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Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) - Diskussionspapier - Post–Washington–Consensus Einige Überlegungen Berlin, April 2004

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Bundesministerium für wirtschaftlicheZusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)

- Diskussionspapier -

Post–Washington–Consensus– Einige Überlegungen

Berlin, April 2004

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Gliederung

1. Einleitung 32. Kernelemente des Washington Consensus 53. Neuere empirische und theoretische Erkenntnisse über wirtschaftliche Grundprinzipien,

Institutionen und Politik 63.1. Wirtschaftliche Grundprinzipien 63.2. Institutionen 7

4. Allgemeine Defizite des Washington Consensus 105. Für eine aktive makroökonomische Politik 13

5.1. Externe Verschuldung 135.2. Der Finanzsektor – das „Gehirn“ der Volkswirtschaft 165.3. Wechselkurspolitik 185.4. Fiskal- und Geldpolitik 205.5. Politische Schlussfolgerungen 22

6. Für eine aktive Strukturpolitik 236.1. Armutsorientierung 236.2. Die Rolle des Staates 256.3. Liberalisierung 27

7. Rolle der externen Partner 307.1. Allgemeine Implikationen 307.2. Weltbank 357.3. Internationaler Währungsfonds (IWF) 37

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1. Einleitung

Die internationale Diskussion um wirtschaftspolitische Konzepte hat sich in den letz-ten Jahren erheblich intensiviert. Dazu haben mehrere Faktoren beigetragen. Erstens istdas Ziel der Armutsbekämpfung in das Zentrum der entwicklungspolitischen Anstrengungengerückt. Im Einklang mit der „Millenniums-Erklärung“ im Rahmen der Vereinten Nationen,wurde die Armutsbekämpfung als überwölbende Aufgabe definiert. Kernelement dieses neu-en Ansatzes sind die von allen IDA-Ländern1 zu erstellenden Armutsbekämpfungsstrategien.Zweitens wurde mit der HIPC-Initiative die Entschuldung der hochverschuldeten armen Län-der mit der Bekämpfung der Armut in diesen Ländern verknüpft. Durch den Schuldenerlassfrei werdende Mittel sollen für Programme zur Bekämpfung der Armut eingesetzt werden.Die Entschuldung ist an die Erstellung eines im nationalen Dialog erarbeiteten Strategiepa-piers zur Armutsreduzierung (Poverty Reduction Strategy Paper, PRSP) gebunden. Schließ-lich gaben auch die Finanzkrise Asiens sowie die krisenhaften Entwicklungen in Lateiname-rika Anlass, traditionelle Sichtweisen in Frage zu stellen.

Mit den Armutsbekämpfungsstrategien wurde das traditionelle Konzept der Struk-turanpassung überwunden. Ein wichtiges Element des neuen Ansatzes ist, dass die Län-der selbst, unter Beteiligung der Zivilgesellschaft („Partizipation“), die Armutsbekämpfungs-strategien erstellen (Ownership). Damit wurde die Grundlage für eine Abkehr von traditio-nellen, standardisierten Reformkonzepten geschaffen und die internationalen Finanzie-rungsinstitutionen gegenüber verschiedenen, alternativen Reformkonzepten geöffnet. Einweiteres Element des neuen Ansatzes besteht darin, dass die Armutsbekämpfung im Kernals eine internationale Gemeinschaftsaufgabe definiert wurde, innerhalb derer alle PartnerVerantwortung übernehmen müssen. Mit der „Konferenz über Entwicklungsfinanzierung“ imMärz 2002 in Monterrey wurde diese Entwicklungspartnerschaft auf eine solide Grundlagegestellt. Die im Monterrey Consensus vereinbarte Partnerschaft baut auf ein Zusammenwir-ken von Staat und Markt, von Industrie- und Entwicklungsländern sowie den multilateralenInstitutionen.

Die genannten Entwicklungen haben das allgemeine Verständnis wirtschaftspoliti-scher Prozesse in Entwicklungs- und Transformationsländern geschärft. Trotzdemgeben verschiedene Faktoren Anlass, weiter über wirtschaftspolitische Alternativen indiesen Ländern nachzudenken:

• Das derzeitige Wirtschaftswachstum in vielen Entwicklungs- und Transformati-onsländern reicht noch nicht aus, um die internationalen Entwicklungsziele (Mil-lennium Development Goals, MDGs) zu erreichen. Neuere Forschungsergebnissezeigen, dass armutsorientiertes Wirtschaftswachstum für die Verminderung der Armutentscheidend ist.2 Die Armutsbekämpfungsprogramme der Entwicklungsländer bleiben indieser Beziehung bisher hinter den Erwartungen zurück. Die Annahmen bezüglich Wirt-schaftswachstum und Investitionen, die den Armutsbekämpfungsprogrammen zugrundelagen, waren leider durchgehend zu optimistisch.3 Insbesondere in den afrikanischenNiedrigeinkommensländern müssen die Wirtschaftswachstumsraten erheblich gesteigertwerden, um die internationalen Entwicklungsziele zu erreichen. Dies gilt auch für dasZiel, die Armut bis zum Jahr 2015 zu halbieren.

• Viele Entwicklungs- und Transformationsländer bleiben in hohem Maße verwund-bar gegenüber adversen, kaum durch sie selbst zu beeinflussenden Entwicklungen(„externe Schocks“).4 Einzelne Typen von solchen externen Schocks kommen in be-

1 Länder mit einem Pro-Kopf-Einkommen bis 865$ im Jahr.2 Vgl. z.B. Klasen (2001) und die dort angegebene Literatur.3 Vgl. IEO, 2003, S. 12.4 Dazu zählen insbesondere abrupte Verschlechterungen der Terms-of-Trade, Naturkatastrophen,

Finanzkrisen und kriegerische Konflikte.

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stimmten Ländergruppen besonders häufig vor. Vor allem für Niedrigeinkommensländerstellt die Volatilität der Rohstoffpreise ein großes Problem dar; sie waren relativ oft mit ei-nem abrupten Verfall der Weltmarktpreise für ihre Hauptexportprodukte konfrontiert.5 Da-gegen waren Mitteleinkommensländer in den letzten Jahrzehnten immer wieder von Fi-nanzkrisen betroffen. Solche externen Schocks führen in der Regel zu einer Destabilisie-rung der makroökonomischen Situation und zu einem abrupten Rückgang des Sozialpro-dukts, von dem die ärmeren Bevölkerungsschichten besonders in Mitleidenschaft gezo-gen werden.6 Schließlich haben die Schocks, zusammen mit den oft unzureichendenwirtschaftspolitischen Reaktionen, auch dazu beigetragen, dass sich die Auslandsver-schuldung in den betroffenen Ländern stark erhöht hat.7 Nicht zuletzt deshalb ist bei ei-ner Reihe von HIPC-Ländern das Entstehen von Verschuldungsproblemen auch nachdem HIPC-Schuldenerlass zu befürchten.

• Die realen Preise für zahlreiche Rohstoffe unterliegen nicht nur starken Schwan-kungen. Es zeichnet sich außerdem für viele Produkte wie z.B. Baumwolle und Kaf-fee ein langfristig fallender Trend ab.8 In dem erheblichen Mittelverlust durch ungün-stige terms of trade liegt ein Hauptgrund der schwachen wirtschaftlichen Leistungskraftder Niedrigeinkommensländer in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten. Zwischen 1997und 2001 ist der UNCTAD-Gesamtpreisindex („combined price index“) um 53% gefallen.Rohstoffe haben also mehr als die Hälfte ihrer Kaufkraft für Industrieerzeugnisse verlo-ren. Nach UNCTAD-Berechnungen hätte ohne die Verschlechterung der terms of tradeund die damit verbundenen Verluste für die nicht Öl exportierenden Länder die Investiti-onsrate um 1,4% höher und das aktuelle Niveau des Pro-Kopf-Einkommens sogar um50% höher gelegen. Diese terms of trade - Verluste haben mit zu dem Schuldenüber-hang der HIPC-Länder beigetragen.

Es kann kaum bestritten werden, dass für den unbefriedigenden Erfolg bzgl. Wirt-schaftswachstum und Diversifizierung auch die mangelnde Qualität der Politikemp-fehlungen selbst verantwortlich waren. Die vorliegenden empirischen Untersuchungendeuten darauf hin, dass – mit wenigen Ausnahmen9 - die Strukturanpassungsprogrammeleider nicht zu einer nennenswerten Erhöhung der Wirtschaftswachstumsraten geführt ha-ben.10 Auch bei der Diversifizierung der Wirtschaftsstrukturen der Niedrigeinkommensländersind kaum Fortschritte zu verzeichnen. Es wurde häufig argumentiert, dass die mangelndenErfolge auch mit der zum Teil unzureichenden Umsetzung der „Washingtoner“ Politikemp-fehlungen durch die Empfängerregierungen zusammen hinge. Vieles deutet jedoch daraufhin, dass eine Reihe derjenigen Länder, welche die klassischen Politikempfehlungen amkonsequentesten umgesetzt haben, wie insbesondere einige lateinamerikanische Länder,relativ niedrige Wachstumsraten aufweisen. Umgekehrt konnten einige derjenigen Länder,die offensichtlich massiv gegen Grundelemente des klassischen Konzepts verstießen – wiez.B. die VR China und andere ostasiatische Länder – beachtliche Wachstums- und Entwick-lungserfolge verzeichnen. 5 Niedrigeinkommensländer verzeichneten zwischen 1992-2001 durchschnittlich alle 3.3 Jahre einen

externen Schock aufgrund eines Verfalls der Preise für ihre Rohstoffexporte (vgl. IWF, 2003 b, S.7). Die Terms of Trade der Länder Subsahara Afrikas weisen eine etwa doppelt so hohe Volatilitätauf wie jene von Ostasien und beinahe eine viermal so hohe wie jene der Industrieländer. ImDurchschnitt sind die ärmsten Länder alle 5-8 Jahre von einem „externen Schock“ betroffen. EinHauptgrund dafür liegt in ihrer starken Rohstoffabhängigkeit.

6 Allein durch Terms-of-Trade Shocks verzeichneten die Entwicklungsländer substanzielle Einkom-mensverluste (IWF 2003 b, S. 7). Nach Collier und Dehn 2001 haben solche Schocks zur Folge,dass das Wirtschaftswachstum in den Folgejahren erheblich beeinträchtigt wird. Collier und Dehn(2001) berechnen für eine Gruppe besonders betroffener Entwicklungsländern einen kumuliertenOutput-Verlust von 14 Prozent über vier Jahre.

7 Vgl. IWF 2003 b, S. 138 Vgl. UNCTAD 2003.9 Ghana, Uganda, Mozambik10 Vgl. Klasen (2001, S. 12).

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Die weiteren Ausführungen sind wie folgt aufgebaut: In Abschnitt 2 werden kurz die Ker-nelemente des Washington Consensus, in Erinnerung gerufen. Abschnitt 3 skizziert einigeneuere empirische und theoretische Erkenntnisse, welche für die Erklärung von erfolgreichenWachstumsstrategien relevant sind. Dabei wird insbesondere auf die in letzter Zeit stärkerbeachtete Rolle von Institutionen für den Wachstumsprozess Bezug genommen. In Abschnitt4 werden auf der Grundlage dieser Erkenntnisse die Hauptdefizite des traditionellen Ansat-zes dargestellt. Es folgt eine Diskussion wirtschaftspolitischer Ansätze in den beiden wichtig-sten Zielfeldern: Der makroökonomischen Stabilisierung (Abschnitt 5) und der Verbesserungder Ressourcenallokation einschließlich der Armutsbekämpfung (Abschnitt 6). Dabei werden– soweit dies in allgemeiner Form möglich ist - die entsprechenden politischen Schlussfolge-rungen gezogen. Abschnitt 7 skizziert die wichtigsten Implikationen für die Entwicklungszu-sammenarbeit, insbesondere für die Arbeit der internationalen Finanzierungsinstitutionen.

