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Wolfgang Rug ,. I I Die Hetzerbauweise, entwickelt anfangs unseres Jahrhunderts, eröffnete eine neue Ära im Holz- bau. Otto Hetzer (1846 -1911) erfand das Brett- schichtholz. Der Autor berichtet über die Entwick- lung der Hetzerbauweise und zeigt Beispiele ihrer Anwendung. Innovation in timber engineering. The Hetzer methoddeveloped at thebeginning of Dur century openedup a new era in timber construction. Otto Hetzer (1846 -1911) found out the use of glued laminatedtimber structures. Theautor repnrts on the developmentof Hetzer' glulam and points out examplesof its application. 1 Einführung Die Hetzerbauweise, zu Beginn un- seres Jahrhunderts erfunden, revo- lutionierte den Holzbau und eröff- nete eine neue Ära des Bauens mit Holz. Die Herstellung weitge- spannter Holzbauten bis vierzig Meter war damit gegenüber den traditionellen Zimmermannskon- struktionen wirtschaftlich mach- bar. Der harte Wettbewerb zwi- schen dem über Jahrhunderte be- währten Holzbau und den neuen aus künstlichen Baustoffen wie Stahl und Beton bestehenden Bau- .weisen, dem Stahl- und Stahlbe- tonbau, hatte im Zeitraumzwi- schen 1850 und 1900 den Holzbau fast vollständig aus dem Brücken- und Hallenbau verdrängt. geblie- ben waren noch Anwendungsbe- reiche im Wohnbau bei Decken und Dächern und bei Hallen und Brückenbauten mit kleinen Spann- weiten. Das folgende Zitat aus dem Jahre 1913 kennzeichnet die Situa- tion des Holzbaus zu Beginn des 20. Jahrhunderts wie folgt: "... Die Bauarten mit Zement wur- den in fleißigster, oft wohl über- stürzter Weise in der Anwendung verallgemeinert und überall geför- dert, wogegen sich die Bauweisen in Holz des allgemeinel\ Fort- schritts nicht bemächtigten; sie sind allermeist auf Althergebrach- tem stehen geblieben und wurden daher auch vielfach dort zurückge- drängt, wo sie ihre vielhundert- jährige Wesens berechtigung erwie- sen hatten ..." [2]. Dem Weimarer Hofzimmer- meister DUo Hetzer gelang Anfang unseres Jahrhunderts erstmals die dauerhafte industrielle Verklebung von Holzlagen zu ganzen Tragwer- ken. Die damit gewonnene Unab- hängigkeit der Tragwerksgestal- tung von den gewachsenen Dimen- sionen des Holzes sowie die Erzeugung praktisch beliebiger Krümmungen und statisch günsti- ger Querschnitte verbesserte die Leistungsfähigkeit des Holzbaus entscheidend (s. auch [1]). Nachfolgend soll der Entwick- lungsweg dieser wegweisenden In- novation behandelt werden. Dabei soll zunächst die Etappe bis 1925 untersucht werden. In einem zwei- ten Teil wird zu einem späteren Zeitpunkt versucht, die weitere Entwicklung zu skizzieren. 2 Entwicklungsweg von Otto Hetzer Bisher sind nur wenige_Daten aus dem Lebensweg von DUo Hetzer bekannt. Daher läßt sich sein Wir- ken eher aus der Entwicklung sei- nes Betriebes und seiner Erfindun- gen darstellen. DUo Karl Friedrich Hetzer wurde in Kleinobringen nahe bei Weimar am 16.02.1846 geboren. Im Jahre 1872 ließ sich Dtto Hetzer mit einem Dämpfsägewerk und Zimmereigeschäft in Weimar nie- der. Beide Betriebe entwickelten sich zu einem der bedeutendsten Betriebe der in Weimar zu dieser Zeit aufblühenden Baustoffindu- strie. Hetzer beschäftigte im Jahr 1880 etwa 80 Arbeitskräfte. 1883 wurde der Betrieb vergrößert und in "Weimarische Bau- und Parkett- fußbodenfabrik" umbenannt. 1895 verlegte er den Betrieb an den Rand der Stadt. Die schnelle Entwicklung des um 1900 zweitgrößten Betriebes in Weimar führte zu einer starken Überschuldung, weshalb das Un- - ternehmen am 26. Dezember 1901 in eine Aktiengesellschaft über- führt wurde. Hauptaktionäre wa- ren neben Hetzer ein preußischer Staatsminister, ein nordthüringi- scher Waldbesitzer und ein Jenaer Medizinprofessor.1910 schied Dt- to Hetzer aus der Firma aus. Er starb am 18.11.1911 in Weimar. Die weitere Entwicklung der Firma oder das Wirken seiner drei Söhne Karl Faul Hetzer, Waller Ernst Hetzer und DUo Alfred Het- zer für den Holzbau kann zur Zeit aufgrund fehlender Erkenntnisse nicht nachvollzogen werden und ist auch für die nachfolgende Untersuchung der Pionierleistung DUo Hetzers nicht weiter wesent- lich. 3 Entwicklung der Hetzerbauweise bis 1925 Dtto Hetzer widmete sein ganzes berufliches Wirken der Verbesse- rung der Holzverwendung. Eine solche Verbesserung sah er vorran- gig in der Erschließung neuer An- wendungsmöglichkeiten und in der Erhöhung der Dauerhaftigkeit von Holzkonstruktionen. Davon zeu- gen seine Patente und Gebrauchs- muster. So ließ er sich im Jahre 1890 eine Fußbodenkonstruktion paten- tieren, die besonders bei feuch- ten Bauten dem Entstehen von Schwindfugen und dem Schwamm- befall durch eine gezielte Be- und Entlüftungvorbeugte (s. Bild 1). Gleichzeitig ging es ihm dar- um, bisher kaum verwendetes Rot- buchenholz einzusetzen. Er entzog diesem Holz durch geeignete Be- handlung die Proteinstoffe und ver- hinderte somit das gefürchtete Ver- werfen der Hölzer. Der Fußboden bewies hohe Dauerbeständigkeit bei zahlreichen Postgebäuden und anderen öffentlichen Bauten. Durch GebrauchsIl,1Uster ge- schützt wurde ein sogenannter. Klammerdübel, der bei Fachwerk- konstruktionen als zusätzliches BI @ Ernst & Sohn. Bautechnik 71 (1994), Heft 4

