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New Work Welche Bürokonzepte die zukünftigen Arbeitsformen unterstützen Unternehmenskultur Wie Produktivität, Kreativität und Büroeinrichtung zusammenhängen Gesunder Arbeitsplatz Wie Ergonomie und Work-Life- Balance die Ausstattung prägen plus personalmagazin plus 09.19 Neue Arbeitswelten Mehr Raum für Innovation und Erfolg

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personalmagazin.de

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09/2019

New Work Welche Bürokonzepte die zukünftigen

Arbeitsformen unterstützen

Unternehmenskultur Wie Produktivität, Kreativität und

Büroeinrichtung zusammenhängen

Gesunder Arbeitsplatz Wie Ergonomie und Work-Life- Balance die Ausstattung prägen

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Neue Arbeitswelten Mehr Raum für Innovation und Erfolg

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Editorial 3

Liebe Leserinnen und Leser,

mit dieser Sonderausgabe des Personal-magazins betreten wir Neuland. Denn dem Thema „Bürowelten“ hatten wir bisher in unserer Berichterstattung wenig Platz eingeräumt. Nicht, dass wir nicht bemerkt hätten, dass sich die Arbeitswelt auch räumlich verändert: Neue Arbeits-methoden wie Agile Working, Informa-tionsaustausch und Kreativität brauchen Platz. Mitarbeiter arbeiten mobil und sind zunehmend auf den unbegrenzten Zugang zu Kommunikationstechnologien angewie-sen. Es wäre fatal, wenn diese Entwicklun-gen ihre Grenzen an Bürowänden finden würden.

Doch lange Zeit galt die Flächen- und Gebäudeorganisation als eine Aufgabe, die alleine dem Bereich Real Estate oder dem Facility Management oblag. Hier hat sich mit der Veränderung der Arbeitsweisen und der Mitarbeiterbedürfnisse eine ent-scheidende Wendung ergeben: Büroorga-nisation hat neue Ziele. Es geht nicht mehr alleine um Flächenplanung und Raum-

gestaltung. Es geht darum, der Umsetzung der HR-Strategie zu zukunftsfähigem Arbeiten die ideale Basis zu geben.

Unser Sonderheft, das wir gemeinsam mit dem Industriever-band Büro- und Arbeitswelt (IBA) erstellt haben, soll Sie dabei unterstützen und inspirieren. Wir wollen Ihnen einen Überblick geben, wo die Herausforderungen der Arbeitsgestaltung liegen, welche Trends, aber auch notwendige Grundlagen dabei im Auge behalten werden sollten und wie HR seiner wichtigen Auf-gabe in diesem Bereich gerecht werden kann.

Eines haben unsere Recherchen zu den neuen Bürowelten übrigens deutlich gezeigt: Die neuen Arbeitswelten sind schöne Arbeitswelten, die auch für das Wohlbefinden der Mitarbeiter sorgen. Vielleicht ist das der notwendige Hebel, um den Heraus-forderungen der Zukunft entspannt zu begegnen.

Viel Erfolg bei allen Gestaltungsprojekten wünscht Ihnen

Katharina SchmittRedaktion Personalmagazin

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Inhalt04 Aufbruch zu neuen Arbeitswelten Die Bürogestaltung muss sich an konkreten Arbeitsweisen orientieren

10 Bürokonzepte: Roman Klis Design

14 Interview mit Christian Krauss zur Rolle von HR

16 Raum für neue Arbeitsweisen Die Vision des Unternehmens als Grundlage für ein Raumkonzept

20 Biotop Büro Herausforderungen für Führung

24 Smalltalk Facts Arbeitsplatz

26 Bürokonzepte: Villeroy & Boch

30 Coworking Spaces Unternehmen entdecken die neuen Communities

36 Interview mit Irene Oksinoglu über eine Welt ohne Vorstandsbüros

40 Ein Plädoyer für Ergonomie und Arbeitsschutz

42 Homeoffice und Arbeitsrecht

44 Raus aus dem Schattendasein Die Wirkung von Licht

47 Büroalltag: Still und leise

48 Ein Teambüro für HR und Finance Sensible Daten in offenen Büros

52 Interview mit Sudan Jackson zum digitalen Arbeitsplatz

54 Das passt! Analyse von Arbeitskultur und -weise

56 Bürokonzepte: Ippolito Fleitz Group

60 Arbeitsplatz 2030 Experten und ihre Visionen

62 Best Workplace Award

64 Green Offices for Future Zertifizierungen für Nachhaltigkeit

67 Impressum

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„ Kreativität darf nicht durch Bürowände eingegrenzt werden.“

Kooperationspartner:

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Mit der entsprechenden Technik kann man nahezu überall arbeiten, beispielsweise auch in einem Coworking-Hotel auf Bali.

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Die Rolle von HR 5

Von Maxim Nopper-Pflügler

Desk Sharing, Coworking und Mobile Office: Arbeitsweisen sind immer stärker vom festen Einzelarbeitsplatz losgelöst. Um dieser Flexibilität gerecht werden zu können, kommt der konkreten Bürogestaltung eine zunehmende Bedeutung zu. Damit die neuen Räume optimal auf die neuen Arbeitsformen abgestimmt sind, muss HR die Verantwortung übernehmen und sich der neuen Arbeitswelt annehmen.

Aufbruch zu neuen Arbeits welten

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Unser Arbeitsalltag beginnt längst nicht mehr mit dem Betre­ten des eigenen Büros oder mit dem Einstempeln. Schon auf der Bahnfahrt zur Arbeit verschaffen wir uns auf dem Smartphone einen Überblick über anstehende Termine und beantworten erste Mails, beim Kaffee mit der Kollegin entwerfen wir eine neue Idee, auf dem Weg zum Schreibtisch informieren wir uns mit einem Blick aufs Board über den Entwicklungsstand verschiede­ner Projekte. Somit haben wir schon einiges erledigt, bevor wir uns überhaupt auf einen häufig frei gewählten Bürostuhl setzen. Die Art und Weise, wie ein Großteil der Mitarbeiter heute arbei­tet, ist immer seltener an einen festen Arbeitsplatz gebunden. Verschiedene technische Entwicklungen und neue Kulturtech­niken ermöglichen und erfordern immer mehr Mobilität – im kleinen Wechsel zwischen Kreativzonen, Besprechungsräumen und Stillarbeitsplätzen und im großen Wechsel zwischen Arbei­ten zu Hause, auf der Bahnfahrt oder im Coworking Space.

Weder isolierte Einzelbüros mit verschlossenen Türen noch legebatterieartige Großraumbüros können dieser zunehmend flexiblen Arbeitsweise gerecht werden. Neue Büros sind deshalb nicht nur schöner, sondern bringen diese geänderten Arbeitsbe­dingungen einerseits zum Ausdruck und unterstützen sie ande­rerseits, so gut es geht. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, muss HR eine zentrale Rolle in der Planung und Umsetzung von Büroeinrichtung einnehmen, denn HR gibt den Rahmen und die Richtung für die neuen Arbeitsweisen vor. HR muss deshalb dafür Sorge tragen, dass die Räume so gestaltet sind, dass die eigenen Strategien und Arbeitsweisen ihren Platz finden.

Doch nochmal einen Schritt zurück: Was sind diese neuen Arbeitsbedingungen und welche Rolle spielt HR dabei genau?

Nicht einmal die Hälfte der Arbeitszeit wird in Einzelarbeit geleistetIm bundesweiten Durchschnitt werden nur 44 Prozent der Ar­beitszeit in Einzelarbeit geleistet. Über die Hälfte der Arbeitszeit setzt sich somit aus persönlicher Zusammenarbeit (27 Prozent), virtueller Zusammenarbeit (17 Prozent), sozialer Kontaktpflege (sieben Prozent) und Lernen (sechs Prozent) zusammen. Das sind die Ergebnisse einer Studie des Gensler Research Institute zur deutschen Büroarbeitswelt im Jahr 2019. Aus der Studie geht auch hervor, dass eine gute Arbeitsumgebung und Innovations­fähigkeit zusammengehören. 52 Prozent der Befragten glau­ben, dass eine offene Struktur mit verfügbaren privaten Raum­angeboten am besten für die Arbeit geeignet ist. Beschäftigte in ausgewogenen Arbeitsumgebungen bewerten ihre Möglichkeit, mit neuen Arbeitsmethoden zu experimentieren, um 1,3­mal höher als andere. Unternehmen, die ihren Mitarbeitern flexible Arbeitsumgebungen bieten, sind der Studie zufolge nachweis­lich innovativer.

Da die Arbeitsumgebungen gerade in deutschen Unternehmen im internationalen Vergleich jedoch eher schlecht bewertet werden, attestieren die Autoren von Gensler einigen Änderungs­bedarf: Die Arbeitsumgebungen in Deutschland müssten sich weiter von Gruppen­ und Gemeinschaftsbüros hin zu offenen, arbeitsgemeinschaftlichen Konzepten wandeln. Der Fokus müs­se stärker auf das Wohlbefinden der Angestellten gelegt werden und auch aus Angestelltensicht seien offene Konzepte gefordert.

Das Fraunhofer­Institut für Arbeitswirtschaft und Organi­sation (IAO) spricht in einer Meta­Analyse zur Zukunftsarbeit

davon, dass flexible Arbeitsformen mehr Freiheit im Privaten und Unternehmerischen schaffen. Vernetzte Daten ermöglich­ten dabei neue Formen der Zusammenarbeit und zukünftige Arbeitsumgebungen förderten das Miteinander und gleichzeitig das Wohlbefinden. Viele erwarten laut Fraunhofer IAO, dass die Büroarbeit in Zukunft anspruchsvoller, vielseitiger, interessanter und verantwortungsvoller wird.

Bei den Mitarbeitern herrschen hinsichtlich dieser Entwick­lung eher positive Gefühle vor: 60 Prozent geben in Bezug auf die zunehmende Flexibilisierung im Arbeitsalltag an, sich selbstbe­stimmter zu fühlen, für weitere 46 Prozent trifft „Unabhängigkeit“ zu, für 44 Prozent „Freiheit“ und für 34 Prozent sogar „Freude“. Im Vergleich dazu melden 30 Prozent „Skepsis“ an und nur elf Prozent fühlen sich hinsichtlich der Entwicklung unsicher.

An Arbeitsweise und Methode orientiert„Future of Work“ nennt der Bundesverband der Personal manager (BPM) die Auseinandersetzung mit dem Wandel und beschreibt das als eine zentrale Herausforderung der HR­Arbeit im Jahr 2019. Agiles Arbeiten und Projektarbeit verdrängten dabei klas­sische Arbeitsmodelle. Kollaborative Zusammenarbeit, Co­Wor­king oder Co­Kreation werde wichtiger.

Unter den neuen Voraussetzungen sind mehr Kreativität und Teamarbeit gefordert, Routinetätigkeiten verlieren an Bedeu­

Weder isolierte Einzel zellen noch große Legebatterien-Büros können der flexiblen Arbeitsweise gerecht werden.

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Die Rolle von HR 7

Auch die Art zu kommunizieren wandelt sich. Soziale Medien spielen heute in vielen Unternehmen eine zentrale Rolle: Nach einer Erhebung vom Branchenverband Bitkom aus dem Jahr 2017 nutzen 73 Prozent der deutschen Unternehmen Social Me­dia für ihre Zwecke. Je größer die Unternehmen, desto häufiger setzen sie die Plattformen ein. Social Media nutzten laut Bitkom schon 2013 80 Prozent der deutschen ITK­Unternehmen für ex­terne Zwecke wie die Steigerung der Markenbekanntheit oder die Mitarbeitergewinnung. Hinzu kommen Enterprise Social Net­works und andere interne Lösungen, Videokonferenz­Systeme oder Tools zur Teamkommunikation und zur Projektarbeit wie Microsoft Teams, Slack oder Trello.

Doch dafür müssen die Büros eingerichtet sein: Der Wechsel der Arbeitsplätze je nach Tätigkeit kann nur gelingen, wenn die notwendige Infrastruktur zur Nutzung der digitalen Tools überall vorhanden ist, also beispielsweise genügend Bildschir­me in verschiedenen Größen zur Verfügung stehen und auch an abseitigen Orten, beispielsweise den umliegenden Grünflä­chen, Wlan vorhanden ist. Unter diesen Grundvoraussetzungen können Kommunikationszonen zum Austausch einladen und so Kollaboration fördern. Außerdem treten Mitarbeiter durch die Einladung zum Wechsel der Arbeitsplätze je nach Tätigkeit und Vorliebe mit anderen Personen in Kontakt, statt sich an ihrem Einzelarbeitsplatz zurückzuziehen.

Darüber hinaus ergeben sich durch intelligente Systeme Auto­matisierungspotenziale, die bestimmte Aufgaben abnehmen können und so ebenfalls wesentlichen Einfluss auf die Arbeits­platzgestaltung haben. Eine klare Aufgabe der Personalführung und ­entwicklung, findet Gebhardt: „Aufgabe von HR wäre es, festzustellen, welche Tätigkeiten im Büro künftig noch von Men­schen und welche von intelligenten Systemen übernommen wer­den.“ Fundierte Aussagen dazu, wie Mitarbeiter kommunizieren und interagieren werden, würden IT­ und Real Estate­Partnern helfen, nachhaltige Investitionen zu tätigen. Gewonnen würden damit nicht nur neue Räume, sondern auch Vorstellungen zur Mitarbeiterqualifizierung und IT­Implementierungen. „Inte­ressanterweise erreichen mich solche grundlegenden Fragen eher von Real Estate als vom HR­Management,“ kritisiert die Zukunftsforscherin aus ihrer bisherigen Beratungspraxis heraus.

Die Organisationsstrukturen wandeln sich„Wenn in einer vernetzten Zukunft nicht mehr Prozesse, sondern Menschen organisiert werden müssen, gilt es, Räume für die Kommunikation, Begegnung, Konzentration und das Lernen von Menschen zu gestalten,“ erklärt Gebhardt weiter und weist darauf hin, dass mit dem Wandel der Zusammenarbeit und der Kommunikation auch neue Organisationsstrukturen entstünden.

Die Unternehmenskultur, die sich immer noch vielerorts an einem Top­down orientiert, müsse sich stärker der Emanzi­pation, Eigenmotivation und Teamdynamik widmen und so Entwicklungspotenziale schaffen. Bisher spiegele sich die neue Dynamik noch nicht ausreichend in Management und Ver­waltung wider. Auch entspreche die häufig linear konzipierte Wertschöpfungskette nicht den Anforderungen eines volatilen Marktes. Flexible Partnerschaften und schnelle Anpassungen seien hingegen notwendig. Diese neuen Anforderungen an die Organisation zeigten sich auch in neuen Modellen, mit denen neue Führungsrollen einhergehen. Organisationsmodelle wie das

tung, Netzwerke werden wichtiger. Veränderte Organisations­strukturen, neue Methoden und die Anwendung von neuen Tools müssen angeeignet werden. Nicht nur Abläufe verändern sich, sondern auch Rollenbilder, beispielsweise von Führungs­funktionen oder von der Verantwortung des Einzelnen.

Um durch räumliche Neukonfiguration zu diesen neuen For­men der Zusammenarbeit einzuladen, gelte es auch, Trends, Medien und Methoden für die eigene Firma zu hinterfragen und attraktiv zu übersetzen, meint Birgit Gebhardt. Die Zukunfsfor­scherin ist eine der Autoren der New­Work­Order­Studien. Die Studienreihe, die seit 2012 in Zusammenarbeit mit dem Indus­trieverbands Büro und Arbeitswelt (IBA) entstanden ist, unter­sucht die veränderten Arbeitsbedingungen und deren Einfluss auf die Bürogestaltung. „Aus diesem Grund wünschen sich auch die für Bürogestaltung zuständigen Abteilungen eine engere Zusammenarbeit mit HR.“ Das Mitspracherecht von HR nehme ihrer Beobachtung nach in der digitalen Transformation zu.

Dabei, betonen die Autoren der New­Work­Order­Reihe, müs­se die nutzungsoffene Bürogestaltung in einem ausgewogenen Verhältnis zur jeweiligen Unternehmensidentität sowie zur kon­kreten Arbeitssituation stehen. Am Beispiel des nonterritorialen Arbeitens ohne fest zugewiesene Arbeitsplätze zeige sich, dass sich eine solche Arbeitsweise nicht für jedes Unternehmen eig­ne. Gerade in der deutschen Bürokultur sei Identität häufig an Räume gebunden und der Verlust eines zugewiesenen Arbeits­platzes könne als Degradierung empfunden werden. Auch je nach Arbeitssituation sei es wenig sinnvoll, den Desk­Arbeits­platz durch Non­Territorialität einschränken zu wollen. Wenn der Großteil der Arbeit am besten am Schreibtisch erledigt wird, benötige eben auch jeder Mitarbeiter im Team einen Schreib­tisch, den er jederzeit verwenden kann.

Neuer Raum für neue KommunikationBei vielen dieser Veränderungen taucht auch das Thema Kom­munikation auf. In der Art und Weise, wie Mitarbeiter kom­munizieren, zeigen sich viele Aspekte der neuen Arbeitswelt: Neue Tools ermöglichen direkte Kommunikation über zeitliche und räumliche Hürden hinweg, sei es durch Aufgabenverwal­tung, Videokonferenzen oder das gemeinsame Bearbeiten von Cloud­Dokumenten. Standardanfragen, sowohl von Mitarbeitern als auch von Außenstehenden, können immer besser von Chat­bots bearbeitet werden. Absprachen und Informationsaustausch werden in Dailys effizienter, dafür aber häufiger getroffen als in wöchentlichen Sitzungen. Für manche dieser Aspekte müssen auch bestimmte Techniken der Kommunikation gelernt werden, beispielsweise, wie der eigene Arbeitsfortschritt auf einem Kan­ban­Board visualisiert wird oder wie in einem Gruppenchat am besten eine Einigung erzielt werden kann.

Schon 2012 stellte die New­Work­Order­Studie fest, dass bei 74 Prozent der deutschen Unternehmen der Anteil der Kommunika­tion an der Büroarbeit gestiegen ist und dass der durchschnitt­liche Anteil der Kommunikation an der gesamten Arbeitszeit 46 Prozent beträgt. 35 Prozent der Arbeitszeit verbrachten die Befragten in Projektarbeit. Laut aktuellen Zahlen des IBA ist die funktionierende Kommunikation im Unternehmen für 63 Prozent der Büroangestellten in Deutschland sehr wichtig und für weitere 36 Prozent wichtig. Mit den vorhandenen Kommu­nikationszonen zeigen sich 62 Prozent zufrieden.

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Spotify­Modell oder Soziokratie unterscheiden sich in Arbeits­weise und Verteilung der Verantwortung wesentlich von einem hierarchischen Organisationsaufbau. Diese Strukturen sind stärker auf sich ändernde Rahmenbedingungen und bereichs­übergreifende Zusammenarbeit abgestimmt, die Führungsver­antwortung hängt nicht mehr an einem Vorgesetzten, sondern wird auf verschiedene Rollen verteilt.

Bewegung kommt in diesen Modellen eine zunehmende Be­deutung zu, sowohl im übertragenen als auch im wörtlichen Sinn: verschiedene Kommunikations­ und Konzentrationsräume können diesen vielfältigen Änderungen besser gerecht werden als das Pendeln zwischen Zellenbüro, Kantine und Konferenz­räumen, meinen die Autoren der New­Work­Order­Studie.

HR muss sich für Bürogestaltung einsetzenDie notwendigen Kompetenzen für die optimale Nutzung von neuen Tools sicherstellen, entsprechende Arbeitsweisen, Kom­munikationsformen, Methoden und den dafür notwendigen kul­turellen Wandel anführen und begleiten, sich für eine angemes­sene Organisationsstruktur einsetzen, in der Mitarbeiter optimal produktiv werden können – für HR­Verantwortliche ist es eine Selbstverständlichkeit, sich bei diesen Aspekten nicht aus der Verantwortung zu ziehen. Doch die konkrete und räumliche Ar­beitsplatzgestaltung liegt in der Regel nicht in der Hand von HR.

„HR sollte nicht nur, HR muss sich bei diesem Thema verant­wortlich einbringen,“ mit diesen Worten wird Gunther Olesch in einer Studie des Softwareherstellers Damovo zitiert. Die Studie untersucht die Rolle von HR bei der Gestaltung digitaler Arbeits­plätze. Olesch ist in der Geschäftsführung von Phoenix Contact in einer Dreifachkombination für das Personalmanagement, die IT und das Facility Management verantwortlich, er kennt die notwendige Zusammenarbeit dieser drei Bereiche. Er sieht die HR­Aufgabe, die richtigen Leute zu gewinnen, zu entwickeln und zu motivieren, als erfolgskritisch, denn die Gestaltung der

Arbeitsplätze und Räume sei für die Digitalisierung wesentlich. Die daraus folgende Empfehlung ist klar: HR sollte sich stär­ker auf die Employee Experience fokussieren und zugleich als Role Model für die neuen Arbeitswelten vorangehen. Außerdem müsse HR die eigenen Kompetenzen erweitern, sich stärker vernetzen, begeistern und überzeugen – kurzum sich für eine Arbeitsumgebung einsetzen, die die Bedürfnisse der Mitarbeiter und der neuen Arbeitswelt zusammenbringt.

Aus dieser Entwicklung heraus ist es schwer nachvollziehbar, dass HR nicht stärker bei der konkreten Bürogestaltung mit­spricht. Gebhard weist HR die Rolle eines moderierenden Stra­tegen zu und nennt ein Beispiel aus ihrer Beratungstätigkeit: Für die Arbeitsplatzgestaltung wurde bei einem Kunden eine Projekt­gruppe mit Köpfen aus HR, IT und der internen Planungsabtei­lung zusammengesetzt. „Ich halte das aus operativen wie auch inhaltlichen Gründen für sinnvoll. Zum einen, um zwischen den Abteilungen den Wissensstand bezüglich Maßnahmen und Er­fahrungen mit der digitalen Transformation breiter aufzustellen. Zum anderen, um die jeweils fachlichen Sachargumente für die Umsetzung besser berücksichtigen zu können.“

Daraus folgt: HR muss mehr sein als der Begleiter, der den Mitarbeitern am Ende erklärt, wie die neuen Räume gedacht sind. HR muss sich direkt in den Planungsprozess einbringen, als strategischer Partner oder gleich in der Führungsrolle. Nur so können die neuen Arbeitswelten tatsächlich den neuen Ar­beitsbedingungen gerecht werden.

MAXIM NOPPER-PFLÜGLER schreibt in der Personalmagazin-Redaktion über New Work und wechselt dafür bestimmt dreimal am Tag seinen Arbeitsort.

Coworking im branden-burgischen Bad Belzig: Das Coconat befindet sich in einem ruhigen, umfunktio-nierten Gutshaus, wo kreativ und konzentriert an Projekten gearbeitet werden kann.

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11Bürokonzepte: Roman Klis Design

Die Agentur Roman Klis Design versteht sich selbst als auto­nome Kreativinsel. Dieses Bild einer Insel wurde auf die Gestal­tung der Arbeitswelt über tragen: der Raum am Standort Herrenberg ist mit einer üppigen Vege ta­tion ausgestattet und in einer maledivischen Farbwelt gehalten.

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Ippolito Fleitz Group GmbHAugustenstraße 87D-70197 StuttgartTel. +49 (711) 993392-330Fax +49 (711) [email protected]

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Grundriss 1. Obergeschoss

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Kalkofenstraße 5171083 Herrenberg

Roman Klis Design GmbH

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Der große Gemeinschaftsraum im zweiten Obergeschoss ist als zentraler Ort für Begegnung und Austausch konzipiert. Größere Meetings können dort ebenso ab­gehalten werden wie gemeinsame Mittagessen oder andere interne Veranstaltungen.

Verglaste Besprechungs­räume und Büros sorgen für

Transparenz und wahren den ursprünglichen, lebendigen Open­Space­Charakter des

dreistöckigen Studios. Einblicke werden so bewusst

gewährt, um synergetische Zusammenarbeit zwischen

Mitarbeitern und den einzel­nen Teams zu fördern.

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NDie umfangreiche Begrünung ist nicht bloß Beiwerk, die

Pflanzen sorgen für ein ange­nehmes Raumklima, höheren

Sauerstoffgehalt und somit für gesunde Luft.

Steckbrief des Unternehmens

Firma: Roman Klis DesignSitz: HerrenbergRaumplanung: Ippolito Fleitz Group, StuttgartBaujahr des Gebäudes: 2002Zur Verfügung stehende Fläche: 1.988 m2

Anzahl der Mitarbeiter: 90Tätigkeiten in den Räumen: Roman Klis Design ist eine der führenden Agenturen Deutschlands in den Bereichen Brand Strategy, Branding, Packaging­ und POS­Design.

