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Thierry Avice Sommersemester 2014 SEMINARARBEIT SE BAK12 Österreichische Politik Demokratie und Populismus Univ. Prof. Dr. Karl Ucakar Populismus und Europa: Die FN, die FPÖ und die Europäische Union

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Thierry Avice Sommersemester 2014

SEMINARARBEIT

SE BAK12 Österreichische Politik – Demokratie und Populismus

Univ. Prof. Dr. Karl Ucakar

Populismus und Europa:

Die FN, die FPÖ und die Europäische Union

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Inhaltsverzeichnis

Einleitung ................................................................................................................................... 3

I. Der Populismus in Europa .................................................................................................. 5

A. Die europäische Geschichte der FN und der FPÖ ........................................................... 5

B. Die heutige Wahldynamik der FN und der FPÖ ............................................................. 7

C. Analyse der Dynamik des (Rechts-)Populismus in Europa ............................................ 9

II. Ziele und Parteiprogramme ............................................................................................... 11

A. Die populistische Kritik zur EU .................................................................................... 11

B. Die populistische EU-Politik ......................................................................................... 14

C. Populistische Anziehungskraft und EU-Skeptizismus .................................................. 16

III. Die FN, die FPÖ und die Europawahl ........................................................................... 19

A. Die nationale Strategie der FN und der FPÖ ................................................................. 19

B. Die europäische Strategie der FN und der FPÖ ............................................................ 22

C. Europawahl 2014: Wahlergebnisse ............................................................................... 23

Fazit .......................................................................................................................................... 25

Literaturverzeichnis .................................................................................................................. 26

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Einleitung

Diese Arbeit ist im Kontext der Steigerung der WählerInnenschaften der zwei wichtigsten

französischen und österreichischen populistischen Parteien (Front National – FN- und

Freiheitliche Partei Österreichs – FPÖ) zu sehen. Man muss betonen, dass diese Arbeit im

Kontext der Europawahl 2014 verfasst wurde. Ziel dieser Studie ist es, die EU-Politik der FN

und der FPÖ besser zu verstehen. Was sind die populistischen Ziele innerhalb der

Europäischen Union? Mit der Studie der Geschichte, den Programmen und

Kommunikationstechniken dieser zwei Parteien will ich den Populismus als europäisches

Phänomen erklären.

Am Anfang dieser Seminararbeit muss ich die Hauptbegriffe meiner Studie definieren.

Was ist Populismus? J. Segal1 zufolge kennzeichnet sich der Populismus durch eine

besondere Art des Redens. Populistische Parteien benutzen einen leichtverstehbaren

Wortschatz, der eher emotionellen Reaktionen verursacht. Nach Margaret Canovan sei allen

Populismen der Bezug auf ein abstraktes, nicht näher definiertes Volk gemein. Die

„Volksnähe“2 der Partei (bzw. des Führers der Partei) wird zum politischen Maßstab. Partei

Der Populismus wird auch von dem sogenannten „Führerprinzip“ charakterisiert. Der

Führerkult ist eine wesentliche Komponente der populistischen Kommunikation.

Man muss auch betonen, dass linkspopulistische Parteien existieren – und als Beispiel

konnte man erwähnen, dass die „Front de Gauche“, im ersten Typ, eine linke Partei ist. Es

gibt aber eine wesentliche Unterscheidung zwischen dem Links- und dem Rechtspopulismus.

Laut J. Segal beruht der Rechtspopulismus auf die Idee der Exklusion und der Gewalt. Der

Linkspopulismus dagegen stützt sich auf die Idee der Solidarität und des Pazifismus. Die zwei

Arten des Populismus haben aber Gemeinsamkeiten: ein starker Anti-Elitarismus, eine

Personalisierung der Politik und eine Institutionsfeindlichkeit; die „gierige Eliten und

Einflüsse seien für Konflikte verantwortlich zu machen“. In diesem Zusammenhang ist es

leicht zu verstehen, warum die populistischen Parteien oft als „euroskeptische Parteien“

betrachtet werden.

Man muss den Begriff „Euroskeptizismus“ weiter erläutern. Wenn eine Partei als

euroskeptisch betrachtet wird, bedeutet es nicht, dass diese Partei grundlegend anti-europäisch

1 Gespräch mit Jérôme Segal, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geschichte an der Universität Wien, Thema „Populismus in Europa“, 24.03.14. 2 „Jetzt Populismus“, Politix, Zeitschrift des Instituts für Politikwissenschaft an der Universität Wien, Ausgabe 34, 2013.

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ist. In der Tat kann man nach der Entwicklung eines anderen institutionellen Systems in

Europa streben. Vielleicht sollte man eher den Begriff „EU-Skeptizismus“ verwenden.

Im Rahmen dieser Arbeit werde ich mich mit der Beziehung der rechtspopulistischen zur

Europäischen Union beschäftigen. Die rechtspopulistischen Parteien werden oft als

„rechtsextremen“ Parteien bezeichnet. Am Anfang Oktober 2013 hat aber Marine Le Pen

gemeldet, dass sie die Leute, die die FN als eine rechtsextreme Partei bezeichnen, gerichtlich

zur Verantwortung ziehen wird. Die FPÖ lehnt auch diese Benennung ab. Die „rechts-links“

Metapher einkalkuliert den Begriff des Populismus nicht. Hooghe, Marks und Wilson schagen

einer anderen politischen Entscheidung zwischen dem GAL3 (Grün, Alternativ, Liberal) und

dem TAN (Traditionell, Autoritär, National) System. Im Rahmen eines solchen ideologischen

Systems kann man das Phänomen des Populismus besser verstehen.

Warum ist es besonders interessant, die EU-Politik der rechtspopulistischen Parteien zu

analysieren? Interessant ist es zu betonen, dass die Eurokrise mit einem Krise der Legitimität

der EU-Institutionen gekoppelt ist. Nach einer Eurobarometer-Umfrage4 vertrauten 57% der

Europäer im Jahre 2007 die Europäische Union. Im Dezember 2013 vertrauten nur 31% der

Europäer die europäischen Institutionen. Man kann eine Korrelation zwischen dem Anbruch

(bzw. Zuspitzung) der wirtschaftlichen Krise der Europäischen Union und dem steigenden

Erfolg der populistischen Parteien in Europa beobachten. Wie lässt sich dieses Phänomen

erklären? Welche Lösungen schlagen die populistischen Parteien vor, um die Krise zu

überwinden?

Zuerst werde ich die FN und die FPÖ als populistische Akteure charakterisieren, und die

Beziehung dieser Parteien zu Europa betrachten. Anschließend werde ich die Kritik des EU-

Systems des Populismus analysieren und die von den populistischen Parteien vorgeschlagene

Alternative betrachten. Schlussendlich werde ich die Strategien der FPÖ und der FN während

der Europawahl 2014 beschreiben.

3 L. Hooghe, G. Marks, C. Wilson, Does left/right structure party positions on European integration, Comparative political

studies, Vol. 35 No. 8, Oktober 2002. 4 Die öffentliche Meinung in der EU, Erste Ergebnisse – Standard Eurobarometer 80, Herbst 2013,

http://ec.europa.eu/public_opinion/archives/eb/eb80/eb80_first_de.pdf, nachgeschlagen am 20.03.2014.

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I. Der Populismus in Europa

A. Die europäische Geschichte der FN und der FPÖ

Ich werde vor allem die EU-Politik der zwei wichtigsten rechtspopulistischen Parteien

Frankreichs und Österreichs betrachten: die FN (Front National) und die FPÖ (Freiheitliche

Partei Österreichs). Um das politische Verhältnis dieser Parteien gegenüber der Europäischen

Union zu verstehen, soll man die europäische Geschichte der FN und der FPÖ kurz

betrachten.

Am 28. Juli 2008 gab Jean-Marie Le Pen (der war damals der Vorsitzende der Front

National) eine Erklärung5 im Europäischen Parlament zur Ernennung von Nicolas Sarkozy als

Vorsitzende im Rat der Europäischen Union. Im Rahmen dieser Erklärung beschrieb er die

Beziehungen seiner Partei mit dem europäischen Projekt.

1957 hat Jean-Marie Le Pen gegen den Vertrag von Rom gestimmt. Damals war er noch

nicht der Vorsitzende der Front National, sondern Abgeordnete der Gruppe von Pierre

Poujade (die Poujadiste-Bewegung war eine populistische und demagogische Bewegung, die

der Front National voranging). Seit 1957 ist Jean-Marie Le Pen ein „entschlossener Gegner“

des europäischen Aufbauprozesses und vor allem des „machtlosen“ und „identitätslosen“

föderalistischen Projektes. In diesem Zusammenhang lehnt er das Projekt der Gründerväter

Europas, die (nach Jean-Marie Le Pen) Vereinigten Staaten von Europa strebt.

1972 wurde die Front National gegründet; Jean-Marie Le Pen wurde zum Vorsitzenden der

FN. Zwischen 1974 und 1982 fand die sogenannte „Durststrecke“ der Front National statt.

