Physik griffbereit: Definitionen — Gesetze — Theorien

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B. M. JAWOHSKI und A. A. DETLAF Physik griffbereit

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Physik griffbereit
Physik griffhereit Definitionen - Gesetze - Theorien
In deutscher Sprache herausgegeben
Mit 259 Abbildungen und 26 Tabellen
AKADEMIE-VERLAG . BERLIN
CDpaBOQHlm DO q,H3HHe
Verlag NAUKA, Moskau
Erschienen im Akadomie-Verlag GmbH, 108 Berlin, Leipziger Stralle 3-4
Von Verlag Vieweg L abbn GmbH, Braunschweig, genehmigte Lizenzausgabe
© Copyright 1972 by Verlag Vieweg + Sobn, Braunschweig Softcover reprint of the hardcover 1st edition 1972
Lizcnznummer: 202 . 100/608/71
Bestellnumn.er: 761 351 7 (5738) • ES 18 B 1
24,80
Vorwort zur vierten russischen Auflage
Die vierte Auflage des "Lehrbuehs der Physik" wurde gegen­ iiber den vorangegangenen Auflagen stark iiberarbeitet. Die Teile V und VI iiber Wellenvorgange, Optik, Atom- und Kernphysik wurden praktiseh neu gesehrieben. Teil IV: Elektrizitat und Magnetismus wurde ebenfalls weitgehend umgearbeitet. Zahlreiehe Kapitel dieser Teile wurden er­ weitert und ergiinzt. Sowohl das internationale als aueh das GAusssehe MaBsystem werden in diesem Lehrbueh kon­ sequent benutzt. Eine Ausnahme bildet das Kapitel 12 in Teil IV ii ber die Grundlagen der Magnetohydrodynamik, da es den Verfassern leider nieht mehr moglieh war, dieses Kapitel zur vorliegenden Auflage umzuarbeiten. Aueh einige Kapitel der ubrigen Teile wurden stark geandert, so z. B. Kapitel 5 von Teil I iiber die Grundlagen der ana­ lytisehen Meehanik und die Kapitel 10 und 11 von Teil II uber amorphe Stoffe bzw. uber Polymere usw. 1m iibrigen Text wurden Auderungen vorgenommen und Fehler beriehtigt, wo immer solche in den fruheren Auflagen festgestellt werden konnten. Die Verfasser danken an dieser Stelle aueh allen denjenigen Lesern ganz herzlieh, die dureh sehriftliche oder miindliehe Mitteilung von Bemerkungen und Wiinsehen die vierte Auf­ lage mit vorbereitcn halfen. Gleiehzeitig hoffen die Verfasser aueh auf Kritik zur vorliegenden Auflage, da ihnen diese bei ihrer weiteren Arbeit an dem Lehrbueh sehr zustatten kommt.
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Vorwort des Vbersetzers
In Moskau, in New York und in Innsbruck stand ich vor der studentischen Frage nach der Stoffabgrenzung fiir Prii­ fungen, vor dem Problem "Was ist wichtig?". Es ist ein weltweites Problem, daB heute leider nur sehr wenige Studierende in der Lage sind, so selbstandig in den Stoff einzudringen, daB sie die Entscheidung iiber die relative "Wichtigkeit" eines Teilgebietes selbst treffen konnen. Herrn Prof. Dr. A. N. TICHONOW von der Mathematisch­ Physikalischen Fakultat der Staatlichen Lomonossow-Uni­ versitat Moskau verdanke ich den Hinweis auf das Werk von JAWORSKI-DETLAF, Lehrbuch der Physik, das nach meiner Meinung genau dic eingangs gestellte Frage nach einem international iiblichen "Grundwissen der Physik" beant­ wortet. lch bin daher dem Verlag Vieweg, Braunschweig, und dem Akademie-Verlag, Berlin, sehr dankbar, daB sie meine Anregung, eine deutsehe Ausgabe dieses Werkes herauszu­ bringen, aufgegriffen haben. Da international die in Mitteleuropa bei der Physikausbil­ dung leider noeh iibliche Aufteilung in "experimentelle" und "theoretisehe" Physik nicht mehr besteht, ist es schwer zu sagen, ob das vorliegende Werk der experimentellen oder der theoretischen Physik zuzuordnen sei. Da MeBmethoden, Apparate und MeBergebnisse nieht behandelt werden, miiBte man es nach mitteleuropaischem Sprachgebraueh eher der theoretisehen Physik zuordnen. Es enthalt naeh meiner Meinung und der einiger Faehkollegen, mit denen ich dariiber diskutieren konnte, gerade das international iibliche Mini­ mum an allgemeiner bzw. "theoretischer" Physik, das man bei jedem Physiker - gleich ob experimenteller oder theo­ retischer Riehtung - als selbstverstandlich voraussetzen kann.
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Den groBen Vorteil dieses Buches sehe ich darin, daB es kein Lehrbuch ist, sondern ein Repetitorium, ein knapp gefaBtes Nachschlagewerk. Deshalb eignet es sich besonders zur Vor­ bereitung fUr die Vorlesung, fur das Wiederholen des Vor­ lesungsstoffes und das Erarbeiten des Prufungsstoffes. Nicht zuletzt wird man dieses Buch immer dann gern zur Hand nehmen, wenn man sich im Berufsleben einzelne Teilgebiete der Physik ins Gedachtnis zuruckrufen mochte. Meinen Mitarbeitern, den Herren Dr. BIHELLER und Dr. TINHOFER, danke ich fur die Hilfe bei der Dbersetzung.
Innsbruck, Sommer 1970 F.OAP
I. Die pbysikaliscben Grundlagen der klassiscben Mecbanik
1. Die Kinematik des Massenpunktes und des starren Korpers 19 1.1. Die Grundbegriffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 1.2. Die Geschwindigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . 24 1.3. Die Beschleunigung . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 1.4. Translations- und Rotationsbewegung eines starren Korpers 29 1.5. Absolutbewegung, Relativbewegung und Fiihrungs-
bewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1.6. Einige Falle zusammengesetzter Bewegungen eines starren
Korpers . . . . . . . . . . . . . . . 36
2. Die Dynamik der Translationsbewegung 39 2.1. Das erste NEWToNsche Gesetz 39 2.2. Die Kraft . . . . . . . . . . 40 2.3. Die Masse . . . . . . . . . . 43 2.4. Das zweite NEWToNsche Gesetz . 45 2.5. Das dritte NEWToNsche Gesetz . 47 2.6. Das Grundgesetz der Dynamik der Translationsbewegung 47 2.7. Das Gesetz von der Erhaltung des Impulses . . . .. 48 2.8. Die Bewegung eines Korpers mit veranderlicher Masse . 50 2.9. Das Relativitatsprinzip der Mechanik . 51 2.10. Das Gesetz der universellen Gravitation 53 2.11. Das Gravitationsfeld. . . . . . . . . 56 2.12. Die auBere Reibung. . . . . . . . . 58 2.13. Die Bewegung in Bezugssystemen, die keine Inertial-
systeme sind . . . . . . . . . 61
3. • Arbeit und mechanische Energie 62 3.1. Die Energie . 62 3.2. Die Arbeit . . 63 3.3. Die Leistung . 65 3.4. Das Potential. 66 3.5. Die mechanische Energie . 67 3.6. Das Gesetz von der Erhaltung der mechanischen Energie 71 3.7. Der StoB. . . . . . . . . . . . . 72
4. Die Dynamik der Rotationsbewegung 73 4.1. Das Kraftmoment. . . 73 4.2. Das Tragheitsmoment . . . . . . . 74
9
4.3. Der Drehimpuls. . . . . . . . . . . . . . . . .. 78 4.4. Das Grundgesetz der Dynamik der Rotationsbewegung 80 4.5. Das Gesetz von der Erhaltung des DrehimpuIses . . 81 4.6. Die Bewegung unter dem Einflull von Zentralkraften 83 4.7. Der Kreisel. . . . . . . . . . . . . . . 87
5. Die Grundlagen der analytischen Mechanik. 91 5.1. Grundbegriffe und Definitionen. . . . . . 91 5.2. Die LAGRANGE·Gleichung zweiter Art . . . .. 94 5.3. Die HAMILTON·Funktion. Die kanonischen Gleichungen . 96 5.4. Die Grundbegriffe der Variationsprinzipien der Mechanik 100 5.5. Kanonische Transformationen 103 5.6. Die Erhaltungsgesetze. . . 106
6. Mechanische Schwingungen. . 109 6.1. Die Grundbegriffe. . . . . . .. 109 6.2. Kleine Schwingungen eines Systems mit einem Freiheits·
grad ........................ 113 6.3. Kleine Schwingungen eines Systems mit mehreren Frei·
heitsgraden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 6.4. Nichtlineare Schwingungen eines Systems mit einem Frei·
heitsgrad. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
1. Die Grundbegriffe. . . . . . 146
2. Die Gesetze des idealen Gases. 151 2.1. Ideale Gase. 151 2.2. Ein Gemisch idealer Gase 152
3. Der erste Hauptsatz der Thermodynamik 154 3.1. Innere Energie und Enthalpie 154 3.2. Arbeit und Warme 156 3.3. Die Warmekapazitat 157 3.4. Der erste Hauptsatz der Thermodynamik 158 3.5. Die einfachsten thermodynamischen Prozesse mit idealen
Gasen . 161
4. Der zweite und dritte Hauptsatz der Thermodynamik 165 4.1. Reversible und irreversible Prozesse . 165 4.2. Kreisprozesse. Der CARNoTsche Kreisprozell 166 4.3. Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik . 171 4.4. Die Entropie . 172 4.5. Die wichtigsten Relationen der Thermodynamik 176 4.6. Charakteristische Funktionen und thermodynamische Po·
tentiale 177 4.7. Die grundlegenden Differentialgleichungen der Thermo·
dynamik (fiir ein einphasiges, einkomponentiges System im Gleichgewicht, auf das keine anderen Kriifte als die des all· seitigen gleichformigen Aullendruckes wirken) . 181
4.8. Das 8,T·Diagramm 185
10
4.9. Mehrkomponentige und mehrphasige Systeme. Die thermo· dynamisehen Gleiehgewiehtsbedingungen . 189
4.10. Das ehemisehe Gleichgewieht. . . . . . . . 196 4.11. Der dritte Hauptsatz der Thermodynamik . . 199 5. Die kinetische Theorie der Gase. . . . . . . 200 5.1. Die Grundgleichung der kinetischen Gastheorie 200 5.2. Die MAXWELLsche Geschwindigkeitsverteilung 200 5.3. Die mittlere freie WegHinge der MolekUle. 204 5.4. Transporterscheinungen in Gasen . . . 205 5.5. Die Eigensehaften verdiinnter Gase . . 210 6. Die Elemente der statistischen Physik . 211 6.1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . 211 6.2. Die Zustandswahrscheinlichkeit. Die Mittelwerte physika.
lischer GroBen . . . . . 212 6.3. Die GIBBssche Verteilung . . . . . 213 6.4. Der Gleichverteilungssatz . . . . . . . . . . . . . . 217 6.5. Die MAXWELL·BoLTZMANN·Verteilung ......... 217 6.6. Die Quantenstatistik . . . . . . . . . . . . . . . . 219 6.7. Die BOSE·EINSTEIN· und die FERMI·DIRAc.Quanten.
