Überwachung der Spiele · in Deutschland der Prozess gegen ei-nen internationalen Betrügerring....

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I m Frühjahr 2011 endete in Bochum in Deutschland der Prozess gegen ei- nen internationalen Betrügerring. Laut Gericht wurden 47 Fußballspiele in Europa manipuliert, auch Spiele der österreichischen Liga. In Österreich nahm die Polizei auf Betreiben der deutschen Justiz mehrere Hausdurchsuchungen vor. Unter Ver- dacht standen zwei Klubs aus der Stei- ermark und einer aus Wien. Auf drei Spiele des Wiener Klubs sollen unge- wöhnlich hohe Einsätze gesetzt worden sein. Jeweils mehrere Hunderttausend Euro wurden darauf in Asien gesetzt. Bei einer 2:3-Niederlage der Wiener gegen einen Klub aus Vorarlberg wur- de das Siegestor der Vorarlberger bei einem Elfmeter nach einem Handspiel in der 89. Minute erzielt. Nur wenige Minuten bevor der Verteidiger mit der Hand den Ball berührt hatte, waren bei einem asiatischen Wettanbieter große Summen auf ein Tor gegen die Wiener gesetzt worden. Da die Wahrschein- lichkeit sinkt, dass in der letzten Spiel- minute ein Tor fällt, steigt die Quote üblicherweise. Doch bei dem Spiel der Wiener sank die Quote ab der 80. Mi- nute plötzlich. Obwohl nicht bewiesen war, dass es sich um Wettbetrug han- delte, übermittelten die Verantwortli- chen des Klubs und die Bundesliga und der ÖFB den Sachverhalt der Staatsan- waltschaft. Überwachungssystem. Wettmanipu- lation ist eines der schwerwiegendsten Probleme des Sports. Pro Jahr werden bei legalen und illegalen Sportwetten zwischen 300 und 500 Milliarden Euro eingesetzt. Dabei geht es um Beste- chung, Manipulation und Geldwäsche. Drei Viertel der illegalen Wetten erfol- gen auf dem unregulierten asiatischen Markt. Überwachungssysteme sollen helfen, Wettbetrug aufzudecken. Die Firma Sportradar unterstützt seit 2005 den Deutschen Fußballbund (DFB) und die Deutsche Fußballliga (DFL) bei der Aufdeckung und Analyse von möglichen Manipulationen bei Sport- wetten. Die Feststellung von Manipulatio- nen bei Sportwetten ist eines der Standbeine von Sportradar mit Sitz in St. Gallen in der Schweiz und 14 Standorten weltweit. Die Firma sam- melt weltweit Daten von Sport-Wett- kämpfen, bereitet sie auf und verkauft sie an Wettanbieter, Lotterien und Me- dienunternehmen. „Die Daten sind der Rohstoff für die Buchmacher, sie sind Grundlage für Wettangebote und Wett- quoten – teilweise sind das bis zu 5.000 Wetten pro Tag“, sagt Andreas Krannich, Geschäftsführer für strategi- sche Unternehmensentwicklung und Security Services bei Sportradar. Um 15 ÖFFENTLICHE SICHERHEIT 1-2/13 FOTO: REINHARD GERSTORFER WETTBETRUG Wettmanipulationen im Sport nehmen weltweit zu. Überwachungssysteme sollen helfen, Manipulationen zu erkennen. Überwachung der Spiele Die Firma „Sportradar“ hat ein System entwickelt zur Erkennung von Manipulationen bei Sportwetten. Sie bietet auch Aufklärung und Information zur Prävention von Wettbetrug an.

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Page 1: Überwachung der Spiele · in Deutschland der Prozess gegen ei-nen internationalen Betrügerring. Laut Gericht wurden 47 Fußballspiele in Europa manipuliert, auch Spiele der österreichischen

Im Frühjahr 2011 endete in Bochumin Deutschland der Prozess gegen ei-nen internationalen Betrügerring.