Paradoxerweise war die FN in der Europawahl 1984 für das erste Mal relativ erfolgreich. Mit

10.95% bei der Europawahl wurde die FN als Siegerpartei der Wahl betrachtet. Die FN wurde

zum vierten größeren Partei Frankreichs. Im Juni 1984 wurde Le Pen erstmals in

das Europaparlament gewählt. Bei den folgenden Wahlen zum Europaparlament der

Jahre 1989, 1994, 1999, 2004 und 2009 gelang ihm jeweils der Wiedereinzug. 2005 sprachen

sich Jean-Marie Le Pen und die Front National gegen den Vertrag über eine Verfassung in

Europa. Am 29. Mai 2005 kam es in Frankreich zu einem Referendum über den

Verfassungsvertrag. Schließlich lehnten die Wähler den Verfassungsvertrag mit einer

Mehrheit von 54,7 % (bei einer Wahlbeteiligung von 69,3 %) ab. Natürlicherweise lehnt die

FN den Lissaboner Vertrag ab.

5 Intervention de Jean-Marie Le Pen au Parlement européen, 26.07.2008,

http://www.youtube.com/watch?v=TlRR0cUsVa0, nachgeschlagen am 21.03.2014.

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1956 wurde die FPÖ von den Mitgliedern des ehemaligen VdU gegründet. „Wenn wir die

FPÖ und die EU betrachten, so fällt auf, dass beide fast gleichzeitig gegründet wurden. Die

FPÖ 1956, und die EWG als Vorläuferin der heutigen EU ein Jahr später, 1957“ betont

Andreas Mölzer6. Er fügt hinzu, dass „Eines der großen politischen Ziele der FPÖ seit ihrer

Gründung war es, nach den schrecklichen Erfahrungen der ersten Hälfte des vergangenen

Jahrhunderts, einen Beitrag zur europäischen Einigung zu leisten“.

1980 nahmen Norbert Steger und der pro-europäische Flügel der Partei die Führung der

FPÖ über. 1986 schaltete Jörg Haider Norbert Steger nach dem Parteitag in Innsbruck aus und

wurde Vorsitzender der Freiheitlichen. Interessant ist es zu betonen, dass das Liberale Forum

am 4. Februar 19937 gegründet wurde, als sich fünf Nationalratsabgeordnete von

der FPÖ abspalteten. Diese Abgeordnete kritisierten das von J. Haider vorgeschlagene

„Österreich zuerst“ Volksbegehren (der Slogan „Österreich zuerst“ wurde zum

wiederkehrenden Motto der blauen Ideologie – beispielsweise wurde er als Slogan der EU-

Wahlen 2009 und 2014 verwendet). In der Tat fuhr Jörg Haider eine ausländerfeindliche

Politik, deren Symbol dieses im Jahre 1993 stattgefundene Volksbegehren ist. 1994 sprach

sich die FPÖ gegen den EU-Beitritt Österreichs aus8.

2000 fand es die dritte Regierungsbeteiligung der FPÖ (Koalition FPÖ-ÖVP) statt; als

Reaktion darauf verabschiedete die Europäische Union die sogenannten „EU-Sanktionen

gegen Österreich“. Diese sogenannten „Sanktionen“ bestanden in einer Reduktion der

bilateralen Beziehungen auf Regierungs- und diplomatischer Ebene gegenüber der

österreichischen Regierung. Laut Anton Pelinka war es ein Erfolg der Regierung Schlüssels,

„dass über diese Maßnahmen heute unter dem Schlagwort Sanktionen diskutiert wird“9. Diese

„Sanktionen“ wurden von der FPÖ als eine Bedrohung für die Demokratie beschrieben.

Barbara Rosenkranz10

vergleicht diese „Sanktionen“ mit dem Vetorecht des österreichischen

Kaisers, der die gewählten Parteien des Reiches ablehnen könnte. Letztlich wurden diese

Maßnahmen aufgehoben.

In Österreich beschloss der Nationalrat den Vertrag über eine Verfassung für Europa am

11. Mai 2005 mit überwältigender Mehrheit; lediglich eine Abgeordnete (Barbara

6 A. Mölzer, 13.02.14, Die FPÖ und Europa, http://www.andreas-moelzer.at/index.php?id=62, nachgeschlagen am

12.03.2014. 7 LIF- Liberales Forum, Wissenwertes, http://www.wissenswertes.at/index.php?id=lif.

8 EU-Beitritt Österreichs, Demokratiezentum, 03/2014, http://www.demokratiezentrum.org/wissen/wissensstationen/eu-

beitritt-oesterreichs.html, nachgeschlagen am 21.03.2014. 9Als Österreich der Buhmann der EU war, Der Standard, 21.01.2010, http://derstandard.at/1263705581215/EU-Sanktionen-

Als-Oesterreich-der-Buhmann-der-EU-war, nachgeschlagen am 21.03.2014. 10

In C. P. Wieland (Hrsg.), Österreich in Europa, Amalthea, 2001, Wien.

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Rosenkranz, FPÖ) stimmte dagegen. 2005 war noch die FPÖ in der Regierungskoalition mit

der ÖVP (Bundesregierung Schlüssel II). In diesem Zusammenhang kann man sagen dass die

protestierende bzw. populistische Dimension der FPÖ damals geringer als heute war. Aber ab

2006 kritisierte die FPÖ von Heinz-Christian Strache die „EU-Wahnsinn“11

.

Die FPÖ wandte sich gegen den Vertrag von Lissabon; 2010 brach die FPÖ

Verfassungsklage gegen Vertrag von Lissabon ein.

B. Die heutige Wahldynamik der FN und der FPÖ

Der Anfangspunkt dieser Arbeit ist die Feststellung einer steigenden Wahldynamik und

einer steigenden Vermarktung durch die Medien dieser zwei Parteien.

Marine Le Pen (die heutige Vorsitzenderin der FN) hat für die Präsidentschaftswahl 2012

18.3% der WählerInnen zusammengetrieben (das war ein historisches Wahlergebnis). Im

Oktober 2013 hat der Front National einen großen politischen Erfolg gehabt, da er in

Brignoles (für die kantonalen Wahlen) am 13.10.13 als Siegerpartei des Wahlkampfes

hervorging.

Die FN ging auch bei den Kommunalwahlen von März 2014 als Siegerpartei hervor, als sie

die Wahl in 14 Städten mit mehr als 9000 Einwohnern gewann. Am 23.03.2014 verkündete

Marine Le Pen „das Ende der Polarisation des politischen Lebens Frankreichs12

“. Nach den

Kommunalwahlen beschrieb Florian Philippot die Front National als „größte Partei

Frankreichs“13

. Diese Analyse wird aber umstritten: Laut Dominique Reynié bleibt die

Enthaltung eine wesentliche Erklärung des populistischen Erfolgs. Im Gegensatz zu den

Anhängern der „herkömmlichen“ Großparteien neigten die populistischen Wähler nicht zur

Enthaltung: die Proportion der populistischen Wähler in den abgegebenen Stimmen steigt also

mechanisch. D. Reynié betont auch14

, dass das populistische Angebot stark gestiegen ist: 2008

wurden 190 Kandidatenlisten aufgestellt; im März 2013 wurden 597 Kandidatenlisten

aufgestellt! Wenn das politische Angebot steigt, steigen auch die Wahlergebnisse.

11

Peter Muzik, WirtschaftsBlatt Kommentar vom 25.2.2006: Volksbegehren: Stoppt den FPÖ-Wahnsinn!, 24.02.2006, http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20060224_OTS0202/wirtschaftsblatt-kommentar-vom-2522006-volksbegehren-stoppt-den-fpoe-wahnsinn-von-peter-muzik, nachgeschlagen am 12.04.2014. 12

1er tour des municipales : Marine Le Pen proclame "la fin de la bipolarisation de la vie politique", 23.03.2014, Le Point, http://www.lepoint.fr/municipales-2014/1er-tour-des-municipales-marine-le-pen-proclame-la-fin-de-la-bipolarisation-de-la-vie-politique-23-03-2014-1804398_1966.php, nachgeschlagen am 24.03.2014. 13

Le FN se voit déjà en premier parti de France, Le Figaro, 15.04.14, http://www.lefigaro.fr/politique/2014/04/15/01002-20140415ARTFIG00041-le-front-national-se-voit-deja-en-premier-parti-de-france.php, nachgeschlagen am 16.04.14. 14

Dominique Reynié, Populisme : la pente fatale, Plon, 2011.

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Marine Le Pen möchte die Europawahlen und die kurz davor stattfindenden

Kommunalwahlen zu einem Sprungbrett für ihre Präsidentschaftskandidatur nützen15

. Vor

den Europawahlen wurde die Front National als Favorit in den Umfragen (mit 24% der

abgegebenen Stimme) gehandelt16

.

Während der Nationalratswahl, die im September 2013 stattfand, hat Heinz-Christian

Strache 20.51% der WählerInnen zusammengetrieben – und die FPÖ wurde als Siegerpartei

der Wahl betrachtet17

. Am 22.03.2014 beschrieb die Zeitung „Österreich“ die FPÖ als der

Favorit der Europawahlen18

(mit 24% der Stimme).

Die populistischen Ideen der FPÖ werden durch „Boulevardzeitungen“ auch vermittelt.