Im Studio Roman Klis Design gibt es auf den drei Stockwerken eine

Vielzahl kleiner Rückzugsorte und Besprechungs nischen für den

schnellen Austausch mit Kollegen und Arbeitsgruppen.

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Personalmagazin: Sie entwickeln Büroimmobilien – wie hat sich der Bedarf geändert? Was wollen Unternehmen?

Christian Krauss: Die Anforderungen gehen ganz eindeutig in Richtung bedarfsorientierte Objekte. Flexibilität, Dynamik und Arbeitsorientierung spielen dabei eine ganz große Rolle. Es wird deutlich, dass die Bürogestaltung heute ein großer Hebel aus HR-Perspektive ist. Die richtige Arbeitsfläche ist eins der Haupt-kriterien, um Mitarbeiter zu binden, aber auch um neue Talente im War for Talents zu gewinnen. Kommunikation soll gefördert werden, in Silos wird nicht mehr gearbeitet. Und immer seltener ist das Büro ein Abbild der Hierarchiestruktur im Unternehmen.

Wer ist Ihr Ansprechpartner in den Unternehmen? HR? Leider nicht. Das Thema wird in den meisten Unternehmen

in erster Linie immer noch alleine von Corporate Real Estate verantwortet. Bei Themen wie Mietschlüssel, architektonische Bau- und Ausstattungsbeschreibung und Ähnlichem hat das sei-ne guten Gründe. Doch in den letzten zehn Jahren hat sich viel verändert: Früher galt Flächeneffizienz als Haupttreiber. Auftrag waren verdichtete Belegungskonzepte. Heute beachtet man die Drei-Dreißig-Dreihundert-Regel: Pro Quadratmeter und Monat betragen die Betriebskosten drei Euro, die Real-Estate-Kosten 30 Euro und die Mitarbeiterkosten 300 Euro. HR hat hier also als Experte für Mitarbeitergewinnung und Personalführung, für das Work-Life-Balance-Agreement und als Treiber der Unter-nehmensstrategie den wichtigsten Job.

Wie bekommen Sie HR an den Tisch?Eigentlich sind es drei Parteien, die bei der Bürokonzeption

gleichermaßen mitreden müssen: HR, Corporate Real Estate oder ein Flächenbeauftragter und die IT. Denn Smart Building, Sensordatenermittlung und künstliche Intelligenz machen vor der Bürowelt nicht halt. Große Unternehmen bilden das über einen Workplace Consultant oder Workplace Briefing Partner ab, der als Schnittstelle die Bedürfnisse der eben genannten Bereiche zusammenbringt und kommuniziert. Bei sehr entwickelten Klein-betrieben und Mittelständlern kann auch der Geschäftsführer diese Rolle übernehmen, weil er alle Bereiche überblick. Oft aber müssen wir das Committment der IT oder HR-Aspekte aktiv ein-fordern und sehr viele Schleifen drehen. Dabei besteht auch die Gefahr, dass der eine oder andere Aspekt unter den Tisch fällt.

Was sind denn die häufigsten Fehler, die in solchen Fällen gemacht werden?

In unserer Praxis ist das größte Problem, dass bis zum Schluss keine genaue Mitarbeiterzahl genannt werden kann, sondern häufig mit vagen Zahlen und eindimensionalen Prognosen kalss-

„ Den wichtigsten Einfluss hat HR“

Interview Katharina Schmitt

Flächenorganisation und Raum- planung müssen der HR-Strategie entsprechen. Doch meist sitzt HR bei der Konzeption und Gestaltung von Arbeitswelten nicht mit am Tisch. Für Christian Krauss, Head of Office & New Work bei Art-Invest Real Estate, ein Problem, das dringend gelöst werden sollte.

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kuliert wird. Bürokonzeptionen haben oft ein bis zwei Jahre Vorlauf – bis zur Fertigstellung kann sich viel verändern. Hier ist HR essenziell, denn es bestimmt Fakten wie: Welche Bereiche wachsen? Arbeiten wir in Zukunft verstärkt agil? Arbeitsräume sind der Spiegel von Unternehmensstrategie und -kultur.

Wo müssen Sie die größte Überzeugungsarbeit leisten? Ich glaube, eines der größten Missverständnisse derzeit ist der

Gedanke „Wer New Work will, muss in den Großraum gehen“. Viele können den Begriff gar nicht richtig einordnen und ver-stehen darunter Großraumbüros wie aus den Sechzigerjahren. Tatsächlich ist Open Space heute Multi Space – ein System mit offenen Flächen, die aber auch Rückzugsmöglichkeiten bieten, um Arbeitsweisen gut abzubilden, bei denen man sich ver-traulich zurückziehen oder Telefonate führen kann, ohne die anderen zu stören; Unterschiedliche und bedarfsgerechte Raum-module als Antwort auf alle Aktivitäten, die den Arbeitsalltag begleiten – im Fachbegriff „Activity Based Working“.

Aber das müsste doch relativ einfach zu vermitteln sein? Deutschland ist sehr konservativ und große Teile unserer

Bürolandschaften sind Zellenbüros. Schon der Schritt von ge-schlossenen Büros in einen großen Raum ist mit Angst besetzt. Man befürchtet, die Mitarbeiter ihrer Privacy zu berauben, weil man einfach nicht weiß, wie solche Konzepte funktionieren, oder weil man in der Vergangenheit vielleicht schlechte Kon-zepte erlebt hat. Das zweite Problem: Man kann nicht einfach

Open Space einführen und erwarten, das wäre jetzt New Work, ohne das Business wirklich zu analysieren. Sämtliche Studien aus den vergangenen zehn Jahren zeigen, dass nur zwischen 35 bis 40 Prozent der Arbeitsplätze ständig belegt sind. Erst wenn vor Ort geklärt ist, wie die Arbeitsplätze besser genutzt werden können, anstatt nur Fläche zu verdichten, ist der erste Schritt in Richtung „Neues Arbeiten“ gemacht.

Wer eine neue Arbeitswelt schaffen will, muss dann na-türlich auch seine Mitarbeiter dorthin entwickeln. Welche Tipps haben Sie hier?

Die Hinführung der Mitarbeiter in die neue Arbeitswelt ist essenziell. Der größte Fehler, den Unternehmen machen können, ist die Vorgabe: Wir gehen jetzt von Einzelbüros in ein offenes Arbeitsumfeld. Auch wenn die neuen Arbeitsräume eigentlich perfekt sind, ist es in der Praxis häufig so, dass Mitarbeiter maß-gebliche Änderungen, die ohne Vorbereitung in den gewohnten Alltag einschneiden, entweder gar nicht annehmen oder falsch einordnen. Hier sind Spielregeln wichtig, beispielsweise dass im Open Space nicht jeder angesprochen wird, dass temporäre Rückzugsmöglichkeiten nicht als kleine Einzelbürozelle zweck-entfremdet werden, dass kein warmes Essen an den Platz ge-nommen wird und so weiter. Solche Dinge müssen erklärt und idealerweise erprobt werden. Das kann im Vorfeld über Pilot-flächen geschehen. Hier werden mit den Mitarbeitern Flächen getestet und Lessons Learned frühzeitig abgeleitet. Essenziell ist es auch, die Bereitschaft zur Verhaltensanpassung nachzu-justieren. Es kann nicht alles von Anfang an hundertprozentig passen, also benötigen wir Flexibilität für Veränderung. Wichtig ist eine gewisse Balance zwischen klaren Vorgaben der Unter-nehmensführung in der Ausrichtung, Strategie sowie in Orga-nisation und Freiraum, in dem sich die Mitarbeiter entwickeln und entfalten können.

Gibt es denn auch schon wieder Entwicklungen, die vom Trend Multi Space weggehen?

Ich glaube, fast alle Trends haben ihr Für und Wider und auch eine begrenzte Haltbarkeitszeit. Schade ist es, wenn Trends zu früh beerdigt werden, weil sie wegen eines halbherzigen Im-pulses nicht richtig funktioniert haben, statt aus den Fehlern zu lernen und die gute Idee weiterzuentwicklen. Genau dafür ist es wichtig, dass die Unternehmensführung den Wert eines Trends erkennt und auch die Möglichkeit gibt, das auszuprobieren.

Das heißt, es könnte auch sein, dass wir alle irgendwann wieder in Einzelbüros sitzen?

Das Einzelbüro ist eine der besten Arbeitsräumlichkeiten, die es gibt, wenn die richtige Jobfunktion dafür vorgesehen ist. Für einen Wissensarbeiter, der keinen Austausch, sondern Rückzug und Konzentration braucht, ist das Einzelbüro ein wunderbares Büro. Und auch in einem Multi Space, der ja, wie der Name schon sagt, aus verschiedenen Räumen besteht, können Einzelbüros vorhanden sein. Die Frage ist nur, ob das Einzelbüro dann wirk-lich der Geschäftsführer braucht, der vielleicht nur einen Tag in der Woche im Büro ist, oder eher der Mitarbeiter, der an Füh-rungsebene drei oder vier steht, aber mit extrem vertraulichen Themen zu tun hat und häufig telefoniert. Hier muss HR ein-steigen, um die Arbeitsplätze nicht nach Hierarchie, sondern nach Tätigkeitsprofil zu verteilen.

„ Man kann nicht einfach Open Space einführen und davon ausgehen, dass das dann New Work wäre.“

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Früher wurden Arbeitsplätze nach der Anzahl der Mitarbeiter geplant, heute gestalten wir Möglichkeiten für unser Tun. Mo-derne Arbeitswelten bieten Raum für Aktivity Based Working, also Flächen, Arbeitsmittel und Services, um die jeweiligen Aktivitäten der Mitarbeiter optimal zu unterstützen. Dabei geht es nicht nur um räumliche Veränderung, sondern auch um Klarheit über das Zukunftsbild des Unternehmens und um die Anforderungen aus den Tätigkeiten. Es geht ganz klar nicht um eine reine Optimierung des Ist-Zustands eines Unternehmens und damit dessen Arbeitswelt. Nein, wir sprechen hier vielmehr von einem evolutionären Schritt nach vorne, der eine tiefe Aus-einandersetzung mit der eigenen Identität erfordert. Denn nur dann ist das Resultat ein tätigkeitsorientiertes Arbeitsumfeld, das das Unternehmen und seine Mitarbeiter optimal unterstützt.

Der Weg in die neue Arbeitswelt beginnt bei der eigenen Identität Arbeitsweltgestaltung ist keine Frage von besserer oder moder-nerer Innenarchitektur. Die Gestalt muss aus der Identität und dem Zukunftsbild des Unternehmens abgeleitet werden. Denn bekommt ein Unternehmen eine Arbeitswelt übergestülpt, die nicht zur eigenen Identität passt, erhält es eine ästhetisch und funktional unpassende Gestalt, die folglich zu unpassendem Verhalten führt.

Die Unternehmensidentität ergibt sich aus prägenden Eigen-schaften, die typisch für die jeweilige Organisation und ihre Mitarbeiter sind, sowie aus situationsbezogenen und daher veränderbaren Eigenschaften. Die Identität ist der Kern eines Unternehmens und liefert die Parameter für die Organisations-planung: Vision und Mission, Werte und Normen, Ziele, Orga-

nisationsmodell, Arbeitskonzept und Nutzertypologie. Nur jene Unternehmen, die durch den Prozess der Organisationsplanung gehen, werden die Frage „Wie wollen wir zukünftig arbeiten?“ beantworten können. Erst danach sollte die Bedarfsplanung erfolgen und überlegt werden, was für eine wirksame Arbeits-welt benötigt wird.

Wo bin ich und wo gehe ich hin? Das ist die erste Frage, die man sich in einem weitreichenden Veränderungsprozess wie diesem stellen muss, denn ein Unternehmen lebt. Man muss verstehen, wie es das tut, um sich dem revolutionären Schritt in Richtung neue Arbeitswelt zu nähern. In unserer Beratungspra-xis arbeiten wir mit einer Art Landkarte, der Moocon Evolution Map, die zeigt, wo ein Unternehmen steht und wo die Reise hin-gehen kann. Um den aktuellen Entwicklungsstand einer Orga-nisation zu erfassen, werden drei Betrachtungsebenen (Mensch, Organisation und Objekt) aus jeweils zwei Perspektiven (innen und außen) erfasst. Mensch meint dabei die individuelle Ebe-ne, Organisation die kollektive Ebene und Objekt die konkrete Arbeitswelt. Je nach Perspektive ergeben sich ganz unterschied-liche Ausprägungen.

Die Bedürfnisse der Nutzer erkennenEine Organisation zu verstehen, bedeutet auch, die „Bewohner“ zu verstehen. Die Achtsamkeit gegenüber Einstellungen, Ge-fühlen oder Ambitionen der Menschen, die die Arbeitswelt be-völkern (sollen), ist ein bedeutender Erfolgsfaktor. Es ist wichtig, eine konkrete Vorstellung davon zu haben, wer diese Menschen und Gruppen sind und was ihnen wichtig ist. Der Blick auf den Ist-Stand der Nutzer sowie die Frage nach den zukünftigen Nut-zertypen, sowohl aus der Perspektive der Mitarbeiter als auch

Raum für neue Arbeitsweisen

Von Karl Friedl

Mit neuen Büromöbeln ist es nicht getan. New Work erfordert eine visionäre Strategie. Aus ihr entwickelt sich Schritt für Schritt das Bürokonzept. Ein Wegweiser.

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Organisationsanalysen 17

Gebäude 14 im Werk Sindel­fingen gilt bei Daimler als Leuchtturmprojekt für die Ent­wicklung neuer Arbeitswelten der Mercedes Operations.

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aus der Perspektive der Organisation, führt zum Erkennen ihrer Fähigkeiten, Bedürfnisse und Erwartungen in Bezug auf die Infrastruktur.

Auf der Ebene „Mensch“ beispielsweise reichen die Entwick-lungsstufen von Eroberer über Abarbeiter, Experte, Leistungs-träger, Mitunternehmer bis hin zu Gestalter. Bei der Organisa-tion reicht das Spektrum von Macht über Stabilität, Perfektion, Erfolg, Team bis zu System.

In der Praxis wird die Landkarte zur Evolution von Arbeits-welten für das eigene Unternehmen in einem Workshop mit Entscheidungsträgern erstellt. Unternehmen haben damit ein einfach zu bedienendes Tool in der Hand und können Verände-rungen menschlichen und organisatorischen Erlebens und Ver-haltens in der Arbeitswelt erfassen. Eine reflektierte Verortung des Ist-Zustands ist genauso Teil der Aufgabe wie die Festlegung des gewünschten Soll-Zustands. Das ist die wichtigste Basisarbeit für ihre zukünftige, identitätsstiftende Arbeitswelt.

Organisationsmodell und klare Ziele als BasisDer nächste Schritt ist ein klar strukturierter und konkret for-mulierter Zielkatalog. Der Zielkatalog setzt sich aus vier Dimen-sionen zusammen: Kultur, Soziales, Struktur und Wirtschaft-lichkeit.• Unternehmen, die ihre Kultur gezielt fördern und entwickeln,

sind leistungsfähiger und erfolgreicher. Kultur kann man sehen. Dabei soll Authentizität nach innen – bei Mitarbeitern – und nach außen – bei Kunden, Partnern oder der Öffentlich-keit – erreicht werden.

• Gute Mitarbeiter sind eine knapp gewordene Ressource. Es gilt sie zu finden, zu binden und ihre Leistungsbereitschaft zu stärken. Die Berücksichtigung sozialer Aspekte steigert die unternehmerische Leistungsfähigkeit deutlich.

• Die strukturelle Ebene zielt auf höhere Produktivität ab. Dies erfordert einen tieferen Blick in die Aufbau- und Ablauforga-nisation und die wesentlichen Management-, Geschäfts- und Unterstützungsprozesse. Auch die Funktionen und Tätigkeiten und die Führungsstruktur muss dabei beachtet werden.

• Wirtschaftlich betrachtet soll die Investition in eine neue Ar-beitswelt zu einem konkreten Wertschöpfungsbeitrag führen.

Mit ausgearbeitetem Zielkatalog und klar umrissenem Organisa-tionsmodell im Hintergrund können typische Soll-Aufgabengrup-pen und Tätigkeitscluster beschrieben werden. Das entstehende Arbeitskonzept berücksichtigt die Arbeitsprozesse und deren re-levante, raumprägende Eigenschaften und Arbeitsmittel. Um die Frage „Wer macht was wie?“ valide zu beantworten, ist es wichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass es sich nicht um eine reine Be-standsoptimierung der Ist-Organisation handelt, sondern um die Gestaltung der Arbeitswelt einer zukünftigen Organisation.

Richtungsweisende Entscheidung: Tätigkeits- oder aufgabenorientierte Arbeitswelt? Erschließt sich der Raum über Aufgabengruppen oder Tätigkei-ten? Diese Weichenstellung führt zu grundsätzlich unterschiedli-chen Arbeitswelten. Doch beide Wege können zum angestrebten Ziel des Erneuerungsprozesses führen. Die Kriterien für diese richtungsweisende Entscheidung leiten sich unternehmens-individuell aus den Ergebnissen der vorangegangenen Organi-

sationsplanung ab. Im Falle unserer eigenen Arbeitswelt, der Moocon Home Base, sahen die Ergebnisse folgendermaßen aus:• Aus unseren eigenen Werten, Normen und Zielen ergab sich

in kultureller Hinsicht die Hauptanforderung: Wir wollen die führende Unternehmensberatung für identitätsstiftende und nachhaltige Immobilien sein.

• Aus dem Organisationsmodell und Arbeitskonzept leiteten wir folgende strukturelle Hauptanforderung ab: Wir wollen eine prozess- und tätigkeitsbasierte Arbeitsumgebung.

• Aus den Nutzertypologien ergab sich für uns folgende Haupt-anforderung im Bereich Soziales: Wir finden die für uns beste Arbeitsumgebung.

Die Büros der Zukunft: Multistrukturflächen und Activity Based Workspaces Galt früher bei der Planung von Bürogebäuden ein Verhältnis zwischen Büro- und Sonderflächen von 80 zu 20 Prozent, so verschiebt sich dieses Verhältnis in Richtung 50 zu 50. Moderne Organisationen lösen ihre Unternehmensgrenzen zunehmend auf. Silodenken hat ausgedient. Zellen- und Großraumbüros verlieren dadurch mehr und mehr an Relevanz. In Multistruktur-büros und Activity Based Workspaces gibt es viele gemeinsam genutzte Arbeitsmöglichkeiten – sie sind die Zukunft.

In Multistrukturbüros stehen den Mitarbeitern eine Vielfalt unterschiedlicher Nutzungsmöglichkeiten zur Verfügung. Neben klassischen Arbeitstischen bietet diese Arbeitslandschaft eine Mischung von Flächen unterschiedlicher Ausprägung.

Bei Acticity Based Workspaces steht die jeweilige Tätigkeit im Vordergrund. Die Nutzer können den für sie passenden realen, aber auch virtuellen Space wählen und laufend wechseln. Es gibt meist keine fixen Schreibtische – die Arbeitsmöglichkeiten werden gemeinsam genutzt. Gemeinsam definierte Regeln und Vereinbarungen unterstützen im Alltag die Nutzung.

Unterschiedliche Raummodule für die spezifischen Ausprägungen der TätigkeitenIn unseren Kundenprojekten haben wir die Erfahrungen ge-macht, dass sich Vorgänge in Unternehmen in genau sieben Tätigkeitsbereiche einteilen lassen. Sie lauten:1. Fokussieren: Eine komplexe, konkrete Aufgabe konzentriert

bearbeiten. 2. Zusammenarbeiten: Mit Erfahrung und Wissen ein definier-

tes Ergebnis erarbeiten oder Ziel erreichen. 3. Entwickeln: Mit Erfahrung und Wissen ein neues Ergebnis

erarbeiten. 4. Vernetzen: Informationen und Erfahrungen austauschen. 5. Lernen: Wissen vermitteln und generieren. 6. Erholen: Energie tanken. 7. Erledigen: Eine einfache, wiederholt anfallende Aufgabe

bearbeiten.Diese Tätigkeiten sind neutral hinsichtlich Aufgabe, Abteilung, Menschentyp und Zeitpunkt. Um daraus abzuleiten, wie das Arbeitskonzept aussehen muss, werden die Tätigkeiten genauer definiert sowie spezifische Ausprägungen und Bedarfe zugeord-net. Diese Wie-Beschreibung umfasst verschiedene Modi, um Tätigkeiten genauer zu beschreiben: spontan oder geplant, real oder virtuell, Schutz (Brauche ich bei dieser Tätigkeit akusti-

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Organisationsanalysen 19

sind und gegebenenfalls adaptiert werden können. So gelingt ein entspannter und geregelter Umgang mit einem hohen Maß an Eigenverantwortung.

Der Arbeitsplatz ist dort, wo der Mitarbeiter istBei der Arbeitsweise von Activity Based Working ist der Arbeits-platz dort, wo Mitarbeiter ihren Aufgaben optimal unterstützt nachgehen können: Ob es der Raum ist, in dem Einzelarbeit oder konzentriertes Arbeiten stattfindet oder Bereiche, in denen man sich spontan oder formell zu zweit oder in größeren Gruppen treffen kann. Dieser Raum kann unterwegs sein, im Homeoffice oder im Virtuellen. Die sinnvolle Integration in das Geschäfts-modell ist eine große strategische Leistung in der Umsetzung.

Um in diesem Konzept zu denken, ist ein intensiver Austausch über die Aspekte Kultur, Soziales, Organisation und Wirtschaft-lichkeit erforderlich. Strukturierte Analysen, detaillierte Inter-views und Vordenken schaffen die Basis, um zu erkennen, wo Activity Based Working positiv auf die Leistungsfähigkeit der Organisation wirkt, die Bindung zum Unternehmen stärkt und Wettbewerbsvorteile schafft.

schen oder virtuellen Schutz?) und Störung (Störe ich bei dieser Tätigkeit akustisch oder visuell andere?) sowie Dauer (kurz, mit-tel oder lang). Schließlich wird der Arbeitsmittelbedarf ergänzt. Und schon kocht die Anzahl der Varianten an Tätigkeiten hoch und das Reduzieren auf das Wesentliche folgt.

Den spezifischen Tätigkeiten wird die entsprechende Anzahl geeigneter Raummodule zugewiesen. Dabei berücksichtigt man sowohl die Anwesenheitszeiten als auch das prognostizierte Mitarbeiterwachstum. Viele Tätigkeiten sind von einer hohen Mobilität geprägt. Diese Dynamik spiegelt sich im gesamten Tagesablauf wider und variiert von Mitarbeiter zu Mitarbeiter.

Auch die neue Arbeitswelt muss geregelt sein In einer tätigkeitsbasierten Umgebung steht die gemeinsame Nutzung aller Möglichkeiten im Vordergrund. Daraus ergibt sich eine Vielzahl an Nutzungsangeboten, die vorher nicht zur Verfügung standen. Das Teilen aller Räume und Arbeitsmög-lichkeiten erfordern ein Mindestmaß an verbindlichen Verein-barungen und müssen der Unternehmenskultur entsprechen. Regeln und Vereinbarungen definieren aber auch den Charak-ter und die Nutzung der angebotenen Fläche. Wie ein Arbeits-platz oder Raum hinterlassen werden soll, wo und in welcher Lautstärke gesprochen und telefoniert werden darf oder auch der Umgang mit Essen und Trinken beschreibt, für welche Tätigkeit die Fläche maßgeblich gedacht ist. Wichtig ist, dass Regeln gemeinsam definiert werden, für alle nachvollziehbar

Market AreaWorkshop AreaDesk Area

Wer macht was wie? Innerhalb der Homebase

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3 AM 12 AM 5 AM 19 AM 12 AM 10 AM 15 AM 4 AM 12 AM12 AM

Bei der Planung der Moocon Homebase wurden den spezifischen Tätigkeiten die entsprechende Anzahl geeigneter Raummodule zugewiesen. Dabei sind die Anwesenheitszeiten und das prognostizierte Mitarbeiterwachstum berücksichtigt. Die Homebase ist auf 40 Mitarbeiter plus Reserve ausgelegt.

KARL FRIEDL ist Geschäftsführender Gesellschafter von Moocon und berät Unternehmen in der Gestaltung von Arbeitswelten.

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Biotop BüroVon Björn Adam, Oliver Haas und Heiko Roehl

Das eigene Büro, mit Namensschild an der Tür und persönlichen Bildern an der Wand, wirkt in Zeiten von flexiblen Arbeitsplatz­modellen antiquiert. Doch Veränderungen und New Work sind keine Selbstläufer. Es geht um elementare Fragen – diese sollten ernst genommen werden. Eine Handlungsanweisung in fünf Teilen.

