Pflegequalität und Personalbemessung im Krankenhaus€¦ · Dienstplan nach o.g. Vorgaben...

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109 Alfred Lorenz Pflegequalität und Personalbemessung im Krankenhaus 1. Das Problem: Personalbemessung im Krankenhaus Die Beantwortung der Frage, wieviel Personal bei der Untersuchung und Behandlung der Patienten in einem Krankenhaus erforderlich ist, entscheidet über den wesentlichen Bestandteil der Kosten der Kranken- hausbehandlung. Die Ermittlung des Personalbedarfs im Krankenptle- gedienst ist Gegenstand von Verhandlungen zwischen Krankenhauslei- tungen (bzw. Krankenhausträgern) und Krankenkassen (bzw. deren Ver- bänden). Bei einem Anteil des Krankenptlegepersonals an der Beschäf- tigtenzahl eines Krankenhauses von ea. 50 % und unter Berücksichti- gung der Tatsache, daß 70 % aller Krankenhauskosten Personalkosten sind, geht es bei der Feststellung über die Personalausstattung im Ptle- gedienst um den größten Einzelposten im Budget eines Krankenhauses. Wenn wir uns im folgenden schwerpunktmäßig mit dem Problem der Personalbesetzung von Krankenstationen mit KrankenptlegepersonaI befassen, so ist die hier vorgetragene Argumentation unter Berücksich- tigung entsprechend anderer Verhältnisse auch für das Personal in den Funktionsbereichen und für das ärztliche Personal anwendbar. Bei Ptlegesatzverhandlungen sind Belegungszahlen die entscheiden- de Bezugsgröße für die Personalbemessung. Die Anzahl von Arbeits- plätzen im Ptlegedienst ist abhängig von der Anzahl der Patienten, die versorgt werden müssen. Um die Patientenzahlen bzw. den Ausla- stungsgrad des Krankenhauses und die Anzahl der Arbeitsplätze im Ptlegedienst in eine Relation zu bringen, werden sogenannte Anhalts- zahlen oder Anhaltswerte verwendet. Die Ermittlung des Personalbedarfs im Bereich des Ptlegedienstes ist ständig Gegenstand von Auseinandersetzungen zwischen der Kranken- hausleitung und dem Krankenptlegépersonal bzw. der Personalvertre- tung und den gewerkschaftlichen Betriebsgruppen in den Krankenhäu- sern. Dabei argumentieren Krankenhausleitungen gegenüber der Be- legschaft durchweg mit Hinweisen auf die Ergebnisse der Verhandlun- gen mit den Krankenkassen. Sie beziehen sich dabei auf die Anhaltszah- len und die Schwankungen der Belegungszahlen. Wenn sich auch viele Beschäftigte diesen Schuh anziehen (swir müssen auf unsere Belegung achten«), reden doch beide Seiten von ganz verschiedenen Sachverhal- ten. Dabei argumentieren die Krankenhausleitungen insofern durchweg ARGUMENT-SONDERBAND AS 146

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Alfred Lorenz

Pflegequalität undPersonalbemessung im Krankenhaus

1. Das Problem: Personalbemessung im Krankenhaus

Die Beantwortung der Frage, wieviel Personal bei der Untersuchungund Behandlung der Patienten in einem Krankenhaus erforderlich ist,entscheidet über den wesentlichen Bestandteil der Kosten der Kranken-hausbehandlung. Die Ermittlung des Personalbedarfs im Krankenptle-gedienst ist Gegenstand von Verhandlungen zwischen Krankenhauslei-tungen (bzw. Krankenhausträgern) und Krankenkassen (bzw. deren Ver-bänden). Bei einem Anteil des Krankenptlegepersonals an der Beschäf-tigtenzahl eines Krankenhauses von ea. 50 % und unter Berücksichti-gung der Tatsache, daß 70 % aller Krankenhauskosten Personalkostensind, geht es bei der Feststellung über die Personalausstattung im Ptle-gedienst um den größten Einzelposten im Budget eines Krankenhauses.Wenn wir uns im folgenden schwerpunktmäßig mit dem Problem derPersonalbesetzung von Krankenstationen mit KrankenptlegepersonaIbefassen, so ist die hier vorgetragene Argumentation unter Berücksich-tigung entsprechend anderer Verhältnisse auch für das Personal in denFunktionsbereichen und für das ärztliche Personal anwendbar.

Bei Ptlegesatzverhandlungen sind Belegungszahlen die entscheiden-de Bezugsgröße für die Personalbemessung. Die Anzahl von Arbeits-plätzen im Ptlegedienst ist abhängig von der Anzahl der Patienten, dieversorgt werden müssen. Um die Patientenzahlen bzw. den Ausla-stungsgrad des Krankenhauses und die Anzahl der Arbeitsplätze imPtlegedienst in eine Relation zu bringen, werden sogenannte Anhalts-zahlen oder Anhaltswerte verwendet.