Laut Gericht wurden 47 Fußballspielein Europa manipuliert, auch Spiele derösterreichischen Liga. In Österreich nahm die Polizei auf

Betreiben der deutschen Justiz mehrereHausdurchsuchungen vor. Unter Ver-dacht standen zwei Klubs aus der Stei-ermark und einer aus Wien. Auf dreiSpiele des Wiener Klubs sollen unge-wöhnlich hohe Einsätze gesetzt wordensein. Jeweils mehrere HunderttausendEuro wurden darauf in Asien gesetzt.Bei einer 2:3-Niederlage der Wienergegen einen Klub aus Vorarlberg wur-de das Sieges tor der Vorarlberger beieinem Elfmeter nach einem Handspielin der 89. Minute erzielt. Nur wenigeMinuten bevor der Verteidiger mit derHand den Ball berührt hatte, waren beieinem asiatischen Wettanbieter große

Summen auf ein Tor gegen die Wienergesetzt worden. Da die Wahrschein-lichkeit sinkt, dass in der letzten Spiel-minute ein Tor fällt, steigt die Quoteüblicherweise. Doch bei dem Spiel derWiener sank die Quote ab der 80. Mi-nute plötzlich. Obwohl nicht bewiesenwar, dass es sich um Wettbetrug han-delte, übermittelten die Verantwortli-chen des Klubs und die Bundesliga undder ÖFB den Sachverhalt der Staatsan-waltschaft.

Überwachungssystem. Wettmanipu-lation ist eines der schwerwiegendstenProbleme des Sports. Pro Jahr werdenbei legalen und illegalen Sportwettenzwischen 300 und 500 Milliarden Euroeingesetzt. Dabei geht es um Beste-chung, Manipulation und Geldwäsche.Drei Viertel der illegalen Wetten erfol-gen auf dem unregulierten asiatischenMarkt. Überwachungssysteme sollen

helfen, Wettbetrug aufzudecken. DieFirma Sportradar unterstützt seit 2005den Deutschen Fußballbund (DFB)und die Deutsche Fußballliga (DFL)bei der Aufdeckung und Analyse vonmöglichen Manipulationen bei Sport-wetten. Die Feststellung von Manipulatio-

nen bei Sportwetten ist eines derStandbeine von Sportradar mit Sitz inSt. Gallen in der Schweiz und 14Standorten weltweit. Die Firma sam-melt weltweit Daten von Sport-Wett-kämpfen, bereitet sie auf und verkauftsie an Wettanbieter, Lotterien und Me-dienunternehmen. „Die Daten sind derRohstoff für die Buchmacher, sie sindGrundlage für Wettangebote und Wett-quoten – teilweise sind das bis zu5.000 Wetten pro Tag“, sagt AndreasKrannich, Geschäftsführer für strategi-sche Unternehmensentwicklung undSecurity Services bei Sportradar. Um

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Wettmanipulationen im Sport nehmen weltweit zu. Überwachungssysteme sollen helfen, Manipulationen zu erkennen.

Überwachung der Spiele Die Firma „Sportradar“ hat ein System entwickelt zur Erkennung von Manipulationen bei Sportwetten.

Sie bietet auch Aufklärung und Information zur Prävention von Wettbetrug an.

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den Überblick zu behalten und das Ri-siko zu minimieren, sind Tools not-wendig, wie sie Sportradar anbietet. Jegenauer Sportradar die Daten erfasst,desto mehr Wettvarianten kann derBuchmacher anbieten. „Pro Fußballspiel werden bis zu

6.000 Wetten gefiltert“, erklärt Kran-nich. Pro Tag würden 100 MillionenDatensätze von 300 Wettanbietern ver-arbeitet. Fast 4.000 Fernsehsender wür-den verfolgt, zudem „Scouts vor Ort“eingesetzt, wenn ein Spiel nicht über-tragen wird. Spieler und Schiedsrichterwürden erfasst, eventuelle Verbindun-gen untereinander festgestellt. Die Zahlder als manipuliert gemeldeten Partienbewege sich im „Promillebereich“. ProJahr würden 42.000 Spiele beobachtet.

