Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum · Plurale Bodennutzungen und...

36
Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum Benjamin Davy Inhaltsverzeichnis 1 Eigentum und Bodennutzung – monorational betrachtet ........................... 3 1.1 Gemeineigentum und Privateigentum ...................................... 3 1.2 Ideologisiertes Bodeneigentum: Von der Eigentumswohnung zur Kapitalakkumulation ................................................... 6 1.3 Ausschließende und gemeinschaftliche Bodennutzungen ...................... 8 2 Ausschließende Bodennutzungen benötigen Privateigentum ........................ 13 2.1 Insulare Bodennutzungen ................................................ 13 2.2 Verwandtschaftliche Nutzungen des Bodens ................................ 13 2.3 Akkumulierende Bodennutzungen ........................................ 13 2.4 Behälternutzungen des Bodens ........................................... 14 3 Gemeinschaftliche Bodennutzungen benötigen Gemeineigentum .................... 14 3.1 Opportunistische Bodennutzungen ........................................ 14 3.2 Kollaborative Bodennutzungen ........................................... 15 3.3 Strukturbildende Nutzungen des Bodens ................................... 15 3.4 Umweltnutzungen des Bodens ............................................ 16 Dieser Beitrag ist Teil des Handbuchs der Geodäsie, Band „Bodenordnung und Landmanagement“, herausgegeben von Theo Kötter, Bonn. Danksagung: Ich habe den Beitrag als Fellow am STIAS erstellt und bin dankbar für die Unterstützung durch das Stellenbosch Institute for Advanced Studies, Wallenberg Research Center an der Stellenbosch University, Marais Street, Stellenbosch 7600, South Africa. Ich danke auch Frau Dipl.-Ing.Melanie Halfter, Herrn Dipl.-Ing. Michael Kolocek und Frau Vermessungsassessorin Dr. Ing. Kathrina Völkner (alle: Lehrstuhl für Bodenpolitik, Bodenmanagement, kommunales Vermessungswesen, Fakultät Raumplanung, TU Dortmund) für ihre technische Mithilfe. B. Davy () Bodenpolitik, Bodenmanagement, kommunales Vermessungswesen, TU Dortmund, Dortmund, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Berlin Heidelberg 2015 W. Freeden, R. Rummel (Hrsg.), Handbuch der Geodäsie, Springer Reference Naturwissenschaften, DOI 10.1007/978-3-662-46900-2_85-1 1

Transcript of Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum · Plurale Bodennutzungen und...

Page 1: Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum · Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 5 Didaktische Nützlichkeit ist nur einer von mehreren Gründen

Plurale Bodennutzungen und polyrationalesBodeneigentum

Benjamin Davy

Inhaltsverzeichnis

1 Eigentum und Bodennutzung – monorational betrachtet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.1 Gemeineigentum und Privateigentum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.2 Ideologisiertes Bodeneigentum: Von der Eigentumswohnung zur

Kapitalakkumulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61.3 Ausschließende und gemeinschaftliche Bodennutzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

2 Ausschließende Bodennutzungen benötigen Privateigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132.1 Insulare Bodennutzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132.2 Verwandtschaftliche Nutzungen des Bodens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132.3 Akkumulierende Bodennutzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132.4 Behälternutzungen des Bodens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

3 Gemeinschaftliche Bodennutzungen benötigen Gemeineigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143.1 Opportunistische Bodennutzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143.2 Kollaborative Bodennutzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153.3 Strukturbildende Nutzungen des Bodens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153.4 Umweltnutzungen des Bodens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

Dieser Beitrag ist Teil des Handbuchs der Geodäsie, Band „Bodenordnung und Landmanagement“,herausgegeben von Theo Kötter, Bonn.Danksagung: Ich habe den Beitrag als Fellow am STIAS erstellt und bin dankbar für dieUnterstützung durch das Stellenbosch Institute for Advanced Studies, Wallenberg ResearchCenter an der Stellenbosch University, Marais Street, Stellenbosch 7600, South Africa.Ich danke auch Frau Dipl.-Ing.Melanie Halfter, Herrn Dipl.-Ing. Michael Kolocek undFrau Vermessungsassessorin Dr. Ing. Kathrina Völkner (alle: Lehrstuhl für Bodenpolitik,Bodenmanagement, kommunales Vermessungswesen, Fakultät Raumplanung, TU Dortmund) fürihre technische Mithilfe.

B. Davy (�)Bodenpolitik, Bodenmanagement, kommunales Vermessungswesen, TU Dortmund, Dortmund,DeutschlandE-Mail: [email protected]

© Springer Berlin Heidelberg 2015W. Freeden, R. Rummel (Hrsg.), Handbuch der Geodäsie,Springer Reference Naturwissenschaften, DOI 10.1007/978-3-662-46900-2_85-1

1

Page 2: Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum · Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 5 Didaktische Nützlichkeit ist nur einer von mehreren Gründen

2 B. Davy

4 Zur unausweichlichen Verbindung zwischen ausschließenden undgemeinschaftlichen Bodennutzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174.1 Monorationalität ist wenig hilfreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174.2 Das isolierte Privatgrundstück . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184.3 Der Stadtraum vor und zwischen den Gebäuden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

5 Praxisbeispiele: Polyrationales Bodeneigentum in der deutschenEigentumsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235.1 Wie polyrational ist die deutsche Eigentumsverfassung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235.2 Nassauskiesung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245.3 Jagdbezirk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265.4 Fraport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

6 Polyrationales Bodeneigentum und die Stadt der Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306.1 Monorationale Eigentumstheorien widersprechen der polyrationalen

Eigentumspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306.2 Städte sind die räumliche Folge polyrationalen Bodeneigentums . . . . . . . . . . . . . . . . 32

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

Zusammenfassung

Bodennutzungen folgen aus menschlichem Verhalten. Wird menschliches Nut-zungsverhalten durch raumplanerische Erlaubnisse, Gebote und Verbote, steu-erliche Anreize oder Infrastrukturleistungen gesteuert, berührt dies stets dieRechte der Bodennutzenden. Bodenpolitik stellt eine Verbindung zwischenräumlichen Planungen und einer Vielzahl von Bodennutzungsrechten her, vorallem zwischen Bebauungsplänen und privatem Bodeneigentum. Eine erfolgrei-che Bodenpolitik verschafft pluralen Bodennutzungen gerade jene vielfältigenRechtsbeziehungen, die zur Verwirklichung des jeweils angestrebten Nutzungs-verhaltens passen. Dabei gilt: Keine einzelne Eigentumsregel passt gleicher-maßen für alle Arten von Bodennutzungen. Ein freistehendes Einfamilienhausist kein Gemeinschaftsgarten und eine Bundesstraße ist keine Warenhauskette.Für jede Bodennutzung müssen die passenden Eigentumsbeziehungen – ein-zigartig fast wie ein Fingerabdruck – gefunden werden. In der Alltagspraxisdecken zahlreiche Formen des Privat- und Gemeineigentums die Bedürfnisse derBodennutzenden ab, wobei die große Detailvielfalt unterschiedlicher Regelun-gen meist unbemerkt bleibt. Demgegenüber erkennen viele Eigentumstheorienplurale Eigentumsbeziehungen nicht oder nur in eingeschränktem Umfang an.Die hier vorgestellte Theorie des polyrationalen Bodeneigentums schließt dieKluft zwischen der Praxis der Bodennutzungen und den Theorien des Bo-deneigentums. Dazu werden acht Arten von Bodennutzungen und die dazupassenden Eigentumsbeziehungen unterschieden. Die acht Bodennutzungsartensind die insulare Nutzung, die opportunistische Nutzung, die verwandtschaft-liche Nutzung, die kollaborative Nutzung, die akkumulierende Nutzung, diestrukturbildende Nutzung, die Behälternutzung, die Umweltnutzung. Polyra-tionales Bodeneigentum bedeutet: für jede dieser Bodennutzungsarten stehendie für die planerische Umsetzung erforderlichen Eigentumsbeziehungen zurVerfügung.

Page 3: Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum · Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 5 Didaktische Nützlichkeit ist nur einer von mehreren Gründen

Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 3

Schlüsselwörter:Bodennutzungen • Bodenpolitik • Eigentumsrecht • Gemeineigentum •Grundstück • Monorationalität • Polyrationalität • Privateigentum • Recht-sprechung

1 Eigentum und Bodennutzung – monorational betrachtet

1.1 Gemeineigentum und Privateigentum

Zu wessen Vorteil soll der Boden eines Landes genutzt werden? Seit Beginn einerwissenschaftlichen Bodenpolitik – im Übergang zwischen Policeywissenschaftund Bodenreformlehre – herrschte der Gedanke vor, Eigentumsrechte müsstendurch staatliche Interventionen so ausgestaltet werden, dass private und öffentlicheInteressen befriedigt würden [8,11,12,16,32,44]. Allerdings werden zur Umsetzungdieses Interventionsanspruchs unterschiedliche, oft gegensätzliche Instrumente vor-geschlagen. Ein typisches Beispiel bilden bodenpolitische Kontroversen für dieAusgestaltung der Rechte auf Bodennutzung: Gemeineigentum oder Privateigen-tum? Vereinfachend gesprochen, ordnet Gemeineigentum das Recht zur Bodennut-zung einer größeren Gruppe von Nutzenden zu, während Privateigentum das Rechtzur Bodennutzung auf eine bestimmte Person (Eigentümer) begrenzt [11, S. 10–11]. Gemeineigentum berechtigt zum Gemeingebrauch, Privateigentum berechtigtzur ausschließenden Nutzung. Welche Eigentumsart ist effizienter und gerechter alsdie andere?

Johann Heinrich Gottlob von Justi, ein Vertreter der deutschen Policeywissen-schaft des 18. Jahrhunderts, sah in der „Aufsicht der Policey auf die Nutzung derPrivatgüther“ das zentrale Steuerungsmittel einer effizienzbewussten Bodenpolitik:„Es liegt dem Staate gar viel daran, daß die unbeweglichen Güther, und überhauptder Boden des Landes auf die bestmöglichste Weise genutzet werde“ [47, S. 120].Obzwar von Justis Hauptwerk über „Macht und Glückseligkeit der Staaten“ alsMusterbeispiel für eine staatsnahe Auffassung gelten kann, befürwortete er privatesBodeneigentum. Er führte die Ineffizienz der Bodennutzung auf die Institution desGemeineigentums (der Allmende) zurück, weil „alle diejenigen Theile von derOberfläche eines Landes, die denen Gemeinden, oder vielen Personen, zugehören,allemal viel weniger genutzet werden, als diejenigen Grundstücke, welche in dembesonderen Eigenthum einer Privatperson sind“ [47, S. 122]. Von Justi erklärte dieIneffizienz mit Argumenten, die an die moderne Diskussion über Umweltgüterund die „Tragödie der Allmende“ [27] erinnern: „Niemand giebt sich Mühe eineSache zu verbessern und zu cultiviren, an deren Genusse so viele andre mit Theilhaben; und indem ein jeder eilet etwas Nutzen von dieser gemeinschaftlichenSache zu ziehen; so verursachet man eben dadurch, daß sie niemand recht zuNutzen kommt“ [47, S. 122]. Folgerichtig betrachtete von Justi die zügige undausnahmslose Privatisierung der Allmende als Hauptaufgabe der Bodenpolitik. Dadas Gemeineigentum nur minderwertige Bodennutzungen verursache, müsse derAllmendeboden parzelliert und privaten Eigentümern zugeordnet werden.

Page 4: Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum · Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 5 Didaktische Nützlichkeit ist nur einer von mehreren Gründen

4 B. Davy

Genau das Gegenteil vertrat der Schweizerische Bodenreformer Hans Ber-noulli, der das Privateigentum als größtes Hindernis für die Stadterneuerungund Stadtbaukunst bezeichnete. Daher trat er für eine Überwindung des priva-ten Bodeneigentums durch kommunale Intervention ein: „Das Eigentumsrechtwidersetzt sich der Erneuerung [der Städte] mit einer Hartnäckigkeit, die etwasErschreckendes hat: Es ist die Hartnäckigkeit, das unverschämte Rechtsgefühl desin private Hände geratenen Königsvorrechts, es ist die besitzsichere, schaden-frohe Haltung des Monopols. [. . . ] So wie der Liberalismus ohne Gefahr sichentfalten kann, wenn ihm nur erst seine Giftzähne – die Monopole – ausge-brochen sind, so wird auch die Stadtbaukunst gedeihen können, sobald demPrivatmann das ihm so unbedacht zugespielte Monopol – das Grundeigentum –wieder aus den Händen genommen und den Gemeinden zurückgegeben wird“[3, S. 21 und 121]. Bernoulli sah das private Eigentumsrecht – ganz im Gegen-satz zu von Justi – als Problem, nicht als Lösung. Sein Konzept, dies ist zubetonen, war weder dem Kommunismus zuzurechnen noch sprach sich Bernoullifür Staatseigentum aus. Bernoulli [3] hielt die Gemeinden – also die Trägergemeinschaftlicher Entscheidungen auf lokaler Ebene – für die besten Eigentümer,weil sie am besten mit den örtlichen Verhältnissen und Bedürfnissen vertrautwären.

Beide Sichtweisen des Eigentums – des Privateigentums wie des Gemeinei-gentums – sind monorational. Monorationales Eigentum ist absolut, ungegliedert,einförmig, formal. Monorationales Eigentum wird durch seine Befürworter meistschlagwortartig charakterisiert. Um für ihre bodenpolitischen Konzepte zu werben,vereinfachten und vergröberten von Justi und Bernoulli das Bild des Eigentums.Monorationales Eigentum ist ein Eigentum. Von Justi und Bernoulli blendeten allesaus, was die Aufmerksamkeit von ihrem bodenpolitischen Hauptzweck ablenkenkönnte. Die Privatisierung der Allmende oder eine Bodenreform zugunsten derGemeinden erscheinen hier als bodenpolitische Konzepte, die sich einer differen-zierenden Analyse und flexiblen Gestaltung entziehen [22, S. 9]. Monorationalitätermöglicht deutliche Botschaften. Walter Seele spielte, zu Zeiten des Beitritts derostdeutschen Länder zur Bundesrepublik Deutschland, auf die Gegensätze zwischenkapitalistischen und kommunistischen Eigentumsordnungen an: „Den Spielraumin der Bodenpolitik, verstanden als bodenbezogenes Handeln der öffentlichenHände, kann man abgrenzen nach rechts mit dem vollständigen Verzicht auf dieAnwendung hoheitlicher Mittel und nach links mit der vollkommenen Beseitigungdes privaten Grundeigentums“ [44, S. 3]. Seeles Einschätzung machte nicht nur dieSpannweite des bodenpolitischen Gestaltungsspielraums sichtbar, sie präsentiertein schroffer Gegenüberstellung das Bild des monorationalen Bodeneigentums. Ausdiesem Bild folgt: Die Bodenpolitik müsse sich entscheiden, welchen Weg siegehen wolle, den einer kapitalistischen oder den einer kommunistischen Eigen-tumsordnung. Die Vereinfachung kann didaktisch nützlich sein, sie verhindertaber auch eine genaue und vertiefte Auseinandersetzung mit bodenpolitischenFragestellungen.