2. Kernelemente des Washington Consensus

Bis vor einiger Zeit gab es einen relativ breiten Konsens über die Art der Reformen, die inEntwicklungs- und Transformationsländern vordringlich sind. Diese gemeinsame Sichtweisewurde als Washington Consensus bezeichnet und von John Williamson in den neunzigerJahren auf den Punkt gebracht.11

Der Washington Consensus beinhaltet 10 Politikempfehlungen:12

Makropolitik:• Haushaltsdisziplin• Liberalisierung der Zinssätze• Marktbestimmter Wechselkurs

Strukturpolitik:• Privatisierung• Deregulierung• Importliberalisierung• Liberalisierung von ausländischen Direktinvestitionen• Steuerreform, die auf eine Senkung der Progression und einer Verbreiterung der Steuer-

basis gerichtet ist• Sicherung der Eigentumsrechte.• Umschichtung der öffentlichen Finanzen zugunsten des Bildungs- und Gesundheitssek-

tors

Der „Erfinder“ des Washington Consensus, John Williamson, trat selbst für eine diffe-renzierte Auslegung dieser Orientierungen ein. Außerdem wies er mit Recht darauf hin,dass der „Consensus“ Punkte, die aus heutiger Sicht kritisch erscheinen, wie eine vollständi-ge Liberalisierung der Kapitalmärkte, die Umsetzung einer monetaristischen Geldpolitik oderdie radikale Rückführung der staatlichen Funktionen nicht beinhalte. Es muss außerdemberücksichtigt werden, dass sich die Empfehlungen des Consensus auf die Situation latein-amerikanischer Länder am Ende der achtziger Jahre bezogen und Williamson nicht bean-spruchte, dass sie für alle Länder allgemein gültig sind.

11 John Williamson, der diesen Begriff 1989 geprägt hat, ging davon aus, dass diese Politikempfeh-

lungen von den in Washington ansässigen Institutionen Weltbank, IWF sowie der US-Regierunggeteilt werden. Seitdem wurde diese Empfehlungen weit über die Grenzen der USA hinaus ange-nommen.

12 Vgl. Williamson 2000

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In der Praxis herrschte jedoch eine weniger differenzierte Sichtweise vor. So beinhal-tete das Standard-Reformpaket weitgehende und schnelle Privatisierungen sowie die Libera-lisierung der Kapitalmärkte. Im Zentrum der Empfehlungen standen Maßnahmen im Bereichder Preis- und Handelsliberalisierung, sowie der Inflationsbekämpfung. Es wurde davon aus-gegangen, dass allein dadurch die Voraussetzungen für eine effiziente Allokation von Res-sourcen und für dauerhaft hohes Wirtschaftswachstum geschaffen werden könnten.

In den letzten Jahren ist der internationale Konsens zu wirtschaftspolitischen Fragenimmer mehr aufgebrochen. Wie eingangs erwähnt hat sich mit der HIPC-Initiative, demPRSP-Konzept, der Festschreibung des Monterrey Consensus ein differenzierteres Ver-ständnis wirtschaftspolitischer Prozesse und der jeweiligen Verantwortung der verschiede-nen nationalen und internationalen Akteure entwickelt. Dadurch wurde zwar der alte Kon-sens aufgebrochen. Es ist jedoch nicht gelungen, eine neue gemeinsame Sichtweise zuentwickeln. Die inzwischen vorliegenden Konzepte – auch von Weltbank und IWF - habensich zwischenzeitlich differenziert und fortentwickelt; traditionelle Sichtweisen wurden in vie-len Bereichen überwunden. Diese Erkenntnisse wurden aber bisher nicht in einen kohären-ten Zusammenhang gestellt. Außerdem besteht der Eindruck, dass neuere Ansätze in derPraxis des sog. operativen Geschäfts vielfach noch nicht Eingang gefunden haben.

3. Neuere empirische und theoretische Erkenntnisse über wirtschaftliche Grundprin-zipien, Institutionen und Politiken

3.1 Wirtschaftliche Grundprinzipien

Es ist sinnvoll zwischen wirtschaftlichen Grundprinzipien sowie deren Umsetzungdurch Institutionen und Politikmaßnahmen zu unterscheiden.13 Wirtschaftliche Grund-prinzipien, wie die Prinzipien, dass Menschen auf Anreize reagieren, Wettbewerb hierfürwichtig ist, Verfügungsrechte klar definiert sein sollten, haben unabhängig vom jeweiligenLand und lokalspezifischen Kontext Geltung. Die Gültigkeit dieser ökonomischer Grundprin-zipien ist weitgehend unumstritten. Diese Grundprinzipien können aber durch unterschiedli-che institutionelle Arrangements und Politikmaßnahmen zur Geltung gebracht werden. Undhier gibt es weniger Übereinstimmung. Es ist weitgehend offen, durch welche institutionellenLösungen und Politikansätze diese Grundprinzipien am besten zur Geltung gebracht werden:so können Verfügungsrechte durch private Eigentumsrechte im z.B. Sinne des Zivilrechtsoder des Gemeinschaftsrechts umgesetzt werden; Wettbewerb kann durch Laissez-faireoder durch effiziente Wettbewerbsbehörden im Sinne der südostasiatischen Länder etabliertwerden; soziale Sicherung kann öffentlich oder privat organisiert werden etc.

13 Vgl. Rodrik et al. 2002, S. 22.

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Diese Problematik wird durch die folgende Übersicht von Rodrik (2002) verdeutlicht.Die Übersicht unterscheidet drei Ziele der Wirtschaftspolitik und ordnet diesen jeweils öko-nomische Grundprinzipien zu:

Ziele Grundprinzipien

Property rights: Ensure potential and current investors canretain the returns to their investments

Incentives: Align producer incentives with social costs andbenefits

1. Productive efficiency (staticAnd dynamic)

Rule of law: Provide a transparent, stable and predictableset of rules

2. Macroeconomic andFinancial Stability

Sound money: Do not generate liquidity beyond the in-crease in nominal money demand at reasonable inflation

Fiscal sustainability: Ensure public debt remains„reasonable“ and stable in relation to national aggregates

Prudential regulation: Prevent financial system from takingexcessive risk

3. Distributive justice andPoverty alleviation

Targeting: Redistributive programs should be targeted asclosely as possible to the intended beneficiaries

Incentive compatibility: Redistributive programs shouldminimize incentive distortions

3.2 Institutionen

Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse haben gezeigt, dass effiziente Institutionen14

entscheidend sind für erfolgreiche Entwicklungsprozesse. Insbesondere verminderneffiziente Institutionen Unsicherheit und erhöhen so die Bereitschaft zu investieren.15 Langfri-stig können dynamische Wachstumsprozesse nur aufrechterhalten werden, wenn Institutio-nen existieren, die das Produktivitätswachstum fördern, ein hohes Maß an Stabilität garantie-ren bzw. die Verletzlichkeit gegenüber externen Schocks vermindern.

Unterschiede im Einkommensniveau und der Produktivität können vor allem mit derQualität der jeweiligen Institutionen erklärt werden. So wurde nachgewiesen, dass dieProduktivität von Immigranten (Output pro Arbeitskraft) in den USA durchschnittlich 4,5 malso hoch ist wie ihr Output in den jeweiligen Herkunftsländern.16 Dieser Unterschied lässt sich

14 Rodrik (World Bank Press Review vom 1.10.02) unterscheidet vier Arten von Institutionen, welche

für den Wirtschaftsprozess relevant sind:- Markt-schaffende Institutionen (Setzung um Umsetzung von Verfügungsrechten, Eindämmung

von Korruption)- Markt-regulierende Institutionen (um Marktversagen und Informationsdefizite zu beheben)- Markt-stabilisierende Institutionen (um Geldwertstabilität und Haushaltsdisziplin zu wahren)- Markt-legitimierende Institutionen (Sozialer Schutz und Sozialversicherung).

15 North 1991.16 Vgl. Hendricks 2002

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nur durch einen kleinen Teil (weniger als ein Drittel) dadurch erklären, dass in den USA einebessere Technologie und mehr Sachkapital eingesetzt wird. Die Haupterklärung liegt viel-mehr in den besseren institutionellen Rahmenbedingungen: Dadurch wird die Produktivitätder Arbeitskräfte maßgeblich beeinflusst. Die zentrale Bedeutung des institutionellen Umfel-des – gegenüber den Faktoren Technologie / Sachkapital und Ausbildung / Qualifikation derArbeitskräfte wird auch durch andere Untersuchungen bestätigt.17

Darüber hinaus lassen sich mit der Qualität des institutionellen Umfeldes auch dieUnterschiede in den Wachstumsraten des Bruttosozialprodukts und der Produktivitätsowie der Volatilität des Wirtschaftswachstums erklären. Einkommens- und Produktivi-tätsdifferenzen zwischen den Ländern gehen ganz wesentlich auf Unterschiede in der Effizi-enz der jeweiligen Institutionen zurück.18 Die vorliegenden statistischen Untersuchungenzeigen, dass sich die Qualität von Institutionen sehr signifikant positiv auf das Wirtschafts-wachstum auswirkt.19 Nach Berechnungen des IWF können allein mit den Unterschieden inder institutionellen Qualität fast drei Viertel der Einkommensdifferenzen zwischen den Län-dern erklärt werden. Besonders wichtig für wirtschaftliches Wachstum ist die Qualität deröffentlichen Institutionen wie z.B. Regulierungssysteme sowie Kapitalmarkt- und Bankenauf-sicht.20 Neben ihrer positiven Wirkung auf das Wirtschaftswachstum tragen starke Institutio-nen auch dazu bei, dass Volkswirtschaften weniger anfällig gegenüber Krisen und externenSchocks sind. So zeigen Untersuchungen des IWF21, dass sich die Qualität von Institutionenstark auf die Volatilität des Wirtschaftswachstums auswirkt.

Politikmaßnahmen wirken sich vor allem indirekt auf das Wirtschaftswachstum aus –indem sie die Qualität von Institutionen beeinflussen. Die große Mehrheit der vorliegen-den aktuellen Untersuchungen über die jeweilige Rolle von Institutionen und Politik auf dasWirtschaftswachstum zeigen, dass der Qualität von Institutionen die zentrale, dominierendeBedeutung zukommt. Politikmaßnahmen haben nur eine geringe direkte Wirkung auf dieWirtschaftsentwicklung. Sie beeinflussen jedoch ihrerseits die Qualität von Institutionen. Auf-grund dieser indirekten Wirkung kommt ihnen dennoch eine wichtige Bedeutung zu. Institu-tionen können als das kumulative Ergebnis vergangener Politikentscheidungen betrachtetwerden.22

Die Wirkungszusammenhänge zwischen der Wirtschaftspolitik und Institutionen sindweitgehend unklar. Vieles spricht jedoch dafür, dass Politikmaßnahmen ohne die ent-sprechenden institutionellen Reformen nicht nachhaltig sind. Untersuchungen zeigen,dass die Effizienz und Nachhaltigkeit von Politikmaßnahmen wesentlich von der Qualität derdahinter stehenden Institutionen abhängt.23 Diese Schlussfolgerung wird vor allem durch dievorliegenden Erfahrungen mit Strukturanpassungsprogrammen gestützt, wo häufig wirt-schaftspolitische Maßnahmen zwar – durch äußeren Druck – eingeleitet, aber nicht konse-quent umgesetzt wurden (weil sie unzureichend durch institutionelle Reformen untermauertwurden). Empirische Untersuchungen zeigen weiter, dass eine hohe Transparenz und einstarker Wettbewerb grundsätzlich die Qualität von Institutionen positiv beeinflussen. Politik-maßnahmen zur Stärkung von Transparenz und Wettbewerb würden so die wirtschaftlicheEntwicklung beschleunigen.

17 Vgl. Hall und Jones 1999.18 Nach Berechnungen des IWF 2003 a könnte das Pro-Kopf-Einkommen in Subsahara Afrika um ca.

80 Prozent erhöht werden, wenn es gelänge die Qualität der Institutionen auf das durchschnittlichin den Entwicklungsländern Asiens vorherrschende Niveau anzuheben.

19 Vgl. IWF 2003 a, S. 105 und die dort zitierte Literatur.20 Vgl. Acemoglu et al. 2000.21 Vgl. IWF 2003 a, S. 108.22 Vgl. Rodrik 2002, S. 20.23 Vgl. IWF 2003 a, S. 104.