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Wolfgang Rug,.II

Die Hetzerbauweise, entwickelt anfangs unseresJahrhunderts, eröffnete eine neue Ära im Holz-bau. Otto Hetzer (1846 -1911) erfand das Brett-schichtholz. Der Autor berichtet über die Entwick-lung der Hetzerbauweise und zeigt Beispiele ihrerAnwendung.

Innovation in timber engineering. The Hetzermethoddevelopedat thebeginningof Durcenturyopenedup a new era in timber construction. OttoHetzer (1846 -1911) found out the use of gluedlaminatedtimber structures. Theautor repnrts onthe developmentof Hetzer' glulam and points outexamplesof its application.

1 Einführung

Die Hetzerbauweise, zu Beginn un-seres Jahrhunderts erfunden, revo-lutionierte den Holzbau und eröff-nete eine neue Ära des Bauens mitHolz. Die Herstellung weitge-spannter Holzbauten bis vierzigMeter war damit gegenüber dentraditionellen Zimmermannskon-struktionen wirtschaftlich mach-bar. Der harte Wettbewerb zwi-schen dem über Jahrhunderte be-währten Holzbau und den neuenaus künstlichen Baustoffen wieStahl und Beton bestehenden Bau-

.weisen, dem Stahl- und Stahlbe-tonbau, hatte im Zeitraumzwi-schen 1850 und 1900 den Holzbaufast vollständig aus dem Brücken-und Hallenbau verdrängt. geblie-ben waren noch Anwendungsbe-reiche im Wohnbau bei Deckenund Dächern und bei Hallen undBrückenbauten mit kleinen Spann-weiten.