Live-Wetten werden von Wettanbie-tern immer öfter angeboten. Im euro-päischen Markt und bei asiatischenBuchmachern können während desSpiels hohe Wetteinsätze platziert wer-den. Früher konnte nur auf Sieg, Nie-derlage und Unentschieden gewettetwerden. Jetzt sind die absurdestenWetten möglich – auch per Handy.Kriminelle haben das erkannt und sichauf die Sportwetten gestürzt, da diesewenig Risiko und hohe Gewinne be-deuten. Innerhalb kurzer Zeit lässt sichviel Geld umsetzen. Im internationalen Sportwettmarkt

ist auch bei den wettbezogenen Spiel-absprachen eine Verschiebung hin zuLive-Wetten zu verzeichnen. Aus-schlaggebend sind die höheren Einsatz-limits pro Wette und dass Sportorgani-sationen und Strafverfolgungsbehördenbei Live-Wetten nur die Zeit des Spielsbleibt, um zu intervenieren. Bei „Pre-Match-Wetten“, bei denen die Wettenvor Spielbeginn abgegeben werden

müssen, waren verdächtige und nichterklärbare Quotenveränderungen be-reits vor Anpfiff bekannt und Sportver-bände und staatliche Behörden konntenvorab reagieren – etwa mit einem kurz-fristigen Schiedsrichterwechsel. Einevorzeitige Warnung ist bei Live-Wet-ten nicht mehr möglich.

Sportradar reagierte auf die Verla-gerung hin zu Livewetten durch dieWeiterentwicklung des „Early WarningSystems“ zum „Fraud Detection Sys-tem“ (FDS) und setzte das neue Über-wachungs- und Analysesystem erst-mals 2009 ein. Seit Mai 2009 überwacht Sportradar

im Auftrag der UEFA den professio-nellen Fußball in Europa. Über 30.000Wettbewerbsspiele der ersten undzweiten Ligen, Pokalspiele der 53 Mit-gliedsverbände sowie alle Wettbewer-be der UEFA werden systematisch

überwacht – auch die Spiele der öster-reichischen Bundesliga und Ersten Li-ga.

Das Fraud Detection System (FDS)wurde entwickelt, um zeitgleich Quo-ten und ihre Änderungen bei Hunder-ten Buchmachern auf der ganzen Weltzu verfolgen, wichtige Informationenim Sekundentakt auszuwerten und ver-dächtige Quotenverläufe entdecken zukönnen – sowohl vor Spielbeginn (Pre-Match) als auch während des Spiels(live). Das FDS erfasst den Wettmarkt

weltweit: Wettangebote der staatlichenLotterien und Wettbörsen sowie dereuropäischen, amerikanischen undasiatischen Wettanbieter – sei es imstationären Wettgeschäft oder online.Bis zu 6.000 Einzelwetten pro Spielwerden automatisiert erfasst und dieQuotenentwicklungen analysiert. Zudiesen sportwettbezogenen Fakten wer-den alle spielrelevanten Sportdaten undHintergrundinformationen zu den be-teiligten Spielern und/oder Mannschaf-ten analysiert, um die Wahrscheinlich-keit eines Spielbetrugs zu beurteilen. Das FDS-Expertenteam wertet die

Informationen aus. Ziel ist, alle mögli-chen Gründe zu prüfen, die ungewöhn-liche Quotenänderungen erklärbar ma-chen. Das Expertenteam ist zusammen-gesetzt aus erfahrenen Analysten ausallen Bereichen der internationalenWettindustrie. Dadurch profitiert dasSystem vom Expertenwissen europäi-scher Buchmacher, asiatischer Wett-vermittler, Wettbörsen, Spread-Bet-ting-Anbieter (Wetten auf Finanztitel)und Firmen, die selbst aktiv Wettenplatzieren. Mithilfe von komplexen Al-gorithmen werden Auffälligkeiten ge-wichtet und kategorisiert. Das erfolgt

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Bei Live-Wetten ist eine frühzeitige Warnung nicht möglich.