Page 5: Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum · Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 5 Didaktische Nützlichkeit ist nur einer von mehreren Gründen

Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 5

Didaktische Nützlichkeit ist nur einer von mehreren Gründen für Monorationali-tät. Ein weiterer wichtiger Grund, der häufig übersehen wird, ist die Zugehörigkeiteigentumstheoretischer oder bodenpolitischer Darstellungen zu bestimmten Fach-disziplinen. Eigentum wird häufig mit Rechtsordnungen assoziiert, woraus dieErwartung folgt: Was unter Eigentum zu verstehen ist, ergibt sich aus „dem Recht“.Dies trifft in mehrfacher Hinsicht nicht zu. Zunächst betrachten Rechtspositivis-ten die Eigentumsfrage ausschließlich aus der Perspektive der vom zuständigenGesetzgeber beschlossenen und den Gerichten fortentwickelten Rechtsordnung.Naturrechtsvertreter suchen demgegenüber nach einer dem positiven Rechte vor-gelagerten Bedeutung des Eigentums, die sich aus göttlichem Willen, menschlicherVernunft oder der Natur herleitet. Doch selbst Rechtspositivisten gebrauchen nichtdenselben Eigentumsbegriff. Zwischen nationalen Eigentumsordnungen bestehenerhebliche Unterscheide, etwa zwischen Ländern des common law (unter anderemVereinigtes Königreich, Vereinigte Staaten, Kanada, Australien) und Ländern miteuropäischer Kodifikationstradition (unter anderem Frankreich, Deutschland, Öster-reich, Schweiz). Zwischen nationalen Eigentumsordnungen und dem Völkerrecht,insbesondere dem internationalen Menschenrechtsschutz, bestehen ebenfalls deutli-che Unterschiede. Und innerhalb nationaler Rechtsordnungen wird der Eigentums-begriff ebenfalls mit Bedeutungsunterschieden verwendet; dies gilt insbesondere fürden zivilrechtlichen und den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff. Eigentumist indes nicht nur Gegenstand juristischer Diskurse. Bodeneigentum wird unteranderem in der Volkswirtschaftslehre, hier vor allem der Institutionenökonomik, inder Soziologie, im Städtebau, in der Agronomie, in den Kulturwissenschaften, derRaumplanung, der Bodenpolitik untersucht. Jede dieser Untersuchungen und Dar-stellungen muss Details und Eigentümlichkeiten, die in manchen Fachdiskussionenbedeutsam sind, ausblenden oder vernachlässigen. Eine solche Lage ist für vieleFachbegriffe und wissenschaftlichen Diskurse typisch, weil sich soziale Systemevor allem auch durch plurale Sinngrenzen konstituieren: „Naturschutz hat einensehr verschiedenen Sinn je nachdem, ob er im Landwirtschaftsministerium, imInnenministerium oder im Kulturministerium ressortiert, und je nachdem, ob esprimär Förster, Polizisten oder Landschaftsgärtner sind, die sich damit befassen“[33, S. 179].

Was eigentumstheoretische und bodenpolitische Diskussionen besondersschwierig macht (und von manchen fachsprachlichen Mehrdeutigkeiten und Un-bestimmtheiten unterscheidet), ist die Wuchtigkeit, mit der die ideologischeAufladung des Eigentumsbegriffs als bloße Selbstverständlichkeit oder zweifels-freie Sachrichtigkeit eingestuft wird. Monorationalität ist unter solchen Umständenein Instrument zur ideologisch motivierten Durchsetzung einer für wünschenswertgehaltenen Eigentumsordnung. Dies trifft keineswegs nur auf die überkommenePoliceywissenschaft oder die klassische Bodenreformbewegung zu. Ein typischesBeispiel für die Nutzung des Anscheins zweifelsfreier Sachrichtigkeit bildet dieBeurteilung des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes (Art. 14 Abs. 1 GG) fürinländische juristische Personen des Privatrechts in Deutschland.

Page 6: Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum · Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 5 Didaktische Nützlichkeit ist nur einer von mehreren Gründen

6 B. Davy

1.2 Ideologisiertes Bodeneigentum: Von derEigentumswohnung zur Kapitalakkumulation

In einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung gibt es gute Gründe, auch juristi-schen Personen – vor allem Kapitalgesellschaften – den Schutz ihres Eigentumszuzusichern. Der Wirtschaftsstandort Deutschland setzt auf großunternehmerischeKapitalakkumulation. Wachstumsorientierte Investitionsentscheidungen großer Un-ternehmen sind nur möglich, wenn eine Kapitalgesellschaft mit dem Schutz ihresImmobilienvermögens und der Rendite aus der Nutzung ihrer Grundstücke rechnenkann. Dies ist gesamtgesellschaftlich problemlos, solange die sozialen und wirt-schaftlichen Funktionen des Bodeneigentums juristischer und natürlich Personenim wesentlichen gleich sind. Das Bild ändert sich jedoch, wenn Bodeneigentumfür Zwecke der Kapitalverwertung akkumuliert wird: Das Eigentum an einerEigentumswohnung dient der Befriedigung des Wohnbedürfnisses eines Menschenoder einer Familie und hat daher eine ganz andere soziale und wirtschaftlicheFunktion als das Eigentum an 100.000 Wohnungen, das der Befriedigung derRenditeerwartung eines Unternehmens dient. Gleichwohl verlangen juristische Per-sonen, dass ihr Eigentum an 100.000 Wohnungen denselben Schutz genießt wie dasHeim einer vierköpfigen Familie. Daraus folgt die Frage: Soll das Bodeneigentumeiner juristischen Person, etwa einer Kapitalgesellschaft für Immobilienverwertung,denselben verfassungsrechtlichen Schutz genießen wie das Bodeneigentum eineseinzelnen Menschen?

In Deutschland sind inländische juristische Personen nur unter der einschrän-kenden Voraussetzung Grundrechtsträger, „soweit“ die Grundrechte „ihrem Wesennach auf diese anwendbar sind“ (Art. 19 Abs. 3 GG). Kapitalgesellschaften oderandere inländische juristische Personen würden den verfassungsrechtlichen Eigen-tumsschutz daher nur genießen, wenn es dem „Wesen“ des Eigentumsgrundrechts(Art. 14 Abs. 1 GG) entspräche, auch auf die großunternehmerische Kapitalakkumu-lation durch juristische Personen anwendbar zu sein. In der Kommentarliteratur wirdder Schutz des Art. 14 GG für juristische Personen des Privatrechts überwiegendbejaht ([28, S. 610]; [30, S. 1848]; [42, S. 763]; [45, S. 2215–2216]). Allerdingsbleibt die Begründung aus. Im Lichte der Eigentumsformel des Bundesverfassungs-gerichts (BVerfG), das seit vielen Jahrzehnten das „Wesen“ des Eigentums in derErmöglichung einer eigenverantwortlichen Lebensgestaltung erblickt, spricht nichtviel für die Anwendung des Art. 14 Abs. 1 GG auf juristische Personen. Zuletztbetonte das BVerfG seine Eigentumsformel im Garzweiler-Urteil: „Das Eigentumist ein elementares Grundrecht und sein Schutz von besonderer Bedeutung fürden sozialen Rechtsstaat [. . . ]. Der Eigentumsgarantie kommt im Gefüge derGrundrechte insbesondere die Aufgabe zu, dem Träger des Grundrechts einenFreiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich zu sichern und ihm dadurch eineeigenverantwortliche Gestaltung seines Lebens zu ermöglichen. Das verfassungs-rechtlich gewährleistete Eigentum ist durch Privatnützigkeit und grundsätzlicheVerfügungsbefugnis des Eigentümers über den Eigentumsgegenstand gekennzeich-net [. . . ]. Es soll ihm als Grundlage privater Initiative und in eigenverantwortlichemprivatem Interesse von Nutzen sein [. . . ]. Dabei genießt es einen besonders ausge-

Page 7: Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum · Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 5 Didaktische Nützlichkeit ist nur einer von mehreren Gründen

Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 7

prägten Schutz, soweit es um die Sicherung der persönlichen Freiheit des Einzelnengeht [. . . ]. Zugleich soll der Gebrauch des Eigentums dem Wohl der Allgemeinheitdienen (Art. 14 Abs. 2 GG). Hierin liegt die Absage an eine Eigentumsordnung,in der das Individualinteresse den unbedingten Vorrang vor den Interessen derGemeinschaft hat [. . . ]. Die Eigentumsgarantie schützt den konkreten Bestand inder Hand der einzelnen Eigentümer [. . . ]“ (BVerfGE 134 [2013] S. 242 [S. 290–291] – Garzweiler).

Die Eigentumsformel bietet wenig Anhaltspunkte für eine Anwendung desEigentumsgrundrechts auf inländische juristische Personen. Vielleicht ist die Her-vorhebung des „besonders ausgeprägten Schutz[es]“ für natürliche Personen ein –sehr gut – versteckter Hinweis auf den verfassungsrechtlichen Schutz für diegroßunternehmerische Kapitalakkumulation durch juristische Personen: Inländischejuristische Personen würden zumindest einen gewissen, nicht besonders ausgepräg-ten Schutz ihres Eigentums genießen. Eine solche Auslegung der Eigentumsformelerscheint fragwürdig. Die Betonung einer „eigenverantwortliche[n] Gestaltung desLebens“ oder der „Sicherung der persönlichen Freiheit des Einzelnen“ sind keinerhetorischen Floskeln, sie bezeichnen das Wesen des Eigentumsgrundrechts. Diesbestätigt auch der systematische Zusammenhang zwischen Eigentum und Erbrechtin Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Das (aktive) Erbrecht steht nur Menschen zu, nur einenatürliche Person kann ihr Vermögen vererben (§§ 1922 ff. BGB). Daraus folgenZweifel an der Anwendbarkeit des Art. 19 Abs. 3 GG auf Rechte nach Art. 14 Abs. 1GG: Entspricht der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz juristischer Personen –insbesondere von Kapitalgesellschaften – tatsächlich dem „Wesen“ der Eigentums-garantie?

Das BVerfG hat den Eigentumsschutz für juristische Personen des Privatrechtsstets ohne inhaltliche Begründung bejaht: „Auf das Grundrecht aus Art. 14 GGkönnen sich seinem Wesen nach auch juristische Personen berufen“ (BVerfGE 4[1954] S. 7 [S. 17] – Investitionshilfegesetz). Im Beschluss über die begrenzte Zu-standshaftung des Eigentümers für die Grundstückssanierung bei Altlasten hat dasBVerfG die Beschwerden einer GmbH & Co KG und mehrerer natürlicher Personengleich behandelt (BVerfGE 102 [2000] S. 1 – Altlastensanierung). Mit anderenWorten: Das BVerfG sah keinen Grund, zwischen dem Eigentumsschutz natürlicherund juristischer Personen zu unterscheiden, ja erwähnt Art. 19 Abs. 3 GG nichteinmal. Die Gleichbehandlung ist problematisch. Art. 19 Abs. 3 GG stellt natürlicheund juristische Personen nicht schlechterdings als Grundrechtsträger gleich, sondernlediglich „soweit“ die Grundrechte „ihrem Wesen nach“ auf inländische juristischePersonen anwendbar sind.

Die deutsche Rechtsprechung und Kommentarliteratur bleiben den Nachweiszweifelsfreier, im „Wesen“ des Eigentumsgrundrechts verwurzelter Sachrichtigkeitschuldig. Für juristische Personen stellen Grundstücke in der Regel bloß einenTeil des Anlagevermögens dar, einen besonderen Freiheitsgewinn ziehen juristischePersonen aus ihrem Immobilienvermögen wohl selten [9, S. 61–63]. Gerade weilBodeneigentum als Mittel der Kapitalakkumulation auch freiheitsmindernde, nichtnur freiheitssichernde Wirkungen haben kann [39], gebietet Art. 19 Abs. 3 GGeine Differenzierung im Eigentumsschutz für natürliche und juristische Personen.

Page 8: Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum · Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 5 Didaktische Nützlichkeit ist nur einer von mehreren Gründen

8 B. Davy

Jedenfalls „rechtfertigt die öffentliche Bedeutung von Großunternehmen einenweiten Bereich hoheitlicher Gestaltung“ [40, S. 51]. Pointiert kritisierte Karl Rennereinen monorationalen, auf formale Merkmale abstellenden Eigentumsbegriff: „Inder juristischen Definition des Eigentums ist das Rechtsobjekt gleichgültig, einObjekt so gut als das andere. Der Normenbestand ,Eigentum‘ ist harmlos wieeine algebraische Formel, wie v = 2/g � t2. Setze in diese Formel der Akzelerationdie Lawine ein und sie zermalmt dich. Setze in das Normenblankett ,Person –Eigentümer der Sache‘ für die Sache das Wort ,Maschine‘ ein und es verschlingtGenerationen“ [39, S. 94].

Aus bodenpolitischer Sicht geht es bei der Reichweite des Eigentumsschutzesnicht in erster Linie um juristische Details, die von Rechtsordnung zu Rechtsord-nung unterschiedlich geregelt sein können. Vielmehr geht es um das Gesamtbild.Und im Gesamtbild wird in der Rechtsprechung des BVerfG eine differenzie-rende Haltung sichtbar. Mit Hilfe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes wird dasmonorational behandelte Eigentumsrecht mit Blick auf die ökonomische Stellungdes Eigentümers differenziert. So seien Eigentumseingriffe besonders streng zuprüfen, wenn ein Grundstück den „wesentlichen Teil des Vermögens des Pflichtigenbildet und die Grundlage seiner privaten Lebensführung einschließlich seinerFamilie darstellt“ (BVerfGE 102 [2000] S. 1 [S. 21] – Altlastensanierung) oder„zu dauerhaftem Wohnen genutzt wird“ und „gewachsene soziale Beziehungender Eigentümer zu ihrem auch örtlich geprägten Umfeld“ ermöglicht (BVerfGE134 [2013] S. 242 [S. 291] – Garzweiler). Vor diesem Hintergrund ist erforderlich,zwischen Bodeneigentum zur Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse undBodeneigentum zur Kapitalakkumulation zu unterscheiden. Mit anderen Worten:Eigentum ist nicht gleich Eigentum. Vielmehr muss das Bodeneigentum stets ineinen engen Zusammenhang mit den planerisch erwünschten und von Privatenangestrebten Bodennutzungen gebracht werden. Bodennutzungen folgen stets ausmenschlichem Verhalten. Auf die Vielfalt dieses Verhaltens muss Bodenpolitik –will sie responsiv sein – antworten.

1.3 Ausschließende und gemeinschaftliche Bodennutzungen

Bodeneigentum und Bodennutzungen stehen in engem Zusammenhang und be-dingen einander wechselseitig. Für jede Bodennutzung müssen die passendenEigentumsbeziehungen – einzigartig fast wie ein Fingerabdruck – erst gefundenwerden. Dieser Sachverhalt ist Geodäten aus der Grundstückswertermittlung geläu-fig. Verkehrswerte hängen von der planungs- und sonstigen öffentlich-rechtlichenZulässigkeit der Grundstücksnutzung sowie von „wertbeeinflussenden Rechten undBelastungen“ (§ 6 Abs. 2 ImmoWertV) ab. Die praktische Erhebung solcher ei-gentumsgestaltender Grundstücksmerkmale erweist von Fall zu Fall unterschiedlichausgeprägtes und „maßgeschneidertes“ Grundstückseigentum: Dienstbarkeiten undWohnrechte, Baulasten und Ausnahmegenehmigungen, planungs-, wasser-, berg-,verkehrs-, abfallwirtschafts-, oder naturschutzrechtliche Pflichten und Rechte (umnur einige zu nennen) tragen zu einem Detailreichtum bei, der bei unbefangenerLektüre von § 903 BGB oder Art. 14 Abs. 1 GG kaum zu erahnen ist. Umge-

Page 9: Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum · Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 5 Didaktische Nützlichkeit ist nur einer von mehreren Gründen

Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 9

kehrt prägen die tatsächlichen oder angestrebten Nutzungen, welche privat- undöffentlich-rechtlichen Rechte und Pflichten mit Grundstückseigentum verbundenwerden.

Ein monorationaler Eigentumsbegriff wird weder der Vielfalt tatsächlicher Bo-dennutzungen noch dem Verfassungsauftrag zur Schaffung einer ausgleichendenEigentumsordnung gerecht: „Das Grundgesetz hat dem Gesetzgeber den Auftragzugewiesen, eine Eigentumsordnung zu schaffen, die sowohl den privaten Interessendes Einzelnen als auch denen der Allgemeinheit gerecht wird [. . . ]. Ihm obliegthierbei eine doppelte Aufgabe: Einerseits muß er im Privatrecht [. . . ] die für denRechtsverkehr und die Rechtsbeziehungen der Bürger untereinander maßgeblichenVorschriften schaffen (zum Beispiel für die Übertragung oder Belastung von Eigen-tum, das Nachbarrecht sowie das Ersatzrecht bei Beeinträchtigung des Eigentumsdurch Dritte); andererseits hat er den Belangen der Allgemeinheit – in die vorallem jeder Grundstückseigentümer eingebunden ist – in den (meist) öffentlich-rechtlichen Regelungen Rechnung zu tragen. Werden die bürgerlich-rechtlichenRechtsbeziehungen üblicherweise mit dem Begriff des subjektiven Privatrechts um-schrieben, so wirken bei der Bestimmung der verfassungsrechtlichen Rechtsstellungdes Eigentümers bürgerliches Recht und öffentlich-rechtliche Gesetze gleichrangigzusammen. Die bürgerlich-rechtliche Eigentumsordnung ist keine abschließendeRegelung von Inhalt und Schranken des Eigentums. Den privatrechtlichen Eigen-tumsvorschriften kommt im Rahmen des Art. 14 GG auch kein Vorrang vor denöffentlichrechtlichen Vorschriften zu, die eigentumsrechtliche Regelungen treffen“(BVerfGE 58 [1981] S. 300 [S. 335–336] – Nassauskiesung; Hervorhebungen imOriginal).

