Offizielles Magazin für die Schiedsrichter - dfb.de · SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2013 5 seitdem die...

36
Offizielles Magazin für die Schiedsrichter im Deutschen Fußball-Bund 4/2013 Juli/August Titelthema Die Premiere am 24. August 1963: Ein großer Tag auch für die Schiedsrichter Theorie und Praxis Elfmeterschießen: Worauf der Unparteiische achten muss Porträt Sabine Rohleder: Starke Hände für die Spielvorbe- reitung Interview Herbert Fandel: Was wir aus der Saison 2012/2013 mitnehmen können Kurt Tschenscher Helmut Fritz Rolf Seekamp Walter Zimmermann Gerhard Schulenburg Rudolf Kreitlein Johannes Malka Alfred Ott

Transcript of Offizielles Magazin für die Schiedsrichter - dfb.de · SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2013 5 seitdem die...

Page 1: Offizielles Magazin für die Schiedsrichter - dfb.de · SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2013 5 seitdem die Fußball-Fans – und nicht nur sie – in ihren Bann zieht. Acht“, die am Premieren-Spieltag

Offizielles Magazin für die Schiedsrichter im Deutschen Fußball-Bund

4/2013Juli/August

Titelthema

Die Premiere am 24. August 1963:Ein großer Tagauch für die Schiedsrichter

Theorie und Praxis

Elfmeterschießen:Worauf derUnparteiischeachten muss

Porträt

Sabine Rohleder: Starke Hände für die Spielvorbe-reitung

Interview

Herbert Fandel:Was wir aus der Saison 2012/2013 mitnehmen können

Kurt Tschenscher

Helmut Fritz

Rolf Seekamp Walter ZimmermannGerhard Schulenburg

Rudolf Kreitlein

Johannes Malka

Alfred Ott

Page 2: Offizielles Magazin für die Schiedsrichter - dfb.de · SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2013 5 seitdem die Fußball-Fans – und nicht nur sie – in ihren Bann zieht. Acht“, die am Premieren-Spieltag
Page 3: Offizielles Magazin für die Schiedsrichter - dfb.de · SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2013 5 seitdem die Fußball-Fans – und nicht nur sie – in ihren Bann zieht. Acht“, die am Premieren-Spieltag

3S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 3Dieser Ausgabe ist ein Prospekt der Firma Allzweck-Sportartikel beigeheftet. Wir empfehlen, zur Durchsicht diesen Teil herauszunehmen.

Editorial Inhalt

Liebe Leserinnen und Leser,

mit bemerkenswert guten Leistungen brachtenunsere Schiedsrichter im Profifußball die Sai-son 2012/2013 zu Ende. Wie immer spitzte sichgerade am Ende der Spielzeit die Situation fürviele Klubs noch einmal dramatisch zu. So wer-den Jahr für Jahr die letzten Spiele zu allesentscheidenden Partien, obwohl eigentlichMonate vorher die wichtigen Schritte um Meis -terschaft, Abstieg und um die Qualifikation fürdie internationalen Wettbewerbe hätten getanwerden können.

Die Schiedsrichter geraten aus diesem Grund inder Endphase einer Saison unter ganz besonde-ren Druck. Jede Entscheidung ist von immenserBedeutung. Spieler und Trainer sind besondersemotionalisiert.

Umso schöner ist, dass gerade am letzten Spiel-tag unsere Unparteiischen in der Elite sehr kon-zentriert und professionell agierten. Eine derletzten Entscheidungen der gesamten Saisongeriet dabei in der Nachspielzeit der bedeutsa-men Partie zwischen Borussia Dortmund und1899 Hoffenheim besonders in den Fokus.

Der Ausgleich für Dortmund hätte für Hoffen-heim den Abstieg bedeutet. In dieser hitzigenAtmos phäre behielt Dr. Jochen Drees mit sei-nem Team die notwendige Ruhe und Übersicht.Ohne zu zögern entschied er nach einer kurzenAbsprache mit seinem Assistenten BenjaminBrand regeltechnisch einwandfrei auf Abseits.Ein Moment, der eindrucksvoll zeigte, wieschwierig oftmals eine korrekte Entscheidungs-findung für uns Schiedsrichter sein kann.

Insgesamt agierten die Schiedsrichter aufhohem Niveau, und gerade wenn unsere Spielerund Trainer einen Blick über die Landesgrenzenhinaus werfen, werden sie sehr schnell erken-nen, dass unsere Schiedsrichter zweifellos zuden Besten gehören.

Bemerkenswert war auch das Ergebnis derGespräche zwischen unserem Präsidenten Wolf-gang Niersbach, Generalsekretär Helmut Sand-rock, Vizepräsident Karl Rothmund und dem Sprecherrat der Elite-Schiedsrichter mit FlorianMeyer, Deniz Aytekin und Wolfgang Stark.

Im Zuge der Professionalisierung des Schieds-richter-Bereichs im deutschen Fußball spielteeine angemessene finanzielle Absicherung derSchiedsrichter in der Spitze neben der perso-nellen und inhaltlichen Modernisierung eben-falls eine wichtige Rolle.

Unsere Elite – einganz starkes Team

Herbert Fandel, Vorsitzender der DFB-Schiedsrichter-Kommission.

Für unsere Schiedsrichter war es dabei schönzu sehen, dass der DFB und die jetzt handeln-den Personen die Elite-Schiedsrichter als 19. Team der Bundesliga verstehen und wert-schätzen.

Diese Unparteiischen müssen den hohen Anfor-derungen des modernen Fußballs in einer derstärksten Fußball-Nationen der Welt gerechtwerden. Dass hierzu auch eine vernünftige undangemessene Absicherung gehört, um sich die-sen Anforderungen in vollem Umfang stellen zu

können, war für den genannten Personenkreisvon Anfang an selbstverständlich.

Apropos DFB-Präsident: Wolfgang Niersbachwurde in das Exekutivkomitee der UEFAgewählt. Ich wünsche ihm im Namen allerSchiedsrichter für seine neue Aufgabe an die-ser Stelle viel Glück und Erfolg.

Bemerkenswerten Erfolg hatten auch unsereinternationalen Schiedsrichter in ihren teilsschwierigen Spielleitungen. Die Nominierungvon Dr. Felix Brych zum Confederations Cup inBrasilien zeigt einmal mehr den hohen Stellen-wert des deutschen Schiedsrichter-Wesens aufinternationalem Terrain.

Zu dieser Nominierung und zur Wahl zum„Schiedsrichter des Jahres“ durch die DFB-Schiedsrichter-Kommission gratuliere ich FelixBrych hier ebenso sehr herzlich wie Dr. RiemHussein zur gleichen Wahl bei den Schiedsrich-terinnen. Dass Bibiana Steinhaus für die Frauen-EM in Schweden nominiert wurde, rundet dasinsgesamt sehr erfreuliche und positiveGesamtbild der Schiedsrichter am Ende der Sai-son ab.

Allen Kolleginnen und Kollegen, von der Bundes -liga bis zu den Kreisklassen, danke ich herzlichfür ihren Einsatz in der abgelaufenen Spielzeitund wünsche ihnen in der nun folgenden Som-merpause eine schöne und erholsame Zeit.

Ihr Herbert Fandel

TitelthemaAuftakt für eine neue Schiedsrichter-ÄraWelche Unparteiischen vor 50 Jahren die Bundesliga anpfiffen 4

Panorama 9

Gespräch„Es fängt an, Spaß zu machen“Wie die Saison-Bilanz des Kommissions-Vorsitzenden ausfällt 12

LehrwesenSpielentscheidungam Strafstoßpunkt Worauf Schiedsrichter beim Elfmeterschießen achten müssen 16

Regel-TestBehandlung auf dem Spielfeld 19

AnalyseRegeln einheitlich auslegen Lehrreiche Szenen aus der Bundesliga 21

AußenansichtDer „Pfiff des Jahres“ 26

Blick in die Presse 27

PorträtDie starke Hand der SchiedsrichterWie Physiotherapeutin Sabine Rohleder im Stadion arbeitet 28

Aus den Verbänden 32

Vorschau 5/2013 34

Page 4: Offizielles Magazin für die Schiedsrichter - dfb.de · SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2013 5 seitdem die Fußball-Fans – und nicht nur sie – in ihren Bann zieht. Acht“, die am Premieren-Spieltag

4 S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 3

Titelthema

Am 24. August 1963 pfiffen acht Unparteiische die ersten Spiele einer neuen bundesweiten Liga an, dieZum Jubiläum hat sich Lutz Lüttig 50 Jahre später auf Spurensuche begeben: Wer waren diese „erstenBundesliga-Schiedsrichter nennen durften?

Auftakt für eine neue S

Der Start am 24. August 1963: Preußen Münster gegen den Hamburger SV. Schiedsrichter Kurt Tschenscher mit seinen Linien-richtern Rudolf Eisemann (links) und Heinz Siebert. Ganz links: Dieter Seeler (HSV), ganz rechts: Helmut Tybussek.

Kurt Tschenscher ist ein tem-peramentvoller Erzähler miteinem glänzenden Gedächtnis.

Die Hunde müssen hier aberweg“, sagte Heinz Siebert zu

Kurt Tschenscher. Der Linienrichterhatte seinen Chef zu sich gewun-ken, als der gerade das Bundesliga-Spiel Preußen Münster gegen denHamburger SV anpfeifen wollte.

Siebert war gar nicht wohl in sei-ner Haut. Die Zuschauer im aus -verkauften Preußen-Stadion stan-den bis einen Meter an den Spiel-feldrand, zwischen ihnen Ordnermit Schäferhunden. „Was meinstdu, was die Hunde machen, wennich hier losrenne?“, habe Siebertihn damals gefragt, erzählt KurtTschenscher.

Der FIFA-Schiedsrichter sorgtedafür, dass die Hunde zurückgezo-

gen wurden und das Spiel begin-nen konnte. „Die Zuschauer warenbei aller Begeisterung für ihreMannschaft dennoch sehr diszipli-niert“, erinnert sich Tschenscherund lächelt: „Heute wäre das völligunvorstellbar.“

In der Vereinschronik des SC Preu-ßen Münster heißt es über diesen24. August 1963: „Mit großer Begeis -terung fieberte die ganze Regionauf den Start des neuen Profifuß-balls hin. Und als am ersten Spiel-tag der Hamburger SV mit UweSeeler seine Visitenkarte abgab,platzte das Stadion schon ausallen Nähten. Exakte Zuschauer-zahlen existieren nicht, sie gehenvon 30.000 bis 40.000 munterdurcheinander. Genau hättedamals ohnehin niemand zählenkönnen: Zuschauer drängten sichauf der Laufbahn, kletterten aufBäume und Zäune!“

Die Bundesliga hatte begonnen…

***

13 Monate zuvor, am 28. Juli 1962,beschloss der DFB-Bundestag imGoldsaal der Dortmunder Westfa-lenhalle mit 103 zu 26 Stimmen dieEinführung dieser neuen Spielklasse.Endlich hatte auch die Bundesre-publik eine landesweite Liga, wiesie in anderen europäischen Län-dern längst üblich war. Einer derwichtigsten Befürworter warBundestrainer Sepp Herberger, dersich von der Konzentration der 16besten Mannschaften eine Hebungdes Spielniveaus und damit eineStärkung der Nationalmannschafterhoffte.

„Kicker“-Chefredakteur Dr. Friede-bert Becker schrieb damals: „Wirglauben also an neue mächtigeImpulse, die nicht nur auf den

Page 5: Offizielles Magazin für die Schiedsrichter - dfb.de · SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2013 5 seitdem die Fußball-Fans – und nicht nur sie – in ihren Bann zieht. Acht“, die am Premieren-Spieltag

5S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 3

seitdem die Fußball-Fans – und nicht nur sie – in ihren Bann zieht. Acht“, die am Premieren-Spieltag angesetzt waren und sich fortan

chiedsrichter-Ära

1966: Schiedsrichter Alfred Ott führt mit seinen Linienrich-tern Günter Linn (rechts) und Volker Huster die Spieler vonBorussia Dortmund und 1860 München aufs Feld.

Alfred Ott und Schalkes Torwart Norbert Nigbur.

Spieleifer der Jugend, sondernauch auf die Neugier und Teil -nahme der Zuschauer einwirkenwerden.“ Er sollte – zumindestzunächst – Recht behalten: Insge-samt waren nach offiziellen DFB-Angaben 292.000 Fußball-Anhän-ger in den acht Stadien, einSchnitt von 36.500. Mit einem 4:1-Sieg beim Karlsruher SC wurdeder Duisburger StadtteilvereinMeidericher SV erster Tabellenfüh-rer der Bundes liga-Geschichte.

Das Interesse war also da, manmusste es nicht durch einewochenlange Medienkampagnewecken, es gab keine bombasti-sche Eröffnungsfeier mit Live-Ticker, keine Sondersendungen im TV oder gar Live-Übertragun-gen. „Die Bundesliga fing einfachso an“, erzählt Kurt Tschenscher.In allen acht Stadien war um 17 UhrAnpfiff.

Aber natürlich war es auch für dieSchiedsrichter eine besondereSituation, auch für sie begann eine neue Ära. Bisher war der

Deutsche Meister in einer Endrundeder besten Teams aus fünf Ober -ligen ermittelt worden, das letzteEndspiel (Borussia Dortmund – 1. FC Köln 3:1) hatte am 29. Juni1963 Kurt Tschenscher geleitet.Jetzt trafen die Top-Teams ausden einzelnen Regionen an jedemSpieltag aufeinander, es war sozu-sagen jede Woche „Endrunde“.

Tschenscher: „Natürlich war es füruns eine spannende Frage: Werbekommt die ersten Spiele?“Zuständig für die Ansetzungen warDegenhard Wolf. Der Rheinländeraus Köln leitete den DFB-Schieds-richter-Ausschuss seit 1953, an sei-ner Seite Carl Koppehel. Der Berli-ner war schon seit Mitte der 20er-Jahre in den verschiedenstenFunktionen des Schiedsrichter-Wesens tätig (unter anderem„erfand“ er die Schiedsrichter-Zei-tung). Den Ausschuss ergänztendie Schiedsrichter-Obleute derRegionalverbände.

Für 1962/1963, also die letzte Sai-son vor dem Bundesliga-Start,waren dem DFB für seine überre-gionalen Wettbewerbe von denLandesverbänden 66 Schiedsrich-ter gemeldet worden. Sie wurdeneingeteilt in Gruppe A (38 Schieds-richter) und Gruppe B (28). Wolfsagte in einem Interview vor demSaisonstart 1962: „In diesem Jahrwerden sämtliche Schiedsrichterbei allen Spielen von neutralenPersonen, die weder dem Spiel-noch dem Schiedsrichter-Aus-

schuss angehören, aber erfahrenePraktiker sind, beobachtet.“ DieErgebnisse der Beobachtungsbö-gen wurden dann als entschei -dende Grundlage für die Berufungals Schiedsrichter zur erstenBundes liga-Saison genommen.

Anfang Januar 1963 schlug Wolfdem dafür zuständigen Spielaus-schuss des DFB vor, dass rund 90Unparteiische als Schieds- undLinienrichter in der Bundesligazum Einsatz kommen sollten. WalterBaresel, damals Vorsitzender desneu gegründeten Bundesliga-Aus-schusses (später Liga-Ausschuss),schien das etwas zu viel zu sein.Er meinte, die Schiedsrichter müssten mindestens zweimal proMonat zum Einsatz kommen, andereforderten sogar drei Spiele proMonat, um „eine wirkliche Auswahlzu erzielen“, wie es im Sitzungs-protokoll heißt.

In der entscheidenden Bespre-chung am 20. April setzte Wolf sichdurch. Auf der Liste der Unpartei -ischen für die erste Bundesliga-Saison erschienen letztlich 79Namen. 38 von ihnen kamen in den 241 Spielen der 16 Vereineumfassenden Liga als Schiedsrich-ter zum Einsatz (siehe Liste aufSeite 7), alle anderen als Linien-richter. Auch unter diesen „Hel-fern“ finden sich viele Unpartei -ische, die sich später selbst einenNamen als FIFA-Schiedsrichtergemacht haben. Zum Beispiel Fer-dinand Biwersi (damals 29 Jahre),Gerd Hennig (28), Walter Horst-mann (27), Günter Linn (28) undKlaus Ohmsen (27).

Denn an den Linien standen damalsnoch keine Spezialisten, wie esheute der Fall ist, sondern Unpartei-ische, die auch „winkten“. Innerhalbvieler Bundesliga-Gespanne wurdeabgewechselt. So leitete Rolf See-kamp, einer der „ersten Acht“, Spielemit seinem Bremer Landsmann Her-bert Lutz. Im Oktober 1963 winkteSeekamp bei Lutz im Spiel Hambur-

Page 6: Offizielles Magazin für die Schiedsrichter - dfb.de · SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2013 5 seitdem die Fußball-Fans – und nicht nur sie – in ihren Bann zieht. Acht“, die am Premieren-Spieltag

6 S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 3

Titelthema

ALFRED OTT

SV Werder Bremen – Borussia Dortmund 3:2Linienrichter: Max Spinnler (Mainz), Günter Linn (Altendiez)

Geboren: 19. Juni 1934

Beruf: Sachbearbeiter Krankenkasse

Heimatort: Rheinbrohl

Verein: SSV Bad Hönningen

DM-Endrundenspiele: 6

Bundesligaspiele: 80 (1963 – 1970)

FIFA: 1968 - 1970

KURT TSCHENSCHER

Preußen Münster – Hamburger SV 1:1Linienrichter:Heinz Siebert (Mannheim),Rudolf Eisemann (Heidelberg)

Geboren: 5. Oktober 1928

Beruf: stellvertretender Sportamtsleiter

Heimatort: Mannheim

Verein: VfL Neckarau

DM-Endrundenspiele: 10

DM-Endspiel: 1963 (BorussiaDortmund – 1. FC Köln 3:1)

Bundesligaspiele: 126 (1963 – 1974)

Pokalfinale: 1973 Borussia Mönchengladbach – 1. FC Köln2:1 n.V.

FIFA: 1958 – 1975 (WM-Teilnah-men 1966, 1970, 1974)

ger SV gegen Eintracht Braun-schweig, im März 1964 stand dannim Rückspiel Herbert Lutz an derLinie bei Rolf Seekamp.

***

Tschenschers Spiel in Münster endete nach einem verwandeltenHand elfmeter und dem Ausgleichdes HSV in der 86. Minute 1:1. Der„Kicker“ schrieb am Montag: „Dasspannende, kampfstarke Spielwurde von dem MannheimerSchiedsrichter-Gespann Tschen-scher, Siebert, Eisemann ausge-zeichnet geleitet.“

Für Kurt Tschenscher war dieAnsetzung am allerersten Spieltagder Bundesliga das erste seiner126 Spiele in dieser Liga und einervon vielen Höhepunkten seiner bisheute unerreichten Schiedsrichter-Karriere: drei Weltmeisterschafts-teilnahmen (1966, 1970, 1974), dieEM 1968, 119 internationale Anset-zungen (davon 41 A-Länderspiele),die Endspiele im Europapokal derLandesmeister (1967) und derPokalsieger (1962), das DFB-Pokal -endspiel 1973 und das schonerwähnte letzte Endspiel um dieDeutsche Meisterschaft 1963. Alleskann man hier gar nicht aufzählen(mehr über Kurt Tschenscher inden Ausgaben der DFB-Schieds-richter-Zeitung Nr. 6/2008 und Nr. 2/2009).

Nach Erreichen der Altersgrenze1975 diente Kurt Tschenscher dem

Fußball mit seiner großen Erfah-rung weitere 20 Jahre lang inhohen Funktionärs-Positionen, alsSchiedsrichter-Beobachter und -Ausbilder. Anfang Oktober wird er85 Jahre alt. Und schaut nach wievor mit heißem Herzen alle Spieleim TV. Dabei freut er sich überstarke Schiedsrichter-Leistungen,übt aber auch Kritik, wenn einSchiedsrichter ihm zu nachsichtigerscheint. „Meine Frau muss michmanchmal ein wenig bremsen“,lacht der temperamentvolleTschenscher, für den ganzbesonders der Spruch gilt: einmalSchiedsrichter, immer Schieds -richter.

***

Ähnlich wie in Münster erreichteden Schiedsrichter des Spiels SV Werder Bremen gegen BorussiaDortmund kurz vor Spielbeginn einZuruf: „Kommen Sie, meine Herren,die Spieler stehen schon alle imGang.“ Gemeint waren Schiedsrich-ter Alfred Ott und seine Linienrich-ter Max Spinnler und Günter Linn.Die Aufforderung kam von WalterBaresel, damals Spielleiter derBundesliga und eigens zum Startaus seiner Heimatstadt Hamburgangereist.