Gegen Korruption im SportÜber 40 Spieler, Funktionäre, Poli-

zeibeamte und Regierungsvertreternahmen im April 2012 in Helsinki aneinem zweitägigen Seminar teil. DieVeranstaltung wurde von Interpol inKooperation mit dem finnischen Fuß-ballverband und der finnischen Polizeiorganisiert. Es war der erste einer Reihe von

Workshops mit dem Ziel, den Verant-wortlichen Einblicke in die Korruption

und kriminellen Machenschaften imFußball zu geben und sie dafür zu sen-sibilisieren. Die Teilnehmer solltenlernen, Manipulationsversuche zu er-kennen, abzuwehren und zu melden.Ein weiterer wichtiger Aspekt der Se-minarreihe ist die Erarbeitung vonVerhaltensmodellen und Verbesse-rungsmöglichkeiten.Interpol hat 2011 die Einheit „Inte-

grity in Sport“ ins Leben gerufen. De-ren Zentrale befindet sich im Interpol-Hauptquartier in Lyon. Dort wurden

Maßnahmen zur Schulung, Weiterbil-dung und Prävention entwickelt. Unteranderem gibt es einen Onlinekurs. Bei der Gestaltung des Onlinekur-

ses wurde vor allem auf die Bedürfnis-se der Fußballer geachtet. Das Haupt-augenmerk liegt auf den persönlichenund beruflichen Risiken der Beteili-gung an jeglicher Form der Korrupti-on.

www.interpol.int/Crime-areas/Cor-ruption/[email protected]

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in Pasching in Oberösterreich, demösterreichischen Standort von Sportra-dar, wo etwa 60 Mitarbeiter, Mathema-tik- und IT-Spezialisten beschäftigtsind. „Wir arbeiten ähnlich einer Bör-senpolizei“, sagt Andreas Krannich.„Jede Auffälligkeit, fragwürdige Quo-tenbewegung oder Nachricht wird ein-gehend geprüft, um ein möglichst kla-res und genaues Abbild der Ereignissewiedergeben zu können.“ Ungewöhnlich starke Quotenände-

rungen werden vom FDS registriert –seien es fragwürdige Quotenbewegun-gen, hohe Wetteinsätze oder eine er-höhte Anzahl von Buchmachern, dieein bestimmtes Spiel aus ihrem Wett-angebot streichen. Die Algorithmen er-fassen starke Quotenbewegungen so-wie Abweichungen von den errechne-ten Quoten von Sportradar. Letzterewerden vor allem in Live-Spielen be-nötigt, für die das FDS alle möglichenSzenarien und abgeleiteten Quotenver-läufe innerhalb eines Spiels vorausbe-rechnet hat.

Alarmsystem. Wird ein Spiel vomFDS als verdächtig kategorisiert, wer-den die FDS-Experten tätig. Sie stufendas Spiel entweder auf Warnstufe 1oder 2 ein. Die erste Warnstufe bedeu-tet, dass es erwiesene Anhaltspunktedafür gibt, dass ein Spiel manipuliertworden sein könnte. Die zweite Warnstufe zeigt an, dass

ein Spiel mit an Sicherheit grenzenderWahrscheinlichkeit manipuliert wurde.Wenn ein Spiel als manipulationsver-dächtig eskalierte, verfasst Sportradarinnerhalb von 48 Stunden nach Spie-lende einen Bericht mit einer Analyseder verdächtigen Quotenbewegungen.Er enthält einen Anhang mit grafischerAufbereitung und Erläuterung allerWarnmeldungen des FDS.

Fraud Scoring Datenbank. Das FDSbeinhaltet eine ständig aktualisierteDatenbank aller Spieler, Trainer undOffizieller, die bereits an irgendeinerArt von Spielbetrug oder auch nur anmanipulationsverdächtigen Spielen be-teiligt waren. Dies ermöglicht es denFDS-Experten, im Einzelfall die vorlie-genden Informationen und Verdachts-momente besser und schneller zu ana-lysieren und zu erkennen, ob hinter denneuerlichen Betrugsverdachtsfällen einalt bekanntes Muster steckt. Oft wech-seln Spieler zwischen verdächtigenVereinen. Regelmäßig ist auch zu be-

obachten, dass verdächtige Spieler zubislang unauffälligen Vereinen wech-seln und kurz darauf auch hier manipu-lationsverdächtige Spiele stattfinden. Egal, wie die Manipulatoren vorge-

hen, sie hinterlassen stets eine Spur desVerdachts, die vom FDS erfasst wirdund beispielsweise an Strafverfol-gungsbehörden weitergeleitet werdenkann. Derzeit verfolgen die FDS-Ex-perten eine große Zahl von verdächti-gen Spielern, die zumeist zwischen ost-europäischen Klubs hin- und herwech-seln.