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Ein Grund für die unklaren Wirkungszusammenhänge zwischen Institutionen und derWirtschaftspolitik ist, dass die Effizienz von Institutionen weitgehend von dem jeweili-gen lokalspezifischen Umfeld abhängt.24 Institutionen müssen, um effizient zu sein, kom-plementär zu bereits bestehenden institutionellen Arrangements, Qualifikationen, Fähigkeitenund Technologien ausgestaltet sein.25 Deshalb entwickeln sich erfolgreiche Institutionen inder Regel ausgehend von bestehenden Institutionen („adaptive innovation“). Daraus folgtauch, dass Institutionen und wirtschaftspolitische Maßnahmen, die in einem bestimmtenUmfeld erfolgreich sind, nicht einfach in einem anderen Kontext ähnlich erfolgreich einge-setzt werden können. Solche Versuche sind in der Regel gescheitert.26 Es ist deshalb not-wendig Politikansätze zu definieren, die an die jeweilige Ländersituation angepasst sind.Daraus ergibt sich auch, dass die Umsetzung erfolgreicher Wachstumsstrategien ein profun-des Wissen über die lokalen Umstände voraussetzt.

Eine besondere Rolle kommt informellen Institutionen zu.27 In vielen Fällen kann durchNormen und informelle Regeln gesellschaftlich unerwünschtes Geschäftsgebaren effektivunterbunden werden, z.B. dadurch, dass die entsprechenden Akteure von künftigen Ge-schäften ausgeschlossen werden. Wenn formelle Institutionen „importiert“ werden, bestehtdie Gefahr, dass sie funktionierende, bereits existierende informelle Institutionen verdrängenund sich dadurch die Ausgangssituation verschlechtert. Institutionelle Reformen müssendeshalb ausgehend von den existierenden informellen Institutionen konzipiert werden. Indiesem Sinne kommt es darauf an, die Vorteile informeller Institutionen (niedrige Transakti-onskosten, Flexibilität, breite Akzeptanz und soziale Ausgestaltung) mit denen von formellenInstitutionen (Möglichkeit einer flächendeckenden Durchsetzung über den Staat) zu kombi-nieren. In diesem Zusammenhang ist es sinnvoll zwischen endogenen und exogenen Institu-tionen zu unterscheiden.28 Während endogene Institutionen innerhalb einer relativ kurzenZeitspanne verändert werden können, ist dies bei exogenen Institutionen nicht der Fall. In-stitutionelle Reformen, welche kurzfristig nur endogene Institutionen beeinflussen können,müssen mit den exogenen Institutionen kohärent sein und sich in deren Bedingungen ein-passen.

Eine zentrale Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung haben Verfügungsrechte,insbesondere hinsichtlich der Herausbildung eines funktionierenden Finanzsektors.Klar definierte Verfügungsrechte (bzgl. Eigentum und Nutzung) sind eine wichtige institutio-nelle Grundvoraussetzung für Investitionsentscheidungen (vgl. z.B. Rodrik 2002). Wichtig fürInvestoren ist neben der Verbriefung bzw. Absicherung von Rechten vor allem deren effekti-ve und konsequente Durchsetzung (enforcement). Die Entwicklung des Finanzsektors hängtmaßgeblich davon ab, ob Eigentums- und Nutzungsrechte klar definiert sind und konsequentumgesetzt werden.29 Das Problem besteht darin, dass die Schaffung formeller Verfügungs-

24 „Economies that adopt the formal rules of another economy will have very different performance

characteristics than the first economy because of different informal norms and enforcement.“ Vgl.North 1994, S. 366.

25 Dies erklärt auch, warum in entwickelten Ländern weiterhin wichtige institutionelle Unterschiedefortbestehen – z.B. was die Rolle des öffentlichen Sektors, das Rechtssystem, das Unternehmens-recht, die Ausrichtung von Finanz- und Arbeitsmärkten sowie des Sozialsystems anbetrifft.

26 Vgl. Rodrik 2003, S. 15.27 So zeigen zahlreiche Untersuchungen, dass im Bereich des Managements natürlicher Ressourcen

informellen Institutionen eine Schlüsselstellung zukommt. Sie sind in der Regel kostengünstig, fle-xibel und können den Zugang und die Nutzung von natürlichen Ressourcen effizient regeln (vgl.Jütting 2003). Eine ähnliche Bedeutung kommt informellen Institutionen im Bereich der Kredit-märkte zu. Diese Märkte, sind durch hohe asymmetrische Information gekennzeichnet. InformelleInstitutionen können aufgrund ihrer niedrigen Transaktionskosten auch unter diesen Bedingungenden Zugang zu Krediten sichern (ebda).

28 Vgl. Jütting 2003.29 Durch unklare Verfügungsrechte können vorhandene Ressourcen nicht effizient genutzt werden;

dies betrifft vor allem die Armen. Hernando de Soto (2000) hat gezeigt, dass die Armen in Ent-wicklungsländer Ressourcen im Wert von etwa 9.3 Billionen $ besitzen, diese Ressourcen aber

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und Eigentumsrechte komplex, langwierig und kostspielig ist. Deshalb geht es in einer Über-gangsphase darum, institutionelle Lösungen zu finden, die schnell umsetzbar und trotzdemfunktional sind, z.B. indem der Staat Garantien für Kreditsicherheiten übernimmt, die sich aufnicht rechtlich verbriefte Ressourcen beziehen (Land, Betriebe im informellen Sektor etc.).

Auch natürliche Voraussetzungen bzw. die geographische Lage der Länder sind wich-tige Faktoren, um den Erfolg oder Misserfolg von Entwicklungsprozessen zu erklären.So wurde argumentiert, dass die wirtschaftliche Entwicklung der verschiedenen Länder mitihrer jeweiligen „Nähe zum Äquator“ korreliert: Die Raten des Wirtschaftswachstums warenhistorisch in tropischen Ländern relativ niedrig. Das gleiche gilt für rohstoffreiche Länder. Sieweisen durchschnittlich niedrigere Wachstumsraten auf als ressourcenarme Länder, wo-durch sich die These des „resource curse“ begründen lässt.

Auch diese natürlichen bzw. geografischen Faktoren wirken vor allem unmittelbar aufdie wirtschaftliche Entwicklung, nämlich indem sie die Qualität der Institutionen prä-gen.30 Was die geographische Lage anbetrifft, so wurde argumentiert, dass die Kolonial-mächte in den tropischen Regionen in nur sehr begrenzten Maße in den Aufbau von gesell-schaftlichen Institutionen investiert haben; sie wollten sich dort nicht selbst nachhaltig wirt-schaftlich engagieren, sondern die Gebiete – auch wegen ihrer Klimas – nur kurzfristig „aus-beuten“. Auch der Rohstoffreichtum wirkt sich in vielfacher Hinsicht negativ auf die gesell-schaftlichen Institutionen aus. Empirisch lässt sich feststellen, dass die rohstoffabhängigenLänder nicht nur ein relativ geringes Wirtschaftswachstum aufweisen, sondern auch relativschlecht bei einem Vergleich der Indikatoren für die Qualität der Regierungsführung ab-schneiden.31 Ressourcenreichtum ist häufig mit einem geringen Maß an Transparenz undRechenschaftslegung bzgl. der damit verbundenen Einnahmen und Finanzströme verbun-den. Dies bildet die Grundlage von Korruption und beeinträchtigt die Effizienz des öffentli-chen Haushaltsmanagements. Dadurch kann auch die inländische Sparneigung und damitdas Wirtschaftswachstum behindert werden.

Aus dieser Analyse ergibt sich die Schlussfolgerung, dass allgemeine Politikempfeh-lungen in nur sehr begrenztem Maße möglich sind. Politiken, die darauf gerichtet sind,die Effizienz von Institutionen zu verbessern, müssen den lokalspezifischen Kontext berück-sichtigen. Darüber hinaus haben einzelne Politikmaßnahmen, je nach den jeweiligen institu-tionellen Gegebenheiten in einem Land, eine sehr unterschiedliche Wirkung. KlassischesBeispiel ist, dass der Erfolg einer Kapitalverkehrsliberalisierung in hohem Maße davon ab-hängt, ob es eine effiziente Überwachung der heimischen Finanzinstitute gibt und allgemeinein hohes Maß an Rechtstaatlichkeit und Transparenz gegeben ist. Politikempfehlungenmüssen deshalb ausgehend vom lokalen Kontext und den bestehenden Institutionen konzi-piert werden müssen.

4. Allgemeine Defizite des Washington Consensus

Die folgenden Ausführungen zielen darauf ab, systematische Defizite in den Empfeh-lungen des Washington Consensus zu identifizieren und hieraus die entsprechendenSchlussfolgerungen zu ziehen. Der Washington Consensus ist hier insofern relevant, alsviele seiner Empfehlungen den Mainstream wirtschaftspolitischen Denkens darstellten undsich deshalb sowohl in der konkreten Politik der internationalen Institutionen als auch in denPositionen wiederspiegelten, die durch die meisten Industrieländer-Regierungen vertreten

nicht rechtlich verbrieft sind. Dies hat zum Beispiel zur Folge, dass die Armen diese Ressourcennicht als Kreditsicherheit nutzen können.

30 Zur Frage der Wirkungen von Institutionen, Geographie und Politiken auf das Wirtschaftswachstumvgl. IWF, 2003 a, S. 109 und die dort zitierte Literatur.

31 Vgl. z.B. Berg und Krueger 2003.

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wurden. Es kann davon ausgegangen werden, dass noch bestehende Defizite in den derzei-tigen Ansätzen und vor allem in der Praxis mit den Unzulänglichkeiten des Washington Con-sensus zusammen hängen.

Der Washington Consensus weist vor allem vier grundlegende Defizite auf.

Das erste Defizit des Washington Consensus besteht darin, dass seine Empfehlungendie institutionellen Aspekte und Voraussetzungen für erfolgreiche Entwicklung kom-plett ausblenden. Die vorgeschlagenen Politikmaßnahmen beruhen auf dem (neoklassi-schen) allgemeinen Gleichgewichtsmodell. Auf dieser Grundlage können die allokativenAspekte von wirtschaftlichen Prozessen analysiert werden. Weil es neben dieser Frage derRessourcenallokation noch weitere Aspekte gibt, die die Leistungsfähigkeit wirtschaftlicherSysteme betreffen, bleibt diese Analyse begrenzt. Diese anderen Aspekte wurden vor allemdurch die Neue Institutionenökonomie hervorgehoben und analysiert. Diese Aspekte, wie dieFunktionalität institutioneller Arrangements, müssen weitgehend auf mikroökonomischerEbene untersucht werden. - John Williamson, der zuerst die Politiken des „Washington Con-sensus“ zusammenfassend formulierte, hat vor kurzem seine ursprünglichen Politikempfeh-lungen erweitert. In der erweiterten Liste notwendiger Politikmaßnahmen („Augmented Wa-shington Consensus“) werden auch institutionelle Reformen berücksichtigt.32 Dies ist einwichtiger Fortschritt.

In der Praxis führten die Empfehlungen des Consensus tendenziell dazu, dass Maß-nahmen zur Liberalisierung und relativ undifferenzierte Ausgabenkürzungen zeitlichvorgezogen institutionelle Reformen zum Teil mit einer erheblichen Zeitverzögerung inAngriff genommen wurden. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass in der Praxis –auch unter dem Druck, möglichst schnell „Reformergebnisse“ vorweisen zu können – häufigdie einfachen und schnell umsetzbaren Maßnahmen prioritär umgesetzt wurden. Relativschnell umsetzbar („with a stroke of the pen“) sind zum einen Maßnahmen im Bereich derLiberalisierung (Preise, Handel, Kapitalverkehr) und zum anderen bestimmte Stabilisie-rungsmaßnahmen, wie Einschnitte im Investitionsbudget. Institutionelle Reformen sind da-gegen komplex und langwierig. Sie können darüber hinaus erhebliche Finanzmittel in An-spruch nehmen. Deshalb wird das Spannungsverhältnis zwischen den unkomplizierten,schnell umsetzbaren Maßnahmen und den komplizierten, langwierigen institutionellen Re-formen in der Regel zu Lasten der letztgenannten Maßnahmen „gelöst“.