Der eigentumsrechtliche „Fingerabdruck“ oder das „maßgeschneiderte“ Boden-eigentum bilden einen Verfassungsauftrag. Die Regelungsvielfalt für Grundstücks-nutzungen ergibt eine Gemengelage eigentumsgestaltender Vorschriften, die insge-samt als polyrationales Bodeneigentum bezeichnet werden kann ([11, S. 216–220],[13, S. 473]). Die Regeln für Bodennutzungen und die vielfältigen Nutzungenstädtischen und ländlichen Bodens bestätigen, fordern und beeinflussen einander.Zum einen rahmen und prägen Kategorien wie „Gemeineigentum“ oder „Pri-vateigentum“ die gemeinschaftlichen und ausschließenden Bodennutzungen. Zumanderen beeinflussen gemeinschaftliche und ausschließende Bodennutzungen diesituative Ausgestaltung des Privat- oder Gemeineigentums. Die wechselseitigePrägung – der eigentümliche Fingerabdruck, den nutzungsangepasste Eigentumsbe-ziehungen hinterlassen – widerspricht einer monorationalen Gegenüberstellung vonGemeineigentum und Privateigentum [15, 37]. Mit anderen Worten: ErfolgreicheBodennutzungen benötigen Eigentumsregeln, die an die Besonderheiten jedeseinzelnen Falls angepasst sind (Abb. 1).

Viele eigentumstheoretische und bodenpolitische Abhandlungen legen großenWert auf die genaue begriffliche Abgrenzung zwischen Gemeineigentum, Privatei-gentum und anderen Eigentumsarten ([6, S. 11]; [5, S. 31, Tab. 1]; [43, S. 249–250];[34, S. 42, Tab. 3.1]). In der Praxis der Bodennutzungen spielen solche monora-tionalen Abgrenzungen keine große Rolle. Bodennutzungen wechseln fortlaufendzwischen ausschließenden Nutzungen (bei denen nur eine Person den Bodennutzt) und gemeinschaftlichen Bodennutzungen (bei denen der Boden durch eine

Page 10: Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum · Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 5 Didaktische Nützlichkeit ist nur einer von mehreren Gründen

10 B. Davy

Abb. 1 Erfolgreiche Bodennutzungen benötigen passende Eigentumsregeln © 2014 B. Davy

Vielzahl von Person unter denselben Bedingungen genutzt wird). Die Eigentümervon Einfamilienhäusern, die auf ihren Grundstücken prächtige Hausgärten anlegen,kooperieren (meist unbewusst) mit ihren Nachbarn bei der Herstellung einer städti-schen Gartenlandschaft. Raumplaner bestimmen mittels Grundflächenzahl (GRZ)und Geschoßflächenzahl (GFZ), wie viel Fläche für diese Gartenlandschaft zurVerfügung steht. Letztlich sind es aber die Grundstückseigentümer, die sich füraufwendige Blumenbeete oder einfachen Rasen entscheiden und für die Garten-pflege sorgen. Das Ergebnis des Zusammenspiels zwischen städtebaulicher Planungund Eigentumsnutzung, zwischen zahlreichen, unkoordinierten Einzelentscheidun-gen und der städtischen Gartenlandschaft wird durch die Gegenüberstellung vonGemeineigentum und Privateigentum weder gut beschrieben noch sinnvoll erklärt.Derartige komplexe Bodennutzungen erfordern das soziale Erlernen pluraler undflexibler Nutzungsstrategien. Der gemütliche Fernsehabend auf der Couch, dieEntscheidung zwischen Lebensbäumen (Thuja) und Jägerzaun, das Gedränge inder U-Bahn, das Arbeiten im Großraumbüro oder der einsame Waldspaziergangverlangen den Nutzenden ein je und je anderes Verhalten ab (und finden unter jeund je anderen Nutzungsregeln statt). Für die Vielfalt an Bodennutzungen stelltdie Eigentumsrechtsordnung eine Vielzahl an Regeln zur Verfügung, die in ihrerEigenlogik alles andere als widerspruchsfrei sind. Wenn einkaufsfreudige Kundeneine Shopping Mall betreten dürfen, gilt dies auch für politische Aktivisten, dieFlugblätter verteilen wollen? Wenn Autos auf der Straße schlafen dürfen, weshalbnicht auch Wohnungslose? Wenn mir der Boden auf meinem Grundstück gehört,gehört mir dann auch das Grundwasser? Bodennutzungsrechte (und dies gilt vorallem für Eigentumsrechte) sind ebenso komplex wie die Praxis der ausschließendenund gemeinschaftlichen Bodennutzungen.

Page 11: Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum · Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 5 Didaktische Nützlichkeit ist nur einer von mehreren Gründen

Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 11

Auf die Komplexität der Bodennutzungen und der Bodennutzungsrechte könnteunterschiedlich reagiert werden. Zunächst lässt der schwierige Umgang mit derpraktischen Vielfalt die Strategie der Monorationalität recht attraktiv erscheinen;allerdings geht die monorationale Vereinfachung auf Kosten der praxisgerechtenDifferenzierung. Sodann könnte man für alle Nutzungen und Regeln eine Datenbankanlegen, ähnlich wie die daktyloskopischen Datenbanken der Kriminalpolizei, undsich darauf beschränken, die weitverzweigte Vielfalt zu dokumentieren. Ohne Zwei-fel wäre eine solche Dokumentation sehr interessant, indes kann sie bodenpolitischeGestaltung nicht ersetzen. Und schließlich könnte eine Theorie helfen, die imUmgang mit sozialer Komplexität eine gewisse Vereinfachung zulässt und dennochdie Nachteile der Monorationalität vermeidet. Die Theorie des polyrationalen Bo-deneigentums [11,13] ist auf eine sozial-anthropologische Theorie namens CulturalTheory gestützt, die von Mary Douglas und anderen entwickelt wurde [17–20].Stark vereinfacht gesprochen: Cultural Theory erklärt soziale Situationen durch vierRationalitäten; dies sind die hierarchische, egalitäre, individualistische und fatalis-tische Rationalität. Zwischen den Rationalitäten bestehen zwar Unvereinbarkeitenund Konkurrenzen, jedoch sind robuste soziale Situationen durch die Anwesenheitaller vier Rationalitäten gekennzeichnet.

Im folgenden werden acht monorationale Bodennutzungsarten beschrieben undmit Beispielen illustriert. Die acht Bodennutzungsarten sind die insulare Nutzung,die opportunistische Nutzung, die verwandtschaftliche Nutzung, die kollaborativeNutzung, die akkumulierende Nutzung, die strukturbildende Nutzung, die Behäl-ternutzung, die Umweltnutzung ([11, S. 236–245]; [13, S. 476–480]). Die insulareNutzung, die verwandtschaftliche Nutzung, die akkumulierende Nutzung und dieBehälternutzung sind ausschließende Nutzungen. Die opportunistische Nutzung,die kollaborative Nutzung, die strukturbildende Nutzung und die Umweltnutzungsind gemeinschaftliche Nutzungen. Jede der acht Bodennutzungsarten benötigt,um praktisch zu funktionieren, eigene Nutzungsregeln, Um ein Beispiel zu geben:Eine Bundesstraße kann den ihr zugedachten Zweck zur individuellen Mobilitätbeizutragen nur leisten, wenn es Regeln gibt, die dem Grundstückseigentümerwillkürliche Schließungen oder Nutzungsänderungen verbieten und allen Ver-kehrsteilnehmern unter denselben Bedingungen den Gemeingebrauch der Straßeerlauben. Solche Regeln – der Gemeingebrauch an öffentlichen Straßen – sind zwarfür Bundesstraßen unverzichtbar, sie würden aber zu unerträglichen Ergebnissenführen, wollte man sie auf Einfamilienhäuser anwenden. Die Bodennutzung durchein Einfamilienhaus „benötigt“ Regeln, die es der Eigentümerin erlauben, sich ineinen nur für sie und ihre Familie gewidmeten, privaten Raum zurückzuziehenund andere von derselben Nutzung des Hauses auszuschließen. AusschließendeBodennutzungen benötigen auf unterschiedliche Weise ausgeformte Regeln fürexklusive Nutzungen („Privateigentum“) und gemeinschaftliche Bodennutzungenbenötigen auf unterschiedliche Weise ausgeformte Regeln für den Gemeingebrauch(„Gemeineigentum“).

Page 12: Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum · Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 5 Didaktische Nützlichkeit ist nur einer von mehreren Gründen

12 B. Davy

Definition. Die bodenpolitische Forschung versteht unter „Privateigentum“soziale Regeln, die alle Vorteile aus der Bodennutzung einem Einzeleigen-tümer, mehreren Miteigentümern oder Wohnungseigentümern zuweisen. Inmanchen Eigentumsordnungen sind weitere Arten von Berechtigten (z. B.Mieter mit starkem Mieterschutz) in den Schutz des Privateigentums ein-bezogen. Durch Privateigentum werden Eigentümer zu ausschließendenBodennutzungen berechtigt.

Die bodenpolitische Forschung versteht unter „Gemeineigentum“ sozialeRegeln, die alle Vorteile aus der Bodennutzung den Mitgliedern einer Nut-zungsgemeinschaft oder überhaupt der Allgemeinheit zuweisen. In manchenEigentumsordnungen wird Gemeineigentum auch als Allmende, Recht zumGemeingebrauch oder public use bezeichnet. Durch Gemeineigentum werdendie Mitglieder der Nutzungsgemeinschaft oder die Allgemeinheit zu gemein-schaftlichen Bodennutzungen berechtigt.

Die sozialen Regeln für die Verteilung der Vorteile aus Bodennutzungensind in vielen Eigentumsordnungen im Verfassungsrecht, in Privatrechts-kodifikationen oder im common law enthaltene juristische Regeln. Diebodenpolitische Forschung zieht daneben aber auch unter anderem die lokaleEigentumskultur, die politische Machtverteilung oder gesellschaftliche Kon-ventionen als Quelle der Eigentumsverteilung heran (z. B. zur Untersuchunginformeller Bodennutzungen).

Die acht monorationalen Bodennutzungsarten existieren nicht in ihrer idealenForm, sondern als Elemente einer notwendigen Verbindung zwischen ausschlie-ßenden und gemeinschaftlichen Nutzungen. Eine Analyse des Art. 14 GG und vonBeispielen aus der Rechtsprechung des BVerfG weist nach, dass die Praxis derBodennutzungen – anders als viele Theorien – keine oder nur geringe Problememit polyrationalem Bodeneigentum hat. Zuletzt wird gezeigt, dass polyrationalesBodeneigentum ein unverzichtbarer Bestandteil einer responsiven Bodenpolitik ist.

Die durch Mary Douglas begründete Theorie erklärt, wie plurale Rationalitä-ten komplexe soziale Situationen gestalten; diese Theorie erklärt nicht, ob undweshalb es vier oder fünf oder 50 Rationalitäten gibt [18, S. 185]. Auch die hierentfaltete Theorie des polyrationalen Bodeneigentums beharrt nicht auf Zahlen.Die Unterscheidung der acht Bodennutzungsarten vermeidet sowohl eine allzugroße Vereinfachung (zu wenig Rationalitäten) als auch eine allzu verzweigteSpezialisierung (zu viele Rationalitäten). Worauf es ankommt, lässt sich so zu-sammenfassen: Regeln des Gemeineigentums und des Privateigentums umhüllenund durchdringen eine Vielfalt an Bodennutzungen und sind häufig genug einenotwendige Bedingung, oft sogar eine Ursache für diese Bodennutzungen. In derBodenpolitik geht es nicht nur darum, wem der Boden gehört (Distribution), sondernauch darum, wie plurale Eigentumsbeziehungen und vielfältige Bodennutzungen zunachhaltigen Stadtstrukturen beitragen (Allokation).

Page 13: Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum · Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 5 Didaktische Nützlichkeit ist nur einer von mehreren Gründen

Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 13

2 Ausschließende Bodennutzungen benötigenPrivateigentum

2.1 Insulare Bodennutzungen

Insulare Bodennutzungen sind auf keinen regelmäßigen Kontakt mit benachbartenNutzungen angewiesen und benötigen auch keinen fortgesetzten Austausch mitbestimmten anderen Nutzenden (etwa Nachbarn oder Geschäftspartnern). DieNutzenden entscheiden selbst über die Art und Intensität der Nutzung ihres Bodens.Insulare Bodennutzungen bilden den paradigmatischen Anwendungsfall privatenBodeneigentums als Ausdruck individueller Freiheit und Selbstverwirklichung, frei-lich auch der Selbstgenügsamkeit („My home is my castle!“). Insulare Bodennut-zungen entsprechen der individuellen Rationalität. Die Nutzenden treffen autonomeNutzungsentscheidungen und haben nur den eigenen Vorteil im Sinn. Umgekehrtmüssen die Nutzenden – im Wettbewerb gleich wie im Austausch mit anderen– alle Risiken selbst tragen. Typische Beispiele sind eine abgelegene Hofstelle(Landwirtschaft), ein Kiosk im Familienbesitz (Einzelhandel), ein freistehendesund selbstgenutztes Einfamilienhaus (Wohnen). Insulare Bodennutzungen erfordernEigentumsregeln, die individuelle Entscheidungs- und Handlungsfreiheiten begüns-tigen, gleichwohl auch nachbarschützende Grenzen (z. B. für Emissionen) ziehen.

2.2 Verwandtschaftliche Nutzungen des Bodens

Verwandtschaftliche Nutzungen des Bodens suchen die räumliche Nähe ähnli-cher oder komplementärer Nutzungen. Die Anwesenheit verwandtschaftlicher Nut-zungen in engem räumlichem Zusammenhang erzeugt wechselseitige Vorteile.Verwandtschaftliche Nutzungen des Bodens entsprechen der egalitären Rationa-lität, beruhen auf wechselseitigem Vertrauen und fördern die Sozialkapitalbil-dung. Zwischen verwandtschaftlichen Nutzungen besteht natürlich eine gewisseKonkurrenz (jeder handelt auf „eigene Rechnung“), allerdings überwiegt das Ge-meinschaftsgefühl. Verwandtschaftliche Nutzungen sind aufeinander angewiesenund ihr Gebrauchswert enthält eine Art Nachbarschaftsprämie. Typische Beispielesind eine bäuerliche Genossenschaft (Landwirtschaft), ein Wochenmarkt oder eineStandortgemeinschaft zur Aufwertung einer Einkaufsstraße (Einzelhandel) odereine Wohngemeinschaft (Wohnen). Verwandtschaftliche Nutzungen des Bodenserfordern Eigentumsregeln, die ähnliche Nutzungen inkludieren, Vertrauensbildungfördern und unvereinbare Nutzungen ausschließen. Diese Eigentumsregeln müssenzudem „Schwarzfahrer“ bestrafen, die von den Vorteilen der Gemeinschaft profitie-ren wollen, ohne zur Gemeinschaft beizutragen.

2.3 Akkumulierende Bodennutzungen

Akkumulierende Bodennutzungen verbinden die Nutzung an einzelnen Standortenmit einem Nutzungskonzept, dessen Ertrag die Summe aller Einzelnutzungendeutlich übersteigt. Dieser Unternehmenszweck errichtet eine räumliche Hierar-

Page 14: Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum · Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 5 Didaktische Nützlichkeit ist nur einer von mehreren Gründen

14 B. Davy

chie, die – unabhängig von räumlicher Nähe oder Entfernung – alle Agglome-rationsvorteile, Kostenersparnisse und sonstigen Vorteile räumlicher Netzwerkeausnutzt. Akkumulierende Bodennutzungen entsprechen der hierarchischen Ratio-nalität. Der Gebrauchswert akkumulierender Bodennutzungen ergibt sich erst ausder Erfüllung des überragenden Unternehmenszwecks. Typische Beispiele sindein Unternehmen, das Viehzucht, Viehtransport, Schlachthäuser und Metzgereienverbindet (Landwirtschaft), eine Kette von Supermärkten (Einzelhandel) oder einImmobilienunternehmen mit gewinnträchtigen Objekten in verschiedenen Städten(Wohnen). Akkumulierende Bodennutzungen benötigen Eigentumsregeln, die alleEinzelnutzungen dem angestrebten Unternehmenszweck ausnahmslos unterordnen.Um die Ausbeutung der wirtschaftlich Schwächeren nicht ausufern zu lassen, sindakkumulierende Bodennutzungen durch Eigentumsregeln zu begleiten, die Kapi-talakkumulationen quantitativ und qualitativ auf das gesellschaftlich Erwünschteoder zumindest Erträgliche begrenzen.

