Über die Straße von Bonifacio

von Rainer Markgraf Vor Jahren stand ich während einer Rennradumrundung Korsikas am Südende auf den Klippen von Bonifacio und schaute nach Sardinien hinüber. Einmal dorthin zu schippern schien sehr verlockend. Nun sind wir mit vollbeladenem Familienvan, 2 Seekajaks auf dem Dach und noch 4 Fahrrädern irgendwie drumherumverstaut auf der Überfahrt von Genua nach Sardinien, und ich denke wieder an den Blick von damals. Ich bin gespannt, wie die Felsen von Bonifacio von der anderen Seite aussehen werden, denn ich möchte mit meinem Sohn Nils von Sardinien nach Korsika und zurück paddeln, meine erste Seekajaktour fern der vertrauteren Reviere von Nord- und Ostsee.

Vor Castelsardo Unser Zelt steht auf einem sehr schönen Campingplatz am Rande von Valledoria an der sardischen Nordküste, ein paar Meilen vom malerischen auf einem Trachytfelsen direkt am Meer gelegenen Ort Castelsardo entfernt. Dorthin geht unsere erste kleine Erkundungstour entlang der schönen Steilküste. Wie anders ist hier das Paddeln: wenig Wind, keine Strömung, aber eine durchs Wasser gespiegelte brennende Sonne, die trotz reichlich Sonnencreme-Verbrauch Nase und Unterarme in Rot erstrahlen lässt. Wir legen nahe einem alten spanischen Wachturm an und genießen ein Bierchen in einer Kneipe am Seglerhafen.

Rast am spanischen Wachturm von Castelsardo

Die Rückfahrt wird dann noch ein Muskeltraining. Meine Frau ist mit Schlauchboot und Außenborder mit unserem Jüngsten nebst dessen Zeltplatzfreund unterwegs, und wir haben den Spritverbrauch unterschätzt. So können wir mal wieder die in Nanuk-Kursen geübte Schlepptechnik praktizieren, diesmal mit zwei Kajaks im Doppelschlepp. Auch die nicht fern gelegene Costa Paradiso mit ihren roten Porphyrfelsen ist ein schönes Ziel für eine kleine Trainingsfahrt, auch wenn sardische Anlandungswächter uns das Ausbooten an einer der wenigen geeigneten Buchten verwehren wollen. Kurze, aber emotionale Verhandlungen in Zeichensprache enden erstaunlicherweise zu unseren Gunsten.

Felsige Costa Paradiso im Norden Sardiniens Der nächste Trip gilt der Welt der Reichen und Schönen: wir schiffen uns an der Costa Smeralda an der nördlichen Ostküste ein und paddeln an einer protzigen Luxusvilla nach der nächsten vorbei zum Hafen von Porto Rotondo. Was für ein Gefühl, als sich mein Nordkapp im glänzend polierten schwarzen Rumpf einer Milliardärsyacht spiegeln darf! Des Banker´s Boni lassen grüßen. Die Rückfahrt wird direkt etwas kipplig, auffrischender und drehender Wind bringt in Verbindung mit regem Schiffsverkehr ganz nette Wellen zustande.

Im Spiegel des Reichtums Auch eine kleine Bootstour in Richtung Inneres der Insel auf einem kleinen Flüsschen, das in eine Strand-nahe Lagune mündet, ist möglich und führt zu interessanten Begenungen.

Mit dem Seekajak ins Innere Sardieniens

Nun soll es aber bald losgehen mit unserer Überfahrt nach Korsika. Ein bisschen aufgeregt bin ich schon, schließlich hat das Mittelmeer trotz seines meist schönen Wetters auch seine Risiken, wer hat noch nicht von den Winden Mistral, Bora oder Scirocco gehört. Nicht gerade beruhigend, wenn man so liest, das dem bei schönstem Wetter plötzlich aus allen Rohren blasenden Mistral schon große Yachten zum Opfer gefallen und spurlos verschollen sind. Häusliche Vorbereitung tat also Not.

Aufbruch in Santa Teresa di Gallura mit Blick auf den über 500 Jahre alten Torre longonsardo

Für die Straße von Bonifacio ist der Mistral wegen des Trichtereffektes sehr gefährlich, er weht im Golf von Lyon aus Nord, dreht zwischen Korsika und Sardinien mehr auf West und verstärkt sich durch den Trichtereffekt. Wann also müssen wir mit diesem heftigen Fallwind, der kalte Alpenluft durch das Rhonetal aufs Mittelmeer bringt, rechnen? Der Mistral tritt einmal auf bei einer über Frankreich von Nordwest nach Südost ziehenden Kaltfront, eine Wetterlage, die auf der Wetterkarte gut ersichtlich ist. Er kann aber auch entstehen bei einem Tief über dem Golf von Genua oder Norditalien. Hierbei darf man sich nun keine gut erkennbare Tiefdruckzyklone vorstellen, wie wir sie regelmäßig als wetterbestimmendes Element für unsere Nordseetouren kennen und berücksichtigen. Mit Tief ist hier ein Druckunterschied von wenigen hPa gemeint, auf der Wetterkarte kaum zu bemerken. Also galt es, die Wetterentwicklung über einige Tage aufmerksam zu verfolgen und besonders ein

