Pluspunkte 5 2010
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Die hessische Chemie engagiert sich stark in der Ausbildung. Hier: Azubis bei Provadis.
Rund 200 Besucher kamen am 6. Oktober 2010 zum Forum Lernen3 nach Geln
hausen – darunter Fachkräfte aus Kindergärten, Schulen und Erwachsenen
bildung genauso wie Unternehmensvertreter und Bildungspolitiker.
Für einen Pädagogen sei es ein guter Tag, sagte Günter Frenz, Bildungsdezernent
des Main-Kinzig-Kreises, bei seiner Begrüßung. Gemeinsam mit Dr. Karsten Rudolf,
Geschäftsführer der Bildungspartner Main-Kinzig (BiP), und Dr. Axel Schack, Haupt-
geschäftsführer der HessenChemie, freute er sich über die hohe Teilnehmerzahl. Denn
das Thema, da waren sich die Gastgeber einig, kann in seiner Dringlichkeit gar nicht
hoch genug eingeschätzt werden. „In den nächsten fünf Jahren entscheiden wir über
die Zukunft unseres Landes“, so Schack. „Wir müssen Strukturen schaffen, die das
Lernen in allen Lebensphasen unterstützen.“ Nur so könne man den Herausforde-
rungen einer alternden Gesellschaft begegnen. Und genau deshalb, ergänzte Rudolf,
wolle man hier Werbung machen für lebenslanges Lernen.
Liebe Mitglieder, liebe Leserinnen und Leser,
die chemische Industrie
hat große Anstrengungen
unternommen, um ihre
Mitarbeiter auch in der
Wirtschaftskrise in den
Unter nehmen zu halten.
Das ist weitgehend ge
lungen. Doch nun stehen
wir vor der nächsten
Herausforderung: dem Fachkräfte
mangel. Bildung ist die Grundlage,
um hier gegen zusteuern.
Im Tarifvertrag „Zukunft durch Aus
bildung“ haben wir bereits 2003
ein wichtiges Fundament gelegt. 2008
haben wir mit dem Tarifvertrag „Lebens
arbeitszeit und Demografie“ dazu
beigetragen, Strukturen für lebens
langes Lernen in den Unter nehmen zu
verankern. Diese moderne Tarifpolitik
verschafft uns einen Wettbewerbsvorteil
gegenüber anderen Branchen.
Und dennoch stehen wir erst am An fang.
Deshalb freue ich mich, dass wir beim
Forum Lernen3 ausführlich über „Lebens
langes Lernen“ diskutieren konnten.
Ihr
Dr. Axel Schack
und das Team der HessenChemie
editorial
Der Newsletter der HessenChemie / Nr. 5 / Oktober 2010
PluspunkteDie richtige MethodeVielfältiges Lernen: Workshops gaben
qualifizierte Hilfestellung für Eltern, Lehrer
und andere Lernbegleiter Seite 4
Forum Lernen3
Der Kampf um die Talente
Fortsetzung Seite 2
Lernort UnternehmenDie Weiterbildung von Mitarbeitern
braucht eine klare Struktur und
fachliche Begleitung Seite 3
© Provad
is
Die einzelnen Phasen eines solchen
andauernden Lernprozesses fokussier-
ten zunächst drei Vorträge im Plenum.
Am Nachmittag standen Workshops mit
Praxis beispielen auf dem Programm.
Dr. Hans-Peter Klös, Geschäftsführer
des Instituts der deutschen Wirtschaft
Köln (IW), sprach über „Bildung in der
zweiten Lebenshälfte“ (siehe unten ste-
hendes Interview). Professorin Susan
Seeber von der Universität Göttingen
schloss Über legungen zu frühkindlicher
und schulischer Bildung an. Frühkind-
liche Bildung, so Seeber, habe positive
Effekte auf das gesamte Leben, unter
anderem auf lern- und arbeitsrelevante
Einstellungen wie Durchhaltevermögen,
Motivation und die Fähigkeit zur Selbst -
regulation. Interessant zudem ihre Fest-
stellung, dass tendenziell mehr junge
Frauen als junge Männer gut ausgebildet
seien. Für die Zukunft könne das heißen,
dass Frauen beim Ansteuern gegen den
Fachkräftemangel eine größere Rolle
spielen. „Das wiederum würde bedeu-
ten, dass Unternehmen in Bezug auf
die Vereinbarkeit von Familie und Beruf
ihre Anstrengungen noch verstärken
müssen“, sagte Seeber.
Brigitte Geldermann, ehemalige Leiterin
des Projektbereichs Weiterbildung am
Forschungsinstitut Betriebliche Bildung
in Nürnberg, thematisierte die Weiter-
bildung außerhalb der klassischen Bil-
dungseinrichtungen. Den Unternehmen,
die selbstgesteuer-
tes Lernen ihrer
Mitarbeiter fördern
und für sich nutzen
wollen, empfahl sie:
eine lern freund -
liche Arbeits um -
gebung schaffen,
Lernen und Arbeit
miteinander ver-
zahnen und das
Ganze durch eine
Lernberatung be-
gleiten. Zudem sei
es wichtig, den
Lernbedarf des Mit -
arbeiters ebenso
wie den des Unter nehmens genau zu
ermitteln, Lernziele zu vereinbaren und
die Lernschritte mit einer Evaluation zu
verknüpfen.