Ohne es zu ahnen, schuf der über-pünktliche Hanseat damit ein Kurio-sum, wie Günter Linn heute erzählt:„Es war ja nicht mal eine Minutevergangen, als der Konietzka das1:0 für Dortmund schoss. Und die

Stadionuhr zeigte doch erst 16.59 Uhr! Es war also eigentlicheine Minute vor Spielbeginn. Aberdas habe ich erst am Montag mitbe-kommen, weil der Weser-Kurier dasFoto mit der Uhr ganz groß aufSeite 1 hatte.“ Linn hatte als Postbe-amter in seinem Heimatort Alten-diez Zugang zur Zeitungsstelle undsich dort die Bremer Tageszeitungangeschaut. Schnell mal ins Inter-net zu schauen, war ja noch nichtmöglich.

Günter Linn, damals 28, war zur Saison 1963/1964 von seinemObmann Eugen Dinger auf die B-Liste des DFB gemeldet worden.

Er kam eigentlich aus der 2. LigaSüdwest, hatte nur ganz am Schlusseinige Spiele in der Oberliga Süd-west gepfiffen. Linn: „Das gingdamals ganz rasch, plötzlich warich Linienrichter in der Bundesliga!“

Noch steiler verlief die Karriereseines „Gespannführers“, wie mandamals sagte: Alfred Ott war erst25 Jahre alt, als er im Mai 1960sein erstes Endrundenspiel um dieDeutsche Meisterschaft pfiff (Tas-mania 1900 Berlin – SV Werder Bre-men). Dass der junge Mann nuneiner der ersten acht Bundesliga-Schiedsrichter war, schien da nurfolgerichtig. Er war der Jüngstevon ihnen. Das schien einem Statis -tiker so unglaubhaft zu sein, dassdas Geburtsjahr von Ott bei Wiki-pedia (und damit fast überallsonst) mit 1924 statt 1934 angege-ben wird.

Die drei Südwestler Ott (Rhein-brohl), Spinnler (Mainz) und Linn(Altendiez) hatten sich am Freitagin Koblenz getroffen, denn vonAnfang an reisten die Schiedsrich-ter in der Bundesliga am Vortagdes Spiels an. Sie fuhren von dortmit dem Zug nach Bremen, dasAuto oder ein Flugzeug (AusnahmeBerlin) zu nehmen, kam noch nichtin Frage. Sie waren im Hotel „ZurPost“ untergebracht, das jahrzehn-telang das Schiedsrichter-Hotel inBremen blieb.

Schneidermeister Kreitleinließ sich den Stoff schicken –und nähte seine Trikotsselbst.

Rudolf Kreitlein – ein Mann für schwierige Spiele, zum Beispieldas bayerisch-fränkische Derby 1860 München gegen den 1. FC Nürnberg.

Page 7: Offizielles Magazin für die Schiedsrichter - dfb.de · SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2013 5 seitdem die Fußball-Fans – und nicht nur sie – in ihren Bann zieht. Acht“, die am Premieren-Spieltag

7S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 3

ROLF SEEKAMP

Hertha BSC Berlin– 1. FC Nürnberg 1:1Linienrichter: Elmar Schäfer (Buchholz), Karl-Heinz Mailand (Bremen)

Geboren: 16. September 1921

Beruf: Versicherungskaufmann

Heimatort: Bremen

Verein: TSV Lesum-Burgdamm

DM-Endrundenspiele: 1

Bundesligaspiele: 26 (1963 – 1968)

Pokalfinale: 1962 1. FC Nürnberg – FortunaDüsseldorf 2:1 n.V.

RUDOLF KREITLEIN ✝

1. FC Saarbrücken – 1. FC Köln 0:2Linienrichter: Ernst Schmid (Stuttgart), Fritz Seiler (Schmiden)

Geboren: 14. November 1919

Gestorben: 31. Juli 2012

Beruf: Schneidermeister

Heimatort: Stuttgart

Verein: Stuttgarter Kickers

DM-Endrundenspiele: 7

Bundesligaspiele: 66 (1963 – 1969)

Pokalfinale: 1963 Hamburger SV – Borussia Dortmund (3:0)

FIFA: 1962 – 1967 (WM 1966)

Das Spiel im Weserstadion verliefbis auf das schnelle Tor zum 0:1unspektakulär, Werder gewannletztlich 3:2.

Günter Linn: „Nach dem Spielwaren wir zum Essen eingeladen.Dabei war auch Herbert Lutz, derSchiedsrichter aus Bremen, deruns noch zu sich nach Hause ein-lud.“ Bei Lutz, der 14 Tage spätersein erstes Bundesligaspiel leitete,

wurde dann die Berichterstattungüber den ersten Bundesliga-Spiel-tag angeschaut. Die „ARD-Sport-schau“ gab es noch nicht, aber das„Aktuelle Sportstudio“ hatte genauwie die Bundesliga an diesem Tagseine Premiere.

Die Karriere von Alfred Ott liefindes weiter wie auf Schienen –jedenfalls zunächst. Immer war erin der Spitzengruppe der deut-

Sie leiteten die Spiele derersten Bundesliga-Saison

38 Schiedsrichterfür 241 Spiele

Rudolf Kreitlein 13Alfred Ott 11Gerhard Schulenburg 11Günther Sparing 11Edgar Deuschel 10Kurt Tschenscher 10Walter Zimmermann 10Helmut Fritz 9Kurt Handwerker 9Herbert Lutz 8Johannes Malka 8Karl Niemeyer 8Karl Riegg 8Fritz Schörnich 8Werner Treichel 8Hans-Joachim Weyland 8Günther Baumgärtel 7Heinz Fischer 7Oswald Fritz 7Rudibert Jacobi 7Horst Mathieu 6Willi Thier 6Gerhard Pooch 5Ewald Regely 5Werner Spiewak 5Erwin Sturm 5Josef Kandlbinder 4Berthold Schmidt 4Alfons Betz 3Willi Gusenburger 3Fritz Leidag 3Rolf Seekamp 3Max Spinnler 3Alois Wieser 3Erich Reil 2Karl-Heinz Fork 1Josef Hager 1Josef Hoffmann 1

*Das Spiel Hamburger SV –Borussia Dortmund wurde von Günther Sparing in der 61. Minute wegen Nebels abge-brochen. Das Wiederholungs-spiel leitete Helmut Fritz.

schen Top-Schiedsrichter, abzule-sen an der Anzahl der Spiele proSaison, für die ihn Degenhard Wolfansetzte. 34-jährig wurde er 1968vom DFB für internationale Spielegemeldet.

Günter Linn: „Alfred war sehr ehr-geizig und hatte, wie die meistenvon uns, vieles der Schiedsrichte-rei geopfert und untergeordnet.“Ott musste 1970 in der Sommer-pause am Magen operiert werden,hatte sich aber zum Septembergesund gemeldet und vier Bundes-ligaspiele gepfiffen, als im Novem-ber der alljährliche DFB-Lehrganganstand. Er brachte ein Attest mitzur Leistungsprüfung, auf dem ihmsein Arzt bescheinigte, einer Dau-erbelastung wie dem geforderten6.000-Meter-Lauf noch nichtgewachsen zu sein.

Otts Argumentation, er könnedoch, wie geschehen, trotzdemBundesligaspiele leiten, weil dieseArt Belastung darin nicht vorkäme,wollte Degenhard Wolf nicht fol-gen. Der erzürnte Schiedsrichter-Chef sagte Ott, dass er erst nachAbsolvierung der gesamten Leis -tungsprüfung weitere Spiele bekäme. Jetzt wurde Ott wütend,ging schnurstracks in die Kabine,holte seine Sachen und reiste ohneVerabschiedung nach Hause. SeineKarriere war beendet – mit 36 Jah-ren.

Noch einmal Günter Linn: „Es warwirklich schade um Alfred. Ichhabe ihm später als Obmann einigeMale angeboten, wenigstens alsBeobachter wieder mitzumachen.Aber er wollte damit nichts mehrzu tun haben.“

Dass Otts letztes, sein 80. Bundes-ligaspiel, ausgerechnet BorussiaDortmund gegen SV Werder Bre-men hieß, die Umkehrung seinesersten Spiels also, ist eine der klei-nen Geschichten, die der Fußballimmer wieder schreibt.

***

Fast 15 Jahre älter als Alfred Ottwar Rudolf Kreitlein, als er 43-jäh-rig das Bundesligaspiel 1. FC Saar-brücken gegen den 1. FC Köln

anpfiff, 65 weitere sollten bis zumKarriere-Ende folgen.

Geboren 1919 in Fürth, legte er 1937seine Schiedsrichter-Prüfung ab.Als Kriegsgefangener geriet er indie USA und organisierte dort als-bald Spiele zwischen den Lager-

Bundesliga-Auftakt im Olympiastadion: Hertha BSC Berlin(rechts Helmut Faeder) gegen den 1. FC Nürnberg (mit Ferdi-nand Wenauer). Schiedsrichter Rolf Seekamp (Bremen) ist mitseinen Linienrichtern Elmar Schäfer (links) und Karl-HeinzMailand bereit zur Seitenwahl.

*

*

Page 8: Offizielles Magazin für die Schiedsrichter - dfb.de · SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2013 5 seitdem die Fußball-Fans – und nicht nur sie – in ihren Bann zieht. Acht“, die am Premieren-Spieltag

8 S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 3

Titelthema

mannschaften, bildete Schieds-richter aus und leitete dort bis zuseiner Rückkehr nach Deutschland1946 rund 160 Spiele.

1949 bekam der talentierte Fuß-ballspieler einen Vertrag beimStuttgarter SC (zweithöchste Spiel-klasse) und machte sich gleichzei-tig als Schneidermeister selbst-ständig. Zwei Jahre später war derMeniskus hin, sodass er seine Spie-lerkarriere aufgeben musste und

sich wieder der Schiedsrichtereizuwandte. Schnell stieg Kreitlein indie Oberliga Süd auf und leitete1956 seine ersten Spiele um dieDeutsche Meisterschaft. Sein Wegin die deutsche Spitze und zur FIFAwar vorgezeichnet.

Weltberühmt im Fußball wurde dertapfere Schneider aus Stuttgart,als er bei der WM 1966 im Viertelfi-nale zwischen Gastgeber Englandund Argentinien, einem Spiel vonallerhöchster Brisanz, den argenti-nischen Kapitän Antonio Rattinvom Platz stellen wollte. Dasgelang ihm aber erst nach siebenMinuten, denn der Südamerikanertat so, als ob er Kreitleins eindeutigeGesten nicht verstand. Letztlichwurde Rattin von „Bobbys“, engli-schen Polizisten also, vom Platzgeführt.

Als Kreitlein nach dem Spiel mitKen Aston, einem ehemaligenenglischen FIFA-Schiedsrichter, insein Hotel zurückfuhr, unterhieltensich die beiden natürlich über denFeldverweis und die Schwierigkeit,sich dem Spieler gegenüber ver-

ständlich zu machen. Und sie spra-chen auch über die Ampeln in Lon-dons Straßen, die ständig „Rot“ zusein schienen. Dabei kam den bei-den Spitzen-Schiedsrichtern eineIdee, die auch heute noch ihre Aus-wirkung auf den Fußball hat: Sieerfanden die Gelben und RotenKarten analog zu den Zeichen derVerkehrsampeln. „Gelb“ gleich Ver-warnung und „Rot“ gleich Feldver-weis.

Vier Jahre dauerte es von der Ideebis zur Einführung: Bei der WM1970 wurde die erste Gelbe Karteder Fußball-Geschichte gezeigt –von Kurt Tschenscher, der dasEröffnungsspiel Mexiko gegen dieUdSSR leitete.

Rudolf Kreitlein, 1988 mit demBundesverdienstkreuz ausgezeich-net, starb am 31. Juli 2012 im Altervon 92 Jahren in Stuttgart.

***

Als Rolf Seekamp das Spiel HerthaBSC Berlin gegen den 1. FC Nürn-berg anpfiff, füllten 60.000Zuschauer das Berliner Olympia-stadion, Rekord an diesem erstenSpieltag der Bundesliga. Bei denBerlinern spielte ein eisenharterVerteidiger mit, der später in See-kamps Heimatstadt Bremen eineherausragende Rolle im Fußballspielen sollte. Aber das ahnte andiesem 24. August 1963 noch nie-mand, auch nicht Otto Rehhagel,um den es sich handelte.

Die Nürnberger traten mit dem54er-Weltmeister Max Morlock an,der das 1:0 für seinen Club erzielte,aber auch das Handspiel beging,in dessen Folge Hans-GünterSchimmöller per Strafstoß zum1:1-Endstand ausglich.

Über die Leistung von Rolf See-kamp und seinen LinienrichternElmar Schäfer und Karl-HeinzMailand findet man in den ein-

schlägigen Quellenkeine Äußerungen, was man ja immer alsgutes Zeichen wertendarf. Seekamp warschon seit 1949 Lehr-wart im Bezirk Bre-men Nord. EineFunktion, die ersagenhafte 41 Jahrelang aus übte unddie dann 1990 seinSohn Volker über-nahm.

Der Bezug zumFußball aber blieb.

Als Rolf Seekamp vor zwei Jahren90 Jahre alt wurde, erzählte erdem Bremer Journalis ten OlafSchnell, dass er immer noch dieSpiele seines Vereins, des TSVLesum-Burgdamm, besuche.

Mit 26 Jahren wurde er 1947Schiedsrichter und hatte 1953den Aufstieg in die Oberliga Nord,die damals höchste Spielklasse,geschafft. Fast zeitgleich über-nahm er das Geschäft seinesVaters (Versicherungs-Vertretun-gen und Zigarren-Großhandel).Der Abiturient (1940) spielteselbst Fußball, gab das aber auf,als die Schiedsrichter-Karriere inSchwung kam.

Als letztes Spiel seiner Schieds-richter-Karriere leitete Seekampam 29. Juni 1968 in Bochum dasFinale um die Deutsche Amateur-Meisterschaft zwischen dem VfB Remscheid und Wacker Mün-chen (5:3 n.V.). Dieser Titel wurdebis 1998 unterhalb des Profifuß-balls ausgespielt, wobei es auchfür gestandene Bundesliga-Schiedsrichter durchaus eineEhre war, für dieses Finale nomi-niert zu werden.

Ausriss aus dem Original-Programmheft

vom 24. August 1963.

Gern blättert Rolf Seekampin seinen Fußball-„Schätzen“.

Anfang September 1968 erhieltRolf Seekamp dann das offizielleDank-Schreiben, das der DFB anseine Schiedsrichter zu schickenpflegte. Es hieß darin: „Als kleinesAndenken an Ihre Schiedsrichter-Tätigkeit im DFB dürfen wir Ihnenanbei ein Geschenk in Form vonManschetten-Knöpfen sowie einenUller zugehen lassen.“ Uller? Daswar ein Schlüsselanhänger, abge-leitet von einem runden Talisman,den man an einer Trachten-Leder-hose trägt.

Zur offiziellen Verabschiedungwurde der Bremer im Novembereingeladen. Traditionell erfolgtesie – und erfolgt sie noch heute –

zum nächsten Lehrgang derBundesliga-Schiedsrichter. Ermöge sich doch bitte „am Freitag,dem 6. November 1970, gegen 20 Uhr, zum Kameradschaftsabendin der Bibliothek der SportschuleHennef“ einfinden.

Dort überreichte ihm Obmann Degen-hard Wolf die DFB-Verdienstnadel.

Rolf Seekamp lebt in Bremen undwird am 16. September 92 Jahrealt. ■

In der nächsten Ausgabe: JohannesMalka, Helmut Fritz, Gerhard Schu-lenburg und Walter Zimmermann –die anderen vier Schiedsrichter desersten Spieltages.

Page 9: Offizielles Magazin für die Schiedsrichter - dfb.de · SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2013 5 seitdem die Fußball-Fans – und nicht nur sie – in ihren Bann zieht. Acht“, die am Premieren-Spieltag

9S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 3

Pano

ram

a

Wieder ein Abbruch

Die Meldungen zum Thema Gewaltgegen Schiedsrichter ebben nichtab: Wegen einer Attacke auf einenUnparteiischen ist ein Verbands -ligaspiel im saarländischen Neun-kirchen abgebrochen worden. EinSpieler der zweiten Mannschaftdes früheren Fußball-Bundes -ligisten Borussia Neunkirchenhatte den 29 Jahre alten Unpartei -ischen ins Gesicht geschlagen.

Die Borussia reagierte nach demSpiel gegen die SpVgg Einöd-Ing-weiler umgehend mit einer Ent-schuldigung: „Wir, die Verantwort-lichen von Borussia Neunkirchen,können nicht fassen, dass einesolch gewaltsame Auseinanderset-zung unseren Sport zerstört. Es istäußerst bedauerlich, dass ein Ver-bandsligaspiel wegen Gewaltan-wendung eines Spielers gegeneinen Schiedsrichter abgebrochenwerden musste. Wir haben uns füreine öffentliche Entschuldigungentschieden, um uns auf das

Schärfste von solchen Gewalttätig-keiten zu distanzieren.“ Der Vereinteilte mit, dass der verantwortlicheSpieler mit sofortiger Wirkungnicht mehr für die Borussia spielenwerde.

Benefiz-Spiel für Familie des getötetenSchiedsrichters

Ehemalige niederländische Fuß-ball-Nationalspieler haben ineinem Benefiz-Spiel für die Familie des getöteten Schiedsrich-ters Richard Nieuwenhuizen56.000 Euro gesammelt. Oranje-

Spieler rettet Schieds-richter das Leben

Eine Kreisliga-Begegnung in Essenwurde Anfang April von einem dra-matischen Zwischenfall überschat-tet: Der Schiedsrichter erlitt nachdem Schlusspfiff auf dem Weg indie Kabine einen Herzinfarkt.

Nach der Kreisliga-C-Partie derSportfreunde Altenessen III gegendie Zweitvertretung von Baris-spor 84 brach der UnparteiischeHans-Peter Kuntze plötzlichzusammen. Die erste Mannschaftder Altenessener machte sich zudiesem Zeitpunkt in der Nähewarm und bemerkte den Vorfall.Barisspor-Spieler Benjamin Theo-dor, der hauptberuflich als Feuer-wehrmann arbeitet, eilte Kuntzezusammen mit Schiedsrichter Det-lef Walter umgehend zur Hilfe. Denbeiden Helfern gelang es, denUnparteiischen zu reanimieren undihm somit das Leben zu retten.

„Wir sind alle überglücklich, dasser es geschafft hat. Solche Dingewill auf dem Fußballplatz wirklichniemand erleben“, sagte Altenes-sens Trainer Dietmar Krause bei„RevierSport online“. Die Ärzte desEssener Krankenhauses bestätig-ten, dass der Einsatz der HelferKuntze das Leben gerettet hat.Kuntze wurde zunächst auf dieIntensivstation verlegt, seinZustand war jedoch stabil.

Stars wie der ehemalige National-torwart Edwin van der Sar, Frankund Ro nald de Boer, Ruud vanNistelrooy, Giovanni van Bronck -horst und Dennis Bergkamp tratenin Almere für den guten Zweckgegen eine Amateur-Auswahl des FC Buitenboys an. Die Ex-Profisgewannen mit 8:1.

Nieuwenhuizen war im Dezembervergangenen Jahres nach einerGewaltattacke in einem Spiel derB-Jugend einen Tag später seinenVerletzungen im Krankenhaus erle-gen. Der Vorfall hatte die Nieder-lande schwer erschüttert. Der Pro-zess gegen die Tatverdächtigen sollnoch in diesem Sommer beginnen.

Rassismus: UEFA plantZehn-Spiele-Sperre

Die Europäische Fußball-Union(UEFA) will im Kampf gegen Ras-sismus künftig härtere Strafenanwenden. Der Plan des Dachver-bandes sieht vor, Spieler, die wegenrassistischer Vorfälle schuldiggesprochen werden, für mindes -tens zehn Spiele zu sperren.