Die Ermittlung des Personalbedarfs im Bereich des Ptlegedienstes istständig Gegenstand von Auseinandersetzungen zwischen der Kranken-hausleitung und dem Krankenptlegépersonal bzw. der Personalvertre-tung und den gewerkschaftlichen Betriebsgruppen in den Krankenhäu-sern. Dabei argumentieren Krankenhausleitungen gegenüber der Be-legschaft durchweg mit Hinweisen auf die Ergebnisse der Verhandlun-gen mit den Krankenkassen. Sie beziehen sich dabei auf die Anhaltszah-len und die Schwankungen der Belegungszahlen. Wenn sich auch vieleBeschäftigte diesen Schuh anziehen (swir müssen auf unsere Belegungachten«), reden doch beide Seiten von ganz verschiedenen Sachverhal-ten. Dabei argumentieren die Krankenhausleitungen insofern durchweg

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irrational, als sie mit ihren Antworten auf Personal forderungen nichtdie tatsächlichen betrieblichen Gegebenheiten zur Grundlage nehmen,sondern ursprünglich in Pt1egesatzverhandlungen ermittelte Pauschal-zahlen.

2. Der tatsächliche Persona/einsatz im Krankenpflegedienst

Die Entscheidung darüber, wieviel Personal in einem bestimmten Kran-kenhaus und in einem bestimmten Arbeitsbereich (hier: einer Kranken-station) eingesetzt wird, hat nur zwei Faktoren zu berücksichtigen:1. was muß mit den Patienten und für den Betriebsablauf der Station

insgesamt getan werden;2. welche tarifvertraglichen, gesetzlichen usw. Regelungen bezüglich

Arbeitszeit und Arbeitseinsatz müssen beachtet werden.In den ersten Faktor gehen nun alle Aspekte des Niveaus der Kranken-behandlung, der Pt1egebedürftigkeit der Patienten, des Ausmaßes derÜberwachungsnotwendigkeit für die Patienten, der Intensität von Dia-gnostik usw. ein. Fragen der gesundheitspolitischen Zielsetzung desKrankenhausträgers, auch der Anspruch auf eine humanitäre Kranken-versorgung wären hier zu berücksichtigen. Praktisch ist jedoch zu-nächst nicht notwendig, diese Fragen zu beantworten, um zu wissen,wie die Krankenhausleitung die Frage nach dem notwendigen Personal-einsatz beantwortet: Die Personaleinsatzplanung geschieht nämlichdurchweg auf sehr schlüssige Weise.

Instrument der Personaleinsatzplanung ist der Dienstplan einer Sta-tion. Dienstpläne für das Krankenpt1egepersonal einer Station werdenzumeist für den Zeitraum eines Monats erstellt, in der Regel werden sievor Beginn des Dienstplanzeitraumes fertiggestellt, die Stationsleitun-gen legen diese Pläne den Pt1egedirektionen vor. Die Pt1egedirektionenheißen die Dienstpläne gut. Diese Dienstpläne sind dienst- und arbeits-rechtlich relevante Dokumente, ihre Gültigkeit entsprechend (auch beiallen laufenden Änderungen) nicht umstritten. Mit der Anerkennungder Dienstplanung einer Station erkennt die Krankenhausleitung diedabei gemachte Personaleinsatzplanung an.

Es wird in der Regel eine bestimmte Anzahl von Pt1egepersonen fürdie jeweiligen Dienste eingeteilt. Nehmen wir das Beispiel einer soma-tischen Station mit 35 Betten, von denen im Schnitt 30 belegt sind. DerDienstplanrahmen sieht vor, welche Schichtzeiten es gibt. Nehmen wiran, es gibt eine Frühschicht mit der Dauer von 8 Stunden, eine Spät-schicht mit der Dauer von 8 Stunden und eine Nachtschicht mit derDauer von 10Stunden. Mit Erstellung des Dienstplans wird nun durch-

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weg entschieden, wieviel Krankenpflegepersonen in eine jeweiligeSchicht eingeteilt werden. Für den Fall einer normalen medizinischenStation dürften dies 4 Personen in der Frühschicht, 3 Personen in derSpätschicht und 2 Personen in der Nachtschicht sein. Das ist die Min-destbesetzung. Diese Personalplanung könnte durch folgende Bedin-gungen modifiziert werden:- Monitorüberwachung auf der allgemeinen Station führt dazu, daß in

jeder Schicht eine Arbeitskraft zusätzlich eingesetzt werden muß;geringere diagnostische Tätigkeit am Wochenende ermöglicht einegeringere Besetzung der Früh- und Spätschicht um jeweils eine Per-son am Sonnabend und am Sonntag;bauliche Besonderheiten der Station führen dazu, daß man auch inder Spätschicht mindestens 4 Arbeitskräfte braucht;ein hoher Rationalisierungsgrad des Krankenhauses erleichtert dieTätigkeit in der Frühschicht derart, daß nur drei Pflegekräfte einge-setzt werden;der Einsatz von schlechtbezahlten oder nichtausgebildeten Hilfs-kräften (Zivildienstleistende, Praktikanten, Hospitanten usw.)würde an diesem Grundzug nichts ändern. Diesen Teil des Geldspa-rens durch Einsatz nicht- oder unzureichend bezahlter und ausgebil-deter Personen im Pflegedienst lassen wir im folgenden außer acht;ein Übergang von Funktionspflege zur Gruppenpflege führt zu ande-ren Personaleinteilungen und Schichtplänen und würde den Bedarferhöhen.