2.4 Behälternutzungen des Bodens

Behälternutzungen des Bodens bringen zahlreiche voneinander unabhängige (indiesem Sinne: insulare) Nutzungen „unter ein Dach“. Die im Behälter zusammen-gefassten Einzelnutzungen benötigen einander nicht, und die Nutzenden unterhal-ten zueinander keine oder nur ganz oberflächliche Beziehungen. Der wichtigsteZusammenhang zwischen diesen Einzelnutzungen ist das Interesse des Behälte-reigentümers an einer kostensparenden und zweckmäßigen Dienstleistung. Da derBehälter vielfältige und unzusammenhängende Nutzungen aufnimmt, verhaltensich die Einzelnutzungen zueinander im Sinne der fatalistischen Rationalität. DerGebrauchswert des Behälters hängt von der sparsamen und reibungslosen Nutzbar-keit des Behälters ab. Typische Beispiele sind ein Lagerhaus, das alle Hofstellenin der Umgebung zur Zwischenlagerung ihrer Ernte nutzen (Landwirtschaft),eine Shopping Mall, deren Management die einzelnen Geschäfte mit bezahltenund standardisierten Dienstleistungen versorgt (Einzelhandel) oder ein Hotel odermehrgeschossiges Mietshaus (Wohnen). Behälternutzungen des Bodens benötigenEigentumsregeln, die zahlreiche voneinander unabhängige Nutzungen zu geringenTransaktionskosten und ohne Gelegenheit oder Zwang zum wechselseitigen Aus-tausch ermöglichen.

3 Gemeinschaftliche Bodennutzungen benötigenGemeineigentum

3.1 Opportunistische Bodennutzungen

Die Freiheit zur beliebigen Nutzung räumlicher Gemeinschaftsgüter erlaubt op-portunistische Bodennutzungen. Die Nutzenden dürfen die Zeit, den Ort und dieIntensität ihres Gebrauchs nach eigenem Gutdünken bestimmen („open access“).Damit entsprechen opportunistische Bodennutzungen – betrachtet aus Sicht der

Page 15: Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum · Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 5 Didaktische Nützlichkeit ist nur einer von mehreren Gründen

Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 15

Theorie der Polyrationalität – der individualistischen Rationalität. Die willkürlicheAneignung scheinbar unbegrenzter Gemeinschaftsgüter (z. B. Weideland, Quell-wasser, jagdbares Wild), wie sie bereits von John Locke beschrieben wurde,veranschaulicht opportunistische Bodennutzungen, unterstreicht freilich auch dieGefahr einer „Tragödie der Allmende“ [27]. Der Gebrauchsnutzen opportunistischerBodennutzungen hängt von der Nutzungsvielfalt und der Anzahl der zufriedenenNutzer ab. Typische Beispiele sind der Straßenverkehr mittels Autos oder durchPassanten (öffentliche Straßen), der Gebrauch einer öffentlichen Toilette oder einesöffentlichen Trinkbrunnens (sonstige Infrastruktur), Spaziergänger in einem Naher-holungsgebiet (öffentliche Parks). Die Übernutzung räumlicher Gemeinschaftsgüterdurch opportunistische Bodennutzungen kann nur durch strenge Nutzungsregelnverhindert werden. Allerdings erwarten vor allem Großstädter ein Angebot anräumlichen Gemeinschaftsgütern, deren Nutzung nicht von der Entrichtung einerGebühr oder der Zugehörigkeit zu einer weltanschaulichen Gemeinschaft abhängt.Opportunistische Bodennutzungen benötigen Eigentumsregeln, durch die eine „Tra-gödie der Allmende“ verhindert wird, indem die Übernutzung oder Ausbeutung desGemeinschaftsguts verboten wird.

3.2 Kollaborative Bodennutzungen

Durch kollaborative Bodennutzungen werden räumliche Gemeinschaftsgüter ge-schaffen oder verbessert. Die Angehörigen der Nutzungsgemeinschaft stimmenihr Verhalten vor allem durch Konsensbildung und die Pflege einer gemeinsamenIdentität ab. Diese Verhaltensabstimmung entspricht der egalitären Rationalität.Ostrom [36] weist nach, dass die Übernutzung räumlicher Gemeinschaftsgüter –sie nennt diese common pool resources (CPR) – durch kollaborative Bodennutzun-gen verhindert werden kann. Der Gebrauchswert kollaborativer Bodennutzungenbelohnt die Vertrauensbildung innerhalb der Nutzungsgemeinschaft, die Akkumu-lation von Sozialkapital und den erfolgreichen Ausschluss gemeinschaftsfremderPersonen. Typische Beispiele sind eine Bürgerinitiative für Verkehrssicherheit ineinem Wohngebiet (öffentliche Straßen), eine genossenschaftliche Bewässerungs-anlage im ländlichen Raum (sonstige Infrastruktur), Gemeinschaftsgärten unteraktiver Beteiligung zahlreicher Wohnnachbarn (öffentliche Parks). KollaborativeBodennutzungen benötigen Eigentumsregeln, die individuelle Aneignung oderÜbernutzung ausschließen und eine gemeinschaftliche Willensbildung als Grund-lage sozial-ökologischen Bodenmanagements fördern.

3.3 Strukturbildende Nutzungen des Bodens

Strukturbildende Nutzungen des Bodens errichten eine Hierarchie räumlicher Ge-meinschaftsgüter, deren Ordnung den Grad der Zentralräumlichkeit ihrer Elementewiderspiegelt. Im Sinne der Theorie von Mary Douglas entsprechen strukturbil-dende Nutzungen des Bodens der hierarchischen Rationalität. Ein Eisenbahnnetz,das Musterbeispiel für eine strukturbildende Nutzung des Bodens, umfasst Schie-nenwege und Bahnhöfe, Ausbesserungswerke und Tunnels, Gleisanschlüsse für

Page 16: Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum · Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 5 Didaktische Nützlichkeit ist nur einer von mehreren Gründen

16 B. Davy

Großkunden und Bahnschranken für die Allgemeinheit. Jedes einzelne Elementerfüllt seinen eigentlichen Zweck erst im Gesamtzusammenhang des Eisenbahn-netzes. Grundstücksgrenzen sind ebenfalls strukturbildende Nutzungen, denn siedefinieren die Größe und Form einzelner Parzellen, die sodann zu Baublocks,Stadtbezirken, Städten, Regionen oder ganzen Ländern zusammengefasst werdenkönnen. Viele öffentliche Dienstleistungen beruhen auf räumlichen Hierarchi-en und strukturbildenden Bodennutzungen (man denke etwa an den räumlichenund funktionellen Zusammenhang zwischen einer Polizeistreife, einer Wachstube,einem Kommissariat, dem Polizeipräsidium). Der Gebrauchswert einer struktur-bildenden Nutzung des Bodens entspricht dem Grad der Erfüllung des Zwecksder Nutzungshierarchie. Typische Beispiele sind ein öffentliches Straßennetz mitHaupt- und Nebenstraßen, Durchzugsstraßen und Sackgassen, Autobahnen undWirtschaftswegen (öffentliche Straßen), ein städtisches Kanalsystem vom einzel-nen Kanalanschluss über die Rohrleitungen bis hin zur kommunalen Kläranlage(sonstige Infrastruktur), das kommunale Grünflächenamt und seine Betreuungverstreut gelegener größerer und kleiner Grünflächen (öffentliche Parks). Struktur-bildende Nutzungen des Bodens erfordern Eigentumsregeln, die dem Anbieter derbetreffenden räumlichen Gemeinschaftsgüter eine zielgenaue Kontrolle und Über-wachung erlauben und womöglich durch den Anschlusszwang für alle Haushalteund Betriebe eine flächendeckende Versorgung gewährleisten. Umgekehrt muss derAnbieter solcher Gemeinschaftsgüter jedermann zum Gemeingebrauch zulassen,der die allgemein geltenden Nutzungsbedingungen erfüllt; diesem Versorgungs-oder Kontrahierungszwang widerspräche, wenn sich der Anbieter nach persönlichenVorlieben aussuchen dürfte, welche Nachfragenden bedient und welche Nachfra-genden abgewiesen werden.

3.4 Umweltnutzungen des Bodens

Umweltnutzungen des Bodens umfassen die Nutzung natürlicher Ressourcen wieder oberen Schicht der Erdkruste, der Artenvielfalt, des Luftraums, des Wassers,des Wetters sowie – selbstverständlich, wenngleich bedauerlich – die Umweltver-schmutzung. Luft ist ein gutes Beispiel, um die Schwierigkeiten bei der Abgrenzungzwischen ausschließenden und gemeinschaftlichen Bodennutzungen (sowie zwi-schen Privateigentum und Gemeineigentum) zu veranschaulichen. Nach den meis-ten Sachenrechtsordnungen stehen dem Eigentümer eines Grundstücks auch dieNutzungsrechte am Luftraum über der Erdoberfläche zu (z. B. § 905 Satz 1 BGB).Allerdings erstreckt sich privates Eigentumsrecht nicht auf die in diesem Luftraumbefindliche Umgebungsluft (und eine Privatisierung der Umgebungsluft hätte fürdie meisten Menschen sehr unangenehme Folgen). Die Schwierigkeit besteht nundarin, sich die privatrechtliche Beherrschung eines Luftraums vorzustellen, in demsich Umgebungsluft befindet, die im Gemeingebrauch steht. Umweltnutzungen desBodens sind lebenswichtig. Da sich niemand aussuchen kann, wer noch auf derErdoberfläche wandelt, müssen die Nutzenden zumeist eine fatalistische Haltungeinnehmen: Jeder Nutzer ist unvermeidlich Wirkungen ausgesetzt, auf deren Ursa-chen er keinen Einfluss nehmen kann. Umweltökonomen nennen solche Wirkungen

Page 17: Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum · Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 5 Didaktische Nützlichkeit ist nur einer von mehreren Gründen

Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 17

externe Effekte oder soziale Kosten und Nutzen, die durch Eigentumsrechte oderUmweltgesetze „internalisiert“ werden müssen. Räumliche Umweltgüter könnendurch das Handeln einzelner Nutzer zwar empfindlich beeinträchtigt, nicht aberumfassend geschützt werden. Menschen schätzen räumliche Umweltgüter nichtbloß als natürliche Grundlage menschlicher Existenz, sondern auch wegen ihrerbesonderen Qualität: Alle Menschen ziehen kristallklare Luft einer gerade nochatembaren Umgebungsluft oder in großer Tiefe natürlich gereinigtes Quellwassergerade noch trinkbarem Leitungswasser vor. Der Gebrauchswert der Umweltnut-zungen des Bodens entspricht diesem Reinheitsgrad. Typische Beispiele für dieUmweltnutzungen des Bodens sind die Verunreinigung der Stadtluft durch dieVerbrennungsmotoren der Kraftfahrzeuge (öffentliche Straßen), der Betrieb einerMeerwasserentsalzungsanlage (sonstige Infrastruktur), der Genuss des Sonnenlichtsund der Frischluft im benachbarten Park (öffentliche Parks). Umweltnutzungen desBodens erfordern Eigentumsregeln die den Gemeingebrauch an Umweltgütern imgrößtmöglichen Ausmaß für jedermann gewährleisten und zugleich die Umwelt vorGefährdung oder Beeinträchtigung schützen.

4 Zur unausweichlichen Verbindung zwischenausschließenden und gemeinschaftlichenBodennutzungen

4.1 Monorationalität ist wenig hilfreich

Die idealtypisch dargestellten acht Bodennutzungen sind monorational, soll heißen:entsprechen in ihrer Ausprägung einer der vier Rationalitäten in der Theorie vonMary Douglas. Doch können monorationale Bodennutzungen in ihrer modellhaftreinen Form existieren? Vermutlich nicht, denn der eigentliche Sinn der Unterschei-dung der acht monorationalen Bodennutzungen besteht in der Beschreibung vonEinzelelementen einer sehr komplexen Eigentumsordnung. Die Theorie des polyra-tionalen Bodeneigentums [11, 13] verbindet die Kategorien der gemeinschaftlichenund der ausschließenden Bodennutzungen mit einer fast unbegrenzten Vielzahlkonkreter Eigentumsarrangement, die einer von vier Rationalitäten entsprechen. Da-durch wird einerseits die Reduktion auf allzu vereinfachende Betrachtungen – etwa:Privateigentum gegen Gemeineigentum – vermieden, andererseits aber nicht bloßVielheit dokumentiert. Mit den Rationalitätstypen sind vielmehr Gestaltungsanfor-derungen an die nutzungsspezifischen Eigentumsregeln verbunden. Doch weshalbkommen wir mit den gewohnten Kategorien Privat- und Gemeineigentum nicht aus?Anhand von zwei Beispielen wird nun gezeigt, dass und weshalb Monorationalitätwenig hilfreich ist. Das erste Beispiel betrachtet das isolierte Privatgrundstück, andem seinem Eigentümer genau jene Rechte zustehen, die dem „ ,liberal‘ conceptof ,full‘ individual ownership“ [29, S. 107] entsprechen – und nicht ein Rechtzusätzlich. Das zweite Beispiel ist der Stadtraum vor und zwischen den Gebäuden,der einerseits den Beitrag räumlicher Gemeinschaftsgüter zur städtischen Lebens-qualität veranschaulicht, andererseits freilich auch die Polyrationalität städtischerRäume unterstreicht.

Page 18: Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum · Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 5 Didaktische Nützlichkeit ist nur einer von mehreren Gründen

18 B. Davy

4.2 Das isolierte Privatgrundstück

Das isolierte Privatgrundstück modelliert die Schwäche des herkömmlichen Ver-ständnisses des Privateigentums. Das isolierte Privatgrundstück existiert nicht undkönnte auch nicht existieren. Herkömmliches Verständnis des Privateigentums kannnämlich die Funktionsfähigkeit ausschließender Bodennutzungen nicht erklären.Man stelle sich eine Grundparzelle vor, die bestens vor jeglicher Besitzstörunggeschützt ist und deren Eigentümer alle durch Privateigentum verbürgten Rechte(z. B. Recht auf ungestörte Nutzung) genießt. Diese Grundparzelle ist gleichwohlvöllig isoliert. Diese Isolation hat nichts mit der tatsächlichen Abgelegenheit desGrundstücks zu tun. Die völlige Isolation des Privatgrundstücks folgt vielmehraus dem Umstand, dass dem privaten Grundstückseigentümer nur genau jeneRechte zustehen, die sein Eigentumsrecht (§ 903 BGB) ausmachen. Daher hat derEigentümer keinen Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen (z. B. zu Wasserver-sorgung, Abwasserentsorgung, Stromleitungen), sein Grundstück ist auch nicht mitdem öffentlichen Straßennetz verbunden und kann daher von niemandem betretenwerden. Zudem ist das isolierte Privatgrundstück von räumlichen Umweltgüternabgeschnitten, deren Nutzung ebenfalls nicht vom privaten Eigentumsrecht umfasstist. Zu diesen Umweltgütern gehören, je nach dem Rechtssystem, die Umgebungs-luft, der Wind, das Sonnenlicht, das Regenwasser, das Oberflächenwasser, dasGrundwasser, Bodenschätze, der Ausblick, die Nachbarschaft. Schließlich müs-sen alle auf dem isolierten Privatgrundstück verursachten Luftverunreinigungen,Abfälle und Abwässer auf diesem Grundstück verbleiben, insoweit das privateEigentumsrecht (§ 903 BGB) nur in begrenztem Umfang erlaubt, Schadstoffe anNachbargrundstücke abzugeben (vgl. §§ 906 ff BGB).

