Bereich mentale Kon-trolle und mentales Training, wofinden Sie diese Aspekte im WingTsun?

THOMAS SCHACK: Das ist einegrundsätzliche Anlage in denKampfkünsten. Wing Tsun existiertja letztendlich, um das Mentale zuentwickeln. Da geht es um Dingewie Geduld, Lebensführung undPräsenz. Vor allem lernt man imHier und Jetzt präsent zu sein, die

komplette Aufmerksam-keit auf das zu lenken, wasabläuft, und sich zu kon-zentrieren.

Ist das auch der Grund,warum Sie selber WingTsun betreiben?

SCHACK: Ja, auf jedenFall. Am Anfang war esauch das Gefühl des abso-lut Neuen. Ich habe michwirklich wie körperlichbescheuert gefühlt. Nor-malerweise denkt mandoch, wenn jemanddrückt, dann drückt man dagegen,aber das war etwas ganz anderes.Hier musste ich lernen nachzuge-ben, um die Kraft des Gegners nut-zen zu können.

Gibt es denn Merkmale im Wing

Tsun, die Sie in unserenwestlichen Sportartenvermissen?

SCHACK: Beim WingTsun findet das Denken inder Bewegung statt, quasimit dem Körper selbst.Der Körper ist nicht nurder Mittel zum Zweck, umein Hindernis zu über-springen oder eine be-stimmte Strecke zu lau-fen. In der Leichtathletikbeispielsweise sind meineZiele klar, ich muss die

100 Meter so und so schnell laufen,um zu gewinnen, das ist eher einMissbrauch des Körpers. In derKampfkunst ist der Körper meinVerbündeter.

Warum spricht man denn im Wing

Tsun von Kampfkunst und nicht vonKampfsport?

SCHACK: Als erstes geht es im WingTsun nicht um die sportlichen As-pekte. Die Bewegungen basierenauf der asiatischen Philosophie, unddie mentalen Aspekte sind vielfäl-tig. Da geht es um Angstbewälti-gung und Persönlichkeitsentwick-lung und nicht nur ums reine Gewin-nen, man sollte mit Stil verlierenkönnen, denn gerade mit Niederla-gen muss man lernen umzugehen.

Sie sagen, die Bewegungen basierenauf der asiatischen Philosophie.Können Sie ein Beispiel geben?

SCHACK: Der direkteste Bezug zurPhilosophie ist die Verknüpfung desWing Tsun mit dem Taoismus. Hierist das Bild des Wassers wesentlich.Sich verhalten wie Wasser gilt als

vorbildlich, immer vorwärts strö-men, nachgeben und umfließen kön-nen, weich sein und doch den härtes-ten Stein abtragen können, das giltals erstrebenswertes Leitbild imWing Tsun.

Und warum gelten die Bewegungenim Wing Tsun als intelligent?

SCHACK: Weil man über das Roheund Animalische, das Aggressiveund Primitive im Kämpfen weit hin-aus streben soll. Es geht darum, sichzu kultivieren, seine Bewegungenund seinen Geist zu kontrollieren,das Animalische zu bezwingen undin geordnete Bahnen zu leiten. Gera-de hier setzt auch mein eigenes In-teresse ein: Wie kann ich die Urkräf-te, die in mir leben, konzentrierenund für mich nutzen. Glauben Siemir, da gibt es viel zu entdecken.

Thomas Schack:Verknüpfung mitdem Taoismus.

Obwohl Wing Tsun schnell zu erlernen ist, bedeutet das Training lebenslanges Lernen

Weibliche SeeleProfis dieser asiatischenKampfkunst können blindkämpfen, dabei erfühlensie, wo sich der Gegner sichbefindet.

VON MELANIE OTTO

Köln- Im Hintergrund des licht-durchfluteten Raumes läuft ruhige,asiatische Musik, von der Deckehängt ein langer, roter Sandsackherab. Plötzlich fliegen Fäustedurch die Luft und schnelle, kurzeTritte suchen das Schienbein desGegners. Christian Pape und UlfZibis kämpfen wortlos. Die bei-den trainieren in derKampfsportschule Ka-mehaus bis zu dreimalwöchentlich WingTsun, eine südchine-sische Kampfkunst,die sich als reineSelbstverteidigungversteht und ihrenSchülern mehr Si-cherheit geben möchte.„Ich wäre früher vor je-der körperlichen Ausein-andersetzung mit irgendjemandem abgehauen.Heute kann ich standhal-ten und besser reagieren.Ich kann auch mal, wennmir einer blöd kommt, sa-gen: »Hey,stopp mal, jetztist Schluss,« und das konnteich früher nicht“, erklärt der45-jährige Software-Inge-nieur Zibis sein verbessertesSelbstwertgefühl, das er durchdiese Sportart bekommen hat. Dabei spielt die eigene Mus-kelkraft im Wing Tsun eineuntergeordnete Rolle. Es lehrtvielmehr, die Kraft des Geg-ners auszunutzen, um diesedann gegen ihn selbst zu wen-den. Wer die Techniken be-herrscht, der kann auch als kör-perlich schwacher Mensch ei-nen stärkeren Gegner bezwin-gen. Ein Grund, warum sichdie Kampfkunst auch hervor-ragend als Selbstverteidi-gungsform für Frauen eignet. Folgt man der Legende, sowurde Wing Tsun sogar von ei-ner Frau entwickelt: Vor über250 Jahren hörte eine buddhisti-sche Nonne aus dem ShaolinTempel von einer schönen Toch-ter, die einem Schläger zur Heiratversprochen wurde. Um sie zuschützen, lehrte die Nonne demMädchen die Techniken ihrer ei-gens entworfenen Kampfkunst, diees auch Schwächeren ermöglicht,sich zu verteidigen. Tatsächlich be-siegte die junge Frau in einemKampf den Schläger, der daraufhinmit gebeugtem Haupt davon zog.Das Mädchen hieß „Yim Wing