FDS-Fakten. Parallel zur kontinuier-lichen Fortentwicklung der Wettmarkt-überwachungs- und Analysesysteme istdie Anzahl der von Sportradar erfass-ten und kontrollierten Spiele undSportarten stark gestiegen. Pro Jahrwerden über 42.000 Spiele aus denSportarten Fußball, Tennis, Futsal(Hallenfußball) und Handball im Auf-

trag von Sportorganisationen über-wacht. Dabei hat Sportradar seit Mai2009 über 900 manipulationsverdächti-ge Spiele in verschiedenen Sportartenidentifiziert und zu jedem einzelnen ei-nen detaillierten FDS-Bericht verfasst

Wettmanipulationen nehmen zu.Auch wenn immer neue Fälle in denMedien bekannt werden: Derzeit sindweniger als ein Prozent des europäi-schen professionellen Fußballs als ma-nipulationsverdächtig einzustufen. DasInternet hat es aber für Manipulatoreneinfacher gemacht. Die Anzahl der Wettanbieter ist ge-

nauso gestiegen wie der Umfang derWettangebote, die asiatischen Buchma-cher locken mit hohen Limits und dasmobile Internet hilft dabei, die Wettendirekt vom Rande des Spielfelds aus zuplatzieren. Involviert sind nicht nureinzelne Spieler und Schiedsrichter,sondern vereinzelt komplette Mann-

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Menschen in einem Wettbüro in Hongkong: Asien gilt als Hochburg für Sportwetten.

Meldestelle WettbetrugSeit April 2012 besteht im Büro

3.1 im Bundeskriminalamt in Wiendie zentrale Kontakt- und Meldestelle„Wettbetrug im Sport“. Aufgabe istneben der Informationssammlung und- analyse die Leitung und Koordinie-rung nationaler sowie internationalerErmittlungen. Darüber hinaus bear-beiten die Ermittler Verdachtsmel-

dungen und vertreten Österreich ineinschlägigen Gremien. Zur Wahr-nehmung dieser Aufgaben gehört derKontakt zu nationalen und internatio-nalen Bedarfsträgern in diesem Be-reich – etwa zum BMLVS, zu denSportverbänden und zum ÖFB. Dazukommt der Informationsaustausch mitder FIFA, der UEFA und anderen in-ternationalen Vertretern des Sports.

[email protected]

BUNDE SKR IM INALAMT

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schaften. Die Motivationen der Akteu-re sind so vielschichtig wie die Formender Manipulationen – eine Analyse die-ser kriminellen Machenschaften ist da-her wichtig. Von der Absicherung ei-nes sportlichen Ergebnisses über finan-zielle Beweggründe bis zur Bedrohungund Erpressung. Zudem ist durch die fortschreitende

Kommerzialisierung des Sports derAnreiz zum Betrug gestiegen. In derMilliardenindustrie Sport können ein-zelne Ergebnisse sportliche und wirt-schaftliche Existenzen bestimmen. DieZahl der Manipulationen für Wettge-winne steigt an, nach dem Motto:„Wenn ich das Ergebnis vorher abge-stimmt habe, kann ich darauf wettenund sogar mehr verdienen als mit demErfolg.“ Vor allem in kleineren Ligen,in denen Spieler und Verantwortlichenur schwer von ihrem Einkommen le-ben können, wird dies zunehmend zumProblem. Die „Wett-Mafia“ sucht nach Ab-

