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Über die richtige Art, Psychologie zu betreiben Joachim Funke Psychologisches Institut der Universität Heidelberg http://funke. uni-hd .de/ [email protected] 20.10.08 Marsilius-Kolleg

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Über die richtige Art, Psychologie zu betreiben

Joachim Funke

Psychologisches Institut derUniversität Heidelberg

http://funke.uni-hd.de/ [email protected]

20.10.08 Marsilius-Kolleg

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Überblick

Vorbemerkung Verschiedene Arten Eigene Arten Abschluss

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Vorbemerkung

gefährliche Suggestionen des Titels: es gibt überhaupt verschiedene Arten es gibt richtige und falsche Arten

Beweggründe bei der Wahl dieses Titels: für Mit-Fellows: Information über das Feld für mich persönlich: Standort-Klärung Vorbereitung eines DFG-SPP „Komplexe Kognition“

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Verschiedene Arten

Bsp. Einzelfall vs. Statistik phänomenologisch, empirisch, rational

Menschenbilder BiologischMechanistisch Humanistisch

Im folgenden... Acht Typen psychologischer Forschung „Typ“: pointierte Zuspitzung Nah an Karikatur

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Typ 1: Der Komponentenzerleger

hat sich durch dieComputermetapheranstecken lassen(Schaltplan,Maschinendiagramm) hypostasierte

Speicherstrukturen,dazwischen ablaufendeVerarbeitungsprozesse „zentraler Prozessor“:

moderne Zirbeldrüse

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Typ 2: DerComputermodellierer

von Informatik infiziert: Fortsetzungder Arbeit des Komponentenzerlegersmit anderen Mitteln; folgt dem Idealder Präzision, Widerspruchsfreiheitund Vorhersagbarkeit

Primat der TheorieWie soll Brückenschlag zur Empirieerfolgen?

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Produktionssysteme

Trennung von ...Datenbasis (Fakten)Regeln (condition - action)Interpreter

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Typ 3: Der Reduktionist

Hat sich durch die Biologie inspirieren lassenauf der Suche nach Wundt‘s „Atome des Psychischen“Thomas Nagel: „Flutwelle reduktionischer Euphorie“

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Bildgebende Verfahren

Fortschritt im Vergleich zur Phrenologie Probleme:

zeitliche Auflösung beim EEG optimal,aber nur Oberfläche kann abgeleitet werden

räumliche Auflösung bei fMRT optimal,aber BOLD-Antwort (blood oxygen level dependent) tritt frühestens 3 seknach der kognitiven Aktivität auf – ausserdem verbrauchen nicht alleschwierigen Aktivitäten gleichviel Sauerstoff (neuronale Effizienz)

Uttal, W. R. (2001). The new phrenology. Cambridge, MA: MIT Press.

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Typ 4: Der Systemiker

Hat die Systemtheorie zum Leitbild gemacht

Formalisierung von Feedback-SchleifenGefahr: Kontamination von Akteur- und System-Metapher

Herrmann, T. (1982). Über begriffliche Schwächen kognitivistischer Kognitionstheorien: Begriffsinflation undAkteur-System-Kontamination. Sprache & Kognition, 1, 3-14.

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Typ 5: Der Handlungstheoretiker

sieht im Unterschied zum Behavioristen menschliches Handelnnicht im mechanistischen Stimulus-Response-Paradigma(Maschinenmodell), sondern als historisch eingebettete,sinnsuchende Akteure

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Typ 6: Der Evolutionist

sieht psychische Phänomene unter dem Blickwinkel ihrerevolutionären Auswirkungen Bsp. Eifersucht:

geschlechtsspezifische Interessenlagen führen zu unterschiedlichenBewertungen

•Was würde Sie eher eifersüchtigmachen:•a) die Vorstellung, dass IhrePartnerin/Ihr Partner mit einer anderenPerson Ihres GeschlechtsGeschlechtsverkehr hat;•b) die Vorstellung, dass IhrePartnerin/Ihr Partner eine tiefeemotionale Bindung zu einer anderenPerson Ihres Geschlechtsherausbildet.