Das isolierte Privatgrundstück hat keinen oder einen nur geringen ökonomischenWert. Eine interessierte Käuferin könnte das Grundstück nicht einmal besichtigenund würde gegebenenfalls eine Parzelle erwerben, die sie niemals betreten darf.Und sollte ihr eine tatsächliche Besitznahme gelingen, würde jede Nutzung sogleichEmissionen hervorbringen, die Luft und Wasser vergiften würden, weil sie aufdem Grundstück nicht bewältigt werden könnten. Privates Bodeneigentum magden Eigentümer dazu berechtigen, „andere von jeder Einwirkung aus[zu]schließen“(§ 903 BGB), es vermittelt aber keine Verbindung mit dem Rest der Welt. DieseVerbindung – vom Straßenanschluss und der Wasserleitung bis hin zur Frischluft-versorgung und natürlichen Belichtung – werden durch räumliche Gemeinschafts-güter hergestellt. Die Nutzung solcher Gemeinschaftsgüter steht allen zu, die zumGemeingebrauch berechtigt sind. Die Berechtigungen, die im Eigentumsrecht nachdem „ ,liberal‘ concept of ,full‘ individual ownership“ [29, S. 107] enthalten sind,verbürgen nicht das Recht zur Nutzung räumlicher Gemeinschaftsgüter. Das Recht,von einem Privatgrundstück auf die angrenzende öffentliche Straße zu treten, istein Gemeingebrauchsrecht, das der Grundstückseigentümerin in genau demselbenUmfang zusteht wie dem Obdachlosen, den sie soeben von ihrer Schwelle gewiesenhat (BVerwG 11. 5. 1999, 4 VR 7/99; 19. 9. 2007, 9 B 22/06; anders noch BVerwG29. 4. 1977, IV C 15.75). Der Genuss des privaten Eigentumsrechts hängt vonVoraussetzungen ab, die das private Eigentumsrecht selbst nicht gewährleistet.

Page 19: Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum · Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 5 Didaktische Nützlichkeit ist nur einer von mehreren Gründen

Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 19

Damit privates Bodeneigentum brauchbar sein kann, muss das Privatgrundstückdurch räumliche Gemeinschaftsgüter, zumeist von der öffentlichen Hand hergestellt,sowie durch zusätzliche Rechte mit dem Rest der Welt verbunden werden. Darausresultiert freilich keine Dankbarkeit privater Grundstückseigentümer gegenüber derGemeinde oder dem Staat, sondern ein eigentümlicher „Kampf um die Allmende“.Private Grundstückeigentümer sind nämlich selten darum verlegen, die Bereitstel-lung räumlicher Gemeinschaftsgüter von der Gemeinde oder anderen staatlichenStellen zu fordern. In den Vereinigten Staaten wird dieses Verhalten, bei dem Haus-eigentümer komplementäre Nutzungen des öffentlichen Raums durch politischenDruck erzwingen, mit der auf Tiebout [46] gestützten homevoter hypothesis erklärt[23]. Zahlreiche Lagefaktoren, die den Gebrauchs- und den Tauschwert privaterGrundstücke bestimmen, liegen weit außerhalb der durch privates Eigentumsrechtbestimmten Sphäre. In Konkurrenz mit anderen Stadtbewohnern erstreiten sich dieGrundstückseigentümer wertsteigernde Zugangsrechte und Zugangsmöglichkeiten,um zu verhindern, dass sie ihre Grundstücke nur aufgrund ihrer privaten Eigentums-rechte – somit in Isolation – nutzen können und dürfen [21, 24].

Das (heuristische) Modell des isolierten Privatgrundstücks schärft das Be-wusstsein für eine unentbehrliche Eigenschaft städtischer Bodenordnung: Damitein Privatgrundstück nicht „isoliert“ wird, sind räumliche Gemeinschaftsgütererforderlich. Solche Gemeinschaftsgüter (oder: commons, common pool resources,Gemeineigentum, Allmende) wurden oft mit Gemeindeweiden gleichgesetzt; diesist jedoch unhistorisch und widerspricht der Praxis der Bodennutzungen [36,S. 3]. Räumliche Gemeinschaftsgüter sind nicht bloße Erinnerungen an vormoderneBodennutzungen, sondern für gegenwärtige Bodennutzungen – insbesondere imregionalen und städtischen Zusammenhang – unentbehrlich [2, 35]. Gerade diestädtische Infrastruktur erweist sich als Gemeinschaftsgut, das die Stadtentwicklungnachhaltig prägt [4, 25]. Gemeinschaftseigentum und gemeinschaftliche Boden-nutzungen sind gegenüber Ausbeutung höchst empfindlich, wie sich etwa amBeispiel der Übernutzung öffentlicher Straßen in Megastädten des globalen Südenserweist [7]. Hardin [27] bezeichnete diese Empfindlichkeit als die „Tragödie derAllmende“. Räumliche Gemeinschaftsgüter bedürfen einer wirkungsvollen Bewirt-schaftung [38], doch eignen sich monorationale Bewirtschaftungsstrategien nichtdazu, diese Aufgabe zu erfüllen. Die vier monorationalen Typen gemeinschaftlicherBodennutzung – opportunistische Nutzungen, kollaborative Nutzungen, struktur-bildende Nutzungen und Umweltnutzungen – erfordern jeweils eine spezifischeAusgestaltung des Gemeineigentums oder Gemeingebrauchsrechts. Eine Parkbank,ein Gemeinschaftsgarten, eine Landesstraße oder das Einzugsgebiet eines hoch-wassergefährdeten Flusses können nicht nach denselben Gemeingebrauchsregelngenutzt werden; andernfalls droht liminale Dysfunktionalität [11, S. 122–124 undS. 188–203]. Zumeist scheuen die zuständigen Gesetzgeber davor zurück, dieNutzungsrechte an räumlichen Gemeinschaftsgütern als „Eigentum“ zu bezeichnenund bevorzugen Begriffe wie „Gemeingebrauch“ (z. B. § 25 Wasserhaushaltsgesetz;§ 14 Straßen- und Wegegesetz NRW). Aus raumplanerischer und bodenpolitischerSicht ist die begriffliche Verklemmtheit der Gesetzgeber bedeutungslos. Vielmehrkommt es auf die Zuteilung von Rechten zur ausschließenden oder gemeinschaft-

Page 20: Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum · Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 5 Didaktische Nützlichkeit ist nur einer von mehreren Gründen

20 B. Davy

lichen Bodennutzung an (ob diese Rechte nun „Eigentum“ genannt werden odernicht). Die Schnittstellen zwischen privaten Baugrundstücken und öffentlichenStraßen sind ein typisches Beispiel für die Verbindung zwischen insularen undopportunistischen Bodennutzungen. Diese Schnittstellen verbinden Privateigentumund Gemeineigentum – und die Verbindung ist unausweichlich. Natürlich könnteeine Privateigentümerin den Zukauf von Straßenland erwägen. Doch wie weitkönnte eine Privatstraße reichen, bevor das öffentliche Straßennetz – genauer: derstädtische Funktionszusammenhang – zum Erliegen käme? Stellen wir uns eineunendlich wohlhabende Grundstückseigentümerin vor, die alle von ihr benutztenStraßen als Privateigentum erwirbt, dann stellen wir uns eine Stadt vor, in derniemand anderes als diese unendlich wohlhabende Grundstückseigentümerin lebenkann. Das Problem des isolierten Privatgrundstücks kann eben nicht durch die Ver-mehrung privater Grundstücke gelöst werden, sondern nur durch eine angemesseneVerbindung von ausschließenden und gemeinschaftlichen Bodennutzungen (vonPrivat- und Gemeineigentum).

4.3 Der Stadtraum vor und zwischen den Gebäuden

Räumliche Gemeinschaftsgüter unterliegen zahlreichen Missverständnissen. Dasfolgenschwerste Missverständnis besteht in der Erwartung, räumliche Gemein-schaftsgüter könnten isoliert existieren (als wären der öffentliche Park oder dieöffentliche Straße vom städtischen Zusammenhang entkleidete Raumphänomene).Der Stadtraum vor und zwischen den Gebäuden ist eine Metapher, die diesesMissverständnis vermeiden hilft. Im vorigen Abschnitt wurde erklärt, weshalb einisoliertes Privatgrundstück, das nur als Inbegriff privater Eigentumsrechte angese-hen wird, nicht existenzfähig wäre. In diesem Abschnitt wird erklärt, dass auch deröffentliche Raum oder die räumlichen Gemeinschaftsgüter nicht isoliert existieren,sondern eng mit ausschließenden Bodennutzungen verbundene gemeinschaftlicheBodennutzungen sind.

Der Stadtraum vor und zwischen den Gebäuden entsteht durch die Festsetzungvon Baulinien und Baugrenzen in Bebauungsplänen. Der Stadtraum vor undzwischen den Gebäuden ist eine 3D-Projektion der Wirkungen, die Baulinien undBaugrenzen auf die Stadtgestaltung, die Bodenmärkte und die Grundstücksnutzun-gen haben. Baulinien und Baugrenzen beeinflussen die Position baulicher Anlagenauf Baugrundstücken (§ 23 BauNVO). Solche Grenzen regulieren den Übergangzwischen privaten, halb-öffentlichen und öffentlichen Räumen und stellen einenAusgleich zwischen Privateigentum und Gemeineigentum, zwischen ausschließen-den und gemeinschaftlichen Bodennutzungen her. Wenn eine Raumplanerin inihrem Bebauungsplan eine Baulinie oder Baugrenze zieht, legt sie den künftigenUmfang des Baulands sowie die Größe und Form künftiger Grundstücke fest. DieseGrundstücke stehen zur ausschließenden Bodennutzung gemäß privaten Eigentums-rechts zur Verfügung. Zieht eine Raumplanerin eine Baulinie oder Baugrenze,bestimmt sie auch die Lage der Vor- und Hausgärten, Gehwege, Straßen, Plätze undParks. Schließlich erzeugt die Raumplanerin durch ihre Festsetzungen einen Raum,

Page 21: Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum · Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 5 Didaktische Nützlichkeit ist nur einer von mehreren Gründen

Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 21

der zwischen den ausschließenden und den gemeinschaftlichen Bodennutzungenvermittelt: den Stadtraum vor und zwischen den Gebäuden. Wurden alle Grund-stücke bebaut und die Baublöcke mit Leben erfüllt, haben die meisten Menschenvergessen, dass es ohne die Festsetzungen der Raumplanerin weder private nochöffentliche Räume geben würde.

Der Stadtraum vor und zwischen den Gebäuden ist weder ein Wirtschaftsgutnoch eine Sache im Rechtssinne. Seiner Natur nach ist dieser Raum schwerfassbar. Diese Schwierigkeit ist typisch für Raumplanung und Bodenpolitik – zweiBereiche, in denen es fortwährend um die Verbindung und Trennung ausschlie-ßender und gemeinschaftlicher Nutzungen natürlicher Ressourcen geht. Eine derHauptaufgaben der Bodenpolitik ist ja geradezu, die geeigneten Eigentumsregelnfür eine Vielzahl ausschließender und gemeinschaftlicher Bodennutzungen hervor-zubringen. Die Bodenpolitik nutzt dafür zahlreiche Instrumente, die unter anderemhoheitliche Ge- und Verbote, Genehmigungsvorbehalte, öffentliche Investitionenund andere Maßnahmen der Leistungsverwaltung, steuerliche Begünstigungen undSubventionen, Lenkungssteuern, private Verträge oder informelle Verhandlungenund Vereinbarungen einschließen. Die Verbindung dieser Instrumente zu einembodenpolitischen Konzept verfolgt das Ziel einer angemessenen Ausgestaltung derdie Bodennutzungen bestimmenden Eigentumsregeln. Dazu gehört eben auch dieFestsetzung von Baulinien und Baugrenzen in Bebauungsplänen, obzwar vielenRaumplanern nicht bewusst ist, dass diese typische raumplanerische Tätigkeitweitreichende eigentumspolitische Folgen hat. Vermutlich trägt zu dem Bewusst-seinsdefizit bei, dass es keine Kartendarstellung des Stadtraums vor und zwischenden Gebäuden gibt. Auf einem Flächennutzungs- oder Bebauungsplan sind zwarkünftige Bodennutzungen, nicht aber die künftigen Grundstücksgrenzen erkennbar(diese ergeben sich erst aus der Umlegungskarte). Projizieren wir den Bebauungs-plan in die künftige Liegenschaftskarte, erkennen wir, dass der Stadtraum vor undzwischen den Gebäuden keineswegs nur einem Eigentümer gehört. Vielmehr enthältder Stadtraum vor und zwischen den Gebäuden Anteile ganz unterschiedlicherGrundstücke. Jedes Privatgrundstück trägt ein Stück Luftraum (§ 905 BGB) bei,der sich über dem Hausgarten oder dem Hausdach oder der Garage befindet. GroßeAnteile des Stadtraums vor und zwischen den Gebäuden stammen vom Luftraumoberhalb des öffentlichen Straßennetzes, der öffentlichen Plätze, der öffentlichenParks. Die Rechtsnatur dieses Luftraums ist etwas unklar, vielleicht unterliegt erebenso dem Gemeingebrauch. Aber in seiner Gesamtheit ist der Stadtraum vorund zwischen den Gebäuden weder nur Privateigentum noch nur Gemeineigentum.Dieser Raum ist eine bemerkenswerte Ressource: Alle nutzen ihn. Jeder kann ihnbeeinträchtigen. Niemandem kann er alleine gehören. Der Stadtraum vor und zwi-schen den Gebäuden prägt die Erscheinung der Stadt, verbindet private Grundstückemit der übrigen Welt, macht urbane Dichte erträglicher, hüllt Nachbarschaftenein [26].

Der Stadtraum vor und zwischen den Gebäuden ist ein polyrationaler Raum,der sich aus einer Vermischung monorationaler Bodennutzungen – häufig übrigensals „Restgröße“ – ergibt. Polyrationale Bodennutzungen enthalten monorationaleBodennutzungen, sie entstehen allerdings nicht nur durch das Aufsummieren oder

Page 22: Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum · Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 5 Didaktische Nützlichkeit ist nur einer von mehreren Gründen

22 B. Davy

Abb. 2 Der Stadtraum vor und zwischen den Gebäuden: Central Park in New York City (c) 2008Benjamin Davy

Verbinden der monorationalen Bodennutzungen. Der wohl berühmteste Stadtraumvor und zwischen den Gebäuden liegt in Uptown Manhattan zwischen der 59. und110. Straße und ist als Central Park bekannt. In Abb. 2 sind unter anderem einesder teuersten Apartmenthäuser der Welt – das San Remo – zu sehen, aber auch einefür die Öffentlichkeit frei zugängliche Parklandschaft sowie das abgezäunte JackieKennedy Onassis Reservoir. Polyrationale Stadträume sind freilich nicht außerge-wöhnlich, sie gehören zur häufig nicht bemerkten Wirklichkeit aller Städte. Dazuein Beispiel: Der Raum oberhalb des Hausgartens eines freistehenden Einfamilien-hauses wird von den meisten Menschen überhaupt nicht bewusst wahrgenommen,doch wenn sich jemand diesen Raum einmal bewusst ansieht, dann vermutlich nichtals Fragment eines gewaltigen Stadtraums vor und zwischen den Gebäuden, sonderneben als Raum oberhalb eines Hausgartens. Der Stadtraum vor und zwischen denGebäuden hingegen gehört zu keinem einzelnen Grundstück und ist unabhängigvon einzelnen (monorationalen) Bodennutzungen. Als polyrationaler Raum entstehtder Stadtraum vor und zwischen den Gebäuden durch eine Vielzahl menschlicherAktivitäten, die zum überwiegenden Teil nicht aufeinander abgestimmt sind. Zudiesen Aktivitäten gehören die hoheitliche Bauleitplanung, das Kaufen, Verkaufenund Behalten von Grundstücken auf den Bodenmärkten, öffentliche und privateInvestitionen in die Errichtung und Erhaltung von Baulichkeiten, Straßen, Plätzenund Parks sowie eine endlose Vielfalt an alltäglichen Handlungen und Unterlas-

Page 23: Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum · Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 5 Didaktische Nützlichkeit ist nur einer von mehreren Gründen

Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 23

sungen, durch die städtische Qualitäten geprägt werden. Aus diesen theoretischenÜberlegungen folgt eine normative Aussage für die Bodenpolitik: Damit funk-tionierende Stadträume entstehen können, müssen polyrationale Eigentumsregelndie Befriedigung differenzierter Bedürfnisse und Interesse an unterschiedlichenBodennutzungen ermöglichen.