Das folgende Zitat aus demJahre 1913 kennzeichnet die Situa-tion des Holzbaus zu Beginn des20. Jahrhunderts wie folgt:"... Die Bauarten mit Zement wur-den in fleißigster, oft wohl über-stürzter Weise in der Anwendungverallgemeinert und überall geför-dert, wogegen sich die Bauweisenin Holz des allgemeinel\ Fort-schritts nicht bemächtigten; siesind allermeist auf Althergebrach-tem stehen geblieben und wurdendaher auch vielfach dort zurückge-drängt, wo sie ihre vielhundert-

jährige Wesensberechtigung erwie-sen hatten ..." [2].

Dem Weimarer Hofzimmer-

meister DUo Hetzer gelang Anfangunseres Jahrhunderts erstmals diedauerhafte industrielle Verklebungvon Holzlagen zu ganzen Tragwer-ken. Die damit gewonnene Unab-hängigkeit der Tragwerksgestal-tung von den gewachsenen Dimen-sionen des Holzes sowie dieErzeugung praktisch beliebigerKrümmungen und statisch günsti-ger Querschnitte verbesserte dieLeistungsfähigkeit des Holzbausentscheidend (s. auch [1]).

Nachfolgend soll der Entwick-lungsweg dieser wegweisenden In-novation behandelt werden. Dabeisoll zunächst die Etappe bis 1925untersucht werden. In einem zwei-ten Teil wird zu einem späterenZeitpunkt versucht, die weitereEntwicklung zu skizzieren.

2 Entwicklungsweg vonOtto Hetzer

Bisher sind nur wenige_Daten ausdem Lebensweg von DUo Hetzerbekannt. Daher läßt sich sein Wir-ken eher aus der Entwicklung sei-nes Betriebes und seiner Erfindun-

gen darstellen.DUo Karl Friedrich Hetzer

wurde in Kleinobringen nahe beiWeimar am 16.02.1846 geboren.Im Jahre 1872 ließ sich Dtto Hetzermit einem Dämpfsägewerk undZimmereigeschäft in Weimar nie-der. Beide Betriebe entwickeltensich zu einem der bedeutendstenBetriebe der in Weimar zu dieserZeit aufblühenden Baustoffindu-strie. Hetzer beschäftigte im Jahr1880 etwa 80 Arbeitskräfte. 1883wurde der Betrieb vergrößert undin "Weimarische Bau- und Parkett-fußbodenfabrik" umbenannt. 1895verlegte er den Betrieb an den Randder Stadt.

Die schnelle Entwicklung desum 1900 zweitgrößten Betriebes inWeimar führte zu einer starkenÜberschuldung, weshalb das Un-

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ternehmen am 26. Dezember 1901in eine Aktiengesellschaft über-führt wurde. Hauptaktionäre wa-ren neben Hetzer ein preußischerStaatsminister, ein nordthüringi-scher Waldbesitzer und ein JenaerMedizinprofessor.1910 schied Dt-to Hetzer aus der Firma aus. Erstarb am 18.11.1911 in Weimar.

Die weitere Entwicklung derFirma oder das Wirken seiner dreiSöhne Karl Faul Hetzer, WallerErnst Hetzer und DUo Alfred Het-zer für den Holzbau kann zur Zeitaufgrund fehlender Erkenntnissenicht nachvollzogen werden undist auch für die nachfolgendeUntersuchung der PionierleistungDUo Hetzers nicht weiter wesent-lich.

3 Entwicklung derHetzerbauweise bis 1925

Dtto Hetzer widmete sein ganzesberufliches Wirken der Verbesse-rung der Holzverwendung. Einesolche Verbesserung sah er vorran-gig in der Erschließung neuer An-wendungsmöglichkeiten und in derErhöhung der Dauerhaftigkeit vonHolzkonstruktionen. Davon zeu-gen seine Patente und Gebrauchs-muster.