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Eifersucht: Unterschied Mann/Frau

Frauen konnten im Verlauf der Evolution das Überleben ihres Genmaterials dadurchwahrscheinlicher machen, dass sie verlässliche Partner mit guten ökonomischenRessourcen für sich gewannen. Zusammen mit solchen Partnern ist es leichter, dasÜberleben der Kinder bis zur Geschlechtsreife sicherzustellen.

Eifersucht bei Frauen setzt ein, wenn ein in diesem Sinne idealer Zustand bedroht ist, eingeeigneter Partner sich also auf die Dauer einer anderen Frau zuwendet, so dass dessenRessourcen nicht mehr zur Verfügung stehen.

Männer können prinzipiell in zweierlei Weise für das Überleben ihres Genmaterialssorgen: a) Polygamie (prinzipiell unsicher), b) Monogamie (unsicher bei sexuelluntreuer Partnerin).

Eifersucht bei Männern setzt ein, wenn Weg b) gewählt wird und befürchtet werdenmuss, dass die Partnerin Kinder von anderen Männern bekommt.

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Buss, D. M., Larsen, R. J., Westen, D., & Semmelroth, J. (1992). Sex differences in jealousy: Evolution,physiology, and psychology. Psychological Science, 3, 251-255.

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Typ 7: Der Experimentator

zerlegt die Wirklichkeit in unabhängige, abhängige undStörvariablen klare Orientierung am Ursache-Wirkungs-Prinzip

kausale Erklärung ist höchstes Ziel experimentum crucis als scharfer Theorie-Test

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Typ 8: Der Kliniker

Ist typischerweise an Einzelfällen interessiert Sigmund Freuds „Anna O.“ (Bertha Pappenheim) diente zur Grundlegung

der „Sprechtherapie“ Paul Meehl (1954):

Frage nach der Optimalität statischer versus klinischer Prädiktion klares Votum zugunsten „mechanischer“ Urteilsbildung (z.B. MMPI vs.Psychiater-Urteil)

Meehl, P.E. (1954). Clinical versus statistical prediction: A theoretical analysis and a review of the evidence. Minneapolis:University of Minnesota

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Wie sollte gute Psychologie aussehen?

„gute“ Psychologie muss sich der Vorteile aller dieserZugangsweisen versichern und deren Nachteile zu vermeidensuchen

oder...

„gute“ Psychologie muss sich für einen Zugang entscheiden unddiesen konsequent verfolgen und ausbauen

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Sternberg & Grigorenko (2001): Methodenpluralismus

“The truth is that no method will provide a panacea: Differentmethods have different advantages and disadvantages, and, byusing multiple methods, one capitalizes on the strengths of themethods while helping to minimize the effects of theirweaknesses“.

Sternberg, R. J., & Grigorenko, E. L. (2001). Unified Psychology. American Psychologist, 56, 1069-1079.

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„Mind in Action“ (MIA-Lab)

Aufbau eines Labors soll die umfassende Beschreibung menschlicher Tätigkeiten beim Lösen

komplexer Probleme (Umgang mit Komplexität, Dynamik, Intransparenzund Vielzieligkeit) möglich machen

Umfassend bedeutet: Vor dem Hintergrund handlungstheoretischer Konzeptionen (Theory of

Planned Behavior) sollen sowohl die bewussten Intentionen als auchunbewusste Verhaltensäußerungen wie Blickbewegungen oderpsychophysiologische Indikatoren (Puls, Hautwiderstand, EEG) erfasstwerden und als Prädiktoren für komplexe Handlungen herangezogenwerden.

