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Persönliche PDF-Datei für www.thieme.de Dieser elektronische Sonderdruck ist nur für die Nutzung zu nicht-kommerziellen, persönlichen Zwecken bestimmt (z. B. im Rahmen des fachlichen Austauschs mit einzelnen Kollegen und zur Ver- wendung auf der privaten Homepage des Autors). Diese PDF-Datei ist nicht für die Einstellung in Repositorien vorgesehen, dies gilt auch für soziale und wissenschaftliche Netzwerke und Plattformen. Mit den besten Grüßen vom Georg Thieme Verlag Verlag und Copyright: Georg Thieme Verlag KG Rüdigerstraße 14 70469 Stuttgart ISSN Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlags

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Deck R et al. Rehabilitation mit einem demenzkranken … Rehabilitation

Originalarbeit

Deck Ruth et al. Rehabilitation mit einem demenzkran- ken … Rehabilitation 2018; 00: 00–00

Rehabilitation mit einem demenzkranken Angehörigen: Ergebnisse einer längsschnittlichen Beobachtungstudie

Rehabilitation Program for Persons with Relatives Suffering from Dementia: Results of a Longitudinal Observational Study

AutorenRuth Deck1, Marie-Luise Bussmann1, Janine Simons2, Synan Al-Hashimy3, Michael Stark3

Institute1 Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Universität

zu Lübeck2 Klinik für Neurologie, Universität zu Lübeck3 AMEOS Alzheimer Therapiezentrum Ratzeburg

SchlüsselwörterPflegende Angehörige, Demenz, Rehabilitation mit Demenzerkrankten

Key wordsCaregiving relatives, dementia, rehabilitation with dementia patients

BibliografieDOI https://doi.org/10.1055/a-0613-1232Online-Publikation: 2018Rehabilitation © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York ISSN 0034-3536

KorrespondenzadressePD Dr. Ruth DeckInstitut für Sozialmedizin und EpidemiologieUniversität zu LübeckRatzeburger Allee 16023538 Lü[email protected]

ZuSAMMenfASSung

Hintergrund Pflegende Angehörige von Demenzerkrankten sind erheblichen Belastungen ausgesetzt. Ein multimodales Rehabilitationskonzept, welches die stationäre Behandlung von pflegerisch tätigen Angehörigen zusammen mit den Demenz-kranken ermöglicht, wurde evaluiert.Methodik Schriftliche Befragung von 121 pflegenden Ange-hörigen zu 3 Messzeitpunkten. Erfasst wurden Parameter der subjektiven Gesundheit sowie die Inanspruchnahme von pfle-gerischen und psychosozialen Unterstützungsangeboten im Verlauf.

Ergebnisse Es zeigen sich deutliche gesundheitliche Verbes-serungen am Ende der Rehabilitation. Sechs Monate nach der Rehabilitation gehen die Effekte zurück, erreichen jedoch bei keinem der erfassten Merkmale den Ausgangswert vor der Reha.Schlussfolgerungen Das multimodale Rehabilitationskonzept zeigt zumindest in Teilbereichen nachhaltige Effekte. Diese sowie die hohe Zufriedenheit der Teilnehmer sprechen dafür, dass sich das Rehabilitationskonzept bewährt und mit einem hohen gesundheitlichen Gewinn verbunden ist.

ABStR Act

Background Caregiving relatives of dementia patients are exposed to considerable burdens. A multimodal rehabilitation concept which enables the inpatient treatment of caregiving relatives together with the dementia patients was evaluated.Methods Questionnaire survey including 121 caring relatives at 3 times of measurement. Indicators of subjective health and the use of nursing and psychosocial support services were mea-sured during the course of the study.Results Relevant improvements in health can be seen after rehabilitation. Six months after rehabilitation, the effects de-crease, but do not reach the baseline value before rehabilita tion for any of the variables measured.Conclusion The multimodal rehabilitation concept shows sustainable effects, at least in some variables. In connection with the high level of satisfaction of the participants, the results indicate that the rehabilitation concept is successful and is as-sociated with a large health benefit.

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Originalarbeit

EinleitungIn Deutschland leben derzeit etwa 2,6 Mio. pflegebedürftige Men-schen, davon werden rund 1,86 Mio. zu Hause versorgt [1]. Etwas höher fällt dieser Anteil sogar noch unter an Demenz erkrankten Menschen aus: Rund 80 % der etwa 1,5 Mio. Erkrankten werden zu Hause versorgt [2]. Diese Zahlen beziehen sich allerdings nur auf die Leistungsbezieher nach SGB XI. Bezieht man (noch) nicht leis-tungsberechtigte Personen mit Unterstützungs- und Pflegebedarf mit ein, ist von einer erheblich höheren Zahl auszugehen. Es wird geschätzt, dass insgesamt rund 4 Mio. Menschen derzeit in Deutschland an der Pflege eines Angehörigen im häuslichen Um-feld beteiligt sind, Frauen deutlich häufiger als Männer [3]. Ange-sichts des demografischen Wandels ist von einer Steigerung dieser Zahl in den kommenden Jahren auszugehen. Der Verbleib im häus-lichen Umfeld ist explizites Ziel der Sozialgesetzgebung (§ 3 SGB XI) und entspricht oftmals dem persönlichen Wunsch der Pflege-bedürftigen.