„Wir brauchen Sanktionen mitabschreckender Wirkung“, sagteUEFA-Generalsekretär Gianni Infan-tino am Rande der FußballmesseSoccerex in Manchester. Die UEFAnehme den Kampf gegen Rassismussehr ernst und werde eine konse-quente Politik verfolgen. Man wollekonkret eingreifen und Worten auchTaten folgen lassen. „Vereinelediglich mit Geldstrafen für Tatender Fans zu verurteilen, trifft beirassistischen Vorfällen nicht direktdie Schuldigen“, erklärte der UEFA-Generalsekretär. Den Vereinen dro-hen bei rassistischen Vorkommnis-sen ebenfalls drastische Strafen:Bei einem ersten Vorfall soll ledig-lich der Teil des Stadions, in demsich der Vorfall ereignet hat, ge -sperrt werden. Im Wiederholungs-fall werde das gesamte Stadiongeschlossen und ein Bußgeld vonmindestens 50.000 Euro fällig,sagte Infantino.

Zudem seien die Schiedsrichterbestärkt worden, Partien abzubre-

chen, sollte es zu rassistischenBeleidigungen der Spieler durchZuschauer kommen. Die neuenRegelungen werden derzeit vomUEFA-Exekutivkomitee diskutiertund könnten bereits zur kommen-den Saison umgesetzt werden.„Wenn es zu rassistischenZwischenfällen kommt, ist derSchiedsrichter ermächtigt, Spielervom Feld zu nehmen. Es wird eineDurchsage im Stadion geben, umdie Fans aufzufordern, die Gesängezu stoppen“, erklärte Infantino.Falls sich die Situation nicht ändere,könne der Unparteiische das Spielabbrechen. „Falls das passiert,werden Sanktionen in Bezug aufdas Ergebnis und Punktabzüge inBetracht gezogen.“

Premier League führtTorlinientechnik ein

Die englische Premier Leagueführt in der kommenden Saison alserste europäische Fußball-Liga dieTorlinientechnik ein. Das soge-nannte Hawk-Eye-System erhieltbei einer Sitzung der 20 Klubchefsden Zuschlag. Das System wird

Page 10: Offizielles Magazin für die Schiedsrichter - dfb.de · SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2013 5 seitdem die Fußball-Fans – und nicht nur sie – in ihren Bann zieht. Acht“, die am Premieren-Spieltag

10 S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 3

Panorama

Die internationalen Spiele der Deutschen im März und April 2013

FIFA-Schiedsrichter unterwegsName Wettbewerb Heim Gast Assistenten/Vierter Offizieller/Torrichter

Deniz AYTEKIN Europa League Newcastle United Anschi Machatschkala Kleve, Lupp, Schiffner, Fritz, HartmannDeniz AYTEKIN WM-Qualifikation Mazedonien Belgien Kleve, Lupp, FritzChristian DINGERT U 17-Eliterunde Kroatien Frankreich AchmüllerChristian DINGERT U 17-Eliterunde Frankreich Spanien AchmüllerManuel GRÄFE Europa League Fenerbahçe Istanbul FC Viktoria Pilsen Häcker, Henschel, Pickel, Zwayer, WelzManuel GRÄFE WM-Qualifikation Zypern Schweiz Häcker, Schiffner, ZwayerWolfgang STARK WM-Qualifikation Ungarn Rumänien Salver, Pickel, WelzWolfgang STARK Czech Gambrinus Liga Sparta Prag Viktoria Pilsen Salver, PickelWolfgang STARK Champions League Paris Saint-Germain FC Barcelona Salver, Pickel, Borsch, Zwayer, WinkmannChristine BAITINGER U 19-Frauen-Länderspiel Niederlande USAChristine BAITINGER Frauen-Champions-League Juvisy Essonne Göteborg FC Müller-Schmäh, BiehlRiem HUSSEIN EM-Qualifikation U 19-Frauen Belgien Schweiz BiehlRiem HUSSEIN EM-Qualifikation U 19-Frauen Russland Belgien BiehlBibiana STEINHAUS Frauen-Champions-League Arsenal Ladies FC ASD Torres CF Wozniak, Rafalski

bereits im Tennis und Cricketerfolgreich eingesetzt.

Der zuständige International Foot-ball Association Board (IFAB)genehmigte im Juli 2012 die not-wendige Statutenänderung undmachte den Weg frei für techni-sche Hilfsmittel im Fußball. Zuletzthatte die FIFA vier Systeme lizen-ziert und entschieden, dass dienationalen Verbände selbstbestimmen können, in welchenWettbewerben sie die zugelasseneTorlinientechnik nutzen.

In der kommenden Saison zeich-nen künftig in der Premier Leaguemehrere Hochgeschwindigkeits -kameras das Spielgeschehen ausverschiedenen Winkeln des Sta-dions auf. Ein Computer berechnetdie exakte Position des Balles und

sendet ein Signal an den Schieds-richter, wenn der Ball die Torlinieüberschritten hat. Die Kostenbelaufen sich angeblich auf meh-rere hunderttausend Euro proArena.

Die FIFA hatte sich kurz zuvorgegen Hawk-Eye sowie zwei wei -tere Tortechnik-Anbieter und füreinen Einsatz von GoalControlbeim Confederations Cup in Brasi-lien entschieden. Bewährt sich dieTechnik des deutschen Anbietersbei der Mini-WM im Juni, soll sieauch bei der WM 2014 eingesetztwerden.

In der Bundesliga ist der Einsatzvon Torlinientechnik frühestens inder Saison 2015/2016 ein Thema.„Nicht vor dem 1. Juli 2015“ werdedie Einführung der Technik erfol-gen, schrieb die DFL: „Ob dieserSchritt zu diesem Zeitpunkt vollzo-gen wird, entscheidet der Ligavor-stand gesondert zu gegebener Zeitdurch einen eigenen Beschlussnach Abwägung aller Fakten.“

In den UEFA-Wettbewerben kommtdie Technik nicht zum Einsatz. Prä-sident Michel Platini ist ein erklär-ter Gegner von Torkameras. Statt-dessen stehen in Champions- undEuropa League zwei zusätzlicheSchiedsrichter-Assistenten hinterden Toren, um den Referee beistrittigen Fällen zu unterstützen.

Heimspiel für Manuel Gräfe: Der aus Berlin stammende FIFA-Schiedsrichter leitete in diesem Jahr das DFB-Pokalendspiel zwischendem FC Bayern München und dem VfB Stuttgart (3:2). „Das DFB-Pokalfinale ist das schönste und emotionalste Spiel in Deutschland.Mit der Nominierung hat sich für mich ein Traum erfüllt“, sagteGräfe. Er wurde an den Seitenlinien von Guido Kleve (rechts) undThorsten Schiffner assistiert, Vierter Offizieller war Guido Winkmann.

Das Pokalfinale der Frauen zwei Wochen zuvor hatte Katrin Rafalskiaus Bad Zwesten geleitet. Beim 3:2-Sieg des VfL Wolfsburg über Tur-bine Potsdam wurde sie von den Assistentinnen Martina Storch-Schäfer (rechts) und Angelika Söder unterstützt. Als Vierte Offiziellekam Marija Kurtes im Kölner RheinEnergieStadion zum Einsatz.

Page 11: Offizielles Magazin für die Schiedsrichter - dfb.de · SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2013 5 seitdem die Fußball-Fans – und nicht nur sie – in ihren Bann zieht. Acht“, die am Premieren-Spieltag

11S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 3

kurznotiert

■ Galatasaray-Trainer Terim neun Spiele gesperrtFatih Terim, Trainer von Galatasaray, ist wegen einer verbalenSchiedsrichter-Attacke in der Begegnung gegen den Tabellenletz-ten Mersin Idman Yurdu (3:1) Anfang April vom türkischen Verbandfür neun Ligaspiele gesperrt worden. Zudem musste der 59-Jährigeeine Geldstrafe von umgerechnet 21.000 Euro zahlen. Seine beidenCo-Trainer wurden ebenfalls für zwei Spiele aus dem Verkehr gezo-gen.

■ Mark Borsch sorgte für ein NovumBei der Sportlerehrung der Stadt Mönchengladbach sorgte MarkBorsch für ein Novum: Er war der erste Schiedsrichter, der von derStadt für seine sportlichen Leistungen ausgezeichnet wurde.

Mark Borsch, der im vergangenen Jahr bei den Olympischen Spie-len in London sowie bei einigen Partien in der Champions Leaguean der Seite von FIFA-Referee Felix Brych assistierte, wurde dieseEhre zuteil. Borsch: „Das freut mich natürlich. Ich fühle mich alsSportler, auch wenn wir Schiedsrichter von vielen nicht so gesehenwerden.“

■ Generalabsage wegen Gewalt in SüdbadenWegen zunehmender Gewalt gegen Schiedsrichter fielen am letztenApril-Wochenende im Bezirk Hochrhein (Südbadischer Fußballver-band) 123 Spiele aus. Mit der Generalabsage aller Männer-, Frauen-und Jugendspiele wollte der Verband ein Zeichen setzen.

Grund waren die vermehrten Vorfälle von Beleidigungen undAnfeindungen gegen Schiedsrichter. Zudem hatte es auch Problemezwischen Mannschaften gegeben. So wurde zum Beispiel bei einemB-Jugend-Spiel der Schiedsrichter nach einer Roten Karte umge-stoßen und getreten, eine A-Jugend-Mannschaft musste vor denSpielern des Gegners in die Kabine flüchten.

■ Stark leitete Spitzenspiel in TschechienAm Ostersamstag leitete der deutsche FIFA-Schiedsrichter Wolf-gang Stark erstmals in seiner Karriere eine Partie der ersten tschechischen Liga: das Spitzenspiel zwischen dem Tabellenzwei-ten Sparta Prag und dem nur zwei Punkte entfernten Tabellenfüh-rer FC Viktoria Pilsen.

Der tschechische Verband hatte zuvor nach einem deutschen Spit-zen-Schiedsrichter für dieses Spiel angefragt. „Natürlich haben wirdiesem Wunsch sehr gerne entsprochen, zeigt er doch, welchhohes Ansehen die deutschen Schiedsrichter auch im Auslandgenießen“, sagte Herbert Fandel, Vorsitzender der DFB-Schiedsrich-ter-Kommission.

Das Spiel konnte Sparta letztlich mit 1:0 für sich entscheiden.Lediglich zwei Verwarnungen hatte Stark nach den 90 Minuten aufder Spielnotizkarte. Spartas Trainer Vítzslav Lavika lobte Stark aus-drücklich für seine Leistung: „Er ließ die Begegnung weitgehendlaufen und zeigte dabei viel Fingerspitzengefühl. In den Situatio-nen, in denen es etwas härter zuging, schritt er aber sofort ein.“

Einsatz in Südafrika

DFB-Schiedsrichterin Kim-JanaTrenkner erhielt vom Landessport-bund Niedersachsen eine Einla-dung nach Südafrika. Im Rahmeneines Sportaustauschs reiste siezusammen mit dem Frauenteamvom TSV Immenbeck in die ProvinzEastern Cape. Dort war sie alsUnparteiische gemeinsam mitSchiedsrichterinnen der Gastgeberbei drei Freundschaftsspielen derdeutschen Mannschaft gegenRegionalteams aus Aliwal North,Queenstown und Port Elizabeth imEinsatz.

Die Zweitliga-Schiedsrichterin ausdem Kreis Harburg hatte als Spiel-leiterin und auch an der Liniekeine Mühe mit der durchweg fairen und von gegenseitigemRespekt geprägten Spielweise derMannschaften. Nach den drei Spie-len, zu denen stets mehr als 1.000Zuschauer aus den nahegelegenenTownships kamen, schloss sieintensive Freundschaften mit denweiblichen Referees aus Afrika. Sowurde diese Reise in die südlicheSpitze des afrikanischen Konti-nents über den Sport hinaus zueinem besonderen Erlebnis für dieUnparteiische.

Balotelli sieht „Gelb“vom eigenen Mitspieler

Skurrile Geschichten über Milan-Angreifer Mario Balotelli gibt eseinige, doch dieses Mal war deritalienische Nationalstürmer aus-nahmsweise nicht der Hauptdar-steller, sondern besetzte nureine „Nebenrolle“. Stattdessenstand sein Teamkamerad SulleyMuntari im Mittelpunkt. Denn derzeigte Balotelli anstelle desSchiedsrichters die Gelbe Karte.

In der 84. Minute hatte Balotelliden entscheidenden Treffer zum1:0 gegen den FC Turin erzielt

und zog sich beim Torjubel dasTrikot über den Kopf. Schieds-richter Antonio Damato hattebereits die Gelbe Karte in derHand, doch die Verwarnung über-nahm Mitspieler Sulley Muntari,der dem Referee die Karte ausder Hand nahm – und sie Balotellizeigte.

Der Unparteiische Damato warzunächst sichtlich irritiert, bliebjedoch gelassen und musstesogar ein wenig über die Aktionschmunzeln. Sulley gab ihm auchzügig die Karte zurück, und derSchiedsrichter konnte Balotellinoch einmal selbst und jetztauch ganz offiziell verwarnen.

Kim-Jana Trenkner (Zweite von links) zusammen mit Schieds-richterinnen aus der Provinz Eastern Cape.

Nachdem Muntari seinen Mitspieler „verwarnt“ hat, gibt erbrav die Gelbe Karte zurück.

Page 12: Offizielles Magazin für die Schiedsrichter - dfb.de · SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2013 5 seitdem die Fußball-Fans – und nicht nur sie – in ihren Bann zieht. Acht“, die am Premieren-Spieltag

12 S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 3

Gespräch

„Es fängt an, Spaß zZum Saisonende zieht Herbert Fandel in der Schiedsrichter-Zeitung eine Bilanz der vergangenen zwölf MoVorsitzende der DFB-Schiedsrichter-Kommission zudem über die fortschreitende Professionalisierung desDFB-Bundestag im Oktober.

H err Fandel, Sommerzeit istZeugniszeit: Welche Schul -

note würden Sie den Bundesliga-Schiedsrichtern für die Leistun-gen in der vergangenen Saisongeben?Herbert Fandel: Vor einem Jahrtendierte ich zu einer Drei, diesesMal eher zu einer Zwei. Es war inder abgelaufenen Saison einedeutliche Leistungs-Steigerungbei den Schiedsrichtern erkenn-bar. Die Elite-Schiedsrichterhaben sich daran gewöhnt, dasswir sehr eng und intensiv mitihnen zusammenarbeiten, dieSpiele sehr genau analysierenund entsprechend kritisch mitden Dingen umgehen. Geradegegen Ende der Saison kann mansagen, dass unsere Schiedsrich-ter die Spiele exzellent geleitethaben.

Wo und wie haben Sie den letztenBundesliga-Spieltag verfolgt?Fandel: Um einen Gesamtüber-blick zu haben, war ich an denletzten Spieltagen nicht mehr inden Stadien, sondern habe dieSpiele im privaten und zurückge-zogenen Rahmen vor dem Fern -seher verfolgt. Dabei stand ichstets in Kontakt zu meinen Kolle-gen in der Schiedsrichter-Füh-rung, zu Hellmut Krug, LutzMichael Fröhlich und Eugen Strigel.

Dann haben Sie sicherlich auchdie Szene im Spiel Dortmundgegen Hoffenheim gebannt mit-verfolgt, in der SchiedsrichterJochen Drees in der Nachspiel-zeit ein Tor zurückgenommenund damit unmittelbar überAbstieg oder Klassenerhalt ent-schieden hat...Fandel: Ich kann nicht verhehlen,dass ich mich gerade für Jochen

Drees, aber auch für unsereSchiedsrichter insgesamt sehrgefreut habe. Es ist dem Schieds-richter-Team gelungen, in einerextrem schwierigen Situationganz am Ende der Saison mitIntelligenz, Ruhe und Übersichtzu dieser richtigen Entscheidungzu finden. Das zu Recht positiveöffentliche Echo hat uns Schieds-richtern sehr gut getan und löstauch bei mir eine innere Zufrie-denheit aus.

Bezahlung hat ja stets auchetwas mit Leistung zu tun – kön-nen Sie demnach die weitereErhöhung des Grundbetrags fürSchiedsrichter mit gutem Gewis-sen vertreten?Fandel: Die Erhöhung der finan-ziellen Absicherung für unsereElite-Schiedsrichter ist nichts,was von heute auf morgengekommen ist. Die grundsätzlicheReform des Schiedsrichter-Wesens in Deutschland haben wir

bereits vor drei Jahren eingelei-tet. Jetzt, im Sommer 2013, sindwir im letzten Drittel dieses Pro-zesses angelangt. Nicht die bes-sere Bezahlung, sondern die bes-sere Absicherung der Schieds-richter ist an dieser Reform dasEntscheidende. Darauf haben dieSchiedsrichter an der Spitze einAnrecht, denn sie sind einwesentlicher Teil des Profifuß-balls.

Insgesamt wird jeder Spitzen-Schiedsrichter in den kommen-den Jahren ein sechsstelligesEinkommen erzielen. Davon könnte man auch ohne einenzusätzlichen Job ganz gut aus-kommen...Fandel: Ob und in welchem Maßeein Spitzen-Schiedsrichter einenJob neben dem Pfeifen ausübenmöchte, muss er selbst entschei-den können. Wichtig ist hier Flexi-bilität. Jeder muss frei sein,selbst festzulegen, wie viel ernebenbei noch arbeiten kannoder will. Das gibt jedem Schieds-richter die Stärke, voll für denFußball da zu sein und denAnsprüchen gerecht werden zukönnen.

Nachdem es in der Winterpauseein Gespräch mit den Bundesliga-Trainern gegeben hatte, scheintdie Kritik an den Schiedsrichternin der Rückrunde abgenommenzu haben...Fandel: Ja, das sehe ich genauso.Und das liegt auch daran, dassdie Leistungen in der Rückrundewirklich gut waren. Ich kann michnicht daran erinnern, eine sogute Rückrunde bei den Schieds-richtern erlebt zu haben. Es warmit Sicherheit die beste, seitdemwir die Führung unserer Schieds-richter übernommen haben.

Schiedsrichter-Chef Herbert Fandel geht zufrieden in dieSommerpause.

Page 13: Offizielles Magazin für die Schiedsrichter - dfb.de · SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2013 5 seitdem die Fußball-Fans – und nicht nur sie – in ihren Bann zieht. Acht“, die am Premieren-Spieltag

13S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 3

u machen“nate. Mit David Bittner und Bianca Riedl spricht derSchiedsrichter-Wesens und den bevorstehenden

Gab es denn auch nach dem Treffen im Winter noch weitereGespräche mit einzelnen Trai-nern?Fandel: Wir stehen stets in regel-mäßigem und engem Kontakt undsind für die Vereine immer an -sprechbar. Meist tauschen wiruns, wenn notwendig, ganz un -kompliziert nach den Spieltagenam Telefon aus. Wenn in den Spie-len aber alles rund läuft, wie inden letzten Wochen, ist die Kom-munikation manchmal auch garnicht mehr so erforderlich.

Auf der Halbzeit-Tagung im Januarin Mainz stand die Ahndung vonrücksichtslosem Ellenbogen-

Einsatz im Fokus der Schiedsrich-ter. Wie hat sich das Ihrer Mei-nung nach in der Rückrunde ent-wickelt?Fandel: Die Schiedsrichter habendiese Vergehen aus meiner Sichtsehr gut geahndet. Aber dieseradikalen Schläge ins Gesicht desGegners haben auch deutlichnachgelassen. Das tut sowohl demFußball als auch den Schiedsrich-tern gut.

Ein Thema, bei dem es in deröffentlichen Diskussion zuletztunterschiedliche Ansichten gab,ist die Bewertung von Hand-Elf-metern. Wie ist hier die offizielleRegelung, wann Absicht vorliegt?

Fandel: Erstens, wenn ein Spieleraktiv zum Ball greift. Zweitens,wenn er seine Körperflächebewusst oder fahrlässig vergrö-ßert und dabei den Ball berührt.Drittens, wenn die Hand- bezie-hungsweise die Armhaltungunnatürlich ist, zum Beispiel derArm über dem Kopf ist. Wie so oftentstehen in der Dynamik des

Das Verhältnis zwischen Trainer und Schiedsrichter war in der Rückrunde besser – auch dankguter Leistungen der Unparteiischen. Im Bild: Freiburgs Coach Christian Streich mit Schieds-richter Markus Schmidt.

Mit seinen Kollegen in der Schiedsrichter-Führung steht Her-bert Fandel in ständigem Kontakt.

Spiels dann manchmal auchGrenzfälle, in denen die Entschei-dung im Ermessen des Schieds-richters liegt und keine Schwarz-Weiß-Beurteilung möglich ist. Wirversuchen, durch genaueBeschreibung und Analyse derSituationen unseren Schiedsrich-tern möglichst konkrete Bewer-tungs-Parameter aufzuzeigen, um diesen Ermessensspielraumso klein wie möglich zu halten.