Bei all diesen Besonderheiten ist wichtig festzuhalten, daß der Perso-naleinsatz in den jeweiligen Schichten immer in der Größenordnungvon plus oder minus einer Arbeitskraft oder mehrerer Arbeitskräfte er-folgt. Reichen drei Personen in der Frühschicht nicht aus, dann werdendienstplanmäßig 4 Personen eingesetzt. Die einzige Möglichkeit, ausdiesem Einsatz immer mit einer ganzen Arbeitskraft mehr oder wenigerherauszukommen, besteht für die Krankenhausleitungen häufig darin,andere als reguläre Schichtarbeitszeiten anzusetzen. Dies ist häufig diePraxis der sogenannten kapazitätsorientierten flexiblen Arbeitszeit(KAPOFAZ). Auch diesen Aspekt lassen wir hier zunächst einmalaußer acht. Berechnen wir nun entsprechend der obengenannten Vorga-be das notwendige Personal der genannten Station.

Der tatsächliche Personaleinsatz auf einer internen 35-Betten-Sta-tion. Vorgaben: Frühschicht und Spätschicht dauern jeweils 8,5 Std.(durch Anrechnung einer Pause von einer halben Stunde: Netto-Ar-beitszeit 8 Std.), die Nachtschicht dauert 9 Stunden (eine Pause kannnicht genommen werden). Dadurch ergeben sich die knappen, aber

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durchaus üblichen Übergabezeiten von insgesamt 2 Std. täglich, bzw.täglich abzudeckende Arbeitsstunden in der Größenordnung von 26Stunden. Es werden in der Frühschicht unter der Woche 4, in der Spät-schicht 3 Krankenpflegekräfte eingesetzt, an Wochenenden sind es 3bzw. 2, nachts immer 2 Krankenpflegekräfte.Berechnung der pro fMJche abzudeckenden Arbeitsstunden

Tage x Anzahl Krankenpflegepersonen x Stunden

Montag- Freitag

Frühschicht 5 x 4 x 8 = 160 StundenSpätschicht 5 x 3 x 8 = 120 StundenNachtschicht 5 x 2 x 9 90 Stunden

Samstag- Sonntag

Frühschicht 2 x 3 x 8 = 48 Stunden

Spätschicht 2 x 2 x 8 = 32 StundenNachtschicht 2 x 2 x 9 = 36 Stunden

Summe aller Arbeitsstunden pro Woche 486 Stunden

(Bei diesem Rechenbeispiel muß berücksichtigt werden, daß damitwirklich nicht mehr als eine Mindestbesetzung der Station realisiertwerden kann, der Aspekt einer menschlichen Krankenversorgung mitZuwendung dem Patienten gegenüber ist außer acht gelassen.)

Die Ermittlung des Personalbedarfs geschieht dadurch, daß die wö-chentliche Arbeitszeit einer Krankenpflegekraft als Teiler genommenwird: Wir haben die 40-Std.-Woche, bei einer durchschnittlichen Aus-fallszeit von 20 % der Arbeitszeit durch Urlaub, Krankheit, Bildungsur-laub, Mutterschutzfristen, Kuren usw. bleibt eine effektive durch-schnittliche Wochenarbeitszeit von 32 Std.:

486 Arbeitsstunden pro Woche auf der Station = 15 2

32 effektive Wochenarbeitsstunden pro Person •

Die Station benötigt also mindestens 15Krankenpflegekräfte, um einenDienstplan nach o.g. Vorgaben realisieren zu können. Als Unsicher-heitsfaktor bleibt die pauschal unter Bezugnahme auf den Durchschnittberücksichtigte Ausfallzeit, die sich konkret natürlich ganz anders ge-stalten kann.

Beispielhaft sei berechnet, welcher Personalmehrbedarf sich konkretergibt, wenn etwa durch Monitorüberwachung auf der allgemeinen Sta-tion der Tagdienst immer mit einer Krankenpflegekraft zusätzlich be-setzt sein muß:

7 Tage x 1 Person x (8 Stunden Früh + 8 Stunden Spät)= 3,5

32 Stunden effektive Wochenarbeitszeit

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Zusätzlich wären in diesem Fall 3 Krankenpflegekräfte mit ganzer undeine mit halber tariflicher Arbeitszeit einzusetzen.

Obwohl die Krankenhausleitungen Personal in diesem Umfang durchGegenzeichnung der entsprechenden Dienstpläne praktisch selbst ein-setzen, stellen sie den Stationen dieses Personal in der Regel nicht zurVerfügung. Als Folge davon entstehen laufend Überstunden, DienstpIa-nänderungen, Einsatz von Extrawachen, vermehrtes Heranziehen vonAuszubildenden und Zivildienstleistenden sowie Praktikantinnen undPraktikanten, die die Lücken in den Dienstplänen ausfüllen. Entspre-chend führen die Mißverhältnisse zwischen der tatsächlichen Persona-leinsatzplanung gemäß dem Dokument »Dienstplan der Station- undder tatsächlichen Unterbesetzung einer Station bzw. Auffüllung desDienstplans durch nichtausgebildetes Personal zu den bekannten, häu-fig katastrophalen, Krankenbehandlungssituationen auf den Stationendeutscher Krankenhäuser.