Das „Vorziehen“ der stroke of the pen - Maßnahmen ist aber äußerst problematisch.Wie bereits erwähnt sind für die erfolgreiche Umsetzung und Aufrechterhaltung von Politik-maßnahmen häufig institutionelle Reformen notwendig. Diese institutionellen Reformenmüssen deshalb frühzeitig eingeleitet werden. Dies wird zumindest theoretisch auch mehrund mehr anerkannt. Diese Erkenntnis führt aber dazu, dass den Ländern neuerdings emp-fohlen wird, eben nicht nur die stroke of the pen – Maßnahmen, sondern gleichzeitig auchdie institutionellen Reformen prioritär umzusetzen. Angesichts der begrenzten finanziellenund administrativen Kapazitäten in den betreffenden Ländern ist diese Gleichzeitigkeit aberin der Regel nicht möglich. Außerdem wird bei dieser Empfehlung ignoriert, dass die institu-

32 Im Einzelnen erweitert er die Liste der ursprünglichen Empfehlungen um folgende, als vorrangig

und notwendig erkannte Punkte:• Rechtliche und politische Reformen, Schaffung von Institutionen und Regeln sowie Maßnah-

men zur Bekämpfung der Korruption.• Die Umsetzung internationaler Standards und Abkommen (im Bereich WTO / Handel sowie

internationale Finanzkodizes und –standards).• Die Einführung von „Ecklösungen“ bzgl. der Wechselkursregime (also entweder vollkommen

feste oder vollständig flexible Wechselkurse).• Flexible Arbeitsmärkte.• Soziale Sicherungssysteme und Bekämpfung der Armut.• Eine vorsichtige Öffnung der Kapitaltransaktionen mit dem Ausland. (Vgl. Rodrik 2001, S.15)

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tionelle Entwicklung ein sehr langfristiger Prozess ist. In vielen Fällen müsste aus der Er-kenntnis der Wichtigkeit institutioneller Reformen – trotz des Reformdrucks – die Schlussfol-gerung gezogen werden, die stroke of the pen – Maßnahmen zunächst gegenüber den in-stitutionellen Reformen zurück zu stellen bzw. so auszugestalten, dass sie den institutionel-len Voraussetzungen entsprechen.

Auch Verteilungsfragen – und dies beschreibt die zweite Schwachstelle des Consen-sus – werden weitgehend ausgeblendet. Dahinter steht die neoklassische Vorstellung,dass die Frage der Ressourcenallokation von Verteilungsfragen unabhängig ist. Dadurchkann sich die allgemeine Gleichgewichtstheorie auf Fragen der Ressourcenallokation kon-zentrieren ohne gleichzeitig Verteilungsaspekte berücksichtigen zu müssen. Aufgrund derneueren theoretischen Erkenntnisse wurde diese Trennung zunehmend in Frage gestellt.Damit kann die Effizienz wirtschaftlicher Prozesse nur noch in sehr beschränktem Umfangauf allgemeiner Ebene (durch die allgemeine Gleichgewichtstheorie) diskutiert werden. Auchdiese Schwäche des ursprünglichen Washington Consensus – die Ausblendung von Vertei-lungsfragen - wurde zwischenzeitlich formell korrigiert, indem das Ziel der Armutsbekämp-fung in die Liste des Augmented Washington Consensus aufgenommen wurde.

Der dritte Kritikpunkt am „Washington Consensus“ ist, dass in dessen Empfehlungender makroökonomischen Politik eine „neutrale“ und damit passive Rolle zuerkanntwird. Hinter den Empfehlungen des Consensus steht die Vorstellung, dass die makroöko-nomische Politik möglichst „neutral“ sein sollte, die Geld- und die Fiskalpolitik sollte den Wirt-schaftsprozess nicht „stören“. Auch dieses Defizit hängt eng mit der allgemeinen Gleichge-wichtstheorie zusammen. Hier ist die „Geldsphäre“ – zumindest längerfristig – unbedeutend;sie hat keinen Einfluss auf die „Realwirtschaft“. In dieser Vorstellung wird durch eine solche„neutrale“ Makropolitik die Wirtschaft stabilisiert; der Strukturpolitik kommt die Aufgabe zu,die Wachstumskräfte, insbesondere durch eine Verbesserung der Ressourcenallokation frei-zusetzen. Eine aktive Rolle der makroökonomischen Politik hinsichtlich der Förderung vonWirtschaftswachstum und Beschäftigung bzw. die Möglichkeit unterschiedlicher makroöko-nomischer Optionen wird damit ausgeschlossen. Insbesondere wird nicht diskutiert, wie diemakroökonomische Politik ausgestaltet werden kann, um Investitionen und Wirtschafts-wachstum zu fördern; bzw., wie sichergestellt werden kann, dass das makroökonomischeGleichgewicht durch eine „Anpassung nach oben“ und nicht durch eine „Anpassung nachunten“ wieder hergestellt wird. Dadurch wird ignoriert, dass sich die Art der (kurzfristigen)Stabilisierungsmaßnahmen auf die langfristige wirtschaftliche Entwicklung bzw. das langfri-stige Gleichgewicht auswirkt. Es wird davon ausgegangen, dass Zielkonflikte nur kurzfristigexistieren und lediglich durch eine entsprechende Sozialpolitik abgefedert werden müssen.Auch die Frage, welche Stabilisierungsmaßnahmen den Konflikt zwischen kurzfristiger Stabi-lisierung und langfristigem Wachstum am besten lösen, fällt dabei unter den Tisch. Damit inVerbindung steht die Vernachlässigung des Finanzsektors sowie des Zusammenhangs zwi-schen makroökonomischer und Finanzsektorentwicklung. Schließlich wird durch die hinterdem Washington Consensus stehende Sichtweise auch die Frage ausgeklammert, welchewirtschaftspolitische Maßnahmen geeignet sind, makroökonomische Ungleichgewichte zuvermeiden (anstatt makroökonomische Krisen zu bekämpfen).

Das vierte Defizit besteht darin, dass Politikmaßnahmen und besonders auch Institu-tionen nicht – wie vom Consensus suggeriert – weitgehend neutral sind; ihre Effizienzhängt vielmehr davon ab, in welchem Umfeld sie eingesetzt werden. Wie erwähnt, wer-den zwar im Augmented Washington Consensus institutionelle Aspekte berücksichtigt. Je-doch kommt in den Empfehlungen nicht zum Ausdruck, dass Institutionen lokalspezifischausgestaltet werden müssen – dies ist schon allein aufgrund ihrer finanziellen Implikationennotwendig (z.B. im Bereich der WTO-Disziplinen33 und den internationalen Finanzstandards).

33 So wurde geschätzt, dass allein die Umsetzung der Anforderungen von drei WTO-Abkommen

(Zollwertbestimmung, sanitäre und phytosanitäre Maßnahmen und geistige Eigentumsrechte) für

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Deshalb sind die institutionellen Empfehlungen des Augmented Washington Consensusdurchaus problematisch. Dieses Problem spiegelt sich auch in der Praxis der wirtschaftspoli-tischen Empfehlungen von IWF und Weltbank wieder. So gibt es immer wieder Hinweise,dass diese Empfehlungen im institutionellen Bereich an angelsächsischen Modellen orien-tiert sind. Dies ist auch – angesichts der Tatsache, dass immer noch die große Mehrheit deshöher qualifizierten Personals („professionals“) dieser Organisationen in angelsächsischenUniversitäten ausgebildet wurde – nicht verwunderlich.

5. Makroökonomische Stabilisierung

5.1 Externe Verschuldung

Was die Frage der Verschuldung anbetrifft, so verharmlost die traditionelle SichtweiseRisiken, die mit dem graduellen Aufbau externer Verschuldung verbunden sind sowieauch die Frage der Schuldenstruktur. Dies kommt zum Beispiel dadurch zum Ausdruck,dass aggregierte Flussgrößen im Zentrum der Betrachtung stehen. Das gilt auch für das fürAnpassungsprogramme grundlegende Instrument des Financial Programming. Durch dieKonzentration auf Flussgrößen blieb der Aufbau von übermäßigen internen und vor allemexternen Verschuldungspositionen weitgehend unberücksichtigt. Durch die aggregierte Be-trachtung wurden Fragen der Schuldenstruktur vernachlässigt.

(a) Das Niveau der externen Verschuldung

Länder mit einer hohen externen Verschuldung in Fremdwährung sind äußerst krisen-anfällig. Bei sinkender Wettbewerbsfähigkeit und steigender Inflation steht ihnen auch kaummehr die Option zur Verfügung, die nationale Währung abzuwerten. Im Falle einer Abwer-tung steigt die Verschuldung sprunghaft an. Es besteht dann ein klarer Zielkonflikt zwischeneinerseits dem Bestreben, die Verschuldungssituation nicht zu verschlechtern und anderer-seits die Wettbewerbsfähigkeit durch eine Abwertung aufrecht zu erhalten.

Es gibt kaum Beispiele von Ländern, die über einen längeren Zeitraum hohe Wachs-tumsraten und gleichzeitig hohe permanente kreditfinanzierte Leistungsbilanzdefiziteaufwiesen. Fast alle Länder mit permanent hohen Leistungsbilanzdefiziten gerieten in grö-ßere Finanz- bzw. Verschuldungskrisen. Dagegen gibt es eine Reihe von Ländern, die er-folgreich Exportüberschüsse als Wachstumsmotor eingesetzt haben (z.B. Deutschland undJapan nach dem Krieg, Taiwan und andere ostasiatische Länder, die Volksrepublik Chinaund Irland seit den neunziger Jahren). Relativ feste Wechselkurse, produktivitätsbezogeneLohnabschlüsse und eine Unterbewertung der Währung waren in der Regel Teil dieser Er-folgsgeschichten.

In der traditionellen, neoklassischen Vorstellung sollte der Entwicklungsprozessmaßgeblich durch Auslandsverschuldung finanziert werden. Dies geht auf Chenery undStrout (1966) zurück. Durch ausländisches Kapital soll in dieser Sichtweise die inländischeSparlücke gefüllt werden.34 Diese Vorstellung, die im übrigen auch zum Teil den Arbeiten

ein typisches Entwicklungsland etwa 150 Millionen Dollar kosten würde. Vgl. Finger und Schuler1999.

34 Hier wird davon ausgegangen, dass die inländische Ersparnis langfristig festgelegt ist und dasKapital-Output-Verhältnis konstant ist. In einer solchen Situation – so das Argument – führen Lei-stungsbilanzdefizite zu einem importgestützten Wachstum. Dies entspricht auch der neoklassi-schen Vorstellung, die – unter der Voraussetzung von offenen Kapitalmärkten – einen permanen-ten Kapitalexport von reichen in arme Länder propagiert.

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von IWF und Weltbank zugrunde liegen, ist durchaus angreifbar.35 So weisen zum BeispielHerr und Priewe (2003 b) darauf hin, dass – anstatt von einer Sparlücke – von einer Investi-tionslücke auszugehen ist. Ursache hierfür sei der unterentwickelte Finanzsektor, wodurchKreditschöpfung erschwert wird und heimische Ressourcen in hohem Maße im Ausland an-gelegt werden. In dieser Sichtweise kommt es darauf an, einen virtuous circle von Kredit-schöpfung, Investitionen und Einkommen zu etablieren. Dem Finanzsektor kommt dabei eineSchlüsselstellung zu.

Eine starke Leistungsbilanzsituation ist mit einer Reihe von Vorteilen verbunden. Ne-ben einer verminderten Krisenanfälligkeit sind vor allem die positiven Nachfragewirkungen zunennen. Die meisten Entwicklungsländer weisen unterausgelastete Kapazitäten auf; dies giltbesonders für den Produktionsfaktor Arbeit. Deshalb ist davon auszugehen, dass sich eineVerbesserung der Leistungsbilanzsituation in diesen Ländern positiv auf die Gesamtnachfra-ge und das Wirtschaftswachstum auswirkt. Das ist auch deshalb relevant, weil kleine, offeneVolkswirtschaften kaum Spielraum haben, die Geld- und Fiskalpolitik zur Stimulierung derinländischen Nachfrage einzusetzen. Dies spricht dafür, konsequent gegen hohe Leistungs-bilanzdefizite vorzugehen und widerspricht der herrschenden Sichtweise, dass ein Lei-stungsbilanzdefizit von bis zu 5% unproblematisch ist.

