Position beziehen

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4 HMD 269 Oliver Lindner Position beziehen Es scheint befremdlich, dass sich die IT wieder einmal mit dem Thema Wettbewerbsfaktor auseinandersetzt. Anscheinend gibt es Bedarf, über IT und deren Bedeutung für das Business zu sprechen, oder zumindest gibt es ein Verlan- gen hierzu, wie es aussieht. Vermutlich von Leu- ten aus der IT, die sich wie immer zu wichtig nehmen und den Wunsch hegen, endlich ernst genommen zu werden als Motor des Unterneh- mens statt als Öllache und potenzielle Ursache für »Ausrutschen« und Reinigungskosten. Sie stehen vor dem Burgtor des Business und schreien: »Ihr könnt nicht ohne uns!« Die IT belagert schon jahrelang nachhaltig das Business und selbst das bekannte Holzpferd (IT-Architektur, ITIL und Konsorten) hat bisher nicht geholfen, weil sich nachts dann doch kei- ner herausgewagt hat für den großen Sturm und die Veränderung. Statt Krieg der Knöpfe gab es bisher Krieg der Methoden, und das zu- meist auf Papier als Absichtserklärung. Schön gedacht – schlecht gemacht. Gut, es gab auch vereinzelt sehr positive und nachhaltige Effekte und Ergebnisse sei- tens der IT. Aber nichts ist stärker als Ignoranz, und so kommt dem Business der Wunsch der Mitspra- che der IT seltsam vor, denn bisher waren die ITler ja zufrieden, als »Business Enabler« zu gel- ten. Also in der Rolle der Leute, die die Straße teeren und die weißen Mittelstreifen ziehen dürfen, damit anschließend Verkehr stattfinden kann. Das ist der IT aber jetzt, nachdem sie der Pubertät entwachsen ist (zumindest glaubt sie das), nicht mehr genug. Sie will mehr, denn die Menschen aus der IT wollen auch bei der Fahrt- richtung mitsprechen. Mitgestalter soll das Ziel sein – statt Zweckerfüller. Wer den Führerschein hat, will ja auch mal ans Lenkrad, statt sein Le- ben im Kindersitz neben Papi zu fristen. Und wer nicht selber fährt, lernt es nie. Das Wort Wettbewerbsfaktor suggeriert, dass die IT eine »entscheidende« Rolle spielt, um als Unternehmen in Summe wettbewerbs- fähig zu werden und/oder zu bleiben. Haben wir gelacht. Die IT verursacht Kosten. Punkt. Und überhaupt – alles wäre viel einfa- cher ohne die IT und weit weniger kompliziert. Zumindest behauptet dies das Business mit ei- ner Ausdauer, die fast schon was Bewunderns- wertes aufweist. Vielleicht sollte das Business IT-Betrieb machen? Das tut es leider auch häu- fig an der IT vorbei. Aber jetzt im Sommer ist eine Schatten-IT auch sehr angenehm. Wegen der Hitze. Nichtsdestotrotz, die Behauptung der trot- zigen IT steht: »Die IT ist Wettbewerbsfaktor!!!« Dies sind ja vermessene Töne, die hier durch die IT selbst angeschlagen werden und nicht neu klingen. Passt da Selbst- und Fremdbild noch zu- sammen? Wenn dem so ist, stelle ich mir die Frage, warum die IT zum einen ständig als Kostenfak- tor gesehen wird und zum anderen, warum ihr nicht die entsprechende Bedeutung zukommt. Dies würde man in einem Organigramm sehen, wo der CIO auf Augenhöhe mit dem Business kommuniziert und nicht dem CFO wie dessen Firmling unterstellt ist, um ausschließlich an- hand der Kosten gemessen zu werden, die an- geblich die IT erzeugt. Na ja eigentlich erzeugt das Business und somit die Kunden die Kosten, wenn man ehrlich ist. Das wissen auch alle. Aber die IT ist ja schon immer in der Rolle des Prügelknaben diesbezüglich, und dann ist es ja auch besser, das so zu lassen, damit die Rolle kein anderer kriegt. Die arme IT.

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Oliver Lindner

Position beziehen

Es scheint befremdlich, dass sich die IT wiedereinmal mit dem Thema Wettbewerbsfaktorauseinandersetzt. Anscheinend gibt es Bedarf,über IT und deren Bedeutung für das Businesszu sprechen, oder zumindest gibt es ein Verlan-gen hierzu, wie es aussieht. Vermutlich von Leu-ten aus der IT, die sich wie immer zu wichtignehmen und den Wunsch hegen, endlich ernstgenommen zu werden als Motor des Unterneh-mens statt als Öllache und potenzielle Ursachefür »Ausrutschen« und Reinigungskosten.

Sie stehen vor dem Burgtor des Businessund schreien: »Ihr könnt nicht ohne uns!«

Die IT belagert schon jahrelang nachhaltigdas Business und selbst das bekannte Holzpferd(IT-Architektur, ITIL und Konsorten) hat bishernicht geholfen, weil sich nachts dann doch kei-ner herausgewagt hat für den großen Sturmund die Veränderung. Statt Krieg der Knöpfegab es bisher Krieg der Methoden, und das zu-meist auf Papier als Absichtserklärung. Schöngedacht – schlecht gemacht.