So ließ er sich im Jahre 1890eine Fußbodenkonstruktion paten-tieren, die besonders bei feuch-ten Bauten dem Entstehen vonSchwindfugen und dem Schwamm-befall durch eine gezielte Be- undEntlüftungvorbeugte(s.Bild1).

Gleichzeitig ging es ihm dar-um, bisher kaum verwendetes Rot-buchenholz einzusetzen. Er entzogdiesem Holz durch geeignete Be-handlung die Proteinstoffe und ver-hinderte somit das gefürchtete Ver-werfen der Hölzer. Der Fußbodenbewies hohe Dauerbeständigkeitbei zahlreichen Postgebäuden undanderen öffentlichen Bauten.

Durch GebrauchsIl,1Uster ge-schützt wurde ein sogenannter.Klammerdübel, der bei Fachwerk-konstruktionen als zusätzliches BI

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W. Rug . Innovationen im Holzbau- Die Hetzerbauweise

Bild 1. Deutscher FußbodenFig. 1. "German" floor structure

BIBild 2. Fachwerkkonstruktionen unter Verwendung der HetzerschenKlammerdübelFig. 2. Latticed work structures with dowels

Bautechnik71 (1994), Heft 4

Verbindungsmittel eingesetzt wur-de und die Biegemomente derdurchgehenden Bolzen begrenzte(s. Bild 2).

Ein zentraler Punkt seiner in-novativen Überlegungen war die

, gezielte Festigkeitssortierung desHolzes und beanspruchungsge-rechte Anordnung des Holzes nachder Festigkeit.

In Analogie zum Eisenbetonstellte er verschiedene Verbundbal-ken her, bei denen er das festereMaterial, z.B. das druckfestere Bu-chenholz in der Druck- und das

zugfestere Fichtenholz in der Zug-zone anordnete. Zunächst erprobteer etwa ab 1890 Balken mit recht-eckigem Querschnitt mit parabo-lisch gekrümmten Einlagen ausHolz hoher Festigkeit (s. Bild 3).Diese Balken wiesen eine höhereFestigkeit und Tragfähigkeit alsnormale Vollholzbalken auf.

Am 22. Juni 1906 erhielt DttoHetzer dann ein Patent für eine Er-findung, die die Geburtsstunde dermodernen Brettschichtbauweisemarkiert.

Patentiert wurde der Grund-gedanke, ein gebogenes Holzbau-teil in beliebiger Form aus mehre-ren Langholzstäben herzustellen(s. Bild 4). Die einzelnen Stäbe soll-ten über ein in Feuchtigkeit nichtlösbares Bindemittel miteinanderverbunden sein. Bei der Herstel-

lung des Bauteils werden die ein-zelnen Elemente durch Druck zu-sammengefügt. Nach dem Trock-nen des Bindemittels entsteht dannein "untrennbar" verbundenerQuerschnitt.

1907 berichtet die Fachweltüber das erste Bauwerk, bei demdie Dachkonstruktion nach demPatent ausgeführt wurde und dieDeckenbalken aus Verbundbalken

mit parabolischer Brettlage bestan-den. Eingeleitet wird der Beitragdurch die Bemerkung: "Soeben istin Altenburg, Sachsen-Anhalt"(heute Land Thüringen - d.A.) einebemerkenswerte Holzkonstruktionfertiggestellt worden, die von ver-schiedenen Gesichtspunkten ausbesonderes Interesse in Anspruchnehmen kann, nicht nur als einzel-nes Bauwerk an sich, sondern alsAusführungsform einer neuen Bau-weise in Holz, die voraussichtlichbestimmt ist, der Jahrhunderte al-

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Bild 3. Verbundbalken mit parabolisch gekrümmter BrettlageFig. 3. Glued laminated beam with a curved board

Bild 5. Museum AltenburgFig.5. Museum 01Altenburg

ten Baumethode in Holz neues undfrisches Leben einzuflößen" [5](s. Bild 5).