(b) Die Struktur der Kapitalimporte und „Mismatches“

Noch wichtiger als die Höhe der Leistungsbilanzdefizite ist die Frage, wie diese finan-ziert werden. Insbesondere kurzfristig ausgerichtete Kapitalzuflüsse sind problema-tisch. Dauerhafte Leistungsbilanzdefizite können durch Auslandskredite (Anleihen, Bankkre-dite), Aktienbeteiligungen, privaten Transfers und ausländische Direktinvestitionen finanziertwerden.36 Die Struktur der Kapitalimporte hat einen wesentlichen Einfluss darauf, wie starkein Land gegenüber Schocks im Bereich der Realwirtschaft (z.B. Verfall der Rohstoffpreise)oder im Finanzsektor anfällig ist. Von den genannten Finanzierungsformen sind Direktinve-stitionen grundsätzlich unproblematisch, da sie langfristige Anlagen darstellen, deren Wertbzw. Ertrag auch von der wirtschaftlichen Entwicklung abhängig ist. Außerdem sind sie in derRegel mit einem Transfer von Wissen und Knowhow verbunden, wovon die Gesamtwirt-schaft profitiert. Auch private Transfers sind unproblematisch, sofern sie nicht weitgehend inden privaten Konsum fließen. Dagegen sind kurzfristige Kredite und Portfolioinvestitionen mithohen Risiken behaftet; sie können im Falle eines Vertrauensverlustes von Seiten der Gläu-biger und Investoren schnell zurück gezogen werden. Eine solche Situation führt, unterstütztdurch kurzfristige Währungstransaktionen, zu einer schnellen Neubewertung der Vermögenund Verbindlichkeiten der verschiedenen inländischen Gruppen. Damit können einzelneSektoren (öffentlicher Sektor, Privatwirtschaft oder Finanzsektor) in Mitleidenschaft gezogenwerden.

Neben der Struktur der Kapitalimporte eines Landes kommt es auch darauf an, wie dieVermögenswerte und Verpflichtungen der einzelnen Sektoren der Volkswirtschaft zu-sammen gesetzt sind. Die Verletzlichkeit steigt, wenn die Volkswirtschaft oder einzel-ne Sektoren substanzielle „Mismatches“ in ihrer Kapitalstruktur aufweisen. Die dreiwichtigsten Mismatches sind:

• Currency Mismatch. – Dieser liegt vor, wenn die Vermögenswerte der inländischen Wirt-schaftssubjekte hauptsächlich in lokaler Währung, die Verpflichtungen aber vor allem inFremdwährung nominiert sind. Dadurch ist ein Land gegenüber einer Abwertung beson-ders verletzlich („exchange rate risk“). Eine Abwertung führt dann zum Bankrott zahlrei-cher Unternehmen sowie auch zur Zahlungsunfähigkeit des Staates selbst. Durch hohe

35 Vgl. z.B. Easterly 1999, als prominenter Kritiker.36 Öffentliche Transfers in Form der ODA stellen einen besonderen Fall dar, der im Folgenden noch

behandelt wird.

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Schulden in Fremdwährung macht sich ein Land stark abhängig von den Erwartungender Anleger bzgl. des Wechselkurses. Dabei ist unmaßgeblich, ob die Schulden vor allemvom Staat oder von den Privaten gehalten werden.

• Maturity Mismatch. – Langfristig festgelegte (illiquide) Vermögenswerte kombiniert mitkurzfristigen Verpflichtungen machen Unternehmen, Sektoren bzw. die Volkswirtschaftanfällig gegenüber der Bereitschaft von Gläubigern, ihre Kredite zu verlängern („rolloverrisk“). Damit ist auch das Risiko verbunden, dass Kredite nur zu höheren Zinsen verlän-gert werden („interest rate risk“).

• Capital Mismatch. – Ein Problem entsteht, wenn die externe Finanzierung relativ starkdurch Kredite erfolgt. Kredite müssen – im Gegensatz z.B. zu Unternehmensbeteiligun-gen - unabhängig von der aktuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bedient werden.Dadurch entsteht das Risiko, dass der Schuldendienst das Land „in schlechten Zeiten“ inden Ruin treibt bzw. ausgesetzt werden muss.

Die mit Mismatches verbundenen Risiken bleiben in der Regel nicht auf einen Sektorbeschränkt. Sie verbreiten sich tendenziell auf die gesamte Volkswirtschaft und ver-stärken sich in diesem Prozess. Ein Vertrauensverlust der Anleger führt letztlich fast im-mer zu einer Flucht aus der nationalen Währung und damit einer Abwertung, die wiederum inder Regel das Currency Mismatch, insbesondere des Bankensektors weiter verstärkt (sofernnicht die Fremdwährung komplett als nationale Währung übernommen wird). Währungs- undBankenkrisen gehen deshalb normalerweise miteinander einher.

(c) Dollarisierung

Der Fachbegriff „Dollarisierung“ beschreibt einen Zustand der Volkswirtschaft, bei dem einhohes Maß der finanziellen Aktiva und Verbindlichkeiten des Landes in einer fremden Leit-währung – meist US-Dollar oder Euro, bzw. vor dessen Einführung in DM – gehalten wird.Dadurch kann die nationale Währung die Geldfunktionen nicht mehr wahrnehmen.

In den letzten Jahren hat die Dollarisierung insbesondere in den Ländern Lateinameri-kas und den Transformationsländern schnell zugenommen. Dadurch hat sich die Ver-wundbarkeit der betreffenden Finanzsysteme deutlich erhöht.37 Durch currency mismat-ches wird die Liquidität und Solvenz von Unternehmen bzw. ganzer Sektoren sowie letztlichauch des Bankensystems selbst gefährdet. Sofern bei einem hohen Dollarisierungsgrad ne-gative Informationen bekannt werden (ob durch reale Faktoren begründet oder nicht), kannes leicht zu einem abrupten Abzug der Dollareinlagen aus dem inländischen Bankensystemkommen. Die betroffenen Zentralbanken haben in einer solchen Situation kaum Instrumente,einem Bank Run (Ansturm auf die Banken, um Einlagen abzuziehen) entgegen zu wirken.Sie verfügen in der Regel nicht über ausreichend Devisenreserven, um die Funktion deslender of last resort zu übernehmen. Sie haben auch nicht die Möglichkeit, für Fremdwäh-rungen die Zinssätze festzulegen und damit den Abzug von Mitteln unattraktiver zu gestal-ten. Stark dollarisierte Volkswirtschaften sind deshalb besonders verwundbar gegenüberLiquiditäts- und Solvenzrisiken.

Bei einem hohen Dollarisierungsgrad der Volkswirtschaft wird die Rolle der Geldpoli-tik ernsthaft geschwächt. Sie kann nur noch sehr begrenzt eingesetzt werden, um dieVolkswirtschaft zu stimulieren. Expansive geldpolitische Impulse führen unter diesen Bedin-gungen dazu, dass der Abwertungs- und damit der Inflationsdruck stark ansteigt. Der Fi-nanzsektor kann unter diesen Bedingungen kaum seine Aufgabe wahrnehmen, in nennens-

37 Vgl. IWF 2003f.

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werten Umfang Kredite in lokaler Währung für den Wirtschaftsprozess zur Verfügung zustellen.

(d) ODA und Schuldentragfähigkeit

Zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung und zur Erreichung der internationa-len Entwicklungsziele kommt der ODA – durch den mit ihr verbundenen Transfer vonKnowhow und Ressourcen – eine wichtige Rolle zu. Neben der Höhe der Mittel kommtes auch auf ihre Ausgestaltung an. Es ist davon auszugehen, dass die internationalenEntwicklungsziele ohne eine substanzielle Erhöhung der ODA nicht zu erreichen sind. Hin-sichtlich der Ausgestaltung der ODA muss darauf geachtet werden, dass bei einer Bereit-stellung in Form von Krediten die Solidität der öffentlichen Finanzen und die Schuldentragfä-higkeit nicht beeinträchtigt werden.38 Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch konzessionäreKredite die Schuldentragfähigkeit des Landes belasten können. Dies hängt vor allem auchmit der in den meisten Ländern zu verzeichnenden Abwertungstendenz der nationalen Wäh-rungen zusammen. Aufgrund dieser Abwertung steigt dann der reale Schuldendienst (in lo-kaler Währung) an. Deshalb sind auch hoch konzessionäre ODA-Kredite – unter Einbezie-hung der abwertungsbedingten Erhöhung der Schuldenlast – nicht „billig“.

Wichtig ist, dass ODA-Finanzkredite zu einer wirtschaftlichen Dynamisierung und Er-höhung der Produktivität beitragen. Wenn dies in hohem Maße gelingt – und das vorlie-gende Papier zeigt Ansatzpunkte hierfür auf - , besteht die Möglichkeit, dass die Kredite ausden Einkommens- und Devisenzuwächsen zurückbezahlt werden. Das Exportwachstummuss den Anstieg des Schuldendienstes mindestens kompensieren. Außerdem muss paral-lel die Situation der staatlichen Haushalte verbessert werden, weil der Staat, insbesonderebei den Niedrigeinkommensländern einen Großteil des Schuldendienstes zu leisten hat.

5.2 Der Finanzsektor – das „Gehirn“ der Volkswirtschaft

(a) Voraussetzung für die Herausbildung effizienter Finanzsektoren

Bei der Suche nach wachstumsfördernden Maßnahmen der Wirtschaftspolitik kommtdem Finanzsektor eine zentrale Rolle zu. Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass Wirt-schaftswachstum ganz wesentlich durch die Entwicklung des Finanzsektors beeinflusstwird.39 Der Finanzsektor hat vor allem die Funktion heimische Finanzmittel zu mobilisieren,z.B. durch die bessere Ausgestaltung von Verfügungsrechten, und sie den produktivstenAktivitäten zuzuführen.40 Ohne einen funktionierenden Finanzmarkt bleiben letztlich auchStabilisierungserfolge fragil, da eine nachhaltige Stabilisierung nur durch die ausreichendeMobilisierung zusätzlicher interner Ressourcen gewährleistet wird.

Der Finanzsektor ist in hohem Maße durch unvollständige und asymmetrische Infor-mationsverteilung gekennzeichnet. Dadurch ergibt sich eine wohlfahrtsökonomisch sub-optimale Situation.41 Deshalb müssen bestimmte institutionelle Voraussetzungen gegebensein, wie eine funktionierende Zentralbank, einschließlich Bankenüberwachung und die Exi-stenz klarer Verfügungsrechte. In der Mehrzahl der Niedrigeinkommensländer kann der Fi-nanzsektor seine Grundfunktion, Kredit und Eigenkapital effizient bereit zu stellen, derzeit

38 Inzwischen entfallen in den meisten HIPCs in Afrika südlich der Sahara 50-60% der ausstehenden

Kredite auf die multilateralen Institutionen.39 Vgl. z.B. IWF 2003 a, S. 107 ff.40 Daneben kommt dem Finanzsektor die Funktion zu, Risiken zu vermindern und die Transparenz

des Wirtschaftsprozesses zu erhöhen.41 Vgl. Greenwald und Stiglitz 1986.

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nicht erfüllen.42 Daneben hängt die Herausbildung eines effizienten Finanzsektors wesentlichvon der Stabilität der heimischen Währung ab.

Ein hoher Dollarisierungsgrad kann die Herausbildung eines nationalen Finanzsektorsbehindern. Die Dollarisierung begünstigt Currency Mismatches und untergräbt die Funktionder Zentralbank als lender of last resort (sie kann z.B. im Falle einer Bankenkrise das Ban-kensystem nur stabilisieren, solange ihre Devisenreserven ausreichen). Die Anfälligkeit desBankensystems ist unter diesen Bedingungen sehr hoch. Um Currency Mismatches zu ver-meiden, geben Banken in dollarisierten Volkswirtschaften nur in sehr begrenzten UmfangKredite in lokaler Währung. Aufgrund der permanenten Flucht aus der heimischen Währungund der damit verbundenen Abwertung, besteht ein ständiger Inflationsdruck. Dem kann dieZentralbank nur durch eine restriktive Geldpolitik begegnen, mit den bekannten negativenWirkungen auf Investitionen und Wachstum.