Laut Fritz Plasser sei Österreich eine „Boulevard-Demokratie19

“. Nach Plasser prägten diese

Zeitungen die öffentliche Meinung. Es ist interessant zu betonen, dass diese Zeitungen starke

Emotionen hervorrufen. Populismus und Massenmedien haben ein enges Verhältnis

zueinander, sofern sie sehr oft dieselben Kommunikationstechniken verwenden:

„Personalisierung, Komplexitätsreduktion der Wahlen, Dramatisierung und

Emotionalisierung“20

. Diese Bedeutung der Boulevardpresse sei ein Charakteristikum des

politischen Lebens Österreichs. Die Boulevardpresse hat in Frankreich eine geringere

Bedeutung.

Jérôme Segal betont den Einfluss der „herkömmlichen“ Parteien in dem Erfolg des

Populismus. In der Tat machen sich diese Parteien aus wahltaktischen Gründen einige

populistischen Ideen zu eigen. Zum Beispiel sei die Politik vom Präsidenten Sarkozy

gegenüber den Roma in Frankreich eine Ursache für den politischen Aufstieg von Marine Le

Pen. Laut D. Reynié hat auch François Hollande während dem Präsidentenwahlkampf 2012

eine populistische Kommunikation verwendet, als er die internationale Finanzwelt als seinen

„größten Feind“ beschrieb21

.

15

EU-Wahlen: Die nationalistische Internationale unter Führung der FPÖ, Profil, nachgeschlagen am 18.03.14, verfügbar unter http://www.profil.at/. 16

Un sondage donne le FN en tête aux élections européennes, Les Echos, 15.04.2014, http://www.lesechos.fr/economie-politique/politique/actu/0203445934894-un-sondage-donne-le-fn-en-tete-aux-elections-europeennes-664932.php, nachgeschlagen am 15.03.2014. 17

„FPÖ wird als Sieger gesehen, aber das macht wenige froh“, Der Standard, 12/13.10.13. 18

FPÖ: Ihr Umfrage-Geheimnis, Österreich, 22.03.2014, http://www.xn--sterreich-z7a.at/nachrichten/FPOe-Ihr-Umfrage-

Geheimnis/136978597, nachgeschlagen am 24.03.2014. 19

Fritz Plasser, Politik in der Medienarena: Praxis politischer Kommunikation in Österreich, facultas.wuv, 2010. 20

„Jetzt Populismus“, Politix, Zeitschrift des Instituts für Politikwissenschaft an der Universität Wien, Ausgabe 34, 2013. 21

François Hollande, Discours du Bourget, Campagne présidentielle 2012, 22 janvier 2012, verfügbar unter http://www.youtube.com/watch?v=up62HaC6cFI, nachgeschlagen am 16.04.2014.

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C. Analyse der Dynamik des (Rechts-)Populismus in Europa

Der Aufstieg des Populismus ist keine österreichische bzw. französische Spezifizität: man

kann beispielsweise an die Partei „Chrysi Avgi“ („goldene Morgendämmerung“) in

Griechenland, an die Partei „Jobbik“ in Ungarn, oder an die „Alternative für Deutschland“

denken. Die Wurzeln dieses Phänomens kann man seit den 1980en Jahren beobachten. Diese

globale politische Entwicklung kann man mit dem Begriff der „politischen Kultur“ erklären.

Gabriel Almond und Sidney Verba22

definieren die politische Kultur als ein „Muster

subjektiver Orientierungen gegenüber Politik innerhalb einer ganzen Nation oder ihre

Teilgruppe“. Dieses Instrument ist also sehr interessant um die Entwicklung des Populismus

beziehungsweise der neuer sozialen Bewegungen (wie z. B. die Besetzungsbewegungen) zu

verstehen. Die Grundlage der Legitimitätskrise der politischen Eliten sei die Entwicklung, im

Rahmen der Entfaltung der postindustriellen Gesellschaft, der individuellen und kollektiven

Werte der Staatsbürger. Bemerkenswert sei vor allem die Bestärkung der säkularen

Staatstheorie und der „self-expression values“23

. Das alte politische Verständnis wurde infrage

gestellt.

Ein besonderes Merkmal dieser Entwicklung ist das „de-alignement“ gegenüber den

politischen Parteien (und die Schwächung der Mitgliederparteien). Das Ende der

Parteienkonzentration in Österreich (das Ende der Hegemonie der großen Koalition seit den

1980er Jahre) ist ein gutes Beispiel für dieses „de-alignement“ der Bürger. In Österreich wird

dieses Phänomen mit einer Kritik des Proporzes verkoppelt.

Das Entstehen eines erfolgreichen Rechtspopulismus könnte eine Konsequenz der

Entwicklung der politischen Kultur sein. Aber nicht nur der Populismus entfaltet sich,

sondern auch neue Formen von sozialen Bewegungen, die die traditionelle repräsentative

Demokratie ablehnen.

Dominique Reynié analysiert den europäischen Populismus als ein langfristiges politisches

Phänomen. Dieses politische Phänomen erklärt er mit Hilfe demografischer Variablen. Die

Überalterung der Bevölkerung bzw. der Bevölkerungsrückgang erklärte eine gewisse

22

G. Almond, S. Verba, The Civic Culture: Political Attitudes and Democracy in Five Nations, SAGE, 1989. 23

R. Inglehart, C. Welzel, Political Culture, in D. Caramani, Comparative Politics, 2. Auflage, New York: Oxford University Press, S. 311-330, 2011.

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Verbundenheit mit traditionellen Werten – und dadurch die Entwicklung des „TAN24

(Traditionell, Autoritär, National) ideologischen Systems (siehe oben).

Nach Dominique Reynié sei die Angst vor Globalisierung eine wesentliche Ursache des

populistischen Erfolgs. Die populistischen Parteien versuchen, die Angst der Bevölkerung vor

den negativen Auswirkungen gesellschaftlichen Wandels und globalwirtschaftlichen

Prozessen zu benutzen. In den Politikfeldern wie Immigration, Europäischer Integration und

Osterweiterung gelang es den Freiheitlichen und der FN neuen Positionen zu artikulieren, die

zwar in der breiten Bevölkerung, kaum aber unter Eliten und in den Großparteien vertreten

waren.

24

L. Hooghe, G. Marks, C. Wilson, Does left/right structure party positions on European integration, COMPARATIVE POLITICAL STUDIES, Vol. 35 No. 8, Oktober 2002.

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II. Ziele und Parteiprogramme

A. Die populistische Kritik zur EU

Die (rechts-) populistischen Parteien werden oft als EU-skeptische Parteien beschrieben.

Was sind die Kritiken der populistischen Parteien zur Europäischen Union? Zuerst werde ich

die Kritik der Front National analysieren; zweitens werde ich die Besonderheiten der blauen

Position gegenüber der EU betrachten. In einem dritten Schritt werde ich die von der FN und

von der FPÖ vorgeschlagenen Lösungen beschreiben.

Man kann drei Hauptpunkte der Kritik der FN zur Europäischen Union unterscheiden: die

politische Kritik, die wirtschaftliche Kritik und die nationalistische Kritik.

Die Front National bekämpft das „demokratische Defizit der Europäischen Union25

“. In

diesem Zusammenhang wird die EU oft mit der UdSSR verglichen. Die FN kritisiert die

überwiegende Macht der Europäischen Kommission, deren Mitglieder nicht direkt gewählt

von den europäischen Bürgern werden. Es gebe eine Übermacht der Kommission gegenüber

dem Europäischen Parlament und einen überwiegenden Einfluss der Kommission auf die

Gesetzgebung. Die FN prangert die Errichtung einer europäischen Technokratie an. Die

nationalen Demokratien seien von dieser internationalen Technokratie bedroht. Den Einfluss

der europäischen Gesetzgebung über das nationale Recht kritisiert auch die Front National:

Nach der offizielle Webseite der FN seien 80% der „wichtigen französischen Rechtsnormen“

die schlichte Umsetzung von EU-Rechtsnormen. Nach der Front National stellt das Verfahren

der Europäischen Bürgerinitiative keine Verbesserung der demokratischen Qualität der

Europäischen Union dar, sofern der Anwendungsbereich der Bürgerinitiative von der

Europäischen Kommission beschränkt wird. Es gibt keine Verpflichtung der Kommission, die

Bürgerinitiative umzusetzen.

Zweitens schreibt die Front National der Europäischen Union die Schuld an der

wirtschaftlichen Krise und an die massive Arbeitslosigkeit in Frankreich zu. Die EU sei ein

Synonym für Haushaltsausgaben. Die FN betont oft, dass Frankreich der zweigrößte

Geldgeber der EU ist. Marine Le Pen lehnt die EU-Ausgleichszahlungen (bzw. weitere

Hilfszahlungen für überschuldete EU-Staaten) ab. Das Geld sollte man für die nationalen

Ausgaben behalten. Die wirtschaftlichen Werkzeuge der EU bringen nichts Gutes für

25

Europe, Front National, http://www.frontnational.com/le-projet-de-marine-le-pen/politique-etrangere/europe/, nachgeschlagen am 13.04.2014.