Die häusliche Pflege eines Angehörigen impliziert jedoch für die Pflegepersonen hohe psychische, physische und finanzielle Belas-tungen [4]. Dabei sind die Belastungen besonders hoch, wenn eine Demenzerkrankung die Ursache für die Pflegebedürftigkeit dar-stellt [4]. Die Gründe hierfür liegen in der von umfassenden kogni-tiven, emotionalen und verhaltensbezogenen Veränderungen cha-rakterisierten Symptomatik der Demenz [5, 6]. Neben einer pro-gredient verlaufenden Störung der Merkfähigkeit kommt es zu zeitlicher und räumlicher Desorientierung [7]. Diese führt häufig zu rastlosem nächtlichem Umherwandern und Weglauftendenzen oder auch zu aggressivem Verhalten und psychotischen Sympto-men, sodass Angehörige neben der äußerst ungünstigen Progno-se der Erkrankung mit einem besonderen Pflege- und Betreuungs-bedarf konfrontiert sind.

Die Auswirkungen der Übernahme der Pflege eines demenz-kranken Angehören auf die mentale Gesundheit fassen Sörensen et al. [8] in einer Übersichtsarbeit zusammen und berichten gestei-gertes Stresserleben, höhere Raten an Depressivität und Ängstlich-keit, geringeres subjektives Wohlbefinden sowie reduziertes Selbst-wirksamkeitserleben. Pflegende Angehörige eines Demenzkran-ken geben eine im Vergleich zu gleichaltrigen Nicht-Pflegenden schlechtere Lebensqualität an, und zwar insbesondere im Hinblick auf psychisches Wohlbefinden und soziale Isolation [9]. Gerade die Einschränkung der Freizeitaktivitäten und der sozialen Teilhabe sind häufige, äußerst belastende Folgen der Übernahme der Pflegeve-rantwortung, die sich überdurchschnittlich häufig in der Entwick-lung einer depressiven Störung manifestieren [10].

Auch die physische Gesundheit wird durch die Pflegetätigkeit beeinträchtigt: In einer Metaanalyse werden schlechtere subjekti-ve und objektive Gesundheitsparameter für pflegende Angehörige berichtet [4]. Pflegende Angehörige geben eine gegenüber der Normalbevölkerung um 50 % gesteigerte Symptombelastung an; typischerweise berichtete Beschwerden sind Gliederschmerzen, Erschöpfungsneigung, Magenbeschwerden und Herzbeschwerden [11]. Nicht zuletzt gibt es Hinweise für einen Zusammenhang zwi-schen Belastungserleben der Pflegenden und Überlebens- und In-stitutionalisierungsrate der Demenzerkrankten [12, 13].

Gleichzeitig ist das Belastungserleben pflegender Angehöriger interindividuell sehr verschieden und im Zeitverlauf variabel [6].

Schließlich kann die Pflege eines Angehörigen durchaus auch als sinnstiftende, stabilisierende Tätigkeit wahrgenommen werden [6]. Das Ausmaß der erlebten Belastung scheint einerseits von ob-jektiven Faktoren wie dem Schweregrad der Erkrankung des zu Pfle-genden und soziodemografischen Merkmalen der Pflegeperson abzuhängen. Andererseits scheinen auch Kontextfaktoren wie so-ziale Einbindung, wahrgenommene Unterstützung und die Quali-tät der Beziehung zwischen Pflegendem und Erkrankten eine be-deutende Rolle zu spielen [4, 14].

Diese – durchaus veränderbaren – Kontextfaktoren bieten einen Ansatzpunkt für Interventions- und Unterstützungsangebote, die von pflegenden Angehörigen in Anspruch genommen werden kön-nen. Hierzu gehören neben ambulanten Maßnahmen wie Psycho-edukation, Entspannungsverfahren, Selbsthilfegruppen und psy-chosozialen Dienstleistungen auch stationäre Vorsorge- und Reha-bilitationsleistungen [15]. Letzteren kommt bei der Unterstützung pflegender Angehöriger eine besondere Bedeutung zu. Mit ihrer Zielsetzung der Steigerung der körperlichen, kognitiven und psy-chischen Leistungsfähigkeit können sie pflegende Angehörige dabei unterstützen, die Aufgaben der Pflege besser zu bewältigen. Mit dem Pflege-Neuausrichtungsgesetz von 2012 sind gemäß § 40 und § 23 (SGB V) die Voraussetzungen zur stationären Mitaufnah-me des Pflegebedürftigen geschaffen worden. Bislang gibt es in Deutschland allerdings nur sehr wenige, speziell auf die Bedürfnis-se pflegender Angehöriger ausgerichtete, stationäre Reha-Ange-bote [14]. Bei demenzspezifischen Angeboten handelt es sich in aller Regel um stationäre Therapieangebote für demenzkranke Per-sonen, die parallel auch Unterstützungsleistungen für den pflegen-den Angehörigen vorhalten. Das Alzheimer Therapiezentrum der Neurologischen Klinik Bad Aibling bietet z. B. ein multimodales, zeitlich auf 4 Wochen limitiertes Behandlungsprogramm für De-menzkranke und deren Angehörige an. Rehabilitand ist hier der De-menzerkrankte und nicht der pflegende Angehörige [17]. In einer gerontopsychiatrischen Tagesklinik in Erlangen gehört die Ange-hörigen-Arbeit ebenfalls mit zum Konzept, dessen Ziel es u. a. ist, Angehörige in ihrer positiven Selbstwahrnehmung und sozialen Kompetenz zu stützen, Problemlösungsstrategien zu vermitteln und zu trainieren sowie individuelle Hilfestellung anzubieten [18]. Eine kombinierte Rehabilitation für Demenzkranke und ihren pfle-genden Angehörigen bietet die Memory-Klinik Klausenbach an sowie das Memory & Demenz-Zentrum Schaufling. Die Wirksam-keit auf die Gesundheit und die Belastung der pflegenden Angehö-rigen wurde bislang allerdings noch nicht untersucht.