Solche Expertentipps sollten Unterneh-
men bei ihren Planungen berücksich-
tigen – denn beim künftigen Kampf
um die Talente werden sie alle Register
ziehen müssen.
Die zweite Hälfte Drei Fragen an Dr. HansPeter Klös, Institut der deutschen Wirtschaft Köln
Alle sprechen von frühkindlicher Bildung – warum richten Sie Ihren
Fokus gerade auf Weiterbildung für Ältere? Der Stellenwert von frühkindlicher Bildung ist völlig unbestritten. Doch
Unternehmen wie Beschäftigte müssen sich die „zweite Lebenshälfte“ weit
stärker als bisher als Handlungsfeld für Bildungsmaßnahmen erschließen.
Hier gibt es noch ein großes Potenzial zu heben. In Zeiten des Fachkräfte
mangels ist es wichtig, dass qualifizierte Mitarbeiter länger im Unter
nehmen gehalten werden können, und dafür ist Bildung eine elementare
Voraussetzung – wenn sie mit einer Anwendung des zusätzlich erworbenen
Wissens im Prozess der Arbeit verbunden ist.
nachgehakt:
1
Fortsetzung von Seite 1
Partner in Projekten und beim Forum Lernen3: Dr. Axel Schack (HessenChemie) und Dr. Karsten Rudolf (BiP MainKinzig).
Dr. HansPeter Klös ist Geschäftsführer des IW Köln und leitet dort den Bereich Bildungs und Arbeitsmarktpolitik.
Unternehmen, die in der Weiterbildung zu messbaren Er
folgen kommen wollen, müssen strukturiert vorgehen und
über den aktuellen Bedarf hinausschauen.
Bildung nicht als Feuerlöscher, sondern als umfassendes
Brandschutzkonzept betrachten – dafür plädierten Brigitte
Geldermann (ehemals Forschungsinstitut Betriebliche Bildung,
Nürnberg) und Clemens Volkwein (HessenChemie) in ihrem
Workshop „Lernberatung und Lernbegleitung“. Unternehmen
brauchen dafür eine klare Struktur, so Geldermann. Sie riet
zu einer Kompetenz-Inventur: „Was ist an Kompetenzen vor-
handen? Was ist auf Basis der Unternehmensstrategie nötig?
Und welche langfristigen Qualifizierungsprojekte lassen sich
daraus ab leiten?“
Bei der Sick AG hat man sich diese Fragen gestellt, wie
Rudolf Kast (Sick-Geschäftsleitung) im Workshop zum „Lern-
ort Unternehmen“ darlegte. Der Hersteller von Sensoren und
Applikationslösungen hat eine lebensphasenorientierte Lern-
kultur etabliert, die bei den Jüngsten beginnt. Und das sind
bei Sick nicht die Azubis, sondern die Kinder der Mitarbeiter:
„Hausaufgabenbetreuung auf dem Firmengelände füllt nicht
nur Lernlücken, sie führt auch zu starker emotionaler Bin-
dung von Eltern und Kindern an das Unternehmen“, erläu-
terte Kast. Auszubildende sind ebenfalls in die Weiterbildung
eingebunden. Sie werden selbst zu Lehrenden und erklären
zum Beispiel älteren Kollegen Computerprogramme. Bei Sick
verpflichten sich alle Mitarbeiter zu lebenslangem Lernen
und bringen eigene Zeit dafür ein. Ein Rat von Kast: „Weiter-
bildungserfolge müssen für das Unternehmen messbar sein,
sie müssen in die Kennzahlen einfließen.“
Dass zum Lernerfolg auch qualifizierte Ausbilder gehören,
ergänzte Wolfgang Flechtker, Ausbildungsleiter der Heraeus
Holding in Hanau. Er legte den systemischen Ansatz von
Heraeus dar, bei dem der Dialog zwischen Ausbildern und
Azubis eine zentrale Rolle einnimmt.
Das Fazit von Workshopleiter Manfred Hoppe (HessenChemie):
„Das Thema ‚Lebenslanges Lernen’ ist so alt wie die Weiter-
bildungsdiskussion selbst. Aber die aktuelle demografische
Entwicklung stellt es auf ganz neue Weise scharf.“
Industrie 2008 abgeschlossen hat, bietet dafür
einen wegweisenden Rahmen.
Und die Binsenweisheit von Hans, der nimmer
mehr lernt, was Hänschen nicht gelernt hat –
die gilt nicht mehr?
Die sagt ja lediglich, dass bestimmte Inhalte mög
lichst früh im Leben gelernt werden sollten. Wenn
dazu auch die Erkenntnis gehört, dass uns das
Lernen ein Leben lang begleitet und dass jeder für
seine Weiterentwicklung in erster Linie selbst verant
wortlich ist, dann ist diese Weisheit topaktuell.