(b) Finanzmarktliberalisierung

Theoretisch kann eine Liberalisierung des nationalen Finanzmarktes43 in mehrfacherHinsicht die wirtschaftliche Entwicklung positiv beeinflussen. Empirisch lassen sichdiese potentiellen Wohlfahrtsgewinne jedoch nicht nachweisen.44 Durch die Liberalisie-rung kann theoretisch der Zugang zu ausländischen Finanzmitteln und die Allokation derFinanzmittel verbessert werden. Daneben kann sie auch zu einer Verminderung der Verletz-lichkeit der Volkswirtschaften führen, indem sie die Konsummöglichkeiten von der nationalenProduktion unabhängiger macht. In der Praxis haben aber diese Liberalisierungsanstrengun-gen nicht zu den erhofften Erfolgen – insbesondere einer Erhöhung der internen Sparratenund einer Vertiefung der Finanzsektoren – geführt. Die entsprechenden Risikoaufschlägesowie die realen Zinssätze haben sich häufig im Zuge der Liberalisierung sogar erhöht.45

Entwicklungs- und Transformationsländer mit relativ offenen Kapitalmärkten sind be-sonders krisenanfällig. Diese Länder sind oft mit massiven Kapitalimporten konfrontiert. Sohat die Kapitalmarktliberalisierung in den letzten Jahren maßgeblich dazu beigetragen, dassin viele Entwicklungs- und Transformationsländern relativ kurzfristiges dollar-nominiertesKapital geflossen ist. Sie wurden damit anfälliger gegenüber dem Risiko kurzfristiger Kapital-abflüsse und im allgemeinen gegenüber spekulativen Transaktionen. Die Liberalisierung desKapitalverkehrs hat so häufig die Kapitalflucht begünstigt und die Verletzlichkeit der betroffe-nen Volkswirtschaften erhöht.46 Banken- und Währungskrisen waren in diesen Ländern ver-breitet. Dagegen wurde in vielen erfolgreichen ostasiatischen Länder der Finanzsektor erstrelativ spät liberalisiert.47 Lange Zeit wurden dort die Zinssätze (auf relativ niedrigen Niveau)festgesetzt. Der Zugang von neuen Finanzdienstleistungsanbietern war begrenzt. Es wurde

42 „Domestic lending by banks in per cent of DGP reached only 43.3% (2000) in low income coun-

tries, in middle income countries it was 69.4%, in high income countries 147.7%. In the most se-riously indebted countries the ratios are even worse, e.g. Mozambique 11.2% or Nicaragua 3.4%“.(Herr und Priewe 2003b, S. 21)

43 Darunter wird im folgenden sowohl die Liberalisierung der inländischen Finanzsektoren als auchdes Kapitalverkehrs mit dem Ausland verstanden.

44 In der Mehrzahl der zu dieser Frage vorliegenden empirischen Untersuchungen können keine po-sitiven Wirkungen nachgewiesen werden. Einige Untersuchungen weisen auf die sowohl positivenals auch negativen Effekte der Finanzmarktliberalisierung hin. Vgl. IWF 2003 d, S. 6.

45 Vgl. Klasen 2001.46 Der IWF (2003, S. 7) weist darauf hin, dass die verstärkte Finanzmarktintegration in den neunziger

Jahren mit einer höheren Fluktuation des Verbrauchs in den relativ stark integrierten Entwicklungs-und Transformationsländer verbunden war. Dies hinge mit dem pro-zyklischen Zugang zu den in-ternationalen Kapitalmärkten zusammen.

47 Vgl. Dies trifft bekanntermaßen auch für die OECD-Länder zu. Vgl. hierzu Griffith-Jones et al.2003, S. 97

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verschiedentlich gezeigt, dass eine solche Politik in bestimmten Situationen gegenüber einerüberstürzten Liberalisierung vorteilhaft ist.48

Zwischenzeitlich wird die Einschätzung weitgehend geteilt, dass die Liberalisierungder Finanzmärkte nicht überstürzt werden sollte. Ihre erfolgreiche Umsetzung hängt vorallem davon ab, ob die entsprechenden institutionellen und makroökonomischen Vorausset-zungen vorliegen. Untersuchungen zeigen, dass die positiven Wirkungen einer Finanzmarkt-liberalisierung eher zur Geltung kommen, wenn sich ein Land bereits in einem relativ fortge-schrittenen Entwicklungsstadium befindet.49 Der Grund ist, dass fortgeschrittene Entwick-lungsländer in der Regel über bessere Institutionen verfügen und ihre makroökonomischeStabilisierung weiter fortgeschritten ist. Das bedeutet aber nicht, dass alle fortgeschrittenenEntwicklungs- und Transformationsländer derzeit über die institutionellen Voraussetzungenfür eine weitgehende Liberalisierung der Finanzmärkte verfügen. Gerade in den asiatischenund auch lateinamerikanischen Schwellenländern sowie auch in den GUS-Ländern hat sichdie weitgehende Liberalisierung als problematisch erwiesen.

Für eine erfolgreiche Liberalisierung des Kapitalverkehrs sind vor allem die folgendeninstitutionellen Voraussetzungen förderlich:• Eine effiziente Regulierung und Überwachung des heimischen Finanzmarktes. Anson-

sten besteht die Gefahr, dass die inländischen Finanzinstitute zu hohe Risiken eingehen(übermäßige Aufnahme von Krediten auf den internationalen Kapitalmärkten, Vergabevon Krediten mit hohen Risiken).50

• Eine relativ starke Regierungsführung (governance), auch in Bereichen außerhalb desFinanzsektors, insbesondere Rechtsstaatlichkeit, Transparenz und Kontrolle der Korrup-tion.51

• Ein relativ weit entwickelter interner Finanzmarkt. Vieles spricht dafür, dass vor Öffnungnach außen zunächst der heimische Finanzmarkt liberalisiert werden sollte.

5.3 Wechselkurspolitik

Damit die nationale Währung akzeptiert wird, muss ihr Wert stabil sein; insbesonderemuss das Risiko von abrupten Schwankungen gering sein. Hierfür sind zum einen rela-tiv niedrige Inflationsraten erforderlich. Hohe und volatile Inflationsraten schaffen Unsicher-heit für Investoren und bergen die Gefahr einer Abwertungs–Inflations–Spirale. Wechsel-kursstabilität ist für Entwicklungs- und Transformationsländer besonders wichtig, um inflatio-näre Prozesse zu vermeiden. Solche Prozesse können dann häufig nur durch eine restriktiveGeldpolitik gestoppt werden; steigende Zinssätze, sinkende Gesamtnachfrage, niedrigesWachstum sind die Folge. Zum anderen muss die externe Verschuldung auf niedrigem Ni-veau gehalten und kurzfristige Verschuldung vermieden werden (vgl. oben). Sofern dieseBedingung nicht vorliegt, besteht immer die Gefahr von Kapitalflucht bzw. einer Dollarisie-rung.

Bezüglich der Frage nach der Art des anzustrebenden Wechselkursregimes gibt eskeinen Königsweg. Die Finanzkrisen der letzten Jahre haben Zweifel über die Vorteile fe-ster Wechselkurse aufkommen lassen. Bei festen Wechselkursen beraubt sich die Politikeines Instruments, das gegen externe Schocks eingesetzt werden kann; fixe Wechselkursre-gime sind auch anfälliger gegenüber spekulativen Attacken. Auf der anderen Seite bleibenauch die Nachteile vollkommen flexibler Wechselkursregime bestehen (vor allem die vonstark schwankenden Wechselkursen ausgehende Instabilität auf die Rahmenbedingungen). 48 Vgl. z.B. Rodrik 2003, S. 8 und die dort zitierte Literatur.49 Vgl. IMF, 2003 d.50 Vgl. IWF, 2003 a, S. 104 und die dort zitierte Literatur.51 Vgl. IWF, 2003 d, S. 49ff und die dort angegebene Literatur.

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Vieles spricht für die Vorteilhaftigkeit sogenannter intermediärer Regime, z.B. feste Wechsel-kurse, die eine gewisse Flexibilität zulassen („pegs“) oder grundsätzlich flexible Regime,wobei der Wechselkurs aber durch Interventionen der Zentralbank relativ stabil gehalten wird(„managed floating“).

Die Vorteile von relativ flexiblen Wechselkursen fallen für fortgeschrittene Entwick-lungs- und Transformationsländer stärker ins Gewicht. So erfordert Managed Floatingrelativ entwickelte Finanzmärkte und Institutionen, die eher in fortgeschrittenen Entwick-lungsländern vorliegen; deshalb wird auch von der Notwendigkeit des learning to float ge-sprochen. Dazu kommt, dass die fortgeschrittenen Entwicklungsländer in der Regel stärkerin die internationalen Finanzmärkte integriert sind und deshalb die Wechselkurspolitik in ihrerFunktion, abrupte Veränderungen der Rahmenbedingungen abzufedern (Wechselkurs alsshock absorber) an Bedeutung gewinnt.

Dagegen fallen für Niedrigeinkommensländer, mit ihren relativ schwachen Institutio-nen und ihrer geringen Finanzmarktintegration, die Vorteile von flexiblen Wechsel-kursregimen weniger stark ins Gewicht. Diese Länder können die Glaubwürdigkeit ihresWechselkursregimes und ihrer Währung verbessern, indem sie letztere an die Währung desbzw. der Haupthandelspartner anbinden.52 Falls sich Länder für eine feste Wechselkursan-bindung (nominaler Wechselkursanker) entscheiden, kann dieser durch einen nominalenLohnanker ergänzt werden.53 Durch den Lohnanker wird dazu beigetragen, das Inflationszielzu erreichen, ohne auf eine zu restriktive Geldpolitik zurück greifen zu müssen. (Dies setztallerdings voraus, dass die betreffenden Länder über ausreichend große formelle Sektorenverfügen und deshalb die Lohnsumme eine relevante Nachfragegröße darstellt.)

Einer möglichen Aufwertung der nationalen Währung in Folge von ODA-Finanztransfers sollte aktiv entgegen gesteuert werden. Die reale Aufwertung kann dannzustande kommen, wenn die Empfängerregierungen die ihnen zur Verfügung gestellten De-visen an ihre Zentralbanken gegen Inlandswährung verkaufen54 und mit dem Gegenwertzusätzliche Ausgaben finanzieren.55 Ob und wie sehr dies zu einer Beeinträchtigung derWettbewerbsfähigkeit des betreffenden Landes führt, hängt von verschiedenen Faktoren ab.Der Effekt ist umso größer• je größer der Sektor der nicht-handelbaren Güter ist;• je weniger die Möglichkeit besteht, dass die Konsumenten, zwischen importierten und

heimischen Produkten substituieren;• je stärker die Produktionskapazitäten ausgelastet sind.

Es kann es zum einen notwendig sein, die Geldmengenwirkungen der Devisenzuflüs-se zu kompensieren („Sterilisierungspolitik“). Um die mit dem ODA-Zufluss verbundene 52 Dies wird auch von einer neueren empirischen Untersuchung des IWF bestätigt: „Free floats have

on average registered faster growth than other regimes in advanced countries, without incurringhigher inflation. Conversely, in developing countries with limited access to private external capital,pegs and other limited flexibility arrangements have been associated with lower inflation, without anapparent cost in terms of lower growth or higher growth volatility.“ Vgl. IWF 2003 c, S. 6.

53 Vgl. Herr und Priewe 2003.54 Grundsätzlich besteht auch die Möglichkeit, dass die Empfängerregierungen die Devisen für den

Erwerb von Importgütern verwenden. In diesem Fall tritt kein Aufwertungseffekt ein.55 Grundsätzlich können vier Verwendungsarten der Finanzhilfe unterschieden werden. Erstens kann

die Hilfe dazu verwendet werden, zusätzliche öffentliche Ausgaben zu finanzieren. Zweitens kannsie dazu dienen, die Steuer- und Abgabenlast des heimischen privaten Sektors zu vermindern, in-dem die Staatsausgaben zu einem höheren Teil extern finanziert werden. Drittens kann die Hilfedazu verwendet werden, die inländische Verschuldung des öffentlichen Sektors zu vermindern.Viertens kann die Finanzhilfe direkt zur Aufstockung der Devisenreserven eingesetzt werden. Dadavon auszugehen ist, dass Finanzhilfen vor allem in Niedrigeinkommensländern relativ bedeutendsind und davon diese Länder die Finanzhilfen vor allem für zusätzliche Staatsausgaben verwen-den, werden die Implikationen der anderen Verwendungsarten an dieser Stelle nicht vertieft.