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Montagmorgen, 8.30 Uhr: Der Gang ins Büro stimmt auf den Tag ein. Freund-liches Grüßen auf den Fluren, Kaffeege-ruch, ein kurzer Plausch mit dem Zim-mernachbarn. Computer hochfahren, sortieren, Themen sichten. Arbeitsplätze sind in vielerlei Hinsicht ein Stück Hei-mat, sie schaffen Identität, Sicherheit der Rolle und des eigenen Ortes in der Orga-nisation. Hier weiß ich, wer ich bin. Und hier kann ich so sein, wie ich sein soll. Menschen bewohnen Organisationen, der Raum definiert den Menschen.

Unter den Vorzeichen der Volatilität von Märkten, Unplanbarkeit und damit Irrelevanz langfristiger Strategien werden Entscheidungen in Organisationen kom-plexer. In diesen oft auch sehr dynami-schen Entscheidungssituationen wird der identitätsstiftende Anker des klassischen Büros zunehmend infrage gestellt. Was vergangenen Generationen von Arbeit-nehmern noch als Insignien der Macht galt – Eckbüro, Ledercouch und Vor-zimmer – wirkt in Zeiten von Homeof-fice und Flexibilisierung der Arbeitszeit antiquiert. Heute verschwimmt Arbeits-zeit mit Freizeit, es ist unter modernen Führungskräfte en vogue, diesen Lifestyle vorzuleben. So findet seit geraumer Zeit in Organisationen unterschiedlicher Cou-leur ein mitunter radikales Umdenken tradierter Raum- und Territorialkonzepte statt. Wenn der Mensch jederzeit und von überall arbeiten kann, wer braucht dann noch ein Büro mit Namensschild?

Organisationen stehen heute vor der Frage, welchen Beitrag der physische Raum in Zeiten kontinuierlichen Wandels für ihre Zukunftsfähigkeit leisten kann. Raum- und Arbeitskonzepte müssen einen nachweislichen Mehrwert für die kollektive Wertschöpfung der Organisa-tion leisten. Dabei sind architektonische Fragen mit organisationalen, leistungs-bezogenen und kulturellen Aspekten in Einklang zu bringen.

Die Geschichte des Büros beginnt im 19. JahrhundertUm das Faszinosum Büro besser zu ver-stehen, lohnt sich ein Blick in die Ver-gangenheit. Mitte des 19. Jahrhunderts bildete sich erstmals die Berufsgruppe der Büroangestellten. Mit zunehmender Urbanisierung, dem Ausbau des Trans-portwesens und der aufkommenden Mas-senfertigung entwickelte sich das, was

wir noch heute als Verwaltung kennen. In ihrer Form und Organisationsstruktur ähnelten die Büros bereits den heutigen Büro. Dies stand in engem Zusammen-hang mit einer auf Rationalität basieren-den Idee von Management. Das Bild des Büros glich dabei einer (Papier-) Fabrik, in der Menschen statt an Fließbändern an Schreibtischen ihre Arbeit verrichten. Als Reaktion daraus formierte sich Mitte des 20. Jahrhunderts eine Bewegung, die das Gruppenverhalten von Menschen in diesen Arbeitsumgebungen in den Blick nahm (Human Relations Movement).

Mit diesem Verständnis änderte sich auch die Gestaltung von Büros: Glas und damit Licht wurden relevant, Klimaanla-gen wurden eingeführt und auch äußer-lich arbeitete man am Erscheinungsbild des Bürogebäudes. All diese Entwicklun-gen basierten auf der Bedeutung des Mit-arbeiters als einem Rollenträger, den es in die Organisation zu integrieren galt. Ein erneuter Umbruch in der Arbeits-platzgestaltung setzte Anfang 1980 ein

und wirkt bis heute. Globaler Kapitalis-mus, internationale Arbeitsteilung, Leis-tungsanforderungen, Personalmangel und natürlich die Digitalisierung führten zu einer Abkehr von bisherigen Arbeits-formen und Managementkonzepten. Die Betonung flacher Hierarchien, Transpa-renz und aktiver Mitgestaltung in der Geschäftsentwicklung, Gleichstellung aller Mitarbeitenden und Telearbeit sind einige der relevanten Stichworte.

Wandel im Verständnis des ArbeitsumfeldsMit einem neuen Reflektieren über die Arbeitsplatzgestaltung geht eine grund-legende Verschiebung im Verständnis des Arbeitsumfeldes seit dem frühen 20. Jahr-hundert einher. Mit der Einsicht, dass Arbeit nicht nur dem bloßen Gelderwerb dient, sondern zudem dem subjektiven Werteverständnis von Arbeitnehmern entspricht, hat sich der Blick auf Büros signifikant verändert. Zuvor hat man Bü-ros betreten, sie wieder verlassen und Büroarbeit tendenziell als unbefriedigend betrachtet. Heute ist Menschen der An-spruch an Zufriedenheit am Arbeitsplatz wesentlich wichtiger, und sie wählen Arbeitgeber danach aus, ob sie ihnen ein Arbeitsumfeld bieten, das diesen Vorstel-lungen entspricht.

Den Wandel von Arbeits- und Raum-konzepten primär auf organisationale Veränderungen und auf die Mitarbeiten-den selbst zu reduzieren, greift jedoch zu kurz. Auch der Hinweis, dass neue Raumkonzepte Kosten einsparen, ist in dieser Diskussion trivialisierend. Viel-mehr gilt es, das Thema ganzheitlicher zu denken. Markt und Umwelt treiben Organisationen in Veränderung – und in diesem Kontext muss die Gestaltung von Arbeitszeit, -platz und -organisation ver-standen werden.

Fünf Herausforderungen bringt der Wandel Für die Gestaltung von Arbeit und den dazu passenden Räumen und Zeiten gibt es wesentliche Veränderungstreiber: die Dynamik der Umwelt von Organisatio-nen, der veränderte Personalmarkt im Speziellen und das Wachstum von Or-ganisationen und Komplexität von Pro-dukten und Dienstleistungen im Beson-deren. Aus diesen Entwicklungen lassen

Arbeits­plätze sind ein Stück Heimat, sie schaffen Iden tität und Sicherheit der Rolle.

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sich fünf Herausforderungen ableiten, an denen sich Führungs- und Gestaltungs-ansätze zukünftig orientieren könnten.

1. AmbiguitätDie Mehrdeutigkeit, ja Widersprüchlich-keit organisationaler Kontexte erfordert eine angemessen komplexe und reak-tionsschnelle Binnenstruktur. Die Ge-staltung von Raumkonzepten hat hier eine große Bedeutung. Das Fehlen von festen Arbeitsplätzen führt beispielswei-se schneller zu wechselnden Formen der Zusammenarbeit der Teams, auch die Or-ganisation von Absprachen und Kommu-nikationswegen in den Räumen werden unterschiedlich genutzt und ausgelegt. All dies fördert den Umgang mit dem Unerwarteten und trägt dazu bei, dass sich neue Prozesse entwickeln können, die schneller in der Lage sind, intern die Anforderungen von Umwelt und Kunden zu verarbeiten. Genau hierfür sind Ge-meinschaftsflächen und Kommunika-tionszonen von großer Bedeutung. Der Soziologe Robert Burt spricht hier von der Überwindung struktureller Löcher zwi-schen Gruppen als signifikantem Treiber von neuen Ideen. Übersetzt bedeutet das, je eher wir in der Praxis mit immer neu-en und anderen Kolleginnen und Kolle-gen oder auch dem Kunden in Kontakt kommen, desto eher entwickeln wir neue Ideen. So können organisationales Lernen gefördert und alternative, bessere Ent-scheidungsfindung unterstützt werden.

2. Veränderungs­bereitschaftJe schneller sich Kundenanforderungen verändern oder Projekte entstehen, desto mehr sind Organisationen darauf ange-wiesen, schnell entsprechende Prozesse und Teams zusammenzustellen, um pass-genau darauf zu reagieren. Hier zählt, wie ausgeprägt normative Regeln oder kognitive Orientierungsrahmen gestaltet sind. Voraussetzung ist eine angemesse-ne Veränderungsbereitschaft im System, um den Arbeitsort (etwa das Homeoffice), die Arbeitszeit oder auch die Teamzu-sammenstellungen schnell und flexibel verändern zu können. Dabei ist die de-zentrale Übernahme von Verantwortung auch für den organisatorischen Rahmen des eigenen Leistungsbeitrags ein wesent-

licher Faktor. War die Übernahme von Verantwortung für den Wandel in der Ver-gangenheit für die Mitarbeitenden jedoch nicht von positiven Erfahrungen geprägt, dann ist es meist nicht allzu weit her mit der Veränderungsbereitschaft.

3. HierarchieVeränderungen haben in der Organisa-tion oft unerwartete Wirkungen – ein Pro-dukt eines Anbieters kann beispielsweise nur noch online zur Verfügung gestellt werden. Je schneller die Organisation darauf reagieren kann, desto höher die Überlebensfähigkeit.

Mit neuen, flexiblen Arbeitsmodellen besteht die Chance, diese Unterschiede schneller zu erkennen und in produktives Handeln umzusetzen. Können die Mit-arbeiter im obigen Beispiel schnell einen neuen Prozess für die Bestellung des Pro-dukts aufbauen? Oder wird die Idee als Vorlage in höhere Entscheidungsgremien gegeben und kommt Monate später zer-stückelt und unbrauchbar wieder zurück? Hier zählt das Ergebnis mehr als die plan-gemäße Durchführung einer delegierten Lösung. Erfolgreich Probleme zu dele-gieren und „Ownership” zu erzeugen, ist von zentraler Bedeutung, wenn kreative Improvisation zum Standard für Problem-lösungen wird. Das bedeutet nicht, dass Hierarchie obsolet wird. Im Gegenteil: Die neuen Arbeitswelten erfordern rol-lenklareres, delegatives und konsequen-teres Führen, weil sie einen brauchbaren Orientierungsrahmen in der neuen Un-übersichtlichkeit schaffen müssen.

4. FirmenkulturDie sich rapide verändernden Erwartun-gen von Mitarbeitenden an die Unterneh-menskultur werden nicht nur bei der Per-sonalgewinnung spürbar. Auch innerhalb der Organisation steigt der Wunsch nach Beteiligung, Mitgestaltung und Transpa-renz. Der Wunsch nach Sinn und Selbst-verwirklichung und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf der Mitarbeitenden kennzeichnet heute unabweisbar die be-stimmenden Merkmale einer modernen, produktiven und attraktiven Unterneh-menskultur. Eine Veränderung der Kul-tur hat deutliche Auswirkungen auf das Employer Branding und die Attraktivität der Unternehmen. Für viele Organisatio-nen ist die Erkenntnis hierüber gleich-

zeitig der erste Schritt in einen kulturellen Transformationsprozess, der Führungs-kräfte der bisherig etablierten Kultur auch persönlich vor große Herausforderungen stellt und oft überfordert. Hier liegt einer-seits der wesentliche Hebel, andererseits aber auch der größte Engpass bei der Umsetzung neuer Formen der Arbeits-gestaltung. Der Weg von der geleisteten Zeitstunde und abgearbeiteten Aufgabe hin zur Schaffung von echten Verantwor-tungsbereichen und gemeinsam gelösten Problemen bedeutet für Führung der al-ten Schule vor allem: loszulassen.

5. SinnstiftungJe größer und älter die Organisation und je komplexer und arbeitsteiliger die Dienstleistung oder das Produkt, desto detaillierter wird die Wahrnehmung der einzelnen Akteure auf das Wesentliche, die Wertschöpfung für den Kunden. Der Verlust des Verständnisses für die grö-ßeren Zusammenhänge, in denen das eigene Handeln steht, war schon im In-dustriezeitalter der Massenfertigung ein wesentlicher Treiber von Entfremdung des Einzelnen vom Arbeitsplatz.

Damals wie heute ist der Grad an in-dividueller Sinnstiftung für die eigene Arbeitszufriedenheit ausschlaggebend. Hier besteht ein wichtiger Zusammen-hang zur Frage der neuen Arbeitsgestal-tung: Nur wenn ich verstehe, welche Bedeutung meine Arbeit hat, kann ich auch Verantwortung für die Gestaltung von organisatorischen Rahmenbedingun-gen übernehmen. In diesem Sinne ist die Orientierungsfunktion von Führung ent-scheidend. Führungskräfte haben die Auf-gabe, die größeren Zusammenhänge her-zustellen und die Arbeit des Einzelnen in der Mission der Organisation zu verorten, um schließlich für den Mitarbeitenden Sinnstiftung zu ermöglichen.

Reflexion gelebter OrganisationspraxisDie Herausforderungen zeigen, dass Ar-beitsgestaltung eine voraussetzungsvolle Angelegenheit ist. Die Veränderung zu neuen Arbeitswelten im Biotop Büro ist kein Selbstläufer. Elementare Fragen der Organisation sind davon betroffen. An-ders herum: Der Trend neuer Arbeits- und Bürowelten ist eine Chance, sich beherzt auf den Weg der Veränderung zu machen.

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• Wichtig ist es hierbei, eine klare Vision zu haben für die neue Form der Arbeit. Dabei zählt weniger der Plan, sondern attraktive Bilder eines anderen, besse-ren Arbeitens. Eine positive Botschaft schafft psychologische Sicherheit und Orientierung für die Veränderung.

• Mit einer entsprechenden Einbin-dung der Mitarbeitenden kann nicht nur wertvolles Wissen für Prozess-optimierung gehoben werden, sondern auch die Schaffung einer angemesse-nen Eignerschaft am Wandel. Die Be-teiligten gehen selbstbestimmter in eine neue Arbeitswelt. Selbst dort, wo Räume bereits fertig geplant und gebaut sind, hört diese Beteiligung nicht auf.

• Wie alle Möglichkeiten ausgeschöft wer-den können, zeigt sich erst mit der Nut-zung. Hier ist wichtig, kontinuierlich Lernräume zu schaffen und die Auswir-kungen der neuen Arbeitsorganisation gemeinsam zu reflektieren. Die interne Universität des Bertelsmann-Konzerns beispielsweise zog 2018 in eine neu ge-staltete Fläche. Erst mit dem Umzug zeigte sich das wahre Potenzial der Räume, Projekte und Angebote noch crossfunktionaler zu denken. Gemein-sam werden im Team seitdem neue For-men der Zusammenarbeit erprobt und getestet. Mit neu eingeführten Tools wie Kanban-Boards auf Teamebene wird

diese Wirkung der neuen Arbeitsräume zusätzlich unterstützt.

• Wesentlicher Erfolgsfaktor der Trans-formationsarbeit ist ein angemessenes methodisches Instrumentarium. Neben den Methoden der klassischen Orga-nisationsentwicklung hat sich in den vergangenen Jahren ein ganzer Werk-zeugkasten agiler Methodiken entwi-ckelt, die sich für die Umsetzung neuer Raumkonzepte hervorragend eignen. Agile Methoden und Frameworks bie-ten eine spannende Alternative, um den Blick auf den Kunden wieder zu schärfen und die eigene Arbeit und den Output regelmäßig an diesem Ziel zu

BJÖRN ADAM und OLIVER HAAS be­gleiten als systemische Coaches agile, strategische und organisatorische Ver­änderungsprozesse. Beide sind Partner bei der Beratungsgesellschaft Kessel und Kessel.

HEIKO ROEHL ist Mitbegründer von Kessel und Kessel und Honorarprofes­sor für Organisationsentwicklung und Change Management an der Universität Freiburg, Roehl gibt zusammen mit Haas die Zeitschrift Organisationsent­wicklung (ZOE) heraus.

evaluieren. Für diese agilen Formen der Arbeit sind wiederum andere Team-strukturen mit flexiblen Zeit- und Ar-beitsplatzgestaltungen förderlich und in bestimmtem Ausmaß auch erfor-derlich. Wichtig ist, dass Prozess und Raum sich gegenseitig beeinflussen, hier haben Organisationen viel Spiel-raum für Experimente.

Transformation von Führung und KulturMit der Umsetzung neuer Bürokonzepte allein ist es nicht getan. Im Gegenteil: Stimmt die Einbettung in die kulturellen Gegebenheiten der Organisation nicht, dann kann etwa die neue Transparenz im Büro schnell zu einem neuen Präsentismus führen („Jetzt erst recht Sichtbarkeit zei-gen“). Oder der Nachmittag in der gläser-nen Innovation Lounge beim Latte Mac-chiato mit dem Team wird von außen beargwöhnt („Haben die nichts zu tun?“). Um solche unerwünschten Nebenwirkun-gen zu vermeiden, lohnt sich der umfassen-de Blick auf die Gesamtsystemik der Orga-nisation. Und ein behutsames, schrittweise lernendes Vorgehen. Schließlich muss es gelingen, für Mitarbeitende und Führungs-kräfte eine gleichermaßen lebenswerte und wertschöpfende Heimat in der sich verän-dernden Organisation zu schaffen.

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Wer arbeitet wo?

68 %Zellenbüro

(ein bis zwei Personen)23 %

Gruppenbüro (bis 25 Personen)

11 %Diverse Arbeits­

plätze, Homeoffice, Coworking

3 %Open Space oder Großraum (mehr als 25 Personen)

4 %keine Angabe

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Über zwei Drittel aller deutschen Erwerbs tätigen benötigt für die Arbeit zumindest zeitweise einen Büro arbeitsplatz. 98 Prozent legen dabei großen Wert darauf, dass die Technik nicht versagt.

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25IBA-Studie

Anteil der Mitarbeiter, die in den jeweiligen Büroräumen arbeiten und angeben, gerne zur Arbeit zu gehen.

Funktionierende Technik

78 %der Erwerbstätigen sind der Meinung, dass die Arbeits­umgebung dazu führt, dass man produktiver arbeitet.

Zufriedenheit der Mitarbeiter in unterschiedlichen Bürogrößen

Anteil der Erwerbstätigen in Deutschland, die an einem Büroarbeitsplatz arbeiten

2015

52 %

2019

71 %

Top-5-Kriterien für die ideale Arbeits-umgebung aus Angestellten sicht

82 %

77 %

85 %Einzelbüro

Zweierbüro

Gruppenbüro

Zur StudieDie Ergebnisse stammen aus Umfragen, die das Meinungs forschungs institut Forsa im Auftrag des Indus trie v erbands Büro und Arbeitswelt (IBA) unter 1.000 er­werbstätigen Personen durchgeführt hat.

1. 

Tageslicht und gute Beleuchtung2. 

Möglichkeit, in Ruhe zu Arbeiten3. 

Schnelles Internet

Ergonomischer Arbeitsplatz

4. 

5. 

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27Bürokonzepte: Villeroy & Boch

Die Arbeitswelt in „Fabrik N°09“ von Villeroy & Boch befindet sich in einem Backsteingebäude, das früher für die Produktion und als Lager genutzt wurde. Seit dem Umbau bietet es ein modernes Arbeitsplatzangebot, das klassische Büro­strukturen auflöst: Offene Flächen und vielfältige Bereiche fördern die Kommu­ni kation und Zusammenarbeit unter den rund 200 Mitarbeitern.

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Den Mittelpunkt im Erdgeschoss bildet der „Marktplatz“. Die große Fläche, die sich um die zentrale Treppe erstreckt, bietet verschiedene Arbeits­ und Netzwerkbereiche und kann für Veranstaltungen genutzt werden. Daneben gibt es beispielsweise holzeingefasste Besprechungs­nischen („Diner“), in denen Mitarbeiter arbeiten oder sich bei einem Termin austauschen können.

Für Meetings und den kreativen Austausch in Teams

wurden Besprechungs­ und Projekträume mit beschreib­

baren Wänden und Flatscreens eingerichtet. Außerdem gibt

es für Mitarbeiter Skype­Räu­me für lange Telefonate oder

Silence­Räume, um in aller Ruhe an Texten, Konzepten

oder Präsentationen zu arbeiten.

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29Bürokonzepte: Villeroy & Boch

Steckbrief des Unternehmens

Firma: Villeroy & BochSitz: MettlachProjektfertigstellung der Fabrik N°09: 2018Bürokonzept: IF­5 anders arbeiten, WolfsburgZur Verfügung stehende Fläche: ca. 4.000 m2

Anzahl der Mitarbeiter: ca. 200Tätigkeiten in den Räumen: Um flexibles und projektbezogenes Arbeiten zu ermöglichen, gibt es in der Fabrik N°09 keine zugewiesenen Arbeitsplätze, sondern für jede Aufgabe die passende Raum­ und Arbeitssituation. Die drei Zonen „Marktplatz“, „Arbeiten“ und „Netzwer­ken“ stehen Mitarbeitern aus den Bereichen Marketing, Online, PR sowie Produktentwick­lung und ­management zur Verfügung.

Die Arbeitsplätze an der großen Fensterfront im zweiten Obergeschoss wurden ursprünglich als kurzfristige Arbeits­plätze angelegt. Da sie aber bei den Mitarbei­tern sehr beliebt sind, wurden sie so aus­gestattet, dass sie den ganzen Tag genutzt werden können.

Lounge­Bereiche wie im ersten Obergeschoss fördern den Autausch

in kreativer Atmosphäre. Diese sogenannten „Netzwerkflächen“, die es auf jeder Ebene im Gebäude gibt

und zu denen auch die Tea and Coffee­Stationen gehören, eignen

sich als informeller Ort für ein Treffen und den spontanen Austausch. Sie befinden sich entlang der zentralen

Laufwege, damit im zufälligen Kontakt Ideen entstehen können.

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Von Maxim Nopper-Pflügler

Eine kreative Umgebung, direkter Austausch und enge Netzwerke. Freiberuflich Arbeitende schätzen Coworking Spaces nicht nur wegen der gebotenen Infrastruktur. Nun setzen auch immer häufiger Unternehmen und Konzerne auf ein produktiveres Arbeiten in den Communities oder eröffnen eigene Räume fürs Miteinander.

Besser arbeiten im Coworking Space

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Am Siemens-Standort München-Neu-perlach rechnet man eigentlich nicht gerade mit einem Coworking Space. Nicht gerade zentral gelegen wirkt die Umgebung eher wie eine verschlafene Vorstadt. Der Gebäudekomplex aus den späten Siebzigern wird wegen seiner ab-gerundeten Kanten und der in Primärfar-ben gehaltenen Fassadenelemente auch „Legoland“ genannt. Nicht unbedingt die Lage, die man sich bei hippen Coworking Spaces vorstellt. Dennoch erreicht man nach einem kurzen Spaziergang über den Campus dann genau das. In der Mitte einer ehemaligen Bibliothek hängen Fi-lament-Birnen über einem Kaffee tresen. Die Community-Managerin sitzt auf einem Hocker und tippt auf ihrem Lap-top. Auf einer ausgemusterten Werkbank schreiben einige Mitarbeiter auf bunte Moderationskarten. In einer Ecke steht eine gelbe Telefonzelle, in einer anderen ein alter Siemens-Fernschreiber und man findet sogar noch eine alte Mangel. Der offene Raum wird von einer Galerie um-schlossen, auf der sich weitere Mitarbei-ter um ein Flipchart versammelt haben.

„Wir haben mit unserem Coworking Space ein Umfeld geschaffen, das für Kommunikation, Kreativität und agiles Arbeiten steht“, erzählt Sabrina Menke. Sie verantwortet bei Siemens Real Estate die Entwicklung von Arbeitsplatzkonzep-ten. Durch einen glitzernden Türvorhang betritt Menke einen Raum, dessen dunk-le Wände als Tafelfläche herhalten. Bei der Eröffnung wurden die Flächen von einem Künstler gestaltet, jetzt sind an der Wand Reste von Tabellen und Zahlen zu erkennen, die nur halb abgewischt wur-den. Man sieht den Wänden an, dass sie gerne genutzt werden. „Mitarbeiter aus den unterschiedlichsten Bereichen finden hier zusammen und leben den Gedanken der Co-Kreation.“ Oberstes Ziel bei der Gestaltung der Räumlichkeiten sei laut Menke gewesen, die Coworker optimal zu unterstützen. „Wesentlich hierfür sind die flexiblen Ausstattungselemente, die es er-lauben, verschiedenste Arbeitsszenarien abzubilden, von agilen Workshops, über temporäres Arbeiten bis hin zu Netzwer-ken, Austausch und Business Events.“

Solche neuen Arbeitsflächen entste-hen nicht nur bei Siemens, nicht nur in Neuperlach, auch andere Unternehmen schaffen sich eigene Coworking-Räume. Große Unternehmen mit mehr als eintau-send Mitarbeitern sind außerdem die am

schnellsten wachsende Kundengruppe beim internationalen Coworking-Anbie-ter Wework. Dort können sich Einzelper-sonen, Selbstständige oder Unternehmen Arbeitsplätze mieten, in geteilten Büroflä-chen oder einzelnen Teambüros. Wework bietet dabei hohe Flexibilität und küm-mert sich um die gesamte Infrastruktur, vom Schreibtisch über die Kopierinsel bis hin zu Getränken und Kugelschreibern.