3. Personalbemessungen nach Wirtschaftlichkeitsprüfungen

Wirtschaftlichkeits prüfungen in Krankenhäusern als Mittel der Findungder von Krankenhausträgern und Krankenkassen gemeinsam zu verein-barenden Pflegesätze bzw. Krankenhausbudgets gibt es schon seit län-gerer Zeit. Die neue Bundespflegesatzverordnung (BPflV) schreibt re-gelmäßige Wirtschaftlichkeitsprüfungen sogar vor. Wirtschaftlichkeits-prüfungen verursachen enorme Kosten (die Überprüfung der kommu-nalen Kliniken Bremens kostete rund 2 Mio. DM, die Überprüfung derKrankenhausbetriebe Hamburgs wird zwischen 7 und 10Mio. DM ko-sten). Auch bei den Berechnungen von Wirtschaftsprüfungsgesellschaf-ten steht die Ermittlung des Personalbedarfs der Krankenstationen logi-scherweise im Mittelpunkt der Argumentationen und der Entscheidun-gen. Wirtschaftsprüfungsgesellschaften beziehen sich bei diesen Ent-scheidungen durchweg auf sogenannte Anhaltszahlen. Hierzu ein Bei-spiel des somatischen Bereichs in einem Bremer Krankenhaus, wie sievon der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Whinney GmbH dar-gestellt wurde.

Personalbedarfsberechnung bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung derFirma Ernst & Whinney GmbH in Bremen, somatischer Bereich desZentralkrankenhauses Bremen-Ost. Berechnet wurde insgesamt der so-matische Bereich (Innere Medizin, Chirurgie, Neurologie) mit insge-samt 12Stationen, zuzüglich einer interdisziplinären Intensivstation mit20 Betten. Grundlage der Berechnung: »Aufgrund der baulichen Kon-zeption und der vorhandenen zentralen Einrichtungen (Patientenrufan-

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lage, Transportanlagen, Bettenzentrale u.a.) haben wir zur Ermittlungdes Personalbedarfs die Anhaltszahlen der Deutschen Krankenhausge-sellschaft (DKG) 1969 bei zentralisierter pflegerischer Versorgung von1 Kraft: 3,27 belegte Betten angewandt.« Es werden dann sog. »Mehrbe-darfe« erwogen, zugestanden, verworfen, je nach Gusto. Beispiele:»Aufgrund dieser Patientenstruktur (keine gynäkologisch-geburtshilfli-che Klinik mit weniger, dafür die große Neurologie mit mehr Pflegeauf-wand, d.Yerf.) kommen wir zu dem Ergebnis, daß der o.g. Personalbe-darf von insgesamt 3,9 Vollkräften für die Bedienung der Transportanla-gen und für Krankentransporte als Mehrbedarf berücksichtigt werdenkann.«

»Ferner haben wir berücksichtigt, daß in der Medizinischen Klinikzusätzlich zur interdisziplinären Intensivstation Intensivüberwachungs-betten eingerichtet waren« ... »Nach den uns vorgelegten Unterlagenkann für vier durchschnittlich belegte Betten der Medizinischen Klinikdie durchschnittliche Anhaltszahl für Intensivüberwachung zugrundegelegt werden.« Bei dem angegebenen Schlüssel von 1:1 führt das zurAnerkennung eines Mehrbedarf von 4 Vollkräften für die 4 Stationender Medizinischen Klinik.

Besonders beeindruckend ist diese Argumentation: Das Krankenhausmacht einen Mehrbedarf aufgrund der Einführung des Schichtsdienstesgeltend. Die Wirtschaftsprüfer souverän: »Es besteht jedoch die Mög-lichkeit, durch Veränderungen in der Besetzung einzelner Schichtenund Gestaltung der Schichtdauer auftretende Leerzeiten zu minimieren.Hier ist auf die mögliche Beschäftigung von Teilzeitkräften oder denstationsübergreifenden Einsatz eines Teils der Mitarbeiter hinzuweisen.Einen Mehrbedarf, der sich lediglich aufgrund des Schichtdienstes,d.h. einer Berücksichtigung von vermeidbaren Leerlaufzeiten im Per-sonalbedarf ergibt, halten wir für wirtschaftlich nicht vertretbar.«

Der Nachtwachenbedarf wird mit 1 Nachwache auf jeder der 12 Sta-tionen für 8 Stunden anerkannt, was zu 20,6 Vollkräften führt. Die Ge-samtrechnung :

belegte Betten Anhaltszahl Vollkräfte

Allgemeine KrankenpflegeMehrbedarf fur QuerschnittgelähmteMehrbedarf fur TransportanlagenÜbergabezeitenIntensivüberwachung Med. KlinikIntensivüberwachung Intensivstation (70 %)Intensivtherapie Intensivstation (30 %)Nachtwachen