sta tistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 6.8. Die Entartung von Gasen, die der Quantenstatistik unter·
worfen sind. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 6.9. Die spezifischen \\',irmen ein· lind zweiatomiger Gase. . 226 6.10. Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik in der Statistik 230 6.11. Die Schwankungen ................. 231 ll.12. Der EinfluB von Hchwankungen auf die Genauigkeit von
MeBgeraten. . . . . . . . . . . . . . . . 234 6.13. Elektrische Schwankungen in Radioapparaten 235 6.14. Die BRowNsche Bewegung . . . . 236 7. Reale Gase und Dampfe . . . . . . . . . . 237 7.1. Die Zustandsgleiehung realer Gase. . . . . . 237 7.2. Die intermolekularen Wechselwirkungskrafte in Gasen. 239 7.3. Gedrosselte Entspannung eines Gases. Der JOULE·THOlll:·
sON·Effekt ..................... 241 7.4. Isothermen eines realen Gases. Dampfe. Der kritische Zu·
stand . . . . . . 242 7.5. Die Verfliissigung von Gasen ........ " ..... 245 8. Fliissigkeiten.................... 246 8.1. Die allgemeinen Eigenschaften von Fliissigkeiten und ihre
Struktur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 8.2. Die Eigenschaften der Obel'flachenschicht einer Fliissigkeit 249 8.3. Benetzung. Kapillareffekte. . . . . . . 250 8.4. Verdunsten und Sieden einer Fliissigkeit . 253 8.5. Die Eigenschaften verdiinnter Losungen 255 8.6. Die Suprafluiditat von Helium . . . . . 256 9. Kristalline Festkorper . . . . . . . . . 258 9.1. D.~e allgemeinen Eigenschaften und die Struktur von Fest·
korpern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258
11
9.2. Die Warmeausdehnung fester Korper 261 9.3. Die Warmeleitfahigkeit fester Korper 262 9.4. Die Warmekapazitat fester Korper . 266 9.5. Phasenumwandlungen fester Korper . 268 9.6. Adsorption .......... '" 270 9.7. Die elastischen Eigenschaften von Festkorpern 272
10. Amorphe Stoffe. . . . . . . . . . . . 276 to.1. Allgemeine Eigenschaften und Struktur der amorphen
Stoffe . . . . . . . . . . . . . 276 10.2. Visko-Elastizitat amorpher Stoffe. . . . 280
11. Polymere . . . . . . . . . . . . . . 282 11.1. Allgemeine Eigenschaften und Struktur der Polymere. 282 11.2. Konfigurationsstatistik der Polymerketten . . 286 11.3. Verdiinnte Losungen von Polymeren. . . . . 290 11.4. Der kristalline Zustand von Polymeren . . . 291 11.5. Die mechanischen Eigenschaften der Polymere 293
III. Die Grundlagen der Hydro- und Aeromechanik
1. Hydro- und Aerostatik. 298 1.1. Einleitung . . . . . . . 298 1.2. Hydro- und Aerostatik. . 299
2. Hydro- und Aerodynamik 301 2.1. Die Grundbegriffe. . . . 301 2.2. Die Kontinuitatsgleichung. 304 2.3. Die Bewegungsgleichung einer Fliissigkeit 305 2.4. Die Energiegleichung . . . . . . . . . '.' . . . . . 311 2.5. Elemente der Dimensionstheorie und der Ahnlichkeits-
gesetze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 2.6. Die Bewegung von Korpern in Fliissigkeiten. Die Grenz-
schicht. . . . . . . . . . . . 319 2.7. Fliissigkeitsstromung in Rohren. . . . . . . . . . . . 322
IV. Elektrizititt und Magnetismus
1. Elektrostatik.............. 325 1.1. Die Grundbegriffe. Das COULOMBsche Gesetz . 325 1.2. Das elektrische Feld. Die Feldstarke. . . . . . . .. 327 1.3. Die elektrische Verschiebung. Das GAusssche Theorem. 332 1.4. Das Potential des elektrostatischen Feldes 333 1.5. Leiter in einem elektrostatischen Feld . . . 340 1.6. Die Kapazitat . . . . . . . . . . . . . 342 1. 7. Dielektrika im elektrischen Feld . . . . . 345 1.8. Ferroelektrika. Der piezoelektrische Effekt . 354 1.9. Die Energie eines geladenen Leiters; die Energie des elek-
trischen Feldes . . . . . . . . 356
2. Der Gleichstrom in Metallen . . 359 2.1. Grundbegriffe und Definitionen . 359
12
2.2. Die Elektronentheorie der Leitfahigkeit 361 2.3. Die Gieichstromgesetze . . . . . . . 362 2.4. Die KIRCHHoFFschen Regeln . . . . . 367
3. Elektrische Strome in Flussigkeiten und Gasen 370 3.1. Die Leitfahigkeit von Fliissigkeiten. Die elektrolytische
Dissoziation . . . . . . . . . . 370 3.2. Die Gesetze der Elektrolyse . . . . . . . . . .. 371 3.3. Die atomare Natur der Elektrizitat . . . . . . .. 372 3.4. Das OHMsche Gesetz fUr den Strom in Flussigkeiten . 372 3.5. Die elektrische Leitfahigkeit von Gasen 373 3.6. Die unselbstandige Gasentladung 374 3.7. Die selbstandige Gasentladung . . 375 3.8. Das Plasma. Grundbegriffe. . . . 379
4. Elektrischer Strom in Halbleitern . 383 4.1. Die Eigenleitfahigkeit von Halbleitern . 383 4.2. Die Fremdleitfahigkeit von Halbleitern 384 4.3. Der HALL-Effekt in Metallen und Halbleitern . 387
5. Beruhrungselektrizitat, thermoelektrische Erscheinungen und Emissionsvorgange . . . . . . . . . . . . .. 389
5.1. Beruhrungsspannung bei Metallen. Gesetze von VOLTA. . 389 5.2. Beruhrungserscheinungen in Halbleitern . . . . . . . . 391 5.3. Thermoelektrische Erscheinungen in Metallen und Halb-
leitern. . . . . . . . . . . . . 399 5.4. Emissionsvorgange bei Metallen. . . . . 403
6. Das Magnetfeld von Gleichstromen . . . 407 6.1. Das Magnetfeld. Das AMPERll,Sche Gesetz. 407 6.2. Das BIOT-SAVARTsche Gesetz. . . . . . 409 6.3. Einfache Magnetfelder von Stromen. . . . . . . . . . 412 6.4. Die Wirkung des Magnetfeldes auf stromfUhrende Leiter.
Wechselwirkung zwischen Leitern ........... 418 6.5. Der Satz vom Gesamtstrom. Magnetische Stromkreise. . 420 6.6. Die Arbeit bei der Verschiebung eines stromfuhrenden
Leiters in einem Magnetfeld . . . . . . . . . . . . . 424
7. Die Bewegung geladener Teilchen in elektrischen und magnetischen Feldern . . . . . . . . . . . . . . . . 425
7.1. Die LORENTz-Kraft ................. 425 7.2. Die spezifische Ladung von Teilchen. Der Massenspektro-
graph. . . . . . . . . . . . . . . 427 7.3. Beschleuniger fur geladene Teilchen. . 428 7.4. Die Grundbegriffe der Elektronenoptik. . . . . 431
8. Die elektromagnetische Induktion. . . . . . . 436 8.1. Grundgesetz der elektromagnetischen·Induktion. 436 8.2. Induzierte Wirbelstrome. . . . . . . . . . . 438 8.3. Die Selbstinduktion. . . . . . . . . . . . . 439 8.4. Die Gegeninduktion. Der Transformator . . . . . 443 8.5. Die Energie des Magnetfeldes elektrischer Strome . 445
13
9. Magnetische Eigenschaften der Materie . . . . . .. 447 9.1. Das magnetische Moment von Elektronen und Atomen 447 9.2. Einteilung der magnetischen Stoffe . 450 9.3. Diamagnetismus . . . . . . . . . 452 9.4. Paramagnetismus. . . . . . . . . 452 9.5. Magnetfelder in magnetischen Stoffen 455 9.6. Ferromagnetismus . . . . . . . 456 9.7. SupraleiWihigkeit. . . . . . . . 462
10. Elektromagnetische Schwingungen 465 10.1. Schwingungskreise . . . . . . . 465 10.2. Erzwungene elektromagnetische Schwingungen 468 10.3. E~~ktronenrohre und Halbleit~r, Gleichrichter und Ver·
starker. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 473
11. Die Grundlagen der Elektrodynamik ruhender Medien. 482 11.1. Allgemeine Beschreibung der MAXWELLS chen Theorie. 482 11.2. Die erste MAXWELLsche Gleichung. . . . . . . . .. 483 11.3. Der Verschiebungsstrom. Die zweite MAXWELLsche Glei·
chung ....................... 483 11.4. Das vollstandige System der MAXWELLS chen Gleichungen
fiir elektromagnetische Felder. . . . . . . . . . . . . 485 1 U;. Lusung der MAXWELLS chen Gleichungen mit der Methode
der retardierten Potentiale (bei e, fl = const). . . . . . 487 11.6. Erhaltungssatze fUr elektromagnetische Felder . . . . . 489 11.7. Grundlagen der Elektronentheorie. Die LORENTz·Glei-
chungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491 11.8. Die Gleichungen fUr die Mittelwerte der MikrofeldgroBen 492
12. Grundlagen der Magnetohydrodynamik . . 494- 12.1. Die Gleichungen der Magnetohydrodynamik 494 12.2. Magnetohydrodynamische Wellen. . . . . 498 12.3. DiskontinuitatsfIache und StoBweIIen . . . 500
13. Grundlagen der speziellen Relativitatstheorie . 502 13.1. Das EINSTEINsche Relativitatsprinzip . . . . 502 13.2. Intervalle . . . . . . . . . . . . . . . . 503 13.3. Die LORENTz-Transformation und ihre Folgerungen 506 13.4. Die Transformation der Geschwindigkeit. . . . . 507 13.5. Geschwindigkeiten und Beschleunigungen im vierdimen-
sionalen Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508 13.6. Relativistische Mechanik. . . . . . . . . . . . . . . 509 13.7. Die LORENT~-Transformationfiir elektromagnetische Felder 512 13.8. WAWlLOW-CERENKov-Strahlung. . 514 13.9. Der DOPPLER-Effekt in der Optik ........... 51!)
1. 1.1. 1.2.
von Schall wellen (Schall-
1.3. Die Wellengleichung. . . . . . . . . . . . . . . . . iii9 1.4. SinusfOrmige Longitudinalwellen . . . . . . . . . . . .'522 1.5. Die Energie akustischer Wellen. . . . . . . . . . . . 525 Ui. Reflexion lind Brechung akustischer Wellen (ohne Beu-
gungseffekte). _ . . . . . . . . . . . . 527 1.7. Stehende Wellen _ . . . . . . . . . . . 531 1.8. Der DOPPLER-Effekt. . . . . . . . . . . 534 1.9. Absorption und Streuung von Schallwellen . 535 1.10. Die Grundlagen der physiologischen Akustik 536 1.11. Ultraschall. . . . . . . . 537 1.12. StoJ3wellen in Uasen. . . . 540
2. Elektromagnetisehe 'Veil en . 544 2.1. Allgemeine Eigenschaften 544 2.2. Ausstrahlung elektromagnetischer Wellen . . . . . . . 551 2.3. Funkverkehr, Fernsehen, Funkortung und Radioastronomie 560
3. Durchgang des Lichtes durch die Grenzflache zweier Medien 563 3.1. Wechselwirkung elektromagnetischer Wellen mit der Ma-
terie. 563 3.2. Reflexion und Brechung des Lichtes in dielektrischen
Medien 565 3.3. Die Polarisation des Lichtes bei der Reflexion und bei der
Brechung 570 :H. Die Grundlagen der Metalloptik . 571 4. Interferenz des LichtE's. 574 4.1. Koharente Wellen. 574 4.2. Die optische Weglange. 578 4.3. Interferenz an dunnen Schichten 579 5. Beugung des Lichtes. 582 5.1. Das Prinzip von HUYGHENS-FRESNEL 582 5.2. Graphische Bestimmung der Amplituden der Sekundar-
wellen. 585 5.3. Die FRESNELsche Beugung . 587 5.4. FRAUNHOFERsche Beugung . 593 5.5. Beugungserscheinungen bei mehrdimensionalen St,rukturen 600 5.6. Die Beugung von Radiowellen 602
6. Geometrische Optik . 603 6.1. Grundlagen. 603 6.2. Der ebene Spiegel. Die planparallele Platte. Das Prisma 604 6.3. Brechung und Reflexion an spharischen OberfHichen. 606 6.4. Dunne Linsen 609 6.5. Zentrierte optische SystenlC 612 6.6. Optische Instrumente 615 6.7. Abbildungsfehler optischer Systeme 619 6.8. Das Aufliisungsvermiigen optischer Instrumente . 622 6.9. Grundlagen der Photometrie 62:3 7. Die Polarisation des Lichtes (\28 7.1. Methoden zur Polarisierung des Lichtes 628
15
7.2. Die Elemente der Kristalloptik . 629 7.3. Die Doppelbrechung. . . . . . 635 7.4. Kiinstliche Doppelbrechung . . 638 7.5. Polarisationsanalyse des Lichtes. Elliptisch und zirkular
polarisiertes Licht. . . . . . . 640 7.6. lnterferenz polarisierten Lichtes. 642 7.7. Drehung der Polarisationsebene . 646
8. Molekularoptik..... 648 8.1. Die Dispersion des Lichtes . 648 8.2. Spektralanalyse. . . . . . 652 8.3. Die Absorption des Lichtes . 657 8.4. Die Streuung des Lichtes . 658
9. Warmestrahlung..... 662 9.1. Warmestrahlung . . . . . . . 662 9.2. Die Strahlungsgesetze fiir einen absolut schwarzen Karper 665 9.3. Grundlagen der optischen Pyrometrie . . 669 10. Die Wirkung des Lichtes auf die Materie . 671 10.1. Der photoelektrische Effekt . . . 671 10.2. Der COMPToN-Effekt. . . . . . . 674 10.3. Der Lichtdruck. . . . . . . . . 677 lOA. Der chemische EinfluB des Lichtes 678 11. Lumineszenz.......... 680 11.1. Einteilung der Lumineszenzerscheinungen und ihr Yerlauf 680 11.2. Die Gesetze der Lumineszenz. . . . . . . . . . . . . 683
VI. Atomphysik und Kernphysik
1. Grundlagen der nichtrelativistischen Quantenmechanik. 685 1.1. Die Wellennatur der Materieteilchen. Die Wellenfunktion. 685 1.2. Die SCHRODINGER-G1eichung 687 1.3. Die HEISENBERGSche Unscharferelation 688 1.4. Elementare Probleme der Quantenmechanik 690 1.5. Quanteniibergange 709 2. Das Atom 714 2.1. Atome und lonen mit einem Yalenzelektron 714 2.2. Mehrelektronena tome 721 2.3. Das Yektormodell des Atoms . 725 2.4. Der ZEEMAN-Effekt und die Elektronenresonanz 729 2.5. Der STARK-Effekt bei wasserstoffahnlichen Atomen 735 2.6. Das PAuLI-Prinzip. Das Periodensystem der Elementc . 736 2.7. Rantgenstrahlen 741
3. Das Molekiil 743 3.1. Heteropolare Molekiile . 743 3.2. Homaopolare Molekiile. 746 3.3. Elektronenspektren der Molekiile 751 3.4. Schwingungsspektren der Molekiile 755 3.5. Rotationsspektren der Molekiile. . 757