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Frankreich. Marine Le Pen kritisiert die Gemeinsame Agrarpolitik26

; dennoch ist Frankreich

der größte Empfänger von EU-Subventionen in diesem Bereich. Ein Austritt aus der Eurozone

preist auch Marine Le Pen an. „Unsere Position zur gemeinsamen Währung wird inzwischen

von vielen Ökonomen, darunter einige Nobelpreisträger, geteilt“, erklärt Ludovic de Danne27

,

außenpolitischer Sprecher der Front National. Paradoxerweise beruht die Argumentation der

Front National auf eine Theorie von Milton Friedman (der als „Verfechter des Liberalismus“

vorgestellt wird28

). Die FN wehrt sich gegen den „Despotismus“29

der EZB (Europäischen

Zentralbank) und gegen den „Ultraliberalismus“ der EU-Politik. Die ultraliberale EU sei dem

anischen Protektorat ausgeliefert. In diesem Sinn sind die FN und die DPÖ Gegner des

Transatlantic Trade and Investment Partnership. Laut Marine Le Pen könnte diese

Partnerschaft unlauteren Wettbewerb fördern. Der Ultraliberalismus der EU sei auch die

Ursache der Sparpolitik.

Drittens bedrohte die Europäische Union die nationalen Staaten. Am 26.07.2008 erklärte

Jean-Marie Le Pen im Europäischen Parlament30

, dass die EU ein „Turm von Babel“ sei, das

„auf den Ruinen der Nationen“ gebaut wird. Den Schengen-Raum und die Öffnung der

Grenzen kritisieren auch die Mitglieder der FN. Marine Le Pen wettert sie gegen

Zuwanderung, die „das Überleben der französischen Kultur und Lebensart“ bedrohten.

Großenteils teilt die Freiheitliche Partei Österreichs die Kritik der Front National zur

Europäischen Union. Andreas Mölzer31

vergleicht die EU mit der UdSSR als er die EU-

Nomenklatura erwähnt. Das „Hineindrängen in den Euro ohne das Volk zu

befragen“ kritisiert er. A. Mölzer betont die von der EU dargestellte „Gefahr für die geistig-

kulturelle Identität Europas und seiner Völker“. „Für uns Freiheitliche ist die EU-

Mitgliedschaft Österreichs kein Wert an sich, dem alle nationalen Interessen bedenkenlos

geopfert werden“, so A. Mölzer. Die EU sei ein „zentralistischer Moloch, der Stück für Stück

26

Marine Le Pen : Débat Europe Stop ou encore? Emission intégrale "Mots croisés", 28.01.13, http://www.youtube.com/watch?v=dPGPKDw4xYs, nachgeschlagen am 12.03.14. 27

EU-Wahlen: die nationalistische Internationale unter Führung der FPÖ, 09.11.13, Profil, http://www.profil.at/articles/1345/560/369165_s1/eu-wahlen-die-internationale-fuehrung-fpoe, nachgeschlagen am 12.04.14. 28

G. Dostaler, Un disparu de 2006 qui a laissé sa marque. Milton Friedman, apôtre d’un libéralisme radical, http://classiques.uqac.ca/contemporains/dostaler_gilles/milton_friedman/milton_friedman.pdf, nachgeschlagen am 17.04.2014. 29

Europe, Front National, http://www.frontnational.com/le-projet-de-marine-le-pen/politique-etrangere/europe/, nachgeschlagen am 13.04.2014. 30

Intervention de Jean-Marie Le Pen au Parlement européen, 26.07.2008, http://www.youtube.com/watch?v=TlRR0cUsVa0, nachgeschlagen am 21.03.2014. 31

A. Mölzer, 13.02.14, Die FPÖ und Europa, http://www.andreas-moelzer.at/index.php?id=62, nachgeschlagen am 12.03.2014.

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die Souveränität der Nationalstaaten abschafft“. In diesem Zusammenhang war das zentrale

Slogan der FPÖ für die Europawahl 2014: „Zuerst Österreich, dann die EU!“32

.

Es gibt aber einige blaue Besonderheiten, was die Kritik zur Europäischen Union betrifft.

Man kann also zwei Hauptkritiken betrachten: zuerst kritisiert die FPÖ die

„Regulierungswahn“ der EU. „Die EU-Kommission mischt sich ein, wo es nur geht. Der

Alltag der Europäer wird mit einem immer dichteren Netz von Vorschriften und Verboten

überzogen“, hielt A. Mölzer fest33

. Diese Kritik wird manchmal auch mit der FN gemein, aber

wird von der FPÖ mehr betont.

Die FPÖ bekämpft auch den Eintritt der Türkei in die Europäische Union. "Das

kleinasiatische Land ist weder geographisch noch geistig-kulturell ein Teil Europas, sondern

im Orient verankert. Wovon Millionen von Europäern zutiefst überzeugt sind, wurde von

Europas Rechtsdemokraten artikuliert"34

, so Mölzer. Schon im Jahre 2008 erklärte Strache:

„Die EU-Technokraten wollen die Türkei, Algerien, Marokko und dann Israel in die EU

holen. Hier geht es um wirtschaftliche, außenpolitische und militärische Interessen. Die

Europäer sollen in den Nahostkonflikt hineingezogen werden und diesen auch bezahlen“35

.

Die FPÖ will auch die „immerwährende Neutralität“ Österreichs verfechten. Die politische

Mitgliederschaft Österreichs in der EU sei unvereinbar mit diesem identitätsstiftenden

Prinzip. R. Wodak36

identifiziert die Neutralität (neben dem sogenannten „Opfermythos“) als

zweite Säule des österreichischen Identitätsdiskurses. Man kann betonen, dass „Neutralität

sichert Frieden“37

einen Slogan der FPÖ während dem EU-Wahlkampf 2014 war.

Interessant ist es zu betonen, dass die populistische EU-Kritik mit den „herkömmlichen“

(bzw. oft widerkehrenden) populistischen Themen vergleichen werden kann. Trotz dem von

Cas Mudde38

vorgestellten „empty heart“ (das heißt die Wandlungsfähigkeit der

populistischen Ideen) des Populismus kann man populistische Kernideen identifizieren: Der

Patriotismus ist eine erste Komponente der populistischen Ideen. Paul Taggart39

spricht in

diesem Zusammenhang von den sogenannten „Heartland“-Mythologien, welche alle

32

Video zum Neujahrstreffen der FPÖ 2014, http://www.youtube.com/user/Oesterreichzuerst, nachgeschlagen am 17.04.2014. 33

Mölzer: Verkaufsverbote für Staubsauger zeigen EU-Regulierungswahn, FPÖ.at, 29.10.13, http://www.fpoe.at/aktuell/detail/news/moelzer-verkaufsverbote-fuer/, nachgeschlagen am 17.04.14. 34

Ibid. 35

Faymann persönlich durchaus umgänglich: Strache nimmt Stellung im profil-Interview, Profil, 21.06.2008, http://www.profil.at/articles/0825/560/209898/faymann-strache-stellung, nachgeschlagen am 17.04.14. 36

R. Wodak, in: F. Römer (Hrsg.), 1000 Jahre Österreich – Wege zu einer österreichischen Identität, Universität Wien, 1996, S. 36. 37

http://www.eu2014.at/plakativ/, nachgeschlagen am 24.05.2014. 38

C. Mudde, The Populist Zeitgeist, Government & Opposition, Vol.39, No.4, 2004. 39

Paul Taggart (2002 : 67).

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„Populismen“ vertreten. Diese nationalistischen Mythologien sollen vor der EU-Gefahr und

vor Einwanderung geschützt werden. Patriotismus meint auch, die Souveränität des Staates zu

schützen, und den europäischen Föderalismus abzulehnen. In diesem Sinn erklärte der

Spitzenkandidat der FPÖ zur EU-Wahl 2014 Harald Vilimsky anslässlich der 1. Mai-Feier der

FPÖ in Wien: „Ich will nicht Europapolitiker werden, sondern Rot-Weiß-Rot-Politiker, der

die Interessen Österreichs und die Interessen der Österreicher in Brüssel vertritt“40

. Die FPÖ

beruft sich auf das Europa der Vaterländer von Charles de Gaulle. „Wir wollen, dass wieder

die nationalen Staaten die Richtung in der EU vorgeben und nicht die Bürokraten in Brüssel“,

so A. Mölzer41

. Dieser Patriotismus ist mit einer Identitätspolitik (durch Selbstbild- und

Feindbildkonstruktion) stark gekoppelt. Die Ausländer werden mit dem heimatlichen Volk

(„als Einheit weitgehend ohne Klassen, Interessensunterschiede und interne Gegensätze

verstanden“42

) konfrontiert. Häufig fungieren die Ausländer als Sündenböcke: „Der

Themenkomplex EU beschränkten sie auf den möglichen Türkei-Beitritt, verknüpfen diesen

mit einer drohenden Islamisierung und dem damit verbunden Verlust der eigenen Identität.