361,2 1:3,27 uo.s3,43,92,64,0

10,411,420,6

4,010,44,9

1:1,01:1,01:0,43

166,8

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Die Berücksichtigung von Ausfallzeiten führt dann zur Anerkennungeines Personal bedarfs von insgesamt 183,1Vollkräften. Vernachlässigenwir die 0,1 Vollkraft (wie sieht eine 10%-Krankenschwester aus?) undberücksichtigen, daß tatsächlich immer rund 40 Krankenpflegeperso-nen auf der interdisziplinären Intensivstation gebraucht werden, dannbleiben für die 12 Stationen insgesamt nur 143 Krankenptlegekräfte -12 pro Station. Tatsächlich haben die Stationen der medizinischen Kli-nik des Krankenhauses bei 35 Betten zwischen 11,5und 12,5 Kranken-ptlegepersonen als Stammpersonal.

4. Persona/bemessung nach den neuen Anhaltswertender Deutschen Krankenhausgesellschaft:

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft legte Ende 1985 ein neues Sy-stem sogenannter Anhaltswerte vor, nach denen das Personal im Kran-kenptlegebereich berechnet werden soll. Die Grundlage dieser Anhalts-werte ist die fiktive FestIegung eines Zeitquantums, das jedem Patientenpro Tag durch das Ptlegepersonal zugute kommen soll. Es wird davonausgegangen, daß täglich 108Ptlegeminuten notwendig seien. Auch dieDKG nimmt nun Anpassungen an bestimmte Bedingungen vor und willdiese Zeit von 108Ptlegeminuten dann erhöhen, wenn das Krankenhausweniger durchrationalisiert ist. Insbesondere soll die Zahl der zugebil-ligten Ptlegeminuten dann erhöht werden, wenn das Krankenhaus einekürzere Verweildauer nachweisen kann. Berechnen wir nun anhand derDKG-Anhaltszahlen von Ende 1985unser obiges Beispiel noch einmal:

Persona/berechnung nach den Anhaltswerten der Deutschen Kran-kenhausgesellschaft vom Dezember 1985. Ausgangswerte: Pro Patientund Tag werden vom Ptlegepersonal die erwähnten 108Minuten aufge-wandt. Die Belegung der Station ist zu berücksichtigen; in unserem Bei-spiel einer 35-Betten-Station wären bei der üblicherweise zugrunde ge-legten 85 %igen Belegung 30 belegte Betten anzusetzen. Ein »Wochen-tagefaktor- soll berücksichtigen, daß am Wochenende weniger Pflege-personal gebraucht wird als in der Woche: anstatt 7 Tage hat die Wochedann nur 6,3 Tage. Da die Rechnung hier in Minuten erfolgt, müssenwir die effektive wöchentliche Arbeitszeit von 32 Std. hier auch in Mi-nuten zählen: 1.920 Minuten. Und dies ist die Formel:

108 Minuten pro Patient x 30 belegte Betten x 6,3 Tage = 1061.920 Minuten effektive Wochenarbeitszeit '

Die Nachwachen sollen nach der auch den realen Einsätzen entspre-chenden Mindestbesetzungs-Berechnung zugeteilt werden, wobei wir

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im Beispiel annehmen, daß es bei der Zahl 2 Krankenpflegekräfte proNacht bleibt:

2 Nachtwachen x 9 Stunden Nachtwache x 7 Tage = 3932 Stunden effektive Wochenarbeitszeit '

Danach würden der Station 14,5 Pflegekräfte mindestens zugeteilt, eineweniger als tatsächlich laut Dienstplan eingesetzt werden, aber immer-hin 2,5 mehr als den Wirtschaftsprüfern recht ist.

Im Gegensatz zur tatsächlichen Personaleinsatzplanung mit dem Mit-tel eines Dienstplans ist die Personalbemessung nach Anhaltswerten er-heblich abhängig von der Belegung einer Station. Für das Gesamt derArbeitsabläufe einer Schicht ist es bekanntlich nicht sonderlich erheb-lich, ob durch das vorhandene Pflegepersonal30 oder 33 Patienten ver-sorgt werden müssen. Eine solche Differenz aber ist bei der Personalbe-messung nach Anhaltswerten von erheblicher Bedeutung. Da Anhalts-werte sich auf Durchschnittsbelegungen, berechnet auf ein ganzes Jahr,beziehen, sind sie nicht in der Lage, Spitzenauslastungszeiten korrektzu beurteilen. Ergibt sich die durchschnittliche Belegung einer Station,wie in unserem Beispiel mit 30 Betten, daraus, daß die Station zur Hälf-te der Tageeines Jahres mit 35 und zur anderen Hälfte der Tage des Jah-res mit 25 Patienten belegt wäre, so ist es zwar richtig, daß an denTagen, an welchen nur 25 Patienten zu versorgen sind, mit weniger Per-sonal gearbeitet werden könnte. Die Personaleinsatzplanung muß sichaber danach richten, daß die Station immer in vollem Umfange einsatz-bereit ist. Um die Willkürlichkeit der Berechnungen mit Anhaltszahlenzu belegen, erfolgt hier noch einmal die Personalbedarfsberechnung fürjeweils unterschiedliche Belegungssituationen.