16
4. Der Atomkern . . . . . . . . . . . . .
761 762 764 764 766 766
768 4.1. Zusammensetzung und Dimensionen der Atomkerne . 768 4.2. Bindungsenergie der Kerne. Kernkriifte . . . . ., 770 4.3. Magnetische und elektrische Eigenschaften der Kerne 774 4.4. Kernmodelle. 776 4.5. Radioaktivitat 779 4.6. Alphazerfall . 784 4.7. Betazerfall. . 787 4.8. Gammastrahlung 792 4.9. Durchgang von geladenen Teilchen und Gammaquanten
durch Materie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 796 4.10. Methoden der Beobachtung und Registrierung ionisierender
Teilchen und Quanten . 806
5. Kernreaktionen.............. 809 5.1. Grundbegriffe. . . . . . . . . . . . . . . 809 5.2. Allgemeine Klassifikation der Kernreaktionen. 812 5.3. Die physikalischen Grundlagen der Kernenergietechnik 815 6. Elementarteilchen................. 820 6.1. Grundsatzliches iiber Elementarteilchen . . . . . .. 820 6.2. Grundsatzliches iiber Symmetrien bei starken Wechsel-
wirkungen . . . . . 832 6.3. Teilchen und Felder . 837 6.4. Kosmische Strahlen . 841
Anhang
1.1. Die MaBeinheiten mechanischer GriiBen . . . . . .. 845 1.2. Die MaBeinheiten der WarmegriiBen. . . . . . . .. 851 1.3. Die MaBeinheiten elektrischer und magnetischer GriiBen 854 1.4. MaBeinheiten fiir den Schalldruck. . . . . . . . 859 1.5. MaBeinheiten fiir photometrische GriiBen. . . . . 859 1.6. Einige MaBeinheiten in der Atom- und Kernphysik 860
2. Universelle physikalische Konstanten 860
Sachverzeichnis. . . . . . . . . . 865
1. Die Kinematik des Massenpunktes
1.1. Die Grnndbegriffe
1. Die lllechanik ist die Wissensc:haft von del' einfachsten Form del' Bewegung del' Materie; eine mechanische Bewegung ist die zeitlic:he Veranderung del' gegenseitigen Lage von Karpern odeI' ihrer Teile im Raum. Karpel' sind makroskopische Systeme, die aus einer so groBen Zahl von Molekulen oder Atomen bestehen, daB die Dimen­ sionen diesel' Systeme um vieles gruBer sind als die intermolekularen Abstande. In der kla8sischen ]J.lechanik betrachten wir die mecha­ nischen Bewegungell von Kurpern mit Geschwindigkeiten, die um vieles kleiner sind als die Vaktmmlichtgeschwindigkeit. Die Erfor­ schllng del' Bewegung von Kiirpern mit Geschwindigkeiten in del' OroBenordnung del' Lichtgesehwindigkeit ist Aufgabe del' relativisti- 8chen lWechanik, die auf der Helativitatstheorie basiert (S. 502). Die UnteI'suuhung del' speziellen Besonderheiten der Bewegung mikro­ skopischer Teilchen ist Aufgabe del' Quanten- odeI' Wellenmechanik (S. 685). Mikroskopisch nennen wir solche Teilchen, deren Ruhmasse (S. 509) graBenordnungsmaBig gleich odeI' kleiner ist als die Ruh­ masse von Atomen. 2. Probleme der inneren Struktur der Karper sowie ihrer Wechsel­ wirkungen und deren Gesetze gehen iiber den Rahmen der Mechanik hinaus und geharen Zll anderen Gebieten der Physik. Je nach den Eigenschaften der Karper und der Art del' Problemstellung ver­ wenden wir in der klassischen Mechanik verschiedene Naherungs­ methoden und Modelle, um reale Karpel' zu beschreiben: den Massen­ punkt, den starren Karper und ahnliches. 3. Massenpunkt nennen wir einen Karper, dessen GraBe und Form fiir die betrachtete Aufgabe unwesentlich ist. Wenn wir beispiels­ weise die Bewegung der Planeten urn die Sonne betrachten, kannen wir die Planeten als Massenpunkte ansehen, da ihre Dimensionen Hm vieles kleiner sind als ihre Abstande zur Sonne. Ein System 1)on Mussenpunlcten odeI' Karpern (mechanisches System) nennen wir die gedanklich separierte Gesamtheit von Massenpunkten odeI' Korpem, die im allgemeinen Fall sowohl untereinander als auch mit Korpern, die nieht diesem System angeharen, in Wechselwirkung stehen. 4. Ein sturrer Karpel' ist ein 80lcher, bei dem der Abstand zwischen zwei beliebigen Punkten konstant bleibt. Mit anderen Worten, GraBe und Form eines'starren Karpers andern sich nicht, wenn er sich be­ wegt. Jeder starre Karper kann als in eine genugend groBe Anzahl von Elementarteilchen zerlegt gedacht werden, die um vieles kleiner
19
sind als der ganze Korper. Daher wird der starre Korper oft als System von Massenpunkten aufgefa.6t, die untereinander starr verbunden sind. 5. Die klassische Mechanik zerfallt in drei Hauptgebiete: die Statik, die Kinematik und die Dynamik. Die Statik behandelt die Gesetze der Addition von Kriiften und die Gleichgewichtsbedingungen von festen, fliissigen und gasformigen Korpern. Die Kinematik untersucht die mechanische Bewegung von Korpern, ohne die Wechselwirkungen zwischen ihnen zu beriicksichtigen. Die Dynamik behandelt den Ein­ flull der Wechselwirkung von Korpern auf ihre mechanische Be­ wegung.
z
y 14' q)
L!.!.
z
y
6. Als Bezugssystem bezeichnen wir einen realen oder gedachten starren Korper, in bezug auf den wir die Bewegung des betrachteten Korpers verfolgen. Mit dem Bezugssystem ist ein beliebiges Ko­ ordinatensystem starr ~erbunden, so dall die Lage eines jeden Punktes des bewegten Korpers in bezug auf das Koordinatensystem durch die drei Koordinaten dieses Punktes eindeutig bestimmt ist. Auller­ dem mull das Bezugssystem sozusagen mit Uhren versehen sein, d. h., es mull eine Zeiteichung besitzen, die es ermoglicht, die den verschiedenen Lagen im Raum des bewegten Korpers entsprechenden Zeitpunkte eindeutig zu bestimmen (bis auf eine additive Konstante genau, die von der Wahl des Ursprungs der Zeitachse abhangt). In der Mechanik werden im wesentlichen die folgenden Koordinaten­ systeme verwendet: das rechtwinklige kartesische Rechtssystem (Bild 1.1.1 a), das zylindrische (Bild 1.1.1 b) und das spharische Ko­ ordinatensystem (Bild 1.1.1 c). Die Transformationsgleichungen, die es uns ermoglichen, von kartesischen Koordinaten zu zylindrischen iiberzugehen und umgekehrt, lauten wie folgt:
20
fiir den Ubergang von kartesischen zu spharischen Koordinaten und umgekehrt gilt:
y rp = arctan - ,
z=rcos{}.
7. Die Bewegung eines Massenpunktes ist vollstan~ig beschrieben, wenn ein eindeutiges Gesetz gegeben ist, das die Anderung seiner raumlichen Koordinaten ql' q2 und qa mit der Zeit t (in kartesischen, zylindrischen oder irgendwelchen anderen Koordinatensystemen) an· gibt:
Diese Gleichungen sind einer einzigen Vektorgleichung aquivalent:
r = r(t),
wobei r der Radiusvektor ist, der den Koordinatenursprung mit dem bewegten Punkt M (ql' q2' qa) verbindet. In rechtwinkligen karte· sischen Koordinaten ;1", y, z ist der Radiusvektor zum Punkt M
r = xi + yj + zl~, wobei i, j und k Einheitsvektoren sind, die mit den positiven Rich­ tungen der X-, y- bzw. z-Achse zusammenfallen; die Vektoren xi, yj und zk sind die Komponenten des Vektors r langs dieser Achsen. In der Mechanik verwenden wir fiir die zeitlichen Ableitungen des Radiusvektors r und der Koordinaten ql' q2' qa des sich bewegenden Punktes die folgenden Bezeichnungen:
dr d2r ,j'=- T=- usw., dt' dt2
. dqi qj=(jj'
.. d2qi qj = ([i2 usw.
8. Bahnkurven nennen wir Linien, die die raumliche Bewegung des Punktes beschreiben. Die Gleichungen qi = qj{t), wo i = 1,2,3, sind die Gleichungen der Bahnkurve in Parameter/orm. Lost man diese Gleichungen und eliminiert den Parameter t, so erhalt man eine Re­ lation zwischen den Koordinaten der Raumpunkte, durch welche die Bahnkurve verIauft:
Beispiel. Die Bewegung eines Punktes befriedigt die Bedingungen x=asinwt, y=bcoswt, z=csinwt, wobeia,bundcvonNull
21
w =I=- 0 ist. Eliminiert man die
x2 y2 -+-=1 a2 b2
und a
x =-z. c
Die Bahnkurve des Punktes ist nun die Schnittkurve dieser beiden Flachen. 9. Die geometrische Form der Bahnkurve hangt von der Wahl des Bezugssystems abo Betrachten wir Z. B. eine Scheibe, die gleichfiirmig um eine feste Achse rotiert, und einen Massenpunkt, der sich gleich­ fiirmig entlang eines Radius der Scheibe bewegt, so daB die Bahn­ kurve dieses Punktes relativ zur Achse durch eine archimedische Spirale beschrieben werden kann. Je nach der Form der Bahnkurve unterscheiden wir eine geradlinige und eine krummlinige Bewegung des Punktes. Die Bewegung des Punktes nennen wir eben, wenn aIle Teile der Bahnkurve in ein und derselben Ebene liegen. Gewiihnlich liiBt man diese Ebene mit der Koordinatenebene z = 0 zusammen­ fallen, so daB die ebene Bewegung des Punktes allein durch die zeit­ liche Abhiingigkeit seiner beiden restlichen kartesischen Koordi­ naten x und yoder der Polarkoordinaten I! und rp bestimmt ist. 10. Die Wegliinge s ist die Summe der Langen aller Bahnelemente, die von dem Massenpunkt im betrachteten Zeitintervall to bis t durch­ laufen worden sind. 1st die Bewegungsgleichung (S.46) in recht­ winkligen kartesischen Koordinaten gegeben, so ist
I t
S = J V(~~r + (~~r+ (::r dt = J Vi2 + y2 + z2 dt; ~ ~
in zylindrischen Koordinaten ist t I
S = J ~!(:;r + (I! ~~r + (::r dt = J Ve2 + (1!~)2 + Z2 dt,
10 to
I
s = J V(~;r+ (r ~~r + (r sinD ~~r dt t,
I
= f fi2 + (rD)2 + (r~ sin D)2 dt. to
Die Lage des sich bewegenden Punktes zu einem festgesetzten Zeit­ punkt t = to nennen wir die Anfangslage. Da es gleichgiiltig ist, wann wir die Zeitzi1hlung beginnen, setzen wir gewiihnlich to = O. Die Lange des Weges, den der Kiirper ausgehend von seiner Anfangs­ lage zuriickgelegt hat, ist eine skalare Funktion der Zeit: s = 8(t).
22
11. Ein mechanisches System nennen wir kriiftefrei, wenn aile Massen­ punkte oder Korper dieses Systems sich im Raum mit beliebigen Ge­ schwindigkeiten frei bewegen und beliebige Lagen einnehmen konnen. Anderenfalls ist das System nicht kriiftefrei. Nebenbedingungen (Zwangsbindungen) nennen wir Einschrankungen, die der Lage oder Bewegung des betrachteten mechanischen Systems im Raum auferlegt sind. Wir sprechen von inneren Bindungen, wenn diese das System in seiner freien Bewegung nicht beeinflussen, wie dies etwa nach einem plotzlichen Erstarren des Systems der Fall ist. Aile anderen Zwangsbindungen werden als iiufJere Bindungen be­ zeichnet. Systeme, in denen nur innere Bindungen wirken, sind krafte­ frei. Wir sprechen von einschriinkenden Nebenbedingungen (abhiingige oder zweiseitige Bindungen), wenn die durch eine solche Zwangsbindung verursachten Beziehungen zwischen den Koordinaten und den Ge­ schwindigkeiten der Massenpunkte des Systems in folgender Form analytisch ausgedriickt werden konnen:
hier ist t die Zeit, xi' y;, zi sind die Koordinaten des i-ten Punktes des Systems (i = 1,2, ... , n), wobei
. dXi xi = Iii'
ist. Eine solche Beziehung ist die mathematische Formulierung einer Nebenbedingung. Als Beispiel fiir eine solche einschrankende Neben­ bedingung konnen etwa die inneren Bindungen in einem starren Korper, die die Konstanz der gegenseitigen Abstande seiner Massen­ punkte bedingen, genannt werden. Nebenbedingungen sind nicht einschriinkend (unabhiingig oder ein­ seitig), wenn die durch sie einem mechanischen System auferlegten Einschrankungen analytisch in Form folgender Ungleichung aus­ gedriickt werden konnen:
Derartige Zwangsbindungen herrschen z. B. bei der Bewegung eines Korpers, der an einem biegsamen, doch nicht dehnbaren Faden be­ festigt ist, oder bei der Bewegung eines Korpers auf einer horizon­ talen Ebene. Nebenbedingungen bezeichnen wir als zeitunabhiingig (skleronom), wenn die sie formulierenden Gleichungen1) die Zeit nicht explizit enthalten. Anderenfalls sind sie zeitabhiingig oder rheonorn. Wir sprechen von geometrischen Nebenbedingungen, wenn durch sie nur die raumliche Lage der Massenpunkte des Systems eingeschrankt wird; analytisch konnen wir sie wie folgt formulieren:
f( ••• , xi' Y;, zi' ... , t) = O.