Gut, es gab auch vereinzelt sehr positiveund nachhaltige Effekte und Ergebnisse sei-tens der IT.

Aber nichts ist stärker als Ignoranz, und sokommt dem Business der Wunsch der Mitspra-che der IT seltsam vor, denn bisher waren dieITler ja zufrieden, als »Business Enabler« zu gel-ten. Also in der Rolle der Leute, die die Straßeteeren und die weißen Mittelstreifen ziehendürfen, damit anschließend Verkehr stattfindenkann. Das ist der IT aber jetzt, nachdem sie derPubertät entwachsen ist (zumindest glaubt siedas), nicht mehr genug. Sie will mehr, denn dieMenschen aus der IT wollen auch bei der Fahrt-richtung mitsprechen. Mitgestalter soll das Zielsein – statt Zweckerfüller. Wer den Führerscheinhat, will ja auch mal ans Lenkrad, statt sein Le-

ben im Kindersitz neben Papi zu fristen. Undwer nicht selber fährt, lernt es nie.

Das Wort Wettbewerbsfaktor suggeriert,dass die IT eine »entscheidende« Rolle spielt,um als Unternehmen in Summe wettbewerbs-fähig zu werden und/oder zu bleiben.

Haben wir gelacht. Die IT verursacht Kosten.Punkt. Und überhaupt – alles wäre viel einfa-cher ohne die IT und weit weniger kompliziert.Zumindest behauptet dies das Business mit ei-ner Ausdauer, die fast schon was Bewunderns-wertes aufweist. Vielleicht sollte das BusinessIT-Betrieb machen? Das tut es leider auch häu-fig an der IT vorbei. Aber jetzt im Sommer isteine Schatten-IT auch sehr angenehm. Wegender Hitze.

Nichtsdestotrotz, die Behauptung der trot-zigen IT steht: »Die IT ist Wettbewerbsfaktor!!!«

Dies sind ja vermessene Töne, die hier durchdie IT selbst angeschlagen werden und nichtneu klingen.

Passt da Selbst- und Fremdbild noch zu-sammen?

Wenn dem so ist, stelle ich mir die Frage,warum die IT zum einen ständig als Kostenfak-tor gesehen wird und zum anderen, warum ihrnicht die entsprechende Bedeutung zukommt.Dies würde man in einem Organigramm sehen,wo der CIO auf Augenhöhe mit dem Businesskommuniziert und nicht dem CFO wie dessenFirmling unterstellt ist, um ausschließlich an-hand der Kosten gemessen zu werden, die an-geblich die IT erzeugt. Na ja eigentlich erzeugtdas Business und somit die Kunden die Kosten,wenn man ehrlich ist. Das wissen auch alle.Aber die IT ist ja schon immer in der Rolle desPrügelknaben diesbezüglich, und dann ist es jaauch besser, das so zu lassen, damit die Rollekein anderer kriegt. Die arme IT.

Einwurf

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Wie Jugendliche, die ihrem Vater beweisenwollen, dass sie nicht nur erwachsen, sondernauch fähig sind, ihr Leben selbst in den Griff zubekommen, buhlt die IT um die Gunst und Aner-kennung des Business.

»Siehst du denn nicht, dass ich gleichbe-rechtigt und erwachsen bin?!«

Warum sonst müssten wir eine Diskussionführen, dass IT Wettbewerbsfaktor ist? Dass ITbereits heute Wettbewerbsfaktor ist (abhängigvon der Branche mehr oder weniger) steht au-ßer Zweifel. Nur die Erkenntnis in Summescheint zu fehlen. Manchmal bereits aufseitender IT selbst.

Wer sich selbst nicht liebt und schätzt, kannauch keinen anderen lieben und schätzen. Ge-schweige denn verstehen. Hier geht es ummehr als Wettbewerbsfaktor, hier geht es umAnerkennung und Akzeptanz.

Die IT in der Pubertät?Und wie die »mutierenden« Jugendlichen,

die voller Kraft sind, um sich zu beweisen, istauch die IT aktiv und voller Energie. Sie enga-giert sich fleißig mit ITIL, Projektmanagement,Prozessmanagement, CMMI, Six Sigma, SharedServices, Cloud Computing, Kundenorientie-rung, Requirement Management, Sourcing, Off-shore, Cloud Computing, Virtualisierung, Auto-matisierung u.v.m.

Die IT ist willig. Sie schraubt, sie macht, siespielt, sie leidet, reift und kämpft. Und sie spart.Meist im Auftrag von ganz oben (danke CFO!)und oft am falschen Fleck.

In der IT ist immer KRISE!»Wir machen nur Projekte, wo wir was spa-

ren, und Fortbildung ist aus!« Das ist dann wie Gewinn ohne Umsatz und

schlecht für die Vorbereitung auf Krisen, wie diePraxis beweist.