Der Einfluß der Belegungszahlen. Bei 25 belegten Betten sieht dieRechnung so aus:

108 Minuten x 25 belegte Betten x 6,3 Tage = 8,9 + 3,9 Nachtwachen = 12,81.920 Minuten effektive Arbeitszeit

Bei 35 belegten Betten, was ja nicht selten vorkommt, wäre der Perso-nalbedarf nach dieser Rechnung ganz anders:

108 Minuten x 35 belegte Betten x 6,3 Tage = 12,4 + 3,9 Nachtwachen =16,31.920 Minuten effektive Arbeitszeit

Zwischen knapp 13und gut 16Krankenpflegekräften schwankt die Be-rechnung. Krankenhausleitungen neigen unter den Bedingungen derneuen Bundesptlegesatzverordnung dazu, Personalanpassungen beiMinderbelegung (also: Personalabzugjmöglichst im laufenden Budget-zeitraum durchzuführen. Daß bei Überbelegung einer Station mehrStammpersonal eingesetzt wird, ist kaum zu verzeichnen.

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5. Anhaltszahlen und Anhaltswertesind zur Personalbemessung grundsätzlich nicht geeignet

Die Gewerkschaft örv hat auf dem 10.Gewerkschaftstag 1984 ihre Ab-lehnung der Anhaltszahlen der DKG oder sonstiger Richtgrößen bekräf-tigt. »Diese Richtgrößen wirken sich in der Praxis nicht als Instrumentzur Erfassung des tatsächlichen Personalbedarfs aus, sondern wirken,gerade nach der erfolgten Umstellung der Krankenhäuser auf die kauf-männische Buchführung, ausschließlich als Mittel der Personalreduzie-rung. « Die Gewerkschaft örv schlägt dann vor, den Personalbedarf imKrankenhaus aufgrund betrieblicher Gegebenheiten vorzunehmen:Grad der Pflegebedürftigkeit der Patienten, Pflegestandard des Kran-kenhauses, Qualifikation der Beschäftigten, tarif- und arbeitsrechtlicheVorgaben usw. Anhaltszahlen und Anhaltswerte als Grundlage der Per-sonalbemessung sind dagegen willkürliche Setzungen. Die Willkürlich-keit läßt sich anhand einiger Argumente aufzeigen.

Alle bisherigen Versuche einer ergonomischen und arbeitswissen-schaftliehen Berechnung der Arbeitsabläufe in der Tätigkeit des Kran-kenpflegepersonals sind gescheitert. Kenner der Materie erinnern sichnoch an die durch das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnunggeforderten Untersuchungen »Personalbedarfsermittl ungsverfahren-und »Personalbedarfsberechnungsverfahren« (PBEV und PBBV). Mul-timomentaufnahmen, Selbstaufschreibungen, Aufschreibungen von Ar-beitsabläufen mit der Stoppuhr usw. haben nie dazu geführt, daß einebegründbare Aussage darüber ermöglicht wurde, wieviel Zeit das Pfle-gepersonal auf weIche Tätigkeit verwenden muß. Das einfache Bei-spiel: Hat die Pflegekraft Zeit, kann sie beim Bettenmachen mit demPatienten sprechen, hat sie keine Zeit, wird sie auch keine Zeit für einGespräch haben. Das Dilemma ist von allen Wirtschaftsprüfungsgesell-schaften lange erkannt: Das Produktionsergebnis des Krankenhausesläßt sich nicht in Zahlen ausdrücken. Daher sind auch alle Berechnun-gen nicht auf ein ökonomisch zu erwirtschaftendes Produktionsergeb-nis zu beziehen. Wir wissen, daß der Patient mit seiner Entlassung ausdem Krankenhaus oft nicht gesund ist. Wir wissen, daß er häufig vor-zeitig entlassen wird, und wir kennen auch das Argument, daß Patien-ten willkürlich länger im Krankenhaus behalten werden.

Anhaltszahlen werden häufig durch Anhaltszahlen begründet. So teiltdie Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in ihrem Prüfungsbericht mit, siehabe sich bei der Berechnung des Personals für diese oder jene medizi-nische Sondereinheit auf Anhaltszahlen gestützt, die in Baden-Würt-temberg Verwendung fänden. Oder es wird auf die Literatur verwiesen,

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in der Anhaltszahlen angegeben werden. Interessanterweise ist es sogarso, daß führende Mitarbeiter von Wirtschaftlichkeitsprüfungsunterneh-men (z.B. Herr Kracht von der Firma Ernst & Whinney GmbH), inKrankenhauspublikationen über Anhaltszahlen wissenschaftliche Bei-träge veröffentlichen, die dann selbst als Begründung für eigene An-haltszahlensetzungen herangezogen werden können. Man darf nichtvergessen: Hinter jeder AnhaItszahl steckt letztlich eine willkürlicheSetzung wie die 108Pt1egeminuten pro Patient und Tag. Alle konkretenAnhaltswerte, mit denen angegeben wird, auf wieviel belegte Betten jeeine Pt1egekraft zu kommen habe, gehen von dieser Grundannahmeaus, modifizieren sie nach betrieblichen und medizinischen Gegeben-heiten. Durch das Anführen von Zu- und Abschlägen nach Verweildau-er und anderen Spezifitäten einer Disziplin des Krankenhauses entste-hen monströse Formelgebilde mit komplizierten mathematischen Be-rechnungsmodalitäten. Man darf sich jedoch davon nicht täuschen las-sen, denn die Logik dieser gesamten Berechnungen basiert auf einerSetzung, wie etwa die obengenannten 108 Pt1egeminuten.