Das besondere Konzept des AMEOS Reha Klinikum Ratzeburg, Rehabilitationsklinik für Pflegende AngehörigeEinen anderen Weg beschreitet das AMEOS Reha Klinikum Ratze-burg, Rehabilitationsklinik für Pflegende Angehörige, wo im Jahr 2012 ein umfassendes und interdisziplinär ausgerichtetes psycho-somatisches Rehabilitationsprogramm für pflegende Angehörige entwickelt wurde. Als erste Einrichtung in Deutschland spezialisier-te sich die Klinik ausschließlich auf die psychosomatische Behand-lung von Menschen, die einen demenzkranken Angehörigen pfle-gen, wobei der Demenzkranke auf Wunsch mit aufgenommen, ver-sorgt und gefördert wird.

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Um pflegenden Angehörigen eine fachgerechte psychosomati-sche Versorgung zu ermöglichen, ohne dass der Kontakt zum De-menzkranken abreißt, wurde in einem eigenen Bereich für die De-menzbetroffenen ein besonderes Behandlungskonzept entwickelt. Grundlage ist die Beobachtung, dass die meisten pflegenden An-gehörigen eine stationäre Behandlung selbst bei ausgeprägter Be-handlungsbedürftigkeit ohne diese Möglichkeit der Mitaufnahme des erkrankten Angehörigen nicht wahrnehmen würden. Das AMEOS Reha Klinikum Ratzeburg, Rehabilitationsklinik für Pflegen-de Angehörige kann verschiedene Unterbringungsmöglichkeiten für den Demenzkranken in Abhängigkeit vom Umfang seiner Pflege bedürftigkeit anbieten:

▪ Für leichtgradig demente Personen (einschließlich Pflegegrad 2), deren Tag-Nacht-Rhythmus nicht gestört ist, erfolgt die Unterbringung in räumlicher Nähe des Rehabilitanden.

▪ Bei Vorliegen eines Pflegegrades 3 erfolgt die Unterbringung des Demenzkranken in einem eigenen Bereich für die Demenzbetroffenen innerhalb des AMEOS Reha Klinikum Ratzeburg, Rehabilitationsklinik für Pflegende Angehörige, dem sogenannten Angehörigen-Begleitbereich (ABB). So bleibt die Kontaktmöglichkeit zwischen dem Rehabilitanden und seinem demenzerkrankten Angehörigen erhalten. Die Pflegekasse des demenzkranken Angehörigen übernimmt anteilig die Kosten der entsprechenden Kurzzeit- oder Verhinderungspflege.

Im Rahmen des multimodalen Behandlungssettings werden psy-chotherapeutische Einzel- und Gruppensitzungen, ärztliche Visi-ten, pflegerische Schulungen, Ergo-, Kunst-, Musik- und Physiothe-rapie angeboten. Des Weiteren nehmen die Rehabilitanden am au-togenen Training, der Progressiven Muskelentspannung und an demenzspezifischen Angehörigen-Schulungen sowie an der Sozial-beratung teil. Zeitgleich zu den Therapieangeboten des Rehabili-tanden erfolgt eine durchgehende Betreuung und Förderung des dementen Angehörigen, u. a. ebenfalls durch Angebote aus dem Bereich der Kunst-, Musik- und Ergotherapie, sodass sich der Reha-bilitand ganz seinen Therapien widmen kann. Ziel des Reha-Auf-enthaltes ist es u. a., dem Rehabilitanden durch gezielte Therapie, Schulung und Beratung ein Unterstützungsnetz sowie Kraftres-sourcen aufzubauen, um einer eventuellen Dekompensation im häuslichen Rahmen nach Beendigung der Rehabilitation entgegen-zuwirken. Die Dauer der Rehabilitation beträgt im Schnitt 21 Tage, wobei die Rehabilitation je nach Bedarf um ein oder 2 Wochen ver-längert werden kann. Am Ende der Reha erhalten die Rehabilitan-den und die behandelnden Ärzte umfassende Nachsorgeempfeh-lungen, wie ambulante psychotherapeutische Behandlung sowie hochfrequent eine Tagespflege für den Angehörigen.

Mit vorliegender Beobachtungsstudie wurde das Programm eva-luiert. Im Einzelnen wurden folgende Fragen untersucht:1. Welche Eingangsbelastungen weisen pflegende Angehörige

bei Reha-Antritt auf?2. Welche Reha-Effekte werden unmittelbar am Ende der Rehabi-

litation und welche mittelfristig nach 6 Monaten erzielt?3. Wie zufrieden sind die Patienten mit der Rehabilitation und

dem besonderen Konzept der Mitaufnahme des zu pflegenden Angehörigen?

4. Welche pflegerischen und psychosozialen Unterstützungsan-gebote nehmen die Rehabilitanden für sich und für Ihren demenzkranken Angehörigen vor Reha-Antritt und nach 6 Monaten in Anspruch?

Material und Methodik

StudiendesignEs handelte sich um eine monozentrische, längsschnittliche Beob-achtungsstudie mit 3 Messzeitpunkten. Rehabilitanden wurden mit Hilfe selbstauszufüllender, standardisierter Fragebögen zu Beginn, am Ende sowie 6 Monate nach Abschluss der Maßnahme befragt. Die Aussendung eines Erinnerungsschreibens erfolgte, sofern 3 Wochen nach Versand des Fragebogens noch kein Rücklauf zu ver-zeichnen war.