Für alle Missstände und Bedrohungen gab es einen Sündenbock: (türkische) Zuwanderer, und

die Politiker, die sie vermeintlich begünstigen.“43

Dieses Schema wird verwendet, um die

heutige wirtschaftliche Krise der EU zu erklären. Ein wesentlicher Bestandteil der

populistischen EU-Kritik ist die Kritik der Eliten. Parallel wird eine Kritik der repräsentativen

Demokratie geführt.

B. Die populistische EU-Politik

Ich habe die populistische Kritik der populistischen Parteien zur Europäischen Union

vorgestellt. Was sind die von der FN und von der FPÖ vorgeschlagenen Lösungen im Bereich

der EU-Politik?

40

FPÖ-1. Mai/Vilimsky: Rot-Weiß-Rote Souveränität zurückerobern, OTS, 01.05.2014, http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20140501_OTS0043/fpoe-1-maivilimsky-rot-weiss-rote-souveraenitaet-zurueckerobern, nachgeschlagen am 01.05.2014. 41

EU-Wahlen: die nationalistische Internationale unter Führung der FPÖ, 09.11.13, Profil, http://www.profil.at/articles/1345/560/369165_s1/eu-wahlen-die-internationale-fuehrung-fpoe, nachgeschlagen am 12.04.14. 42

R. Heinisch, Demokratiekritik und (Rechts-)Populismus: Modellfall Österreich? In: Die österreichische Demokratie im Vergleich : Nomos, S. 341. 43

Ibid.

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Wesentlich für die FN und die FPÖ ist die Wiedererstellung der nationalen Souveränität.

Die Staaten sollten sich von der Macht des „zentralistischen autoritären EU-Superstaates44

befreien. In diesem Zusammenhang möchte Marine Le Pen ein „Ministerium für die

französische Souveränität“45

errichten, dessen Aufgabe wäre zum Beispiel, den Vorrang des

französischen Rechts vor dem europäischen Recht zu gewährleisten.

Der FN zufolge sollte Frankreich aus der Eurozone austreten. Seine eigene

Währungspolitik sollte der Staat kontrollieren. Sie preist also die Rückkehr zu nationalen

Währungen. Die Front National spricht für eine nationale Kontrolle der Grenzen. In diesem

Sinn möchte sie einen „durchdachten Protektionismus“ bzw. einen „wirtschaftlichen und

sozialen Patriotismus“ einführen. Der Beitrag Frankreichs zum EU-Haushalt sollte reduziert

bzw. abgeschafft werden. Der ersparte Geldbetrag sollte im Rahmen einer sozialen Politik

investiert (um der Sparpolitik und der Haushaltskürzungen ein Ende zu machen).

Nach der Front National sei auch zur Wiederbelebung der realen Wirtschaft die Errichtung

strategischer (industriellen) europäischen Großprojekten „im Dienste der europäischen

Völker46

“. Daher erwähnt Marine Le Pen sowie das europäische Airbus-Projekt als auch das

Ariane-Projekt.

Marine Le Pen wünscht eine Neuverhandlung der europäischen Verträge in Richtung der

Stärkung der nationalen Souveränität der EU-Mitglieder. Im Falle eines Scheiterns der

Neuverhandlungen sollte Frankreich aus der Europäischen Union austreten47

.

Am 7. Dezember 2013 fand das 31. ordentlicher Bundesparteitag der FPÖ in Graz statt. Im

Rahmen dieses Ereignisses wurden „5 Punkte für ein freies Europa“48

bekräftigt: „Stopp dem

Zentralismus“, „Stopp der Zuwanderung“, „Vorrang für heimische Arbeitskräfte“, „Stopp dem

Haftungswahn“ und „Für eine Neuordnung der Währungsunion“.

Die Freiheitlichen treten weiterhin vehement für eine Volksabstimmung über den Verbleib

im Europäischen Stabilitätsmechanismus ein. Man muss betonen, dass die FPÖ und die FN

die direkte Demokratie und ihre plebiszitäre Instrumente unterstützen. 2013 war eine von der

44

HC Strache - Kommt der EU-Zentral-Superstaat?, 05.07.12, http://www.youtube.com/watch?v=w2tWnxVpWHM, nachgeschlagen am 17.04.14. 45

Europe, Front National, http://www.frontnational.com/le-projet-de-marine-le-pen/politique-etrangere/europe/, nachgeschlagen am 13.04.2014. 46

Europe, Front National, http://www.frontnational.com/le-projet-de-marine-le-pen/politique-etrangere/europe/, nachgeschlagen am 13.04.2014. 47

47

Marine Le Pen : Débat Europe Stop ou encore? Emission intégrale "Mots croisés", 28.01.13, http://www.youtube.com/watch?v=dPGPKDw4xYs, nachgeschlagen am 12.03.14. 48

FPÖ-Bundesparteitag: Für ein freies Europa, 07.12.14, http://www.hcstrache.at/fpoe-bundesparteitag-fuer-ein-freies-europa/, nachgeschlagen am 12.03.14.

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FPÖ definierte Bedingung für eine mögliche Koalition nach der Nationalratswahl so gestellt:

„Vizeparteichef Hofer nannte das Freiheitliche Modell der direkten Demokratie als eines der

wichtigsten Projekte für eine künftige Regierung“49

. Marine Le Pen unterstützt ebenfalls das

Einsetzen des Volksbegehrens auf lokale und nationale Ebene.50

Barbara Rosenkranz51

verlangt die „Stärkung der Subsidiarität“ um ein Europa zu bauen,

das die Regionen stärkt, das „ihnen ihre kulturelle Identität und Befindlichkeit lässt, und nicht

ein Europa der Nomierungswütigen“.

„Wenn Zentralisierung, Entdemokratisierung, Regulierungs- und Überwachungswahn in

der EU weiter um sich greifen und sich die EU zu den „Vereinigten Staaten von Europa“

entwickelt, dann darf auch ein Austritt aus der Europäischen Union als Ultima Ratio kein

Tabu sein“, kann man auf der offizielle Webseite von Heinz-Christian Strache52

lesen. Dieser

radikale Ansatz soll aber relativiert werden: „Auch ein Austritt aus der EU würde nicht alle

Probleme lösen“, meint der EU-Abgeordnete Franz Obermayr53

von der FPÖ. „In manchen

Bereichen wie der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik brauchen wir sogar mehr

Europa.“

C. Populistische Anziehungskraft und EU-Skeptizismus

Wie kann man den Erfolg des Populismus unter Berücksichtigung der heutigen

wirtschaftlichen Krise Europas verstehen?

Mit dem Übergang vom Industriezeitalter in die postindustrielle Gesellschaft und der

Entwicklung der Globalisierung entstehen „neue“ politische Spaltungsebene und „neue“

politische Themen wie Immigration, Asylpolitik, kulturelle Eigenständigkeit. Die Zielgruppen

der populistischen Kommunikation bleiben die Schichten, die durch die

49

Direkte Demokratie für FPÖ Koalitionsbedingung, Kleine Zeitung, 24.09.13, http://www.kleinezeitung.at/nachrichten/politik/3418059/direkte-demokratie-fuer-fpoe-koalitionsbedingung.story, nachgeschlagen am 12.11.13. 50

11 septembre/Acropolis de Nice – Discours de Marine Le Pen, Site officiel du Front National, 11.09.11, http://www.frontnational.com/videos/11-septembre-acropolis-nice-%E2%80%93-discours-de-marine-le-pen-videos/, nachgeschlagen am 12.11.13. 51

In C. P. Wieland (Hrsg.), Österreich in Europa, Amalthea, 2001, Wien. 52

FPÖ-Bundesparteitag: Für ein freies Europa, 07.12.14, http://www.hcstrache.at/fpoe-bundesparteitag-fuer-ein-freies-europa/, nachgeschlagen am 12.03.14. 53

EU-Wahlen: die nationalistische Internationale unter Führung der FPÖ, 09.11.13, Profil, http://www.profil.at/articles/1345/560/369165_s1/eu-wahlen-die-internationale-fuehrung-fpoe, nachgeschlagen am 12.04.14.

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Veränderungsprozesse benachteiligt werden oder sich benachteiligt fühlen. Die populistische

Wahl sei von einem Gesellschaftswandel motiviert54

.

Nach Thomas Michael Streitfellner führen diesen Entwicklungen „zu einer Erosion des

Verhältnisses von Staat, Territorialität und Souveränität – und bedingen somit eine

Neuorientierung von Nationalstaatlichkeit“55

. Im Rahmen des Globalisierungsprozesses wird

die Macht des Staates beschränkt bzw. vermindert. In diesem Kontext (und im Kontext der

wirtschaftlichen Krise) wird manchmal das Handeln der regierenden Parteien von einer

realistischen Machtlosigkeit geprägt; die populistische „Ideologie“ preist die Bestärkung der

Autorität des Staates (siehe das „TAN“-System) und verspricht die „Wiedereinstellung einer

grenzlosen staatlicher Gewalt“56

. Nach Dominique Reynié habe der Populismus eine starke

Anziehungskraft, sofern er als „eine Utopie ohne klaren Inhalt“ („utopie sans contenu

précis“) fungiert.