Doch was erhoffen sich Unternehmen von einer Arbeitsweise, die ursprünglich aus der Not geboren ist? Kleinunterneh-men und Freiberufler teilen sich häufig die Büroflächen, weil sie sich kein eige-nes Büro leisten können. Viele erhoffen sich darüber hinaus Vorteile und eine motiviertere, kreativere und produkti-vere Arbeit im Coworking. Ist Arbeit im Coworking einfach besser? Wird Cowor-king damit zur Überlebensstrategie von großen Unternehmen und Konzernen?

Coworking als Alternative zum Homeoffice„Wir beobachten viele verschiedene For-men von Coworking.“ Ricarda Bouncken, Professorin für Strategisches Management und Organisation an der Universität Bay-reuth, leitet das Forschungsprojekt „Hier-da“, welches sich seit etwa vier Jahren mit Coworking auseinandersetzt. Gerade für viele Freelancer sei Coworking schlicht die angenehmere Alternative zum Home-office. Das Coworking Space bietet eine funktionierende Infrastruktur, struktu-riert den Arbeitsalltag und bietet außer-

dem soziale Kontakte und Kaffeepausen. Dabei arbeiten gerade Freelancer jedoch viel seltener wirklich zusammen als er-hofft, meint Professor Bouncken. Die Hoff-nung, dass allein durch die offene Raum-gestaltung, lockere Arbeitsatmosphäre und das gemischte Publikum automatisch mehr Zusammenarbeit, fachlicher Aus-tausch und somit eine Produktivitätsstei-gerung für alle eintrete, bewahrheitet sich demnach nur bedingt. Selbstständige und Freiberufler profitieren ihrer Forschung zufolge weniger vom Coworking als häufig angenommen, allein der Wechsel in eine geteilte Arbeitsfläche bringt nicht unbe-dingt mehr Kollaboration, das Netzwerken bezieht sich vornehmlich auf Privates.

Etwas ganz anderes sei dies, wenn Unternehmen gezielt Coworking Spaces nutzen, um ohnehin bestehende Teams oder Projektgruppen in einer offenen und wenig vorbelasteten Arbeitsumgebung produktiv werden zu lassen.

Netzwerke knüpfen und Kooperationen aufbauenMaxi Mayr vom Coworking Space Gschafft im oberbayerischen Bad Tölz hat selbst positive Erfahrungen mit der Kollabora-tion in seinem Space gemacht. Das von ihm gemeinsam mit Büropartner Henrik Heubl betriebene Coworking Büro wird sowohl von Unternehmen als auch von Freiberuflern genutzt. Zu den zwölf regel-mäßigen Besuchern zählen zwei Gründer, die ihr eigenes Start-up aufbauen, einige Freiberufler, ein Mitarbeiter einer größe-ren Firma, der immer freitags das Gschafft als „Homeoffice“ nutzt und ein Angestell-ter, der keinen festen Arbeitsplatz bei sei-ner Firma hat. „Anfangs haben wir bei Henrik zu Hause gearbeitet. Als es Zeit wurde für ein Büro, wollten wir uns nicht in ein enges Kabuff einsperren“, erzählt Mayr. 20 Minuten Autofahrt zum nächs-ten Space waren Mayr und seinem Kol-legen aber zu weit. Also beschlossen sie, selbst ein Coworking Space zu gründen. Mayr im Rückblick: „Am ersten Tag saßen wir da tatsächlich erstmal zu zweit.“

Neben dem Raum und dem täglichen gemeinsamen Mittagessen bieten Mayr und Heubl auch immer wieder Workshops zu ganz unterschiedlichen Themen an. Die Gruppe trifft sich zum After-Work-Yo-ga, zum Hackathon oder einfach nur, um die Weihnachtsgeschenke nachhaltig zu verpacken. „Ich würde auf jeden Fall sa-

Hierda – Humanisierung digitaler Arbeit in Coworking Spaces

Im Rahmen des Forschungsprojektes Hierda werden aktuelle Coworking- Konzepte und beispielhafte Spaces analysiert. Aus dieser Analyse wer-den Entwicklungsbedarfe abge leitet und Instrumente zur Ver besserung der Team- und Projekt arbeit ent-wickelt. Ziel ist es, konkrete Hand-lungs empfehlungen und ein Modell zur Nutzung der Potenziale und Reduzierung der Risiken bereitzu-stellen. www.hierda.net

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Page 33: plus - iba · Bahnfahrt zur Arbeit verschaffen wir uns auf dem Smartphone einen Überblick über anstehende Termine und beantworten erste Mails, beim Kaffee mit der Kollegin entwerfen

gen, das ist ein netteres Arbeiten und auch ein produktiveres Arbeiten“, sagt Mayr, zum Beispiel weil man sich gegen-seitig helfen könne, oder weil man durch die zusätzlichen Kontakte an neue Aufträ-ge oder Jobmöglichkeiten komme. Somit ergeben sich auch für Unternehmen neue Potenziale, die Mitarbeiter können mög-liche Dienstleister oder neue Kollegen im direkten Austausch prüfen und anwer-ben. „Unser Videograf hat beispielsweise über einen Kontakt hier im Gschafft einen Job für Red Bull in Utah bekommen,“ erzählt Mayr. Dieser Blick über den Tel-lerrand kann durchaus zu mehr Kreativi-tät und Produktivität im Unternehmen führen.

Auch Bouncken bestätigt, dass durch die Kontakte im Coworking sowohl für Unternehmen als auch für Freelancer neue Jobmöglichkeiten entstehen kön-nen. „Man kann Coworking Spaces durch-aus für die Akquise von Freelancern oder für die Rekrutierung von neuen Mitar-

beitern nutzen.“ Die Gefahr, dass Unter-nehmen das Stichwort Coworking dabei missbrauchen, um Arbeitsverhältnisse übermäßig zu flexibilisieren und durch kurzfristige Anstellung oder Kooperatio-nen mit Freiberuflern Festanstellungen vermieden werden, bestünde nur in der Theorie. Bouncken hält diese Befürchtun-gen für überzogen, denn Unternehmen seien ausgesprochen dankbar, überhaupt noch an Mitarbeiter mit ausgeprägten Digitalkompetenzen heranzukommen – und für diese sei es zunehmend selbst-verständlich, ebenfalls gewisse Freiheiten am Arbeitsplatz zu genießen.

Vorteile für Freizeit und ArbeitLuise Schierhölter und Jonathan Posselt arbeiten beide im Wework „Odeon“ in der Münchner Innenstadt. Beide sind fest angestellt bei Firmen, die keine Büros in München haben. Posselt sagt, dass er seinen Arbeitgeber verlassen hätte, wenn

ihm nicht die Möglichkeit des Coworking geboten worden wäre. „Ich wollte zurück nach München und da Homeoffice für mich nicht infrage kommt, hat meine Firma einen festen Schreibtisch hier im Wework gemietet.“ Auch für Schierhöl-ter war Homeoffice keine Option. Sie arbeitet im Vertrieb für einen Lampen-hersteller in London und ist damit die einzige Mitarbeiterin in Deutschland. Durch ihre Tätigkeit habe sie ohnehin häufig Kundentermine, den Coworking Space als Backoffice zu nutzen, bringe ihr trotzdem einige Vorteile. „Der Austausch mit anderen und die gegenseitige Unter-stützung ist wertvoll.“ Außerdem bieten sich einfach mehr Möglichkeiten, erzählt sie. Es gibt Ruheräume, auch der Arbeits-platz sei für konzentriertes und ruhiges Arbeiten geeignet, aber wenn man andere Impulse brauche, könne man jederzeit in den Gemeinschaftsräumen einen Kaffee trinken. „Es ist für jeden Arbeitstypen was dabei.“

Neben Nischen für konzentriertes Arbeiten und Be-

sprechungen bietet das Cowork auch offene Räume für größere Gruppen,

Workshops und Präsentationen.

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nFür Posselt bietet das Coworking Space

mehr als diese persönlichen Vorteile: „Meine Firma steigert dadurch ihre Pro-duktivität.“ So könne man sich beispiels-weise mit anderen Kollegen austauschen, gegenseitig Tipps geben und gegen die eigene Betriebsblindheit wehren. Außer-dem kennt er Fälle, bei denen Firmen über das Coworking an Mitarbeiter he-rangekommen sind, die auf dem Arbeits-markt stark gesucht sind. Über die Netz-werke, die Wework anbietet, kann seine Firma darüber hinaus Rabatte nutzen, beispielsweise für Softwarelösungen. Schierhölter und Posselt sind auch gerne bei den Veranstaltungen im Coworking Space. Montags gibt es ein gemeinsames Frühstück unter dem Titel „Thank God

it’s Monday“, manchmal Workshops, zu-letzt waren sie bei einem Pubquiz-Abend. Die beiden würden nur ungern wieder weg vom Coworking, selbst wenn ihre Arbeitgeber einen eigenen Standort in München eröffnen würden.

Unternehmen profitieren von den MöglichkeitenAuch wenn sich gerade für Unternehmen häufig Vorteile durch die neuen Formen der Arbeit im Coworking ergeben, fällt es nicht leicht, auf Coworking-Modelle umzustellen. Die Widerstände, die ge-schildert werden, sprechen dafür, dass die Mitarbeiter auch persönliche Räume brauchen, meint Bouncken. Viele verzich-

ten demnach nur ungern auf ihre Privi-legien und wollen sich nicht jeden Tag einen neuen Arbeitsplatz suchen müs-sen. Wenn genügend finanzielle Kapazi-tät vorhanden sei, leisteten sich manche Unternehmen daher eine Kombination aus offenen, flexiblen und festen Arbeits-plätzen. Denn in einem offenen Raum zu arbeiten, ermögliche agilere Projekte durchzuführen und mit mehr Autono-mie zu arbeiten. Dabei könne es gerade hilfreich sein, wenn keine territorialen Ansprüche bestünden. Diese Arbeitsfor-men gewinnen deshalb an Bedeutung, so Bouncken: „Irgendeine Form der tempo-rären Zusammenarbeit in entsprechen-den Arbeitsräumen anzubieten, wird immer wichtiger. Aber vielleicht nicht als ständige Arbeitsform.“

Bei Siemens glaubt man ebenfalls an diesen Bedarf. „Wir wollen unseren Mit-arbeitern eine optimale Arbeitsumgebung bieten“, so Menke. Für Teams, die sich projektweise auch überregional zusam-menfinden und für die Arbeit mit agilen Methoden brauche es eben entsprechende Räume. Außerdem sollen sich Mitarbei-ter aus verschiedenen Abteilungen treffen und austauschen können. Je nach Stand-ort werden dabei auch Start-ups, Studen-ten oder Mitarbeiter aus anderen Firmen einbezogen. Aus diesem Grund baut Sie-mens seine Coworking-Flächen weiter aus, erklärt die Verantwortliche für die Arbeits-platzentwickung, zuletzt wurden in Peking und gerade in Boston Coworking Spaces eröffnet: „Wir lernen aus der Erfahrung und versuchen, an allen großen Standor-ten Coworking-Räume anzubieten.“ Dabei wird jeder Raum an die regionalen und lokalen Bedingungen angepasst.

Zwar sei Coworking für Siemens nicht überlebensnotwendig, so Menke weiter, sondern eher ein zusätzliches Angebot, doch das Thema Arbeitswelten habe einen hohen Stellenwert. Dass Siemens durch dieses zusätzliche Angebot und die ange-nehme Arbeitsatmosphäre auch als attrak-tiver Arbeitgeber gesehen werde, sei dabei mehr als nur ein schöner Nebeneffekt.

MAXIM NOPPER-PFLÜGLER hat für sei-ne Recherche verschiedene Coworking Spaces in München und Umgebung be-sucht. Als Redaktionsmitglied schreibt er außerdem zu den Themen New Work und Künstlicher Intelligenz.

Das Zentrum des Coworking Space bei Siemens bildet ein dunkler Tresen, der nicht nur für den Kaffee genutzt wird.

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Personalmagazin: Otto hat sich dafür entschieden, im neuen Campus komplett auf Einzelbüros, auch auf Vorstandsbüros, zu verzichten. Was erhoffen Sie sich davon?

Irene Oksinoglu: Ziel unserer Initiative Future Work ist die Förderung von Vernetzung und Transparenz, Wissen zu teilen und die Co-Kreativität zu erhöhen. Wir wollen unsere Kunden glücklich machen und Kundenerlebnisse schaffen – dafür brau-chen wir geniale Lösungen und Innovationen. Wir wollen Raum und Atmosphäre schaffen, in der unsere Kollegen den Kopf frei haben, um kreativ zu sein. Das unterstützen wir auch mit unse-rem Raumkonzept. Um die Vernetzung und die individuellen Arbeitsweisen unserer knapp viereinhalbtausend Mitarbeiter zu fördern, setzen wir auf Activity Based Working, also aktivitäten-gesteuertes Arbeiten. Hierzu gehört auch das Sharing-Prinzip, das Teilen von Raum und von Arbeitsplätzen. Statussymbolik mit Einzelbüros würde sich mit der gelebten Kultur und unserem Wertesystem beißen. Wir können nicht eine Du-Kultur pflegen und uns dann in Einzelzellen verstecken. Somit war es eine Selbstverständlichkeit zu sagen: Hierarchieunabhängig gibt es keine Einzelbüros mehr.

Wie hat Ihr Vorstand diese Idee aufgenommen? Auch die Vorstandsbüros sollen ja – zumindest räumlich – aufgelöst werden.

Der Vorstand hat sich dem Konzept klar angeschlossen, auch er zieht mit in die Fläche. Er muss dafür seinen eigenen Arbeits-kontext und die Arbeitsweisen prüfen: Für bestimmte Meetings braucht es natürlich auch bestimmte Meetingräume. Das gilt aber nicht nur für den Vorstand, sondern auch für alle anderen. Dennoch kommt die Symbolwirkung zu tragen: Unser Vorstand sagt, dass er es ernst meint und sich zeigen will.

Noch sind Sie im Umbau – wie ist die Vision? Wie soll der Arbeitsalltag in dieser offenen Umgebung später aussehen?

Tatsächlich leben wir schon größtenteils in dieser Vision. Die komplette Firmenzentrale wird erst 2022 fertig sein, viele Räume in anderen Gebäuden sind aber schon fertig. Bei der Umsetzung der Vision hilft auch, dass wir über die Themen reden und das Mindset dafür schaffen. Gott sei Dank starten wir nicht bei Null. Wir haben schon viele Kollegen, die den Mehrwert genau erkennen und sich dieser Vernetzungsmöglichkeiten bedienen.

Wie sieht das konkret aus?Da die Prozesse und die Welt komplexer werden, brauchen

wir für alle Prozesse Experten. Es geht darum, diese Experten zu finden und mit ihnen gemeinsam Lösungen zu schaffen. Wir erleben das tatsächlich, dadurch, dass sich die Leute kurz und schnell zusammenschließen können. Wir schaffen verschiedene

„ Jetzt probieren sie es einfach aus“

Interview Maxim Nopper-Pflügler, Fotos Enver Hirsch

Es soll das neue Herz des Unternehmenscampus werden: Otto baut in Hamburg ein altes Lager zur neuen Firmenzentrale um. Dabei setzt das Versandhaus konsequent auf geteilte Arbeits­flächen, bis in die Vorstandsebene wird es keine fest zugewiesenen Büros mehr geben. Irene Oksinoglu verantwortet als Head of Future Work den dafür notwendigen Wandel.

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Als Head of Future Work formt Irene Oksinoglu ein Gesamt-bild aus allen Initativen und Maßnahmen zusammen, die bei Otto auf das Thema Neue Arbeitswelt einzahlen. Ihre Auf-gabe ist es, die Maßnahmen zu synchronisieren und die Ergeb-nisse zu kommunizieren.

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Möglichkeiten, wo sich die Leute beim Kaffee unterhalten, wo sie sich zurückziehen können. Größere Gruppen können größere Räume digital buchen, wo sie für Projektarbeit auf Projektflächen arbeiten können. Wenn sie ein vertrauliches Gespräch führen möchten, können die Leute auch in eine Telefonbox gehen. Wir haben Konzentrationsarbeitsplätze, wo man sehr konzentriert an Konzepten arbeiten kann und Co-Working-Places wo man ganze Workshops machen kann und seiner Kreativität richtig freien Lauf lassen kann.

Alle neuen Räume sind offen und transparent gestaltet. Da keine Hürden durch verschlossene Türen oder Wände bestehen, ist es leicht, aufeinander zuzugehen, auch wenn man den anderen nicht kennt. Man hat jetzt die Freiheit, hinzugehen und zu sagen: „Ich brauche dich für dieses Projekt, ich brauche dich zu einem Thema.“ Und das unabhängig von Hierarchie, unabhängig von einer Rolle, in der man im Unternehmen gerade auftritt.

Wir haben auch festgestellt, dass das Konzept auch psycholo-gisch tatsächlich wichtig ist. Wenn man an Ideen bastelt, braucht man Impulse. Man hält dabei auch Komplexität gerne in Bildern fest. Deswegen haben wir Wände, die man bemalen und beschrif-ten, aber auch wieder abwischen kann. Wir sehen jetzt schon, dass genau so gearbeitet wird.

Wenn man Räume so verwendet, wie schafft man es dann, Leute einzubinden, die nicht vor Ort sind, weil sie beispiels-weise im Homeoffice arbeiten?

Das ist unsere zweite Säule, das „Digital Office“. Wir stellen unsere Vielfältigkeit auch digital zur Verfügung. Wir haben uns hier auf Office 365 konzentriert, weil es mit seinen Applikatio-nen und Kommunikationstools das Thema Activity Based Wor-king unterstützt. Gerade hat beispielsweise eine Kollegin, die zu Hause gearbeitet hat, mit mir den Bildschirm geteilt, damit wir gemeinsam an einer Präsentation arbeiten. So etwas stützt unsere Vision: Wissen teilen, Transparenz schaffen, effizientere Kommunikation fördern. Da hilft diese Applikationswelt, mit ihr können wir den Effekt, den wir mit den Projektflächen ge-schaffen haben, auch virtuell abbilden. Die Kollegen arbeiten immer zusammen, teilen alle Informationen, kommunizieren in Gruppenchats, schicken sich Sprachnachrichten und arbei-ten gemeinsam in den Dateien. Auch hier sind die Führungs-kräfte beteiligt, soweit sie operativ mitarbeiten. Ansonsten geben sie ihren Teams den Rahmen, sich diese Arbeitsweise anzueignen. Wenn ich mit meiner Vorständin kommuniziere, dann schreibe ich ihr über Microsoft Teams. Wir untereinander tun das genauso und teilen uns dort die Information. Das ist genau die Begleitung, aus diesen Erfahrungen zu lernen und diese zu teilen.

Wie wird dieser Prozess des Aneignens von Ihnen begleitet? Das ist eine dynamische Entwicklung, kein klassisches Projekt

mit Start- und Endzeitpunkt. Es gibt zwar einen Kick-off, um den Spirit zu vermitteln, um Visionen und Ziele zu erklären und um den Reason-Why deutlich zu machen, aber dann entwickelt es sich. Wir begleiten das sehr eng durch verschiedene Initiativen, die hauptsächlich unter Future Work zusammengefasst werden. Darüber hinaus gibt es Maßnahmen wie „Führung und Zusam-menarbeit“, dabei beschäftigen wir uns sehr intensiv mit dem Rollenverständnis der Führungskraft. Wir betreiben Kulturwandel auf der einen und enge Change-Kommunikations-Begleitung auf

„ Wenn du zum Thema mobiles Arbeiten einen Elefanten im Raum siehst, dann schreib es einfach auf.“

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der anderen Seite. Wir schaffen viele Formate, mit denen die Kol-legen die Möglichkeit haben, durch Reflexion, durch Diskussion, aber vor allem durch das Darstellen von Best-Practise-Beispielen zu antizipieren, was wir hier tun.

Welche Rolle spielt HR dabei?HR übernimmt die gestalterische Rolle. Es gibt nicht das

Rezeptbuch, das sagt „Arbeite genau so und dann hast du New Work“. Es gibt aber ein Buch mit bestimmten Leitfragen, an denen man sich entlanghangeln kann. Future Work ist wie ein großes Buffet. Man muss für sich, mit seinem Arbeitskontext, mit dem Output, den man für das Unternehmen generiert und mit dem Team, also auch mit Charakteren und Persönlichkeiten im Team, gemeinschaftlich herausfinden, was aus diesem Buffet das Beste ist, was auf meinen Teller passt.

Und um das herauszufinden, unterstützt HR durch Formate, durch Guidance, durch Anleitung, aber auch durch Verhand-lungen mit dem Betriebsrat. Diese Verhandlungen sind bei uns sehr positiv verlaufen, wir haben Betriebsvereinbarungen für das Thema Desk-Sharing und für das Thema Office 365 geschlossen. Das schafft auch einen sehr allgemeinen, klaren Rahmen, in dem ich mich bewegen kann. Denn ich weiß, was das Passende ist, wo ich meinem Team Leitfäden geben kann und wo ich Spiel-regeln entwickeln kann, wie wir das leben wollen, wie wir das nutzen wollen.

Ist HR auch an der konkreten Planung von Flächen beteiligt?Wir haben das Flächenmanagement mit einem großartigen

Expertenteam, das sich auch Innenarchitekten und Farbpsycho-logen zu Hilfe nimmt. Deshalb sagen wir als HR-Abteilung, dass zu viele Köche gerne mal den Brei verderben. Wir vertrauen auf die Expertise der Kollegen und unterstützen dabei, diese Flächen in der bestmöglichen Form anzunehmen. Aktivitätenbasiertes Arbeiten ermöglicht dem Einzelnen, zu entscheiden, was er an diesem Raum benötigt, um die Aufgabe bestmöglich zu erledi-gen. Das ist der Punkt, an dem wir den Staffelstab übernehmen und diese allgemeine Guidance bieten. Darüber hinaus wollen wir intensiv zur funktionalen Nutzung befähigen. Das heißt für uns, dass wir durch Seminare, Sessions zur konkreten Anwen-dung der Lösungen und in Workshops an den Räumen testen, wie sie am besten genutzt werden.

Gibt es auch Grenzen? Haben Sie manchmal das Gefühl, Sie kommen nicht mehr weiter?

Ganz ehrlich: aktuell nein. Wir hinterfragen uns immer sehr kritisch und ich bin mit anderen Unternehmen im Austausch um herauszufinden, wo man den Weg noch besser gehen kann. Aber momentan kann ich nur sagen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Durch die Formate, die wir anbieten, geht das Konzept sehr gut auf. Wenn Mitarbeiter in eine neue Arbeitswelt umzie-hen, bieten wir beispielsweise Sprechstunden an, sodass ihre Probleme gehört und eben auch behoben werden. Häufig sind es bauliche Themen. Es können aber auch kulturelle Themen sein, die dann HR wieder aufnimmt, um in der Change-Beglei-tung, beispielsweise über Workshops, wieder neue Commitments herauszuarbeiten.

Außerdem arbeiten wir jetzt stark mit neuen Formaten zur Befragung. Wir haben beispielsweise einen riesigen Elefanten in den Raum im Forum gestellt – ich liebe ihn. Das Ganze ist

angelehnt an das Sprichwort aus dem Angelsächsischen, „Fanti“ steht für Dinge, die eigentlich nicht zu übersehen sind, über die man sprechen sollte, aber es meist dann doch nicht tut. Damit verbunden haben wir die Aufforderung: Wenn du zum The-ma mobiles Arbeiten einen „Elefanten im Raum“ siehst, dann schreib es doch einfach mal auf.

Wir wollen damit die vielen Fragen auffangen, die zur Mög-lichkeit, von überall zu arbeiten, aufkommen: Was heißt das denn konkret? Wie häufig darf ich das, soll ich das? Gibt es Einschränkungen im Dürfen, gibt es Wochenvorgaben? Auch Statements erhalten wir. Meine Lieblingsaussage handelt von Work-Life-Balance: „Ich kann mein Kind jetzt zweieinhalb Stun-den länger sehen, weil ich mein Aufgabenpensum effektiver gestalten kann.“ Es kommen sehr ehrliche Fragen zu ehrlichen Problemen. Das wollen wir immer stärker nutzen. Wenn wir merken, dass wir einen Nerv treffen, bekommen wir auch die Chance, ehrliche Antworten zu geben. Wenn wir immer alles nur selbst vordenken, haben wir vielleicht auf manche dieser Fragen keine Antwort. Nur mit diesem Kontakt können wir auch die richtigen Antworten geben und die richtigen Hilfestellungen an-bieten. Gleichzeitig überprüfen wir uns damit auch selbst: Stehen wir richtig, um das Ohr ganz nah an der Organisation zu halten?

Wie kommt das bei den Mitarbeitern an? Gibt es Widerstän-de, gerade bei Leuten, die nicht gerne auf ihr eigenes Büro verzichten?