1) 1m foJgcnden hetrachten wir nur einschrankende Nehenbedingungen.
23
Nebenbedingungen nennen wir kinematisch, wenD. sie nicht nur die Lage der Massenpunkte des Systems, sondern auch ihre Geschwindig­ keiten einschranken:
rp( ... , Xi' Yi' Zi' ... , Xi' Yi' zi' ... , t) = O.
Wir sprechen von holOlwmen Nebenbedingungen, wenn die sie formu­ lierenden Gleichungen keine Ableitungen der Koordinaten der Massen­ punkte dieses Systems enthalten oder wenn sie durch Integration auf eine solche Form gebracht werden konnen. Anderenfalls sprechen wir von nichtholO1wmen Nebenbedingungen. Als Beispiel fiir letztere moge die Bedingung dienen, die besagt, daB die Geschwindigkeiten der Beruhrungspunkte einer Kugel, die gleitungsfrei uber eine ruhende, rauhe Flache rollt, gleich Null sein mussen. Ein mechanisches System ist holonom, wenn es nur holonomen Neben­ bedingungen unterworfen ist. Befindet sich unter all diesen Bedin­ gungen auch nur eine einzige nichtholonome, so ist das ganze mecha­ nische System nichtholonom.
1.2. Die Geschwindigkeit
1. Geschwindigkeit (oder Momentangeschwindigkeit) nennen wir den Vektor v, der gleich ist der ersten zeitlichen Ableitung des Radius­ vektors 'I' des sich bewegenden PUnktes:
d'l' . v=dt=t',
Die Richtung der Geschwindigkeit fallt in jedem Punkt mit der Tangente an die Bahnkurve des sich bewegenden Korpers zusammen, und ihr Absolutbetrag ist gleich der ersten zeitlichen Ableitung der Weglange:
ds , v = dt = s,
Die Projektionen der Geschwindigkeiten v"" v'll nnd Vz auf die Achsen eines rechtwinkligen kartesischen Koordinatensystems sind gleich der ersten zeitlichen Ableitung der entsprechenden Koordinaten des sich bewegenden Punktes:
vll = y, Vz = z. Hieraus folgt
v = Xi + yj + Zlr,
In zylindrischen Koordinaten ist v = Vez + (eif!)2 + zZ; in spha­ rischen Koordinaten ist v = Vi2 + (rO)2 + (rif! sin {})2.
2. 1m Fall einer ebenen, in Polarkoordinaten beschriebenen Be­ wegung kann man die Geschwindigkeit v des Massenpunktes M (e, rp) in zwei zueinander senkrechte Komponenten zerlegen: die Radial-
24
mit
wobei Q der Radiusvektor in Polarkoordinaten ist; er beginnt im PolO und endet im Massenpunkt M; kist ein Einheitsvektor, der senkrecht zur Bewegungsebene des Punktes liegt, derart, daB von seiner Spitze aus gesehen die Rotation des Radiusvektors Q mit sich vergroBerndem Winkel rp im Gegenuhrzeigersinn erfolgt. Die nume­ rischen Werte der Radial- und Transversalgeschwindigkeit des
v
a x 1.1.2.
Punktes sind gleich den algebraischen Werten der Projektion der Geschwindigkeit v auf die Richtung des Radiusvektors Q bzw. einer Geraden, die (in Richtung wachsenden Winkels rp) senkrecht zu Q verlauft:
Beispiel. Die Bewegung eines Punktes sei gegeben durch die Glei­ chungen x = at cos bt, y = at sin bt und z = 0, wobei a und b konstante Koeffizienten sind. In Polarkoordinaten lautet die Be­ wegungsgleichung des Punktes: I! = at und rp = bt. Es ist also ;, = a rp. = b v = a v = abt und v = ,lv2 + v2 = a ,/1 + b2 t2 t: , 'e "P r e rp f •
3. Die Bewegung eines Punktes wird gleichformig genannt, wenn der Betrag der Geschwindigkeit zeitunabhangig ist (v = const). Die von einem sich gleichformig bewegenden Punkt zuriickgelegte Weglange ist eine lineare Funktion der Zeit:
8=V(t-tO)·
4. M ittlere Ge8chwindigkeit eines Punktes im Zeitraum t bis t + LI t nennen wir die skalare GroBe v, die gleich dem Verhaltnis der Weg­ lange LIs, die yom Punkt wahrend dieses Zeitintervalls zuriickgelegt
25
wurde, zur GroBe dieses Zeitintervalls LI t ist:
- (t LI t) = LIs = s{t + LI t) - s(t) v , LIt LIt •
1m Grenzfall Llt--+O ist die mittlere Geschwindigkeit gleich dem Be­ trag v der Geschwindigkeit des Massenpunktes im Augenblick t:
lim v(t, LIt) = lim ~s = dds = v(t). Lft~o L1t~o LJ t t
1m Fall gleichformiger Bewegung ist v = v. Der Vektor der mittleren Geschwindigkeit v des Punktes im Zeit­ intervall von t bis t + LI t ist das Verhaltnis des Zuwachses LI l' des Radiusvektors des Punktes innerhalb dieses Zeitintervalls zu der Dauer dieses Intervalls LI t:
-( LIt) _ Llr _ r(t + LIt) - r(t) vt, -L1t- Jt .
1m Grenzfall LI t --+ 0 ist der Vektor der mittleren Geschwindigkeit gleich der Vektorgeschwindigkeit dieses Punktes im Augenblick t:
limv(t,L1t) = lim ~r =ddr =v(t). Lft~O Lft~o t t
1m Fall einer gleichfOrmigen, geradlinigen Bewegung des Massen­ punktes ist 13= v. Der Absolutbetrag des Vektors v ist nur dann der mittleren skalaren Geschwindigkeit v gleich, wenn der Punkt sich geradlinig und gleichfOrmig in der Richtung der Geschwindig­ keit v bewegt. In allen anderen Fallen ist Iv I < v. 5. Fliichengeschwindigkeit eines Punktes relativ zu einem beliebigen Pol nennen wir die skalare GroBe a, die gleich ist der ersten zeit­ lichen Ableitung des Inhalts S der Flache, die der Radiusvektor dieses Punktes ausgehend yom Pol beschreibt:
dS 1 . ( ) a = de = "2 rv sm 1', v ,
wobei l' der Radiusvektor und v die Geschwindigkeit des Punktes ist, r und v sind die Betrage dieser Vektoren. Erfolgt die Bewegung deB Massenpunktes in einer Ebene und Wit der Pol mit dem Ursprung eines rechtwinkligen, kartesischen x,y.Koordinatensystems zusam­ men, der in dieser Ebene liegt, so ist
w6bei Q und rp die Polarkoordinaten des Punktes sind.
26
1. Beschleunigung (oder Momentanbeschleunigung) nennen wir die VektorgroBe w, die ein MaB fUr die Geschwindigkeitsanderung des sich bewegenden Punktes darstellt und gleich ist der ersten zeitlichen Ableitung dieser Geschwindigkeit:
dv . W =- = t'
d2 r .. W = dt2 = 1',
Der Vektor der Beschleunigung liegt in einer Tangentialebene, die durch die Hauptnormale und die Tangente an die Bahnkurve ver­ Jauft; die Richtung der Hauptnormalen £allt mit der Richtung des Kriimmungsradius zusammen.
w
a x I.l.3.
Die Projektionen w,x, 1011' Wz der Beschleunigung auf die Achsen eines rechtwinkligen kartcsischen Koordinatensystems sind gegeben durch
Hieraus folgt W = Xi + fjj + Z1~,
I U' I = 10 = ]1£2 + fj2 + Z2.
In zylindrischen Koordinaten ist
In spharischen Koordinaten ist
w = [(i' - r¢2 sin2 f) - 1't~2)2 + (2f¢ sin D + rqi sin D + 2r#¢ cos D)2
+ (2ffJ + 1'6 - rrjJ2 ~inl't eosD)2],/"
2, 1m }<'all einer ebenen Bewegung, die in Polarkoordinaten an­ gegeben wird, kann die Beschleunigung W des Massenpunktes M (ryp) in zwei zueinander senkrechte Komponenten zerlegt werden, namlich in ~ie Radialbeschleunigung we und die Transversalbeschleunigung w'I' (Bild I. 1.3) :
IV =we + wp
27
mit
die Vektoren Q und k haben hier die gleiche Bedeutung wie in den Formeln fur ve und vIP (S.25). Die Betrage der radialen und trans­ versalen Beschleunigung des Massenpunktes sind gleich den algebra­ ischen Werten der Projektionen der Beschleunigung 'W auf die Rich­ tung des polaren Radiusvektors Q bzw. einer Geraden, die senkrecht zu Q in Richtung wachsenden Winkels qJ verlauft:
Beispiel. Die Bewegung eines Punktes sei in Polarkoordinaten durch die G1eichungen (! = a + bt, qJ = ct gegeben, wobei a, b und c konstante Koeffizienten sind;
e = b,
Wq, = 2bc
W = Yw~ + w~ = c yc2 (a + bt)2 + 4b2 •
3. In der Tangentialebene eines beliebigen Punktes der Bahnkurve kann man den Beschleunigungsvektor 'W in zwei zueinander senk­ rechte Komponenten 'W" und 'Wt zerlegen: 'W = 'W" + 'Wt. Die Komponente W,,' die in der Hauptnormalen zur Bahnkurve liegt, nennen wir die Normalbeschleuniyung; die Komponente w" die in der Tangente zur Bahnkurve liegt, nennen wir Tanyentialbeschleuniyuny. Die Betrage dieser Beschleunigungen sind
so daB
W,,= R und Wt=V,
v ist der Betrag der Gesc~windigkeit und R ist der Kriimmungsradius der Bahnkurve. Die Normalbeschleunigung 'W" ist immer zum Kriim­ mungszentrum der Bahnkurve hin gerichtet. 4. Die Bewegung eines Punktes nennen wir beschleuniyt, wenn der Absolutbetrag seiner Geschwindigkeit mit der Zeit zunimmt, d. h. wenn WI > 0 ist. Die Bewegung eines Punktes nennen wir verzoyert, wenn der Absolutbetrag seiner Geschwindigkeit mit der Zeit ab­ nimmt, d. h. wenn Wt < 0 ist. 1m Fall einer gIeichformigen Bewegung ist Wt = O. In einer beschleunigten Bewegung fallt der Vektor wI mit der Richtung des Geschwindigkeitsvektors v des Punktes zusam­ men. Bei einer verzogerten Bewegung ist seine Richtung der des Vektors v entgegengesetzt. Die Grol3en Wt und w" charakterisieren die Anderungen des Absolutbetrages bzw. der Richtung der Geschwindig-
28
keit des bewegten Punktes. Eine Bewegung, bei der der Absolutbetrag der Tangentialbeschleunigung konstant ist, d. h. Wt = const, nennen wir gleichformig veriinderlich. 5. Die mittlere Beschleunigung eines Punktes im Zeitintervall t bis t + LIt bezeichnen wir mit dem Vektor tv, der gleich ist dem Ver­ haltnis des Geschwindigkeitszuwachses LI v des Punktes in diesem Zeitintervall zur Dauer dieses Zeitintervalls LIt:
_( A) _Llv _ v(t+Llt) - v(t) w t, LJ t -- LI t - LI t .