PatientenrekrutierungAlle konsekutiv im Laufe eines Jahres neu aufgenommenen Reha-bilitanden, die in Begleitung eines demenzkranken Angehörigen im AMEOS Reha Klinikum Ratzeburg, Rehabilitationsklinik für Pfle-gende Angehörige aufgenommen wurden, wurden als potentielle Studienteilnehmer angesprochen. Ausschlusskriterien waren das Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung, psychotische Symptoma-tik, Sprachbarrieren sowie kognitive Einschränkungen. Die Reha-bilitanden wurden zunächst mündlich im Rahmen einer Informa-tionsveranstaltung über die Studie informiert und um Teilnahme gebeten. Es wurde schriftliches Informationsmaterial ausgehändigt und bei Vorliegen der entsprechenden Bereitschaft eine schriftli-che Einverständniserklärung eingeholt.

Erhebungs- und MessinstrumenteDie Teilnehmer erhielten einen Fragebogen mit verschiedenen As-sessmentinstrumenten. Es werden nachfolgend die für die vorlie-gende Arbeit relevanten Instrumente benannt. Emotionale Beein-trächtigungen wurden mit der Center for Epidemiologic Studies Depression Scale (CES-D) [19] erfasst. Die CES-D erfragt das Erle-ben depressiver Symptome mit 20 Items. Es wird ein Summenwert gebildet, hohe Werte kennzeichnen hohe psychische Belastungen. Einschränkungen der Teilhabe wurden mit dem Index zur Messung von Einschränkungen der Teilhabe (IMET) [20] erfasst. Dieser er-fragt die subjektive krankheitsbedingte Beeinträchtigung im All-tag mit 9 Items. Es wird ein Summenwert gebildet, hohe Werte kennzeichnen hohe Beeinträchtigungen der Teilhabe. Zur Erfassung von Allgemeinbeschwerden wurde die Somatisierungsskala der Symptom-Checkliste SCL-90 R [21] verwendet. Diese erfasst die subjektiv erlebte Beeinträchtigung durch körperliche Beschwerden mithilfe von 12 Items. Es wird ein Summenwert gebildet, hohe Werte kennzeichnen hohe körperliche Beschwerden. Lebensquali-tät wurde durch den WHOQOL-BREF [22] erfasst. Es handelt sich um eine 26 Items umfassende Kurzversion der WHOQOL-100, wel-che die selbsteingeschätzte Lebensqualität auf den Dimensionen physische Lebensqualität (Schlaf, Arbeits- und Alltagsfähigkeit), psychische Lebensqualität (Angst, Traurigkeit, Konzentrations-fähigkeit), soziale Beziehungen (Freunde) und Umwelt (Sicherheit im täglichen Leben, finanzielles Auskommen) erfasst. Zwei Items dienen der Globalbeurteilung von Lebensqualität und Gesundheit.

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Originalarbeit

Die Werte werden für jede Skala normiert für einen Wertebereich zwischen 0 und 100, hohe Werte sprechen für hohe Lebensquali-tät. Schmerzen in verschiedenen Körperregionen sowie die Inan-spruchnahme von Unterstützungsleistungen für den pflegenden Angehörigen sowie für sich selbst (u. a. Pflegedienst, Selbsthilfe-gruppen, Haushaltshilfe, Seelsorge) wurden mit Einzelitems erfasst.

Auswertung und StatistikDie inferenzstatistische Auswertung erfolgte bei intervallskalier-ten Parametern mittels t-Tests für abhängige Stichproben. Die Ent-wicklung der subjektiven Gesundheit der Studienteilnehmer im Verlauf wurde mit Varianzanalysen mit Messwiederholung unter-sucht. Für nominal- oder ordinalskalierte Daten wurden Kontin-genztafeln erstellt. Darüber hinaus wurden Intragruppen-Effekt-stärken berechnet, wobei die Mittelwertsdifferenzen an den ge-poolten Standardabweichungen standardisiert wurden [23]. Die Effektstärken wurden nach Cohen [24] interpretiert (d > 0,2 kleiner, d > 0,5 mittlerer und d ab 0,8 großer Effekt). Es handelte sich um eine explorative Studie, um auch geringe Unterschiede aufzeigen zu können, wurde trotz multipler Testung keine Alpha-Adjustierung vorgenommen (festgelegtes Signifikanzniveau p < 0,05). Die Daten wurden mit dem Statistikpaket SPSS 22.0 analysiert.

Ethik und ProjektförderungDie Ethikkommission der medizinischen Fakultät der Universität zu Lübeck äußerte keine Bedenken gegen das Studienvorhaben und genehmigte die Studie in ihrer Sitzung am 09. September 2014 (AZ 14-200). Gefördert wurde die Studie von der Forschungsgruppe Geriatrie Lübeck.

Ergebnisse

Studienteilnehmer und DropoutDie Rekrutierung erfolgte ab Januar 2016 und war im Oktober 2016 abgeschlossen. Insgesamt wurden 167 Rehabilitanden zur Teilnah-me an der Studie angesprochen, 159 Rehabilitanden erklärten sich dazu breit. Am Ende der Reha schieden 11 Personen ohne Angabe von Gründen aus der Studie aus. Zur Katamnese nach 6 Monaten schickten 121 Personen einen ausgefüllten Fragebogen zurück (Rücklaufquote 82 %). ▶Abb. 1 zeigt den Probandenfluss.