Ich glaube nicht, dass die IT noch viel mehrEnergie in die oben genannten Aktivitätenbzw. Methoden stecken muss (Effizienz). Daswäre Engagement an falscher Stelle. Ich glau-be, die IT muss jetzt mehr Energie in Reife(Strategie, Organisation & Führung), Akzep-

tanz & Vertrauen und Business Alignment in-vestieren (Effektivität).

Aber da stellt sich mir eine Frage: Wie soll ITWettbewerbsfaktor sein, wenn diese das Busi-ness und dessen Ziele, Probleme, Service & Pro-dukte nicht kennt? Oder noch schlimmer: Wenndie IT weder ihre Kunden kennt noch mit ihnenspricht?

Die IT spricht von Business Alignment, umWertschöpfung zu genieren, meint aber zu-meist: »Wie viel Server und Datenbanken darfich installieren, lieber Kunde?«

Die IT hat im Regelfall wenig Kenntnis in ih-rem selbstgebauten Nest vom Business unddessen Bedarfe, Abläufe und Engpässe, die ge-löst werden wollen. Gut – das Business selbstoft auch nicht, aber das ist ein anderes Thema.

Aber die IT erinnert häufig an den Spruch:»Nachdem wir uns komplett verlaufen hatten,haben wir unsere Geschwindigkeit verdoppelt.«Und eine Definition von Wahnsinn ist: Immerdas Gleiche zu tun und eine Veränderung zu er-warten. Technisches IT-Verständnis heißt nichtBusiness-Verständnis.

Erst wenn die IT das Business und die damitverbundenen Abläufe und Engpässe verstandenhat (Erkenntnis), wird sie einen festen Stand ha-ben (Akzeptanz) und den langen Hebel (Men-schen, Prozesse & Technologie), um die Busi-ness- & IT-Welt aus ihren Angeln zu heben, undnichts wird mehr sein, wie es war.

Dann wird sich die Frage nicht mehr stellen,ob IT Wettbewerbsfaktor ist. Dann ist IT Teil ei-ner Business-Strategie und nicht mehr der »Hi-dden Champion«, der ausschließlich im Auftragdes Business Straßen baut, sondern mitbe-stimmt, welche Fahrtrichtung es gibt.

Aber was, wenn das Business dann dochüberraschenderweise sagt: »Na gut, dannmacht halt mal!«

Ist die IT dann gut vorbereitet? Hat sie dannneben den Werkzeugen und Prozessen sowie ei-ner sich ständig ändernden Organisation dierichtigen Leute, um diese Mammutaufgabe zuübernehmen? Hat die IT die nötige Ausdauer?

Einwurf

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Sind die ITler von gestern die richtigen für mor-gen? Hat die IT im Vorfeld in diese Menschen in-vestiert (Fach-, Methoden- und vor allem Sozial-kompetenz)? Oder sind die Einzigen, die noch dasind, gebrochen sprechende Helpdesk-Mitarbei-ter, die dann aus Indien heraus die Frage stellen:»Wollen Blumen kaufen?« Besitzt die IT dannvertrauenswürdige, authentische Anführerstatt vor die Nase gesetzte?

Ich denke, diese Fragen sind wichtig und be-dürfen einer Antwort.

Aber alles ist möglich, denn wer sagt, erkann nicht, der will nicht. Ich bin überzeugt,dass die IT will. Und dass sie auf einem gutenWeg ist. Ich glaube, es gibt die R-Evolutionäre,die Veränderer und glaubwürdigen Menschenmit Hirn, Herz, Mut und Verstand, die weit überdie reinen Bilanzzahlen, die pure Mangelverwal-tung und den Shareholder Value hinaus denken.Es gibt sie im Bereich der Mitarbeiter, der Füh-rungskräfte und im Management.

Vieles ist möglich, und die IT hat bereits aneinigen Positionen Fahrt aufgenommen und ge-zeigt, was sie kann. Und wir werden schnellerund schneller. Mit der nötigen Konsequenz, Ver-

änderungsbereitschaft, Kompetenz und unse-rem Werkzeugkoffer (Methoden, Tools, Services,Prozesse) werden wir langfristig erfolgreich sein.

Liebes Business lass dir eins gesagt sein:»Wir kommen in großen Schritten und voller En-ergie, denn wir sind jung (erst 40!) und wild. Duwirst an unserer Bereitschaft, das Business alskritischen Erfolgs- und Wettbewerbsfaktor zuunterstützen, verzweifeln. Wir werden dir, völligungefragt, Verständnis, Zusammenarbeit, Wert-schöpfung, Innovation und Mehrwert liefern.«

Vielleicht sollten wir (die IT) das Businessaufwecken und es laut hinausschreien: »Wirsind Synergie, wir sind gut und eine Vorausset-zung für den Erfolg. Ihr könnt nicht ohne unsund wir nicht ohne euch!«

Vielleicht mit diesem Heft?Wer weiß!?

Oliver LindnerContinental Automotive GmbHSiemensstr. 1293055 [email protected]