Wird das Pt1egepersonal einer Station nach den tatsächlich notwendi-gen Dienstplänen berechnet, so kommt man zunächst zum Prinzip dersogenannten Mindestbesetzung. Die Mindestbesetzung geht davon aus,daß Anhaltszahlen, etwa bei sehr kleinen Stationen, nicht mehr dazuführen, soviel Personal zu errechnen, daß arbeits- und tarifrechtlichkorrekte Dienstpläne zustandekommen (Arbeitszeit, Pausen, Überstun-denregelungen usw.). Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaftschlägt in ihren neuen Richtlinien vor, für besondere Bereiche dieseMindestbedarfsberechnung vorzunehmen: Nachtwachenberechnung,OP-Dienste und Anästhesiedienste sowie die Berechnung des Personalsauf Intensivstationen soll nach Vorschlag der DKG nach Mindestbe-darfsberechnung vorgenommen werden. Dies kann man als einenSchritt in die richtige Richtung bezeichnen. Es werden hier doch die tat-sächlichen Verhältnisse in dem Personaleinsatz berücksichtigt.

6. Das Paradoxon von Anhaltszahlen

Paradoxerweise führen Anhaltswerte und AnhaItszahlen sogar dazu,daß sinnlose Personal vermehrungen möglich sind: Um Personal zu er-halten (d.h. die Notwendigkeit der Einrichtung von Arbeitsplätzen imRahmen von Pt1egesatzverhandlungen nachzuweisen), müssen mög-lichst viele Berechnungstage (eine hohe Belegung) und möglichst vieleLeistungen im medizinischen Funktionsdienst nachgewiesen werden.Das Halten von Patienten - also eine Vermehrung von Berechnungs-

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tagen - und die Erhaltung einer hohen Belegung einer Station, würdedazu führen, daß rechnerisch mehr Personal notwendig ist. Von einersolchen Logik waren jahrelang und sind noch heute Pflegedienstleitun-gen und ärztliche Leitungen von Krankenhäusem beherrscht. In derRegel wurde diese Logik gegen das Personal gewendet, indem Perso-nalabzug mit Belegungsrückgängen begründet wurde.

Hier scheinen sich durch die neue Bundespflegesatzverordnung Ver-änderungen anzubahnen: die Bundespflegesatzverordnung von 1985geht zwar davon aus, daß das Prinzip der Selbstkostenerstattung imGrundsatz erhalten bleibt. Wurde jedoch früher über den Pflegesatzpauschal abgegolten, was das Krankenhaus in der Vergangenheit be-rechtigterweise (wirtschaftlich und leistungsfähig) ausgegeben hatte, sowird nach der neuen Bundespflegesatzverordnung mit der Budgetierungder Belegungsgrad vorausgeschätzt. Eigentlich wäre das Personal nachder neuen Bundespflegesatzverordnung und nach der Logik der An-haltszahlen auf folgende Weise zu ermitteln: Es wird eine Prognose derBelegung des Krankenhauses erstellt. Aufgrund der Prognose der Bele-gung wird das Personal berechnet.. Das durchschnittliche Einkommendes Personals wird in DM umgerechnet; die Summe aller Gehälter istdann der Personalkostenanteil des Budgets des Krankenhauses. Es zeigtsich, daß bei den Pflegesatzverhandlungen offensichtlich von einem fe-sten Personalbestand ausgegangen wird. Dies ist insbesondere dann derFall, wenn Wirtschaftlichkeitsprüfungen vorgenommen worden sind.Bei neuen Pflegesatzverhandlungen wird zumeist nur noch der Perso-nalbestand fortgeschrieben. Der Personalkostenanteil im Budget unter-liegt dann nur den Veränderungen durch Einkommenssteigerung. EineÄnderung in der Zahl der Beschäftigten, die mit dem personalbezoge-nen Teil des Budgets ausgedrückt wird, ist Gegenstand der Verhandlungüber die Einrichtung völlig neuer Stellen oder kommt durch Verände-rungen in der Arbeitszeit des Personals zustande. Bei diesen Kalkulatio-nen hat dann der Belegungsgrad des Krankenhauses, d.h. die vorauskal-kulierten Berechnungstage, nur noch Bedeutung für die Höhe der Ab-schlagszahlung Pflegesatz. Die gegenseitige Deckungsfähigkeit vonPersonal- und Sachrnittelhaushalt führt derzeit oft genug zu Abstrichenbeim Personal, wenn die Direktion Mehrausgaben im Sachmittelbe-reich ohne Budgetüberschreitung (Verluste) kompensieren will. Perso-nalbedarfsberechnungen spielen dann (vorübergehend) keine Rolle.