Ausdrücklich hervorgehobenwerden die wirtschaftlichen Vortei-le der,neuen Holzbauweise, die dieWettbewerbsfähigkeit des Holz-baus insgesamt wesentlich verbes-serten.

Bereits bis zum Jahre 1910hatte Qtto Hetzer ungefähr 65Dachkonstruktionen in Brett-schichtbauweise mit Spannweitenbis 45 mausgeführt.

Mit der Hetzerbauweise warman in der Form, in der Länge bzw.dem Bauteilquerschnitt nicht mehran die durch die Natur vorgegebe-nen Stamm durchmesser gebunden.Schwächere Hölzer konnten inder nach statischen und gestalteri-schen Gesichtspunkten gewünsch-ten Form zu weitgespannten Trag-werken gefertigt werden. Qtto Het-zer hat konsequent diese Vorteileausgenutzt. Die Tragwerke wurdenentsprechend der statischen Be-anspruchung dimensioniert, hat!:ten fast immer der statischen Be-anspruchung entsprechende Trä-gerhöhen bei i.a. gleichbleiben-den Gurtquerschnitten. Der Quer-schnitt war stets ein I-Querschnitt(s. auch Bild 6). Bemerkenswertwaren die zur damaligen Zeit

4,6

4

3,6

Vergleich in % 2,6

1,7

1,6

0,6

Eisenbau m~

Holzpfetten.

W. Rug , Innovationen im Holzbau- DieHetzerbauweise

Bild 4. Patent HetzerbauweiseFig. 4. Patent tor Hetzer's construction

4,7

2,2

Eisenbeton Hetzerbauweise

Bauweise

Bild 6. Vergleich verschiedener Bauweisen beim Postmuseum Trier, 1909Fig. 6. Comparison 01different constructions at the Post museum in Trier(Germany)

Tabelle: Gebräuchliche Brettstärken bei der Herstellung von Hetzerkonstruktionen

Bild 7. Gebräuchliche Dimensionierung der Querschnitte von Hetzer-tragwerkenFig. 7. Usual dimensioning 01cross sections 01 Hetzer structures SI

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W.Rug. InnovationenimHolzbau- DieHetzerbauweise

Bild 8. Versuchsvorrichtung für Bruchversuche durchgeführt 1913 in derSchweizFig.8. Equipment forfailure tests (Switzerland1913)

EIl

erzielbaren Preisvorteile der Bau-weise, war sie doch - wie Beispielebelegten - bis zu 50% billigerim Vergleich mit anderen Bau-weisen, vor allem auch im Ver-gleich mit der Stahlbetonbauweise(s. Bild 7).

Schon zwanzig Jahre vor derErteilung des Patentes hatte OttoHetzer durch intensive Versucheund Erprobungen Erfahrungen ge-sammelt. Ihn interessierte vor al-lem die Frage der Dauerhaftigkeitdes Verbindungs mittels in der Ver-bindungsfuge. Erprobt wurden dieKonstruktionen einesteils durchAuslagerung unter extremen Witte-rungsbedingungen im Freien undandererseits bei verschiedenenBauten. So wurden Verbundbal-ken mit 10 m Länge 1890 für meh-rere Säle des Reichstagsgebäudes,für einen provisorischen Bahnhofin Dresden oder bei verschiedenenKasernenbauten eingesetzt.

In amtlichen Materialprüfan-stalten in Berlin und Dresden undim Zusammenhang mit dem Baueiner Lokomotivhalle in derSchweizwurden 1903,1904,1908und 1913 eingehende Untersu-chungen zur Dauerbeständigkeitund der Tragfähigkeit der Ver-bundbalken durchgeführt (s. Bild8). Die Versuche bewiesen eineausreichende Festigkeit der Ver-bindung selbst nach monatelangerLagerung im Freien und Beanspru-chungen unter extremem Witte-rungsverhalten.