stiegskandidaten mit Geldproblemenund platziert dort ihre Spieler. Die Ma-nipulation für Wettgewinne wird dabeinach Aussagen der zuständigen Straf-verfolgungsbehörden immer öfter vonGruppen aus der internationalen orga-nisierten Kriminalität dominiert.In einer Rede vor dem Europarat

sagte UEFA-Präsident Michel Platini:„Es ist wichtig, unsere Mitgliedsstaatendarin zu bestärken, den Sportbetrug zukriminalisieren und sie auf dem uner-lässlichen Weg der Zusammenarbeitzwischen staatlichen Behörden undVerantwortlichen im Sport zu unter-stützen. Das ist eine Frage der Verant-wortung, eine Frage der Ethik, und ei-ne Frage der Gerechtigkeit.“Mitarbeiter von Sportradar unter-

stützten in Abstimmung mit dem DFBund der DFL die StaatsanwaltschaftFrankfurt und die Polizei in den Ver-fahren zu acht nachweislich manipu-lierten Fußballspielen (unter anderemdeutsche Regional- und Oberligen undder österreichischen Bundesliga). Eskam zu mehreren Verurteilungen.

Der Kampf gegen Kriminelle, dieSpiele und Spieler manipulieren, stecktin den Kinderschuhen. Es fehlt nachwie vor eine juristische Basis, um aufinternationaler Ebene gegen Wettbetrugvorzugehen und die zumeist internatio-nal organisierten Banden verfolgen zukönnen. Die Auftraggeber sitzen zu-meist in Asien und verabreden sich mit

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ihren Mittelsmännern über Internettele-fon oder ähnliche Kommunikations-schienen. Diese manipulieren dannSpiele in allen Kategorien. Es gibtkaum Möglichkeiten, Manipulationenzu beweisen, wenn ein Tormann einenBall nicht hält oder wenn ein Abwehr-spieler „versagt“. Außer ein Spielerplaudert es aus oder man kann nachwei-sen, dass ein Spieler, ein Schiedsrichteroder der ganze Verein eine höhereGeldsumme bekommen hat. „Generell sollten Sportwett-Ermitt-

lungen dort ansetzen, wo die Tat be-gangen worden sein könnte und nicht,wo sie vielleicht ausgeführt wurde“,sagt Lawrence Wong von Interpol. Esbestehe kaum die Möglichkeit, asiati-sche Wettagenten zu kontrollieren.Diese Agenten sammeln Einsätze beiKunden und setzen per Kredit. Somitgebe es keine Geldflüsse, die die Poli-zei verfolgen könnte. Es geht nicht im-mer nur um Sieg. Manche Vereinewollen nicht in eine höhere Liga auf-steigen, weil das dem Verein mehrGeld kosten würde. Es gibt auch Fälle,in denen sich Vereine absprechen, werwann die Tabellenspitze einnimmt.

Manipulationsprävention. Sportra-dar bietet Sportorganisationen einFraud Prevention Service (FPS) anund Informationen, die zur Bekämp-fung von Spielbetrug nötig sind. Der„FPS besteht aus Aufklärung und Wei-terbildung bei Problemen von Spielab-sprachen für Verantwortungsträger,der Bewertung von Arbeitsroutinen,Regeln und Abläufen. Das FPS empfiehlt den Sportorgani-

sationen, alle Abläufe zu antizipierenund zu standardisieren, um im Manipu-lationsfall möglichst schnell reagierenzu können. FPS-Experten setzen sichmit Spielern, Trainern, Schiedsrichternund Offiziellen der jeweiligen Ligabzw. des jeweiligen Verbandes zusam-men und erklären, wie Wettmanipula-toren vorgehen und was von den „Ak-teuren“ (z. B. Spieler) dabei erwartetwird. Die Seminare sind auf die jewei-lige Zielgruppe abgestimmt und richtensich auch an Jugendliche und ihre El-tern. Die Lerninhalte gibt es auch inForm eines E-Learning-Programms.Um Sportorganisationen und Strafver-folgungsbehörden im Falle eines Ge-richtsverfahrens bestmöglich unterstüt-zen zu können, hat Sportradar FDS-Ex-perten zu Sachverständigen ausbildenlassen. S. L

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