Es kommt sehr positiv an, auch dank der schönen Räumlich-keiten. Damit haben wir ein Wohlgefühl geschaffen, auch was die Akustik angeht. Man merkt, dass Störfaktoren beiseite geschafft wurden, die wir zuvor im Großraumbüro hatten. Dadurch, dass es keine Einzelbüros mehr gibt, haben wir viel mehr Platz für sogenannte Thinktanks, in die man sich zurückziehen kann, wenn man beispielsweise ein Gespräch führen möchte. Auch das führt zu viel mehr Ruhe auf der Gesamtfläche. Das Thema Sharing von Arbeitsplätzen ist auch stark vom jeweiligen Arbeits-kontext abhängig. Es gibt Arbeitskontexte, die sich super eignen, gerade in Bereichen, die sehr kreativ oder konzeptionell arbeiten. Mitarbeiter, die viel in Meetings unterwegs sind, lieben das Sha-ring-Prinzip. Die Nutzung ist aber schon davon abhängig, was gerade auf dem Tisch liegt. Das merkt man zum Beispiel, wenn viele Abwicklungsthemen anstehen. Da muss das Verhaltens-muster noch stärker entwickelt werden.

Wie würden Sie jemanden überzeugen, der das Teilen des Arbeitsplatzes kritisch sieht?

„Probiers aus! Es passiert nichts. Du kannst nur gewinnen.“ Und wenn die Person daraufhin zu der Erkenntnis kommt, dass das Sharing nichts ist, ist das auch eine Erkenntnis. Dann muss man nur überprüfen, ob das auch im Gemeinschaftlichen gleichbe-rechtigt funktionieren kann. Gleichzeitig gibt es teilweise schon diese innere Zerrissenheit, die einige Mitarbeiter, aber beispiels-weise auch Katy, unsere HR-Vorständin zeigen. Katy sagt, rational und logisch wisse sie, dass sie kein Büro bräuchte, weil sie sowie-so den ganzen Tag in Terminen sei. Aber gleichzeitig fragt sie sich, wo sie das Bild von ihrem Sohn hinstellen kann. Das zeigt, dass Menschen eine Heimat brauchen und das fangen wir mit den sogenannten Homezones auf. Auch wollen die Vorstände als Vor-bild vorangehen, aber auch sie haben ihre Bedenken und jetzt probieren sie es eben einfach aus.

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Betrachtet man die Kostenstruktur mo-derner Verwaltungen, dann sind die Auf-wendungen für das Personal mit etwa 80 Prozent der größte Block. Die Produktivi-tät der Wissensarbeiter zu steigern und vor allem auch langfristig zu erhalten, ist also der beste Weg, die Zukunftsfähig-keit des Unternehmens zu sichern. Im-mer mehr Firmen setzen für diese Zwecke auf Agilität und New Work und richten flexible, vom persönlich zugeordneten Arbeitsplatz losgelöste Konzepte ein – mit Flächen für kollaboratives Arbeiten, aber auch mit Rückzugsmöglichkeiten für konzentrierte Tätigkeiten.

Die Büromöbelbranche verwendet hier-für den Begriff „Activity Based Working“: Die Arbeitsorte müssen sich je nach Akti-vität und Aufgabe im Laufe des Arbeits-tags flexibel verändern lassen. Multi Space

Offices, Third Places wie Homeoffice, Coworking Center und Möglichkeiten zu externen Meetings und Projektarbeiten sind die Basis. Lounges und erweiterte Küchenzonen sollen das Wohlbefinden am Arbeitsplatz steigern.

Digitalisierung schreitet voran, Ergonomie hinkt hinterherAuch die Nutzung der IT, inklusive mo-biler Devices, steht bei den modernen Organisationsformen stark im Vorder-grund. Neue Medien und ortsungebun-dene Geräte ermöglichen schnelle, vom Arbeitsort losgelöste Kommunikation und Zusammenarbeit.

Bei all dem gerät allerdings die über Jahrzehnte entwickelte Büroergonomie häufig ins Hintertreffen. Der Grund

Ein Plädoyer

Von Jörg Bakschas

Agile Arbeitsmethoden sollen die Kreativität der Mitarbeiter fördern und ihre Produktivität steigern. Wer langfristig davon profitieren möchte, sollte unbedingt auch die Regeln der Ergonomie und des Arbeitsschutzes berücksichtigen.

für Ergonomie und Arbeitsschutz

liegt auf der Hand: Forschungen und bestehende Regelungen zu ergonomi-schen und gesunden Arbeitshaltungen beziehen sich mehrheitlich auf den tra-ditionellen Büroarbeitsplatz. Die neuen Arbeitswelten werden von ihnen weniger gut oder gar nicht abgedeckt. In den heu-tigen Büros finden sich zunehmend Flä-chen bei denen die Mitarbeiter, je nach Aktivität und Anzahl der Anwesenden, eigenständig Möbel bewegen und plat-zieren können.

Spätestens an diesem Punkt ist es be-sonders wichtig, die Arbeitssicherheit kritisch in den Blick zu nehmen. Zu-gegeben – in der betrieblichen Praxis bietet die Vereinbarkeit des Wunsches nach Flächeneffizienz mit den Regeln des Arbeitsschutzes steigenden Diskus-sionsbedarf. Doch umso mehr ist gerade

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in einer Arbeitswelt, die von ständigen Veränderungen geprägt ist, eine ständige Prüfung der gesetzlich verankerten Rege-lungen unabdingbar.

Im Vergleich zur industriellen Arbeit ist die Produktivität der Mitarbeiter im Büro nur sehr schwer oder überhaupt nicht zu erfassen. Der Nutzen der aktuellen gesetzlichen Vorgaben lässt sich daher oft nur indirekt bemessen. Gleichzeitig erfordern die bereitgestellten Budgets Ef-fizienz bei den Risikoanalysen und mög-lichst geringe Kosten für die Ausstattung der Arbeitsplätze.

Arbeitsstättenverordnung gilt auch in der Vuca-WeltAuch wenn die Einhaltung der Min-destanforderungen an Arbeitsplätze in der neuen Arbeitswelt zunächst wie ein „Spaßverderber“ wirken mag, müssen die Unternehmen als Verantwortliche für die Gesundheit und Sicherheit ihrer Mitarbeiter alles tun, um die geltenden Regeln des Arbeitsschutzes einzuhalten. Das bedeutet auch: Je flexibler das Office ist, desto häufiger müssen die Beauftrag-ten für Arbeits sicherheit die Einhaltung des Arbeitsschutzes prüfen. Dabei lohnt es sich, nicht nur die gesetzlich vorge-schriebenen Mindeststandards anzustre-ben, sondern stattdessen die langfristigen Wirkungen einer ergonomisch gestalteten Büroumgebung im Blick zu haben.

In der DGUV Regel 115-401 „Branche Bürobetriebe“ und in der DGUV Infor-mation 215-410 „Bildschirm- und Büro-arbeitsplätze – Leitfaden für die Gestal-tung“ finden sich zu allen relevanten Themen im Büroumfeld detaillierte Be-schreibungen und Empfehlungen als Vor-gaben für die verantwortliche Fachkraft für Arbeitssicherheit. Zu den zentralen Fragen rund um den Bildschirm-Arbeits-platz wie Stuhl, Tisch, Monitor und wei-teren Arbeitsmitteln finden die Beauf-tragten für Arbeitssicherheit in diesen Leitfäden wichtige Informationen und Richtwerte. Selbstverständlich sind hier auch die Vorschriften aus der Arbeits-stättenverordnung (ArbStättV) und den diese konkretisierenden Technischen Re-geln für Arbeitsstätten (ASR) enthalten. Grundsätzlich beziehen sich diese Regel-werke auf alle Arten von Arbeitsplätzen, in ihnen finden sich aber auch zahlreiche Verweise auf die spezifischen Anforde-rungen an Büroumgebungen.

So enthält die ASR A1.2 „Raumabmes-sungen und Bewegungsflächen“ einfach handhabbare Richtwerte für die Größe von Arbeitsplatzflächen in Abhängigkeit von der Büroform und der Anzahl der Personen, die in einem Raum arbeiten sollen. Danach beträgt die Mindestfläche eines Arbeitsplatzes acht Quadratmeter. Je nach Büroyp steigen die Flächenvor-gaben auf zwölf bis 15 Quadratmeter in Großraumbüros, weil hier größere akus-tische und visuelle Störwirkungen und erhöhte Anforderungen an die Verkehrs-wege zu berücksichtigen sind. Auch das vorgeschriebene Raumvolumen ergibt sich gemäß ASR A1.2 aus der Anzahl der Mitarbeiter je Einheit und bezieht sich im Prinzip auf das benötigte Atemluft-volumen.

Neben den Anforderungen an die Raumabmessungen oder an Verkehrs- und Fluchtwege werden in den ASR wei-tere Aspekte der ArbStättV wie Beleuch-tung, Raumtemperatur, Lüftung, Akustik oder die Gestaltung von Pausenräumen behandelt. Letztere führen in der Pra-xis häufig zu dem eingangs erwähnten Diskussionsbedarf. Dieser ergibt sich etwa, wenn bei der Gestaltung der neu-en Arbeitswelten offene Cafés und Rück-zugsräume wie Cubes oder Mini-Meeting-räume die herkömmlichen Pausenräume ablösen sollen. Dann gilt es, individuelle Regeln für deren Nutzung aufzustellen, wobei darauf zu achten ist, dass die üb-lichen Aktivitäten in Pausenräumen, wie

beispielsweise die Einnahme von Mittag-essen, nicht durch andere Nutzungszwe-cke eingeschränkt werden.

Gefährdungsbeurteilung muss alle Abweichungen begründenIn solchen und vielen anderen Fällen ist eine etwas weitergehende Auslegung der Technischen Regeln nicht zu vermeiden. Wichtig ist dann, dass Abweichungen von den Vorgaben der Standardvorschriften oder abweichende Empfehlungen in den Planungen vor allem bei kritischen Situ-ationen durch eine Gefährdungsbeurtei-lung detailliert und nachvollziehbar be-gründet werden. Hierbei müssen neben den körperlichen Beeinträchtigungen auch mögliche psychische Belastungen der Arbeitnehmer berücksichtigt werden. Ein Beispiel hierfür sind die Belastungs-wirkungen von Lärm in Großraumbüros. Diese sind nur zu etwa 40 Prozent phy-sisch messbar, der Großteil der Beein-trächtigung ist psychisch begründet.

Auch der „digitale Arbeitsplatz“ ist nicht nur ein technisches (und ergonomi-sches) Problem, sondern kann den Mitar-beiter auch psychisch belasten. Der Um-gang mit den neuen Technologien und anderen ungewohnten Organisationsfor-men setzt entsprechende Information vo-raus und funktioniert nur auf Grundlage der erkannten Dringlichkeit der Verände-rung. Die Verantwortung des Arbeitgebers hört nicht hinter den Mauern des eigenen Gebäudes auf: Auch für die ordnungs-gemäße Ausstattung externer Arbeits- plätze, wie etwa Homeoffices, muss der Arbeitgeber Sorge tragen und eine Ge-fährdungsbeurteilung erstellen.

Als roter Faden bei der Büroraumge-staltung zeigt sich: Die neue Arbeitswelt muss zur Unternehmenskultur passen. Unabdingbar ist, sowohl HR als Treiber der Unternehmenskultur als auch die Mit-arbeiter möglichst früh in die Planung einzubeziehen. Es ist an der Zeit, die ganzheitliche Betrachtung des Office Workspace als wesentlichen Erfolgsfaktor zur Performance-Steigerung der Mitarbei-ter zu verstehen. Wie der Einfluss der Digitalisierung auf den Menschen genau aussieht, wissen wir heute noch nicht. Doch auch wenn Räume und Arbeitswei-sen sich verändern: Der Mitarbeiter, sein Wohlergehen und seine Leistungsfähig-keit sollten das Zentrum aller Überlegun-gen bilden.

JÖRG BAKSCHAS, Inhaber von Head­room Consult, ist Workspace Specialist, Change Coach und Design Thinker. Den Industrieverband Büro & Arbeits­welt (IBA) vertritt er als Normungs­experte in diversen Ausschüsssen (DIN­, CEN­ und ISO­Ebene).

Arbeitsstättenrichtlinien 41

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Haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf Homeoffice?Die Entscheidung über die Gewährung von Homeoffice liegt beim Arbeitgeber. Zum wesentlichen Inhalt der unterneh-merischen Freiheit gehört die Gestal-tungsfreiheit hinsichtlich der betriebli-chen Organisation. Diese umfasst auch die Entscheidung, an welchem Standort welche arbeitstechnischen Ziele verfolgt werden. Der Arbeitnehmer hat daher grundsätzlich keinen Anspruch auf einen Homeoffice-Arbeitsplatz. Wird jedoch die Homeoffice-Tätigkeit in einem nennens-werten Umfang ohne Regelungsgrundlage gewährt oder geduldet, sieht der Arbeit-

geber sich möglicherweise Ansprüchen aus einer betrieblichen Übung ausgesetzt.

Soll daher die Möglichkeit von Home-office eingeführt werden, bietet es sich an, durch Individualvereinbarung oder (bei Vorhandensein eines Betriebsrats) mithilfe einer Betriebsvereinbarung die Anspruchsvoraussetzungen und die Aus-gestaltung festzuschreiben.

Worin unterscheiden sich Mobilarbeit und Homeoffice?Häufig werden beide Begriffe leider sy-nonym verwendet. Das ist jedoch nicht korrekt. Homeoffice ist die – auch zeit-weise – Erbringung der Arbeitsleistung

an einem fest eingerichteten Arbeitsplatz außerhalb des Betriebs, typischerweise „in den eigenen vier Wänden“. Der Arbeit-geber muss dafür Sorge tragen, dass der Homeoffice-Arbeitsplatz den gleichen gesetzlichen Anforderungen genügt wie der betriebliche Arbeitsplatz.

Mobilarbeit hingegen ist die – durch mobile Endgeräte – eingeräumte Mög-lichkeit, die Arbeitsleistung an typischer-weise wechselnden Orten außerhalb des Betriebes zu erbringen. Der Mitarbeiter muss also nicht zwangsläufig von Zuhau-se aus arbeiten, er muss lediglich seine Produktivität und Erreichbarkeit sicher-stellen. Die insbesondere arbeitsschutz-rechtlichen Anforderungen sind bei der Mobilarbeit nicht ganz so herausfordernd wie bei der Gewährung von Homeoffice. Dies kann einen Vorteil darstellen.

Was ist für die Arbeit im Homeoffice zu beachten?Die Arbeit im Homeoffice ist nur dann möglich, wenn die technischen und ar-beitsvertraglichen Voraussetzungen er-füllt sind. Das bedeutet unter anderem, dass ein eingerichtetes mobiles Endgerät zur Verfügung steht und die Internetver-bindung eine ausreichende Geschwindig-keit hat. Hard- und Software müssen eine sichere Verbindung zum unternehmens-internen Daten- und Kommunikations-netz sowie ausreichende Datensicherung gewährleisten. Zudem sollte der Mit-arbeiter über geeignete Räumlichkeiten verfügen, in denen die Errichtung eines Homeoffice-Arbeitsplatzes, insbesondere im Hinblick auf den Arbeitsschutz, über-haupt möglich ist.

Was ist speziell beim Arbeitsschutz zu beachten?Zum einen ist selbstverständlich das Ar-beitszeitgesetz einzuhalten. Homeoffice ist nur eine Veränderung des Leistungs-orts, eine Veränderung des Arbeitszeit-volumens erfolgt hierdurch nicht. Neben dem Arbeitszeitgesetz muss der Arbeit-geber auch andere Arbeitsschutzvorkeh-rungen treffen (insbesondere eine Gefähr-dungsbeurteilung und Unterweisung zur Einhaltung von Schutzmaßnahmen und Vorschriften für Bildschirmarbeitsplätze vornehmen). Die wichtigsten rechtlichen Grundlagen sind das Arbeitsschutzgesetz, die Betriebssicherheitsverordnung, die

Von Claudia Knuth

Längst zählt die Arbeit im Homeoffice zum Standardrepertoire in vielen deutschen Unternehmen. Dabei haben Arbeitgeber jedoch eine Vielzahl von arbeits- und datenschutzrechtlichen Vorschriften zu wahren, um Homeoffice praktisch sinnvoll und rechtskonform durchzuführen.

Homeoffice: Das sollten Sie unbedingt wissen

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FAQ 43

Arbeitsstättenverordnung sowie die Ver-ordnung zur arbeitsmedizinischen Vor-sorge (siehe Kasten).

Welche Vorgaben des Datenschutzrechts haben Arbeitgeber zu beachten?

Der Arbeitgeber hat für geeignete Daten-schutzvorkehrungen zu sorgen. Über die Nutzung von VPN-Verbindungen kann die Datensicherheit für den Datentrans-fer sichergestellt werden. Ebenso sollte der Mitarbeiter angewiesen werden, nur vom Arbeitgeber freigegebene Software und Dateien zu verwenden. Der Mitarbei-ter hat darüber hinaus sicherzustellen, dass außer ihm niemand, auch keine Fa-milienangehörigen, Zugang zu PC oder Mobiltelefon erhalten. Passwörter dür-fen nicht an Dritte weitergegeben werden

oder fahrlässig leicht zugänglich, etwa für jedermann sichtbar auf dem Schreibtisch, aufbewahrt werden.

Wer trägt die Kosten für einen Homeoffice-Arbeitsplatz?Wird die Arbeit im Homeoffice gewährt, sind ohne abweichende vertragliche Rege-lungen vom Arbeitgeber die erforderlichen Kosten zu übernehmen. Das schließt die Büroausstattung, die technische Ausstat-tung und die Telekommunikationskosten mit ein. Erwirbt der Arbeitgeber die erfor-derlichen Arbeitsmittel selbst, sollte eine Inventarliste angefertigt werden.

Werden private Endgeräte oder Ein-richtungsgegenstände des Arbeitnehmers verwendet, ist eine vertragliche Grundla-ge unverzichtbar. Ferner ist zu beachten, dass der Arbeitnehmer im Zusammen-hang mit einer Interessenabwägung einen

Gefährdungsbeurteilungen und andere Verordnungen

Bei der Arbeit im Homeoffice sind gerade im Bereich des Arbeitsschutzes die ge-setzlichen Grundlagen zu beachten. Die wichtigsten Vorgaben sind hier kurz dar-gestellt.

Gefährdungsbeurteilung: Nach § 5 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) hat der Ar-beitgeber zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind (sogenannte Gefährdungsbeurteilung). Um eine Inaugenscheinnahme eines jeden Homeoffice-Arbeitsplatzes zu vermeiden, bietet sich eine detaillierte Befragung des Arbeitnehmers mithilfe von Fragebögen und Checklisten an. Nach § 12 Abs. 1 ArbSchG ist der Arbeitnehmer auch ausreichend und angemessen zu unterweisen.

Betriebssicherheitsverordnung: Im Zusammenhang mit dem technischen Arbeits-schutz sind auch die Vorgaben der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) zu beachten. Dies betrifft insbesondere den Laptop und Monitor sowie den gegebe-nenfalls zur Verfügung gestellten Drucker.

Arbeitsstättenverordnung: Einrichtungsgegenstände, wie der Schreibtisch oder Bürostuhl, sind der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) zuzurechnen. Auch wenn rechtlich derzeit noch nicht geklärt ist, ob die ArbStättV im Homeoffice anwendbar ist, ist zu empfehlen zumindest die Anforderungen nach Nr. 6 des Anhangs zu Arb-StättV und die Empfehlung der VGB, also der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft gesetzliche Unfallversicherung, zu beachten. Dabei erlaubt die Arbeitsstättenver-ordnung auch die „Eigenarten“ von Homeoffice-Arbeitsplätzen zu berücksichtigen, sodass etwa keine Aufklärung über Fluchtwege und Notausgänge notwendig ist.

Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge: Ziel der Verordnung ist es, durch Maßnahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge arbeitsbedingte Erkrankungen ein-schließlich Berufskrankheiten frühzeitig zu erkennen und zu verhüten. Arbeitsmedi-zinische Vorsorge soll zugleich einen Beitrag zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit und zur Fortentwicklung des betrieblichen Gesundheitsschutzes leisten.

Aufwendungsersatz vom Arbeitgeber ver-langen kann, siehe § 670 BGB. Auch kön-nen dem Arbeitgeber anteilige Miet- oder Nebenkosten auferlegt werden. Um Strei-tigkeiten über die Höhe und Berechnung zu vermeiden, sollte eine angemessene Aufwandspauschale vereinbart werden.

Wer zahlt die Fahrt ins Büro?Die meisten Arbeitnehmer arbeiten nur zeitweise im Homeoffice. Ihre Leistungs-verpflichtung liegt also weiterhin am Be-triebssitz. Der Arbeitsweg ist mithin keine vergütungspflichtige Arbeitszeit. Damit über den Schwerpunkt der Leistungser-bringung kein Streit entsteht, sollte auch dies ausdrücklich vertraglich geregelt werden. Arbeitet der Arbeitnehmer ver-traglich ausschließlich im Homeoffice, hat er seine Leistungspflicht an seinem Wohnsitz zu erbringen. Verlangt der Ar-beitgeber dann die Anwesenheit im Büro, sind die Fahrzeiten als Arbeitszeit im ver-gütungsrechtlichen Sinne zu behandeln.

Besteht auch im Homeoffice der gesetzliche Unfallschutz?Im Prinzip haben Arbeitnehmer im Home office den gleichen Schutz wie im Büro. Die allgemeinen Haftungsregeln im Arbeitsverhältnis lassen sich übertragen. Versichert ist der Arbeitnehmer für die Dauer der genehmigten Tätigkeit – un-abhängig davon, wo er dieser nachgeht.

Ein gesetzlicher Unfallschutz besteht jedoch dann nicht, wenn die Arbeit für private Angelegenheiten unterbrochen wird. Nicht versichert ist daher bereits der Weg zur Toilette oder zur Küche. Ent-scheidend ist, ob zum Zeitpunkt des Un-fallhergangs eine private oder betriebliche Handlung vorgenommen wurde.

CLAUDIA KNUTH ist Fachanwältin für Arbeitsrecht bei Lutz Abel in Hamburg und Dozentin im Bereich HR-Manage-ment an der Hochschule Fresenius.

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Raus aus dem Schattendasein

Von Jelka Louisa Beule

Blau zur Konzentrationssteigerung, Rot anteile zum Stressabbau – biologisch wirksame Licht­konzepte sollen den natürlichen Rhythmus des Mitarbeiters unterstützen und so Leistungs­fähigkeit wie Wohl befinden steigern.

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Gesund arbeiten 45

Eule oder Lerche? Langschläfer oder Frühaufsteher? Men-schen ticken verschieden und haben ganz unterschiedliche Biorhythmen. An diesem Punkt setzen neue Lichtkonzepte am Arbeitsplatz an: Sie simulieren den Lauf der Sonne und sorgen dafür, dass jeder Mitarbeiter optimale Verhältnisse für seine innere Uhr vorfindet. Human Centric Lighting ist das Trendthema in der Beleuchtungsbranche und rückt die Wirkung des Lichts auf Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden in den Mittelpunkt.

Müdigkeit, Erschöpfung, Kopfschmerzen: Wenn die Lichtver-hältnisse am Arbeitsplatz nicht optimal sind, klagen Mitarbeiter über massive Probleme. Neben direkten Sehbeschwerden hat die Beleuchtung auch Auswirkungen auf die Ermüdung der Augen. Bei zu wenig Licht oder wenn die Sonne sich im Computerbild-schirm spiegelt, müssen Angestellte ihre Augen zusammenkneifen oder den Kopf in eine ungünstige Position drehen. Das wiederum führt zu Verspannungen und verursacht Nacken-, Schulter- oder Rückenprobleme. Schlechte Lichtverhältnisse können sich also massiv auf die Gesundheit der Mitarbeiter auswirken – und damit am Ende auf die Produktivität des Unternehmens. Umso wichtiger ist es, gute Voraussetzungen zu schaffen.

Doch wie sieht die optimale Beleuchtung aus? Der Mindest-standard ist in der Norm DIN EN 12464-1 festgehalten. Sie regelt, welche Lichtverhältnisse am Arbeitsplatz vorherrschen müssen. Allerdings nimmt sie dabei lediglich das gesunde Auge als Maß-stab, individuelle Beeinträchtigungen im Sehvermögen spielen keine Rolle. Die Augen älterer Menschen ab 40 Jahren benötigen aber zum Beispiel höhere Beleuchtungsstärken und größere Kontraste, zudem sind sie empfindlicher für Blendungen. Bei diesen Punkten kann eine gute Lichtplanung und das optimale Ausleuchten des Arbeitsplatzes schon viel dazu beitragen, dass die Mitarbeiter besser sehen und sich wohler fühlen.