Tsun“ (schöner Frühling) und gabder Kampfkunst ihren Namen.„Es ist sehr bezeichnend für WingTsun, dass es von einer Frau entwi-ckelt wurde. Dieses Weiche sehe ichin der Nachgiebigkeit, die in diesesSystem eingebaut wurde. Das istwie beim Stierkampf, man schlägtden Stier nicht weg, weil der stärkerist, man lässt den Stier vorbeigehenund schlägt dann von der Seite zu“,

erklärt derLeiter und

Lehrer

des Kamehaus, Oliver Gross, derselbst seit 16 Jahren Wing Tsun be-treibt und unter anderem an derSporthochschule in Peking ausge-bildet wurde. Charakteristisch für diese Kampf-kunst ist zudem, dass sie auf demPrinzip „Weniger ist mehr“ basiert,sich auf das Wesentliche be-schränkt. Das beeindruckt den 30-jährigen Pape besonders: „Es gehthier nicht um schöne Bewegungen,sondern nur um Techniken, diefunktionieren, aber das finde ichpersönlich halt schön.“ Denn werakrobatische Einlagen, bühnenreife

Techniken und ballettartige

Tritte zum Kopf des Gegners sucht,wird diese im Wing Tsun nicht fin-den. Es existieren nur wenige Tritt-techniken, getreten wird maximalbis Hüfthöhe und immer auf dem di-rekten und schnellsten Weg. Nichtdie Ästhetik, sondern die Effektivi-tät steht im Vordergrund. „Wing Tsun ist dafür bekannt, dasses funktioniert, deshalb machen esauch Polizei und FBI. In NRW ist esdie offizielle Nahkampfsportart derExekutive

und auch fast in ganz Deutschland“,fügt der 32-jährige Gross hinzu. Au-ßerdem ist Wing Tsun die einzigeKampfkunst, die den Tastreflex trai-niert. Chi Sao nennt sich die Trai-ningsform dafür, was so viel wieklebende oder haftende Arme be-deutet, und für Gross die wirklicheSeele des Wing Tsun ausmacht.„Das ist eine taktile Sache, alsonichts Visuelles. Mein Partnerdrückt, ich spüre diesen Druck undreagiere mit einem Reflex. Geübtekönnen sogar blind kämpfen“, er-

klärt Pape. Dass die Reflexe desTastsinns schneller reagierenkönnen als die visuellen, befähigtden auf das Fühlen sensibilisierteWing-Tsun-Sportler, sich enormflink zu verteidigen.Im Gegensatz zu Kampfsportar-ten wie Karate oder Taekwon-do gibt es im Wing Tsun keineWettkämpfe, da sich Selbst-verteidigung an keine Re-geln hält, Wettkämpfe aberimmer reglementiert sind.Schwere Verletzungenkönnten zudem nicht aus-geschlossen werden, dagerade Fortgeschrittene

in der Lage sind, einenGegner in kurzer Zeit ef-

fektiv außer Gefecht zu set-zen. Nur ein einziges Mal

wurde ein offizieller Wett-kampf organisiert, an den Gross

nicht gerne zurückdenkt: „Daswar nicht schön, die haben sich nurgeprügelt und in jeder Runde Blutvergossen.“ Und im Gegensatz zumStierkampf ist das bestimmt nichtdie Absicht im Wing Tsun.

Eine Kooperation des

und des Instituts fürSportpublizistik der Deutschen

Sporthochschule Köln

Selbstbewusstsein durch WingTsun: Christian Pape (links) undOliver Gross. B I L D E R O T T O / P R I V A T

Nach Prinzipien........................

Bei Wing Tsun lernt der Sportlerkeine festen Bewegungen, dieserKung-Fu-Stil basiert vielmehr aufeiner Handvoll Prinzipien, die kon-trolliert umgesetzt werden sollen.

Am Anfang steht die „kleine Idee“,Siu Nim Tim. Das ist eine Abfolgevon Bewegungen,eingeteilt in fünfAbschnitte (Sätze).

Reflexe werden vom dritten Schü-lergrad an trainiert, man lernt,nach Gefühl zu reagieren (normalsteuert wie alles über die Augen).

Im vierten Schülergrad lernt man,Abwehr, Wendung, Angriff gleich-zeitig zu tun, als Reaktion auf denDruck des Gegners.

www.wingtsunwelt.com