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Erhöhung des inländischen Geldangebots (bzw. die reale Aufwertung) zu vermeiden, hat dieZentralbank grundsätzlich zwei Optionen zur Verfügung. Sie kann zum einen Devisen an diePrivaten verkaufen. Zum anderen kann sie im Auftrag der Regierung öffentliche Schuldver-schreibungen ausgeben. Solche Interventionen können aber wiederum mit unerwünschtenNebenwirkungen verbunden sein, wie einer Erhöhung des inländischen Zinsniveaus.

Es ist deshalb von entscheidender Bedeutung, dass die Finanztransfers dazu genutztwerden, die Produktivität der heimischen Volkswirtschaft zu verbessern. Die Gefahreiner realen Aufwertung kann vermieden, wenn die Finanztransfers dazu beitragen, die Pro-duktivität des Privatsektors in den betreffenden Volkswirtschaften zu erhöhen und dadurchdie Wachstumsaussichten zu verbessern. Durch eine Erhöhung der Produktivität wird einemögliche reale Aufwertung kompensiert bzw. überkompensiert. Die Wettbewerbsfähigkeitwird verbessert. Dies ist mit Abstand der beste Weg, um die negativen Auswirkungen einerrealen Aufwertung zu verhindern. Die Entwicklungsstrategien der Länder müssen diesenPunkt berücksichtigen. Das vorliegende Papier nennt die wichtigsten Ansatzpunkte für einesolche Strategie.

5.4 Fiskal- und Geldpolitik

Es steht außer Frage, dass dauerhaft hohe Fiskaldefizite der langfristigen wirtschaftli-chen Entwicklung abträglich sind. Es gibt drei Möglichkeiten diese Defizite zu finanzieren:durch Kreditaufnahme beim inländischen privaten Sektor, wodurch möglicherweise der Zins-satz steigt; durch externe Finanzierung, wodurch Probleme der Schuldentragfähigkeit ent-stehen können; und in Form einer Finanzierung über die Zentralbank („Notenpresse“), womitdie Gefahr inflationärer Tendenzen verbunden ist.

Allerdings können Haushaltsdefizite nur nachhaltig zurück geführt werden, wenn diefiskalischen Maßnahmen Teil eines umfassenden Konzeptes sind und die länderspezi-fischen Ausgangsbedingungen weitestgehend berücksichtigt werden. Für die Nachhal-tigkeit von Stabilisierungsmaßnahmen kommt es zum einen darauf an, dass negative Wir-kungen von Konsolidierungsmaßnahmen auf die wirtschaftliche Entwicklung vermieden wer-den. Deshalb ist es entscheidend, dass die Einsparungen und Einnahmeerhöhungen ent-sprechend ausgestaltet werden. Zum anderen müssen diese fiskalischen Maßnahmen durchinstitutionelle Reformen, die Stärkung von Verfahren und Kapazitäten, untermauert werden.Beide Herausforderungen können nur gelöst werden, wenn die jeweils im Einzelfall vorlie-gende Ausgangslage ausreichend berücksichtigt wird.

Bei der Haushaltskonsolidierung müssen die Rückwirkungen des damit einhergehen-den Nachfrageausfalls auf die wirtschaftliche Entwicklung und die Staatseinnahmenso genau wie möglich analysiert werden. Durch eine Rückführung des Haushaltsdefizits(bzw. der Erzielung eines Primärüberschusses) soll die interne Nachfrage reduziert und da-mit den Zahlungsbilanzproblemen begegnet werden. Außerdem wird damit ein Spielraum fürdie private Investitionsnachfrage geschaffen. Die Erfahrungen zeigen aber, dass dieser Wir-kungszusammenhang in vielen Fällen nicht greift. Häufig haben sich im Rahmen der IWF-Programme die Leistungsbilanzen relativ günstig entwickelt (besser als die Programmvorga-ben), obwohl die fiskalischen Ziele nicht erreicht wurden.56 Möglicherweise lag in diesenLändern der klassische keynesianische Fall einer zu niedrigen effektiven Nachfrage vor:Durch die fiskalischen Maßnahmen wurde zwar die interne Nachfrage vermindert und damitdie Leistungsbilanzsituation verbessert; gleichzeitig führte aber der Ausfall heimischer Nach-frage zu Produktionseinschränkungen und beeinträchtigte relativ stark die Investitionstätig-keit (mit den entsprechenden negativen Rückwirkungen auf die Staatseinnahmen und das 56 Durchschnittlich wurde durch die IWF-Programme nur etwa die Hälfte der angestrebten Haushalts-

konsolidierung erzielt. Vgl. IEO, 2003 b, S. 77.

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Haushaltsdefizit). In diesem Fall hätte durch eine weniger restriktive Fiskalpolitik der Outputund die Investitionen stabilisiert werden können.

Insbesondere ist es wichtig, dass im Einzelfall die Entwicklung der privaten Investi-tonsnachfrage realistisch eingeschätzt wird. Es gibt Anzeichen dafür, dass in den denProgrammen zugrunde liegenden makroökonomischen Projektionen häufig von einer zu po-sitiven Reaktion der privaten Investitionen auf das Programm ausgegangen wurde.57 Weit-gehende Konsolidierungsmaßnahmen sind tendenziell dann gerechtfertigt, wenn davon aus-gegangen wird, dass es eine starke private Investitionsnachfrage gibt und die staatlicheNachfrage gekürzt werden muss, damit die Inflation und die Importe im Zaum gehalten wer-den. Die überhöhten Programmannahmen bezüglich der privaten Investitionsnachfragedeuten darauf hin, dass in diesen Fällen die Zielvorgaben der Programme bezüglich derHaushaltskonsolidierung überzogen waren.

Bei der Festlegung von Obergrenzen für das Haushaltsdefizit bzw. für den an-zustebenden Primärüberschuss sollte der jeweils unterschiedliche Charakter der ver-schiedenen Ausgabenkategorien berücksichtigt werden. Es ist allgemein bekannt undauch empirisch nachgewiesen, dass sich eine Erhöhung der öffentlichen Investitionen positivauf das Wirtschaftswachstum auswirken kann. Ebenso ist eine Haushaltskonsolidierung, dievor allem darauf baut, die öffentlichen Investitionen zu vermindern, nicht nachhaltig und be-lastet zudem die wirtschaftliche Erholung. Deshalb sollte die Qualität der öffentlichen Ausga-ben, insbesondere der Anteil der öffentlichen Investitionen bei der Berechnung der fiskali-schen Zielgrößen berücksichtigt werden.

Auch die Ursachen inflationärer Prozesse und deren geldpolitischer Implikationensind bezogen auf das jeweilige Land genau zu untersuchen. Es kann nicht in jedem Falldavon ausgegangen werden, dass durch eine Anhebung der Zinssätze die Nachfrage undsomit der Inflationsdruck vermindert wird. Diese Strategie ist dann problematisch, wenn dieUrsache für die Inflation nicht in einer zu hohen realen Nachfrage, sondern in steigendenKosten begründet liegt. Angesichts der in Entwicklungsländern verbreiteten Unterauslastungvon Kapazitäten und Arbeitslosigkeit ist davon auszugehen, dass die Ursache für die Inflati-on häufig nicht an einer zu hohen realen Gesamtnachfrage liegt. In diesen Fällen spielenmeistens Lohnkostensteigerungen und Abwertungen die zentrale Rolle, wobei in der Folgeauch die Geldmenge steigt.

Umstritten ist, durch welche Maßnahmen im Einzelnen eine fiskalische Stabilisierungzu erreichen ist. Auf der Einnahmeseite gibt es noch erheblichen Spielraum für sozialausgewogene Steuerreformen. Auf der Einnahmeseite lag das Schwergewicht der Anpas-sungsprogramme darauf, ein Mehrwertsteuersystem einzuführen. Weniger Gewicht wurdeauf auf die Verbesserung der Steuerverwaltung zur Verminderung der Steuerumgehung ge-legt. Dem sollte künftig mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Erfahrungen in einzelnenLändern haben gezeigt, dass durch konsequentere Steuererhebung, Abschaffung vonSchlupflöchern und Hinterziehung auch kurzfristig beträchtliche zusätzliche Einnahmen er-zielt werden können. Diese Reformen erfordern ein hohes Maß an politischen Willen.

Um die makroökonomische Stabilisierung abzusichern, gibt es in vielen Bereichennoch einen hohen Bedarf an institutionellen Reformen58 So haben viele Länder im Zugeder notwendigen Ausgabenkürzungen relativ undifferenziert Personal abgebaut. Dagegenwurde einer grundlegenden Reform der öffentlichen Verwaltung weniger Gewicht beigemes-sen. Es ist deshalb z.B. nicht verwunderlich, dass die Personalausgaben zwar in vielen Fäl-

57 Ebda.58 So haben die bisherigen Erfahrungen haben auch gezeigt, dass eine erfolgreiche Politik der Inflati-

onsbekämpfung wesentlich davon abhängt, ob sie durch starke politische Institutionen untermauertwird (vgl. IWF 2003 a, S. 104 und die dort zitierte Literatur).

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len kurzfristig gesenkt werden konnten, die Rückführung der Personalausgaben jedoch inder Regel nicht nachhaltig war.

5.5 Politische Schlussfolgerungen

Aus den obigen Ausführungen ergeben sich – wie bereits angedeutet – eine Reihe vonallgemeinen Schlussfolgerungen, die weitgehend unabhängig von der jeweiligen Si-tuation in den einzelnen Ländern gültig sind, z.B.:

• Die Regierungen sollten ihre Auslandsverschuldung, insbesondere kurzfristigeKredite bzw. Anlagen in Fremdwährung möglichst niedrig halten und Mismatchesvermeiden. Perspektivisch sollten sie öffentliche Defizite zunehmend über die Aufnahmelangfristiger inländischer Kredite finanzieren – eine Möglichkeit, die allerdings aufgrundder wenig entwickelten Finanzmärkte in den meisten Niedrigeinkommensländern kurzfri-stig nicht umsetzbar ist. Daneben sollten die Regierungen, insbesondere der gegenüberFinanzkrisen anfälligen Schwellenländer darauf hinwirken, die Devisenreserven – als Si-cherheitspuffer – relativ hoch zu halten.

• Die Liberalisierung des Kapitalverkehrs sollte vorsichtig erfolgen und mit den ent-sprechenden institutionellen Reformen einhergehen. Eine Liberalisierung sollte ersterfolgen, wenn eine funktionierende Banken- und Kapitalmarktaufsicht etabliert ist unddie makroökonomischen Erfolge weit fortgeschritten sind. Die makroökonomische Stabili-sierung muss langfristig abgesichert bzw. nachhaltig sein.

• Der heimische Finanzsektor sollte gezielt gefördert werden. Neben den genanntenmakroökonomischen Maßnahmen der Wirtschaftspolitik (insbesondere eine konsequenteZurückdrängung der Dollarisierung) geht es hier um verschiedene institutionelle Maß-nahmen zur Verminderung von Marktversagen (moral hazard und adverse selection). Eineffizienter heimischer Finanzsektor bildet sich in der Regel nur heraus, wenn es gelingt,funktionierende Eigentumsrechte zu etablieren. Diese bilden die Grundlage für Kreditbe-sicherungen.

• Die Stabilisierungspolitik sollte sich auch stärker auf institutionelle Schlüsselre-formen konzentrieren. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass Stabilisierungserfolge oh-ne institutionelle Reformen nicht nachhaltig sind. Da diese institutionellen Reformen inder Regel komplex und langwierig sind, bedürfen die betreffenden Länder einer langfri-stig angelegten Strategie. Dabei müssen die Struktur der Volkswirtschaften und möglicheWirkungszusammenhänge genau analysiert und Politikmaßnahmen auch in diesem Be-reich stärker maßgeschneidert werden.