In der Sommerpause treffen sichdie Bundesliga-Schiedsrichterzum Trainingslager am Chiemsee.Wo werden die Arbeitsschwer-punkte für die neue Saison lie-gen?Fandel: Wir sind bisher sehr gut damit gefahren, dass wir die Schwerpunkte nicht ständigwechseln, sondern dass wir beiden wichtigsten Themen-Berei-chen bleiben. Ein Schwerpunktbleibt weiterhin das Thema derDisziplinar-Kontrolle. Hier ist eswichtig, zu verdeutlichen, in wel-cher Situation eine Verwarnungnicht mehr im Ermessens-Bereichdes Schiedsrichters liegt, son-dern wann die Gelbe Karte unbe-dingt gezeigt werden muss. Esgibt einige Szenen aus der ver-gangenen Spielzeit, die wir dies-bezüglich besprechen müssen.Ein weiterer Schwerpunkt bleibtauch weiterhin die Zusammenar-beit zwischen Schiedsrichter,Assistenten und dem Vierten Offiziellen.

Page 14: Offizielles Magazin für die Schiedsrichter - dfb.de · SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2013 5 seitdem die Fußball-Fans – und nicht nur sie – in ihren Bann zieht. Acht“, die am Premieren-Spieltag

14 S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 3

Gespräch

Am Ende der kommenden Saisonsteht die Weltmeisterschaftbevor, bei der Wolfgang Starkund Felix Brych zum Kandidaten-Kreis der Schiedsrichter gehören.Wer von den beiden hat derzeitdie besseren Chancen, in Brasi-lien dabei zu sein?Fandel: Wolfgang Stark und FelixBrych stehen derzeit auf einerStufe. Beide zählen zur Spitze inEuropa, obwohl sie eine völligunterschiedliche Art haben, Spielezu leiten. Die Nominierung desWM-Schiedsrichters liegt aller-dings nicht in meiner Hand, son-dern in der von Massimo Busacca,dem Vorsitzenden der FIFA-Schiedsrichter-Kommission.

Sie dagegen sind verantwortlichfür die personellen Entscheidun-gen in der Bundesliga. WelcheVeränderungen wird es zur kom-menden Saison in diesem Bereichgeben?Fandel: In den vergangenen Jah-ren wurde viel verändert, und wirhaben viele neue Schiedsrichterin die höchsten Spielklassengebracht. So sind wir nun gutberaten, mit den gleichenSchiedsrichtern in die neue Sai-son zu gehen. Das sorgt für Kon-tinuität und gibt den jungen

Schiedsrichtern in der Bundesligadie Möglichkeit, weitere Erfahrun-gen zu sammeln. Außerdem ver-meidet es eine unnötige Unruheinnerhalb der Schiedsrichter-Gruppe, die naturgemäß entsteht,wenn man zu viele Personenwechselt. Aber in den kommendendrei bis vier Jahren werden neunSchiedsrichter altersbedingt ausder Bundesliga ausscheiden, dasheißt, wir müssen bereits jetztsehr genau planen, wer dasPotenzial mitbringt, diese freiwerdenden Plätze einzunehmen.

Und wie sieht es in der 2. Bundes-liga aus?Fandel: Wir haben für die kom-mende Saison zwei Schiedsrichtergetauscht: Florian Steuerbekommt die Möglichkeit, überdie Assistenten-Schiene in derBundesliga dabei zu bleiben, weiler an der Linie hohe Qualitätenmitbringt. Marcel Unger ist nochsehr jung, und wir glauben, dasser in der 3. Liga neu durchstartenkann, um dann mit guten Leistun-gen den Wiederaufstieg zu schaf-fen. Stattdessen kommen RenéRohde und Martin Thomsen neu in die 2. Bundesliga. Beide sindsehr talentiert und haben mit hervorragenden Leistungen in der

3. Liga auf sich aufmerksamgemacht.

Im Amateur-Bereich war in derabgelaufenen Saison vor allemdie Gewalt gegen Schiedsrichterein Thema, das in der tödlichenAttacke gegen einen niederländi-schen Schiedsrichter-Assistentenseinen traurigen Höhepunkthatte. Hat dieser Zwischenfall dieam Fußball Beteiligten wach -gerüttelt?Fandel: Allen Aktiven undZuschauern muss klar sein, dass

der Schiedsrichter ein Mensch ist,der mitten im Fußball steht, undder in hohem Maße dazu beiträgt,dass andere Menschen dieseswunderbare Spiel überhauptgenießen können. Er ist kein Feinddes Fußballs, sondern er ermög-licht diesen, das sollten allebegreifen.

Die Gesamtzahl der Schiedsrich-ter in Deutschland war auch inden vergangenen zwölf Monatenweiter rückläufig. Wer müsstehier in welcher Form aktiv wer-den, um diesem Trend entgegen-zuwirken?Fandel: Wir alle, und damit meineich den gesamten Fußball, müssenhier mithelfen. Im „SchaufensterBundesliga“ tragen wir eine hoheVerantwortung, weil wir sehrgenau beobachtet werden. Alles,was in der Bundesliga passiert,hat unmittelbare Auswirkung aufdie Basis. Auf der anderen Seitemüssen wir zusammen mit denVerbänden dafür sorgen, dass dieSchiedsrichter-Tätigkeit attraktivbleibt, um neue Unparteiische zugewinnen.

Wenn im Herbst der DFB-Bundes-tag stattfindet, ist Ihre ersteAmtszeit abgeschlossen. KonntenSie bisher die Ziele umsetzen, dieSie sich vorgenommen hatten?Fandel: Nach einer natürlichenAnlaufzeit, die auch die Umstel-lung vom internationalen Schieds-richter zum Schiedsrichter-Chefbeinhaltete, fühle ich mich nun in

Die Unterscheidung zwischen absichtlichem und unabsichtlichem Handspiel bleibt weiterhineine Herausforderung für die Unparteiischen.

„Wir sind gut beraten, mit den gleichen Schiedsrichtern in dieneue Saison zu gehen.“

Page 15: Offizielles Magazin für die Schiedsrichter - dfb.de · SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2013 5 seitdem die Fußball-Fans – und nicht nur sie – in ihren Bann zieht. Acht“, die am Premieren-Spieltag

15S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 3

diesem Amt wohler. Als Schieds-richter war ich es gewohnt, dassmeine Entscheidungen auf demPlatz unmittelbar umgesetzt wur-den, als Schiedsrichter-Funktionärmusste ich lernen, dass Entschei-dungs-Prozesse sehr lange dauernkönnen. Hierfür die Geduld aufzu-bringen, fiel mir zu Beginn nichtleicht. Man muss Menschen mitArgumenten überzeugen, sie mit-nehmen und Entscheidungen aufein möglichst breites Fundamentstellen. Inzwischen sind wirwesentliche Schritte zur Verände-rung des Schiedsrichter-Wesensgegangen. Innerhalb der Schieds-richter-Führung haben wir einexzellentes Arbeitsklima geschaf-

fen – mit einem engen Kontakt zuunseren Unparteiischen, dies warimmer mein Ziel.

In Ihrer Zeit als aktiver Schieds-richter haben Sie gelernt, mit Kri-tik zu leben. Wie gehen Sie alsVorsitzender der Schiedsrichter-Kommission mit öffentlichenAngriffen um?Fandel: Kritik ist für uns Schieds-richter ein latentes Thema. Alsaktiver Schiedsrichter war ich –etwas platt gesagt – selbst verant-wortlich für den Mist, den ich ge -pfiffen habe. In der Schiedsrichter-

Führung analysieren wir nun allekritischen Situationen, die aneinem Wochenende passieren. Inerster Linie müssen wir den Spit-zen-Schiedsrichtern gerecht wer-den, für die wir die Verantwortungtragen. Andererseits haben wirauch eine gewisse Verpflichtunggegenüber dem Fußball, dazu zäh-len auch die Transparenz und derUmgang mit den Vereinen und denTrainern. Es ist insgesamt eine Auf-gabe, die ich mir in dieser Inten-sität nicht so vorgestellt hatte.Trotzdem muss ich sagen, es fängtlangsam an, mir Spaß zu machen.

Beim DFB-Bundestag im Oktoberist eine Aufteilung des Schieds-

Sie stehen an der Spitze der Schiedsrichter-Führung: Hellmut Krug, Herbert Fandel und LutzMichael Fröhlich (von links).

Herbert Fandel im Gespräch mit den SRZ-Mitarbeitern DavidBittner und Bianca Riedl.

„Wir müssen unserem Fußball in allen Ligen die bestmöglichenUnparteiischen zur Verfügung stellen.“

richter-Wesens in Elite- und Ama-teur-Bereich geplant. Warum istdieser Schritt notwendig?Fandel: Die Aufteilung ist notwen-dig, um den Anforderungen desProfifußballs in Deutschlandgerecht werden zu können. Wir alsElite-Schiedsrichter-Führung müs-sen uns auf unsere Spitzen-Schiedsrichter fokussieren. Das isteiner der wesentlichsten Schritteauf dem Weg zur Professionalisie-rung.

Was entgegnen Sie den Stimmen,die behaupten, dass der Elite-

Bereich sich mit der Neustruktu-rierung von der viel beschwore-nen „Schiedsrichter-Familie“ inDeutschland herauslöst und viel-leicht sogar ein Stück weit distan-ziert?Fandel: Das darf und wird nichtpassieren, weil wir eine enge Bin-dung zu den Verbänden haltenmüssen. Die Schnittstelle mussdabei eine fundierte und fachge-rechte Nachwuchs- und Talentför-derung sein. Deutschland ist dasweltweit größte Schiedsrichter-Land. Ein professionell organisier-tes Schiedsrichter-Wesen miteiner Elite-Schiedsrichter-Führungund einer Schiedsrichter-Führungfür die Verbände muss sicherstel-len, dass wir unserem Fußball inallen Ligen bestmögliche Unpartei-ische zur Verfügung stellen. Dassdieser Weg notwendig ist, darübersind wir uns in der DFB-Schieds-richter-Kommission einig. ■

Page 16: Offizielles Magazin für die Schiedsrichter - dfb.de · SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2013 5 seitdem die Fußball-Fans – und nicht nur sie – in ihren Bann zieht. Acht“, die am Premieren-Spieltag

16 S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 3

Lehrwesen

SpielentscheidungamStrWenn zwei Mannschaften zum Elfmeterschießen antreten, dann steht die Entscheidung eines Spiels unmuss das Schiedsrichter-Team hoch konzentriert sein. Worauf die Unparteiischen nun achten müssen, eaktuellen DFB-Lehrbriefs Nr. 49 vor.

Wer heutzutage behauptet, dieSpielentscheidung durch Elf-

meterschießen wäre am Ende eine„reine Glückssache“, der brauchtseinen Blick nur einmal in die Ver-gangenheit zu richten. Damalsentschied nämlich wirklich derpure Zufall über den Ausgangeines Spiels, und zwar in Formeines Münzwurfs.

Dies geschah im Viertelfinale desEuropapokals der Landesmeisterim Jahr 1965: Damals musste der1. FC Köln erleben, wie er gegenden FC Liverpool nach 0:0 und 2:2im Entscheidungsspiel durch denWurf einer Münze aus dem Wett-bewerb ausschied. Beim erstenMünzwurf von SchiedsrichterSchaut aus Belgien blieb dieMünze noch senkrecht im Moraststecken, sodass ein zweiter Wurfnotwendig wurde, bei dem dasGlück auf Seiten der Engländerwar.

Vorgänge wie dieser veranlasstenden früheren deutschen Oberliga-Schiedsrichter Karl Wald zu derFeststellung: „Siege per Münz -wurf, das waren keine Siege, daswar gar nichts! Dermaßen unge-recht war das!“

Er schlug deshalb im Jahr 1970auf dem Verbandstag des Bayeri-schen Fußball-Verbandes (BFV)vor, Fußballspiele, die selbst amEnde der Verlängerung noch kei-nen Sieger gefunden hatten,durch ein Elfmeterschießen zuentscheiden. So wurde dieser Wegzur Ermittlung eines Siegerszunächst in Bayern, dann vomDFB und wenig später auch inter-national übernommen.

Solch ein Elfmeterschießen wird oft von hohen Emotionen

begleitet. Jetzt entscheidet sichdas Spiel innerhalb wenigerMomente im unmittelbaren Zwei-kampf zwischen Schütze und Torwart. Es ist deshalb unerläss-lich, dass das Schiedsrichter-Team an die Abläufe eines Elfme-terschießens mit genauer Syste-matik und der notwendigen Ruheherangeht.

Kommt es nach einer Verlänge-rung zum Elfmeterschießen, sobestimmt der Schiedsrichterwenige Minuten nach dem Abpfiff,auf welches Tor geschossen wird.Dabei sollte er folgende Rahmen-bedingungen in seine Entschei-dung einbeziehen:

■ Beschaffenheit des Spielfelds in den jeweiligen Strafräumen

■ Verhalten der Zuschauer hin-ter den Toren (Sicherheits-aspekte)

■ Lichtverhältnisse

Anschließend wirft der Schieds-richter vor den Spielführern seineWählmarke, und der Gewinner die-ser Wahl entscheidet, welche derbeiden Mannschaften das Elfme-terschießen beginnen soll.

Teilnahmeberechtigt daran sindalle Spieler, die sich am Ende derVerlängerung „im Spiel befan-den“. Konkret bedeutet das: Esdürfen auch die Spieler am Elfme-

terschießen teilnehmen, die imMoment des Schlusspfiffs wegeneiner Verletzung außerhalb desSpielfelds behandelt wurden.

Einen besonderen Status nimmtder Torwart ein. Wird er im Verlaufdes Elfmeterschießens verletztund kann nicht mehr weiterspie-len, dann darf er ersetzt werden.Voraussetzung hierfür ist jedoch,dass „sein Team das ihm zustehendeAuswechselkontingent noch nichtausgeschöpft hat“.

Hat eine Mannschaft am Ende desSpiels durch Verletzungen oderFeldverweise weniger Spieler alsder Gegner, dann muss das nume-

Geht ein Spiel ins Elfmeterschießen, müssen die Unparteiischen kompetent und konzentriert an ihre

Page 17: Offizielles Magazin für die Schiedsrichter - dfb.de · SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2013 5 seitdem die Fußball-Fans – und nicht nur sie – in ihren Bann zieht. Acht“, die am Premieren-Spieltag

17

afstoßpunktmittelbar bevor. Schon allein aus diesem Grundrklärt Günther Thielking. Er stellt den Inhalt des

risch größere Team die Anzahl dereigenen Spieler ebenfalls um dieentsprechende Zahl reduzieren.

Die nun „schuss-berechtigten“Spieler beider Mannschaften ver-sammeln sich – außer den beidenTorwarten sowie dem aktuellenSchützen – während des Elfmeter-schießens im Mittelkreis. Der Tor-wart, der gerade nicht an derReihe ist, wartet am Schnittpunktder Torlinie mit der Strafraumlinie.Dort steht er auch im Sichtfeld desSchiedsrichters.

Bei der Durchführung des Elfme-terschießens führt jede Mann-schaft abwechselnd zunächst „je

fünf Schüsse aus“, jeweils vonunterschiedlichen Spielern. Hat einTeam so viele Tore erzielt, dass dieandere Mannschaft nicht mehrgleichziehen kann, dann ist dasElfmeterschießen beendet, der Sie-ger steht fest.

Steht es nach jeweils fünf ausge-führten Elfmetern unentschieden,dann wird das Elfmeterschießen imWechsel so lange fortgesetzt, biseine Mannschaft bei der gleichenZahl getretener Elfmeter ein Tormehr erzielt hat.

Jeder Spieler jeder Mannschaftmuss mindestens einmal geschos-sen haben, bevor ein Spieler einzweites Mal antreten darf. Hierbeigelten die in Regel 14 angeführtenBestimmungen, wobei ein Nach-schuss nicht zulässig ist. Muss einElfmeter wegen einer Regelüber-tretung des Torwarts oder desSchützen wiederholt werden, istdieser von demselben Spieler aus-zuführen.

Die Brisanz, die im Elfmeterschie-ßen steckt, hat es mit sichgebracht, dass die Belastungender Spieler mehrfach wissen-schaftlich untersucht wurden. Soglaubt der norwegische Sportpsy-chologe Geir Jordet, das Elfmeter-Trauma im Mutterland des Fußballserklären zu können. Er hat dieErgebnisse großer Fußballnationenbei EM- und WM-Elfmeterschießenin der Zeit von 1976 bis 2006 unter-sucht.

Dabei fand er heraus, dass Spieler,die auf außerordentliche Erfolgeim internationalen Fußball zurück -blicken konnten, mehr Elfmeter bei solchen Entscheidungen ver-schossen haben als Spieler, dieohne besonderen Druck zum

jeweiligen Aufgaben herangehen.

Während der Schiedsrichter zunächst die korrekte Positiondes Balles überwacht,...

...hat sein Assistent vor allem die Torerzielung im Blick.

Der zweite Assistent hält sich währenddessen im Mittelkreisauf – gemeinsam mit denjenigen Spielern, die am Elfmeter-schießen teilnehmen dürfen.

Page 18: Offizielles Magazin für die Schiedsrichter - dfb.de · SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2013 5 seitdem die Fußball-Fans – und nicht nur sie – in ihren Bann zieht. Acht“, die am Premieren-Spieltag

18 S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 3

Diese Grafik aus dem offiziellen DFB-Regelheft veranschaulicht die Positionen der Unpartei -ischen sowie der Spieler.

Tobias Stieler von der SG Rosenhöhe (Hessi-scher Fußball-Verband)pfeift seit Januar 2012 inder Bundesliga.

Lehrwesen

In unserer Rubrik „Aus derPraxis – für die Praxis“ beant-wortet dieses Mal Bundesliga-Schiedsrichter Tobias Stielervier Fragen rund ums Elfme-terschießen.

Wovon würden Sie persönlicham ehesten abhängig machen,auf welches Tor ein Elfmeter-schießen stattfindet? GebenSie den Spielführern hierbeiauch ein „Mitspracherecht“?

Tobias Stieler: Ich mache esabhängig vom Spielverlaufbeziehungsweise von beson-deren Vorkommnissen wäh-rend des Spiels. Falls Zuschauerhinter einem Tor negativ auf-fallen, würde ich das andereTor auswählen. Verläuft wäh-rend des Spiels alles friedlich,entscheide ich per Münzwurf,auf welches Tor geschossenwird – so sieht es auch dasRegelwerk vor.

Wie groß ist der „Ermessens-bereich“ des Schiedsrichters,

Elfmeterschießen antreten konn-ten.

Eine Untersuchung, unter welchenSpannungen das Schiedsrichter-Team beim Elfmeterschießensteht, fand bisher nicht statt. DenUnparteiischen bleibt deshalb nurdas Fazit, dass sie sich auf solcheSituationen intensiv vorbereitenmüssen, um im Ernstfall fachkom-petent die richtigen Entscheidun-gen zu treffen.

Der DFB-Lehrbrief Nr. 49 bietetdazu einige Lernhilfen und zeigtauf, wie am handlungsorientier-ten Lernen das theoretische Wis-sen intensiviert und vertieft wer-den kann. ■

wenn es darum geht, dass der Tor-hüter genau auf der Torlinie stehtund der Ball exakt auf dem Straf-stoßpunkt liegt?

Stieler: Der Ermessensbereich istgleich null. In dem Moment, wennder Schiedsrichter den Strafstoßmit Pfiff freigibt, müssen diegenannten Voraussetzungen injedem Fall erfüllt sein. Dass sichdanach der ein oder andere Torhü-ter vielleicht ein paar Zentimeternach vorne bewegt, ist allgemeinbekannt. Man sollte als Schieds-richter aber „nicht päpstlicher seinals der Papst“, sondern bei Verstö-ßen des Torhüters nur dann ein-schreiten, wenn diese klar unddeutlich sind. Wenn zum Beispielder Torwart den Strafstoß weit vor

der Linie abwehrt, muss zwingendeine Wiederholung erfolgen.

In welcher Form ist es als Schieds-richter notwendig – abgesehenvon der Freigabe des Schusses perPfiff – weitere Pfiffe oder Armzei-chen während des Elfmeterschie-ßens zu benutzen?

Stieler: Weniger ist manchmalmehr. Bis auf den Pfiff zur Freigabedes Strafstoßes erfolgen grund-sätzlich keine weiteren Aktionendurch den Schiedsrichter. Ausnah-me: Wenn strittig ist, ob ein Torerzielt wurde, sollte der Schieds-richter aktiv werden und seine Ent-scheidung darüber möglichstschnell kommunizieren.