Eine Dropoutanalyse ergab keine signifikanten Unterschiede zwischen Teilnehmern und Dropout hinsichtlich soziodemografi-scher Merkmale, allerdings schieden Personen, die mehr Zeit mit ihrem demenzkranken Partner verbringen (müssen), häufiger aus der Studie aus. Auch mit Blick auf die gesundheitlichen Beeinträch-tigungen, der Lebensqualität und der sozialen Unterstützung sind keine bedeutsamen Unterschiede zwischen Teilnehmern und Aus-scheidern festzustellen.

StichprobencharakteristikFür 121 Rehabilitanden lagen auswertbare Daten für alle 3 Mess-zeitpunkte vor. Drei Viertel der Teilnehmer waren weiblich, das Durchschnittsalter betrug 75 Jahre. Fast alle Rehabilitanden waren verheiratet; bei der Schulbildung dominierte der Hauptschulab-schluss. ▶tab. 1 gibt einen Überblick über die soziodemografischen Merkmale zu Reha-Beginn.

PflegesituationDie meisten Befragten betreuen ihren Ehepartner, eine Person gibt an, die Mutter zu betreuen, bei 2 weiteren ist es jemand anderes. Die Pflegedauer, in der die Angehörigen zu Hause gepflegt werden, beträgt im Durchschnitt 6 Jahre mit einer Spannweite von einem Jahr bis zu 24 Jahren. Die Pflegenden verbringen im Durchschnitt 12 Stunden pro Tag mit der Pflege, wobei ein Viertel der Befragten rund um die Uhr damit beschäftigt ist.

▶tab. 1 Stichprobencharakteristik.

Geschlecht, N ( %)

männlich 30 (24,8)

weiblich 91 (75,2)

Alter MW (SD; Range) 75 (6,5; 56–88)

Familienstand, N ( %)

ledig / geschieden 2 (1,6)

Verheiratet, mit Partner lebend 119 (98,3)

Schulbildung

Hauptschule /kein Abschluss /anderes 62 (51,3)

Mittlere Reife 33 (27,3)

Fachhochschulreife /Abitur 26 (21,5)

Einkommen

Bis 1500 Euro 21 (18,0)

Bis 2500 Euro 66 (53,8)

Bis 3500 Euro 25 (23,9)

Mehr als 3500 Euro 5 (4,3)

▶Abb. 1 Flussdiagramm zum Studienablauf.

Eligible Rehabilitanden (N = 167)

Studienteilnehmer Reha-Beginn (N = 159)

Auswertbare Fälle Reha-Ende (N = 148)

6-Monatskatamnese (N = 121)

Teilnahmeverweigerer Reha-Beginn (N = 8)keine Angabe (N = 6)zu schwierig/aufwändig (N = 2)

Dropout Reha-Ende (N = 11)

Lost to follow up (N = 27)

nicht erreichbar (N = 1)verstorben (N = 3)

Fehlender Evaluationsbogen (N = 23)

Keine Angabe (N = 11)

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Die häufigsten Diagnosen, die bei den pflegenden Angehörigen zur Rehabilitation geführt haben, sind leicht- oder mittelgradige Depressionen oder Anpassungsstörungen. Die sie begleitenden demenzkranken Angehörigen erhalten in den meisten Fällen (80 %) einen Pflegegrad 1 oder 2.

Die meisten Befragten haben vor der Rehabilitation Unterstüt-zungsangebote für die Pflege der demenzkranken Angehörigen in Anspruch genommen, lediglich 13 Personen nutzen solche Ange-bote nicht. Am häufigsten wird die Tagespflege genannt, an zwei-ter Stelle wird die Unterstützung von Familie, Freunden oder Nach-barn genutzt. Unterstützungsangebote für den Pflegenden selbst werden mit Ausnahme der Familie in nur sehr geringem Ausmaß genutzt (▶tab. 2).

Teilhabe, Allgemeinbeschwerden und Depressivität zu Beginn und am Ende der RehaDie pflegenden Angehörigen beschreiben sich zu Beginn der Reha-bilitation als deutlich beeinträchtigt. Sie geben hohe Beeinträchti-gungen im Alltag bzw. bei der Teilhabe an, leiden unter ausgepräg-ten allgemeinen körperlichen Beschwerden und sie weisen deutli-che psychische Beeinträchtigungen auf. Im Vergleich zu einer gesunden Bevölkerungsstichprobe sind insbesondere die hohen Teilhabeeinschränkungen und die depressiven Verstimmungen auf-fällig. ▶Abb. 2 stellt das Ausmaß der körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen dar.

Die Lebensqualität scheint in den verschiedenen erfassten Be-reichen ebenfalls deutlich reduziert. Auf den Dimensionen physi-sche und psychische Gesundheit sowie bei den sozialen Beziehun-gen erweist sich die Lebensqualität im Vergleich zu einer gesunden Normstichprobe als deutlich eingeschränkt. Bei der Dimension Um-gebung, fühlen sich die Rehabilitanden hingegen nicht so stark be-einträchtigt. ▶Abb. 3 zeigt die verschiedenen Dimensionen der Lebensqualität.

Die Rehabilitanden weisen zu Reha-Beginn sehr hohe Schmerz-belastungen auf. Am häufigsten geben die Rehabilitanden Schmer-zen in Schultern und Nacken an (▶tab. 4).