Ein weiteres Wahlmotiv der populistischen Wähler sei die Politikverdrossenheit. So

lässt sich dem „European Values Survey“ beispielsweise entnehmen, dass „zwischen 1999

und 2008 das Vertrauen in das Parlament von 40 auf 28 Prozent fiel. Ebenso nur 28 Prozent

haben noch Vertrauen in Institutionen wie die Regierung und lediglich 14 Prozent in

politische Parteien. Wenig verwunderlich ist hierbei die Tatsache, dass es gerade die FPÖ-

Sympathisanten sind, die mit 23 Prozent das geringste Vertrauen in das Parlament setzen“57

.

Die populistische Wahl sei ein Ausdruck einer Vertrauenskrise in die Lösungskompetenz der

etablierten Volksparteien. Ein weiteres Beispiel von dieser Vertrauenskrise hat eine TNS-

Sofres-Umfrage in Frankreich gegeben: laut dieser Umfrage denken 72% der französischen

Wahlberechtigen, dass die Politiker „eher korrupt“58

sind. Die Popularität von Präsidenten

François Hollande ist auf 18% gesunken.

In diesem Zusammenhang könnte man die populistische Wahl als eine protestierende

Wahl analysieren. Aber nach Jérôme Segal59

sei die populistische Wahl mehr und mehr eine

überzeugende Abstimmung (zumindest was die FN und die FPÖ betrifft). Die neuen Wähler

(das heißt die Jungen) neigen immer mehr für die FN. Nach einer TNS-Sofres-Umfrage

54

R. Heinisch, Demokratiekritik und (Rechts-)Populismus: Modellfall Österreich? In: Die österreichische Demokratie im Vergleich : Nomos, S. 372. 55

T.-M. Streitfellner, Politik der Globalisierung In Johann Dvorak, Hermann Mückler (HG.), Staat Globalisierung Migration, facultas.wuv, 2011. 56

Dominique Reynié : « Le populisme c’est l’utopie sans contenu précis », 19.03.14, France Info, http://www.franceinfo.fr/entretiens/un-monde-d-idees/un-monde-d-idees-1-dominique-reynie-1355637-2014-03-19, nachgeschlagen am 19.03.14. 57

Friesl et al.2009 : 216-221. 58

23-26/09/2011 TNS Sofres. 59

Gespräch mit Jérôme Segal (Coordinator of the Ph.D. College The Sciences in Contexts bei der Wiener Universität), 24.03.14.

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zustimmen 34%60

der französischen Wahlberechtigen der Ideen der Front National. Diese

Zahl steigt stetig an.

Ist die WählerInnenschaft der populistischen Parteien wirklich euroskeptisch? Die

Österreicher stehen der EU großteils skeptisch gegenüber. Laut der letzten Euro-Barometer-

Befragung61

hat nur ein Viertel der Österreicher ein positives Bild von der EU. Nur 27

Prozent der Österreicher sind der Meinung, dass sich die EU in die richtige Richtung

entwickelt. 61 Prozent geben aber an, die Stimme der EU zähle in der Welt. Nur eine relative

geringe Zahl möchte aber aus der EU austreten (20%)62

.

Dieses Paradox kann man erklären: die Österreicher lehnen nicht das europäisches Projekt

ab, sondern eher die heutige Entwicklung der EU. In diesem Sinne könnte man sagen, dass sie

eher EU-skeptisch als euroskeptisch sind.

60

34% des Français « adhèrent aux idées du Front National », 12.02.14, http://www.lemonde.fr/politique/article/2014/02/12/le-front-national-de-marine-le-pen-confirme-son-enracinement_4364586_823448.html, nachgeschlagen am 15.02.14. 61 Umfrage: Österreicher EU-skeptisch, 14.02.14, http://www.oe24.at/oesterreich/politik/Umfrage-Oesterreicher-EU-skeptisch/132352400, nachgeschlagen am 14.03.14. 62

Umfrage zur EU Mitgliedschaft SWS Instituts, November 2013.

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III. Die FN, die FPÖ und die Europawahl

A. Die nationale Strategie der FN und der FPÖ

Eine erste Dimension der nationalen populistischen Strategie ist die „protestierende“

Dimension. Die populistischen Parteien kann man als „Anti-Establishment Parteien“63

verstehen. Im Rahmen des österreichischen Konsenses ist diese ideologische Komponente

besonders stark in der Politik der FPÖ. Die FPÖ lehnt sich gegen die Parteienstaatlichkeit auf

und will als ein „drittes Lager64

“ bzw. als eine politische Alternative fungieren. Die FN

kämpft gegen die monolithische Struktur der französischen Politik, die sie als „UMPS“ (die

zwei wichtigsten Parteien Frankreichs sind die UMP und die PS) bezeichnet. Ähnlicherweise

ist es hervorzuheben, dass die Benennung „SPÖVP65

“ wird in Österreich verwendet. Jean-

Marie Le Pen unterstützte die Gründung einer sechsen Republik66

, um das politische System

drastisch zu verändern. Als die FPÖ schon in einer Regierungskoalition Mitglied war, wurde

diese Protestkomponente ein bisschen vermindert. Die FN dagegen kann sich als eine neue

politische Alternative vorstellen, sofern die FN nie regiert hat. In diesem Sinne verkündete am

23.03.2014 Marine Le Pen „das Ende der Polarisation des politischen Lebens Frankreichs67

“.

Ein wesentlicher Bestandteil der populistischen Kommunikation besteht darin, die

Angst der WählerInnen zu schüren. Benedikt Narodoslawsky beschreibt diese Strategie so:

„Durch die blaue Brille sah Österreich folgendermaßen aus: der Sozialstaat steht vor dem

Abgrund, die österreichische Identität muss ums Überleben kämpfen, die EU unterjocht

Österreich und nimmt dem Land die Eigenkontrolle, eine Rekordarbeitslosigkeit breitet sich

über der Alpenrepublik aus und der Terror bringende radikale Islamismus steht vor der

Tür.“68

. Marine Le Pen prophezeit den drohenden Fall der Europäischen Union69

und warnt

63

A. Schedler, Party Politics, July 1996, vol. 2 no. 3 291-312. 64

Das "Dritte Lager" In Österreich, Kleine Zeitung, 16.12.09, http://www.kleinezeitung.at/nachrichten/politik/2238078/dritte-lager-oesterreich.story, nachgeschlagen am 30.11.13. 65

http://www.fpoe-stmk.at/news-detail/news/fpoe-amesbauer-spoevp-haben-a/, nachgeschlagen am 14.01.2014. 66

Ils veulent une 6ème République, INA, 02.05.13, http://www.ina.fr/contenus-editoriaux/articles-editoriaux/ils-veulent-une-6eme-republique, nachgeschlagen am 18.11.13. 67

1er tour des municipales : Marine Le Pen proclame "la fin de la bipolarisation de la vie politique", 23.03.2014, Le Point, http://www.lepoint.fr/municipales-2014/1er-tour-des-municipales-marine-le-pen-proclame-la-fin-de-la-bipolarisation-de-la-vie-politique-23-03-2014-1804398_1966.php, nachgeschlagen am 24.03.2014. 68

B. Narodoslawsky, Blausprech – Wie die FPÖ ihre Wähler fängt, Leykam Buchverlag, 2010, Graz, S. 147. 69

Marine Le Pen : « L’UE est une anomalie mondiale qui s’effondrera », L’Express, 15.10.13, http://www.lexpress.fr/actualites/1/politique/marine-le-pen-l-ue-est-une-anomalie-mondiale-qui-s-effondrera_1291313.html, nachgeschlagen am 16.10.13.

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die französischen WählerInnen vor der nachfolgenden wirtschaftlichen Krise, die „noch

schlimmer als die heutige Krise sein wird“70

.

Die Strategie der „dédiabolisation“ („Entdemonisierung“) ist eine Sonderheit der von

Marine Le Pen führenden Politik. Der Philosoph Bernard Henry-Lévy zufolge71

, ist das Ziel

dieser Politik eine „äußerte Rechte mit menschlichem Antlitz“ zu schaffen. Marine Le Pen ist

die Hauptfigur dieser politischen Strategie. Die Journalistin Michèle Cotta erklärt dass das

„Ethos“ von Marine Le Pen (die eine relativ junge Frau ist) das „Ethos“ ihrer Partei positiv

ändert72

. Am Anfang wurde sie für ihre ideologische Flexibilität innerhalb der Partei stark

kritisiert. Zum Beispiel lehnte sie die grobe Provokationspolitik ihren Vaters ab, indem sie

sich häufig von seinen Äußerungen distanzierte.73

Die „dédiabolisation“ ist eine labile

Strategie: die Partei muss seine WählerInnenschaft erweitern und gleichzeitig seine

traditionelle Wahlbasis behalten; diese traditionelle Basis muss die FN in Schach halten, um

seine politische Ehrenhaftigkeit zu behalten. (In diesem Zusammenhang hat M. Le Pen

während dem EU-Wahlkampf 2014 den „Jeanne d’Arc“ Feiertag am 1. Mai gefeiert – dieser

Feiertag fungiert als eine politische Tradition der FN. Marine Le Pen benutzte diese Tradition,

um eine Rede über ihre EU-Politik zu halten.)