Biologisch wirksames Licht unterstützt die innere Uhr Eine noch weitergehende und vergleichsweise neue Entwicklung ist das sogenannte biologisch wirksame Licht, das auch biodyna-misches Licht oder Human Centric Lighting genannt wird – ein künstliches Licht, das die Taktung der inneren Uhr unterstützt (siehe Kasten Seite 46). Dabei werden die Beleuchtungsstärke und die Farbe dem natürlichen Tagesverlauf nachempfunden: von aktivierendem, kaltweißem Licht am Morgen bis zu warm-weißem Licht in den Abendstunden. Das synchronisiert die inne-re Uhr des Menschen. Die morgens und mittags vorherrschenden Blauanteile im Tageslicht aktivieren das Stresshormon Cortisol. Es regt an und steigert die Konzentration. „Viele Anwender kennen das inzwischen von ihrem Tablet oder Smartphone“, sagt Christoph Waldmann, Leiter Team Kommunikation beim Leuchtenhersteller Waldmann in Villingen-Schwenningen. Weil auch Displays ein Licht mit hohem Blauanteil ausstrahlen, ver-ändern entsprechende Apps die Farbe gegen Abend ins rötliche Spektrum, sodass Nutzer besser einschlafen können.

Das Ziel von biologisch wirksamem Licht am Arbeitsplatz ist es, Wohlbefinden, Konzentrationsfähigkeit und Gesunderhal-tung der Mitarbeiter zu steigern. Das Unternehmen Waldmann gehört mit seinem Visual Timing Light (VTL) genannten System zu den Pionieren in diesem Bereich. „Wir haben vor 15 Jahren begonnen, ein Konzept für Pflegeheime zu entwickeln“, sagt

Christoph Waldmann. Hintergrund waren Demenzkranke, denen das Gefühl für Tag und Nacht verloren geht. Für sie suchten die Lichtexperten aus dem Schwarzwald nach einer Lösung, um die innere Uhr der Heimbewohner neu einzustellen. Und tatsächlich fanden die Demenzkranken mithilfe des biodynamischen Lichts wieder zurück in einen klareren Tag-Nacht-Rhythmus. Seit 2014 bietet Waldmann biodynamische Lichtkonzepte auch für Büros an. Ein Beispiel ist der Firmensitz des Industriekonzerns Bayer in Basel, den Waldmann ausgestattet hat. Nicht nur an den Arbeitsplätzen, sondern auch in den Kommunikationsbereichen brennt nun ideales Kunstlicht.

Ebenfalls Einzug halten smarte Lichtlösungen inzwischen im Industriebereich, besonders Sinn macht dies bei Schichtarbeit. Das bestätigt eine Studie aus Österreich, in der zwei biologisch wirksame Beleuchtungsszenarien getestet wurden. Beide Unter-suchungen kamen zu dem Ergebnis, dass biologisch wirksames Licht einen positiven Einfluss auf das Wohlbefinden der Mit-arbeiter hat. Sie waren während der Arbeit leistungsfähiger und konnten danach besser schlafen.

Künstliche Beleuchtung schafft biologische Dunkelheit„Insbesondere durch die gesellschaftlichen Veränderungen, den Leistungsdruck und die lange Zeit, die Menschen heute der künstlichen Beleuchtung ausgesetzt sind, ist die richtige Beleuchtung wichtig“, sagt Geschäftsinhaber Gerhard Wald-mann: „Mit gewöhnlicher künstlicher Beleuchtung befinden wir uns sozusagen in biologischer Dunkelheit.“ Dies könne zu Müdigkeit und reduzierter Aufmerksamkeit, in extremeren Fäl-len sogar zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Depressionen führen. „Ein biodynamisches Licht kann vor allem in Räumen mit geringer Tageslichtversorgung und in den Wintermonaten, wenn die innere Uhr kaum mit dem Tageslicht synchronisiert wird, das Wohlbefinden nachhaltig stärken“, erklärt Waldmann.Berücksichtigt werden bei der Entwicklung der Lampen auch unterschiedliche Bedürfnisse – etwa zwischen Lerchen, also

Licht am Arbeitsplatz

Welche Lichtverhältnisse am Arbeitsplatz vor-herrschen müssen, regelt die Norm DIN EN 12464-1. Die in der Richtlinie genannten Anforde-rungen sollen für eine optimale Sehleistung und besten Sehkomfort der Angestellten sorgen. Fest-gelegt sind neben der Beleuchtungsstärke zum Beispiel auch maximal erlaubte Blendungen und Reflexionen. Bestimmte Lösungen für eine opti-male Arbeitsbeleuchtung werden in der Richtlinie jedoch nicht genannt. Auch die genau geforderte Qualität der Sehverhältnisse ist unterschiedlich. Sie hängt von verschiedenen Faktoren, etwa von Art und Dauer der Tätigkeit, ab. Und: Die DIN-Norm beschreibt lediglich Mindestanforderungen, denn sie nimmt das gesunde Auge als Maßstab.

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Menschen, die früh am Tag ihre größte Leistungsfähigkeit ent-falten, und Eulen, die morgens schwer in die Gänge kommen, dafür am Nachmittag und Abend ihr Leistungshoch haben. Bei Mitarbeitern des Typs Eule setzt der dynamische Lichtverlauf zeitversetzt ein, sie erhalten später als die Lerchen aktivieren-des Licht. Die Vorbereitung auf die Ruhephase durch wärmere Lichtfarben setzt dann für sie ebenfalls entsprechend später ein. Das soll die Mitarbeiter nach Vorbild des Tageslichts bei Konzentrations- und Regenerationsphasen unterstützen. Die biologisch wirksame Beleuchtung lässt sich nach der Anmeldung am Arbeitsplatz oder über eine App auch individuell einstellen – ein Vorteil im Zusammenhang mit Desk-Sharing-Modellen.

Ethische Bedenken bestehen Aber kann eine Beleuchtung, die Einfluss auf die innere Uhr nimmt, nicht auch Schaden anrichten? Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) meint, dass es noch etliche offene Fragen in diesem Zusammenhang gibt, auch zu ethischen Komplexen. Denn theoretisch ist es möglich, dass

Unternehmen ihre Mitarbeiter durch aktivierendes Licht in den Abendstunden unnötig pushen – mit dem Ziel, die Leistung zu erhöhen. Bei den Angestellten kann dies zu Störungen im Schlaf-rhythmus führen und damit langfristig zu gesundheitlichen Pro-blemen. In der Studie stellt die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) fest, dass es diese Risiken vor allem bei Menschen gibt, die bei Arbeit in der Nacht falschem Licht ausgesetzt sind.

Bei Waldmann sitzen bei der Entwicklung der Beleuchtungs-systeme deshalb auch Arbeitsmediziner mit am Tisch, betont das Unternehmen. Denn das Ziel von Waldmann sei es nicht, die maximale Leistung aus den Angestellten herauszuholen, sondern im Gegenteil mit den modernen Beleuchtungssystemen Wohlbefinden und Gesundheit der Mitarbeiter optimal zu unter-stützen.

Was ist biologisch wirksames Licht?

Das natürliche Licht verändert im Verlauf des Tages nicht nur seine Intensität, sondern auch die Lichtfarbe. Die morgens und mittags vorherrschenden Blauanteile aktivieren das Stresshormon Cortisol. Es regt an und steigert die Konzentration. Gleichzeitig wird die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin blockiert. Im Verlauf des Tages und zum Abend hin wird die Lichtfarbe immer wärmer – die Effekte laufen dann genau anders herum. Durch die biologische Wirkung des Lichts wird die innere Uhr des Men-schen getaktet. Damit werden Schlaf- und Wachphasen gesteuert, aber auch die Herz-frequenz, der Blutdruck oder die Stimmung. Verantwortlich dafür sind Lichtrezeptoren in der Netzhaut, die sogenannten retinalen Ganglienzellen. Biologisch wirksames Licht, das auch unter Human Centric Lighting bekannt ist, ist ein künstliches Licht, mit dem Beleuchtungsstärke und Lichtfarben dem natürlichen Tagesverlauf nachempfunden werden. Das Licht soll die Taktung der inneren Uhr unterstützen.

JELKA LOUISA BEULE lebt in Freiburg und arbeitet seit 15 Jahren als freie Journalistin. Auch für das Personalmagazin recherchiert und schreibt sie regelmäßig.

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Büroalltag 47

Quelle: „The impact of the ‘open’ workspace on human collaboration“, Ethan S. Bernstein, Stephen Turban, Harvard University

Mitarbeiter würden gerne mittags schlafen

Still und leise

Powernapping ist beliebt: Ein Drittel der Frauen und jeder vierte Mann wünschen sich einen regelmäßigen Mittags-schlaf. Das geht aus einer Studie der Techniker Krankenkasse hervor. Bei den Beschäftigten, die nachts arbeiten müssen, ist der Anteil mit 39 Prozent besonders hoch. Gesundheits-experten empfehlen die Auszeit am Tag vor allem denjenigen, die nicht auf sieben Stunden Schlaf kommen. Ausreichend schlafen lässt sich nämlich auch in Schichten: Wer etwa nach

der Nachtschicht nur vier Stunden schläft, um dann bei der Familie zu sein, könnte vor der nächsten Nachtschicht ein zweites Nickerchen einlegen. Die Studie zeigt zudem: Wer flexible Arbeitszeiten hat, bekommt insgesamt weniger Schlaf. Bei unregelmäßigen Arbeitszeiten schlafen 37 Prozent weniger als fünf Stunden. Auch Stress oder Probleme im Job rauben Angestellten den Schlaf – und das umso häufiger, je höher qualifiziert sie sind.

Großraumbüros lassen Mit arbeiter

ver stummen

Großraumbüros sollen den Austausch unter den Mitarbeitern fördern. Eine Studie von zwei Harvard-Wissenschaftlern zeigt jedoch: Statt direkt mit-einander zu sprechen, nutzen die Angestellten in Großraumbüros eher digitale Kommunikationskanäle. Die Wissenschaftler untersuchten zwei US-Unternehmen, jeweils vor und nach ihrem Umzug von einem klassischen Einzelbürokonzept in ein modernes Arbeitsplatzumfeld mit Großraumbüros. Ausgewertet wurden Daten aus E-Mails, Messenger-Diensten und tragbaren Geräten, mit dem Ziel herauszufinden, auf welchen Kanälen die Mitarbeiter kommunizierten. Das Ergebnis: Mit dem Wechsel ins Großraumbüro redu-zierten sich die direkten Gespräche um rund 70 Prozent. Parallel dazu nahm die Kommunikation über elektronische Kanäle wie E-Mails und Messen-ger-Dienste um 20 bis 50 Prozent zu. Die räumliche Distanz zwischen den Kollegen hatte keinen signifikanten Einfluss auf das Ergebnis. Kollegen, die sich direkt gegenübersitzen, sprechen genauso wenig miteinander wie die-jenigen, die an unterschiedlichen Enden des Großraumbüros sitzen.

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Vor zwei Jahren hat der Büromöbelhersteller Steelcase seine vorherigen Standorte Rosenheim und Straßburg in München konzentriert und dazu ein Bestandsgebäude, in dem zuvor ein Energieversorger untergebracht war, komplett entkernt und neu konzipiert. „Wir sind näher zusammengerückt“, sagt Fabian Mottl, Brand Communication Manager bei Steelcase. Und damit meint er nicht nur, dass aus zwei Firmensitzen einer geworden ist. Das neue Steelcase Learning & Innovation Center (LINC) wurde 2017 eröffnet, mit dem Ziel, die Arbeitsweisen der Teams in Europa, dem Nahen Osten und Afrika (EMEA) grundlegend zu verändern.

Kreativräume für die neue ArbeitsweltAls Steelcase mit der Planung begann, stellte sich das Unter-nehmen die Frage: Wie gelingt es, Räume zu schaffen, die gezielt das kreative Problemlösen fördern und die Teams zugleich auf die Anforderungen der neuen Arbeitswelt vorbereiten? Denn, so glaubte der Büromöbelhersteller: In einer von starkem glo-

balem Wettbewerb geprägten Wirtschaft stellen neue Disrupto-ren bestehende Geschäftsmodelle auf den Prüfstand, während führende Unternehmen permanent Wege finden müssen, ihre Führungsposition zu halten. Hinzu komme, dass die zunehmen-de Verbreitung neuer Technologien – zum Beispiel in Form von Robotern, Automatisierungen und künstlicher Intelligenz – viele Menschen verunsichert und darüber nachdenken lässt, ob es ihre Arbeitsplätze auch in zehn, zwanzig oder fünfzig Jahren noch geben wird. Angesichts der immer komplexeren Probleme und der für Innovationen wichtiger werdenden neuen Ideen sei deshalb der Wandel zu kreativer Arbeit unerlässlich, war die Überzeugung von Steelcase.

Ein Ökosystem aus eng vernetzten ArbeitsumgebungenNun arbeiten am neuen Standort in München 260 Menschen aus 28 Nationen unter einem Dach. Der Großteil der Steel case-Mitarbeiter sitzt jedoch in den USA: Insgesamt beschäftigt der 1912 gegründete Konzern rund 12.000 Menschen. Aus Amerika kamen auch viele der Innovationen, die nun auf den Steel case-Firmensitz in Deutschland übertragen wurden. „Dort wurde bereits viel mit offenen Arbeitsstrukturen getestet und geschaut, was geht und was nicht geht“, berichtet Fabian Mottl: „Auf diese Erfahrungen können wir zurückgreifen.“ Das moderne Arbeits-platzkonzept interessiert auch andere Unternehmen: Pro Woche schauen sich rund 500 angemeldete Besucher an, wie die Mit-arbeiter von Steelcase zusammenarbeiten. Und bleiben dabei auch direkt an den Schreibtischen der Angestellten stehen und schauen ihnen beim Arbeiten über die Schulter.

Steelcase beschreibt sein Konzept als „Ökosystem“ aus eng vernetzten und zusammenwirkenden Arbeitsumgebungen. Vor-handen sind verschiedene Bereiche, die die unterschiedlichen Tätigkeiten unterstützen sollen, zum Beispiel Besprechungsräu-me oder Team- und Videokonferenzzimmer. Genauso sind aber auch Einzelarbeitsplätze vorhanden, klassisch am Schreibtisch oder lässig in der Lounge. Auch das große Café im Erdgeschoss des Gebäudes hat Wohnzimmeratmosphäre, hierher ziehen sich die Mitarbeiter ebenfalls zum Arbeiten zurück.

Die Idee des Ganzen: Jeder sucht sich seinen Arbeitsplatz so aus, wie es die aktuelle Tätigkeit erfordert. Wer Rückzug und Konzentration benötigt, findet dafür ebenso Möglichkeiten wie für kreative Prozesse, die durch die offene Struktur auch spontan entstehen können. Zum Brainstorming extra langfristig verabre-den, wie es in klassischen Büros üblich war, muss sich niemand mehr. Steelcase selbst ist von dem Konzept überzeugt: „Unsere Teams sind heute agiler, innovativer und kreativer als je zuvor.“

Ein Teambüro für HR und Finance

Von Jelka Louisa Beule

Ein offenes Treppenhaus, große Bürobereiche, keine Einzelzellen: Die Firma Steelcase setzt in ihrem Learning & Innovation Center auf ein innovatives Arbeitskonzept. Die Besonderheit: Auch die HR- und Finance-Abteilungen sitzen mittendrin – obwohl sie mit sensiblen Daten umgehen.

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Einen eigenen Schreibtisch oder gar Einzelbüros gibt es nicht mehr, auch die Vorstände sitzen mit den übrigen Mitarbeitern in einem Raum. „Dadurch sind sie nicht abgeschottet und für alle zugänglich“, erklärt Mottl. Und wenn es doch einmal vertrau-liche Dinge zu besprechen gäbe, etwa bei Gehaltsverhandlungen oder mit Kunden, seien genug Möglichkeiten vorhanden, um sich zurückzuziehen.

HR sitzt mittendrinDurch die offenen Strukturen sollen aber nicht nur die Unterneh-mensvorstände nahbarer werden. Auch unter den Mitarbeitern soll der Kontakt direkter ablaufen. Statt sich zig E-Mails von einem Raum in den nächsten zu schicken, könnten Dinge schnell persönlich besprochen werden, erklärt Mottl. „Die Erfahrungen sind sehr gut“, sagt er: „Die Kommunikation ist gestiegen.“

Nicht ganz im zentralsten Bereich des Gebäudes, aber doch mittendrin sitzen auch die HR- und die Finance-Abteilungen von Steelcase-Teams, die in anderen Unternehmen traditionell nur hinter verschlossenen Türen arbeiten, weil sie mit sensiblen Daten umgehen müssen. Bei Steelcase war dies schon früher zumindest ein bisschen anders. Auch vor dem Umzug ins LINC arbeiteten die HR- und Finance-Teams im Open Space. Beide

Teams waren auf verschiedenen Etagen in offenen, eigens für sie vorgesehenen Räumen mit fest zugeordneten Schreibtischen untergebracht. Diese Räume waren für die Kollegen aus anderen Abteilungen im Prinzip leicht erreichbar, aber durch Treppen und Türen voneinander getrennt. Der Leiter der HR-Abteilung hatte zudem ein eigenes Büro, in dem er sich oft den ganzen Tag aufhielt.

Die Folge des früheren Raumkonzepts: Innerhalb ihrer Abtei-lungen konnten beide Teams sehr effektiv zusammenarbeiten. Sobald sie sich jedoch mit anderen Abteilungen austauschten, wurden die Interaktionen schnell formell. Kollegen suchten den HR- und Finance-Bereich nur dann auf, wenn sie an einer Sitzung teilnahmen oder bestimmte Aufgaben zu erledigen hatten. Beide Teams bewahrten ihre Unterlagen und Dokumente zudem in Papierform auf, was nicht nur volle Schreibtische, sondern auch weniger Flexibilität bei der Wahl des Arbeitsortes nach sich zog.

Mit dem Umzug in die neue Firmenzentrale in München gab es einen bewussten Schnitt in dieser klassischen, aufgaben-orientierten Struktur. Die HR- und Finance-Teams wollten nicht in einem abgelegenen Teil des Gebäudes untergebracht sein, sondern entschieden sich dazu, bei den anderen Mitarbeitern zu sitzen. Um näher am Tagesgeschäft zu sein, wählten sie eine

Das Herzstück des Learning & Innovation Centers der Firma Steelcase ist ein großes, offenes Treppenhaus, über das alle Bereiche frei zugänglich sind. Abgeschottet arbeitet niemand.

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zentrale Lage im LINC, unmittelbar an einem häufig auch von Kunden genutzten Haupterschließungsweg. Die Abteilungen verabschiedeten sich zudem von fest zugeordneten Schreib-tischen und rückten einen offenen Teambereich ohne Türen und Wände in den Mittelpunkt. Dieser Teambereich steht heute allen Mitarbeitern offen, auch den Kollegen anderer Standorte. Damit sollen spontane Interaktionen gefördert werden. Zudem digitalisieren die Teams ihre Arbeit, sie benötigen nur noch we-nig Papier und können seither überall arbeiten, wo sie wollen, da sie ihre Unterlagen stets auf Laptop oder Tablet dabei haben.

Mehr Überblick über die Unternehmensaktivitäten Vom Ergebnis des neuen Raumkonzepts sind die HR- und die Finanzabteilung gleichermaßen überzeugt. Durch die zentra-le Lage träfen beide Teams täglich auf Vertriebskollegen und Kunden, berichten sie. Vom daraus resultierenden Austausch profitierten beide Seiten: Die Vertriebskollegen führten immer wieder Kunden durch die HR- und Finanzabteilungen, um ihnen die Veränderungen der Arbeitsumgebung und der Arbeitsweisen zu zeigen, während die Teams umgekehrt regelmäßig mit dem Tagesgeschäft in Berührung kämen.

„Durch den täglichen Austausch haben wir heute einen viel besseren Überblick über die Aktivitäten von Steelcase – das hat

vor allem mit unserem zentralen Standort zu tun“, sagt Christian Westebbe, Leiter der Finanzabteilung.

Auch die Interaktion mit anderen Steelcase-Abteilungen habe sich verbessert. Während sich in den alten Räumen die Treffen der Teams mit anderen Kollegen auf vorab geplante, formelle Besprechungen oder Telepräsenz-Meetings konzentrierten, för-derten die neuen Bereiche im LINC spontane Gespräche. Durch die nicht fest zugeordneten Schreibtische würden die Teammit-glieder zudem dazu ermutigt, sich auch außerhalb ihrer eigenen Abteilungen aufzuhalten und dort zu arbeiten. Dies fördere das Vertrauen unter den Kollegen. „Der neue Standort hat die Art und Weise, wie wir mit anderen zusammenarbeiten, verändert, und das hätten wir zum Beispiel mit Schulungen nie erreicht”, ist Westebbe überzeugt.

Der Umgang mit sensiblen Daten kann auch im Teambüro funktionieren Und wie sieht es mit dem Datenschutz aus? Immerhin arbeiten die HR- und Finanzteams mit sensiblen und vertraulichen Ma-terialien. Tatsächlich jedoch, so berichtet das Unternehmen, hätten bei genauerem Hinsehen beide Teams festgestellt, dass nur zehn bis 20 Prozent ihrer Arbeit so vertraulich ist, dass sie vollen Schutz benötigt. Egal, ob es um das Aufsetzen eines Ver-trags, um ein Bewerbungsgespräch oder um einen persönlichen

Arbeiten geht überall: Bei Steelcase haben die Mitarbeiter keinen fest zugeordneten Schreib-tisch. Stattdessen gibt es verschiedene Bereiche, die die unterschiedlichen Tä-tigkeiten unterstützen sol-len, zum Beispiel Team- oder Besprechungsräume. Das schafft Raum für spontane Treffen und kreativen Austausch.

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Telefonanruf geht – solange die Mitarbeiter einfach und spontan auf einen Rückzugsraum zugreifen könnten, sei das Thema Datenschutz überhaupt kein Problem. „Dass HR- und Finanz-abteilung abgeschottet hinter Wänden liegen müssen, ist eine ziemlich altmodische Denkweise – das ist schlicht und einfach nicht nötig”, sagt Daniel Brecheis, Leiter der HR-Abteilung bei Steelcase.

Nachsteuerung inbegriffen: Mitarbeiter und Sensoren zeigen, wo Bedarf ist Aber gibt es wirklich gar keine Nachteile bei einem solchen Kon-zept? Gab es im Vorfeld keine Bedenken? Tatsächlich seien nicht alle Mitarbeiter von Anfang an begeistert vom neuen System ge-wesen, gibt Fabian Mottl zu: „Für jemanden, der beispielsweise 20 Jahre in einem anderen Unternehmen in einem Einzelbüro gearbeitet hat, ist es bestimmt etwas schwierig.“ Auch emotionale Aspekte spielten eine Rolle – zum Beispiel, dass die Mitarbeiter ohne festen Arbeitsplatz nicht mehr ein Bild von der Familie auf dem Schreibtisch stehen haben können. Aber nach einer be-stimmten Umgewöhnungszeit überwögen bei den Angestellten die Vorteile, sagt Mottl. Dies zeige sich auch bei regelmäßigen Befragungen, die Steelcase unter seinen Mitarbeitern durchführe. Zudem steuere das Unternehmen ständig nach, wenn sich eine Situation als doch nicht so positiv bewährt habe. Auch in diesen Prozess seien die Mitarbeiter eingebunden und dürften ihre Kritik jederzeit vorbringen. Zudem überprüfe das Unternehmen mit technischen Hilfsmitteln, inwiefern die verschiedenen Arbeits-bereiche angenommen werden oder nicht. Sensoren, so erklärt Fabian Mottl, stellten zum Beispiel fest, wie oft und wie lange die Angestellten bestimmte Räume nutzen, selbstverständlich ohne dabei personenbezogene Daten zu erfassen, betont er.

Die Umstellung braucht etwas Zeit: Die Mitarbeiter müssen einbezogen werden Insgesamt, so ist die Erfahrung von Steelcase, braucht die Um-stellung auf Open Spaces und nicht fest zugeordnete Schreib-tische etwas Zeit – insbesondere bei Teams, die an eigene Räume und Schreibtische gewöhnt sind. Ein guter Change-Manage-ment-Prozess und ein zielgerichtetes Raumkonzept seien hierbei unerlässlich. Dazu sollten zunächst die Führungskräfte und das mittlere Management ins Boot geholt und überzeugt werden, rät das Unternehmen. Anschließend müssten die Führungskräfte ihren Teams in einem offenen Gespräch erklären, warum Ver-änderungen stattfinden und wie das neue Raumkonzept dazu beiträgt, noch mehr Freiheiten als bisher zu bieten. Egal, ob in Workshops, formellen Besprechungen oder in Einzelgesprächen – am besten sei es, von Anfang an Mitarbeiter aller Hierarchie-ebenen einzubeziehen und Feedbackschleifen einzurichten, meint Steelcase. Am Anfang sei es zudem wichtig, in erster Linie zuzuhören und den Bedarf zu erfassen, statt den Mitarbeitern feste Lösungsvorschläge zu präsentieren.