5 Praxisbeispiele: Polyrationales Bodeneigentum in derdeutschen Eigentumsverfassung

5.1 Wie polyrational ist die deutsche Eigentumsverfassung?

Das völlig isolierte Privatgrundstück und der Stadtraum vor und zwischen denGebäuden sind Elemente einer allgemeinen Theorie des polyrationalen Bodenei-gentums [10, 11, 13]. Allgemeinen Theorien vernachlässigen häufig lokales Wissenund konkrete Erfahrungen beim praktischen Umgang mit Eigentumsregeln. Diesmacht es schwierig, allgemeine Theorien – etwa die normative Aussage über dieNotwendigkeit polyrationaler Eigentumsregeln – zu beweisen. Polyrationales Bo-deneigentum ist gleichwohl kein theoretisches Phantasieprodukt, sondern empirischnachweisbar. Den Nachweis liefert die Eigentumspraxis. Parlamente, Gerichte,Planungsämter oder Grundstückseigentümer sind geschult im praktischen Um-gang mit Eigentumsregeln. Diese Entscheidungsträger, die an wirkungsvollen undgerechten Eigentumsregeln interessiert sind, kümmern sich weder um allgemei-ne Theorien noch um abstrakte Kategorien (wie z. B. „Gemeineigentum“ oder„Privateigentum“). Ihr Verhalten – die Eigentumspraxis – ist reich an Beweisenfür polyrationales Bodeneigentum. Die Eigentumspraxis geht weitaus flexiblerund sachgerechter als die meisten Eigentumstheorien mit der Vielfalt pluralerBodennutzungen um. Offenbar fällt es den Entscheidungsträgern in der Eigentum-spraxis viel leichter, brauchbare Lösungen für unterschiedliche Bodennutzungenzu finden. Dies wird im folgenden einerseits am Text der Eigentumsverfassung(Art. 14 und 15 GG) sowie an Beispielen aus der Rechtsprechung des BVerfGnachgewiesen.

Art. 14 und 15 des Grundgesetzes (1949) veranschaulichen, dass Gesetzgeberdurchaus in der Lage sind, unterschiedliche Rationalitäten aufzugreifen.

Artikel 14 GG(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schran-

ken werden durch die Gesetze bestimmt.(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der

Allgemeinheit dienen.(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie

darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, dasArt und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter

(Forsetzung)

Page 24: Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum · Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 5 Didaktische Nützlichkeit ist nur einer von mehreren Gründen

24 B. Davy

gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligtenzu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle derRechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

Artikel 15 GGGrund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zweckeder Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädi-gung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaftüberführt werden. Für die Entschädigung gilt Artikel 14 Abs. 3 Satz 3 und 4entsprechend.

Art. 14 und 15 GG entstanden aufgrund einer Diskussion über die deutscheWirtschaftsordnung nach 1945: Kommunismus oder Kapitalismus? Im Jahr 1949war für den Parlamentarischen Rat ungewiss, in welche Richtung sich Deutschlandentwickeln würde. Obzwar die Bundesrepublik Deutschland sich nach Westen ori-entierte, bekannte sie sich zu einer Verbindung von Sozialstaat und Rechtsstaat [45,S. 2132–2134]. Art. 14 und 15 GG enthalten individualistische, hierarchische undegalitäre Elemente. So entspricht es der individualistischen Rationalität, überhauptEigentum als Freiheitsrecht zu gewährleisten und die Zulässigkeit einer Enteignungvon einer gesetzlichen Ermächtigung sowie einer Entschädigungszahlung abhängigzu machen. Ganz im Sinne der hierarchischen Rationalität ist der Inhalt- undSchrankenvorbehalt im zweiten Satz von Art. 14, Abs. 1 GG zu deuten, der denGesetzgeber dazu ermächtigt, überhaupt erst zu bestimmen, welche Rechtsansprü-che als „Eigentum“ gewährleistet werden. Der egalitären Rationalität schließlichentspricht die Sozialpflichtigkeit des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 2 GG sowie dieIdee des Gemeineigentums in Art. 15 GG.

Die nachfolgenden Beispiele veranschaulichen, wie das BVerfG das polyrationa-le Bodeneigentum durch seine Rechtsprechung entfaltet hat.

5.2 Nassauskiesung

Das erste Beispiel betrifft den physischen Umfang privaten Bodeneigentums. Invielen Eigentumsordnungen gehören dem Bodeneigentümer nicht nur die Erdober-fläche seines Grundstücks, sondern auch der Boden unterhalb der Oberfläche, dasGrundwasser sowie der Luftraum.

§ 905 BGB

Das Recht des Eigentümers eines Grundstücks erstreckt sich auf den Raum überder Oberfläche und auf den Erdkörper unter der Oberfläche. Der Eigentümerkann jedoch Einwirkungen nicht verbieten, die in solcher Höhe oder Tiefevorgenommen werden, dass er an der Ausschließung kein Interesse hat.

Page 25: Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum · Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 5 Didaktische Nützlichkeit ist nur einer von mehreren Gründen

Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 25

§ 905 BGB entspricht der gemeinrechtlichen Doktrin: cuius est solum estusque ad coelum et ad inferos (Wem der Boden gehört, dem gehört er biszum Firmament und zur Unterwelt). In den 1970er-Jahren ordnete das entstehen-de deutsche Umweltrecht die Eigentumsbeziehungen an natürlichen Ressourcenwie Luft oder Grundwasser neu. Das Wasserhaushaltsgesetz untersagte alle Ein-wirkungen auf Grundwasser ohne vorherige Genehmigung. Der Pächter einerKiesgrube beschwerte sich über eine Enteignung seines Wirtschaftsgrundstücksin der Nähe eines städtischen Wasserwerks, da ihm die Wasserrechtsbehörde dienunmehr erforderliche Genehmigung versagt habe. Das BVerfG erblickt in derTrennung zwischen Grundeigentum und dem Nutzungsrecht am Grundwasser eineinhaltliche Ausgestaltung des Eigentums: „Das Eigentum als Zuordnung einesRechtsgutes an einen Rechtsträger bedarf, um im Rechtsleben praktikabel zu sein,notwendigerweise der rechtlichen Ausformung. Demgemäß hat das Grundgesetzin Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dem Gesetzgeber die Aufgabe übertragen, denInhalt und die Schranken des Eigentums zu bestimmen. Solche Normen legengenerell und abstrakt die Rechte und Pflichten des Eigentümers fest, bestimmenalso den ,Inhalt‘ des Eigentums“ (BVerfGE 58 [1981] S. 300 [S. 330] – Nassaus-kiesung). Bei der inhaltlichen Ausgestaltung habe der Wasserhaushaltsgesetzgeberdie Grundwassernutzung gerade nicht dem Grundeigentum zugeordnet: „Der ma-terielle Gehalt des zur Prüfung gestellten Normenkomplexes läßt sich folglichdahin zusammenfassen, daß das Wasserhaushaltsgesetz dem Grundstückseigen-tümer prinzipiell nicht das Recht gewährt, auf das im Untergrund vorhandeneWasser einzuwirken. So wie seine Befugnisse an den Grundstücksgrenzen en-den, endet seine Rechtsstellung in der Tiefe prinzipiell dort, wo er mit demGrundwasser in Berührung kommt“ (BVerfGE 58 [1981] S. 300 [S. 329] – Nass-auskiesung).

Vermutlich überfordert das Gericht mit der rigiden Grenzziehung den vonihm selbst gewählten Ausgangsgedanken. Bei Grundstücken mit oberflächennahemGrundwasserkörper oder mit nutzbarem Erdkörper unterhalb des Grundwasserkör-pers ist eine Begrenzung in der Tiefe dort, wo der Eigentümer mit dem Grundwasser„in Berührung kommt“ nicht sachgemäß. Bei Grundstücken mit oberflächennahemGrundwasserkörper beließe die gerichtliche Grenzziehung dem Grundstückseigen-tümer keinerlei Raum. Bei Grundstücken mit nutzbarem Erdkörper unterhalb desGrundwasserkörpers nähme die gerichtliche Grenzziehung dem Grundstückseigen-tümer einen Raum, der für den Grundwasserschutz nicht benötigt wird. Bedeutsamist indes, dass das BVerfG eine physisch untrennbare Einheit – die Erdkruste – ineigentumsrechtliche Sphären zerlegt, um unterschiedliche Rationalitäten berück-sichtigen zu können: „Da das Grundwasser wie ein Strom die Erde durchfließt,lassen sich weder die Entnahme von Wasser noch die Einleitung von Stoffen in ihrenWirkungen auf ein bestimmtes Grundstück beschränken. Grundwasser, das einemGrundstück entnommen wird, fehlt den Grundstücken, die grundwasserstromab-wärts liegen. Verschmutzungen, die auf einem Grundstück eintreten, können dasWasser auf weite Strecken für andere Nutzungen, insbesondere zur Verwendung alsTrinkwasser, untauglich machen. Eingriffe in das Grundwasser wirken sich mithinintensiv auf die Umgebung aus“ (BVerfGE 58 [1981] S. 300 [S. 343] – Nassauskie-

Page 26: Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum · Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 5 Didaktische Nützlichkeit ist nur einer von mehreren Gründen

26 B. Davy

sung). Aus der Zerlegung in Sphären ergibt sich dann – geradezu zwanglos – dieTrennung zwischen dem Grundeigentum und dem Recht auf Grundwassernutzung:„Das Grundstückseigentum umfaßt nicht die Befugnis zur Nutzung des Erdkörpers,die nur im Rahmen einer zulassungspflichtigen Grundwasserbenutzung verwirklichtwerden kann“ (BVerfGE 58 [1981] S. 300 [S. 337] – Nassauskiesung).

Gesetzgeber und Gericht halten sich nicht an vorgeblich vorgefundenen odertheoretischen Konzepten des Grundeigentums auf („. . . ad inferos . . . “), sondernkombinieren Eigentumsregeln für insulare Bodennutzungen (die Oberflächennut-zung durch den privaten Eigentümer) mit Eigentumsregeln für strukturbilden-de Bodennutzungen (die Bevorzugung der kommunalen Wasserwerke bei derGrundwassernutzung) und Umweltnutzungen (den Schutz und die Erhaltung einesmöglich unbeeinträchtigten Grundwasserkörpers). Sehr deutlich widerspricht dasBVerfG dem „ ,liberal‘ concept of ,full‘ individual ownership“ [29, S. 107] oderder Deutung des Privateigentums als absolutes, grundsätzlich unbeschränktes Voll-recht auf die maximale Ausbeutung des Bodens: „Aus der verfassungsrechtlichenGarantie des Grundeigentums läßt sich nicht ein Anspruch auf Einräumung geradederjenigen Nutzungsmöglichkeit herleiten, die dem Eigentümer den größtmöglichenwirtschaftlichen Vorteil verspricht“ (BVerfGE 58 [1981] S. 300 [S. 345] – Nassaus-kiesung).

Im Ergebnis entsteht eine Gemengelage an Eigentumsregeln für ausschließendeund gemeinschaftliche Bodennutzungen, die Privateigentum und Gemeineigentumin ein Netz aus privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Vorschriften einhüllen.Derselbe Raum – der grundwasserdurchströmte Erdkörper – wird dadurch Gegen-stand polyrationalen Bodeneigentums. Der Gesetzgeber hat übrigens im Nachgangzu dieser Entscheidung die Konsequenz aus der etwas verwirrenden Rechtslagegezogen und das Grundwasser schlechterdings für „nicht eigentumsfähig“ (§ 4Abs. 2 Wasserhaushaltsgesetz 2009) erklärt.

5.3 Jagdbezirk

Das zweite Rechtsprechungsbeispiel veranschaulicht die Schaffung polyrationalerRäume durch Grenzziehungen, die unterschiedlichen Rationalitäten folgen. Diepolyrationalen Räume erlauben eigentumsrechtlich differenzierte, nämlich gleich-zeitig ausschließende und gemeinschaftliche Bodennutzungen. Das Beispiel betrifftdie Jagd.

Historisch galt die Jagd in Deutschland und anderen Ländern Europas als einPrivileg des Adels. Der Abschaffung des Feudalismus folgte die Abschaffungder Adelsprivilegien. Im Gefolge der französischen Revolution setzte sich in denmeisten Ländern die Überzeugung durch, das Jagdrecht dem privaten Grundei-gentumsrecht zuzuordnen. Vermeintlich waren nicht alle Bodeneigentümer fähigoder willens, den Wildbestand durch nachhaltige Jagdpraktiken einzuhegen. Durchjagdrechtliche Vorschriften wurden sie daher in mehreren Ländern, darunter auch inFrankreich („Loi Verdeille“), zur Abtretung ihrer Jagdrechte an Jagdgemeinschaftengezwungen. Gegen diese Maßnahmen entstand in den 1980er- und 1990er-Jahreneuropaweit weltanschaulicher Widerstand durch Jagdgegner. Die Gegner gründeten

Page 27: Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum · Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 5 Didaktische Nützlichkeit ist nur einer von mehreren Gründen

Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 27

ihren Widerstand auf den Besitz oder Erwerb von (zumeist kleinen) Grundstücken inpotentiellen Jagdgebieten und behaupteten, dass der Jagdzwang sie in ihren Eigen-tumsrechten verletzen würde. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gabden Interessen an der insularen Bodennutzung durch die Eigentümer insbesonderekleiner Grundstücke den Vorzug und bezeichnete das System der Zwangsübertra-gung von Jagdrechten als eine Verletzung des Eigentumsgrundrechts: „Compellingsmall landowners to transfer hunting rights over their land so that others can makeuse of them in a way which is totally incompatible with their beliefs imposes adisproportionate burden which is not justified under the second paragraph of Article1 of Protocol No. 1“ (EGMR Große Kammer, 29. 4. 1999, Chassagnou und anderegegen Frankreich, Rz. 85).

Das Chassagnou-Urteil gesteht dem „kleinen Bodeneigentümer“ („small land-owner“) das Recht zu, die im öffentlichen Interesse für notwendig gehalteneBodenpolitik auszuhebeln. Selbst wenn jemand dies sympathisch fände, so ist esdoch falsch: Politische Entscheidungsbildung ist keine vom Privateigentum umfass-te Berechtigung. Dies hat das Bundesverfassungsgericht in einem gleichgelagertenFall zutreffend gesehen. In Deutschland sieht das Bundesjagdgesetz eine der „LoiVerdeille“ ähnliche Regelung vor. Grundsätzlich bildet das Jagdrecht ein Teilrechtdes privaten Bodeneigentums (§ 3 Abs. 1 Bundesjagdgesetz).

§ 3 Abs. 1 Bundesjagdgesetz

„Das Jagdrecht steht dem Eigentümer auf seinem Grund und Boden zu. Es ist un-trennbar mit dem Eigentum am Grund und Boden verbunden. Als selbständigesdingliches Recht kann es nicht begründet werden.“

Allerdings ist die Ausübung der Jagd auf Jagdbezirke beschränkt. Jagdbezirkesind gemäß § 4 Bundesjagdgesetz entweder Eigenjagdbezirke oder gemeinschaftli-che Jagdbezirke. Eigenjagdbezirke sind zusammenhängende Grundflächen von 75Hektar an, die im Eigentum derselben Person oder einer Personengemeinschaftstehen. Alle Grundflächen einer Gemeinde, die nicht zu einem Eigenjagdbezirkgehören, bilden einen gemeinschaftlichen Jagdbezirk, wenn sie im Zusammenhangmindestens 150 Hektar umfassen. Alle Eigentümer der Grundstücke in einemgemeinschaftlichen Jagdbezirk sind Mitglieder einer Jagdgenossenschaft, die dieJagd in der Regel durch Verpachtung – an Jagdgenossen oder Dritte – nutzt.