Welche Notizen muss sich einSchiedsrichter während des Elfme-terschießens machen, und wie hälter diese am besten fest, um denÜberblick zu behalten?

Stieler: Ich notiere mir währenddes Elfmeterschießens die Num-mern der jeweiligen Schützen in

Praktische Tipps von Tobias Stieler

Beim Pfiff muss alles stimmen

der korrekten Reihenfolgeund schreibe dahinter ein „+“(wenn der Spieler trifft) oderein „- “ (wenn kein Tor erzieltwird). Dann fällt mir auch das„Rechnen“ ein wenig leichter,und der Sieger ist am Endeschnell ermittelt.

Page 19: Offizielles Magazin für die Schiedsrichter - dfb.de · SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2013 5 seitdem die Fußball-Fans – und nicht nur sie – in ihren Bann zieht. Acht“, die am Premieren-Spieltag

Regel-Test Fragen

Behandlung aufdem SpielfeldWenn ein verletzter Spieler von einem Betreuerauf dem Spielfeld behandelt wird, dann muss ernormalerweise zunächst den Platz verlassen.Dass es allerdings Ausnahmen von dieser Regelgibt, zeigt Lutz Wagner bei der Zusammenstel-lung der aktuellen Regelfragen.

Situation 1Ein Spieler wird hinter der Toraus -linie neben dem Tor behandelt.Mittlerweile wird das Spiel miteinem Eckstoß fortgesetzt. Der Ballgelangt wieder ins Toraus, und esgibt einen weiteren Eckstoß. Nunmöchte dieser Spieler vor Ausfüh-rung des Eckstoßes von der Toraus-linie wieder ins Spiel eintreten.Gestattet der Schiedsrichter dies?

Situation 2Ein Schiedsrichter entscheidet aufFreistoß für die angreifende Mann-schaft unmittelbar vor der Straf-raumlinie. Als die Abwehrspielergegen diesen Freistoß-Pfiff protes -tieren, kommt der gefoulte Spielerzum Schiedsrichter und sagt ihm,dass kein Foulspiel vorlag. Wie ent-scheidet der Schiedsrichter?

Situation 3Bei einem direkten Freistoß etwa 22 Meter vor dem Tor haken sichdie Spieler in der „Mauer“ innerhalbdes Strafraums mit den Armenabsichtlich ein. Einem dieser Spie-ler wird der Ball gegen die Handgeschossen.

Situation 4Ein indirekter Freistoß für die ver-teidigende Mannschaft wird in Höheder Strafstoßmarke ausgeführt. DerSchütze schießt dabei versehent-lich den Schiedsrichter an, dereinen Meter außerhalb des Straf-raums im Teilkreis steht. Von demRücken des Schiedsrichters pralltder Ball zurück, am verdutzten Tor-wart vorbei, ins Tor. Entscheidung?

Situation 5Während des laufenden Spiels siehtder Schiedsrichter-Assistent – ohnees verhindern zu können – dass derTrainer der Mannschaft A auf dasSpielfeld läuft. Von einem Spielerder gegnerischen Mannschaft wirdder Trainer heftig zu Boden gesto-ßen. Entscheidung?

Situation 6Ein langer Ball kommt zum Torhü-ter, der den Ball zwar aufnehmenkönnte, ihn aber mit der Handflächenach vorne abklatscht. Anschlie-ßend führt er den Ball mit denFüßen bis zur Strafraumlinie, nimmtihn dort mit den Händen auf undschlägt ihn ab. Dies sieht derSchiedsrichter-Assistent. Wie hat erzu reagieren?

Situation 7Bei einem Zweikampf unmittelbarvor dem Tor hat sich ein Angreiferverletzt, liegt nun im Netzraum undverlangt auf Nachfrage desSchiedsrichters eine Behandlung.Die Betreuer betreten den Platz undbehandeln den im Tor liegendenSpieler. Vor der Wiederaufnahmedes Spiels fordert der Schiedsrich-ter den Spieler auf, den Platz zuverlassen. Der Spieler besteht dar-auf, auf dem Platz bleiben zu dür-fen, da die Behandlung ja nicht aufdem Spielfeld stattgefunden habe.Wer von beiden liegt richtig?

Situation 8Bei einem Freistoß für die verteidi-gende Mannschaft aus dem eigenenStrafraum trifft der ausführende

Spieler den Ball so unglücklich,dass dieser noch innerhalb desStrafraums die Torauslinie über-schreitet. Wie hat der Schiedsrich-ter zu entscheiden?

Situation 9Ein Angreifer bringt im gegneri-schen Strafraum einen Verteidigermit einem verwarnungswürdigenFoulspiel zu Fall. Der Schiedsrichterlässt das Spiel weiterlaufen, da einweiterer Verteidiger den Ball kon-trolliert spielen kann. Als sich derBall inzwischen schon wieder imMittelfeld befindet, sieht derSchiedsrichter-Assistent, wie derzuvor gefoulte Verteidiger seinenGegner mit dem Ellenbogenschlägt. Was muss nach dem Fah-nenzeichen entschieden werden?

Situation 10Bei einem Eckstoß verkürzt derAbwehrspieler noch vor der Ausfüh-rung den Abstand zum Ball aufweniger als 9,15 Meter. Er wird ange-schossen, und der Ball prallt ins Sei-tenaus. Wie hat der Schiedsrichterzu entscheiden?

Situation 11Ein Spieler hat seinen Gegenspielerbereits umspielt und läuft mit demBall am Fuß Richtung Strafraum. Imletzten Moment bekommt der Ver-teidiger noch das Trikot des Angrei-fers zu fassen und hält ihn übereinen längeren Zeitraum fest. DasFesthalten erstreckt sich von zweiMeter vor dem Strafraum bis zweiMeter innerhalb des Strafraums, indem der Angreifer dann schließlichzu Fall kommt. Der Schiedsrichterentscheidet auf Verwarnung unddirekten Freistoß zwei Meter vordem Strafraum. Handelt er richtig?

Situation 12Unmittelbar vor der Seitenlinie,noch innerhalb des Spielfelds aufHöhe der Mittellinie, wechselt einSpieler auf eigene Veranlassungseine Schuhe. Muss der Schieds-richter-Assistent deshalb einschrei-ten?

Situation 13Beim Versuch, den Ball aus demeigenen Strafraum zu köpfen, pral-len zwei Spieler der verteidigendenMannschaft mit ihren Köpfenzusammen. Sie bleiben – offensicht-lich verletzt – regungslos liegen.Der Schiedsrichter ruft sofort dieBetreuer aufs Spielfeld. Nach einerkurzen Behandlungspause könnenbeide Akteure weiterspielen. DerSchiedsrichter weist sie jedochzusammen mit den Betreuern vomFeld. Handelt er richtig?

Situation 14Ein Spieler verlässt kurzzeitig dasSpielfeld in Höhe der Mittellinie undwechselt auf eigene Veranlassungdie Schuhe. Danach will er wiedereintreten. Der Schiedsrichter-Assis -tent gewährt ihm den Eintritt nicht,da er die Schuhe zuvor kontrollie-ren will. Handelt er richtig?

Situation 15Ein Angreifer, der sich dem Abseitsentzogen hat und deshalb außer-halb des Spielfelds steht, nimmteinen neben ihm liegenden Ersatz-ball auf und wirft ihn einem Gegen-spieler, der sich in seinem Straf -raum befindet, absichtlich heftiggegen den Körper. Der Schiedsrich-ter-Assistent hat den Vorfall bei lau-fendem Spiel im Mittelfeld gesehen.Was unternimmt das Schiedsrich-ter-Team?

Der typische Fall: Der behandelte Spieler verlässt das Feld,bevor das Spiel fortgesetzt wird.

19S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 3

Page 20: Offizielles Magazin für die Schiedsrichter - dfb.de · SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2013 5 seitdem die Fußball-Fans – und nicht nur sie – in ihren Bann zieht. Acht“, die am Premieren-Spieltag

Situation 1Ja, wenn das Spiel schon einmalfortgesetzt worden war und essich nicht mehr um dieselbe ver-letzungsbedingte Spielunterbre-chung handelt, darf der Spielerwährend der Spielunterbrechungvon überall wieder ins Spiel ein-treten. Vorausgesetzt natürlichdas zustimmende Zeichen desSchiedsrichters.

Situation 2Die Freistoß-Entscheidung ist zukorrigieren. Das Spiel muss statt-dessen mit einem Schiedsrichter-Ball fortgesetzt werden.

Situation 3Strafstoß, da ein Handspiel beimabsichtlichen Einhaken immer alsstrafbar zu werten ist.

Situation 4Eckstoß. Da der Schiedsrichter indiesem Fall als „Luft“ bezeichnetwird, wäre ansonsten aus einem

Verletzen sich in einer Aktion allerdings zwei Spieler derselben Mannschaft, dürfen sie nachder Behandlung auf dem Spielfeld bleiben.

Regel-Test Antworten

Freistoß direkt ein Eigentor erzieltworden. Dies ist nicht zulässig.

Situation 5Fahnenzeichen und Meldung anden Schiedsrichter. Dieser sprichteinen Feldverweis gegen den Spie-ler und einen Innenraumverweisgegen den Trainer aus. Spielfort-setzung ist der Schiedsrichter-Ball,und zwar dort, wo sich der Ball beider Unterbrechung befand, da dasBetreten des Spielfelds durch denTrainer das erste Vergehen in die-sem Ablauf war.

Situation 6Da es sich hier zweifelsfrei um einAbklatschen zwecks Kontrolle han-delt, was vom Schiedsrichter-Assis tenten auch so wahrgenom-men wird, zeigt er dies offen mitder Fahne an. Der Schiedsrichterverhängt einen indirekten Freistoßgegen den Torwart dort, wo dieserden Ball das zweite Mal mit derHand gespielt hat.

So werden die auf Seite 19 beschriebenen Situationen richtig gelöst.

Situation 7Der Schiedsrichter handelt regel-konform und richtig. Zwar findetdie Behandlung nicht auf demSpielfeld statt, dennoch müssendie Betreuer, um überhaupt zudem Spieler zu gelangen, dasSpielfeld betreten. Zum anderenkann nicht, wie bei einer sonsti-gen Behandlung im Toraus nebendem Tor, das Spiel einfach fortge-setzt werden, sondern in diesemFall bleibt das Spiel unterbrochen,bis der Spieler transportfähig istund das Spielfeld verlässt. Zudemmuss er dann auch wieder überdas Spielfeld abtransportiert wer-den. Somit sind alle Kriterien füreine Behandlung auf dem Platzerfüllt, und der Schiedsrichterhandelt nach Sinn und Geist derRegel richtig.

Situation 8Wiederholung des Abstoßes, dader Ball nicht korrekt ins Spielgebracht wurde. Der Ball ist erstim Spiel, wenn er den Strafraumzum Spielfeld hin verlassen hat.

Situation 9Der Schiedsrichter verhängt einenStrafstoß und einen Feldverweisgegen den schlagenden Spieler.Allerdings wäre es in diesem Fallbesser gewesen, das Spiel sofortzu unterbrechen, da im Strafraumein Vorteil für die verteidigendeMannschaft äußerst zweifelhaftist. Die Verwarnung für das Foul-

spiel kann natürlich noch ausge-sprochen werden.

Situation 10Der Eckstoß ist zu wiederholen,da die vorgeschriebene Entfer-nung bei der Ausführung nichteingehalten wurde. Der Spieler ist zu verwarnen.

Situation 11Der Schiedsrichter handelt falsch.Zwar ist der erste Kontakt vor demStrafraum, doch lässt der Schieds-richter zunächst den Vorteil solange laufen, bis er zunichte-gemacht wird. Dies ist dann inner-halb des Strafraums – und damitlautet die Spielfortsetzung Straf-stoß. Die Verwarnung wegen die-ses taktischen Haltens ist korrekt.

Situation 12Nein, nur muss er darauf achten,dass dieser Spieler sich bei dernächsten Spielunterbrechungentweder beim Schiedsrichteroder beim Schiedsrichter-Assis -tenten meldet, um eine Kontrollevornehmen zu lassen.

Situation 13Nein. Wenn zwei Spieler derselbenMannschaft bei einem Zusammen-prall verletzt werden, müssen siedas Spielfeld nicht verlassen, da essich hier um einen Ausnahmefallhandelt, der im Regelwerk explizitaufgeführt ist.

Situation 14Nein, der Schiedsrichter-Assistenthandelt falsch. Denn dieser Spielerdarf sofort wieder mitspielen, daer nicht schlechter gestellt werdendarf als ein Spieler, der auf demPlatz die Schuhe wechselt. Ledig-lich bei der nächsten Unterbre-chung muss er sich zwecks Kon-trolle unaufgefordert beimSchiedsrichter melden.

Situation 15Sofortiges Fahnenzeichen desSchiedsrichter-Assistenten. NachRücksprache verweist derSchiedsrichter den Angreifer mit„Rot“ des Feldes. Das Spiel wirdmit einem direkten Freistoß dortfortgesetzt, wo der Spieler stand,als er vom Ball getroffen wurde(Ausnahme Torraum). ■

Behandlung aufdem Spielfeld

20 S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 3

Page 21: Offizielles Magazin für die Schiedsrichter - dfb.de · SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2013 5 seitdem die Fußball-Fans – und nicht nur sie – in ihren Bann zieht. Acht“, die am Premieren-Spieltag

21S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 3

Analyse

Regeln einheitlich auslegenDie ersten beiden Szenen, die Lutz Michael Fröhlich und Lutz Lüttig bei ihrer Analyse des Bundes -liga-Geschehens unter die Lupe nehmen, sind sich sehr ähnlich. Dass sie von den Schiedsrichternunterschiedlich bewertet wurden, warf Fragen auf.

Schaut man sich einmal die Pro-gramme der Fortbildungs-Lehr-

gänge für Schiedsrichter an, diedie 21 Landesverbände des DFBJahr für Jahr durchführen, stehtein Thema fast immer obenan: Wieschaffen wir es, dass die 17 Fuß-ball-Regeln von allen Schiedsrich-tern gleich ausgelegt und ange-wendet werden?

Seien wir ehrlich und antwortenmit einer bekannten Redensart:Der Weg ist das Ziel. Denn eine völlig einheitliche Regelanwen-dung in allen Spielklassen hinzube-kommen, ist schlicht ausgeschlos-sen. Die Gründe dafür sind nahelie-gend: Zum Beispiel variiert dasNiveau der Spiele stark. Was amSamstag in der Bundesliga an Kör-pereinsatz „durchgeht“, muss amSonntag in der Bezirksliga gepfif-fen werden. Vieles hängt von denFähigkeiten und der Fitness derSpieler ab. Und vor allem sind dieSchiedsrichter keine Computer, dieman mit Fakten füttert, deren Aus-wertung immer dasselbe Ergebnishat.

Am 29. Spieltag der abgelaufenenSaison gab es dafür ein schönesBeispiel, wie die Fotos 1 und 2 zei-gen.

Im Spiel FC Schalke 04 gegenBayer 04 Leverkusen gelangt derBall von einem Leverkusener Spie-ler zurück in den eigenen Straf -raum zum Schalker Pukki. DerAngreifer hat kurz vor dem Tor-raumeck nur noch den gegneri-schen Torwart vor sich und denBall direkt vor seinen Füßen, alsder Leverkusener Toprak ihn durcheinen Fußangriff von hinten zu Fallbringt (Foto 1). Der Ball rollt zuBayer-Torwart Leno. Durch das Foulverhindert der Leverkusener Pukkis Torschuss, der im nächsten

Moment erfolgt wäre. Damit hat ereine klare Torchance zunichtege-macht.

Schiedsrichter Manuel Gräfe, dervon der Strafraumlinie aus einensehr guten Einblick auf die Szenehat, entscheidet sofort auf Straf-stoß. Ebenso prompt zieht er die

Rote Karte aus seiner Brusttasche(nicht jeder Schiedsrichter trägtsie in der Gesäßtasche) und stelltToprak regelgerecht vom Platz. Soweit, so richtig.

Bei der Partie FC Augsburg gegenEintracht Frankfurt kommt derBall durch ein kurzes Zuspiel zum

Augsburger Verhaeg. Der Angreiferhat am Torraumeck des Frankfur-ter Strafraums nur noch den geg-nerischen Torwart vor sich undden Ball direkt vor seinen Füßen,als der Frankfurter Inui ihn durchein Beinstellen von der Seite zuFall bringt (Foto 2). Der Ball pralltins Aus. Durch das Foul verhindert

Die Parallelen sind unübersehbar: In beiden Situationen hätte im nächsten Moment ein Torerzielt werden können.

Foto 1

Foto 2

Page 22: Offizielles Magazin für die Schiedsrichter - dfb.de · SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2013 5 seitdem die Fußball-Fans – und nicht nur sie – in ihren Bann zieht. Acht“, die am Premieren-Spieltag

22 S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 3

Analyse

der Frankfurter Verhaegs Tor-schuss, der im nächsten Momenterfolgt wäre. Damit hat er eineklare Torchance zunichtegemacht.

Natürlich stimmt auch hier dieSchiedsrichter-Weisheit: Nie sindzwei Szenen haargenau gleich!Aber schon durch die absichtlichfast wortgleiche Beschreibung derbeiden Situationen wird deutlich,dass sie von den Schiedsrichterndeckungsgleich geahndet werdenmüssten. Schließlich hat auch inder zweiten Szene der Angreiferden Ball unter Kontrolle, keinanderer Verteidiger kann ihn mehrdaran hindern, seine große Möglich-keit wahrzunehmen und im nächs -ten Moment ein Tor zu erzielen.

Der Pfiff kam in dieser zweitenSzene zwar ebenso prompt, aberes wurde nur der Strafstoß ver-hängt, die Rote Karte blieb in derTasche des Schiedsrichters. Wasmag ihn dazu bewogen haben?

Beim wiederholten Betrachten ein-zelner Szenen, wie es das Fernse-hen ja ermöglicht, erscheinen demZuschauer manche (Fehl-)Entschei-dungen – wie zum Beispiel diegerade beschriebene – als völligunverständlich. Dabei vergessendie Beteiligten immer wieder, dassder Schiedsrichter meist nur eineminimale Zeitspanne hat, um die„richtige(n)“ Entscheidung(en) zutreffen. Zudem hat er fast immereinen anderen Blickwinkel als dieKameras, die das Geschehen über-tragen.

Damit soll die Fehlentscheidungnicht weggeredet, der interessierteBetrachter aber doch gebeten wer-den, beim Urteil über den Schieds-richter noch andere Aspekte insKalkül zu ziehen als nur die Fern-seh-Bilder.

Und noch ein Aspekt bei der Ent-scheidung „Notbremse“ (ja odernein?) sei bei dieser Gelegenheiteinmal erläutert: Warum derSchiedsrichter nicht wenigstens„Gelb“ gezogen hat, wird man alsExperte in solchen Situationen oftgefragt. Ganz einfach: weil das Vergehen an sich von seiner Inten-sität kein verwarnungswürdiges

Foul war. Der Gedanke an die Per-sönliche Strafe kommt in diesemFall ja nur deshalb ins Spiel, weildie Verhinderung oder das Zunich-temachen einer klaren Torchancezwingend mit „Rot“ zu bestrafenist. Wenn der Schiedsrichter in sei-ner Wahrnehmung den Tatbestand„Notbremse“ nicht feststellt, kanner in diesem Fall eines eher harm-losen Fouls gar keine Karte zeigen.Denn „ein bisschen Notbremse“gibt’s nicht.

***

Sicher nicht zu Unrecht könnenwir davon ausgehen, dass ein Fuß-ball-Profi sich täglich mit seinemBeruf befasst. Wie oft er sichdabei mit dem Regelwerk beschäf-tigt, möchte man aber gar nicht sogenau wissen. Denn es wird beiden meisten Berufsfußballerneher selten sein.

Diese Vermutung liegt jedenfallsnahe, wenn man immer wieder diegleiche Art von strafbarem Hand-spiel sieht, die nicht nur in unse-ren Analysen beleuchtet wird (eswäre vielleicht mal interessant zuwissen, wie viele Profis dieSchiedsrichter-Zeitung lesen).Nein, auch das Fernsehen weistimmer wieder darauf hin, waserlaubt ist und was nicht.