JELKA LOUISA BEULE kennt als freie Journalistin viele Raum-konzepte ihrer unterschiedlichen Auftraggeber. Sie selbst arbeitet am liebsten konzentriert im Homeoffice, schätzt aber auch den informellen Austausch in den Redaktionsbüros.

„ Die Denkweise, dass die HR- und die Finanz abteilung abgeschottet hinter Wänden liegen müssen, ist ziem lich alt modisch. Solange die Mit arbeiter auf einen Rück zugs-raum zurückgreifen können, ist der Daten schutz über - haupt kein Problem.“ Daniel Brecheis, HR-Director Steelcase

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Personalmagazin: Herr Jackson, was ist für Sie persönlich Ihr liebster Arbeitsort?

Sudan Jackson: Tatsächlich ist das hier im Büro, wenn ich mit den Leuten durch die Gänge gehe, ihre Gesichter sehe, mit ihnen schnacke. Diese Arbeitsumgebung hier bei Rewe Digital finde ich einfach super. Aber am produktivsten bin ich, nicht hier im Büro, nicht im Homeoffice, sondern wenn ich unterwegs bin: Ich setze mich in irgendein Café, klappe meinen Laptop auf und mache mir Kopfhörer rein.

In einem Café zu arbeiten, ist das Ihre Vision eines „digitalen Arbeitsplatzes“? Wie sollte der aussehen?

Ein wichtiger Punkt ist die zunehmende Mobilität. Theore-tisch kann man eben überall arbeiten. Trotz dieser Mobilität braucht es aber ein Zuhause, eine „Homebase“, die ich kenne, in der ich mich nicht erst zurechtfinden muss. Gleichzeitig sind Flexibilität und zahlreiche Ausweichmöglichkeiten notwendig. Und selbstverständlich ist im digitalen Zeitalter der Raum für digitale Geräte sehr wichtig.

Wir haben hier bei Rewe Digital verschiedene Sitzmöglich-keiten, Sofas, Nischen für kleinere Gruppen und so weiter. Bei diesen Ausweichmöglichkeiten braucht es auch die technische Infrastrukur, sich direkt zu verbinden. Damit man wirklich ortsunabhängig arbeiten kann, muss das einfach funktionieren, ohne dass man sich darum kümmern muss. Wenn Teams in einem New-Work-Kontext oder agil arbeiten, müssen sie immer

da zusammen kommen können, wo sie miteinander kollaborie-ren möchten, und dort auch ihre Geräte anschließen können.

Natürlich gibt es außerdem unterschiedliche Elemente, die eine Rolle spielen. Wir müssen dafür sorgen, dass das Team seinen Arbeitsplatz oder Workspace so gestalten kann, wie es für das Team am besten ist. Die Teammitglieder finden bei uns verschiedene Elemente vor, mit dem sie ihren Team Space bauen können. Natürlich gibt es Standardschreibtische, Stühle und ande-re Hardware. Daneben gibt es weitere Elemente wie zum Beispiel Schallschutzwände, die die Mitarbeiter so aufstellen können, wie sie es wollen. Außerdem müssen wir natürlich Sicherheitsricht-linien beachten, die Brandschutzordnung beispielsweise.

Welche weiteren Aspekte sehen Sie?Insgesamt sehe ich drei Punkte: Die Räumlichkeiten sollten

schön sein und einen spielerischen Charakter haben. Ich will nicht in Abrede stellen, dass das einen positiven Effekt hat. Zweitens finde ich gewisse Freiheiten gerade in Bezug auf die Ge-staltung des eigenen Raums enorm wichtig. Und drittens gehört die Möglichkeit der Ortsunabhängigkeit dazu. Wenn ich mich mal woanders hinsetze, darf ich mich nicht mit technischen Schwierigkeiten auseinandersetzen müssen, sondern setze mich hin und alles funktioniert.

Digitalisierung heißt aber nicht, dass ich alles am Computer mache. Es heißt, dass ich auch viel mehr Mensch sein muss, und das, was wir Menschen schon immer gemacht haben, ist zu

„Wer soviel Zeit im Büro verbringt, sollte keinem Alltagsstress mehr ausgesetzt sein“

Interview Maxim Nopper-Pflügler

Sudan Jackson versteht sich als Impulsgeber, Mitdenker und Mitgestalter und begleitet so den Weg von Rewe Digital in die neue Arbeitswelt. Das Personalmagazin sprach mit ihm über seine Vorstellung von einem digitalen Arbeitsplatz.

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kommunizieren oder gemeinsam etwas zu basteln. Ein weiteres Element ist deshalb, dass wir auch die Möglichkeit nutzen, an den Wänden zu malen, so wie die Caveman, und das nicht nur mit Klebezetteln und Flipchart-Papier. Wir arbeiten sehr viel an der Wand. Wir haben hier zum Beispiel die Kanban-Boards der Teams.

Es gibt aber immer einzelne Mitarbeiter die nicht vor Ort sind, sondern unterwegs oder im Homeoffice. Wenn Sie viel an der Wand arbeiten, wie schaffen Sie es, diese Mitarbeiter einzubinden?

Wir haben dafür unterschiedliche Hilfsmittel, beispielsweise virtuelle Chatrooms, Slack oder Videotelefonie und Google Han-gouts. Da alle Meetingräume mit Webcams ausgestattet sind, können sich Teammitglieder, die im Homeoffice oder anderswo außer Haus sind, mit ihrem Computer dazuschalten.

Muss man dann immer alles doppelt machen, digital und analog?

In der Tat gibt es von manchen Boards eine physische Version und eine replizierte elektronische Version. Dafür benutzen wir Jira. Es lässt sich nicht immer vermeiden, dass man das mitei-nander abgleichen muss.

Außerdem verwenden wir virtuelle Whiteboards. Man steht an diesem Board und malt, kann Dokumente hochladen und hin- und herschieben, als würde man an einer echten Wand stehen. Die Person an der Gegenstelle sieht eins zu eins dasselbe und kann damit auch interagieren.

Welche Veränderungen in Arbeitsprozessen und in der Ar-beitswelt sehen Sie, die im Moment von der Bürogestaltung noch schlecht aufgefangen werden?

Wir verbringen den größten Teil unseres Lebens bei der Arbeit. Deshalb wird oft von Work-Life-Balance gesprochen, wobei ich lieber den Begriff Life-Balance verwende, denn die Arbeit ist Teil des Lebens. Was Büro-Spaces heute nicht abdecken, sind private Alltagsgeschäfte. Beispielsweise gibt es noch kaum Lösungen für den Fall, dass der Mitarbeiter private Onlinekäufe an den Arbeits-platz geliefert bekommt. Denn die meisten Arbeitnehmer sind zu den Paketlieferzeiten nicht zuhause. Es wäre einfach, Büros mit Postfächern oder Packstationen zu versehen, an denen die Mitarbeiter ihre Pakete aufgeben und abholen können. Viele Arbeitnehmer wünschen sich, dass das Arbeitsleben so gestaltet wird, dass man sich keine Sorgen machen muss, wenn man es mal nicht mehr zum Einkaufen schafft, weil die Geschäfte schon geschlossen haben. Wir brauchen also Möglichkeiten, die helfen, das Privatleben am Arbeitsplatz mit zu integrieren. Das heißt nicht, dass Leute mit Zahnbürste und Schlafanzug zur Arbeit kommen. Aber wer so viel im Büro „gefangen“ ist, sollte wegen Alltagsdingen keinem zusätzlichen Stress ausgesetzt sein.

Wenn man die Arbeit mit nach Hause nimmt, sollte man auch das Private mit zur Arbeit nehmen dürfen?

Richtig. Es gibt Leute, die würden sagen, dass dann niemand mehr nach Hause gehen würde, es keine Trennung mehr zwi-schen Arbeitsleben und Privatleben gäbe. Aber ich glaube nicht, dass das der Fall sein wird. Manche Menschen nehmen die Arbeit mit nach Hause. Punkt. Andere kommen nur in die Arbeit, um Geld zu verdienen.

Hat die Raumgestaltung direkten Einfluss auf unsere Ar-beitsweise?

Die Raumgestaltung hat erstmal sehr viel damit zu tun, wie wir uns fühlen. Sie beeinflusst natürlich unser Wohlbefinden aber auch unsere Weltanschauung. Nicht umsonst sind die Fenster in der Kirche bunt gestaltet. Das soll etwas vermitteln und eine bestimmte Stimmung erzeugen. Aber es ist ein weit verbreite-ter Irrtum, dass man nur ein Fantasialand oder ein typisches Silicon-Valley-Büro braucht, und schon sind die Leute plötzlich ganz anders unterwegs. Ich kenne Beispiele von Unternehmen, die sich sehr schöne neue Büros eingerichtet haben, letztendlich darin aber sehr klassisch gearbeitet wurde. Und im Gegensatz dazu kenne ich Firmen, die in sehr „cleanen“ Büros und in einer ruhigen Atmosphäre ein hohes Wohlbefinden für die Mitarbei-ter schaffen. Allein die Raumgestaltung macht es nicht aus, es braucht auch die richtige Kultur.

Welche Probleme und Hürden sind auf dem Weg zu einem digitalen Arbeitsplatz noch zu überwinden?

Die Hürden sind nur in den Köpfen. In den Köpfen von Geld-gebern, Sicherheitsleuten und Brandschutzwächtern, aber auch in den Köpfen der Mitarbeiter. Tatsächliche Hürden gibt es keine. Es ist immer eine Frage vom Kosten-Nutzen-Verhältnis und gleichzeitig etwas, das man nicht messen kann. Welchen Effekt das auf die Arbeitsmoral, auf die innere Einstellung hat, kann man nicht messen. Schön ist es, wenn man eine Geschäftsleitung hat, die sagt: „Setzt euch als Arbeitsgruppe zusammen und über-legt euch ein Raumkonzept.“ Wenn dann alle dabei sind, die ir-gendwie damit zu tun haben, dann funktioniert das sehr gut.

Sudan Jackson ist Kulturbotschafter bei Rewe Digital in Köln und beschäftigt sich mit neuen Methoden und Arbeitsformen.

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Zufriedene Mitarbeiter sind für ein Un-ternehmen keinesfalls Luxus, sondern ein handfester Wirtschaftsfaktor. Eine Unter-suchung US-amerikanischer Betriebswirt-schaftsforscher hat gezeigt, dass Firmen mit einer hohen Mitarbeiterzufriedenheit durchschnittlich rund drei Prozent mehr Rendite erwirtschaften. Zudem hat der Coworking-Anbieter Mindspace in einer Umfrage herausgefunden, dass fast jeder siebte deutsche Arbeitnehmer und jeder fünfte Millennial schon einmal einen potenziellen neuen Job wegen des un-attraktiven Raumkonzepts oder wegen der Ausstattung abgelehnt hat. Für je-den Zehnten aus der Generation Y sei das Bürodesign sogar schon einmal ein Kündigungsgrund gewesen.

Flächen optimal nutzen Doch der ideale Arbeitsplatz ist nicht al-lein von der Kreativität der Innenarchi-tekten und Planer abhängig, er richtet sich vor allem nach der unternehmens-eigenen Kultur. Eine Organisation, die schwerpunktmäßig digital arbeitet, wird mehr Besprechungsräume mit einer mo-dernen Medienausstattung benötigen.

Legt das Unternehmen Wert auf eine gute Work-Life-Balance und bietet den Mitarbeitern an, im Homeoffice arbeiten zu können, dann lohnt es sich, über Desk-sharing oder multiterritoriales Arbeiten nachzudenken.

Solche Überlegungen bildeten auch die Basis bei der Neugestaltung der Büroräu-me der in Köln ansässigen Markenbera-tung GMK. Das Unternehmen war stark gewachsen und benötigte Lösungen, um die Flächen im neuen Büro optimal zu nutzen. Für das kreativ und strategisch arbeitende Team existierten zudem zu wenige Rückzugsmöglichkeiten. Gleich-zeitig wünschte man sich mehr Trans-parenz, Offenheit und Flexibilität. Zur Beratung und Konzeption der neuen Flä-chennutzung wandte sich das Unterneh-men an den Büromobiliaranbieter König und Neurath, der sich damit beschäftigt, wie sich das Wohlbefinden mit der Ge-staltung des Arbeitsumfelds steigern lässt. Die Vorgehensweise für den Umbau unterteilte König und Neurath in einzelne Schritte. Step eins stellte die Definition des Status quo dar. Dazu nutzte König und Neurath ein eigenes Analyse-Tool, die sogenannte Work Culture Map.

„Wir hatten zu wenig Platz. Es fehlten Räume, in denen man in Ruhe arbeiten kann. Auch Bereiche zum Diskutieren und bequemen Besprechen haben wir vermisst. Wir wollten die Struktur etwas auflockern, um unsere kreativen Prozesse zu fördern“, fasst Johannes Müller, bei der GMK für die Projektleitung der Umgestal-tung zuständig, die Analyseergebnisse zusammen. Die bisherige Raumsituation bot nicht ausreichend Räume zum Zu-rückziehen und ermöglichte keine Fle-xibilität und Mobilität. Dem Geschäfts-leitungsteam war es zudem wichtig, den Mitarbeitern alles zu liefern, was Identität stiftet.

Analyse der Arbeitskultur Im zweiten Schritt erfolgte die Analyse der Unternehmenskultur. Erst in einer diesem Schritt nachfolgenden Phase konnte eine qualifizierte, fundierte Pla-nung und Umsetzung erfolgen. Carina Hölzer, die als Innenarchitektin bei König und Neurath das Projekt betreute, erklärt: „Für die Unternehmen, mit denen wir zusammenarbeiten, ist es immer wieder erstaunlich, wie schon das Zielbild der eigenen Arbeitskultur die zukünftige Ge-staltung definiert.“

Die Basis des Beratungsmodells von Kö-nig und Neurath bildet der Gedanke, dass Arbeitskultur aus sieben Dimensionen be-steht, die im Zusammenspiel wirken. Jede Dimension bewegt sich zwischen zwei Po-len, die Dimension Agilität beispielsweise zwischen stabil und dynamisch. Dahinter steht die Frage, ob die Arbeitskultur von der Bereitschaft geprägt ist, sich auf neue Rahmenbedingungen einzustellen, oder ob sie weiterhin auf bewährten Stärken und Erfahrungen beruhen soll. In enger Abstimmung zwischen den Projektteams von GMK und König und Neurath sowie mithilfe von Mitarbeiterbefragungen ent-stand so ein aussagekräftiges Bild. Erwei-tert um die Wünsche und Vorstellungen der Unternehmensführung ließ sich damit ein Zielbild definieren, an dem sich die komplette Planung und Raumkonzeption orientierte.

Die GMK ist mit der Umgestaltung aus-gesprochen zufrieden. „Das neue Konzept ermöglicht nicht nur mehr Agilität in der Zusammenarbeit, sondern liefert auch rein physisch wahrnehmbare Vorteile: Die Mitarbeiter profitieren jetzt von hö-henverstellbaren Schreibtischen und von

Das passt!

Von Georg Frech

Die kreativsten Ideen von Innenarchitekten und Planern zur Bürogestaltung laufen ins Leere, wenn die neuen Räumlichkeiten nicht zum Unter nehmen passen. Die Markenberatung GMK ließ deshalb zunächst ihre Unter nehmens­kultur und die Arbeitsprozesse analysieren und richtete ihr neues Büro dann danach aus.

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Bürodrehstühlen, die sich mit wenigen Handgriffen in eine Stehhilfe verwandeln lassen“, so Müller über kleine, aber feine Details, die den Arbeitsalltag optimieren.

Telefoniert wird in der BoxDass viel Wert auf eine offene Kommu-nikation und ein positives Miteinander gelegt wird, drückt sich in der Raum-gestaltung aus: Großzügige Glaswände lassen die gesamte Bürofläche zu einem von Tageslicht durchfluteten offenen Ar-beitsraum werden. Die Besprechungsräu-me sind einsehbar und trotzdem schall-

geschützt. Wer ungestört telefonieren möchte, geht in die Telefonbox.

Transparenz war im gesamten Prozess-verlauf von großer Wichtigkeit. Projekt-team, Geschäftsführung, HR und Office Management waren stets in alle Schritte eingebunden, die Kollegen wurden regel-mäßig auf dem Laufenden gehalten, um die Identifikation zu stärken und notfalls kurzfristig Veränderungen einleiten zu können.

Trotz anders lautender Trends hat jeder Mitarbeiter noch einen eigenen Arbeits-platz. „Das war eine bewusste Entschei-dung, denn der feste Schreibtisch bietet

GEORG FRECH leitet die Akademie von König und Neurath.

Stabil/DynamischPrägt die Bereitschaft, sich auf neue Rahmenbedingungen einzustellen, die Arbeits kultur? Oder sind es be-währte Stärken und Erfahrungen?

Autoritär/DemokratischWie stark ausgeprägt sind Vertrauen oder Kontrolle? Wie ist der Umgang zwischen Mitarbeitern unterschied-licher Hierarchie stufen?

Getrennt/VerschmolzenWie stark verschmelzen Arbeits- und Privatleben miteinander? Wo und in welchem Rahmen findet die Arbeit statt?

Analog/DigitalWie ist das Ausmaß der Digita-lisierung und der Automatisie-rung in Arbeitsprozessen und Kommunikation?

Individualistisch/ GemeinschaftlichErreicht man Ziele eher gemeinsam? Oder prägen Wettbewerb und Einzelleis-tungen den Arbeitsalltag?

Kontrolliert/GestalterischSind Ideenreichtum und kreative Lösungsfindungen gefragt? Oder eher standar-disierte Arbeitsprozesse undKontrolle?

jedem Mitarbeiter ein Zuhause und stiftet Identität“, sagt Müller. Insgesamt sei die Mitarbeiterzufriedenheit spürbar gewach-sen, so die übereinstimmende Meinung der Verantwortlichen. Selbst wenn noch keine finale Auswertung existiert, sei das Feedback des GMK-Teams äußerst posi-tiv. „Unser liebster O-Ton stammt von unserem Geschäftsführer Hans Mei-er-Kortwig: Das Ergebnis ist der Ham-mer!“

Quelle: König und Neurath

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Führungsstil Agilität

Kreativität

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Arbeitskultur in sieben DimensionenEinheitlich/VielfältigWie steht es um den Grad der Diversität in einer Organisation?

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57Bürokonzepte: Ippolito Fleitz Group

Das Hauptquartier des Architekturbüros „Ippolito Fleitz Group“ ist in den vergangenen elf Jahren stark gewachsen. 2008 wurde zunächst eine Etage bezogen, heute erstreckt sich das Büro über drei Ebenen. Mit dem Umbau 2019 wurde jeder Ebene ein eigener Charakter verliehen. Das Erd­geschoss beispiels­weise gibt als Schau­fenster einen Einblick in die Möglich keiten neuer Arbeitswelten.

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Der „Para Vert“ ist eine Entwicklung der Produkt­designabteilung des Studios. Die grüne Wand ist modular erweiterbar und kann so zum raumhohen Raumteiler für das ganze Büro werden.

Sämtliche Arbeitsplätze des Studios sind als

Open Space realisiert. Umso wichtiger ist

ein breites Angebot an unterschiedlichen Besprechungssitua­

tionen. Räume für das konzentrierte Arbeiten gehören genauso dazu

wie Sitzgruppen mit entspannter, wohnlicher

Atmosphäre.

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59Bürokonzepte: Ippolito Fleitz Group

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Die Küche mit der ange­schlossenen Bibliothek im ersten Obergeschoss ist der zentrale Treffpunkt. In den Lounger­Sesseln kann man sich für Gesprä­che zurückziehen.

Die Arbeitsplätze verteilen sich über drei Etagen. Verbun­

den werden die drei Ebenen durch Wendeltreppen, die sich in der Küche treffen und diese

zum kommunikativen Kern des Büros machen.

Steckbrief des Unternehmens

Firma: Ippolito Fleitz Group – Identity ArchitectsSitz: StuttgartBaujahr des Gebäudes: ca. 1900Raumplanung: Ippolito Fleitz GroupZur Verfügung stehende Fläche: 1.060 m2

Anzahl der Mitarbeiter: 60Tätigkeiten in den Räumen: Das Head Office ist die kreative Zentrale des Unternehmens. Neben den interdisziplinären Entwurfteams ist hier auch das „Material Lab“ angesiedelt, ein hauseigenes Forschungslabor, um für Kunden die perfekte Materialwelt zu kreieren.

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Wir werden in cognitiven Umgebungen arbeiten

Die Autonomie bei der Wahl von Arbeits-ort und Arbeitszeit wird weiter zunehmen. Menschen werden aus einer Vielzahl von Arbeitsorten und somit auch Arbeitsplät-zen auswählen. Der Arbeitsplatz im Büro, sei er nun ein Arbeitsplatz im Corporate Office, in einem Coworking Space oder in einem Innovationslabor wird sich gegen-über heute deutlich unterscheiden. Wir werden in cognitiven Umgebungen arbei-ten, die unsere Produktivität und unser Wohlbefinden messbar verbessern. Ar-beitsplatznahe Sensoren, zum Beispiel in der Möblierung oder in Leuchten, erfassen Temperatur, Luftqualität und Geräuschpe-gel und sorgen für optimale Bedingungen für die jeweilige Tätigkeit, zum Beispiel Konzentration, Kreativität oder Rekrea- tion. Was benötigt wird, lesen entsprechen-de Systeme aus unseren Terminplanern aus und verknüpfen diese mit unseren in-dividuellen Bedarfen und Dispositionen.

Das mag abschreckend klingen, aber der Erfolg hängt natürlich von der Sicherheit und dem Umgang mit den erfassten Daten ab. Solange der Einzelne die Autonomie über seine Daten behält, werden solche Umgebungen Anklang finden. Räume wer-den durch digitale Technologien adaptiv und individuell. Hier liegt noch eine Men-ge Potenzial. Auch die räumliche Struktur wird sich verändern, wir werden zwar nicht zurück in die Zelle gehen, aber der Anteil an flexibel genutzten Räumen für Rück-zug wird steigen. Für diese Entwicklung spricht, dass wir zukünftig auch über Spra-che mit unseren Anwendungen interagie-ren und wir Ideen und Konzepte in einem „Deep-Work-Modus“ vorantreiben, um diese dann aber immer wieder kollektiv in offeneren, agilen Bereichen miteinander zu reflektieren und zu verknüpfen. Dr. Stefan Rief, Institutsdirektor und Leiter des Forschungsbereichs Organisationsentwicklung und Arbeits-gestaltung am Fraunhofer-IAO.

Der Arbeitsort Büro bekommt integrierende Funktion Algorithmen und Assistenzsysteme wer-den uns einen Teil unserer Arbeiten ab-nehmen. Das ist gut so, denn die freiwer-

dende Zeit werden wir dringend brauchen, um uns auf andere Aufgaben zu konzen-trieren. Kunden erwarten zunehmend in-dividualisierte Produkte und Kauferleb-nisse. Diese gilt es zu organisieren und zu inszenieren, am besten in Teamarbeit. Spätestens dann ist Vernetzung über die Unternehmensgrenzen hinaus gefragt. Wir sind zuversichtlich, dass wir hierfür in ein paar Jahren auf Kommunikationstechno-logien zurückgreifen können, die einem persönlichen Gespräch näher kommen als die heutigen Videokonferenzsysteme. Dennoch werden Meeting- und Work-shopräume eine noch größere Bedeutung

Arbeitsplatz 2030 Digitalisierung, Entgrenzung, Robotisierung –

alles bereits da. Doch wie geht es weiter? Vier Experten aus Wissenschaft und Praxis stellen ihre Vision der zukünftigen Arbeitswelt vor.