Fiir den Grenzfall LI t -)- 0 £alit die mittlere Beschleunigung mit der augenblicklichen Beschleunigung im Moment t zusammen:
lim w(t, LIt) = lim ~v = ~~ = w(t). At-->-O At-+O t
1.4. Translations- und Rotationsbewegung eines starren Korpers
1. Als Translationsbewegung bezeichnen wir die Bewegung eines starren Korpers, bei welcher eine beliebige, mit dem Korper fest ver­ bundene Gerade ihre Richtung im Raum nicht andert. Aile Punkte eines in Translationsbewegung befindlichen Korpers haben in jedem Augenblick dieselbe Geschwindigkeit und Beschleunigung, und ihre Bahnkurven konnen durch Parallelverschiebung zur Deckung ge­ bracht werden. Daher kann eine kinematische Betrachtung der Translationsbewegung eines starren Korpers auf eine Untersuchung der Bewegung irgendeines Punktes dieses Korpers zuriickgefiihrt werden. 1m allgemeinsten Fall hat ein Korper in Translations­ bewegung drei Freiheitsgrade. 2. Die Bewegung eines starren Korpers, bei welcher zwei seiner Punkte, A und B, unbewegt bleiben, nennen wir Rotation (Rotations­ bewegung) um eine festliegende Gerade A B, die wir als die Rotations­ achse bezeichnen. Bei der Rotation eines starren Korpers um eine feste Achse beschreiben aile Punkte des Korpers Kreise, deren Mittel­ punkte auf der Rotationsachse liegen; die entsprechenden Kreis­ flachen liegen senkrecht zu dieser Achse. Ein Korper, der um eine starre Achse rotiert, hat einen einzigen Freiheitsgrad: seine Lage ist vollstandig durch den Winkel cp der Drehung aus der Anfangslage heraus bestimmt. 3. Die Winkelgeschwindigkeit eines starren Korpers bezeichnen wir mit dem Vektor (f), dessen Absolutbetrag gleich ist der ersten zeitlichen Ableitung des Drehwinkels,
dcp . W = dt = cp,
und der in Richtung der Drehachse zeigt, und zwar so, daB von seinem Ende aus gesehen die Bewegung im Gegenuhrzeigersinn erfolgt
29
(Bild 1.1.4). Die Richtung des Vektors (J) fiilIt mit der Richtung zusammen, in der ein Bohrer vordringt, wenn dieser in derselben Richtung wie der Korper gedreht wird.
1.1.4.
1.1.5.
4. Die Lineargeschwindigkeit v eines beliebigen Punktes M eines rotierenden Korpers wird nach der EULEMchen Formel (Bild 1.1.5) bestimmt:
v = [(1)1"];
1" ist der Radiusvektor, der von einem 'beIiebigen Punkt 0 der Rota· tionsachse des Korpers zum Punkt M fiihrt. Der Betrag v der Linear· geschwindigkeit des Punktes Mist seinem Abstand R von der
30
v = (I) I' sin ex = w R.
Die Projektionen v"" Vy und Vz des Vektors v auf die Achsen eines rechtwinkligen kartesischcn Koordinatensystems sind mit den Pro­ jektionen der Vektoren (I) und r anf diese Achsen durch folgende Relationen verknilpft:
;j. Als Rotafiollsperiode T eines Karpers bezcichnen wir diejenige Zeit. in del' ein urn cine fcste Arhse roticrender Kiirper sich urn den Winkel rp= 2n gedreht hat:
T
J w dt = 2n. o
Die Anzahl n der Umdrehungen eines Karpers pro Zeiteinheit ist gleich
1
n = 21nJ w dt. D
6. Die Bewegung eines starren Karpers, bei der nur ein Punkt unbewegt bleibt, bezeiclmen wir als Rotation um einen festen Punkt (Rotationszentrum). Diese Bewegung kann man in jedem Augenblick als Rotation urn eine momentane Rotationsachse, die durch diesen festen Punkt verlauft, betrachten. Die Lage dieser momentanen Rotationsachse andert sich stetig, sowohl relativ zum Bezugssystem, das mit dem rotierenden Karper verbunden ist (bewegtes Bezugs­ system) als auch relativ zu einem unbewegten (raumfesten) Bezugs­ system, das mit unbewegten Karpern in der Umgebung verbunden ist. Die Gleichungen der lVIomentandrehachse lauten in vektorieller und skalarer Form wie folgt :
'v = [wr] = 0,
W", _ w1l_ wz. X-- y -Z-'
(I) ist eine Yektorfunktion der Zeit, w"" w1I und Wz sind skalare Funk­ tionen der Zeit t. Eliminiert man aus der letzten Gleichung den Para­ meter t, so erhalt man die Gleichung des Spurkegels (Herpolhodie­ kegel), das ist die Flache, die die jeweilige Lage der Momentandreh­ achse im Raum beschreibt. Ein Karper, der urn einen festen Punkt rotiert, besitzt drei Freiheits­ grade: Seine Lage, relativ zu einem raumfesten Koordinatensystem, ist durch die Angabe der drei Koordinaten vollstandig bestimmt (z. B. zwei Richtungscosinusse beliebiger Achsen, die durch den Fix­ punkt des Karpel's hindurchgehen und fest mit ihm verbunden sind, und den Drehwinkel des Karpers urn diese Achse). Als unabhangige Koordinaten wahlt man gewahnlich die drei EULERschen Winkel1jJ, ()
31
und rp (Bild 1.1.6). Die x-, y- und z-Achse sind die Achsen eines raum­ festen, rechtshandigen rechtwinkligen kartesischen Koordinaten­ systems; die x'-, y'- und z'-Achse sind die Achsen eines analogen, mit­ bewegten Koordinatensystems; i,j, k, und i',j', k' sind die Einheits­ vektoren der Koordinatenachsen; 0 ist das feate Zentrum; die Schnittkurve ON der x,y- und der x',y'-Ebene nennen wir die Knotenlinie. Die Knotenlinie verlauft senkrecht zur z,z'-Ebene, und der Einheitsvektor n, der die positive Richtung auf der Knotenlinie bestimmt, falIt in seiner Richtung mit der des Vektorproduktes [kk'] zusammen, d. h., das Dreibein der Vektoren k, k' und n hat dieselbe Orientierung wie das der Einheitsvektoren der Koordinatenachsen.
y'
y
1.1.6.
Der von der x-Achse und der N-Achse eingeschlossene Winkel 'P wird PriizetJ8ion8winkel genannt; der von der z- und der z'-Achse einge­ schlossene Winkel (J ist der Nutationswinkel, und der von den Achsen ON und Ox' eingeschlossene Winkel rp wird als Raumwinkel be­ zeichnet. Die Winkel 'P, (J und ffJ werden in den durch die Schrauben­ regel bestimmten Richtungen gerechnet, d. h., wenn wir Bild 1.1.6 betrachten, in den Drehrichtungen um die z-Achse fii.r den Winkel 'P, die Achse ON fiir den Winkel (J und die z'-Achse fii.r den Winkel rp. Die EULERSchen Winkelliegen zwischen den folgenden Werten:
o ~ 'P ~ 2n, O~(J ~n, o ~ ffJ ~ 2n.
Die Projektionen des Vektors OJ der Winkelgeschwindigkeit eines Korpers auf die Achsen eines unbewegten x,y,z- und eines bewegten x',y',z'-Koordinatensystems gehorchen den kinemati8chen EULER­ Gleichungen fur den starren Kiirper:
32
UJ y ~c iJ ~in1j' ~ rp sin n ('OR 1j!,
wy' = --0 sin rp + 1jJ sin 0 cos rp,
W z ~c V' -j 'i' ('os n,
7. Die Winkelbeschleunigung bezeichnen wir mit dem Vektor E, der durch die erste Ableitung des Winkelgeschwindigkeitsvektors nach der Zeit gegeben ist:
dw . I: c= - = (".
dt
Die Winkelbeschleunigung ist ein MaE fUr die zeitliche Anderung des Vektors der Winkelgeschwindigkeit des Korpers. Rotiert der Korper urn eine festeAchse, so bleibt die Richtung des Vektors w unverandert und wir haben
dw d2 rp .• S = dt = ([i2 = rp,
wobei der Vektor E in seiner Richtung mit OJ zlIsammenfallt, wenn die Rotation beschleunigt ist (s = dw/dt > 0), und entgegengesetzt der Richtung von wist, wenn die Rotation verzogert ist (s = dw/dt < 0). Die Lineal'beschleunigung cines beliebigen Punktes M (1') eines rotie­ renden Korpers ist gegeben (Imeh
rI,' d ... /I' 0=_ - - -[(lH] = [Er] +- [w[wrJ] dt dt . .
8. Der Vektor 'tVl'ot c.= [fr J, del' senkrecht zu der von den Vektorell l­
und r bestimmten Ebene liegt, wird Rotationsbeschleunigung genannt. Der Vektor Wz = [w[wrJ], der zur Rotationsachse senkrecht steht und yom Punkt M zur Achse hin gerichtet ist, wird als Zentripetal­ beschleunigung bezeichnet. Rotiert del' betrachtete Korper urn eine feste Achse, so sind die Vektoren Wrot und W z identisch del' Tangential­ beschleunigung bzw. del' Normalbeschleunigung:
U', = u'n = [w[wrJJ = (wr)w ~ w2r.
1.5. A bso]utbewegung, Relativbewegung und Fiihrungsbewegung
1. Absolutbewegung cines Punktcs nennen wir seine Bewegung relativ zu einem beliebigen Inertialsystem (S. 39); man ist iibereingekommen, dieses System als unbewegt anzunehmen, und man bezeichnet es als absolutes Bezugssystem 1). Relativbewegung eines Punktes nennen wir
1) Die J:)ezeiclmung "Absollltbewegullg" und "absolutes Bezugssystem" sind nicht sehr gliicklich, da naeh drill R!'latiYitiitsprinzip der 1I1echanik (S. 51) aIle Inertial­ systeme viillig gleichwertig Rind.
;"l Jaworsld 33
seine Beweguhg gegeniiber einem bewegten Bezugssystem, das wir als relatives Bezugssystem bezeichnen. Die Fiihrungsbewegung ist die Absolutbewegung desjenigen im bewegten System ruhenden Punktes, der vom bewegten Punkt im betrachteten Augenblick durchflogen wird. Die Wahl des absoluten und relativen Bezugssystems hangt von der Problemstellung ab und erfolgt im allgemeinen so, daB sie eine weitestgehende Vereinfachung der L6sung gestattet.
1.1.7
2. Der Zusammenhang zwischen den Radiusvektoren l' und 1" eines bewegten Punktes M, die vom Ursprung 0 des unbewegten Bezugs­ systems (x, y, z) bzw. vom Ursprung 0' des bewegten Bezugssystems (x', y', z') ausgehen, ist durch folgende Relation gegeben (Bild 1.1.7):
l' = 1'0 + 1" = 1'0 + (x'i' + y'j' + z'/e');
x', y' und z' sind die Projektionen von 1" auf die Achsen des bewegten Systems, i', j' und h' sind die Einheitsvektoren dieser Acllilen. Die absolute Geschwindigkeit Va des Punktes M (1') ist gleich
= d1' _ d1'o ,di'+, dj' + ,dh'+ dx' ., + dy' 0' + dz' h' va dt - dt + x dt y dt z dt dt I dt J dt °
Die Relativgeschwindigkeit v, des Punktes M (1") ist gleich
_ dx' 0' + dy' 0, + dz' h' _ d1" vr - de I de J de - Tt '
wobei d1"fdt die zeitliche Ableitung des Radiusvektors 1" ist, bei deren Berechnung wir voraussetzen, daB die Richtungen der Ein­ heitsvektoren i', j' und h' des bewegten Bezugssystems konstant sind. Eine zeitliche Anderung der Einheitsvektoren i', j' und h' kann nur durch Drehung des bewegten Koordinatensystems hervorgerufen
34
di' [.'J de = wt , dj' ., de = [W)], dh' = [w h']
dt .
wo Vo = d1'o/dt = fo die Geschwindigkeit der Translationsbewegung des bewegten Systems ist, und Ve = Vo + [m1"] die Fii,hrungs­ geschwindigkeit des Punktes M. Die Absolutgeschwindigkeit eines Punktes ist gleich der Vektor­ summa seiner Fiihrungsgeschwindigkeit und seiner Relativgeschwin­ digkeit (Additionstheorem der Geschwindigkeiten):
Va = ve + v,.
3. Die Absolutbeschleunigung Wa des Punktes M (1') ist gleich
d21' dVa dvo , , /iv, tVa = dt2 = at = ([t + [E)"] + [w[w)"]] + 2[wv,] + at .
Die Relativbeschleunigung w, des Punktes M (1") ist gleich
/i d2 ' d2 ' d2 '
Die Filhrungsbeschleunigung We eines Punktes Mist gleich
We = Wo + [E)"'] + [w[W1"']] mit dvo wo=([t·
Die CORIOLIs.Beschleunigung wk ist schlieBlich gleich
wk = 2[wv,].
Die Absolutbeschleunigung eines Punktes ist gleich der Vektor­ summe seiner Fiihrungsbeschleunigung, CORIOLIs-Beschleunigung und Relativbeschleunigung:
Wa = we + wk + w,.
Die CORIoLls-Beschieunigung ist gleich Null, wenn a) das bewegte Bezugssystem eine Translationsbewegung ausfiihrt (w = 0), oder b) wenn der Punkt relativ zum bewegten Bezugssystem ruht (v, = 0),
') Anmerkung des tJbersetzers . • ) Fallen die Urspriinge des bewegten und des unbewegten Koordinatensystems immer zusammen, so ist
'1"=7, '1". = 0 und
Diese Relation zwischen den absoluten und relativen zeitlichen Ableitungen gilt nlcht nur fiir den Radiusvektor '1", sondern auch fIlr jeden beliebigen Vektor, der im gemeinsamen Ursprung von bewegtem und unbewegtem Koordinatensystem an­ grelft.