Im Spiel Eintracht Frankfurtgegen Schalke 04 (30. Spieltag)steht bei einem Freistoß, den derSchalker Bastos kurz vor derStrafraumgrenze ausführen will,die Frankfurter „Mauer“ im eige-nen Straf raum. Als Bastos schießt,springt Stefan Aigner in dieser„Mauer“ hoch, dreht dabei denKörper nach rechts und führt sei-nen linken Arm nach außen in dieFlugbahn des Balles (Foto 3a). Erwehrt den Ball mit diesem Arm ab.Auch wenn der Arm angewinkeltist, so wird er doch deutlich nachaußen zum Ball geführt. Auf demFoto 3b ist der Frankfurter zwardurch seinen VereinskollegenStendera fast verdeckt, aber mankann sehr schön seinen „ohneNot“ herausgestreckten linkenArm erkennen, der im nächstenMoment den Flug des Ballesstoppt.

Schon als Bastos zum Schuss ausholt, dreht sich Stefan Aig-ner aus der „Mauer“.

Aigner (verdeckt) winkelt den Arm weit vom Körper ab.

Schiedsrichter Günter Perl zeigt den protestierenden Frank-furtern den Grund für den Strafstoß an.

Hummels grätscht, sein Gegenspieler Reisinger schiebt ihmden Ball durch die Beine.

Foto 3a

Foto 3b

Foto 3c

Foto 4a

Page 23: Offizielles Magazin für die Schiedsrichter - dfb.de · SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2013 5 seitdem die Fußball-Fans – und nicht nur sie – in ihren Bann zieht. Acht“, die am Premieren-Spieltag

23S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 3

Der berechtigte Strafstoßpfiff vonGünter Perl ließ nicht auf sich warten, genauso wenig wie dieProteste der Frankfurter beimSchiedsrichter. Der wehrte sie sou-verän ab und zeigte mit dem „aus-gefahrenen“ Ellenbogen deutlichan, weswegen er gepfiffen hatte(Foto 3c).

Dass man so eben nicht in einenSchuss hineinspringen darf, müsstesich doch nun wirklich bei allenSpielern herumgesprochen haben.Müsste…

***

Die andere Art von Handspiel,nämlich das unabsichtliche Berüh-ren des Balles, unterlief Mats Hum-mels im Spiel Fortuna Düsseldorfgegen Borussia Dortmund amSpieltag danach. An der eigenenStrafraumgrenze versucht derDortmunder, mit einer GrätscheStefan Reisinger zu stoppen. Dasmisslingt, der Düsseldorfer spieltHummels den Ball durch die Beine(Foto 4a). Hummels kommt nundurch sein Tackling zu Fall und willseinen Sturz mildern, indem ersich mit der rechten Hand amBoden abstützt. Genau dort befin-det sich aber inzwischen der Ball,den der Dortmunder deshalbberührt (Foto 4b).

Hummels‘ gesamter Bewegungs -ablauf ließ keinen Rückschluss aufein absichtliches Handspiel zu. Erentsprach genau dem Verhaltenbei einer Grätsche im Fußball, waralso „natürlich“. Oder, wie es der„Sportschau“-Reporter formulier-te: „Mit angelegten Armen kannman ja nicht grätschen.“ Der Dort-munder befand sich in einer Dre-hung und war ohne Orientierungzum Ball. Schiedsrichter MichaelWeiner ließ deshalb das Spiel zuRecht weiterlaufen.

***

Im Spiel VfB Stuttgart gegenGreuther Fürth landet der Ballnach einem engen Zweikampf desAbwehrspielers Antonio Rüdigermit Felix Klaus (Fürth) bei Stutt-garts Torwart Ulreich, der ihn dannabwirft. Die beiden Spieler befin-

den sich noch im Strafraum. Als derFürther an Rüdiger vorbeigelaufenist, tritt der Stuttgarter ihm von hin-ten in die Beine (Fotos 5a und b).

Während das Spiel weiterläuft,wird Schiedsrichter Guido Wink-mann von seinem Assistenten Norbert Grudzinski per Headsetüber das Geschehen informiert.Der Unparteiische unterbricht das Spiel sofort und zeigt Rüdigerohne zu zögern die Rote Karte.Dass der Tritt des Stuttgartersnicht ungeahndet blieb, sondernumgehend bestraft wurde, ist dererstklassigen Zusammenarbeitzwischen Schiedsrichter und Assis -tent zu verdanken.

Während sich der Sünder wohldachte, jetzt schaut keiner mehrzu mir, da kann ich meinem Gegen-spieler mal eine „verpassen“,hatte Norbert Grudzinski genaudamit gerechnet. Er verfolgte des-halb nicht den Ball, sondern bliebmit seinem Blick bei den beidenKontrahenten des gerade abgelau-fenen Zweikampfs. Und lag damitgoldrichtig. Wann immer die Mög-lichkeit dazu besteht – das Spielge-schehen es also nicht erfordert –sollte ein Assistent seine Augenauch auf die Dinge richten, die hin-ter dem Rücken des Schiedsrich-ters geschehen.

Dieser Tritt gegen einen Gegnerim eigenen Strafraum hatte völligzu Recht einen Strafstoß und dieRote Karte zur Folge.

Auch wenn man in unteren Klas-sen kein Headset zur Verfügunghat: Ein solcher Tritt darf nichtungeahndet bleiben. Wenn mög-lich unterrichtet der Assistentden „Chef“ über die Funkverbin-dung am Arm („Piepser“), aufjeden Fall aber hebt er die Fahne(das ist zusätzlich zum Headsetauch in den Profiligen ange-bracht), um so schnell wie mög-lich für eine Spielunterbrechungzu sorgen und das üble Foulbestrafen zu können.

***

Und noch einmal ging es an die-sem 32. Spieltag um einen Tritt,

Beim Versuch sich abzustützen landet Hummels mit seinerHand auf dem Ball.

Während der Schiedsrichter zum Ball schaut, tritt rechts amBildrand Rüdiger zu.

Die Lupe lässt die unfaire Aktion des Stuttgarters noch deut-licher werden.

Im Vorbeilaufen tritt Zambrano seinem Gegenspieler in dieBeine.

Foto 4b

Foto 5a

Foto 5b

Foto 6a

Page 24: Offizielles Magazin für die Schiedsrichter - dfb.de · SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2013 5 seitdem die Fußball-Fans – und nicht nur sie – in ihren Bann zieht. Acht“, die am Premieren-Spieltag

24 S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 3

Analyse

der ein Stück weg vom Spielge-schehen passierte, und zwar imSpiel Eintracht Frankfurt gegenFortuna Düsseldorf.

Der Ball gelangt nach einer halb-wegs geklärten Situation imFrankfurter Strafraum zu einemDüsseldorfer Spieler auf Rechts-außen. Der Eintracht-Abwehrspie-ler Zambrano läuft parallel zurGrundlinie durch den StrafraumRichtung Spielgeschehen, dascirca 15 Meter entfernt ist. Im Vor-beilaufen tritt er den Düsseldor-fer Malezas mit dem linken Fußvon hinten um (Foto 6a).

Dieses Umtreten eines Gegners imeigenen Strafraum während deslaufenden Spiels ist natürlich miteinem Strafstoß und einem Feld-verweis zu ahnden. Der Schieds-richter hat hier zwar eine sehrgute Position, orientiert sich abermit dem Blick zu Recht in Rich-tung Ball. Zudem verstellt ihm einFrankfurter Spieler die freie Sichtauf die Situation mit Zambranound Malezas (Foto 6b). Sonsthätte er möglicherweise an sei-nem Blickfeldrand die Situation inihrer Bedeutung erkennen kön-nen.

Auch vom Assistenten auf dieserSeite kommt kein Hinweis, da erebenfalls konzentriert dem Spiel-geschehen folgt, das im nächstenMoment eine für ihn kniffligeAbseits-Situation hervorbringenkönnte. Und bedenken muss manauch: In einer solchen Situationeine solch unfaire und völlig sinn-lose Situation wie diesen Tritt zuerwarten, wird zwar immer wiedervom Schiedsrichter-Team gefor-dert („erwarte das Unerwartete“),aber das Spielgeschehen ist hierderart harmlos und „unverdäch-tig“, dass diese Forderung wirk-lich nur ganz schwer zu erfüllenist.

***

Auch, aber nicht nur um die Zu -sammenarbeit im Schiedsrichter-Team ging es bei einer schwierigenSituation im Spiel FC Schalke 04gegen Bayer 04 Leverkusen (29. Spieltag).

Bei einem Eckstoß für Leverkusenkommt es zu einem Zweikampfzwischen Stefan Kießling und demSchalker Marica am Torraum.Dabei prallen beide Spieler mitden Köpfen zusammen (Foto 7a).Marica bleibt am Torraum liegen.Natürlich ist es bei Kopfverletzun-gen immer die beste Lösung, dasSpiel möglichst schnell zu unter-brechen. Der Schiedsrichter oderaber auch der Schiedsrichter-Assistent sollten noch einenMoment mit den Augen bei derSzene bleiben, um möglichstschnell erfassen zu können, wieschwerwiegend die Verletzungsein könnte. Es ist allerdings auchoft nicht leicht zu erkennen, obein Zusammenstoß der Köpfe vor-liegt, zumal der andere Beteiligte(Kießling) in diesem Fall weiterliefund sich nicht einmal selbst denKopf hielt.

Der Ball wird ins Mittelfeld abge-wehrt und dort von einem Lever-kusener Spieler angenommen. Im Nachhinein wäre dies für den Schiedsrichter der besteMoment gewesen, das Spiel zuunterbrechen. Da er das nicht tut,weil er offensichtlich dem Ballfolgt und den am Boden liegen-den Marica nicht registriert, muss eine energische Hilfestel-lung vom Assistenten per Head-set erfolgen.

Nun gab es ja auch mal Zeiten, indenen in einer solchen Situationnicht der Schiedsrichter eingrei-fen musste, sondern die Spielersich nach dem ungeschriebenenGesetz der Fairness verhielten.

Leverkusen aber spielt weiter, der Ball kommt zu Kadlec. Ausseiner Position (Foto 7b) muss er sehen können, dass Maricaimmer noch am Boden liegt.Genauso wie Bender, zu dem erden Ball spielt und der dann inden Schalker Strafraum flankt(Foto 7c). Beide hätten den Ball problemlos ins Aus spielenkönnen.

Höchst bedauerlich, dass derFair-Play-Gedanke in einem sol-chen Moment im Profifußballnichts mehr gilt, sondern die

Für den Schiedsrichter kaum zu erkennen: Ein Frankfurterverdeckt die „Tat“ seines Kollegen.

Ciprian Marica (vorn) und Stefan Kießling stoßen in der Luftmit den Köpfen zusammen.

…Lars Bender, der dann die Flanke in den Strafraum schlägt,die zum 1:0 für die Leverkusener führt.

Während Marica noch am Boden liegt, spielt Michal Kadlec zu…

Foto 6b

Foto 7a

Foto 7b

Foto 7c

Page 25: Offizielles Magazin für die Schiedsrichter - dfb.de · SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2013 5 seitdem die Fußball-Fans – und nicht nur sie – in ihren Bann zieht. Acht“, die am Premieren-Spieltag

25S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 3

Schwächung des Gegners „cle-ver“ ausgenutzt wird. Allerdingsmuss man auch feststellen, dassdurch ständige Schauspielereiund Simulation es für die Gegen-spieler und den Schiedsrichterenorm schwierig geworden ist,sich richtig zu verhalten.

Volker Roth, der deutsche WM-Schiedsrichter von 1986, hat ein-mal gesagt: „Früher wusste manin neun von zehn Fällen, dass einliegen gebliebener Spieler wirk-lich verletzt war, heute ist dasVerhältnis eher umgekehrt.“ BliebMarica also am Boden liegen, weiler hoffte, dadurch eine für seineMannschaft gefährliche Situationentschärfen zu können? Oderhatte er wirklich Schmerzen?

Der „Schwarze Peter“ für solcheFälle ist längst beim Schiedsrich-ter gelandet. Er soll auf Anhieberkennen, wie schwer es einenSpieler getroffen hat: „Das Spielwird unterbrochen, wenn einSpieler nach Ansicht des Schieds-richters ernsthaft verletzt ist“,heißt es in Regel 5. Damit wirdihm eine weitere Bürde aufge-halst, durch die er sich nur denZorn der einen oder anderenSeite zuziehen kann.

Sollte man vielleicht die Anwei-sung geben, zumindest im Straf -raum auf jeden Fall das Spiel zuunterbrechen, wenn ein Akteuram Boden liegen bleibt? Das istwohl eher unrealistisch, denndann würden sich die Abwehr-spieler ja bei jeder Ecke amBoden wälzen. Es bleibt also amSchiedsrichter hängen – so oderso.

In Leverkusen passierte übrigensdas, was passieren musste: Ausder Flanke von Bender fiel das 1:0für dessen Mannschaft. Ein wirk-lich ärgerliches Tor.

***

Auf der folgenden Seite gehen wirnoch auf die wichtigste Situationdes letzten Spieltages der abge-laufenen Saison ein – ein bemer-kenswertes Beispiel für eine mutigeEntscheidung in letzter Sekunde. ■

Nur 15 Euro im Jahr!So entgeht Ihnen keine Ausgabe!

Hier schreiben die Fachleute –alle Informationen aus erster Hand!So einfach geht’s:

Abo-Bestellung an MEDIENHAUS KUPER GmbH, Eduard-Mörike-Straße 36, 52249 Eschweiler.Schriftlich an obige Adresse, per Fax unter 0 24 03/949 949 oder einfach bequem per E-Mail: [email protected]

Page 26: Offizielles Magazin für die Schiedsrichter - dfb.de · SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2013 5 seitdem die Fußball-Fans – und nicht nur sie – in ihren Bann zieht. Acht“, die am Premieren-Spieltag

26 S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 3

Außenansicht

Der „Pfiff des Jahres“Die Leitung des Bundesliga-Spiels zwischen Dortmund und Hoffenheim am 18. Mai war für JochenDrees nervenaufreibender, als man es sich für ein Jubiläumsspiel im Vorfeld wünscht. Dennochmachte der 43-Jährige bei seinem 100. Bundesliga-Einsatz alles richtig. Und den aktuellen Kommen-tar von Florian Grove (SPORT BILD online) wollen wir an dieser Stelle einfach mal so stehen lassen.

Was war das für eine Szene!Eine ganze Saison hing von

einer einzigen Entscheidung ab –und das gleich für zwei Mann-schaften. Relegation oder runter in Liga zwei hieß es für Düsseldorfund Hoffenheim, und das Züngleinan der Waage, oder eigentlich javielmehr an der Pfeife, warSchiedsrichter Jochen Drees.

Nachspielzeit in Dortmund, Hoffen-heim führt 2:1, als BVB-Linksvertei-diger Marcel Schmelzer per Dis-tanzschuss trifft. Hoffenheimstürmt, angeführt von TorwartKoen Casteels, auf LinienrichterBenjamin Brand zu. Der Vorwurf:BVB-Stürmer Robert Lewandowskisoll im Abseits gestanden und imBallweg irritierend aktiv eingegrif-fen haben.

Zählt das Tor, geht Hoffenheim runter, wenn nicht, trifft es Düssel-dorf – mehr Druck geht nicht. Dochdas Schiedsrichter-Team entschei-det fehlerfrei. Dafür gebührt Dreesund Brand ein Sonderlob.

Gegenüber Sky-Mann Ecki Heusererklärte Brand, wie die Szeneabgelaufen war. Brand hatte dem-

nach sofort gesehen, dass Lewan-dowski abseits stand. Die Fahnehatte er aber unten gelassen, weiler nicht einschätzen konnte, ob dieStellung aktiv oder passiv zubewerten war.

Als Drees daraufhin auf Tor ent-schied, machte Brand ihn überFunk auf die Abseitsstellung vonLewandowski aufmerksam. Beide

führten ihre Informationen derSzene zusammen und entschiedendaraufhin, das Tor zurückzuneh-men. Gleich die erste Zeitlupe zeigteklipp und klar, wie goldrichtigdiese Entscheidung war.

Gerade vor dem Hintergrund derpermanent und zu Recht geführtenDiskussion um technische Hilfsmit-tel im Fußball muss man diese Ent-scheidungsfindung von Drees undBrand als bemerkenswert gut her-ausstellen. Oft genug sind dieSchiedsrichter die Leidtragenden,wenn sie von der x-ten Zeitlupeder Fehlentscheidung überführtund prompt für die Spielausgängeverantwortlich gemacht werden.

Man stelle sich mal vor, was loswäre, hätte Drees den Treffergegeben. Hoffenheim wäre zuUnrecht abgestiegen, um möglicheMillionen-Einnahmen im Oberhausgebracht worden. Felix Magath hatimmer gemahnt, dass Fehler nicht

sein dürfen, wo es um so viel Geldund am Ende auch um viele Jobsgeht.

Die Diskussion um technischeHilfsmittel dürfen wir deshalbnicht einstellen. Aber es ist einfachschön, attestieren zu können, dasses die Hilfsmittel diesmal nichtgebraucht hat, weil unsere Unpar-teiischen unter brutalstmöglichemDruck bestmöglich entschiedenhaben.

Assistent Benjamin Brand und Schiedsrichter Jochen Dreesbehielten in der Nachspielzeit die Übersicht und trafen dierichtige Entscheidung.

Durch den Schritt zum Ball wurde die Abseitsposition vonRobert Lewandowski strafbar – und der Dortmunder Aus-gleichstreffer zu Recht aberkannt.

Erfolgreiche Teamleistung:Der Vierte Offizielle StefanTrautmann, Assistent TobiasChrist, Jochen Drees undBenjamin Brand (von links)nach dem Jubiläumsspiel.

Ich hoffe sehr, dass sich Drees undBrand heute feiern für ihre treff -sichere Entscheidung – wobei ichmir auch vorstellen könnte, dasszumindest einer von beiden in derNacht noch mal schweißgebadetaus dem Traum schreckt, der ihmsuggeriert, man habe anders ent-schieden...

Für mich war der Tor-Pfiff, denDrees in Dortmund vor 80.000Fans zurücknahm und nachträglichzum Abseitspfiff ummodelte, die„Schiedsrichter-Entscheidung desJahres“. ■

Page 27: Offizielles Magazin für die Schiedsrichter - dfb.de · SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2013 5 seitdem die Fußball-Fans – und nicht nur sie – in ihren Bann zieht. Acht“, die am Premieren-Spieltag

27S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 3

Blick in die Presse

Dass auch im Handball Aktionenzum Schutz der Schiedsrichternotwendig sind – darüber berich-tet die „Altmark Zeitung“ ausStendal.

Schiedsrichter müssen neutral,hoch konzentriert und in ihrenEntscheidungen vor allem einssein: fehlerlos.

Doch ist dieser Anspruch nochzeitgemäß? Aufgrund jüngsterEreignisse im Handballsport (vermehrt Spielabbrüche aufgrundvermeintlicher Fehlentscheidun-gen) geht der HV Lok Stendal indie Offensive. „Seid fair zu denSchiris!“ ist die Botschaft, welchedie Jugend-Mannschaften des Ver-eins nun auf Trikots nach außenkommunizieren.

„Wir müssen anfangen, die weni-gen Schiedsrichter, die wir haben,zu schützen und zu unterstützen“,lautet die Meinung des StendalerHandballvereins. Schon im Jugend-Bereich beginnen Eltern, Trainerund sogar Spieler, mit aggressivemund provozierendem Verhalten aufdie Entscheidungen der oft nochjungen Unparteiischen einzuwir-ken. Der Trend ist beängstigend.Viele neu gewonnene Schiedsrich-ter mit gutem Entwicklungspoten-zial beenden ihre Schiedsrichter-Karriere bereits im ersten Jahr.

Schon jetzt herrscht Schiedsrich-ter-Mangel im Spielbezirk Nord des Handballverbandes Sachsen-Anhalt, zu dem die Altmark zählt.„Wir haben am Wochenendegrundsätzlich Probleme, Spiele mitSchiedsrichtern zu besetzen“,erklärte Schiedsrichter-Wart Mar-tin Harms jüngst im Gespräch mitder Altmark-Zeitung. Doch wo keinSchiedsrichter, da kein Spiel. Auchdiese Erfahrung mussten viele Ver-eine in der laufenden Saisonmachen.