Die dédiabolisation ist also eine subtile Politik – so erfolgte im März 2014 während der

Kommunalwahlkampagne der FN eine ganze Reihe von politischen Zwischenfällen. Zum

Beispiel hat ein Kandidat der Front National für die Kommunalwahlen islamfeindlichen Fotos

und Texten auf seine Facebook-Seite veröffentlicht74

. Außerdem hat er angegeben, dass ihm

„Mein Kampf“ „gefällt“. Eine andere Kandidatin hat Christiane Taubira (Justizministerin) mit

einem Affen verglichen75

. Diese zwei Kandidaten wurden von Marine Le Pen suspendiert.

Während dem Europawahlkampf erlebte die FPÖ auch einen großen Skandal. Bei einer

Veranstaltung am 18.02.14 verglich Andreas Mölzer die EU mit einem „Negerkonglomerat“76

und die Institutionen der Europäischen Union mit deren des dritten Reichs. Wegen dieser

70

Marine Le Pen : Débat Europe Stop ou encore? Emission intégrale "Mots croisés", 28.01.13, http://www.youtube.com/watch?v=dPGPKDw4xYs, nachgeschlagen am 12.03.14. 71

Maintenant, Marine Le Pen, Le Point, 26.03.10, http://www.lepoint.fr/actualites-chroniques/2010-03-26/maintenant-marine-le-pen/989/0/438058, nachgeschlagen am 15.11.13. 72

La dédiabolisation du Front national, interview de Michèle Cotta, http://www.lenouveleconomiste.fr/la-dediabolisation-du-front-national-7246/, nachgeschlagen am 16.11.13. 73

« Détail » : Marine Le Pen se désolidarise de son père, Libération, 28.03.09, http://www.liberation.fr/politiques/2009/03/28/detail-marine-le-pen-se-desolidarise-de-son-pere_549310, nachgeschlagen am 16.11.13. 74

Haute-Savoie : un candidat FN aime Mein Kampf sur Facebook, 15.03.14, France Info, http://www.franceinfo.fr/politique/haute-savoie-un-candidat-fn-aime-mein-kampf-sur-facebook-1351997-2014-03-15, nachgeschlagen am 15.03.14. 75

Taubira comparée à un singe : « de l’humour » pour la candidate FN, 18.10.13, France Info, http://www.franceinfo.fr/politique/taubira-comparee-a-un-singe-le-fn-suspend-une-candidate-1181043-2013-10-18, nageschlagen am 18.04.14. 76

„Negerkonglomerat“: Mölzer-Sager auf Band , ORF.at, http://wien.orf.at/news/stories/2637994/, nachgeschlagen am 29.03.14.

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Aussage hat Mölzer Empörung gesorgt und wurde dazu gezwungen, als Spitzenkandidat der

FPÖ für die EU-Wahl am 25. Mai zurückzutreten77

.

Eine Diversifikation der Kommunikationsmedien benutzt auch die FPÖ für seine nationale

politische Strategie. „Im Wiener Wahlkampf setzte sie erstmals auf Comic-Strips, um junge

Wähler zu erreichen. In den Comics kämpfte der muskelbepackte, blauäugige ‚HC-Man‘ in

hautengem blauen Kostüm mit gelbem Cape und den Buchstaben HC auf der Brust gegen

seine Widersacher zum ‚HC-Man‘ als unvorteilhaft übergewichtig dargestellt wurden und

nicht fliegen konnten“.78

Im Jahre 2009 verwendete die FPÖ für den Europawahlkampf das

Comic „Der Blaue Planet – HC’s Kampf für Freiheit gegen eine zentrale EU79

“. Die EU wird

als grauer Planet dargestellt und Österreich findet sich als blauer Planet wieder. Laut dem

Comic sind Kommissare in der EU für „Gelage, Bankette, Abschmieren, Korruption“

verantwortlich. Die Schlussfolgerung des Comics ist: „Wenn’s nach dem Zentralplaneten

geht, wird aus unserem schönen „Blauen Planeten“ ein trauriger “Grauer Planet“„.

Weil H.-C. Strache ein Rap-Singer ist, können auch die Lieder als politischem Werkzeug

benutzt werden. Herbert Kickl erklärt diese Strategie: „Man muss einmal eine Ebene finden,

wo man die Sprache der Jugend erwischt. Durch den Rap ist das super gelungen. Das ist ein

supergeniales Mittel (…) Die Leute singen mit ihm. Die lernen den Text automatisch

auswendig, indem man es öfter hört. Und auf eine lustige Art und Weise schwingt Ideologie

mit80

“. Im EU-Wahlkampf 2009 wollte die FPÖ mit einem sogenannten „Strache Rap“ bei mit

dem Titel „Österreich zuerst81

“ den jugendlichen Wählern punkten. Im Rahmen des EU-

Wahlkampfes 2014 hat die FPÖ einen neuen „Strache Rap“ („Patrioten zur Wahl!“82

) auf

Youtube veröffentlicht. Die EU-Kritik gipfelt im Refrain: „Weil's um Österreich geht, damit's

weiter besteht. Geh'n wir hin zu der Wahl, für die Freiheit!“. H.-.C. wollte die „Freiheit“

Österreichs gegen die EU verfechten.

Die neuen Kommunikationsmedien tragen an die Komplexitätsreduktion, Personalisierung,

Dramatisierung und Emotionalisierung der Politik bei. Vor allem orientiert sich der

Populismus an tagesaktuellen Themen, die Herbert Kitschelt als „winning formulas“83

77

EU-Wahl: Andreas Mölzer zieht sich als FPÖ-Spitzenkandidat zurück, Profil, 08.04.14, http://www.profil.at/articles/1415/980/374139/eu-wahl-andreas-moelzer-fpoe-spitzenkandidat, nachgeschlagen am 18.04.14. 78

B. Narodoslawsky, Blausprech – Wie die FPÖ ihre Wähler fängt, Leykam Buchverlag, 2010, Graz, S. 133. 79

HC Comics, Der Blaue Planet, http://www.fpoe.at/fileadmin/Contentpool/Portal/PDFs/EUWahl09/comic_web.pdf, nachgeschlagen am 18.04.14. 80

B. Narodoslawsky, Blausprech – Wie die FPÖ ihre Wähler fängt, Leykam Buchverlag, 2010, Graz, S. 185. 81

Österreich zuerst ;-) - HC Strache, http://www.youtube.com/watch?v=pVnzYs4HYBQ, nachgeschlagen am 17.04.14. 82 Patrioten zur Wahl!, 20.05.14, http://www.youtube.com/watch?v=zAEP08ps-JM, nachgeschlagen am 23.05.14. 83

„Jetzt Populismus“, Politix, Zeitschrift des Instituts für Politikwissenschaft an der Universität Wien, Ausgabe 34, 2013.

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bezeichnet. Diese politischen Werkzeuge dienen auch der von Margaret Canovan

beschriebenen „Volksnähe“. Ziel sei es, die „Sprache der Leute“ zu sprechen.

B. Die europäische Strategie der FN und der FPÖ

Das kann paradox erschienen, dass die populistischen EU-skeptischen Parteien danach

streben, in das Europäische Parlament vertreten zu werden. Ziel der populistischen Parteien

ist es, die demokratischen Wahlen als „Trojanisches Pferd des Populismus“84

zu benutzten,

um die EU vom Inneren zu reformieren.

Dazu haben die europäischen populistischen Parteien Strategien entwickelt. Mit waren

Mitglieder einer zwischen Jänner 2007 und November 2007 bestehenden Fraktion (Identität,

Tradition, Souveränität – ITS) im Europäischen Parlament. Fraktionsvorsitzender war der

französische Politiker Bruno Gollnisch, stellvertretender Vorsitzender des Front National. Die

Europäische Allianz für die Freiheit (EAF) wurde im Jahre 2011 als eine politische Partei auf

europäischer Ebene vom Parlament anerkannt. Im Gegensatz zu den meisten anderen

Europaparteien waren die Mitglieder der EAF zumeist Einzelpersonen, nicht Parteien.

Vorsitzender dieser Allianz ist Franz Obermayr (FPÖ), seine Stellvertreter sind Marine Le

Pen (FN) und Philip Claeys (Vlaams Belang)85

. Um gemäßigte EU-Skeptiker nicht zu

verschrecken, wollte die Vorsitzende der EAF mit rechtsextremen Parteien wie der

ungarischen Jobbik-Partei oder der deutschen NPD nichts zu tun haben. „Rassismus oder

Antisemitismus lehnen wir ganz klar ab“, erklärte Franz Obermayr86

.