3* 35
oder c) wenn sich der Punkt parallel zur Rotationsachse des bewegten Systems bewegt, d. h., wenn die Vektoren vr und (r) zueinander parallel sind. Beispiel. Ein Punkt bewege sich mit der Geschwindigkeit VI liings des Radius einer ebenen Scheibe, die ihrerseits gJeichformig mit der Winkelgeschwindigkeit (1)2 um eine zu ihrer Ebene senkrechte Achse
rW~'V o We M r')
LUI
Vo = 0,
lV. = 0,
1.6. Einige Falle zusammengesetzter Bewegungen eines starren Korpers
1. Betrachten wir einen Korper, der gJeichzeitig mehrere Trans­ lationsbewegungen mit den Geschwindigkeiten Vl' V 2, ••• , Vk aus­ fiihrt. Seine resultierende Bewegung ist demnach auch eine Trans-
36
lationsbewegung, die mit der Geschwindigkeit v erfolgt; v ist gleich der Vektorsumme der Geschwindigkeiten VI' V 2' ... , v:,:
k V = t\ + V 2 + ... + Vk = E Vi'
i~l
2. Ein Korper flihre glcichzeitig eine Translationsbewegullg mit der Geschwindigkeit Vo sowie eine Rotationsbewegung mit del' Winkel­ geschwindigkeit 0) aus. Die resultierende Geschwindigkeit v eines beliebigen Punktes },f des Karpers ist dann gegeben durch
v = 1)0 + [0)1'],
wobei l' der Radiusvektor ist, del' von einem beliebigen Punkt der Rotationsachse zu Punkt M fiihrt. 1st 0) 1 t'o, so bezeichnen wir die Bewegung des Korpers als ebene Bewegung: Die Geschwindigkeiten aller Punkte des Korpers sind im betrachteten Augenblick senkrecht zum Vektor 0) gerichtet. 3. Ein Korper fiihre gleichzeitig zwei Rotationsbewegungen aus: Er rotiere mit der Winkelgeschwindigkeit WI urn eine Achse Al BI , die ihrerseits mit der Winkelgeschwindigkeit 0)2 urn eine starre Achse A2B2 rotiere. Betrachten wir die erste Rotation als Relativbewegung und die zweite als Fiihrungsbewegung (S. 34), so erhalten wir folgende Werte fiir die Fiihrungsgesehwilldigkeit Ve' die Relativgeschwindig­ keit Vr und die Absolutgesehwindigkeitv eines bcliebigen Punktes },f in diesem Karper:
ve = [W21'o] + [(1)21"] = [W2 t·].
Vr = [<OI1"] = [(1111'] - l W1t'O]'
v = v, + Vr = [(OJl + (112)1'] - [(1)11'0];
1', r' und 1'0 sind die ltadiusvektoren, die den in Bild 1.1.7 definiel'ten analog sind. 4. Betraehten wir nun die Uberlagerung von Rotationen urn die sich schneidcnden Achsen A1Bl und A 2 B2 • Wir lassen hierzu den Ursprung des mit bewegten Bezugssystems und den des raumfesten Bezugssystems mit dem Schnittpunkt der Achsen (Bild 1.1.9) Z1l­
sammenfallen und erhalten
1'0 = 0 und
Die gleichzcitige Rotation cines Karpel'S urn die sich schneidenden Achsen Al BI und A2 B2 mit den Winkelgeschwindigkeiten (1)1 und 0)2
ist in jedem Augenblick aquivalent der Rotation dieses Korpers urn eine momentane Aehse AB mit der Winkelgeschwindigkeit W = (Ul + (1)2'
5. Eine Uberlagerung vonRotationen urn paralleleAchsen (wl"t -(2 )
kann folgendel'maBen behandelt werden. Wir legen den Vektor 1'0
senkrecht zu den Rotationsachsen (Bild 1.1.10) und setzen l' = 1'1 + d mit d = 1'o/(k + 1) und k = 1(1)21/1<01 1, wenn die Vektorcn (1)2 und ("1 auf dieselbe Seite gerichtet sind, und k = -1<02 1/1<"11, wenn die
37
Vektoren entgegengesetzt zueinander gerichtet sind. Dann ist W 2 = kwl , WI + W 2 = (k + 1)Wl und v = [(WI + ( 2)rl ]. Eine gleichzeitige Rotation eines Korpers um zwei parallele Achsen Al Bl und A2B2 mit den Winkelgeschwindigkeitenwl bzw. W2 (WI i= - ( 2)
B
I.1.9
B
w M
A 1.1.10
ist in jedem Augenblick einer Rotation mit der Winkelgeschwindig­ keit W = WI + W 2 um eine parallele oder Momentanachse A B aquivalent; die Lage dieser Achse im Verhiiltnis zu den Achsen AIBI und A2B2 wird durch den oben angegebenen Betrag des Vektors d bestimmt. Die Rotation eines Korpers um paraIIele Achsen mit den Winkel­ geschwindigkeiten WI und W 2 = - WI nennen wir Rotationspaar. In diesem Fall ist die resultierende Geschwindigkeit aller Punkte des
38
K6rpers gleich und gegeben durch v = [-WI "'0]' wobei".o der Radiusvektor ist, der die Punkte 0 und 0' der Achsen verbindet (Bild 1.1.10). Der K6rper fiihrt eine Translationsbewegung mit der Geschwindigkeit v aus, wobei v senkrecht zu der Ebene liegt, in der die Vektoren WI und (1)2 liegen.
2. Die Dynamik der Translationsbewegung
2.1. Das erste NEWToNsche Gesetz
1. Das erste NEWTONsche Gesetz: Jeder Massenpunkt verharrt im Zustand der Ruhe oder der geradlinigen gleichformigen Bewegung, bis dieser Zustand durch das Einwirken anderer Korper beendet wird. Dieses Gesetz nennt man das Tragheitsgesetz, und die Eigenschaft von Massenpunkten, im Zustand der gleichformigen geradlinigen Be­ wegung zu verharren, wenn keine auBeren Kriifte auf sie einwirken, nennt man die Tragheit. 2. J ede mechanische Bewegung ist eine Relativ-Bewegung: ihr Charak­ ter hangt von der Wahl des Bezugssystems abo Der betrachtete Korper kann gleichzeitig relativ zu dem einen Bezugssystem ruhen und sich relativ zu einem anderen Bezugssystem gleichformig und geradlinig bewegen, wahrend er sich relativ zu einem dritten be­ schleunigt bewegen kann. Daher gilt das Tragheitsgesetz nicht fiir jedes Bezugssystem. So wird sich ein Korper, der auf dem ebenen Boden eines sich relativ zur Erde geradlinig und gleichformig be­ wegenden Eisenbahnwaggons ruht, jedesmal auf dem Boden zu bewegen beginnen, wenn die Bewegung des Waggons beschleunigt wird. 3. Als Inertialsystem bezeichnen wir in der klassischen Mechanik ein System, in welchem das Tragheitsgesetz gilt.1 ) Eine solche Art von System ist das heliozentrische Koordinatensystem, dessen Ursprung sich im Zentrum der Sonne befindet und dessen Achsen zu irgendwelchen bestimmten Sternen gerichtet sind, die als ruhend angesehen werden. Jedes Bezugssystem, das relativ zu einElm Inertialsystem ruht oder sich gleichformig und geradlinig bewegt, ist selbst ein Inertialsystem. Umgekehrt ist jedes System, das sich relativ zu einem Inertialsystem beschleunigt bewegt, selbst kein Inertialsystem. 4. Ein mit der Erde fest verbundenes Bezugssystem (geozentrisches Bezugssystem) ist kein Inertialsystem, im wesentlichen wegen der Tagesrotation der Erde. Die experimenteUe Verifikation dieser Tat­ sache und einer der Beweise des Vorhandenseins der Tagesrotation der Erde ist der Versuch mit dem FOUOAuLTschen Pendel - ein schwerer Korper (meist eine Kugel), der an einem langen Faden auf-
') Eine Verallgemeinerung dieses Begriffes auf den Fall der relativistischen Mechanik wird bei der Behandlung der ltelativitatstheorie (S.512) gebracht: Ais Inertial­ system bezeichnen wir ein solches Bezugssystem, in welchem das Trag­ heitsgesetz gilt und die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum eine universelle Konstante ist.
39
gehiingt ist, frei in jeder Richtung schwingen kann, und eine prak­ tisch reibungsfreie Aufhiingung besitzt. Die Lage der Schwingungs­ ebene eines solchen Pendels mu/3 relativ zu einem Inertialsystem unveriindert bleiben, da auf das Pendel nur die Kraft seines Gewichtes wirkt, die in dieser Ebene liegt. Relativ zum irdischen Bezugssystem vollfiihrt jedoch die Schwingungsebene des FoucAuLTschen Pendels eine Rotation mit der Winkelgeschwindigkeit
WM = W sinrp,
wobei W die Winkelgeschwindigkeit der Erddrehung ist, rp ist die geographische Breite des Beobachtungsortes. Die Maximalbeschleu­ nigung eines Punktes auf der Erdoberflache ist nicht groBer als 0,5% der Beschleunigung im freien Fall. Daher kann man in den meisten praktischen Aufgaben das geozentrische Bezugssystem naherungs­ weise als Inertialsystem betrachten.
2.2. Die Kraft
1. Die Kraft ist eine vektorielle GroBe und ein MaB fiir die mecha­ nische Einwirkung auf einen Massenpunkt oder Korper von seiten anderer Korper oder Felder. Eine Kraft ist vollstandig bestimmt, wenn man ihren Absolutbetrag, ihre Richtung und ihren Angriffs­ punkt kennt. Wie a,!s dem ersten NEWToNschen Gesetz folgt, liegt die Ursache einer Anderung des Bewegungszustandes in der Wechselwirkung zwischen Korpern. Diese Wechselwirkung kann auBerdem noch Deformationen dieser Korper verursachen. MiBt man die Defor­ mationen Xl und X2 ein und desselben elastischen Korpers unter Ein­ wirkung zweier gleichgerichteter Krafte Fl und F2, die in ein und demselben Punkt angreifen, so kann man die Absolutbetrage dieser Kriifte gleich
setzen. Diese auf dem HooKESchen Gesetz (8. 272) basierende Methode wird in Federwagen und Dynamometern angewendet. 2. Wirken auf einen Massenpunkt.A (BiId 1.2.1) mehrere Korper mit den Kriiften F I , 1<'2' •.• , F k, so ist deren Wirkung der einer einzigen Kraft aquivalent, die wir als resultierende Kraft bezeichnen; sie ist gleich der Vektorsumme der wirkenden Krafte:
Die resultierende Kraft kann durch ein geschlossenes Vieleck, das wir aus den Kriiften F I , F 2, ••• , Fk konstruieren, dargestellt werden (Bild 1.2.2). Die Projektionen dieser Kraft auf die Achsen eines kartesischen Koordinatensystems sind gleich den algebraischen
40
k Fz = E Fix,
Fz = E Fiz ' i=l
Als Wirkungslinie der Kraft F~ bezeichnen wir die in der Richtung des Vektors Fi liegende Gerade. Die Wirkung auf einen starren Korper bleibt gleich, wenn man den Angriffspunkt einer Kraft iiings ihrer
1.2.1.
A I.2.2.
Wirkungslinie verschiebt (unter der Voraussetzung, daB der Angriffs. punkt der Kraft entweder im Korper selbst liegt oder mit ihm starr verbunden ist). Wir konnen daher die auf einen starren Korper wirkenden Kriifte als in ihrer Wirkungslinie verschiebbare Vektoren behandeln. 3. Unter einem System von in einem Punkt angreifenden Kriiften (Kriiftebundel) verstehen wir die Gesamtheit aller Kriifte, die an ein und demselben absolut starren K6rper angreifen, derart, daB sich ihre Wirkungslinien in einem einzigen Punkt 0 schneiden (Bild 1.2.3). Verschieben wir diese Krafte langs ihrer Wirkungslinien bis zum Punkt 0, so erhalten wir ein System von Kraften, die in ein und demselben Punkt angreifen lind die einer resultierenden Kraft F aquivalent sind, wclche ebenfalls im Punkt 0 angreift U1l'd gleich ist
41
k F = 1: Fi •
i=O
4. 1m allgemeinsten Fall ist die Wirkung eines beliebigen Systems von Kraften auf einen absolut starren K6rper aquivalent der Wirkung des resultierenden Momentes M des Kraftesystems (S.74) und der Resultierenden F dieses Kriiftesystems auf den K6rper; sie ist gleich
k der Vektorsumme aller Krafte dieses Systems: F = 1: F i •
i=l
1.2.3
Den Angriffspunkt 0 des Hauptvektors des Kriiftesystems nennen wir Angri//szentrum. Die Wahl dieses Punktes ist ganz willkiirlich und beeinfluBt nur den Betrag des Vektors des resultierenden Momentes M. Fiihrt der starre K6rper eine Translationsbewegung aus, so ist das resultierende Moment aller am K6rper angreifenden Kriifte relativ zum Schwerpunkt des K6rpers (S. 82) gleich Null. 5. In einem beliebigen System von Massenpunkten oder K6rpern nennen wir diejenigen Kriifte, die auf einen Punkt (K6rper) des Systems seitens der andern Punkte (K6rper) dieses Systems wirken, innere Kra/te. Diejenigen Kriifte hingegen, die von Massenpunkten oder K6rpern, die nicht zum betrachteten System geh6ren, ausgeiibt werden, nennen wir iiufJere Kra/te. 6. Als abgeschlossenes oder isoliertes System bezeichnen wir ein System von K6rpern (oder Massenpunkten) auf welches keine auBeren Krafte wirken. 7. Das Unabhiingigkeitsprinzip kann wie folgt formuliert werden: Jedes abhangige mechanische System kann als unabhangig (krafte­ frei) betrachtet werden, werm man die auf dieses wirkenden Neben­ bedingungen aufhebt und die Wirkung der diese Bedingungen realisierenden K6rper auf das System durch entsprechende Krafte ersetzt, die wir als Zwangskrafte bezeichnen. So k6nnen z. B. bei der Verschiebung eines K6rpers auf einer rauhen Oberflache die der Bewegung des K6rpers auferlegten Einschrankungen v611ig dadurch aufgehoben werden, daB man eine senkrecht auf die Beriihrungs-
42
flache wirkende Zwangskraft einfiihrt. Die zweite dieser Krafte ist die Reibungskraft. 1m Gegensatz zu den Zwangskraften sind aIle anderen (inneren und auBeren) auf das mechanische System wirkende Krafte als aktive Kriijte zu bezeichnen. Betrachtet man eine Bewegungsaufgabe eines mechanischen Systems, so miissen aIle aktiven Krafte gegeben sein, wahrend die Zwangskrafte zunachst unbekannt sind und erst bei der Losung der Aufgabe bestimmt werden miissen.