„Es geht beim Sport vor allemauch um Akzeptanz. Der Respektvor den Schiedsrichtern und ihrenEntscheidungen muss genausogroß sein wie vor den eigenen Mit-spielern, dem Trainer und deranderen Mannschaft. Wichtig istauch, jungen SchiedsrichternRaum für Fehler zu geben“, erklärtBianca Mahlich vom HV Lok. „Mitunserer Kampagne wollen wir zumUmdenken aufrufen. Schon imJugendbereich muss den Spielernvermittelt werden, dass Sportohne Schiedsrichter nicht funktio-niert. Wir wollen damit demAbwärtstrend entgegenwirken undjunge Schiedsrichter motivierennicht aufzugeben.“

Handball: Es geht vor allemum Akzeptanz

Es geht auch ohneSchiedsrichter

Neulinge werdenkenntlich gemacht

Moritz Eisenach berichtet voneinem Turnier der Jüngsten.

Großer Auflauf im FlonheimerAdelbergstadion. Fußball ohneSchiedsrichter – ob das wirklichfunktioniert, wollten viele beimTestturnier der F- und G-Jugendlive erleben. Um es vorwegzuneh-men: Es funktioniert.

Im Flonheimer Adelbergstadionzeigten sich die mit der „Fairplay”-Liga eingeführten Regeländerun-gen auf den ersten Blick. Vielesging anders als gewohnt vonstat-ten. Alle Zuschauer, die Eltern derkleinen Spieler eingeschlossen,standen meterweit entfernt vonihren Sprösslingen. Außerhalb derAschenbahn und hinter einerAbsperrung postiert, beobachtetensie das Geschehen auf dem Platz.„Ich bin da skeptisch bis neutral”,sagte Stefan Steuerwald, dessenSohn Raphael an diesem Tag ohnedie väterlichen Ratschläge vonaußen auskommen musste. „Gutist, dass die Kinder nicht durch dievielen Zurufe irritiert werden”,fand Steuerwald, „aber wenn esnur einer allein ist, der Tipps gibt,könnte das zu wenig sein.” 

Dieser Eine war entweder der Trai-ner oder der Betreuer des jeweili-gen Teams. Sie dürfen sich zwarvergleichsweise näher am Feldaufhalten, wurden aber durch einerelativ kleine „Coachingzone” imBewegungsspielraum einge-schränkt. Damit fanden sich dieBetroffenen ab. Andreas Hauck,Jugendtrainer bei der TuS Nack,sagte: „Anfangs hatte ich einigeVorbehalte gegen diese neuenRegeln.” Aber der Test sei sehrunproblematisch und überra-schend ruhig verlaufen. „Wir mussten so gut wie gar nicht ein-greifen”, berichtete ein sichtlichentspannter Coach. 

Wegen der Abschaffung vonSchiedsrichtern hatten viele Ver -eine im Vorfeld mit chaotischenZuständen auf dem Feld gerechnet.Aber das Gegenteil war der Fall.„Selbst bei Fehlentscheidungenkonnten sich die Jungs ohne zustreiten einig werden”, sagteHauck. Es sei allerdings auch imbisherigen Spielbetrieb in denganz jungen Altersklassen üblichgewesen, dass das Spiel kaumunterbrochen wurde. „Meistensnur bei Ecken und Einwürfen.” 

Den Eindruck, dass die Schieds-richter tatsächlich und entgegenallen vorherigen Zweifeln entbehr-lich sind, bekräftigte auch Staf-felleiterin Yvonne Völker: „Wir vonder Turnierleitung pfeifen nurzweimal. Zum Spielbeginn undzehn Minuten später, wenn es vor-bei ist.” Mehr Pfiffe habe es auchnicht gebraucht. 

Dies war der erste von drei Test-läufen, die im Kreis Alzey-Wormsveranstaltet werden. Ab der kom-menden Saison wird bei den Klei-nen die Spielrunde nach demneuen Modus ausgetragen.

Die Augsburger Allgemeine kün-digt ein interessantes Experimentder Schiedsrichter-Gruppe Illertalan.

Das Amt des Schiedsrichters istkein einfaches. Der Schiedsrichtersoll immer und überall den Über-blick behalten, die Einhaltung derRegeln überwachen, zwischenRecht und Unrecht unterscheidenund es dabei allen recht machen.Jeder erfahrene Schiedsrichterweiß, dass dies eine schwierigeAufgabe ist, aber er kann in derRegel mit der von außen auf ihneindrängenden Kritik umgehen.

Für Anfänger ist dies nicht immerso einfach. Die neue Aufgabeerfordert ihre volle Konzentration,und die ungewohnte Kritik-Situa-tion verunsichert die Neulingedabei zusätzlich. Hier setzt einPilotprojekt der Schiedsrichter-Gruppe Illertal an, das inZusammenarbeit mit dem Ver-bands-Schiedsrichter-Ausschussdes Württembergischen Fußball-verbandes (WFV) gestartet wird –ein Modell, das es in ähnlicherForm schon in vielen anderenBereichen gibt. Vor allem bei Fahr-anfängern im Autoverkehr wurdendabei recht gute Ergebnisseerzielt.

Die Schiedsrichter erhalten einLogo (ein rotes N) für ihr Trikot,mit dem für alle Anwesenden klarerkenntlich ist, dass es sich hierum einen Neuling handelt. Von denTrainern und Vereins-Verantwort-lichen, vor allem aber von densons tigen anwesenden Zuschauernerwarten sich die Verantwortlichendadurch mehr Rücksichtnahme.„Oft wissen die anwesendenZuschauer gar nicht, dass dasSpiel von einem Schiedsrichter-Neuling geleitet wird und schießendann im Eifer des Gefechts aucheinmal über das normale Verhal-ten hinaus“, erläutert AlexanderPaul, Schiedsrichter-Obmann derGruppe Illertal. Und das soll aufkeinen Fall sein.

In den vergangenen Jahren kam es deshalb vermehrt zu Zwischen-fällen, die dazu führten, dassSchiedsrichter-Neulinge das Amtdirekt wieder niederlegten. DasProjekt wird im Anschluss ausge-wertet und den Verbands-Verant-wortlichen vorgestellt.

RHEIN MAIN PRESSE

Page 28: Offizielles Magazin für die Schiedsrichter - dfb.de · SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2013 5 seitdem die Fußball-Fans – und nicht nur sie – in ihren Bann zieht. Acht“, die am Premieren-Spieltag

28 S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 3

Porträt

Bei ihren Bundesliga-Einsätzen werden die Schiedsrichter seit einem Jahr von Physiotherapeuten begleitenalisierung des DFB-Schiedsrichter-Wesens. Dass es dabei um mehr als die bloße Massage vor dem Spiel gSabine Rohleder vor, die regelmäßig im Gladbacher Borussia-Park als Schiedsrichter-Physiotherapeutin im

Die starke Hand der Sc

Bei Menschen, die einen körper-lich fordernden Beruf ausüben,

hat der neutrale Beobachterzumeist gewisse Erwartungen.Sabine Rohleder schaut manzuerst auf die Hände. Denn was fürden Spieler der Fuß und für denSchiedsrichter die Pfeife ist, ist fürdie Physiotherapeutin die Hand.Ihr Arbeitswerkzeug. Damit löst sieVerhärtungen, behandelt Verspan-nungen und prüft, wo ein Schmerzseinen Ursprung hat.

Die Hände von Sabine Rohledersind erfahren und verraten schonbeim bloßen Anblick, dass sie wis-sen, was sie tun. Seit 2001 ist diestudierte SportwissenschaftlerinPhysiotherapeutin, seit 2011 leitetsie ihre eigene Praxis in Köln.Krankengymnastik, manuelle The-rapie, Massage – was im Alltageben so anfällt, wenn ein Patientvom Orthopäden eine Therapieverschrieben bekommt.

Doch Sabine Rohleder ist seit lan-gem auch im Leistungssport zuHause: Ihrer Tätigkeit am Olympia-stützpunkt Rheinland folgte einEngagement bei den Handball-Damen von Bayer Leverkusen, seit2008 unterstützt sie die Frauen-fußball-Nationalmannschaft, seit2010 begleitet sie DFB-Lehrgänge.Im vergangenen Sommer kamdann noch eine weitere Aufgabedazu, in der es Pionierarbeit zu leis -ten galt: Sabine Rohleder betreutdie Schiedsrichter der Bundesliga.

Ihr Einsatzort ist eine der traditions-reichsten Spielstätten des Oberhau -ses. Borussia Mönchen gladbach,Hennes-Weisweiler-Allee 1. An einemFreitagabend im Mai ist hier mäch-tig Betrieb. Der FC Schalke 04 istzu Gast, es geht für beide Mann-schaften noch um den Einzug insinternationale Geschäft. Ausver-

kauftes Haus, Flutlichtspiel. Emotio-nen und Kampf scheinen vorpro-grammiert.

Als die Teams kurz vor 20.30 Uhrden Rasen betreten, als die Zu-schauer sich von ihren Sitzen erhe-ben, als die Vorfreude weicht undder allgemeine Adrenalinspiegel indie Höhe schießt, hat Sabine Rohle-der den größten Teil ihres Arbeits-tages allerdings schon hinter sich.Entspannt sitzt sie in einer derersten Reihen des Stadions undfreut sich auf das Spiel.

Zwei Stunden zuvor: Sabine Roh -leder hat ihre Kölner Praxis hintersich gelassen und erreicht denBorussia-Park. Als Kölnerin nachMönchengladbach, geht das über-haupt? „Die Offiziellen und Ordnerkennen mich ja mittlerweile“, meint

die Physiotherapeutin schmun-zelnd, „da gehören kleine Spitzenund Späße natürlich dazu.“ Aberauch auf der anderen Seite gibt esRivalität: Einige Patienten hättennach Bekanntwerden des Engage-ments beim ungeliebten Nachbarnsogar schon mal angedroht, derPhysiopraxis fernzubleiben. „So vielLokalpatriotismus hat dann letztlichaber doch keiner an den Taggelegt.“

Schließlich geht es ja um die Sache,außerdem behandelt Sabine Roh -leder in Mönchengladbach Schieds-richter aus ganz Deutschland.Heute ist zum Beispiel ein Nieder-sachse an der Reihe. Florian Meyer(44), einer der Erfahrensten undBesten seiner Zunft, wird an diesemAbend die Begegnung zwischenMönchengladbach und Schalke lei-

ten. Unterstützt wird er dabei vonseinen Assistenten Frank Willenborgund Christoph Bornhorst, VierterOffizieller ist Christian Dingert.

In den Katakomben des Borussia-Parks, geschmückt von gerahmtenTrikots ehemaliger Nachwuchsspie-ler der Borussia, hat Sabine Rohle-der ihr eigenes Reich. In der Mittedes Raums steht eine Massagebank.Handtücher und Eis werden beiBedarf vom Verein gestellt, dieBehandlungsutensilien packt sieaus ihrem mitgebrachten Rucksackaus.

Als die Schiedsrichter eintreffen,wird sich herzlich begrüßt. „AmAnfang musste man sich natürlichein bisschen aneinander gewöhnen –es war ja zunächst einmal für alleBeteiligten eine neue Situation“,

Wenn das Bundesliga-Spiel erstmal läuft, hat Physiotherapeutin Sabine Rohleder den größten Teil der

Page 29: Offizielles Magazin für die Schiedsrichter - dfb.de · SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2013 5 seitdem die Fußball-Fans – und nicht nur sie – in ihren Bann zieht. Acht“, die am Premieren-Spieltag

29S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 3

t. Das ist ein Baustein der fortschreitenden Professio-eht, zeigt SRZ-Mitarbeiter Tobias Altehenger. Er stelltEinsatz ist.

hiedsrichter

erinnert sich Sabine Rohleder anden Beginn der Saison. „Da mansich aber im Laufe einer Spielzeitnaturgemäß immer mal wiedertrifft, ergibt sich inzwischen eineganz andere Vertrauensbasis. DieSchiedsrichter freuen sich überden Support, und wir freuen uns,wenn wir helfen können.“

Auch Florian Meyer bewertet dieNeuerung überaus positiv: „Mit derphysiotherapeutischen Betreuungist ein weiterer wertvoller Bausteinzur Optimierung der direkten Spiel -vor- und -nachbereitung geschaf-fen worden“, sagt der Aktivenspre-cher der Bundesliga-Schiedsrich-ter. „Ob zur Verletzungsprophylaxeund Lockerung der Muskulaturunmittelbar vor dem Spiel, zurersten Regenerationsbehandlungnach dem Spiel oder zur sofortigen

Erstversorgung bei akuten Verlet-zungen – die Begleitung durch diePhysiotherapeuten hat sich bestensbewährt und ist schon jetzt nichtmehr wegzudenken.“

Anderthalb Stunden vor dem An -pfiff geht es für das Schiedsrich-ter-Team in die heiße Phase. Undauch die Physiotherapeutin machtsich jetzt bereit. In ihrem Neben-raum wartet Sabine Rohleder aufdie Mitglieder des Schiedsrichter-Teams. Niemand ist gezwungen zukommen, aber die Allermeistenlegen sich gerne vorm Spiel nochmal auf die Bank.

Hierbei geht es allerdings keines-wegs um den Wellness-Faktor. „Kei-ner der Schiedsrichter kommt, um

sich vor dem Spiel nur noch maleben durchkneten zu lassen“, er -klärt die Physiotherapeutin, „daswürde auch überhaupt nichts brin-gen. Aber gerade wenn vieleWochenspieltage und Einsätze iminternationalen Geschäft anstehen,sind die Anforderungen enormhoch. Wenn da mal die Waden ver-härtet sind oder es sonst irgendwozwickt, können ich und meine Kol-legen natürlich gut helfen.“

Heute kommt das gesamte Team.Zwar steht nichts Gravierendes an,aber man ist froh, wenn vor dem

Spiel durch kurze Lockerung undspezielle Dehnübungen möglicheRisiken für eine Verletzung mini-miert werden können. „Natürlichist das nicht allein eine Frage derPhysiotherapie“, weiß Sabine Roh-leder, „ganz zentral ist auch dasrichtige und gründliche Aufwär-men.“

Vollkommen ausschließen kannman eine Verletzung überdiestrotzdem nie. Als im Zweitliga-Spielzwischen 1860 München und Her-tha BSC Berlin vor einigen WochenAssistent Volker Wezel mit Muskel-faserriss gegen Thorsten Schiffner„ausgewechselt“ werden musste,war es sicher keine Frage des fal-schen Aufwärmens. „Man vertrittsich ungünstig im Boden, musseinem Ball ausweichen, kommtfalsch auf – das kann alles passie-ren“, erläutert Sabine Rohleder,„aber auch dafür sind wir ja vorOrt, leisten Erste Hilfe und schauen,was wir machen können, damit esfür den Schiedsrichter oder Assis -tenten eventuell doch noch weiter-gehen kann.“

Kurz vor Beginn des Spiels ist dieStimmung in Mönchengladbach aufdem Konzentrationsmaximum. DieVorbereitung des Teams ist optimalgelaufen. Sabine Rohleder istzufrieden mit dem akribisch durch-geführten Aufwärmprogramm undder Verfassung der Schiedsrichter.Von der Tribüne aus verfolgt sieden Anpfiff und die ersten Sprintsvon Florian, Frank und Christoph.

Auf dem Rasen entwickelt sich der-weil ein enges Spiel, das haupt-sächlich von der Spannung lebt.

Arbeit hinter sich.

Im „richtigen Berufsleben“ betreibt Sabine Rohleder eine Praxis für Sportphysiotherapie in Köln.

Vor dem Spiel nimmt sich Sabine Rohleder rund zehn bis 15 Minuten Zeit für jeden Schiedsrichter.

Page 30: Offizielles Magazin für die Schiedsrichter - dfb.de · SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2013 5 seitdem die Fußball-Fans – und nicht nur sie – in ihren Bann zieht. Acht“, die am Premieren-Spieltag

30 S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 3

Porträt

Florian Meyer und sein Team habenordentlich zu tun, viele intensiveZweikampfszenen im Mittelfeldprägen die Begegnung. Dann istHalbzeit. Sabine Rohleder fragt inder Kabine nach, ob jemand ausdem Team irgendetwas braucht.„Der Fall von Volker Wezel hat jagezeigt, dass auch in 45 Minuten

noch eine ganze Menge passierenkann.“ Heute ist aber glücklicher-weise alles in Ordnung, und SabineRohleder kann ihren Platz zur zwei-ten Halbzeit ohne Zwischenbe-handlung wieder einnehmen.

Dass dieser weitere Schritt zurProfessionalisierung des Schieds-richter-Wesens in der höchstenLiga Deutschlands eingeführtwurde, hat die Physiotherapeutinwenig überrascht. „Letztlich ist esnur logisch und konsequent“,meint sie. „Die Spielgeschwindig-keit hat sich im Vergleich mit demBundesliga-Fußball der 90er-Jahredermaßen erhöht, dass auch dieAnsprüche an die Spielleiterextrem gestiegen sind.“

Mit den Patienten in ihrer KölnerPraxis spricht sie ebenfalls überihren Nebenjob. Hierbei erklärt sieoft, dass sie die Schiedsrichter alseine Art 19. Mannschaft der Bundes-liga betrachtet. „Alle anderen 18Teams haben auch eine eigenephysiotherapeutische Abteilung“,sagt Sabine Rohleder, „führt mansich vor Augen, dass die Schieds-richter im Vergleich mehr Kilome-ter im Spiel zurücklegen als diemeisten Spieler, wäre es ja gerade-zu fahrlässig, auf diese Unterstüt-zung zu verzichten.“ Inzwischenkommen auch einige Schiedsrich-ter aus der 3. Liga oder der Regio-nalliga häufiger bei ihr in der Pra-xis vorbei. „Die wissen natürlich zuschätzen, dass ich mittlerweileeinen ganz guten Überblick überdie Eigenheiten des Schiedsrich-ter-Wesens habe.“

Seitdem die Physiotherapeutin mitden Schiedsrichtern arbeitet, sagtsie, sieht sie Fußballspiele mit völliganderen Augen. „Natürlich gucktman immer noch darauf, wo geradeetwas Brenzliges passiert, aber spä-testens der zweite Blick geht mitt-lerweile automatisch zum Schieds-richter. Auch wenn man zu Hauseam Fernseher sitzt, versucht man,den Schiedsrichter anhand seinesLaufstils zu erkennen – und freutsich natürlich, wenn man einbekanntes Gesicht sieht.“

Während für das Schiedsrichter-Team nach dem Spiel die Analyse

mit dem Coach beginnt, macht sichSabine Rohleder bereit für dieCool-Down-Phase. Für die Schieds-richter und die Assistenten heißtes dann: Auslaufen, Dehnen, Mas-sage. Die Physiotherapeutin fragtbei jedem noch einmal nach, ob esirgendwo zwickt. Die nächsten Ein-sätze sind schließlich nicht weitentfernt.

Dabei ist die Nachbereitung auchimmer von der Stimmung abhän-gig. Sabine Rohleder weiß: „Wenndas Spiel für das Schiedsrichter-Team gut gelaufen ist, ist dieAtmosphäre lockerer. Man plau-dert, ist entspannter – das machtes sowohl für den Therapeuten alsauch für die Schiedsrichter deut-lich angenehmer.“

Dies gilt es dann auch in derBehandlung zu berücksichtigen.Täte sie das nicht, erklärt SabineRohleder, wäre sie schließlich eineschlechte Therapeutin. „Genausofrage ich die Patienten in meinerPraxis ja auch immer, wie es ihnengeht. Man kann eine Behandlungnicht einfach abspulen, sondernmuss diese auch an der aktuellen

Verfassung seines Gegenübersausrichten – bei Schiedsrichternist das selbstverständlich nichtanders.“

In Mönchengladbach ist die Stim-mung gut. Für das Schiedsrichter-Team war es eine knifflige Partie,die gut über die Bühne gebrachtwurde. Die Spannung fällt ab undder Plausch nach dem Spiel etwaslänger aus. Man hat gut harmo-niert und freut sich auf ein Wieder-sehen. Florian Meyer ist zufrieden:„Sabine hat einfach eine sympathi-sche, gewissenhafte und kompe-tente Art und schafft damit beiden Behandlungen immer einepositive Atmosphäre aus Konzen-tration, Anspannung und Locker-heit – es macht Spaß, mit ihrzusammenzuarbeiten.“

Im Borussia-Park gehen derweildie Lichter aus. Zum Saisonfinale,gegen den FC Bayern München, istSabine Rohleder noch einmal vorOrt. In der nächsten Saison geht esdann weiter. Sie packt ihren Ruck -sack und fährt zurück nach Köln.Bis zum nächsten Mal.