Anlässlich der Europawahlen 2014 strebten die fraktionslosen populistischen EU-Gegner

danach, eine gemeinsame Fraktion der rechtspopulistischen, EU-kritischen Parteien im

Europaparlament zu schaffen. Dazu sind mindestens 25 Abgeordnete aus 7 verschieden EU-

Ländern nötig. Die Schaffung einer populistischen Fraktion stellte für die populistischen

Parteien die Möglichkeit eines größeren Einflusses auf die europäische Gesetzgebung („durch

mehr Geld für Mitarbeiter, durch die Übernahme von Vorsitzen in Ausschüssen und die

Aufnahme in die Präsidentenkonferenz“87

) dar. Am 14. November 2014 vereinigten sich in

Wien einige Vorsitzender bzw. Vertreter der größten populistischen Parteien Europas, um die

84

ARTE: Populisme, l’Europe en danger, 08.04.14, http://www.arte.tv/guide/fr/050481-000/populisme-l-europe-en-danger, nachgeschlagen am 12.04.14. 85

European Alliance for Freedom, Board, http://www.eurallfree.org/?q=node/66, nachgeschlagen am 18.11.13. 86

EU-Wahlen: die nationalistische Internationale unter Führung der FPÖ, 09.11.13, Profil, http://www.profil.at/articles/1345/560/369165_s1/eu-wahlen-die-internationale-fuehrung-fpoe, nachgeschlagen am 12.04.14. 87

Ibid.

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Rahmenbedingungen dieser Fraktion zu verhandeln. Im Laufe der Verhandlungen kam die

Idee auf, eine neue Fraktion zu schaffen, die die FN, die FPÖ, die niederländische Partij voor

de Vrijheid (PVV), die belgische Vlaams Belang, die italienische Lega Nord, die

Schwedendemokraten und die Slowakische Nationalpartei versammeln könnte. Parteien wie

Jobbik (Ungarn) oder die Nationaldemokratische Partei Deutschlands waren als „viel zu

radikal“88

(A. Mölzer) betrachtet, und wurden aus dem Projekt ausgeschlossen. Diese neu

gegründete Fraktion möchte als ein europaweites „drittes Lager“ fungieren. Diese Fraktion

hat schon die im April 2014 gegründete Jugendallianz (die "Young European Alliance for

Hope" – YEAH89

) ahnen gelassen.

Man kann sich fragen, ob dieses internationale Projekt eine Inkohärenz mit der von den

einzelnen populistischen Parteien geführten nationalistischen Politik darstellt. Dieses Projekt

könnte die von Marine Le Pen geführten „dédiabolisation“ der Front National bedrohen.

Aymeric Chauprade90

(Spitzenkandidat der FN für die EU-Wahl am 25. Mai 2014) betont,

dass die FN weder die islamfeindlichen Ideen der Partij voor de Vrijheid noch jene der Lega

Nord teilt. Nur die europäischen Ideen dieser Parteien interessieren die FN.

C. Europawahl 2014: Wahlergebnisse

Am 25. Mai 2014 triumphierte mit 24,85%91

die FN und wurde sie (laut Marine Le Pen –

die Enthaltung war aber besonders groß: 57.5%) zur „stärksten Partei Frankreich“. Mit

13.98% war Präsident Hollandes Partei (Parti Socialiste – PS) nur die dritte Partei dieser

Europawahl. Von einem "Schock" und "Erdbeben" sprach Premierminister Manuel Valls92

.

Die FN erhielt 24 Sitze im EU-Parlament. Im Jahre 2009 hatte sie (mit nur 6,34% der

abgegebenen Stimmen) 3 Sitzen erhalten. Nach der Wahl hat Marine Le Pen erfolglos eine

Auflösung der Nationalversammlung verlangt.

Große Zugewinne erzielte auch die FPÖ. Die Freiheitlichen kamen auf 20,5 Prozent der

Stimmen. Gegenüber 2009 (mit 12,71%) bedeutete dieses Wahlergebnis ein Plus von fast

88

Ibid. 89

"YEAH" - FPÖ stellt rechte Jugendallianz vor, Heute, 03.04.14, http://www.heute.at/news/politik/art23660,1000331, nachgeschlagen am 18.04.14. 90

La stratégie du FN pour les élections européennes de 2014, L’Express, 18.11.13, http://www.lexpress.fr/actualite/politique/fn/video-la-strategie-du-fn-pour-les-elections-europeennes-de-2014_1300501.html, nachgeschlagen am12.03.14. 91

Le repli international, Courrier International, http://www.courrierinternational.com/article/2014/05/25/le-repli-national, nachgeschlagen am 28.05.14. 92

Valls: „Ce scrutin, un choc, un séisme", TF1, 25.05.14, http://videos.tf1.fr/infos/2014/valls-ce-scrutin-un-choc-un-seisme-8424198.html, nachgeschlagen am 29.05.14.

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acht Prozentpunkten. Die Anzahl der blauen Sitzen im EU-Parlament hat sich verdoppelt (2

im Jahre 2009, 4 im Jahre 2009). In Österreich ist auch die Wahlbeteiligung massiv

zurückgegangen.

In Europa kann man die Fortschritte der (rechst-)populistischen Parteien betrachten. In

Dänemark kannte die dänische Volkspartei („Dansk Folkeparti“) einen großen Erfolg mit

23%. In Großbritannien wurde die UKIP („United Kingdom Independance Party) mit 28% als

Sieger der Wahlen betrachtet. In den Niederlanden erhielt die PVV „nur“ 12.2% der Stimmen

(gegen 17% im Jahre 2009). Insgesamt hat sich mit 140 Sitzen im EU-Parlament die Anzahl

der Euroskeptischer verdreifacht. Immerhin bleiben die EU-skeptischen Parteien in der

Minderheit.

Wenn man diese Wahlergebnisse berücksichtigt, kann man sagen, dass die FN und die

FPÖ eine europaweite populistische Fraktion bilden können? Dazu sind mindestens 25

Abgeordnete aus 7 verschieden EU-Ländern nötig. Die FN hat allein schon 24 Mandaten im

EU-Parlament erhalten; die Anzahl der Mitglieder ist also kein Problem, um eine EU-Fraktion

zu bilden. Schwerer wird es wahrscheinlich für die FN und die FPÖ sein, 5 Partner zu finden.

Laut Politikforscher Werner T. Bauer93

könnte eine solche europäische Fraktion nicht

wirklich funktionieren. Zwischen diesen Parteien gebe es „sehr stärke historische

Gegensätze“. Eine solche Fraktion könnte sich bilden, aber nicht sich auf die Dauer halten.

93

Im Studio: Politikforscher Werner Bauer, ZIB, http://tvthek.orf.at/program/ZIB-24/1225/ZIB-24/7989122/Im-Studio-Politikforscher-Werner-Bauer/7989126, nachgeschlagen am 28.05.2014.

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Fazit

Wenn man dies alles berücksichtigt, kann man die Fragestellung dieser Studie

beantworten, und zwar: „Was sind die populistischen Ziele innerhalb der Europäischen

Union?“.

Die Front National (FN) und die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) kann man als EU-

skeptischen Parteien beschreiben. Während die Front National seit ihre Gründung von Jean-

Marie Le Pen sich gegen die europäischen Institutionen ausspricht, preiste die FPÖ in den

1980er Jahren ein Eintritt Österreichs in die Europäische Union. Seit der Machtübernahme

Haiders im Jahre 1986 ist die FPÖ ein Gegner der EU. Die FN und die FPÖ genießen heute

eine steigende Wahldynamik, die es ihnen ermöglichen könnte, eine größere Rolle auf der

EU-Ebene zu spielen. Diese Wahldynamik ist im Rahmen einer europaweiten Dynamik des

Populismus zu verstehen.

Großteils ist die Kritik der FN und der FPÖ ähnlich. Man kann drei Hauptpunkte der

Kritik der FN zur Europäischen Union unterscheiden: die politische Kritik (das sogenannte

„demokratische Defizit der Europäischen Union“), die wirtschaftliche Kritik (Euro-

Schuldenkrise) und die nationalistische Kritik (Erosion der Souveränität). Aufgrund der

Lasten der Arbeitslosigkeit in Frankreich betont die FN eher die wirtschaftliche Kritik; die

FPÖ bekämpft die „Regulierungswahn“ der EU und den Eintritt der Türkei in die Europäische

Union („Türkei nicht dabei“). Die zwei Parteien kritisieren auch die europäische

Einwanderungspolitik. Die Wiederherstellung der wirtschaftlichen und politischen

Souveränität ist das größte Ziel der populistischen Parteien (in diesem Zusammenhang war

„Österreich denkt um – zu viel EU ist dumm“94

der Slogan der FPÖ für die Europawahl

2014). Die FPÖ und die FN unterstützen die direkte Demokratie und ihre plebiszitäre

Instrumente. Ein Austritt aus der Europäischen Union soll für die zwei Parteien kein Tabu

sein.

Die FN und die FPÖ entwickeln sowie nationale als auch europäische Strategien. Die

„dédiabolisation“ ist eine Sonderheit der Politik der FN, während eine Diversifikation der

Kommunikationsmedien wird von der FPÖ geführt. Anlässlich der Europawahlen 2014

strebten die fraktionslosen populistischen EU-Gegner danach, eine gemeinsame Fraktion der

rechtspopulistischen, EU-kritischen Parteien im Europaparlament zu schaffen.

94

FPÖ reimt wieder: „Österreich denkt um , zu viel EU ist dumm“, 11.04.14, Die Presse, http://diepresse.com/home/politik/eu/1591570/FPO-reimt-wieder_Osterreich-denkt-um-zu-viel-EU-ist-dumm, nachgeschlagen am 01.04.14.

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