2.3. Die Masse
1. Die Masse eines Korpers ist eine physikalische GroBe und dient als MaB seiner tragen und schweren Eigenschaften. In der N EWToNschen Mechanik ist die Masse eine additive GroBe, d. h., die Masse m eines beliebigen Systems von Massenpunkten (z. B. eines festen Korpers) ist gleich der Summe der Massen mi aller n Punkte des Systems:
AuBerdem wird in der NEWToNschen Mechanik angenommen, daB a) die Masse eines Korpers von seiner Bewegungsgeschwindigkeit unabhiingig ist, b) die Masse eines abgeschlossenen Systems von Korpern (oder Massenpunkten) von den sich in diesem System ab­ spielenden Prozessen, gleich welcher Art diese sein mogen, unab­ hangig ist (Satz von der Erhaltung der Masse). Die Tragheit eines Massenpunktes auBert sich darin, daB dieser unter dem EinfluB auBerer Krii.fte eine endliche Beschleunigung erfahrt, wahrend er beim Fehlen auBerer Krafte seinen Zustand der Ruhe oder gleichformigen, geradlinigen Bewegung relativ zu einem Inertialsystem beibehalt. Die Masse, die in das zweite NEWToNsche Gesetz eingeht, charakterisiert die Tragheitseigenschaften des Massen­ punktes und wird als seine triige Masse bezeichnet. Die Masse, die in das Gesetz der universellen Gravitation eingeht, charakterisiert die Gravitationseigenschaften der Masse und wird als seine schwere Masse bezeichnet. Auf Grund von sehr genauen Messungen konnte festgestellt werden, daB fiir aIle Korper das Verhaltnis von trager Masse zu schwerer Masse gleich ist. Man kann daher bei entsprechender Wahl der Gravitationskonstante (S. 53) sagen, daB die trage Masse eines beliebigen Korpers gleich seiner schweren Masse ist; sie ist mit dem Gewicht P dieses Korpers durch die Beziehung m = Pig verkniipft, wobei g die Schwerebeschleunigung ist. Diese ist, wie Versuche gezeigt haben, an ein und demselben art fiir aIle Korper gleich. Daher kOnnen wir das Massenverhiiltnis zweier Korper durch ihr Gewichts­ verhiiltnis ausdriicken: m2/'mJ. = P21P1• Hierauf beruht der Massen­ vergleich von Korpern mittels Hebelwaagen. 2. AIs Dichte (! eines Korpers bezeichnen wir den Grenzwert des Verhiiltnisses der Masse Lf m eines Elements des Korpers zu seinem
43
I. ,d m dm (} =J;~o,d V = dV'
Die Masse des ganzen Kiirpers ist gleich
v In=JgdV,
o
wobei iiber das gesamte Volumen V des Kiirpers zu integrieren ist. [m Fall eines homogenen Kiirpers ist seine Dichte im ganzen Volumen V dieselbe, und die Masse des Kiirpers ist dann gleich m = (} V. Die mittlere Dichte (j eines inhomogenen Kiirpers ist das Verhaltnis der Masse des Kiirpers zu seinem Volumen:
_ rn
e=V'
3. Schwerpunkt oder Ma88enmittelpunkt eines Systems von Massen­ punkten nennen wir jenen Punkt G(xc' YC' zc), dessen Radiusvektor To mit den Massen mi und den Radiusvektoren Ti aller n Punkte dieses Systems wie folgt zusammenhangt:
n
Jxdtn J(}xdV Jydm J(}ydV (m) (V)
Xc = --m-- = '--'--m-- (m) tv)
Yc = --m-- = '--'--m--
Zc = -m =-"--'.-rn--
44
In rechtwinkligen kartesiR!'lwll Koordinaten ist
dV=dxdydz, J xdV = J J J xdxdydz usw. (V) (V)
4. Als Irnpuls (Bewegungsgl'ii(Jr) eines Massenpunktes bezpichnen wir den Vektor Ki> der gleieh is!. dem Prodnkt der PunktmaHse 11/,i und ihrer Gesehwindigkeit Vi:
Der Impuls eines Systems von n Massenpunkten ist ein Vektor K, del' gleieh ist der geometrischell Hllmme der Impulse aller Punkte dieses Systems:
n n K = 1: Ki 0= 1: mil';.
i~l i~l
Fur einen Korper ist
K = f v dm = f vQ dV. (m) (V)
Der Impuls eines Systems von Massenpunkten ist gleieh dem Produkt der Masse m des ganzen Systems mit der Geschwindigkeit Vc = dTc/dt seines Sehwerpunktes: K = mvo. Die Gesehwindigkeit 1'0 ist die Geschwindigkeit der Translationsbewegung des Hystems.
2.4. Das zweite NEWTONsche Gesetz
1. Das zweite NEWTONsche Gesetz lautet: Die erste zeitliche Ableitung des Impulses (BewegungsgriiBe) eines Massenpunktes ist gleil'h del' auf ihn wirkenden Kraft:
dKi = F· dt'
oder
Als elementaren KraftstofJ einer Kraft F; wahrend der Zeit dt be­ zeichnen wir die Vektorgrolle Fidt. Der KraftstofJ einer Kraft Fi
LIt
innerhalb einer endliehen Zeitspanne .d t ist gleich f Fi dt. 1st die o
Kraft Fi konstant, so ist ihr Impuls im Zeitraum .d t gleieh F, .d t. Man kann das zweite NEWToNsche Gesetz also auch so formulieren: Die elementare .An.derung des Impulses eines Massenpunktes ist gleich dem element.aren KraftstoB der auf ihn wirkenden Kraft:
Da mi = const ist dVi Fi
Wi =di = mi·
SchlieBlich konnen wir das zweite NEWTONsche Gesetz auch folgender­ maBen formulieren: Die Beschleunigung eines Massenpunktes ist der
45
auf ibn wirkenden Kraft direkt proportional, der Masse des Punktes umgekehrt proportional und falIt mit der Richtung der Kraft zu­ sammen. Die den Zusammenhang zwischen wi und Fi beschreibende Differen­ tialgleickung nennen wir die Bewegungsgleickung des Punktes. Schreiben wir sie in den Projektionen auf die Achsen eines ortho­ gonalen Koordinatensystems, so lautet sie wie folgt: a) kartesische Koordinaten
mixi = Fi{J,; mifh = F i ,,;
b) zylindrische Koordinaten
mdei - (liIpi) = Fie' mi(QifPi + 2eiIP.) = Fiip , mizj = Fiz ,
wobei Fie und Firp dieentsprechendenProjektionen derKraft F, auf die Richtung der Geraden 0 M' sind (Bild 1.1.1 b, wobei M ein sich bewegender Massenpunkt mit der Masse mi ist) und auf eine Gerade, die in der x,y-Ebene und senkrecht zu OM' liegt, in Richtung wachsenden Winkels p; c) sphiirische Koordinaten
mi (r i - r, IPi sin2 Di - r. bi) = Fi"
mj[(rifPi + 2i'iIP,) sinD + 2riIPibi cosDi] = Firp ,
mi(2i'ib. + r(ifi - riIP~ sin Di cos Di) = Fio ,
wobei Fir die Projektion der Kraft Fi auf die Richtung der Geraden OM ist (Bild 1.1.1 c), Fi'!' ist die Projektion von Fi auf die Richtung einer Geraden, die in der x, y-Ebene und senkrecht zu OM' liegt, in der Richtung wachsenden Winkels p, und Fio ist die Projektion von F j auf die Richtung einer Geraden, die in der Ebene OM M' und senkrecht zu OM liegt, in Richtung wachsenden Winkels D. 2. Das Superpasitionsprinzip fur Krafte: Wirken auf einen Massen­ punkt gleichzeitig mehrere Kriifte, so wird jede dieser Kriifte auf den Punkt eine Beschleunigung ausiiben, die durch das zweite NEWTON­ sche Gesetz bestimmt ist, so als ob keine anderen Kriifte vorhanden waren. Wir kiinnen also die resultierende Beschleunigung des Punktes nach dem zweiten NEWToNschen Gesetz bestimmen, wobei wir in fum die resultierende Kraft F. einzusetzen haben. 3. In der Tangentialebene konnen wir die Beschleunigung des Massen­ punktes und die auf ihn wirkende Kraft in Normal- und Tangential­ komponenten zerlegen:
mi(will + Wit) = Fill + Fit, mit
und
Die Normalkomponente der Kraft ist ihrem Betrag nach (S.28) gleich
46
und gegen den Kriimmungsmittelpunkt der Bahnkurve des Massen­ punktes gerichtet. Daher wird sie auch oft als Zentripetalkraft be­ zeichnet. 1m Fall einer kreisfOrmigen Bahnkurve vom Radius R, ist die Kraft Fin = miwiRi, wobei wi die Winkelgeschwindigkeit des Punktes ist. Der Betrag der Tangentialkomponente der Kraft (S. 28) ist durch
gegeben.lst Vi > 0, dann hat die Kraft F dieselbe Richtung wie der Geschwindigkeitsvektor vi' und wir sprechen in diesem Fall von einer beschleunigenden Kraft; ist ti; < 0, dann ist die Kraft Fit der Geschwindigkeit vi entgegengesetzt gerichtet, und wir nennen sie verzagernde Kraft.
2.5. Das dritte NEWToNsche Gesetz
Die von zwei Massenpunkten aufeinander ausgeiibten Krafte haben gleiehe Betrage und entgegengesetzte Riehtungen:
(i# i), wobei Fij die Kraft ist, die vom i-ten Punkt auf den i-ten ausgeiibt wird, Fj; ist die vom i-ten Punkt auf den i-ten Punkt ausgeiibte Kraft. Diese Kriifte greifen also an verschiedenen Punkten an und konnen nur dann im Gleichgewicht sein, wenn die Punkte i und i ein und demselben starren Korper angehoren.
2.6. Das Grundgesetz der Dynamik der Translationsbewegung
1. Die zeitliche Ableitung des Impulses K eines Massenpunktes oder eines Systems von Massenpunkten relativ zu einem unbewegten (Inertial-)Bezugssystem ist gleieh der Resultierenden Faller aulleren Kriifte, die auf das System wirken:
dK = F oder dt
wobei we die Besehleunigung des Sehwerpunktes des Systems und m seine Masse ist. Bei einerTranslationsbewegung eines starren Korpers mit der Absolut­ gesehwindigkeit v ist die Gesehwindigkeit des Schwerpunktes Vc=V. Betraehtet man also die Translationsbewegung eines starren Korpers, so kann man sieh diesen Korper dureh einen Massenpunkt ersetzt denken, der sieh im Sehwerpunkt des Korpers befindet, die ganze Masse des Korpers besitzt und sich unter der Wirkung der Resul­ tierenden der aulleren, am Korper angreifenden Krafte, bewegt. Demnaeh ist die Masse eines Korpers ein Mall fiir seine Tragheit bei einer Translationsbewegung.
47
dKx=F dt x'
2. Betrachten wir den einfachsten Fall einer Translationsbewegung eines festen K6rpers. a) Kraftfreie Bewegung (Tragheitsbahn) (F = O):
mv = const, W = 0;
d dt (mv) = F = const, mv = Ft + mvo,
wobei mvo der Impuls des Korpers zur Zeit t = 0 ist. Beispiel. Betrachten wir die Bewegung eines Korpers, der in einer unter dem Winkel lX gegen die Horizontale geneigten Richtung geworfen wird. Er bewegt sich unter der Wirkung der konstanten Kraft seines Gewichtes P, die senkrecht nach unten gerichtet ist (Bild I.2.4). Fiir einen beliebigen Punkt M (x, y) ist die Bahnkurve des Korpers gegeben durch
mv = Pt + mt·o
x = vot cos lX,
oder v = gt + vo,
v" = Vo sinlX - gt,
y=xtanlX- 22 2 • Vo cos lX
48
(vosina)2 Ymax = 2g
Die maximale Flugweite in der Richtnng der Horizontalen (x-Achse) ist gegeben durch
v~ sin 2lX :Tmax = g
c) Untersuchung der Bcwegung unter der Einwirkung einer zeitlich veriinderlichen Kraft. In der Zeitspanne zwischen tl und t2 iindert sich der Impuls urn
mV2 - lIlt\ = F(t2 - til, t, J Fdt
wobei F = _1,__ der Mittelwert des Kraftvektors in der Zeit­ t2 - tl
spanne tl bis t2 ist.