Ein bundesweites Netzwerk

Als das Team der Physiothera-peuten vor einem Jahrzusammengestellt wurde, warChristel Arbini (Foto) die Ver-antwortliche dafür: „WichtigeKriterien waren zum einen dieQualifikation – fast alle Physiossind DOSB-Sportphysiothera-peuten – aber auch die Wohn-nähe zu den Bundesliga-Städ-ten“, sagt Arbini. Die Wohnnähesei wichtig, da die Bundesliga-Schiedsrichter auch die soge-nannte Rufbereitschaft inAnspruch nehmen können.„Das heißt, dass die Physiosdann schon am Tag vor demSpiel zur Behandlung ins Hotelgerufen werden.“ In manchenStädten teilen sich die Thera-peuten die Arbeit untereinan-der auf, normalerweise ist aberimmer der gleiche Physio injedem Stadion im Einsatz.

Als Dankeschön für ihre Arbeit hat die Physiotherapeutin voneinem ihrer Patienten ein Trikot erhalten, auf dem vieleSchiedsrichter unterschrieben haben.

Christel Arbini betreut dieSpitzen-Schiedsrichterseit 17 Jahren bei ihrenLehrgängen.

Christel Arbini koordiniert die Physios

Page 31: Offizielles Magazin für die Schiedsrichter - dfb.de · SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2013 5 seitdem die Fußball-Fans – und nicht nur sie – in ihren Bann zieht. Acht“, die am Premieren-Spieltag

31S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 3

Kraftstoffverbrauch innerorts/außerorts/kombiniert: 8,4–5,3/4,9–3,6/6,2–4,2 l/100 km; CO₂-Emissionen kombiniert: 144–109 g/km; Effizienzklasse: C–A+. Die Angaben beziehen sich nicht auf ein einzelnes Fahrzeug und sind nicht Bestandteil des Angebots, sondern dienen allein Vergleichszwecken zwischen verschiedenen Fahrzeugtypen. Das abgebildete Fahrzeug enthält Sonderausstattungen.

Anbieter: Daimler AG, Mercedesstr. 137, 70327 Stuttgart

Verwandelt jeden Kilometer.Der neue CLA. Das viertürige Coupé von Mercedes-Benz. Ungezähmt.

Wenn Design zum Statement wird. Der neue CLA überzeugt nicht nur mit seiner markanten Formen- sprache und dem geringsten Luftwiderstandsbeiwert aller Serienfahrzeuge, sondern auf Wunsch auch mit AMG Line. Genauso außergewöhnlich: #Untamed, eine digitale Photo Installation. Mehr Infos auf www.untamed-installation.com

Eine

Mar

ke d

er D

aim

ler A

G

ab 13. April

Page 32: Offizielles Magazin für die Schiedsrichter - dfb.de · SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2013 5 seitdem die Fußball-Fans – und nicht nur sie – in ihren Bann zieht. Acht“, die am Premieren-Spieltag

32 S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 3

Aus den Verbänden

Hessen

Rheinland

Hamburg

Sportreporter als Schiedsrichter

Mirko Blahak, Sportredakteur beider Tageszeitung „TrierischerVolksfreund“, hat einen Versuchgestartet: Er hat die Schiedsrich-ter-Ausbildung abgelegt und einJuniorenspiel geleitet.

Aufgrund der zurückgehendenSchiedsrichter-Zahlen sollte denLesern eine andere Perspektiveauf die Arbeit von Schiedsrichterneröffnet werden. Des Weiteren soll-ten die Schiedsrichter-Ausbildungsowie die Vorbereitung der Neu-Schiedsrichter auf ihren Job unterdie Lupe genommen werden.

Der Anwärter-Lehrgang über zweiWochenenden hat den Redakteurstark gefordert. „Rasch werden dieRegeln durchgenommen. Das istschon eine Menge Stoff in kurzerZeit“, so Blahak. Zu kurz kommtihm allerdings die Vorbereitung,was einen Schiedsrichter-Neulingin der Praxis erwartet, was er aufden straffen Zeitrahmen zurück -führt.

Beim letzten Teil des Projekts, der Leitung eines C-Junioren-Spiels, konnte Mirko Blahak danndie erlernte Theorie in die Praxisumsetzen. „Ich war durchausetwas nervös“, gesteht der Jour-nalist, „und sehr froh, dass icheinen erfahrenen Schiedsrichter-Betreuer an meiner Seite hatte,der mir bei den einzelnen Abläufenvor und nach dem Spiel ein wichti-ger Helfer war.“ Bei der Spiellei-tung selbst bekam Blahak dann dieSchiedsrichter-Wirklichkeit zu spü-ren. „Ich war überrascht, dass allepaar Sekunden Situationen zubeurteilen waren, und ich merkte,wie schwierig es ist, vermeintlicheinfache Situationen richtig zubewerten.“

Am Abend nach seiner Spielleitunghat er sich dann dabei ertappt, alser bei einem Bundesligaspiel imFernsehen fast nur auf denSchiedsrichter geachtet hat – und

weniger auf das Spiel der beidenTeams. Durch den Lehrgang wurdeBlahak nach eigener Aussagebezüglich der Schiedsrichtereinoch mehr sensibilisiert. Aller-dings sieht er auch Verbesse-rungsbedarf in der Ausbildung.„Neue Schiedsrichter werdenzuweilen zu früh ins kalte Wassergeworfen“, so der Eindruck desSportjournalisten.

Ein durchweg positives Fazit mitwertvollen Ergebnissen zieht Bla-hak nach seinem Einstieg in dieSchiedsrichterei. „Als Reporter istes gut, sich auf diesem Weg inten-siv mit dem Regelwerk zu beschäf-tigen. Der Lehrgang hat mir zudemneue Einblicke in die Arbeit derSchiedsrichter gewährt.“ Des Wei-teren führte der intensive Blick indas Schiedsrichter-Wesen dazu,dass nun wöchentlich im regiona-len Fußballteil des „TrierischenVolksfreund“ ein Regeltest zumMitmachen für jedermann und einSteckbrief eines Unparteiischenabgedruckt werden, in dem aktiveSchiedsrichter aus allen Klassenüber das Schiedsrichter-Wesensowie die ein oder andere persön-liche Anekdote berichten. Eine will-kommene positive Medienpräsenzfür die Schiedsrichter in derRegion Trier.

Marco Thees

Schiedsrichter-Ausschuss neu besetzt

Der Verbands-Schiedsrichter-Aus-schuss des Hamburger Fußball-Verbandes (HFV) wurde auf derturnusmäßigen Fachversammlungneu gewählt. Der VSA-VorsitzendeWilfred Diekert begrüßte die 23anwesenden Vertreter der achtBezirks-Schiedsrichter-Ausschüssein der HFV-Sportschule in Jenfeld.

Frühzeitig hatten die VSA-BeisitzerSven Callies (Lehrwart seit April2003), Werner Schenck (Beobach-tungs-Sachbearbeiter seit April

2005) und Rüdiger Frank (Lehrstabund Futsal-Beauftragter seit Juni2009) bekannt gegeben, dass sienicht wieder kandidieren werden.Ebenso stand Kirstin Warns-Becker,die als Frauen-Beauftragte seitJanuar 2008 kooptiertes Mitgliedim VSA war, nicht mehr zur Verfü-gung. Diekert bedankte sich bei sei-nen langjährigen Mitstreitern imAusschuss mit lobenden Worten fürihr großes ehrenamtliches Engage-ment in den vergangenen Jahren.

Der neue Verbands-Schiedsrichter-Ausschuss (hinten von links): AndreasBandt, Wilfred Diekert, Frank Behrmann und Ludwig Sprengel; vorne: SvenEhlert, Werner Tank, Christian Soltow und Helmut Timmann.

Neu gewählt als Beisitzer wurdenWerner Tank, Sven Ehlert undAndreas Bandt. Wiedergewählt alsBeisitzer wurden Helmut Timmann,Christian Soltow und Frank Behr-mann. Als kooptiertes Mitgliedergänzt weiterhin Ludwig Sprengelden Verbands-Schiedsrichter-Aus-schuss. Der VSA-Vorsitzende Wilfred Diekert stand nicht zurWahl.

Carsten Byernetzki

Zwei Hessen bei Schulfußball-WM

Eine spannende Reise konntenPatrick Glaser (Wiesbaden) undDaniel Losinski (Hofgeismar-Wolf-hagen) im April antreten: Auf Einladung des Französischen Fuß-ballverbandes durften beide alsUnparteiische bei den Schulfuß-ball-Weltmeisterschaften in Bordeaux Spiele leiten.

Der Aufenthalt bei den französi-schen Nachbarn war von zahlrei-chen Highlights geprägt, die beimFlug vom Frankfurter Flughafennach Paris begannen und mit tollen Spielen auf technisch erst-klassigem Niveau in Bordeaux fort-gesetzt wurden. Untergebracht

wurden die jungen Referees ausaller Herren Länder im Sportzen-trum des Erstligisten Girondins deBordeaux. Die Betreuung wurdevon ehemaligen FIFA-Schiedsrich-tern übernommen.

Das Konzept der Schulfußball-WMist einfach und ganz wie bei den„Großen“: Jede Nation kam miteiner Mannschaft aus ihrem Land,welches ein Schul-Internatbetreibt.  Deutschland war  mit demSportgymnasium aus Jena vertre-ten, die deutschen Frauen kamenaus dem Internat von TurbinePotsdam. Da man den deutschenFußball kennt, verwundert eskaum, dass die deutschen Mann-schaften auch stets im Finale sindund für deutsche Schiedsrichtersomit keine Chance besteht, in denEndspielen mitwirken zu können.Genauso kam es auch: Die deut-schen Jungs spielten im Finale

Page 33: Offizielles Magazin für die Schiedsrichter - dfb.de · SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2013 5 seitdem die Fußball-Fans – und nicht nur sie – in ihren Bann zieht. Acht“, die am Premieren-Spieltag

33S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 3

Saarland

Niedersachsen

Zwei Hessen in Bordeaux: DanielLosinski (links) und Patrick Glaservertraten den Hessischen Fußball-Verband bei den Schulfußball-Weltmeisterschaften in Frankreich.

Polnische Schiedsrichterzu Besuch

„Jen dobre“ hieß es Ende Aprilwieder in Braunschweig. Seit nun-mehr acht Jahren besteht einePartnerschaft zwischen demNiedersächsischen Fußballverband(NFV) und dem Fußballverband derRegion Großpolen mit Sitz inPosen, Spielort der EM 2012. ImRahmen dieser Partnerschafterfolgt auch der Austausch vonSchiedsrichtern. So konnten GerritGräbel und Marco Gewecke ausdem NFV-Talentkader sowie derLehrwart des Kreises Braun-schweig und B-Junioren-Bundes -

liga-Schiedsrichter, Björn Märtens,ihre vier aktiven polnischen Kolle-gen und deren Beobachter in ihrerLandessprache begrüßen.

Den Höhepunkt der Austausch-Maßnahmen bilden stets gemein-same Spielleitungen. Dieses Malwurden sowohl ein Spiel der Lan-desliga im Bezirk Braunschweig alsauch eines der A-Junioren-Nieder-sachsenliga von einem polnischenUnparteiischen geleitet. Ihm zurSeite standen jeweils ein polni-scher und ein deutscher Assistent.Bei Dauerregen entwickelten sichzwei kämpferische Partien, die diepolnischen Kameraden gut überdie Bühne brachten. Dabei mach-ten sie auch die ungewohnteErfahrung, wie viel schwerer eineSpielleitung wird, wenn man dieMuttersprache des jeweils anderennicht spricht: „Ist alles in Ord-nung? Bist du zufrieden? Worüberreden die Teams untereinander soviel, die wirken so aufgeregt?“,waren dann auch die besorgtenFragen von Assistent Dawid Pakulaan Jens Goldmann vom NFV-Schiedsrichter-Ausschuss in derHalbzeitpause des Landesliga-Spiels. Der konnte das Team beru-higen, denn die Mannschaftensprachen nicht über das Schieds-richter-Team.

Rund um die Spielaufträge bestehtaber auch ausreichend Zeit, umsich über den Fußball im Allgemei-nen und das Schiedsrichter-Wesenin beiden Verbänden im Besonde-ren auszutauschen und das Gast-geberland zu erkunden. Anzie-hungspunkt für die polnischenGäste bilden dabei stets dieBundesligastadien. In Niedersach-sen schafften es die Fans vonRobert Lewandowski & Co. inner-halb von wenigen Stunden, erst imFanshop von Hannover 96 aufzu-tauchen und dann die Aufstiegs-party von Eintracht Braunschweigzu besuchen.

Voller neuer Eindrücke verließennicht nur die fünf Posener dieneue Bundesligastadt. Auch diedeutschen Gastgeber haben vielüber das Schiedsrichter-Wesen inPolen gelernt und ganz nebenbeiauch noch die Englisch-Kenntnisse

aufpoliert. „Es war ein tollesWochenende, das trotz desschlechten Wetters viel Spaßgemacht hat“, fasste MarcoGewecke seine Erlebnisse zusam-

Ein Austausch,der Früchte trägt

Kürzlich fand im Jupp-Derwall-Gästehaus des SaarländischenFußballverbandes (SFV) in Brauns-hausen das jährliche Arbeitstref-fen des saarländischen Verbands-Schiedsrichter-Ausschusses mitden Kollegen aus Luxemburg statt.Seit nunmehr 22 Jahren pflegendie beiden Nachbarlands-Aus-schüsse regen Kontakt und einenintensiven Austausch. Der saarlän-dische Verbands-Obmann HeribertOhlmann betonte in seinem Gruß-wort: „Ziel ist es, den Austauschweiter zu fördern und zu fordern,nicht nur auf sportlicher, sondernauch auf menschlicher Ebene.“

Der luxemburgische Ausschusswar in Braunshausen mit sechsVertretern zugegen. Neben demPräsidenten Charles Schaack undseinem Vizepräsidenten Jean Lem-mer waren dies Pierre Claude (derauch für die Spielbesetzungzuständig ist), Raymond Flick,

Der saarländische und der luxemburgische Verbands-Schiedsrichter-Aus-schuss beim gemeinsamen Gruppenbild in Braunshausen. Ganz links diebeiden Vorsitzenden Heribert Ohlmann (Saarland) und Charles Schaack(Luxemburg).

Rainier Flenghi und Raymond Weicker. Auch Schaack fand lobendeWorte: „Mehr als 20 Jahre lang istder Austausch schon Teil unseresSchiedsrichter-Wesens. Viele vonuns sind von Anfang an dabei.Anfangs hatte wohl keinergedacht, dass das so lange anhält.Die Mentalität und der Charakterder Luxemburger und Saarländerpassen einfach zusammen. Dabeistehen nicht die finanziellen, sondern überwiegend die kame-radschaftlichen und sportlichenAspekte im Vordergrund. Vieleunserer jungen Kameraden habenim Saarland schon gute und wich-tige Erfahrungen auf dem Weg zumSpitzen-Schiedsrichter gemacht.“

Die in Luxemburg eingesetztenSchiedsrichter aus dem Saarlandhaben in der vergangenen Periodedurchweg gute Bewertungenerhalten. Da auch die luxemburgi-schen Unparteiischen in der Saar-landliga gute Leistungen bringen,sollte der Austausch, so beide Aus-schüsse unisono, auch aus sport-lichen Gründen auf jeden Fall fort-gesetzt werden.

Björn Becker

gegen die Schüler aus der Türkeiund verloren dieses im „Penalty-Schießen“ mit  3:5.

Die nächste Schulfußball-Weltmeis -terschaft findet in zwei Jahren inGuatemala statt – mal sehen, werdann die deutschen Farben in Süd-amerika vertritt. 

Karsten Vollmar

men. Im September 2013 stehtdann der Gegenbesuch in Posenan.

Jens Goldmann

Page 34: Offizielles Magazin für die Schiedsrichter - dfb.de · SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2013 5 seitdem die Fußball-Fans – und nicht nur sie – in ihren Bann zieht. Acht“, die am Premieren-Spieltag

SpielplanImpressum

Vorschau 5/2013

Ein Jahr vor Beginn der Fußball-Weltmeis -terschaft messen sich die Kontinental-Meister in Brasilien im Rahmen des Confederations Cups. Welche Erkenntnissedie Spiele bei der WM-Generalprobe ausSicht der Unparteiischen bringen, analysie-ren wir in der kommenden Ausgabe derSchiedsrichter-Zeitung.

Auch in diesem Sommer treffen sichdie deutschen Spitzen-Schiedsrichterwährend der fußballfreien Zeit zu einemgemeinsamen Trainingslager. DieserTeil der Saison-Vorbereitung findet indiesem Jahr erstmals am Chiemseestatt. David Bittner berichtet über dieThemen, die bei den Unparteiischenzur neuen Saison im Fokus stehen.

Erzielt eine Mannschaft ein Tor, istdies für den Schiedsrichter einbesonders heikler Moment. Innerhalbvon Sekundenbruchteilen muss erentscheiden, ob die Torerzielung korrekt zustande kam – oder ob möglicherweise ein Regelverstoßvorlag. Günther Thielking stellt denaktuellen DFB-Lehrbrief Nr. 50 zu diesem Thema vor.

Report

Trainingslager am Chiemsee

Die Ausgabe erscheint am 16. August 2013.

Lehrarbeit

Tore entscheiden das Spiel

bequem per E-Mail:[email protected]

ABO

Analyse

Ein Blick nach Südamerika

Herausgeber:Deutscher Fußball-Bund e.V. Frankfurt/Main

Verantwortlich für den Inhalt:Ralf Köttker

Koordination:David Bittner, Thomas Dohren

Mitarbeiter dieser Ausgabe:Tobias Altehenger, Marco Haase, David Hennig,Manfred Kobstaedt, Klaus Löw, Bernd Peters,Bianca Riedl, Günther Thielking, Lutz Wagner

Lektorat:Klaus Koltzenburg

Konzeptionelle Beratung:Lutz Lüttig

Bildnachweis:Getty Images, U. Gottschalk, A. Harder, Horst-müller, H. Krämer, imago, O. Schnell, O. Winter

Gestaltung, Satz und Druck:MEDIENHAUS KUPER GmbH, (PEFC/04-31-1514)Eduard-Mörike-Straße 36, 52249 Eschweiler, Telefon 0 24 03 / 94 99 - 0, Fax 0 24 03 / 949 949, E-Mail: [email protected]

Anzeigenleitung: MEDIENHAUS KUPER GmbH, Franz SchönenZurzeit ist die Anzeigenpreisliste vom 1. 1. 2002 gültig.

Erscheinungsweise:Zweimonatlich. Jahresabonnementspreis 15,– Euro. Lieferung ins Ausland oder per Streifband aufAnfrage. Abonnements-Kündigungen sindsechs Wochen vor Ablauf des berechnetenZeitraums dem Abonnements-Vertriebbekannt zu geben.

Zuschriften, soweit sie die Redaktion betref-fen, sind an den Deutschen Fußball-Bund e.V.,Otto-Fleck-Schneise 6, 60528 Frankfurt/Main,[email protected], zu richten.

Vertrieb:MEDIENHAUS KUPER GmbH, Eduard-Mörike-Straße 36, 52249 Eschweiler, Telefon 0 24 03 / 94 99 - 0, Fax 0 24 03 / 949 949, E-Mail: [email protected]

Nachdruck oder anderweitige Verwendungder Texte und Bilder – auch auszugsweise undin elektronischen Systemen – nur mit schrift-licher Genehmigung und Urhebervermerk.

Die DFB-Schiedsrichter-Zeitung wird auf PEFC-zertifiziertem Papier gedruckt.

34 S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 3

Page 35: Offizielles Magazin für die Schiedsrichter - dfb.de · SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2013 5 seitdem die Fußball-Fans – und nicht nur sie – in ihren Bann zieht. Acht“, die am Premieren-Spieltag

DEKRA bringt mit Stadionprüfungen Sicherheit ins Spiel.

Und auch abseits des Rasens bringen wir alles in den grünen Bereich: Weltweit sorgen unsere 28.000 DEKRA Experten aus den Bereichen Automotive, Industrial und Personnel mit neutralem Sachverstand für Sicherheit. Ob Hauptuntersuchung bei Fahrzeugen, Prüfungen, Anlagen- und Gerätesicherheit, Aus- und Weiterbildung oder Umwelt-, Arbeits- und Gesundheitsschutz – so wie die DFB-Schiedsrichter im Stadion, geben auch wir alles für Fairplay.

www.dekra.de Automotive Industrial Personnel

Schutzengel für Hexenkessel.

Page 36: Offizielles Magazin für die Schiedsrichter - dfb.de · SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2013 5 seitdem die Fußball-Fans – und nicht nur sie – in ihren Bann zieht. Acht“, die am Premieren-Spieltag