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MIA-Lab

Vorteile der Integration verschiedener Datenquellen: stellt komplexe aber zugleich kontrollierte Bedingungen her erlaubt die Erfassung des Wechselspiels von Kognition und Emotion erlaubt die gleichzeitige Erfassung bewusster und unbewusster

Verhaltensanteile erlaubt die Erfassung der Aktualgenese problemlösender Aktivitäten

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DFG-SPP „Komplexe Kognition“

geplantes Schwerpunktprogramm im Schnittfeld von Psychologieund Informatik, 6 Jahre Laufzeit ca. 20 koordinierte DFG-Projekte Koordination: Markus Knauff (Uni Gießen, Psychologie), Ute

Schmid (Uni Bamberg, Informatik), JF Vorgespräch 17.10.08 bei der DFG in Bonn mit ca. 50

Interessenten

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Komplexe Kognition

alle mentalen Prozesse, bei denen ein Individuum auf der Basisvorhandener Informationen neue Informationen ableitet und dieseverwendet, um Probleme zu lösen, Entscheidungen zu treffen undHandlungen zu planen

(Knauff, Schmid & Funke, in Vorb.)

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DFG-SPP: Bestehende Kooperationen

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DFG-SPP: Gewünschte Kooperationen

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SFB Kognition von Kunst, Musik und Sprache

Koordinatoren: Raphael Rosenberg, Kunstgeschichte; Christiane von Stutterheim, Deutsch als

Fremdsprache; JF Gegenstand der Untersuchung sind die kognitiven Prozesse, die im Zusammenhang

mit Sprache, Bild und Musik stattfinden – von der Wahrnehmung bis hin zurmnestischen Repräsentation und Wiedergabe aus dem Gedächtnis. Im Rahmen desgeplanten SFB (1) sollen auf empirische Weise die temporären und dauerhaften wie auch diephysiologischen und kulturellen Faktoren analysiert werden, welche die Produktion undRezeption von Sprache, bildender Kunst und Musik bestimmen; (2) sollen die Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Wechselbeziehungen kognitiverProzesse im Bereich von Sprache, Bildern und Musik beschrieben werden; (3) sollen computergestützte Modelle dieser Prozesse entwickelt werden, auch in Hinblickauf praktische Anwendungen; (4) soll analysiert werden, inwiefern die ästhetische Erfahrung in den genannten Bereichenmit spezifischen psychophysiologischen Korrelaten einhergeht.

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SFB: Besondere Bedingungen

Der geplante SFB beruht auf einer weltweit einzigartigen interdisziplinärenKooperation 1. von Geisteswissenschaftlern (Linguisten, Kunsthistorikern,

Musikwissenschaftlern), die über komplexe Theorien im Umgang mit Sprache,Bildern und Musik verfügen,

2. von Psychologen und Mediziner mit weit reichenden Kompetenzen in Hinblickauf psychophysiologische Prozesse, die in ihren Laboren das gesamte Spektrumpsychophysiologischer Messmethoden und Visualisierungstechniken anwenden, und

3. von Computerlinguisten, Mathematikern und Informatikern, die sich für dieModellierung von kognitiven Abläufen interessieren und versuchen, diese inpraktischen Anwendungen umzusetzen.

Die vorgesehenen Teilprojekte bestehen überwiegend aus der Zusammenarbeitvon Kolleginnen und Kollegen unterschiedlicher Fakultäten.

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Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

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Punkte aus der anschließenden Diskussion

Weitere Typen? Der verstehende Psychologe (Vorschlag Thomas Fuchs) - ein „Fossil“? Der Phänomenologe (Vorschlag Martin Gessmann) - die Verbindung

zwischen perception und action, Rizzolatti meets Heidegger

Andere Punkte Warum entziehen sich Emotionen der kognitiven Modellierung (Frage

Ulrich Platt) Wo bleiben ethisch-moralische Aspekte (Frage Wolfgang Eckart) Handlungstheorie müsste vertieft werden (Anregung Schluchter) Ähnlichkeiten zwischen Typen herausarbeiten (Anregung Schluchter)