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Z Ausblick

Alle Kosten im Krankenhaus entstehen ja durch die tatsächlich ablau-fenden medizinischen Dienstleistungen. Hintergrund für entstehendeKosten - soweit sie patientenbezogen dokumentiert werden - (unddiese Art der Dokumentation ist die Grundlage der gesamten Kranken-hausbetriebsführung) entstehen also durch medizinisch begründete Ent-scheidungen der Krankenhausärzte. Diese kostenverursachenden Ent-scheidungen werden bestenfalls durch übergeordnete leitende Ärztekontrolliert. Diese entscheiden in der Regel nicht unbedingt nach wirt-schaftlichen Gesichtspunkten. Krankenhausbetriebsleitungen (Verwal-tungsdirektoren) greifen nur dann ein, wenn sich bestimmte Budgetan-teile für sie unkontrollierbar entwickeln. Sie haben aber nach der Bun-despflegesatzverordnung dann immer noch die Möglichkeit, Mehrko-sten, die im Bereich medizinischer Sachleistungen entstehen, durchEinsparungen im Personalbereich auszugleichen (s.o.). Insgesamt ist esder jeweiligen Krankenhausleitung wirtschaftlich auch egal, welche Ko-sten durch medizinische Entscheidungen verursacht werden, weilgerade hier ungefragt erstattet wird. Die Krankenkassen sind in derRegel nicht in der Lage, ärztliche Entscheidungen zu überprüfen -wollen sie sich nicht in die Gefahr begeben, als administrative Ein-schränker einer durch die Ärzte als notwendig erachteten Behandlungzu gelten.

Der Personaleinsatz auf den Krankenstationen ist ein ständiger Kon-fliktpunkt zwischen den Krankenhausleitungen und dem Personal selbstbzw. der Personalvertretung. Personalräte und gewerkschaftliche Be-triebsgruppen stellen ständig die Forderung nach mehr und ausreichen-dem Personal auf den Stationen. Krankenhausleitungen argumentierendagegen durchweg mit zur Verfügung stehendem Personal aufgrund vonPflegesatzverhandlungen, rechnerisch berufen sie sich in der Regel aufBelegungsgrade. Das Personal und seine Personal vertretung argumen-tieren jedoch zu Recht mit dem realen Betriebsablauf. Der reale Be-triebsablauf entscheidet, anders als die Berechnungen aufgrund vonAnhaltszahlen in Relation zu Belegungszahlen, über die Qualität derKrankenversorgung. In der gesamten gesundheitspolitischen Land-schaft ist derzeit niemand auszumachen, der ein Interesse hätte, hiersinnvolle Setzungen vorzunehmen.

Nachdem in der Konzertierten Aktion bis Ende 1986Krankenhausge-sellschaft und Verbände der Krankenkassen nicht zu einer gemeinsa-men Richtlinie für die Personalbedarfsberechnung in Krankenhäuserngekommen sind, ist es nach der Bundespflegesatzverordnung nun Auf-

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Page 13: Pflegequalität und Personalbemessung im Krankenhaus€¦ · Dienstplan nach o.g. Vorgaben realisieren zu können. Als Unsicher-heitsfaktor bleibt die pauschal unter Bezugnahme auf

Personalbedarfsberechnungssysteme im Krankenhaus 121

gabe des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung, eine Vor-gabe zu machen.

Wie aus dem ganzen Beitrag hervorgeht, kann diese Vorgabe letztend-lich nichts anderes darstellen, als ein Anhaltszahlensystem. Geschiehtdies jedoch, so kann davon ausgegangen werden, daß der Personalbe-darf in Krankenhäusern im Bereich des Krankenpflegedienstes künftigüberhaupt nicht mehr nach den tatsächlichen Arbeitsabläufen, d.h. alsonach den Notwendigkeiten der Behandlung der Patienten geschieht.

Zusammenfassend kann man feststellen, daß gesundheitspolitischeEntscheidungen durch die »Mathematisierung« ersetzt worden sind.Sachzwänge, auch wenn sie nur auf einem minimalen Quentehen voninhaltlicher Setzung basieren, werden zum Vorwand, eine nach vorneblickende Gesundheitspolitik aufzugeben.

In dieser Situation ist es zunächst Aufgabe von Personalvertretungenund gewerkschaftlichen Betriebsgruppen, eine größtmögliche Transpa-renz in das Unternehmen Pflegesatzverhandlungen und dabei insbeson-dere in den Aspekt -Budget Krankenhauspersonal« zu bringen. Diesegrößtmögliche Transparenz muß für die Beschäftigten des Krankenhau-ses gelten, sie muß für die Patienten, d.h. für die interessierte Öffent-lichkeit und auch für die Krankenkassen und insbesondere die gewerk-schaftlichen SelbstverwaIter in den Krankenkassen möglich gemachtwerden.

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