Wo müssen Unternehmen ansetzen? Welche
Optionen sehen Sie über die klassischen Weiter
bildungsmöglichkeiten hinaus?
Früher galt: Erst die Bildung, dann der Beruf. Heute
durchmischen sich diese Phasen permanent. Vollzeit
arbeit, Familienphasen mit Teilzeitarbeit, weiterführen
des Studium, Lernen im Prozess der Arbeit, all das kann
sich während eines Berufslebens mehrfach abwechseln –
und schafft unter anderem die Voraussetzung dafür,
dass Beschäftigte später in den Ruhestand gehen.
Auf diese Wechsel im Lebenszyklus muss Personal und
Weiterbildungspolitik ausgerichtet werden.
Der Tarifvertrag „Lebensarbeitszeit und Demografie“
etwa, den die chemische und kunststoffverarbeitende
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3
Scharf gestellt
Manfred Hoppe, Geschäftsführer HessenChemie, diskutierte über Weiterbildung in den verschiedenen Lebensphasen.
© Fazit D
esign
www.hessenchemie.de
Welche Chancen bieten unterschiedliche Lernmethoden?
Darüber sprachen die Besucher des Forum Lernen3 in praxis
orientierten Workshops.
Wer in einer Lerngruppe Ruhe haben will, sollte erst einmal
für Chaos sorgen. Denn aus einem solchen Chaos entsteht,
insbesondere bei kreativen Menschen, oft das Bedürfnis nach
Ordnung. Eine solche „paradoxe Intervention“ bewusst einzu-
setzen empfahl Wolfgang Endres vom Studienhaus am Dom in
St. Blasien. Der Pädagoge gab wertvolle Ratschläge für Lehrer
und Eltern als Lernbegleiter. Unter anderem erläuterte er vier
verschiedene Lernertypen – den Analytiker, den Kreativen, den
Systematiker und den Intuitiven – und die Lehrmethoden, auf
die sie besonders gut reagieren. Dass er seine Tipps auch in der
Praxis umsetzt, sah man an der lebendigen und humorvollen
Lernatmosphäre, die er in seinem eigenen Workshop weckte.
Ein paar Türen weiter ging es um das Web 2.0 in der Schule. Das
sei ein wahres Mitmachnetz, so Ralph Müller von der Frank-
furter Goethe-Universität. Der Lerner könne hier zum Gestalter
seines persönlichen Lernraums werden. Die Begleitung durch
einen Lehrer sei jedoch unbedingt angeraten.
Weitere Workshops befassten sich mit den Themen „Lern-
schwierigkeiten als Herausforderung annehmen“ sowie „Ge-
sund in der Kita“. Dabei stellte sich heraus, dass auch die
Großen in der Kita noch etwas zu lernen haben: An ihre eigene
Gesundheit denken Erzieherinnen oft zuletzt.
Wer Leistung will, muss Lernen fördern
Die Pflege von Angehörigen ist eines der großen Themen der
kommenden Jahre – auch für Unternehmen. Welchen Be-
lastungen sind pflegende Mitarbeiter ausgesetzt? Wie lassen
sich ihre Leistungsfähigkeit und ihr Know-how erhalten?
Welche Maßnahmen können Unternehmen zur Vereinbarkeit
von Beruf und Familie ergreifen? Antworten darauf erhalten
Mitgliedsunternehmen in dem Seminar „Vereinbarkeit von Pflege und
Beruf“ aus unserer Reihe „Im Dialog 2010“ am 6.12.2010. Weitere Informa-
tionen und Anmeldung unter www.hessenchemie.de.
Erscheinungsweise: 6 Ausgaben/Jahr
Auflage: 2.000
Redaktion: Jürgen Funk (v.i.S.d.P.),
Dr. Ute Heinemann (Sprache + Text, Frankfurt)
Layout: Q GmbH, Wiesbaden
Fotos: Roland Dieckmann
Internet: www.hessenchemie.de
Kontakt: Arbeitgeberverband Chemie und
verwandte Industrien für das Land Hessen e. V.
Abraham-Lincoln-Straße 24
65189 Wiesbaden
Telefon 0611 7 106-0
impressumTipp Das Bildungswesen in Deutschland hat sich in den letzten Jahren nach
Ansicht von Experten in vielen Punkten verbessert. Doch noch immer gibt es
erheblichen Handlungsbedarf, insbesondere bezüglich der Verfügbarkeit von
Fach kräften. Einen guten Überblick dazu bietet der Bericht
„Bildung in Deutschland 2010“, der in diesem Jahr im
Auftrag der Kultus ministerkonferenz erstellt wurde. Prof. Dr.
Susan Seeber, Refe rentin auf dem Bildungskongress Lernen3,
hat an diesem nationalen Bildungsbericht mitgewirkt.
Das Buch kostet 39,90 Euro und kann im Fachhandel oder
direkt beim W. Bertelsmann Verlag bestellt werden unter der
ISBN 978-3-7639-1992-5.
Zwischen sechs verschiedenen Workshops konnten die Teilnehmer wählen.