kritisches Auge auf Oberitalien zu richten. Wie stellt man das aber an, wenn es leider keinen deutschsprachigen Wetterbericht auf Sardinien mehr gibt und unser Italienisch im besten Sinne rudimentär ist? Dank eines Tips von Peter Nicolai habe ich mir per SMS die aktuelle Wetterlage und die Windvorhersage von http://www.seewetterbericht.de/ senden lassen, ein relativ preiswerter und nach meiner jetzigen Erfahrung zuverlässiger Service. Wir haben Glück, die Wetterlage ist sehr stabil und kein niedriger Druck, nicht mal ein Minitief über Norditalien droht mit Mistral, dafür besteht ein kleines Hoch nordöstlich von Korsika. So paddeln wir im Seglerhafen von Santa Teresa di Gallura an der Nordspitze von Sardinien los, die korsischen Berge sind eben im starken Dunst sichtbar. Es herrscht kaum Wind, und so geht es in geradem Nordkurs ohne Anstrengung vorwärts. Der Schiffsverkehr ist gering, ab und zu ein Segler unter Motor, einmal überholt uns die Fähre Sardinien-Korsika und in der Mitte der Straße von Bonifacio kreuzen wir den Kurs eines Frachters und eines Kreuzfahrtschiffes, in gebotenem Abstand natürlich.

Begegnung in der Straße von Bonifacio Je näher wir Korsika kommen umso schärfer werden die Küstenumrisse erkennbar und wir bewundern die immer fantastischer wirkende Silhouette der Kreidesteilküste mit dem waghalsig darauf gebauten Bonifacio. Für die etwa 10 sm haben wir bei genüsslichem Paddeln drei Stunden veranschlagt, was bei wenig Wind sehr gut hinkommt. Küstennah nimmt der touristische Schiffsverkehr stark zu, vor allem motorisierte Barkassen, die kräftige Wellen und kleine Kreuzseen erzeugen, was den Abschluss der Querung noch einmal belebt.

Vor den Kreidefelsen von Bonifacio

Durch das ganze Schiffswirrwarr hindurch steuern wir dann in die Zufahrt zum Seglerhafen von Bonifacio am Leuchtfeuer La Madonetta vorbei, paddeln noch etwa 1 sm den beeindruckenden Fjord, der schon von Homer beschrieben wurde und Odysseus als Zuflucht diente, entlang und legen dann direkt vor den zahlreichen Straßenlokalen der Hafenpromenade an.

Einfahrt zum Fjord von Bonifacio mit Leuchtfeuer La Madonetta

Wir wuchten unsere Kajaks unter den amüsiert bis mitleidig wirkenden Blicken der Touristen auf einen relativ hohen Steg und gönnen uns dann erst mal was Leckeres in einem der Cafés, mit unseren Neo-Shorts nicht ganz „en vogue“ gekleidet in dieser sehr anderen Welt, wenn man so an eine Paddelankunft auf Spiekeroog oder Fehmarn denkt.

Im Fjord von Bonifacio auf den Spuren von Odysseus Wir können noch eine Aktion von Greenpeace beobachten, die an der Zitadelle mit bergsteigerischem Einsatz ein Riesentransparent herablassen mit einem Aufruf zum Schutz der Meerenge von Bonifacio („Protégeons les bouches de Bonifacio“).

Greenpeace-Aktion an der Zitadelle von Bonifacio

Nils, der zwar trainierter Kampfsportler ist, aber wenig paddelt, wirkt jetzt doch etwas müde und wirft einen sehnsüchtigen Blick auf die in der Nähe bald nach Korsika ablegende Fähre, ein Ansinnen, das ich natürlich mit puristischer Paddlerehre von uns weisen muss. So geht es wieder in die Boote, zurück durch den Fjord an Luxusyachten, aber offensichtlich auch an Booten von passionierten Skippern vorbei auf´s Mittelmeer hinaus. Der Wind ist jetzt aufgefrischt und kommt mit 3 Bft. aus Nordost und später mit 4 aus Ost, so dass wir in der Straße von Bonifacio eine ganz schöne Drift nach West spüren. So wird die Rückfahrt spürbar anstrengender. Auf halbem Weg tutet uns das Greenpeace-Schiff zu, was wir natürlich als „kollegialen“ Gruß an umweltfreundliche Wassersportler verbuchen.

Ein Gruß vom Greenpeace-Schiff

Langsam nähern wir uns wieder Sardinien, und ich merke, dass wir doch nicht genug vorgehalten haben und eine „Hundekurve“ gefahren sind, so dass wir zum Schluss noch ein anstrengendes Stück ostwärts gegen den Wind bis zur Einfahrt in den Golfo longonsardo paddeln müssen. Nach gut 20 sm sind wir jetzt doch ganz schön erschöpft. Beim Einfahren in den Hafen von Santa Teresa kommt uns zum guten Schluss noch so ein Typ in einer Art Barkasse entgegen und will uns Weis machen, dass hier nur Segler Zufahrt haben. Als unser Hinweis, wir seien ja am Morgen auch hier losgefahren nichts hilft, bieten wir ihm an, Segel zu setzen, worauf er uns mit eindeutigem Zeichen in Ruhe lässt.

Rast mit Blick auf Sardinien Erschöpft, aber zufrieden nach einer tollen Paddeltour zwischen zwei wunderbaren Inseln legen wir an und freuen uns auf unser Belohnungsbier in einer Hafenkneipe.