Am Ende der Rehabilitation lassen sich signifikante Verbesse-rungen feststellen. Das Ausmaß der Allgemeinbeschwerden ist in

▶tab. 2 Inanspruchnahme von Unterstützungsangeboten.

unterstützung für Angehörigen, n ( % ja)

t0 t2 t0–t2 unterstützung für sich selbst, n ( % ja)

t0 t2 t0–t2

p-Wert * p-Wert *

Familie, Freunde, Nachbarn 58 (47,9) 63 (52,1) 0,551 Familie, Freunde, Nachbarn 70 (57,9) 75 (62,0) 0,424

Pflegedienst 39 (32,2) 47 (38,8) 0,169 Alzheimergesellschaft 19 (15,7) 16 (13,2) 0,549

Tagespflege 69 (57,0) 79 (65,3) 0,099 Selbsthilfegruppe 20 (16,5) 19 (15,7) 1,00

Kurzzeitpflege 37 (30,6) 38 (31,4) 1,00 Sozialberatung 13 (10,7) 14 (11,6) 1,00

Ehrenamtliche Helfer 14 (11,6) 10 (8,3) 0,454 Seelsorge 4 (3,3) 4 (3,3) 1,00

Pflegestufe 34 (28,1) 38 (31,4) 0,652 Amb. Psychotherapie 12 (9,9) 9 (7,4) 0,549

Tagesklinik 3 (2,5) 3 (2,5) 1,00 Alzheimertelefon 1 (0,8) 1 (0,8) 1,00

* McNemar-Test

▶Abb. 2 Körperliche und psychische Belastungen der Pflegenden zu Beginn der Reha.

60Mittelwert

Rehabilitanden Normstichprobe

Werte normiert von 0–100, hohe Werte=hohe Beeinträchtigung

50

40

30

20

10

0Teilhabe-

einschränkungenAllgemein-

beschwerdendepressive-

Verstimmungen

▶Abb. 3 Wahrgenommene Lebensqualität zu Beginn der Reha.

100 MittelwertWerte normiert von 0-100, hohe Wertr=hohe Lebensqualität90

Rehabilitanden Normstichprobe

80

70

60

50

40

30

20

10

0Phys.

Gesund-heit

Psych.Gesund-

heit

sozialeBeziehungen

Umgebung Global

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hohem Maße zurückgegangen, noch stärkere Veränderungen zei-gen sich bei den depressiven Verstimmungen. In nicht ganz so gro-ßem Ausmaß verringern sich die Beeinträchtigungen hinsichtlich der Lebensqualität, hier werden für die globale Lebensqualitäts- und Gesundheitseinschätzung aber immer noch mittlere Effekte erreicht (▶tab. 3). Auch die Schmerzbelastungen haben sich am Ende der Rehabilitation bei allen erfassten Schmerzregionen deut-lich reduziert (▶tab. 4).

Sechs Monate nach der RehabilitationPflegesituationSechs Monate nach der Rehabilitation erbringen die Pflegenden – wie vor der Reha – im Durchschnitt 12 Stunden Pflege pro Tag, auch der Anteil derjenigen, die mit ihren Angehörigen rund um die Uhr beschäftigt sind, ist mit 26 % vergleichbar wie vor der Reha. Auch 6 Monate nach der Rehabilitation nehmen die meisten Befragten Unterstützungsangebote für die Pflege der demenzkranken Ange-hörigen in Anspruch. Am häufigsten wird wieder die Tagespflege

▶tab. 4 Schmerzen im Verlauf.

Schmerzen, n ( % ja) t0 t1 t2 t0–t1 t0–t2

p-Wert * p-Wert *

Gesicht 37 (30,6) 25 (20,7) 37 (30,6) 0,050 1,00

Kopf 78 (64,5) 64 (52,9) 71 (58,7) < 0,01 0,311

Nacken 89 (73,6) 88 (72,7) 90 (74,4) 1,00 1,00

Schultern 90 (74,4) 86 (71,1) 99 (81,8) 0,585 0,150

Brustkorb 47 (38,8) 24 (19,8) 49 (40,5) < 0,01 0,880

Arme 53 (43,8) 42 (34,7) 62 (51,2) 0,052 0,233

Finger 73 (60,3) 59 (48,8) 74 (61,2) 0,013 1,00

Bauch 49 (40,5) 33 (27,3) 45 (37,2) < 0,01 0,585

Unterleib 27 (22,3) 17 (14,0) 32 (26,4) 0,087 0,542

Hüfte 76 (62,8) 57 (47,1) 66 (54,5) < 0,01 0,164

Beine 79 (65,3) 73 (60,3) 82 (67,8) 0,307 0,690

Füße 69 (57,0) 61 (50,4) 69 (57,0) 0,185 1,00

* McNemar-Test

▶tab. 3 Veränderung von subjektiver Gesundheit, Teilhabe und Lebensqualität nach der Reha und nach 6 Monaten.

Messzeitpunkte, M (SD) SRM1 p-Werte2

t0 t1 t2 t0–t1 t0–t2 Zeit

primäre Zielgröße

Depressivität, CES-D (0–60) 24,02 (10,97) 12,85 (7,93) 21,63 (10,53) 1,38 0,28 < 0,01

sekundäre Zielgrößen

Allgemeinbeschwerden, SCL-90 R (0–48) 10,19 (6,87) 6,09 (5,36) 9,12 (6,47 ) 0,75 0,17 < 0,01

Lebensqualität global, WHOQOL BREF (0–100) 46,36 (17,60) 58,76 (18,73) 50,96 (17,68) 0,61 0,27 < 0,01

Teilhabe, IMET (0–90) 41,42 (18,45) * 38,37 (20,07) * 0,13 0,167

Phys. Gesundheit, WHOQOL BREF (0–100) 56,53 (16,45) * 59,11 (16,02) * 0,17 0,064

Psych. Gesundheit, WHOQOL BREF (0–100) 54,79 (18,31) * 57,40 (17,43) * 0,18 0,052