Bautechnik71 (1994), Heft4

Die Festigkeit der Balken warhöher als die vergleichbarer Voll-holzbalken, weshalb der Vorschlagunterbreitet wurde, die zulässigenSpannungen für Bauteile aus Fich-te von 60 bis 70 N / mm2 auf80 N / mm2 und provisorische Bau-ten auf 100 ... 120 N / mm2 (bezo-gen auf die Biegebeanspruchung)zu erhöhen, Aus alten statischenBerechnungen erkennt man, daßbei einzelnen Bauten noch hö-here zulässige Spannungen erlaubtwaren.

Die Herstellung der Hetzer-konstruktionen war entscheidendfür die Dauerhaftigkeit der Bautei-le. Hier wurde stets auf "eine sehrsorgfältige fachliche Arbeitsweise"geachtet. Die sorgfältig gehobelten

Holzlamellen bestrich man mitdem maschinell hergestellten Kleb-stoff, legte sie übereinander undverpreßte die Querschnitte mittelsSpindelpresse. Bei normaler Tem-peratur dauerte die Aushärtung desKlebstoffs24Stunden.

Da stets ein I-Querschnitt aus-geführt wurde, achtete man auf ei-ne ausgewogene Proportion zwi-schen Steg und Gurten (s. Bild 6).Die äußeren Gurtlamellen wurdenimmer in ganzer Länge aufgeleimt.Größere Binder stellte man ausmehreren Teilen her, die mananschließend im Stegbereich überHolz- und im Gurtbereich überStahlteillamellen biegefest ver-band. Die Dicke der einzelnenHolzlamellen richtete sich nachder angestrebten Tragwerkskrüm-mung und betrug 15-45 mm. Derkleinste Krümmungshalbmesserbetrug 2 m. Verwendet wurdehauptsächlich völlig lufttrockenesFichtenholz (Rottanne) wegen derbesseren Haftfestigkeit des ange-wendeten Klebstoffes. Die Verwen-dung harzreicherer Hölzer wurdejedoch wegen ihrer besserenWiderstandsfähigkeit gegen Witte-rungseinflüsse besonders bei Bau-teilen im Freien empfohlen.

Bereits 1913 hatten zahlreicheFirmen in Österreich, der Schweiz,Italien und auch in Deutschlanddie Patentrechte erworben (s. Ta-belle 1) und sich zu einem Interes-sen- bzw. Schutzverband mit demZiel gemeinsamer Marketingaufga-ben zusammenschlossen. Sehr in-tensiv wurde die Verbreitung der

Tabelle 1. Lizenznehmer der Hetzerpatente 1913Table 1. Lincences of Hetzer's patents in 1913

L

Land

Deutschland Carl Gotthelf Häbler, GroßschönauZimmermeister Bruno Voigt, GörlitzZimmermeister E. Gehrhardt, KasselZimmermeister Wilhelm Möller, Kiel u.a.

Österreich Zimmermeister Johann Lerchbauer, KlagenfurthStadtzimmermeister Georg Other + Sohn, Graz

Schweiz Terner + ChopardSchweizer Aktiengesellschaft für Hetzerbauweise,Zürich

Italien Ingenieur Burkhard, Mailand

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Bild 9. Dach- und Hallenkonstruktionen in HetzerbauweiseFig. 9. Roof and hall structures according to Hetzer

BI

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W.Rug. InnovationenimHolzbau- DieHetzerbauweise

Bild 10. Bahnhof in MalmöFig.10. Railway station in Malmö (Sweden)

Bild 11. Brücke über die Wies bei BaselFig.11. Bridge across the Wies river near Basel (Switzerland)

.

Hetzerbauweise in der Schweiz be-trieben, wo innerhalb von nurknapp 10 Jahren nach Übernahmeder Lizenz über 200 Bauten ent-standen. Nach 1920 brach diese in-tensive Entwicklung ab. Die ge-meinsamen Interessen zur Verbrei-tung dieser Bauweise wurden nichtmehr so intensiv vertreten. Auchwird es bei einer derartig überhitz-ten Entwicklung zu Qualitätsmän-geln in der Ausführung solcherBauten gekommen sein (s. Gehri in[10]).