„Die größte Heraus­forderung wird sein, Unter nehmens werte er lebbar zu machen.“Hendrik Hund

„Sensoren werden unser Wohl befin­den am Arbeitsplatz verbessern.“Dr. Stefan Rief

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Ausblick 61

kräfte, die ergebnis- und nicht präsenz-orientiert führen. Diejenigen, die noch standardisierte Tätigkeiten ausführen, müssen über Gamification sowie materiel-le und immaterielle Anreize „bei Laune“ gehalten werden. Die mentale Gesundheit einer demografisch gewan delten Beleg-schaft wird das höchste Gut sein. Prof. Dr. Volker Nürnberg, Partner BDO

Es wird mehrere Arbeitswelten geben Es wird 2030 nicht eine einzige Arbeits-welt geben. Menschen werden vielmehr in ganz unterschiedlichen Konstella-tionen arbeiten. Nach unseren Studien kristallisieren sich mehrere Arbeitsum-gebungen heraus. Das ist zum einen die Arbeitswelt des Activity-based Working für Menschen, die auf dem festen Cam-pus eines Unternehmens arbeiten wollen und von digitaler Technologie wie smar-ten Raumkonzepten und intelligenten, sprachgesteuerten Systemen als Assisten-ten umfassend unterstützt werden. Auch das Work and Play Setting wird in Ver-bindung mit agilem Arbeiten an Bedeu-tung gewinnen, insbesondere in kreativen Unternehmensbereichen, wie Forschung

erlangen. Ein Wunsch wäre, dass mehr Unternehmen ihre Räume mit anderen teilen und so für alle mehr Flexibilität er-möglichen. Ob das gelingt, bleibt offen. Si-cher ist, dass der Arbeitsort Büro über die reine Bereitstellung von Arbeitsplätzen hinaus auch eine integrierende Funktion haben wird. Dieses Potenzial werden wir stärker nutzen, denn die größte Heraus-forderung in Zeiten des technischen und gesellschaftlichen Umbruchs besteht ver-mutlich darin, Unternehmenswerte erleb-bar zu machen. Damit werden sowohl die Nachhaltigkeit der Büroarbeitsplätze als auch das Gesundheitsmanagement eine stärkere Rolle spielen. Schon heute gibt es die Möglichkeit, Drehstühle, höhen-verstellbare Tische, Beleuchtungs- und Klimasysteme mit Sensoren auszustatten, die die Nutzer aktiv ansprechen, wenn es beispielsweise Zeit ist, sich zu bewegen. Noch ist die Büroausstattung als Personal Coach ein Exot, aber diese Systeme wer-den sich etablieren.Hendrik Hund, Vorsitzender des Industrie -verband Büro und Arbeitswelt e. V. (IBA)

Der neue Kollege könnte ein Roboter sein Die Rahmenbedingungen der New Work sind für die Mitarbeiter heterogen und disruptiv: Der neue Kollege könnte ein Roboter sein, der mittels künstlicher Intelligenz und Big Data ständig dazu-lernt. Der Mensch ist nicht mehr der Aus-führende, sondern der Überwachende. Die bisherige Orientierung fester Hier-archien gibt es nicht mehr, stattdessen gewinnen die Vuca-Welt (Volatilität, Un-sicherheit, Komplexität, Mehrdeutigkeit) sowie die digitale Transformation we-sentlich an Bedeutung. Zeit-, Selbst- und das Management der eigenen Gesund-heit obliegen den Angestellten, Peer-to-Peer tritt an die Stelle von autoritärer Führung. Führungskräfte werden zu Feel-Good-Managern, die den Mitarbei-ter aus der Ferne oder gar nur virtuell begleiten. Privat- und Berufsleben ver-schmelzen. Aus Perspektive der Gesund-heit werden Ruhephasen immer wichti-ger, in denen sich der Arbeitnehmer vor einem kommunikativen 24-Stunden-On-line Overkill schützen und Kraft für volle Leistungsfähigkeit tanken kann.

Hauptfaktoren für gesunde Arbeit sind demnach Selbstbestimmung einer sinn-vollen Arbeit und empathische Führungs-

und Entwicklung, unternehmensinternen Inkubatoren oder bei agil arbeitenden Einheiten. Es integriert Arbeit und Spiel, um über spielerisches Lernen, Experi-mentierfreudigkeit der Mitarbeiter und innovative, ausgefallene Lösungen eine „kreative Kettenreaktion“ freizusetzen. Virtual und Augmented Reality sowie 3D- oder 4D-Technologien werden diese Arbeit unterstützen.

Und schließlich wird es eine Arbeits-welt außerhalb von Unternehmen geben, die zumeist in der privaten Sphäre der Arbeitenden stattfinden wird. Mitarbei-ter, die sich in diesem Arbeitskontext des Smart Living & Working bewegen, können diesen entweder zum Arbeiten von zu Hause im Rahmen von Arbeits-platzflexibilisierung oder als Freiberufler nutzen. E-Lancerplattformen werden der Schlüssel für Angebot und Nachfrage von Arbeit in dieser Arbeitswelt sein, intelli-gente virtuelle Avatare werden die Prä-senz der arbeitenden Personen in einem Unternehmen, bei Kunden oder auf Platt-formen verstärken.Prof Dr. Dr. Ruth Stock-Homburg, Professorin für Marketing und Personal-management an der TU Darmstadt und Gründerin des Leap-in-time-Labors.

„Activity Based Working, Work and Play Setting, Smart Living and Working sind drei der zukünftigen Arbeitswelten.“ Prof. Dr. Ruth Stock-Homburg

„Führungskräfte werden zu Feel­Good­Managern.“Prof. Dr. Volker Nürnberg

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Gute Arbeit braucht eine gute Basis. Denn wer sich am Arbeitsplatz wohl-fühlt, wird nicht nur bessere Leistungen erbringen können, sondern auch dem Unternehmen länger treu bleiben. Um die Arbeitgeber, die ihren Mitarbeitern optimale Bedingungen zur Arbeit bieten, ins rechte Lampenlicht zu rücken, hat sich die Arbeitgeber-Bewertungsplatt-

form kununu gemeinsam mit dem In-dustrieverband Büro und Arbeitswelt e. V. (IBA) nun zum zweiten Mal auf die Suche nach den „Best Workplaces“ in Deutsch-land, Österreich und der Schweiz ge-macht.

Damit auch bei der Bewertung der Ar-beitsplätze die Basis stimmt, entscheidet über die Preisvergabe alleine das Voting

der Mitarbeiter. Sie waren aufgerufen, im Rahmen einer Sonderbefragung auf der Arbeitgeberbewertungsplattform kununu anzugeben, wie wohl sie sich an ihren Büroarbeitsplätzen fühlen. Zur Beurteilung standen die Gestaltung von Arbeitsumgebung, Raum und Einrich-tung, die Qualität von Informations- und Kommunikationstechnologien sowie die

„Ach, ist es hierschön!“

Von Katharina Schmitt

Wer kann seinen Arbeitsplatz besser beurteilen als der Mitarbeiter selbst? Der Best Workplace Award zeichnet Arbeitgeber aus, die aus Sicht ihrer Mitarbeiter die schönsten und besten Büros bieten.

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Bedingungen für ungestörtes Arbeiten. Außerdem konnten sich die Mitarbeiter im Rahmen der regulären kununu-Be-wertung zu allgemeinen Kriterien wie der Arbeitsatmosphäre und dem Verhal-ten ihrer Vorgesetzten äußern.

Vorstellung der Sieger auf der Zukunft Personal Europe Teilgenommen an der Sonderbefragung haben rund 16.000 Arbeitnehmer aus über 9.000 Unternehmen. Insgesamt 500 Arbeitgeber konnten sich für den Wett-bewerb um den „Best Workplace Award 2019“ qualifizieren. Qualifizierungskrite-rien waren zum einen ein kununu-Score, der sich aus dem Durchschnitt aller be-werteten Kriterien ergibt, von mindestens 3,5 (auf einer Skala von null für „sehr schlecht“ bis fünf für „sehr gut“), zusätz-lich mussten auch die Arbeitsbedingun-gen mit mindestens 3,5 bewertet worden sein. Die jeweils zehn Bestbewerteten in den Kategorien kleine, mittelständische und Großunternehmen finden Sie im Überblick rechts. Wer unter den Nomi-nierten als Sieger hervorgeht, wird am 18. September 2019 auf der Fachmesse Zukunft Personal Europe in Köln bekannt gegeben. Gekürt werden jeweils die ersten drei Plätze innerhalb der einzelnen Kate-gorien. Auch ein Sonderpreis für die beste Arbeitsatmosphäre wird vergeben wer-den. Die Preisverleihung findet ab 15 Uhr auf dem Future of Work Campus statt.

Dr. Sarah Müller, Geschäftsführerin der kununu GmbH, die auf der Messe ge-meinsam mit Thomas Jünger, Geschäfts-führer des IBA, die Preisverleihung über-nehmen wird, betont die Bedeutung des Awards: „Unter dem Stichwort New Work können wir gegenwärtig eine neue Ar-beitskultur mit flexiblen Arbeitsplätzen in echter Wohlfühlatmosphäre erleben. In Zusammenarbeit mit dem IBA hat kunu-nu erneut die Unternehmen ausgezeich-net, die höchst attraktive Arbeitsplätze zur Verfügung stellen. Jenen Vorreitern ist bewusst, dass bei der Wahl des Arbeit-gebers zunehmend auch die Ausstattung des Büro-Arbeitsplatzes in den Blick ge-nommen wird – genau darum gehören sie ins Rampenlicht.“

Bei der Preisverleihung werden die An-forderungen an eine moderne Arbeits-platzkultur und die Möglichkeiten, diese in der Praxis umzusetzen, im Mittelpunkt stehen. In Videosequenzen gewähren die

Sieger einen Einblick in ihre Unterneh-mensphilosophie, Führungskultur und die konkrete Arbeitsplatzgestaltung.

Differenziertes Bild über die Arbeitsplatzgestaltung Die Auswertung der Beurteilungen, die auf der kununu Plattform abgeben wur-den, gibt ein sehr differenziertes Bild über die Arbeitswelt im deutschsprachi-gen Raum. Die Bewertungen reichen von: „Haus und Büro sind top!“ über „Hier wird Arbeiten so angenehm wie möglich gemacht“ bis hin zu „Sehr schlechte Be-lüftung“, „Wer hier arbeitet, kann in der Hölle Urlaub machen!“ oder „Kein Son-nenschutz, wir mussten Regale verschie-ben, um keinen Sonnenbrand an unserem Arbeitsplatz zu bekommen“.

Dabei zeigt sich, dass Mitarbeiter, die die Arbeitsplatzausstattung mit „sehr gut“ bewerteten, auch insgesamt über-durchschnittlich zufrieden mit ihrem Ar-beitgeber sind und diesen zu 90 Prozent weiter empfehlen. „Diese Ergebnisse be-stätigen, dass ein attraktives Arbeitsum-feld ein entscheidendes Kriterium zur Ge-winnung von qualifiziertem Fachpersonal ist“, erklärt Sarah Müller. Dieser Trend zeichnete sich schon in den Ergebnissen der IBA-/bso-Studie im Rahmen des New Work Order-Projekts ab: Für 62 Prozent der Befragten ist danach ein attraktiv ausgestatteter Arbeitsplatz ein wichtiges Auswahlkriterium bei der Jobsuche.

Wohlbefinden am Arbeitsplatz steigert die Produktivität Wie wichtig das Wohlbefinden am Ar-beitsplatz für die Produktivität der Mit-arbeiter ist, zeigt eine Online-Umfrage, die der IBA bereits Ende 2017 unter 1017 Beschäftigten durchführte: Damals zeig-ten sich 78 Prozent der Befragten über-zeugt, dass eine positive Arbeitsplatzge-staltung ihre Produktivität positiv beeinflusst. Das Fazit der Studienautoren: „Unternehmen, die in die Arbeitsumge-bung ihrer Mitarbeiter investieren, kön-nen von zufriedeneren und leistungsfä-higeren Mitarbeitern profitieren.“

Best Workplace Award – die NominiertenKategorie Kleine Unternehmen (bis 49 Mitarbeiter):• „J-IT“ IT-Dienstleistungs GesmbH• aubex GmbH • Diem Client Partner AG • elbstack GmbH • ELPLAN GmbH • K-Recruiting GmbH • karriere tutor GmbH • SCOOP Software GmbH • TEAM23 GmbH • X-Net Services GmbH

Kategorie Mittelgroße Unternehmen (50-249 Mitarbeiter):• ADITO Software GmbH • Bacher Systems EDV GmbH • COMATCH GmbH • Device Insight GmbH • LOVOO GmbH• MAS GmbH Tools & Engineering • Netcloud AG • Opacc Software AG • Streit Service & Solution GmbH & Co. KG• sum.como GmbH

Kategorie Großunternehmen (ab 250 Mitarbeiter):• AWK Group GmbH• Bank Gutmann Aktiengesellschaft• BMD Systemhaus GesmbH • Cisco Systems GmbH • DVAG Deutsche Vermögensberatung AG• inovex GmbH • iteratec GmbH • ONTRAS Gastransport GmbH • SVA GmbH // System Vertrieb Alexander

GmbH • tecis Finanzdienstleistungen AG

Sonderpreis für Design & Arbeits atmosphäre:• ADITO Software GmbH • Bacher Systems EDV GmbH • BMD Systemhaus GesmbH • DVAG Deutsche Vermögensberatung AG• Landes-Hypothekenbank Steiermark AG • LOVOO GmbH• M&M Software GmbH • SB Möbel Boss Online Shop

GmbH & Co. KG• Streit Service & Solution GmbH & Co. KG • TEAM23 GmbH

Die Siegerehrung findet am 18. Sep-tember ab 15.00 Uhr auf dem Future of Work Campus der Zukunft Personal Europe in Köln statt.

KATHARINA SCHMITT ist Redakteurin beim Personalmagazin und verantwort-lich für die Themen Neue Arbeitswelten, Vergütung und Benefits, bAV und BGM.

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Das Rathaus im Stühlinger der Stadt Freiburg im Breisgau wurde Ende 2017 eröffnet. Insgesamt 840 Mitarbeiter arbeiten in dem Verwaltungsgebäude, das seinen Energiebedarf über regenerative Quellen selbst deckt.Von Jelka Louisa Beule

Green Offices

for Future

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Nachhaltigkeit 65

Es gilt als erstes öffentliches Nettoplusenergiegebäude der Welt: Das neue Rathaus der Stadt Freiburg erzeugt mehr Energie, als es verbraucht – für ein Verwaltungsgebäude absolut un-gewöhnlich. Für seine Bauweise hat das Gebäude deshalb vor einem halben Jahr den Preis „Nachhaltiges Bauen“ bekommen. Die Auszeichnung wurde zum sechsten Mal gemeinsam von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) und der Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis vergeben. Das Freiburger Rathaus, das von Ingenhoven Architects aus Düssel-dorf entworfen wurde, nutzt erneuerbare Energiequellen zur Stromgewinnung, zum Heizen und zum Kühlen. Damit liegt der Primärenergiebedarf noch nicht einmal halb so hoch wie bei vergleichbaren modernen Bürogebäuden. Eine weitere Be-sonderheit ist die Lärchenholzfassade aus lokalen Hölzern, deren bewegliche Vertikallamellen mit Photovoltaik-Modulen bestückt sind – das erzeugt nicht nur Energie, sondern dient auch der Verschattung. DGNB-Präsident Professor Alexander Rudolphi lobte bei der Preisverleihung: „Das Freiburger Rathaus ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie öffentliche Gebäude einen Vorbildcharakter für die Umsetzung ökologischer und archi-tektonischer Standards haben können. Es integriert Lösungen, die zeigen, wie Bauherren und Architekten Themen wie Klima-schutz, Innovation und Baukultur in Einklang bringen können. Damit transportiert das Projekt auch eine wichtige Botschaft an alle politischen Handlungsträger: Gute und bewährte Beispiele sollten schneller zur Regel werden.“

Die Büro- und Arbeitswelt wird nachhaltiger Doch es sind nicht nur solche Leuchtturmprojekte, die von sich reden machen. Ganz generell kommt das Thema Nachhaltigkeit mehr und mehr im Bürobereich an. „Grundsätzlich lässt sich feststellen: Die Büro- und Arbeitswelt wird nachhaltiger“, konsta-tierten die Autoren der Studie „Green Office“ des Fraunhofer-In-stituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO bereits vor fünf Jahren. Aktuellere Zahlen gibt es nicht, aber in der Untersu-chung werden immer wieder Ausblicke auf die Zukunft gegeben. So sagten damals zum Beispiel 86 Prozent der befragten 150 Un-ternehmen, dass ihnen in den folgenden zwei bis drei Jahren die umweltfreundliche Gestaltung von Büroarbeit, Arbeitsplätzen und Infrastruktur wichtig sein werde. Das wäre eine Steigerung von 15 Prozent: Zum Zeitpunkt der Umfrage 2014 erklärten dies nur knapp drei Viertel der Befragten (71 Prozent). Ein anderes

Greta Thunberg im Büro – auch in der Arbeitswelt wird mehr auf Nachhaltigkeit geachtet. Zertifizierungen helfen dabei, Umweltfreundlichkeit in langfristig wirkende qualitätssichernde Standards zu verwan deln.

In diesem Segment ist noch ein enormes Markt-potential vorhanden. Unternehmen und vor allem Führungskräfte sind sich der Bedeutung von Nachhaltigkeit be - wusst. Trotz Inves ti tions - bereitschaft wurden umwelt freundliche Maß-nahmen allerdings noch nicht flächendeckend eingeführt. Studie Green Office, Fraunhofer IAO

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Beispiel: das Sparen von Papier. Bei der Umfrage 2014 sagten 17 Prozent der Unternehmen, dass sie bereits papierarm arbeiteten, 45 Prozent berichteten, dass sie dies teilweise täten. Weitere 21 Prozent erklärten, ein papierarmes Büro sei ihr Ziel: Sie wollten beispielsweise digitale Dokumentenmanagementsysteme in den folgenden zwei bis drei Jahren einführen. Dass die Zukunftsvi-sionen nicht an der Realität vorbeigehen, zeigt der Vergleich der 2014er-Studie mit der identischen Green-Office-Untersuchung des Fraunhofer IAO vier Jahre zuvor. Auch damals gab es ähnlich lautende Prognosen, und die 2010 genannten Ziele der Unter-nehmen waren 2014 größtenteils umgesetzt.

Zertifizierungen für nachhaltige BürogebäudeVerlässliche Hilfestellung bei der Beurteilung, ob gewisse Quali-tätsstandards für Nachhaltigkeit in der Arbeitswelt erfüllt sind, liefern Zertifizierungen. Das in Deutschland wohl bekannteste Zertifikat für umweltfreundliche Bürobauweise ist das Siegel der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB). Knapp 5.000 Objekte sind damit bereits ausgezeichnet worden. Bei der Zertifizierung wirtschaftliche, ökologische und städte-bauliche Qualitäten geprüft. Auch Aspekte wie thermischer Komfort und die Qualität der Innenraumluft fließen ein. Das DGNB-Gütesiegel wirft zudem ein besonderes Augenmerk auf die ökonomische Nachhaltigkeit eines Gebäudes: Die Kosten werden sowohl bei der Erstellung als auch im Betrieb der Im-mobilie betrachtet. Für nachhaltige Innenräume hat die DGNB vor zwei Jahren eine neue Variante ihres Zertifizierungssystems entwickelt. Es nimmt das Wohlbefinden der Gebäudenutzer in den Fokus, belohnt Angebote für die Mitarbeiter und betrachtet neu eingebrachte Baustoffe genauso wie die Möblierung der Räume. Bewertet werden hier auch Maßnahmen zur Steigerung des visuellen Komforts, etwa zur Blendfreiheit bei Tageslicht oder eine hohe Kunstlichtqualität. Belohnt wird zudem eine bewegungsfördernde Arbeitsplatzgestaltung.

Für öffentliche Bundesgebäude existiert in Deutschland ein eigenes Siegel: das Bewertungssystem „Nachhaltiges Bauen für Bundesgebäude“ (BNB). Neben den deutschen Systemen können Investoren ihre Gebäude auch nach internationalen Standards bewerten lassen. Bei LEED („Leadership in Energy and Environmental Design“) werden Kriterien wie Standort, effiziente Wassernutzung, Energie, Atmosphäre, Materialien, Ressourcen, Innenraumqualität, Innovation, Design und Re-gionalität untersucht. Die BREEAM-Methode („Building Re-search Establishment Environmental Assessment Method) ist das älteste Nachhaltigkeitszertifikat – es wurde 1990 in England entwickelt. In die Bewertung fließen unter anderem die Aspekte Gesundheit, Energie, Transport, Materialien, Landverbrauch und Verschmutzung ein. Es werden globale, lokale und gebäu-deinterne Auswirkungen über die gesamte Lebensdauer des Gebäudes betrachtet.

Bei der Umsetzung umweltfreundlicher Maßnahmen im Büro-bereich sehen Unternehmen allerdings auch Risiken, das haben die Fraunhofer-Studien gezeigt. Die Befragten nannten als Hemmnis an erster Stelle den erhöhten Investitionsaufwand. Dass sich Umweltschutz allerdings finanziell auch lohnen kann, zeigt eine Umfrage der DGNB unter Unternehmen mit nach-haltig errichteten Gebäuden: Sie berichteten mehrheitlich von Wertsteigerungen der Immobilien um durchschnittlich sieben Prozent. Etwa zwei Drittel der Befragten gaben an, dass sie die Zertifizierung als qualitätssicherndes Steuerungsinstrument nutzen. Ähnlich oft wurde die erhöhte Nachfrage von Investoren, Mietern und Kunden als Motivation genannt. Hinzu kommen Aspekte für die Mitarbeiter, etwa eine gesteigerte Produktivität und das Wohlbefinden. 80 Prozent erhoffen sich auch Marketing- und Imagevorteile.

Nachhaltige Büromöbel: Level-ZertifikatNachprüfbare Kriterien für die Beschaffung nachhaltiger Büromöbel liefert das neue Zerti-fizierungssystem LEVEL das von der European Office Furniture Federation (FEMB), der Dach-organisation der europäischen Büromöbelhersteller, entwickelt wurde. Das Zertifikat, das in drei Stufen vergeben wird, zeichnet europaweit Büromöbel aus, bei denen während des Produktions-prozesses lückenlos alle Nachhaltigkeitsstandards erfüllt wurden, die auch für die (öffentliche) Beschaffung gelten. Im Gegensatz zu anderen Produktzertifizierungssystemen werden hier nicht nur einzelne Aspekte der Nachhaltigkeit, sondern der gesamte Anforderungskatalog nach-haltigen Handels durch unabhängige, akkreditierte Prüfinstitute bewertet. Überprüft werden dabei neben der Materialauswahl der Produkte und deren Herstellung auch ihr Einfluss auf die Bereiche „Energie und Atmosphäre“ und „Gesundheit von Mensch und Ökosystem“ sowie die soziale Verantwortungsübernahme des Herstellers. Basis ist der erste ganzheitliche Nachhaltig-keitsstandard der European Office Furniture Federation (FEMB), der auf Basis internationaler Normen-Regelwerke akkreditiert wurde.

Weitere Infos: www.levelcertified.euwww.iba.online/arbeitsplatz-buero/nachhaltigkeit/level/

JELKA LOUISA BEULE arbeitet als freie Journalistin in Freiburg im Breisgau.

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VERLAG Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, Munzinger Straße 9, D-79111 Freiburg

Kommanditgesellschaft, Sitz Freiburg Registergericht Freiburg, HRA 4408 Komplementäre: Haufe-Lexware Verwaltungs GmbH, Sitz Freiburg, Registergericht Freiburg, HRB 5557, Martin Laqua Geschäftsführung: Isabel Blank, Sandra Dittert, Jörg Frey, Birte Hackenjos, Dominik Hartmann, Markus Reithwiesner, Joachim Rotzinger, Dr. Carsten Thies

Beiratsvorsitzende: Andrea Haufe Steuernummer: 06392/11008 Umsatzsteuer-Identifikationsnummer: DE 812398835

REDAKTION Reiner Straub (Herausgeber), Katharina Schmitt, Maxim Nopper-Pflügler E-Mail: [email protected]

REDAKTIONSASSISTENZ Brigitte Pelka, E-Mail: [email protected], Tel. 0761 8983-921

ABONNENTEN-SERVICE UND VERTRIEB E-Mail: [email protected], Tel. 0800 5050445 (kostenlos)

ANZEIGEN Dominik Castillo (verantwortlich)[email protected], Tel. 0931-2791-751

Thomas Horejsi [email protected], Tel. 0931-2791-451

Sven Gehwald [email protected], Tel. 0931-2791-752

Yvonne Göbel (Disposition)[email protected], Tel. 0931-2791-470

Haufe-Lexware Services GmbH & Co. KGUnternehmensbereich Media Sales, Niederlassung Würzburg

GRAFISCHES KONZEPT / ART DIREKTION / DESIGN zmyk.de

GRAFISCHE UMSETZUNG Kerstin Bertsch, Ruth Großer

DRUCK Senefelder Misset, Doettinchem

VERBREITUNG Das Sonderheft personalmagazin plus „Neue Arbeitswelten” ist eine gemeinsame Sonderveröffentlichung des Personalmagazins und des Industrieverbands Büro und Arbeitswelt (IBA). Es ist der Personalmagazinausgabe 9/2019 beigelegt (Auflage 31.000).

Aktuelle Information zu den Zeitschriften- und Online-Angeboten der Haufe-Gruppe finden Sie unter: www.haufe.de/mediacenter

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