Soz. Beziehungen, WHOQOL BREF (0–100) 53,66 (18,89) * 56,58 (18,29) * 0,16 0,075

Umgebung, WHOQOL BREF (0–100) 68,33 (13,85) * 71,28 (12,93) * 0,25 < 0,01

1 standardized response mean; 2 F-Tests; * Merkmal am Ende der Reha nicht erhoben

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genannt, an zweiter Stelle wird die Unterstützung von Familie, Freu-den oder Nachbarn genutzt. Insgesamt nehmen die pflegenden Angehörigen nach der Rehabilitation häufiger Unterstützungsange-bote für den dementen Partner in Anspruch, die Unterschiede sind allerdings gering und erreichen keine statistische Signifikanz. Die Inanspruchnahme von Unterstützungsangeboten für den Pflegen-den selbst hat sich im Vergleich zur Situation vor der Reha so gut wie nicht verändert (▶tab. 2)

Subjektive Gesundheit, Teilhabe und LebensqualitätSechs Monate nach der Rehabilitation lassen sich die in der Reha erreichten Effekte nicht in vollem Umfang aufrechterhalten. Bei allen Parametern, die zu 3 Messzeitpunkten erfasst werden, liegen die angegebenen Belastungen aber noch unter dem Ausgangswert zu Beginn der Rehabilitation. Die Effekte 6 Monate nach der Reha-bilitation sind mit Ausnahme der Allgemeinbeschwerden immer noch signifikant mit kleinen Effektgrößen (▶tab. 3.).

Teilhabe, Unterskalen zur Lebensqualität und wahrgenomme-ne soziale Unterstützung wurden aus inhaltlichen Gründen zu 2 Messzeitpunkten, vor und 6 Monate nach der Rehabilitation, erho-ben. Bei den einzelnen Parametern zeigen sich sechs Monate nach der Rehabilitation eher geringe Veränderungen, einzig die Subska-la „Umwelt“ erreicht einen kleinen, signifikanten Effekt (▶tab. 3).

Die Schmerzen der Rehabilitanden haben sich 6 Monate nach der Reha wieder erhöht. Sie erreichen bei allen erfassten Schmerz-regionen wieder die Ausgangsbelastung oder liegen darüber (▶tab. 4).

Zufriedenheit mit der RehabilitationDer Reha-Aufenthalt, die ärztliche und therapeutische Behandlung werden von den meisten Patienten ( > 80 %) positiv bewertet. Die neue Rehabilitationsform zusammen mit dem demenzkranken An-gehörigen wird von den Rehabilitanden als wichtige Möglichkeit gesehen, überhaupt ein rehabilitatives Angebot in Anspruch zu nehmen. So gaben 86 % der Befragten an, dass sie ohne ihren de-menzkranken Angehörigen keine Rehabilitation in Anspruch ge-nommen hätten. Zwei Drittel konnten die Behandlungen entspannt in Anspruch nehmen, da sie wussten, dass ihr Angehöriger gut ver-sorgt ist.

Neben der standardisierten Befragung hatten die pflegenden Angehörigen die Möglichkeit, im Fragebogen freie persönliche An-merkungen zum Reha-Konzept zu ergänzen. Daraus lassen sich As-pekte der Compliance und der Transferierbarkeit des Konzepts ab-leiten. Viele Teilnehmer loben das Konzept und die gute Betreuung des Angehörigen und beschreiben, dass sie aus der Reha viel mit-nehmen konnten:

„Ich habe gelernt, mich von meiner Frau abzugrenzen und stär-ker meine eigene Person wahrzunehmen“.

„Ich habe die Zeit in der Reha-Klinik sehr positiv empfunden. Die Therapieangebote waren für mich sehr hilfreich, weil ich viel ge-lernt habe. Ich konnte mich entspannen und wieder meine Kräfte sammeln. Dafür bin ich dankbar“.

Die eigene Reha wurde als sehr entlastend empfunden und auch eine subjektiv erlebte positive Wirkung auf die demenzkranken An-gehörigen wurde geäußert, das Pflegepersonal wurde als sehr freundlich und zugewandt beschrieben:

„[…]vielen Dank an das Pflegepersonal. Den Umgang mit mei-ner Frau erlebte ich stets meinen Vorstellungen [entsprechend] – lieb und herzlich“.

DiskussionPflegende Angehörige von Demenzerkrankten sind erheblichen Belastungen ausgesetzt. Nicht selten führen diese Belastungen zu gesundheitlichen und emotionalen Beeinträchtigungen und die Pflegenden benötigen selbst Hilfe. Diese wird jedoch häufig nicht in Anspruch genommen, da die Pflege des Demenzkranken unger-ne anderen überlassen wird. Das AMEOS Reha Klinikum Ratzeburg, Rehabilitationsklinik für Pflegende Angehörige hat ein multimoda-les Rehabilitationskonzept entwickelt, welches die stationäre Be-handlung von pflegerisch tätigen Angehörigen von Demenzkran-ken umfasst, dazu gehören psychologische Einzel- und Gruppen-sitzungen, Angehörigenschulungen und Sozialberatung. Die demenzkranken Familienmitglieder werden mit aufgenommen und betreut.