2.7. DaR Gesetz von der Erhaltung des ImpulseR
1. Der Impuls eines abgeschlossenen Systems ist zeitlich konstant:
dK=O dt
K = r mivi = const_ i=1
Dies ist eines der grundlegenden Naturgesetze und folgt aus der Homogenitiit des Raumes (S. 107). In Projektionen auf die Achsen eines unbewegten rechtwinkligen kartesischen Koordinatensystems ausgedriickt, konnen wir dieses Uesetz als System dreier skalarer Gleichungen schreiben:
d n
1
n
I d rm(c; = 0, r 1I1;Xi = aI' t i=1 i=1
d n n d r l11iYi = 0, oder r mdli = a2,
t i=ol i~1
I d n n d };1Il,Zj=O, }; mizi = aa,
t i=1 i=1
wobei Xi' Yi' zi die Projektionen auf die x-, Y- bzw. z-Aehse des Vektors vi der Gesehwindigkeit des i-ten Punktes des Systems sind; aI' a2 und aa sind Konstanten und gleich den Projektionen des Impulsvektors K des Systems auf die Achsen des Koordinaten­ systems. 2. Das Gesetz der Erhaltung des Impulses zeigt, daB die Wechsel­ wirkung von Korpern, die ein geschlossenes System bilden, nur zum
4 Jaworski 49
Austausch von Impuls zwischen diesen Korpern fiihren, nicht aber die Bewegung des Systems als ganzes andern kann: Bei jeder Art von Wechselwirkung zwischen Korpern, die ein abgeschlossenes System bilden, bleibt die Geschwindigkeit des Schwerpunktes dieses Systems unverandert, d. h.
dvC = 0 dt
oder
wobei Vc die Geschwindigkeit des Schwerpunktes ist, XC, YC' Zc sind die kartesischen Koordinaten des Schwerpunktes. 1st ein System von Korpern nicht abgeschlossen, die Projektion der Resultierenden Faller auBeren Krafte auf eine beliebige Achse aber gleich Null, dann ist die Projektion des Impulsvektors des Systems auf diese Achse zeitunabhangig. Zum Beispiel ist fiir F IIJ = 0
" E mixi = conet. i=l
2.8. Die Bewegung eines Korpers mit veriinderlicher Masse
1. Die Differentialgleichung, die die Translationsbewegung eines starren Korpers, dessen Masse m eine Funktion der Zeit ist, be· schreibt, lautet
d dm dt (mv) = F + v l at'
Fist die Resultierende aller Krafte, die auf den Korper wirken, v l ist die Geschwindigkeit der hinzukommenden Masse vor der Vereinigung (wenn dmfdt> 0 ist) oder die Geschwindigkeit der wegfallenden Masse nach ihrer Abtrennung (wenn dmfdt < 0 ist). 2. Die Beschleunigung w eines Korpers variabler Masse ist gleich
wobei dm dm
Fp = (Vl - v) de = U at
die Reaktionskraft ist; sie ist gleich dem Produkt der zeitlichen Ableitung der Masse des Korpers mit der Relativgeschwindigkeit U = vl - v der hinzukommenden oder wegfaIIenden Masse. Beispiel 1. Betrachten wir die RiickstoBkraft, die bei einem Diisen­ antrieb wirkt. Diese Kraft F p ist gleich der Vektorsumme der beiden, gleichzeitig wirkenden ReaktionskrMte: der Kraft F PI' die durch das Ansaugen der Luft verursacht wird, und der Kraft F p2' die durch den
50
Fp = Fpl + Fp2 ,
dml (dm1 dm2) Fpl = "1 ----;It' FP2 = -U2 ----;It + ----;It ,
dm1 dm2 Fp = (u1 - u 2)Tt - u 2Tt;
~ = - V ist die Relativgeschwindigkeit der Luft, v ist die Flug­ geschwindigkeit, u 2 ist die Relativgeschwindigkeit der Verbrennungs­ produkte beirn Austritt aus der Diise, dm1/dt ist die DurchfluBrate, Luftmasse/Sekunde, und dm2/dt ist die DurchfluBrate des Brenn­ stoffs pro Sekunde. Beispiel 2. Wir betrachten nun die Bewegung einer Rakete, auf die keine auBeren Krafte einwirken. Die Schubkraft der Rakete erhalten wir aus obigen Formeln unter der Annahme, daB u1 = 0 (Oxydationsmittel und Treibstoff befinden sich beide in der Rakete selbst):
dm Fp = u2dt ,
wobei dm/dt die zeitliche Abnahme der Raketenmasse infolge des Abbrennens des Treibstoffs angibt. Die Bewegungsgleichung der Rakete lautet
dv dm m dt =u2dt ,
wobei v die Geschwindigkeit und m die Masse zum Zeitpunkt t ist. Die Vektoren dv/dt und u 2 sind entgegengesetzt gerichtet, daher ist
dv dm m dt =-u2dt ,
woraus bei U2 = const die Gleichung von K. E. ZIOLKOWSKI folgt:
I mo v = Vo + U2 n-,
m
wobei Vo und mo die Anfangswerte von Geschwindigkeit und Masse der Rakete sind (bei t = 0).
2.9. Das Relativitiitsprinzip der Mechanik
1. Fiir die Koordinaten und die Zeit in zwei beliebigen Inertial­ systemen gilt die GALILEI-Transformation:
(Va = const),
t' = t,
4* 51
wobei l' und '1" die Radiusvektoren eines sich bewegenden Punktes im ersten bzw, zweiten Bezugssystem sind, ve ist die Geschwindigkeit der gieichiormigen und geradiinigen Bewegung des zweiten Bezugs­ systems relativ zum ersten und '1'0 ist der Radiusvektor vom Ursprung des ersten Systems zum Ursprung des zweiten Systems zur Zeit t = O. Die zweite Bedingung (t' = t) bringt den absoluten Charakter der Zeit in der klassischen Mechanik zum Ausdruck, d. h., sie besagt, daJl die Zeit in allen Inertialsystemen in gleicher Weise ablauft (S.106). 2. Der Zusammenhang zwischen den Geschwindigkeiten und den Beschleunigungen des Massenpunktes in den beiden Bezugssystemen ist durch folgende Beziehungen gegeben:
, dr' d'r v = dt' = dt - "e = 1) - ve'
, dv' dv tv = dt' = dt = tv.
Die Beschleunigung eines beliebigen Massenpunktes ist in allen Inertialsystemen dieselbe. 1m allgemeinsten Fall hangen die Krafte, die auf einen Massenpunkt von seiten anderer Kiirper oder der durch sie erzeugten Felder wirken, vom Abstand zwischen demMassenpunkt und diesenKiirpern, von der Relativgeschwindigkeit von Massenpunkt und Kiirpern sowie von der Zeit abo Aus den GALILEIschen Transformations­ gleichungen folgt, daB aIle diese GriiBen in allen Inertialsystemen invariant sind:
und
Daher sind auch die Krafte, die auf den sich bewegenden Massen­ punkt wirken, einander gleich:
F'=F. Daher ist
d. h., dic Bewegungsgleichung des Massenpunktes oder eines Systems von Massenpunkten ist in allen Inertialsystemen diesel be, sie ist invariant beziiglich einer GALILEI-Transformation. 3. Dieses Ergebnis kiinnen wir als mechanisches Relativitiitsprinzip formulieren: Eine gleichfiirmige und geradlinige Bewegung (relativ zu einem Inertialsystem) eines abgeschlossenen Systems beeinfluBt nicht den Ablauf mechanischer Prozesse in diesem System. Mit anderen Worten, in der Mechanik sind alle Inertialsysteme gleichwertig. Es gibt daher im Rahmen der klassischen Mechanik keinerlei Begriindung dafiir, irgendein Bezugssystem als "Haupt"­ system zu betrachten, relativ zu welchem man Bewegung oder Ruhe von Kiirpern als absolut bezeichnen kiinnte. Eine weitere Verallgemeinerung des Relativitatsprinzipes werden wir im Rahmen der Relativitatstheorie (S. 512) behandeln.
52
2.10. Das Gesetz der universellen Gravitation
1. Zwei beliebige Massenpunkte iiben aufeinander Anziehungskriijte aus, die dem Produkt der Massen dieser Punkte direkt und dem Quadrat ihreR Abstandes umgekehrt proportional sind (Bild 1.2.5):
]l .= j 1111 1nz BIZ 12 RZ R'
wobei F12 die auf den Punkt mit der Masse ml wirkende Schwerkraft ist, BIZ ist der Radiusvektor von diesem Punkt zu dem Punkt mit der Masse m2 und R = I R121 der Abstand zwischen den beiden
1.2.5.
Punkten. Den Koeffizienton f nonnen wir Gravitationskonstante. Ihrem Betrag nach ist sie gleich der Kraft, die zwei Massenpunkte aufeinandcr ausiiben, deren Masse gleich einer Masseneinheit ist und die sich in einem Abstand gleich einer Langeneinheit befinden. Die Gravitationskonstante kann experimentell bestimmt werden. Ihr numerischer \Vert hangt nur von der \Vahl der MaBeinheiten ab:
f = (6,67 ± 0,01) . 10-11 N . m2jkg2 = (6,67 ± 0,01) . 10-8 dyn· cm2jg2.
Dem dritten NEWToNschcn Gesetz zufolge ist die Kraft ]l21> die anf den Massenpunkt mit der Masse 1n2 wirkt, ihrem Betrag nach gleioh der Kraft F 12 , doch entgegengesetzt gerichtet:
F _. _ f' _ .. __ f 1111 1n2 R12 __ f inl1n2 H2l 21 - 12 - • R2 R - R2 R'
2. Wir konnen geniigend kleine Elemente zweier Korper von be­ liebiger Form und GroBe als Massenpunkte betrachten, deren Masse gleich ist dem Produkt ihrer Volumina (d VI und d Vz) und ihrer Dichten ((!1 und (!2)' Daher ist die Massenanziehungskraft dFw die auf ein Element des ersten Korpers von einem Element des zweiten Korpers ausgeii bt wird, gleich
Die resultierende Kraft "\2' mit der der erste Korper vom zweiten angezogen wird, ist gleich
F12 c= If I!! d VI! ~12 l'U d V 2 • r] ,
r 1 r~2
53
wobei iiber das gesamte Volumen VI bzw. V2 der beiden Karper zu integrieren ist. Sind die Karper homogen und ihre Dichten konstant, so ist
Fiir zwei kugelfarmige starre Karper, deren Dichten jeweiIs eine Funktion des Abstands zum Mittelpunkt sind, ist
s 1.2.6.
wobei mi und m2 die Massen der beiden Karper sind, RI2 ist der die Mittelpunkte der beiden Karper verbindende Radiusvektor und R=IRd· Diese Formel gilt auch dann, wenn einer der beiden Karper eine beliebige Form hat, seine GraBe aber um vieles kleiner ist als der Radius des zweiten Karpers. 3. Als Gewicht eines Massenpunktes bezeichnen wir die Kraft P, die gleich ist der Vektordifferenz der auf diesen Massenpunkt wirkenden und zur Erde hin gerichteten Schwerkraft Fund der Zentrifugal. kraft F z, die auf diesen Punkt wirkt, da er an der Erdrotation teil· nimmt (BiId 1.2.6):
mit
hier ist m die Masse des Punktes, w die Winkelgeschwindigkeit der Erdrotation, R der Erdradius und If! die geographische Breite des betrachteten Punktes A.
54
Das Gewicht ist am groBten an den Polen und am kleinsten am Aquator; der Unterschied ist jedoch nie groBer als 0,55%. Das Gewieht eines Korpers ist gleich der geometrischen Summe der Gewichte aller Massenpunkte des betrachteten Korpers. Den Angriffs­ punkt dieser Kraft nennen wir den Sehwerpunkt des Korpers. Der Schwerpunkt fiiIlt mit dem Massenmittelpunkt des Korpers (S. 44) zusammen. 4. Der freie Fall ist diejenige Bewegung, die ein Korper vollfiihrt, wenn nur die Schwerkraft auf ihn wirkt. Die Beschleunigung im freien Fall (Sehwerebeschleunigung) ist 9 = P/m. Sie ist fUr aIle Korper gleich und hangt nur von der geographischen Breite und der Meereshohe abo Den Absolutbetrag von g (in cm/s2), der Beschleunigung im freien Fall bei geringen Hohen h (in m) iiber dem Meeresniveau kann man nach folgender Naherungsformel berechnen
g = 978,049 (1 + 0,0052884 sin2 rp - 0,0000059 sin2 2rp) - 0,0003086h - 0,011.
Der Standardwert (Normalwert) von g, der in barometrischen Berech­ nungen und bei der Definition von Einheitensystemen verwendet wird, ist gleich 980,665 cm/s2. In den meisten technischen Berechnungen vernachlassigt man die Abhangigkeit des g-