Seitz weist deshalb auch 1925darauf hin (s. [8]), daß bei geleim-ten Konstruktionen eine besondere

Sorgfalt zur Vermeidung von Ferti-gungsmängeln unerläßlich ist unddaher geleimte Konstruktionen nurdann angewendet werden sollten:... "wenn eine unmittelbare Durch-feuchtung nicht zu befürchten istund die Ausführung mit erfahre-nem Personal in hierzu eingerichte-ten Betrieben unter dauerndersachverständiger Aufsicht vorge-nommen wird" [8].

Um das Jahr 1925 bis 1926 ver-schwand die Firma Hetzer vomMarkt und mußte wahrscheinlichdurch die Abwanderung qualifi-zierten Zimmererpersonals insAusland (die wirtschaftliche Ent-wicklung in Deutschland war ge-prägt von der Inflation) Konkursanmelden.

Bautechnik71 (1994),Heft4

4 Ausgeführte Bauwerke

Hergestellt wurden hauptsächlichTragwerke ohne große Schub- oderQuerzugbeanspruchungen, wieDreigelenkbogen oder Rahmen-tragwerke. Bild 9 zeigt eine Reihevon ausgeführten Hallenbauten,die zwischen 1911 und 1917 errich-tet wurden. Die Spannweiten lagenzwischen 9 und 22 m

Zu Beginn des 20. Jahrhun-derts setzte sich bei den europäi-schen Eisenbahnverwaltungen dieErkenntnis durch, daß Eisenkon-struktionen für Bahnbauten ge-genüber den Rauchgasen der Loko-motiven sehr korrosionsanfälligsind, und man empfahl, verstärktHolzkonstruktionen aufgrund derhohen Resistenz des Holzes einzu-setzen. In der Folgezeit wurdenvielfach Holzkonstruktionen fürBahnsteigdächer, Bahnhofshallenoder Lok- und Wagenhallen einge-setzt.

Die deutsche Eisenbahnhalleauf der Weltausstellung in Brüssel1910 hatte eine Spannweite vonimmerhin 43 m, und der Holzquer-schnitt war durch eine Spannungvon 136 N Imm2 beansprucht.

Beachtenswerte Bahnbautenentstanden in der Schweiz, wiez. B. die vierschiffige Lokhalle(Spannweite 20 ... 21 m) in Bern,1910 oder in Schweden die Bahn-

hofshallen von Malmö (s. Bild 10),1923 (Spannweite 17,90 m) undStockholm, 1925 (Spannweite40 m), bzw. in Deutschland die Lo-komotivschuppen in Weimar(Spannweite bis 35 m).

Ein weiteres Anwendungsge-biet war der Bau von Ausstellungs-und Industriehallen, die alle inähnlicher Tragwerksform mitSpannweiten zwischen 15 und35 m realisiert wurden. Erprobtwurde die Bauweise auch beiBrückenbauten, so in der Schweizbei zwei Fußgängerbrücken mitSpannweiten zwischen 20 und 35 m(s. Bild 11).

Ab Mitte der zwanziger Jahrewurden größere Spannweiten nichtmehr mit Hetzertragwerken über-brückt. Inzwischen hatte eine ein-setzende Renaissance des Holz-baus nach dem ersten Weltkriegweitere neuere leistungsfähige Holz-bauweisen hervorgebracht, die zu-nehmend an zahlreichen weitge-spannten Bauten erprobt wurden(s. auch [1]).

Literatur

[1] Rug, Wund Böttger, J.c... Holz-bau-Tradition mit Trend - von derZimmerei zum IngenieurholzbauTeil 1: Bauzeitung, Berlin 45 (1991)H. 2, S. 115-117,Teil 2: Bauzeitung, Berlin 45 (1991)H.3, S. 201-204.