Ein Grundstückseigentümer, der gegen seine moralische Überzeugung Zwangs-mitglied einer Jagdgenossenschaft war, beschwerte sich beim BVerfG wegenVerletzung seines Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG). Im Lichte des Chassagnou-Urteils der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechteschien die zu erwartende Entscheidung klar: Eigentumsverletzung. Indes, die ZweiteKammer des Ersten Senats des BVerfG – bestehend aus drei Richtern – nahmdie Beschwerde nicht einmal zur Entscheidung an: „Würde man einzelnen oderallen Eigentümern das Jagdrecht zur freien Ausübung belassen, bedürfte es –um die [gesetzlichen] Jagd- und Hegeziele zu erreichen – eines voraussichtlicherheblich höheren Regelungs- und Überwachungsaufwands durch den Staat, als diesgegenwärtig gegenüber den auch selbstverwaltend tätigen Jagdgenossenschaftender Fall ist. Ein solches System dürfte zumindest nicht geringere Belastungen des

Page 28: Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum · Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 5 Didaktische Nützlichkeit ist nur einer von mehreren Gründen

28 B. Davy

Grundeigentums mit sich bringen als das gegenwärtige. [. . . ] Die Regelungen desBundesjagdgesetzes belasten den Beschwerdeführer [. . . ] auch nicht unverhältnis-mäßig. Die Einschränkungen seiner Eigentümerbefugnisse stellen sich nicht alsbesonders gravierend dar und überwiegen daher nicht die mit der gesetzlichenAusgestaltung von Jagd und Hege verfolgten Gemeinwohlbelange. Zudem siehtdas Gesetz in den Mitwirkungsrechten des Beschwerdeführers in der Jagdgenos-senschaft und in seinem [. . . ] Teilhaberecht am Pachterlös einen angemessenenAusgleich für die Beschränkung des Eigentums vor“ (BVerfG, 13. 12. 2006, 1 BvR2085/05, Rz. 21 und 22 – Jagdbezirk).

Das BVerfG unterstützt den Jagdgesetzgeber bei der Schaffung eines poly-rationalen Raums. In diesem Raum sind einerseits alle einzelnen Privatgrund-stücke zur ausschließenden Bodennutzung enthalten, andererseits der Jagdbezirkder Jagdgenossenschaft zur gemeinschaftlichen Bodennutzung. Die einzelnen Pri-vatgrundstücke unterliegen der insularen Bodennutzung (vor allem der Land-oder Forstwirtschaft), der Jagdbezirk hingegen einer kollaborativen Bodennutzung.Durch das Jagdrecht wird nämlich ein räumliches Gemeinschaftsgut geschaffen,das durch die Mitglieder der Jagdgenossenschaft gemeinschaftlich genutzt undbewirtschaftet wird. Die Mitglieder sind durch einen identitätsstiftenden Wertvereint, nämlich die Überzeugung von der Richtigkeit der Hege des Wildbestandsdurch Jagd. Wer diese Überzeugung nicht teilt, wird ausgeschlossen.

5.4 Fraport

Das dritte Beispiel betrifft Eigentumsregeln für öffentliche Räume, die im privatenEigentumsrecht eines Unternehmens stehen (allgemein dazu [31]). Nach dem or-thodoxen Eigentumsverständnis benötigt jeder, der ein fremdes Grundstück nutzenmöchte, zuvor die Einwilligung des Grundstückseigentümers. Gerichte haben dieFigur einer stillschweigenden Einwilligung oder implied invitation erfunden, umdie Grundstücksbetretung durch die Kunden eines Kaufhauses oder durch Postbotenzu rechtfertigen. Wenngleich sie ein fremdes Grundstück nutzen, begehen zahlendeKunden oder DHL-Mitarbeiter keine Besitzstörung. Allerdings gewährleistet einestillschweigende Einwilligung oder implied invitation das Recht des Bodeneigen-tümers, nicht willkommene Personen jederzeit vom Grundstück zu weisen. Indiesem Sinne verneinte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, Akti-visten könnten sich auf ihre Meinungsfreiheit berufen, um Flugblätter in einemEinkaufszentrum zu verteilen. Das Eigentumsrecht des Betreibers gehe vor: „Aprivate person‘s ability to eject people from his land is generally unfettered andhe does not have to justify his conduct or comply with any test of reasonableness“(EGMR, 6. 5. 2003, Appleby gegen Vereinigtes Königreich, Rz. 22). Der Europä-ische Gerichtshof für Menschenrechte behandelt ein Einkaufszentrum als insulareBodennutzung, die ausschließlich der individualistischen Rationalität („My home ismy castle!“) unterliegt. Auch das Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerungkönnen dem Bodeneigentum keinen Abbruch tun; der Eigentümer des Einkaufszen-trums darf die Verteilung von Flugblättern auf seinem Gelände verbieten (EGMR,6. 5. 2003, Appleby gegen Vereinigtes Königreich, Rz. 47–48).

Page 29: Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum · Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 5 Didaktische Nützlichkeit ist nur einer von mehreren Gründen

Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 29

Politische Aktivitäten – seien es Meinungsäußerungen oder Versammlungen –eignen den öffentlichen Raum vorübergehend für einen besonderen Zweck an:die Öffentlichmachung einer politischen Meinung. Die kollaborative Bodennut-zung durch eine größere Menschengruppe, die durch einen politischen Zweckgeeint ist, führt zu einer temporären Begründung von Gemeineigentum, das durchdie Meinungsfreiheit oder das Versammlungsgrundrecht geschützt ist. Die Ver-sammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) verschafft allerdings „kein Zutrittsrecht zubeliebigen Orten“, weder zu nicht allgemein zugänglichen Orten, noch zu ungeeig-neten Orten, wie etwa zu Krankenhäusern (BVerfGE 128 [2011] S. 226 [S. 251] –Fraport). Allerdings verändern sich die Eigentumsregeln für die Bodennutzungan Orten, „wo ein allgemeiner öffentlicher Verkehr eröffnet ist“: „Demgegenüberverbürgt die Versammlungsfreiheit die Durchführung von Versammlungen dort, woein allgemeiner öffentlicher Verkehr eröffnet ist. Dies betrifft – unabhängig voneinfachrechtlichen Bestimmungen des Straßenrechts – zunächst den öffentlichenStraßenraum. Dieser ist das natürliche und geschichtlich leitbildprägende Forum,auf dem Bürger ihre Anliegen besonders wirksam in die Öffentlichkeit tragen undhierüber die Kommunikation anstoßen können. Vor allem innerörtliche Straßenund Plätze werden heute als Stätten des Informations- und Meinungsaustauschessowie der Pflege menschlicher Kontakte angesehen“ (BVerfGE 128 [2011] S. 226[S. 251] – Fraport).

Das BVerfG verweigert dem Betreiber, den Frankfurter Flughafen als insulareBodennutzung zu beanspruchen. Das Gericht erkennt „zwischen der Eröffnungeines Verkehrs zur öffentlichen Kommunikation und der Versammlungsfreiheitein[en] unaufhebbare[n] Zusammenhang: Dort wo öffentliche Kommunikationsräu-me eröffnet werden, kann der unmittelbar grundrechtsverpflichtete Staat nicht unterRückgriff auf frei gesetzte Zweckbestimmungen oder Widmungsentscheidungenden Gebrauch der Kommunikationsfreiheiten aus den zulässigen Nutzungen aus-nehmen: Er würde sich damit in Widerspruch zu der eigenen Öffnungsentscheidungsetzen“ (BVerfGE 128 [2011] S. 226 [S. 251] – Fraport). Vor diesem Hintergrunderscheinen alle Bereiche des Flughafens, die zum öffentlichen Verkehr gewidmetwurden, als Möglichkeitsräume politisch motivierter Aneignung: „Der FrankfurterFlughafen ist in wesentlichen Bereichen als Ort allgemeinen kommunikativenVerkehrs ausgestaltet. Zwar gilt dies nicht für den gesamten Flughafen. So isteine Berufung auf die Versammlungsfreiheit für die Sicherheitsbereiche, die nichtallgemein zugänglich sind, ebenso ausgeschlossen wie für solche Bereiche, die nurbestimmten Funktionen (zum Beispiel der Gepäckausgabe) dienen. Jedoch umfasstder Flughafen auch große Bereiche, die als Orte des Flanierens und des Gesprächs,als Wege zum Einkaufen und zu Gastronomiebetrieben ausgestaltet sind und hierfüreinen allgemeinen Verkehr eröffnen. Unter der Rubrik ,Einkaufen und Erleben‘wirbt die Beklagte, die sich als ,City in the City‘ versteht, im Internet: ,AirportShopping für alle!‘, ,Auf 4.000 Quadratmetern zeigt sich der neue Marktplatzin neuem Gewand und freut sich auf Ihren Besuch!‘. Hier sind ersichtlich Orteals allgemein zugängliche öffentliche Foren ausgestaltet, deren VerkehrsflächenVersammlungen damit grundsätzlich offenstehen“ (BVerfGE 128 [2011] S. 226[S. 254] – Fraport).

Page 30: Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum · Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 5 Didaktische Nützlichkeit ist nur einer von mehreren Gründen

30 B. Davy

Abb. 3 Eigentum macht Diebstahl (c) 2015 Benjamin Davy

Im Ergebnis erkennt das BVerfG im öffentlichen Bereich des FrankfurterFlughafens die Erschaffung eines räumlichen Gemeinschaftsguts. Die Entschei-dung verbindet die akkumulierende Bodennutzung der auf Gewinn berechnetenBetreibergesellschaft (zum Teil in öffentlicher Hand) mit der kollaborativen Bo-dennutzung einer temporären Aneignung als Raum des politischen Widerspruchs.Das zur Gewinnerzielung angeeignete Gelände wird – in Übereinstimmung mit denNutzungsvorstellungen der aneignenden Gesellschaft – nicht der ausschließenden(insularen) Bodennutzung preisgegeben. Vielmehr anerkennt das Gericht, dass dievom Eigentümer geplante und eingerichtete gemeinschaftliche Nutzung als „Markt“die Rechtsfolge nach sich zieht, marktübliche Willensäußerungen zu erlauben (auchwenn diese dem „Eigentümer“ des Geländes missfallen).

Missfallen erregt bei der Fraport AG wohl auch die informale Arbeit, die„Flaschenfischer“ in den öffentlich zugänglichen Bereichen des Frankfurter Flug-platzes leisten. Die Fraport AG beansprucht Privateigentum über Pfandflaschen undandere werthaltige Abfälle, die in Müllbehälter im öffentlichen Raum eingeworfenwerden (Abb. 3). Hier werden Eigentumsansprüche erhoben, um unerwünschteArbeit zu unterbinden, die gleichwohl menschenrechtlich geschützt ist (Art. 6 desUN Sozialpaktes). Sollen so Diebe gemacht werden?

6 Polyrationales Bodeneigentum und die Stadt derZukunft

6.1 Monorationale Eigentumstheorien widersprechen derpolyrationalen Eigentumspraxis

Die drei Entscheidungen des BVerfG erweisen plurale Eigentumsregeln nicht bloßals das Ergebnis einer „Beschränkung“ des ursprünglich unbeschränkten Privatei-

Page 31: Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum · Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 5 Didaktische Nützlichkeit ist nur einer von mehreren Gründen

Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 31

gentums. Der Jagdbezirk-Fall erinnert vielleicht am ehesten an die Vorstellung,räumliche Planung würde Eigentum „beschränken“. Tatsächlich anerkennt dieseEntscheidung die Schaffung eines räumlichen Gemeinschaftsguts – des Jagdbe-zirks – durch den Bundesjagdgesetzgeber. Im Fraport-Fall liegt ebenfalls keineEigentumsbeschränkung vor, das BVerfG zieht aus dem Nutzungsverhalten desEigentümers die Konsequenz einer räumlichen „Veröffentlichung“. Besonders be-merkenswert handhabt das BVerfG die Inhalts- und Schrankenbestimmung gemäßArt. 14 Abs. 1 Satz 1 GG im Nassauskiesung-Fall. Bevor der Gesetzgeber tätig wird,gibt es kein „Eigentum“, das Wasserhaushaltsgesetz beschränkt Eigentum nicht,es gestaltet Eigentum und erfüllt „Eigentum“ mit Inhalt. Auch wenn das BVerfGnicht von polyrationalem Bodeneigentum spricht, sind die drei Entscheidung einforensischer Beweis für die Anerkennung pluraler Eigentumsbeziehungen. DieEntscheidungen erblicken im Bodeneigentum kein einzigartiges, homogenes, na-türliches oder absolutes Recht. Vielmehr anerkennt das BVerfG plurale Eigentums-beziehungen, die vielerlei Interessen an ausschließenden und gemeinschaftlichenBodennutzungen aufnehmen und gestalten.

Monorationale Eigentumstheorien widersprechen der polyrationalen Eigentums-praxis. Keine einzelne Eigentumsregel entspricht den vielfältigen Zwecken plura-ler Bodennutzungen. Ein freistehendes Einfamilienhaus wird anders genutzt alsein Gemeinschaftsgarten, eine Bundesautobahn wird anders genutzt als eine Su-permarktkette. Selbstverständlich können Einfamilienhäuser, Gemeinschaftsgärten,Bundesautobahnen oder Supermarktketten je und je Objekte von Eigentumsbezie-hungen sein; indes bestehen zwischen der inhaltlichen Ausgestaltung der jeweiligenEigentumsbeziehungen erhebliche Unterschiede. Die Eigentumspraxis passt sichden Eigenlogiken pluraler Bodennutzungen an, selbst wenn es den meisten Ei-gentumstheorien sehr schwer fällt, diese Beweglichkeit aufzubringen. Man stellesich vor, ein Liegenschaftsamt oder eine Abteilung für Bauleitplanung wollesich bei berühmten Eigentumstheoretikern Rat dafür holen, wie eine kommunaleBodenpolitik aussehen solle. Viele Theorien betonen nur einzelne Aspekte. Sobetont Hardin [27, S. 1244–1245], ein freier Zugang zu räumlichen Gemein-schaftsgütern bringe den Untergang für alle, weshalb die Umwelt und natürlicheRessourcen durch staatlichen Zwang geschützt werden müssten. Demsetz [14,S. 355] tritt für private Eigentumsrechte ein, weil nur ein einzelner Eigentümer denGegenwartswert des Bodens dadurch maximieren würde, dass alternative Nutzen-und Kostenströme berücksichtigt werden. Im Wettbewerb zwischen Privateigentumund Gemeineigentum [15] sei das Privateigentum jedenfalls der Favorit allererfolgreicher Volkswirtschaften. Peter Barnes [1, S. 65–78] verwirft sowohl denstaatlichen Zwang als auch das Privateigentum und fordert eine weite Verbreitungvon Gemeineigentum am Boden. Jeder der drei Autoren vertritt eine monorationaleEigentumstheorie. Hardin [27] bevorzugt die Rationalität der Hierarchie und Kon-trolle, Demsetz [14, 15] unterstreicht die Rationalität des Individualismus und derFreiheit, Barnes [1] wirbt für die Rationalität der Gemeinschaft und einer egalitärenBodennutzung. Keiner der drei Autoren berücksichtigt andere Rationalitäten oderandere Eigentumskonzepte. Gleichwohl beansprucht jeder der drei Autoren, demLiegenschaftsamt oder der Planungsabteilung gute Ratschläge für die kommunaleBodenpolitik erteilen zu können.