Die zu Beginn der Rehabilitation von den Teilnehmern geschil-derten Beeinträchtigungen spiegeln die besondere belastende Si-tuation der Pflege eines demenzkranken Angehörigen wider. Dies steht im Einklang mit den Ergebnissen weiterer Studien zur Belas-tungssituation von pflegenden Angehörigen, in der sich erhöhte Depressivitätswerte und eine verringerte Lebensqualität ergaben [25, 26]. Die deutlichen gesundheitlichen Verbesserungen, die Stei-gerung der Lebensqualität und die hohe Zufriedenheit der Teilneh-mer zeigen, dass eine Rehabilitation mit dem demenzkranken An-gehörigen mit einem hohen gesundheitlichen Gewinn verbunden ist. Ähnlich positive Ergebnisse zeigt die Evaluationsstudie des Alz-heimer Therapiezentrum Bad Aibling, hier werden eine geringere Depressivität und weniger psychopathologische Symptome der Demenzkranken sowie ein gesteigertes psychisches Wohlbefinden der begleitenden Angehörigen berichtet [17]. Allerdings handelte es sich bei den meisten Angehörigen nicht um Pflegende.

Sechs Monate nach der Rehabilitation haben sich die Effekte sämtlicher Gesundheitsparameter wieder reduziert, liegen aber weiterhin unter dem Ausgangswert. Dass ein Rückgang der Effek-te möglich ist, wurde von Klinikmitarbeitern im Rahmen der Studie antizipiert. Primär wurde die Ursache im raschen Fortschreiten der demenziellen Erkrankung und den damit verbundenen Belastun-gen gesehen. Die Chancen, das Gelernte unter solchen Bedingun-gen längerfristig umzusetzen, wurden als schwierig eingeschätzt. Um den Rückgang der Reha-Erfolge zu vermeiden, bedarf es einer auf die Bedürfnisse der pflegenden Angehörigen ausgerichteten Nachsorge. Wie diese ausgestaltet werden könnte, muss im Rah-men weiterer Forschung thematisiert werden.

Die zu Beginn genannten und am Ende deutlich reduzierten Schmerzen nehmen 6 Monate nach der Rehabilitation wieder deut-lich zu, z. T. liegt die genannte Schmerzprävalenz über dem Aus-gangswert. Warum die Schmerzwahrnehmung nur kurzfristig, aber nicht nachhaltig positiv beeinflusst werden konnte, kann mit den vorliegenden Daten nicht beantwortet werden. Vermutlich bewirkt der Übergang aus einem entlastenden Setting in einen mit dem Demenzkranken sehr fordernden Alltag eine höhere Sensibilität für das Auftreten von Schmerzen. Andererseits können sich psychische Belastungen, die durch die häusliche Pflege entstehen, in körper-

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Originalarbeit

lichen Schmerzen äußern. Nicht zuletzt muss auch hier beachtet werden, dass die Demenz eine fortschreitende Erkrankung ist, die kontinuierlich zunehmenden Pflegeaufwand, auch in körperlicher Hinsicht, für den pflegenden Angehörigen bedeutet.

In diesem Zusammenhang sind potentiell entlastende Unter-stützungssysteme für den Demenzkranken von besonderer Bedeu-tung. Diese werden nach der Rehabilitation in stärkerem Ausmaß genutzt. Dies spricht dafür, dass sich die pflegenden Angehörigen Unterstützungsangeboten für ihren demenzkranken Angehörigen verstärkt öffnen können. Insgesamt ist die Inanspruchnahme von Hilfen aber noch stark ausbaufähig. Die Inanspruchnahme von Hil-fen für sich selbst ist bei den Pflegenden mit Ausnahme der Familie gering ausgeprägt. Hier zeigt sich, trotz der Nachsorgeempfehlun-gen für Pflegende und nachbehandelnde Ärzte am Ende der Reha, auch keine Veränderung nach der Rehabilitation. Gerade vor dem Hintergrund der enormen Belastungen der Pflegenden birgt das ein gesundheitliches Risiko. Warum die Pflegenden auf unterstützen-de Systeme für sich selbst und z. T. auch für ihren Angehörigen ver-zichten, kann im Rahmen der vorliegenden Studie nicht beantwor-tet werden, ist aber ein Thema, das weiter verfolgt werden sollte.

Danksagung Wir danken den Mitarbeiterinnen Frau Wetzk und Frau Borgwardt des AMEOS Reha Klinikum Ratzeburg, Rehabilitationsklinik für Pfle-gende Angehörige, die hervorragende Arbeit bei der Rekrutierung der Patienten geleistet haben. Ferner danken wir allen Rehabilitan-den, die unseren Fragebogen zu mehreren Zeitpunkten ausgefüllt haben.

Interessenkonflikt

Synan Al-Hashimi ist Chefarzt des AMEOS Reha Klinikum Ratzeburg, Rehabilitationsklinik für Pflegende Angehörige, in der die Teilnehmer der Studie rekrutiert wurden; Michael Stark ist Geschäftsführer der AMEOS Einrichtungen. Die Autoren geben an, dass kein weiterer Interessenkonflikt besteht.

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KeRnBotScHAftPflegende Angehörige von Demenzkranken sind hohen körperlichen und psychischen Belastungen ausgesetzt. Unterstützungsleistungen nehmen sie nur begrenzt in Anspruch, eine Rehabilitation ohne ihren Angehörigen würden die meisten Pflegenden nicht wahrnehmen. Das Konzept des AMEOS Reha Klinikum Ratzeburg, Rehabilitati-onsklinik für Pflegende Angehörige füllt somit eine wichtige Versorgungslücke. Die gesundheitlichen Effekte und die hohe Zufriedenheit der Patienten mit dem Konzept sprechen dafür, dass das Modell mit einem hohen subjekti-ven Nutzen für die Betroffenen verbunden ist.

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