[2] Urban, K.A... Denkschrift überHetzer's neue Holzbauweise verfaßtim Auftrag des "Schutzverbandesfür neue Holzbauweise", Weimar1913.

[3] Vogt, W.. Die Bedeutung unddas Werk des Weimarer Zimmer-meisters Otto Hetzer. MitteilungNr. 1I 84 des Pachausschusses Inge-nieurholzbau und des Instituts fürIndustriebau der Bauakademie derDDR vom III. Holzbauseminar inWeimar, Berlin 1984.

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[4] Chopard, Ch.: Bruchversuche mitHetzerbindem. Schweizerische Bau-

zeitung 31. Mai 1913.[5] Bauten der Kaliindustrie (System

Hetzer). Zeitschrift für Gewinnung,Verarbeitung und Verwertung derKalisalze, 1912.

[7] Patent NI. 197773, KaiserlichesPatentamt, 1908.

Anker gegen drückendesGrundwasser

Diegroßflächige Absen-kung des Grundwasser-spiegels im Zuge derDurchführung größererBaumaßnahmen ist inStadtkernen in der Regelnicht mehr gestattet. DieBaugrubenumschließungmuß daher wasserdichtausgeführt werden. Dieskann mit Hilfe vonSchlitzwänden, Bohr-pfahlwänden oder mit inDichtwände eingestellten

Spundwänden in Verbindung mit ei-ner horizontalen Abdichtung derBaugrubensohle geschehen. DieRückverankerung solcher Baugru-ben umschließungen erfolgt meistensmit Verpreßankern.

Die Baugrube Friedrichstadt-Passagen in Berlin wurde mit einereingestellten Spundwand wasser-dicht umschlossen. Die Randbebau-ung um die Baugrube besteht auszwei U-Bahnstrecken aus den Jahren1900 und 1930 und mehreren fünf-stöckigen Bürogebäuden mit einfa-cher Unterkellerung. Da dieses Um-feld sehr setzungsempfindlich ist,durfte bei der Herstellung der Ankerkein Erd- und Wassereintrieb in dieBaugrube erfolgen. Der anstehendeFeinsand und ein Wasserdruck vonbis zu 1,2 bar erschwerten das Vor-haben zusätzlich.

Für die Experten der Bilfinger +Berger Bauaktiengesellschaft stelltediese Aufgabe eine besondere Her-ausforderung dar: Das seit Jahreneingesetzte und bewährte Ankersy-stem mußte den neuen strengen An-forderungen entsprechend weiter-entwickelt werden.

Herstellung der Anker gegeneinenAußenwasserstand von bis zu 12 m

W. Rug . Innovationen im Holzbau - Die HetzerbauweisejBAUTECHNIK aktuell

[8] Seitz, H.: Grundlagen des Inge-nieurholzbaus. Berlin 1925.

[9] Schöne, W.:Historische Quellenund Geschichte des Holzleimbaus.

In: Beiträge zur Geschichte vonTechnik und technische BildungHeft 8,Leipzig1990.

[10] Entwicklungdes ingenieurmäßi-gen Holzbaus seit Grubenmann,

Teil 11:20. Jahrhundert und künftigeMöglichkeiten. Schweizer Inge-nieur und Architekt (1983) 33/34,S.808-815.

Autor dieses Beitrages:Dr.-Ing. WolfgangRug,Recontie-Institutfür Holzbau und Ökologisches Bauen,Berliner Str. 5, 13127 Berlin

Die Übergänge zwischen denverschiedenen Arbeitsphasen bei al-len 1500 hergestellten Verpreßan-kern mit einer GesamtIänge von30000 m wurden sicher beherrscht.

In der Nachbarschaft wird die-ses Ankersystem erneut angewendet.Als Verbau dient eine von der Bilfin-ger + Berger Bauaktiengesellschafterstellte Schlitzwand.

BJ

Bautechnik 71 (1994), Heft 4