Page 32: Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum · Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 5 Didaktische Nützlichkeit ist nur einer von mehreren Gründen

32 B. Davy

Monorationalität bedeutet keine Blindheit gegenüber einer Vielzahl bodenpoli-tischer Instrumente. Hardin, Demsetz und Barnes verlassen sich natürlich jeweilsnicht bloß auf ein Instrument. Die Notwendigkeit einer Mischung unterschiedlicherInstrumente – eines policy mix – ist ein politikwissenschaftlicher Allgemeinplatz.Polyrationalität reicht freilich über eine (monorationale) Kombination von Zielenund Instrumenten hinaus. Ein Test für den Grad an Polyrationalität bildet die Unter-suchung der Einzelelemente eines bodenpolitischen Konzepts. Ein monorationalesKonzept betrachtet vermutlich alle Elemente – also etwa den Bodenbegriff, den Bo-denwert, Kosten und Nutzen, Inklusion und Exklusion, Allokation und Distribution,Effizienz und Gerechtigkeit – unter dem Blickwinkel derselben Rationalität. Eineegalitäre Bodenpolitik betont daher gemeinsame Räume, Gebrauchswerte, Gemein-eigentum und soziale Gerechtigkeit. Demgegenüber nutzt eine individualistischeBodenpolitik den Boden als Ware und beruht auf Tauschwerten, Privateigentum,Markteffizienz und libertärer Gerechtigkeit. Ein bodenpolitisches Konzept wäreweniger monorational, wenn es beispielsweise Gebrauchswerte mit Bodenmärktenoder soziale Gerechtigkeit mit Markteffizienz verbände. Der „Blinde Fleck“-Testerbringt noch überzeugendere Ergebnisse. Dieser Test sucht nach dem BlindenFleck in einem bodenpolitischen Konzept [13, S. 488]. Ein Blinder Fleck isteine Idee (Ziel, Instrument), die in anderen bodenpolitischen Konzepten häufig anhochrangiger Stelle steht, im untersuchten Konzept jedoch nicht einmal erwähntwird. Eine egalitäre Bodenpolitik hat zumeist einen Blinden Fleck für Markteffi-zienz (ihr geht es um Gemeinschaftswerte, nicht um Wettbewerbsvorteile). Einehierarchische Bodenpolitik weist ebenfalls einen Blinden Fleck für Markteffizienzauf (Wettbewerb ist höchstens als Mittel der Überwachung interessant). Poly-rationale Politikkonzepte enthalten häufig als Kernelemente die Blinden Fleckemonorationaler Politikkonzepte. Das Eigentumsgrundrecht (Art. 14 und 15 GG) ist,wie oben dargestellt, ein anschauliches Beispiel für die praktische Umsetzung einerpolyrationalen Politik.

6.2 Städte sind die räumliche Folge polyrationalenBodeneigentums

Raumplanung wird oftmals als eine Eigentumsbeschränkung angesehen. DieseSicht verkennt, dass der Tauschwert und der Gebrauchswert privater Grundstückeerheblich durch ein planvolles Angebot an räumlichen Gemeinschaftsgüternbestimmt wird. Am Beispiel zweier Gerichtsurteile – eines stammt vom US-amerikanischen Supreme Court, das andere vom Europäischen Gerichtshoffür Menschenrechte – lässt sich veranschaulichen, dass der Geschichte derRaumplanung von Beginn an der Mythos eingeschrieben wurde, räumliche Planungwürde die Nutzung privaten Eigentums beschränken.

Richter Sutherland, der die Mehrheitsmeinung im ersten Verfassungsstreit überdie Zulässigkeit kommunaler Bauleitplanung (zoning) schrieb, charakterisierte diePlanung als eine Kette von Eigentumseingriffen (additional restrictions): „Buildingzone laws are of modern origin. [. . . ] Until recent years, urban life was compara-

Page 33: Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum · Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 5 Didaktische Nützlichkeit ist nur einer von mehreren Gründen

Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 33

tively simple; but with the great increase and concentration of population, problemshave developed, and constantly are developing, which require, and will continue torequire, additional restrictions in respect of the use and occupation of private landsin urban communities“ (Supreme Court, Village of Euclid v. Ambler Realty Co.,272 U.S. S. 365 [1926] S. 386–387; Hervorhebung des Autors).

In seinem ersten Urteil zur menschenrechtlichen Zulässigkeit der Raumplanunghat auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte betont, dass rechtsver-bindliche Planungen die Eigentumsfreiheit begrenzen. Der Gerichtshof erkanntein Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK eine Eigentumsgewährleistung, diedrei Regeln umfasse: „The first rule, which is of a general nature, enounces theprinciple of peaceful enjoyment of property; it is set out in the first sentence of thefirst paragraph. The second rule covers deprivation of possessions and subjects it tocertain conditions; it appears in the second sentence of the same paragraph. The thirdrule recognises that the States are entitled, amongst other things, to control the useof property in accordance with the general interest, by enforcing such laws as theydeem necessary for the purpose; it is contained in the second paragraph“ (EGMR,23. 9. 1982, Sporrong und Lönnroth gegen Schweden, Rn. 61; Hervorhebung desAutors).

Aus der dritten Regel – dem Eingriffs- oder Beschränkungsvorbehalt – lei-tete der Gerichtshof eine besondere, im Konventionstext nicht enthaltene Pflichtdes planenden Staates ab, einen gerechten Ausgleich (fair balance) zwischenden öffentlichen und privaten Interessen zu gewährleisten (EGMR, 23. 9. 1982,Sporrong und Lönnroth gegen Schweden, Rn. 73). Das Euclid-Urteil und dasSporrong-Urteil erwähnen die Förderung ausschließender Bodennutzungen durchkommunale Infrastruktur und andere Leistungen oder durch räumliche Gemein-schaftsgüter mit keinem Wort. Die beiden Gerichtsurteile begingen erstmals dieFehleinschätzung, Raumplaner und Bodeneigentümer stünden sich als natürlicheFeinde gegenüber. Tatsächlich ist das wichtigste Anliegen der Raumplanung dieProduktion wertvoller Standorte [4]. Der Gebrauchswert privater Grundstücke wirddurch abgabenfinanzierte Investitionen der öffentlichen Hand, durch den Bau unddie Erhaltung der Infrastruktur und andere Maßnahmen der Daseinsvorsorge undLeistungsverwaltung aufgewertet. Wann immer eine Planerin öffentliche Nutzungenfestsetzt, werden dadurch Gemeingebrauchsrechte begründet, die gerade auch denEigentümern privater Grundstücke zugutekommen.

Hier sei nochmals an das völlig isolierte Privatgrundstück und an den Stadt-raum zwischen und vor den Gebäuden erinnert. Insulare, verwandtschaftlicheund akkumulierende Bodennutzungen sowie Behälternutzungen – die vier Artenausschließender Bodennutzungen – funktionieren nicht, wenn die ausschließendgenutzten Grundstücke lediglich so genutzt werden können, wie private Eigentums-rechte (z. B. §§ 903 ff. BGB) dies gestatten. Private Eigentümer, werden durchihre Rechte auf ausschließende Bodennutzung selbst von der Welt ausgeschlossen,wenn sie nicht eine Vielzahl an Eigentumsregeln nützen dürfen, die sie zumGemeingebrauch berechtigen. Privateigentum muss in eine Welt gemeinschaftlicherBodennutzungen eingebettet sein, eine Welt, die nicht durch Privateigentum, son-dern nur durch Gemeineigentum und gemeinschaftliche Bodennutzungen ins Leben

Page 34: Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum · Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 5 Didaktische Nützlichkeit ist nur einer von mehreren Gründen

34 B. Davy

gerufen wird [41]. Der Stadtraum zwischen und vor den Gebäuden symbolisiertden Umstand, dass Städte durch die Verbindung öffentlicher, halböffentlicherund privater Räume geschaffen werden und auf privaten und gemeinschaftlichenEigentumsbeziehungen beruhen. Städte sind die räumliche Folge polyrationalenBodeneigentums [13, S. 489]. Die Vereinfachung eigentumstheoretischer Diskurse,die entweder auf Privateigentum oder Gemeineigentum verengt werden, verhinderteine angemessene Untersuchung polyrationalen Bodeneigentums. In der Stadt derVergangenheit und Gegenwart wurde und wird das polyrationale Bodeneigentumals Leistung der Eigentumspraxis – gelegentlich etwas verschämt – versteckt. DieStadt der Zukunft wird von einer Theorie des polyrationalen Bodeneigentumsprofitieren. Diese Theorie wird aber nicht von abfallsammelnden Robotern, einerIndustrie 4.0, klimaschützender Energieeffizienz, Elektromobilität oder ähnlichenIdeologieprodukten abhängen, die in der Stadt der Zukunft eine technische Her-ausforderung für Kapitalverwertung erblicken. Vielmehr ist eine Eigentumstheoriefür die Stadt der Zukunft herausgefordert, die sozialen und politischen Funktionendes Privateigentums und Gemeineigentums differenziert so zu erklären, dass fürplurale Bodennutzungen die je und je angemessenen Eigentumsregeln bereit gestelltwerden können.

Literatur

1. Barnes, P.: Capitalism 3.0: A guide to reclaiming the commons. Berrett-Koehler Publishers,San Francisco (2006)

2. Bernhardt, C., Kilper H., Moss, T. (Hrsg.): Im Interesse des Gemeinwohls. RegionaleGemeinschaftsgüter in Geschichte, Politik und Planung. Campus, Frankfurt/New York (2009)

3. Bernoulli, H.: Die Stadt und ihr Boden. Verlag für Architektur, Erlenbach-Zürich (1946)4. Bökemann, D.: Theorie der Raumplanung. Oldenbourg, München & Wien (1982)5. Bromley, D.W.: Environment and economy. Property rights and public policy. Blackwell,

Oxford & Cambridge, MA (1991)6. Bromley, D.W., Cernea, M.M.: The management of common property natural resources. Some

conceptual and operational fallacies. World Bank Discussion Paper No. 57. The World Bank,Washington (1989)

7. Brown, A. (Hrsg.): Contested space. Street trading, public space, and livelihoods in developingcities. ITDG, Burton on Dunsmore (2006)

8. Davy, B.: Boden und Planung – Zwischen Privateigentum und Staatsintervention. In: Schmals,K.M. (Hrsg.) Was ist Raumplanung? S. 101–122. Institut für Raumplanung der UniversitätDortmund, Dortmund (1999)

9. Davy, B.: Innovationspotentiale für Flächenentwicklung in schrumpfen den Städten – AmBeispiel Magdeburg. Magdeburg. www.iba-stadtumbau.de/index.php?Innovationspotentiale-fur-Flachenentwicklung-in-schrumpfenden-Stadten-1. Zugegriffen am 06.01.2015 (2006)

10. Davy, B.: Parzellen, Allmenden, Zwischenräume – Raumplanung durch Eigentumsgestaltung.In: Bernhardt, C., Kilper, H., Moss, T. (Hrsg.) Im Interesse des Gemeinwohls. RegionaleGemeinschaftsgüter in Geschichte, Politik und Planung, S. 293–329. Campus, Frankfurt/NewYork (2009)

11. Davy, B.: Land policy. Planning and the spatial consequences of property. Ashgate, Farnham,Surrey and Burlington, Vermont (2012)

12. Davy, B.: Was ist und wem nützt Bodenpolitik? Flächenmanagement und Bodenordnung 76(5),193–200 (2014)

Page 35: Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum · Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 5 Didaktische Nützlichkeit ist nur einer von mehreren Gründen

Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 35

13. Davy, B.: Polyrational property: Rules for the many uses of land. International Journal of theCommons 8(2), 472–492 (2014)

14. Demsetz, H.: Toward a theory of property rights. American Economic Review 57(2), 347–359(1967)

15. Demsetz, H.: Toward a theory of property rights II: The competition between private andcollective ownership. Journal of Legal Studies 31(2), 653–672 (2002)

16. Dieterich, H.: Bodenmarkt und Bodenpolitik. In: Kühne-Büning, L., Nordalm, V., Steveling,L. (Hrsg.) Grundlagen der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, 4. Aufl., S. 374–421. FritzKnapp, Frankfurt/Main (2005)

17. Douglas, M.: Purity and danger. An analysis of the concepts of pollution and taboo. Routledge,London & New York (1966)

18. Douglas, M.: In the active voice. Routledge & Kegan Paul, London, Boston, & Henley (1982)19. Douglas, M., Ney, S.: Missing persons. A critique of the social sciences. University of

California Press, Berkeley, Los Angeles, & London (1998)20. Douglas, M., Wildavsky, A.: Risk and culture. An essay on the selection of technological and

environmental dangers. University of California Press, Berkeley (1993)21. Fennell, L.A.: The unbounded home. Property values beyond property lines. Yale University

Press, New Haven & London (2009)22. Fennell, L.A.: Ostrom’s law: Property rights in the commons. International Journal of the

Commons 5(1), 9–27 (2011)23. Fischel, W.A.: The homevoter hypothesis. How home values influence local government

taxation, school finance, and land-use policies. Harvard University Press, Cambridge, MA &London (2001)

24. Fischel, W.A.: The evolution of homeownership. Chicago Law Review 77, 1503–1530 (2010)25. Frischmann, B.M.: Infrastructure. The social value of shared resources. Oxford University

Press, Oxford (2012)26. Gehl, J.: Life between buildings. Using public space. Arkitektens Forlag, København (2006)27. Hardin, G.: The tragedy of the commons. Science 162(3859), 1243–1248 (1968)28. Hofmann, H.: Art. 19. In: Bruno Schmidt-Bleibtreu, F., Hofmann, H., Hopauf, A. (Hrsg.) GG

Kommentar zum Grundgesetz, 12. Aufl., S. 600–645. Carl Heymanns Verlag, Köln (2011)29. Honoré, A.M. (Tony): Ownership. In: Guest, A.G. (Hrsg.) Oxford essays on jurisprudence,

S. 106–147. Oxford University Press, Oxford (1961)30. Huber, P.M.: Artikel 19 GG. In: von Mangoldt, H., Klein, F., Starck, C. (Hrsg.) Kommentar

zum Grundgesetz, Bd. 1, 6. Aufl., S. 1759–1916. Franz Vahlen, München (2010)31. Kayden, J.S.: Privately owned public space. The New York City experience. John Wiley, New

York (2000)32. Kötter, T., Friesecke, F.: Modelle und Strategien kommunaler Bodenpolitik. In: Kummer, K.,

Frankenberger, J., Kötter, T. (Hrsg.) Das deutsche Vermessungs- und Geoinformationswesen,S. 373–419. Wichmann, Berlin (2013)

33. Luhmann, N.: Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie. Suhrkamp, Frank-furt/Main (1984)

34. Needham, B.: Planning, law and economics. The rules we make for using land. Routledge,Abingdon, Oxon (2006)

35. Moss, T.: Spatiality of the commons. International Journal of the Commons 8(2), 457–471(2014)

36. Ostrom, E.: Governing the commons. The evolution of institutions for collective action.Cambridge University Press, Cambridge (1990)

37. Ostrom, E.: Private and common property rights. In: Bouckaert, B., De Geest, G. (Hrsg.)Encyclopedia of law and economics II: Civil law and economics, S. 332–379. Edward Elgar,Cheltenham (2000)

38. Ostrom, E.: Design principles of robust property rights institutions: What have we learned? In:Ingram, G.K., Hong, Y.-H. (Hrsg.) Property rights and land policies, S. 25–51. Lincoln Instituteof Land Policy, Cambridge, MA (2009)

Page 36: Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum · Plurale Bodennutzungen und polyrationales Bodeneigentum 5 Didaktische Nützlichkeit ist nur einer von mehreren Gründen

36 B. Davy

39. Renner, K.: Die Rechtsinstitute des Privatrechts und ihre soziale Funktion. Ein Beitrag zurKritik des bürgerlichen Rechts. Gustav Fischer, Stuttgart (1929/1965)

40. Rittstieg, H. Art. 14/15 GG. In: Denninger, E., Hoffmann-Riem, W., Schneider, H.-P.,Stein, E. (Hrsg.) Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl.Luchterhand, Neuwied und Kriftel (2001)

41. Rose, C.M.: The comedy of the commons: Custom, commerce, and inherently public property.University of Chicago Law Review 53(3), 711–781 (1986)

42. Sachs, M.: Art. 19. In: Sachs, M. (Hrsg.) Grundgesetz Kommentar, 6. Aufl., S. 740–785. C.H.Beck, München (2011)

43. Schlager, E., Ostrom, E.: Property-rights regimes and natural resources: A conceptual analysis.Land Economics 68(3), 249–262 (1992)

44. Seele, W.: Elemente und Probleme der städtischen Bodenpolitik. In: Borchard, K., Weiß, E.(Hrsg.) Bodenpolitik in Vergangenheit und Gegenwart. Ausgewählte Schriften von WalterSeele. Heft 14 der Beiträge zum Städtebau, S. 3–12. Institut für Städtebau, Bodenordnungund Kulturtechnik der Universität Bonn, Bonn (1994)

45. Stern, K.: Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland. Band IV/1, Sachs. M., Dietlein, J.(Hrsg.). C.H. Beck, München (2006)

46. Tiebout, C.M.: A pure theory of local expenditures. Journal of Political Economy 64(5), 416–424 (1956)

47. von Justi, J.H.G.: Die Grundfeste zu der Macht und Glückseligkeit der Staaten, Bd. 1. JohannHeinrich Hartungs Erben, Königsberg und Leipzig (1760)