• Es muss sichergestellt werden, dass ODA-Kredite zu einer Erhöhung von Investi-tionen und der Produktivität beitragen. Um mögliche Probleme der Schuldentragfä-higkeit und Wettbewerbsfähigkeit zu verhindern, kommt es darauf an, dass sich die Inve-stitionstätigkeit im Gefolge der Auslandshilfe erhöht und damit zum einen Einkommens-und Devisenzuwächse entstehen, die es erlauben, die Kredite zu bedienen. Das Export-wachstum sollte den Anstieg des Schuldendienstes mindestens kompensieren. Die Län-derstrategien (PRSPs) sollten dieser Problematik Rechnung tragen. Zum anderen müs-sen die ausländischen Finanzhilfen dazu beitragen, die Produktivität des Privatsektors zuverbessern, um die Erhöhung des realen Wechselkurses zu kompensieren.

Die bisherigen Ausführungen haben aber auch deutlich gemacht, dass weitergehendeallgemein gültige Aussagen bzw. Politikempfehlungen kaum möglich sind. Haupt-grund hierfür ist die aufgezeigte Bedeutung von Institutionen und die – aufgrund derunterschiedlichen Ausgangslage – jeweils länderspezifischen Wirkungszusammen-

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hänge. Dass es in vielen Bereichen keine allgemein gültigen Lösungen gibt, unter-streicht die Notwendigkeit eines breiten Spielraums für unterschiedliche Politikansät-ze, der auch unkonventionelle Maßnahmen ermöglicht. Beispiele hierfür sind:

• Um eine übermäßige private Auslandsverschuldung mit kurzen Laufzeiten zu begrenzen,sollte es grundsätzlich möglich sein, die Kapitalimporte zu regulieren, z.B. durch eineentsprechende Steuer, Auflagen und der Mindestreservenpolitik).59 Solche Regelungenkönnen selektiv ausgestaltet werden, vor allem um kurzfristige, volatile Kapitalzuflüsse zubegrenzen und Mismatches zu verhindern.60 Solche Politiken sind vor allem dann zuprüfen, wenn das entsprechende Land nicht über die genannten institutionellen und ma-kroökonomischen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Liberalisierung verfügt.

• Die nationalen Behörden sollten die Risiken von Dollarisierungstendenzen ernst nehmenund, wenn nötig, entsprechende Vorsichtsmaßnahmen zur Krisenvermeidung treffen. Zielsolcher Maßnahmen ist es, die Risiken aus der Dollarisierung konsequent zu inter-nalisieren. Auch hier gibt es eine Reihe von Instrumenten, einschließlich ein Verbot vonFremdwährungsoperationen, strikte Obergrenzen für Fremdwährungskredite, Auflagenan die Banken für Fremdwährungsrisiken entsprechende Reserven zu bilden, die Bildungpauschaler Wertberichtigungen, auf die im Falle notleidender Kredite zurück gegriffenwerden kann; zusätzliche Kapitalanforderungen proportional zu den ausgereichtenFremdwährungskrediten, etc.

• Sofern eine Währungs- und Finanzkrise ausgebrochen ist, steht die Regierung in derRegel vor der schwierigen Alternative, entweder die Währung abzuwerten (wodurch –insbesondere aufgrund von Currency Mismatches und Schuldentragfähigkeitsaspekten –weitere Probleme entstehen), oder die Geldpolitik restriktiv zu gestalten und die Zinsenzu erhöhen (wodurch vor allem der Bankensektor – aufgrund von Maturity Mismatches –in Mitleidenschaft gezogen wird). In einer solchen Situation können Kapitalausfuhrbe-schränkungen in bestimmten Fällen kurzfristig Spielräume schaffen und sollten deshalbnicht generell ausgeschlossen werden.

• Insbesondere für Entwicklungsländer mit einer relativ hohen administrativen Kapazitätkann eine Politik, die eine relativ niedrige Bewertung der heimischen Währung zumZiel hat, dem Entwicklungsprozess förderlich sein. Hierzu kann es sinnvoll sein, dass dieZentralbanken am Devisenmarkt intervenieren („Sterilisierung“ von Devisenzuflüssen),Kapitalimporte regulieren und die Zinssätze auf relativ niedrigem (aber „real positiven“)Niveau festsetzen. Durch diese Maßnahmen werden tendenziell Importe gedrosselt undExporte gefördert. Die erhöhte Exportnachfrage führt tendenziell zu höheren inländischenInvestitionen und einer höheren inländischen Nachfrage.

6. Allokationseffizienz und Armutsorientierung

6.1 Armutsorientierung

59 Eichengreen und Leblang 2002, S. 14ff zeigen, dass historisch Länder mit relativ ausgeprägten

Kapitalverkehrskontrollen höhere Wachstumsraten aufwiesen. Dies gilt insbesondere für die Zeitzwischen den beiden Weltkriegen und den neunziger Jahren.

60 Der IWF hat heute – als Folge der Ereignisse in den ostasiatischen Ländern – eine realistischereEinschätzung über die Funktionsweise und Risiken der internationalen Kapitalmärkte. Es wirdheute anerkannt, dass Kapitalimportregelungen in bestimmten Situationen durchaus sinnvoll seinkönnen. Der IWF bleibt aber in dieser Frage äußerst vorsichtig (vgl. z.B. IWF 2003 e). Er ist weitdavon entfernt, die analytischen Arbeiten in diesem Bereich voranzutreiben und die Mitgliedsländeraktiv dabei zu beraten, wie solche Politiken effizient eingesetzt werden können.

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Insbesondere die Diskussion um die Armutsbekämpfungsstrategien haben in den letz-ten Jahren dazu geführt, dass das Thema des armutsorientierten Wachstums stärkerim Bewusstsein der verschiedenen Akteure verankert wurde. Diese Fragen wurden imWashington Consensus komplett ausgeklammert. Es gibt heute ein klareres Verständnis desZusammenhangs von Wirtschaftswachstum und Armutsbekämpfung. Die wichtigsten Punktekönnen wie folgt zusammengefasst werden:61

• Durch wirtschaftliches Wachstum reduziert sich tendenziell die Armut.• Im Verlauf wirtschaftlicher Wachstumsprozesse verändert sich in der Regel kaum die

interne Einkommensverteilung; eine Ausnahme bilden u.a. die Transformationsländer,die eine starke Verschlechterung der Einkommensverteilung zu verzeichnen hatten.

• Wirtschaftswachstum reduziert dann stärker die Armut, wenn die Einkommensspreizungin der Ausgangssituation relativ gering war. Umgekehrt führt Wirtschaftswachstum zu ei-ner relativ geringen Rückführung der Armut, wenn die Einkommensungleichheit groß ist.

• Länder mit einer geringen Ungleichheit (bzgl. Einkommens- und Vermögensverteilung) inder Ausgangssituation weisen wiederum ein höheres Wirtschaftswachstum auf.

• Die Diskriminierung von Frauen wirkt sich negativ auf das Wirtschaftswachstum aus undführt auch dazu, dass die mit Wirtschaftswachstum einhergehende Armutsreduzierungweniger stark ausgeprägt ist.

Daraus ergeben sich zwei Schlussfolgerungen für die Politik.62 Erstens, eine Politik zurFörderung des Wirtschaftswachstums dient auch dem Ziel der Armutsminderung. Zweitensführen Maßnahmen zur Reduzierung der Ungleichheit (Einkommens- und Vermögensvertei-lung) und zur Gleichstellung der Geschlechter zu einer Beschleunigung des Wirtschafts-wachstums und zur Verminderung der Armut. In diesem Teil geht es nur um die zweiteSchlussfolgerung.

Alle Handlungsfelder sollten berücksichtigt werden, um Ungleichheit und Benachteili-gungen zurück zu führen. Wie erwähnt, wirken sich Maßnahmen zur Verminderung derUngleichheit auch positiv auf das Wirtschaftswachstum aus. Es gibt drei – sich zum Teilüberlappende - Handlungsfelder, um die gesellschaftliche Ungleichheit zurück zu drängenund armutsorientiertes Wirtschaftswachstum („Pro-Poor-Growth“) zu fördern: durch eine Um-verteilung von Einkommen; durch die Verbesserung des Zugangs der Armen und Benachtei-ligten zu Ressourcen; sowie durch die Förderung von Produktionsfaktoren, die vor allem dieArmen besitzen (insbesondere einfache Arbeitskraft und Land). Die bisherigen Reformenund Ansätze konzentriert sich auf den Aufbau von sozialen Sicherungsnetzen, den Zugangder Armen zu Bildung und Gesundheit und auf die Umstrukturierung der öffentlichen Ausga-ben.

Es besteht zwar allgemein Einigkeit über die Notwendigkeit von Maßnahmen zur För-derung von armutsorientiertem Wachstum. In dem meisten Ländern gibt es aber Spiel-raum für weitergehende Maßnahmen, z.B in den folgenden Bereichen:

• Staatseinnahmen. - Der Frage, wie die Einnahmenseite des Staates stärker sozial aus-gestaltet werden kann wurde bisher wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Hierzu gehörenz.B. die Beseitigung von Schlupflöchern und Ausnahmen in den Steuersystemen – wel-che tendenziell den Bessergestellten zugute kommen – und die Senkung der Steuerbe-lastung (Mehrwertssteuer und andere Konsumsteuern) bei diejenigen Gütern, die vor al-lem von den Armen konsumiert werden.

• Verbesserung des Zugang der Armen zu Land. - Dabei geht es sowohl um die Ver-besserung des faktischen Zugangs, als auch um eine bessere Registrierung und eigen-

61 Vgl. Klasen 2001, S. 4f.62 Vgl. Klasen 2001.

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tumsrechtliche Erfassung ihres Landbesitzes.63 Obwohl eine umfassende Landreform einwichtiger Bestandteil des Reformpakets wirtschaftlich erfolgreicher Entwicklungsländerwar (insbesondere in Ostasien), besteht heute sowohl bei den Regierungen selbst alsauch z.B. bei der Weltbank weitgehend Zurückhaltung in dieser Frage. Es ist notwendig,die bisherigen Erfahrungen mit der Zielsetzung aufzuarbeiten, die vorliegenden Ansätze(z.B. die Landreformen durch Zwangsenteignungen und marktbasierte Reformen) weiterzu entwickeln. Die Frage des Zugangs der Armen zu Krediten durch eine bessere Regi-strierung und rechtliche Erfassung ihres Landbesitzes zeigt auch, dass gangbare Lösun-gen auf den bestehenden länderspezifischen Gegebenheiten aufbauen müssen. Für diemeisten Entwicklungsländer ist es – insbesondere kurzfristig – nicht möglich, ein Systemformeller Landrechte zu etablieren. So ist in fast allen Ländern Sub-Sahara-Afrikas immernoch Gewohnheitsrecht an Land verbreitet.64 Hier geht es darum, Zwischenlösungen zufinden, die auf eine stärkere Formalisierung ausgerichtet sind.

• Förderung der agrar-basierten und arbeitsintensiven Produktionszweige. - Wachs-tumsstrategien sind vor allem dann effizient, wenn diejenigen Produktionsfaktoren geför-dert werden, die die Armen besitzen (insbesondere einfache Arbeitskraft und Land) bzw.,wenn sie auf arme Regionen gerichtet ist sowie auf Sektoren, in denen Arme tätig sind.„Thus pro-poor growth must be focused on rural areas, improve incomes and productivityin agriculture, and must make intensive use of labor.“ (Vgl. Klasen 2001, S. 9). Hier bie-ten sich eine Reihe von Ansatzpunkten.65 Besonders wichtig und bisher relativ wenig be-achtet sind Maßnahmen, die auf bestimmte Wirtschaftsaktivitäten gerichtet sind; z.B.durch:� die gezielte Förderung der Produktivität in der landwirtschaftlichen Weiterverarbei-

tung und anderer arbeitsintensiver Produktionszweige, und� die Förderung von regionalen Wirtschaftskreisläufen.Hier stellt sich allerdings die Frage, inwieweit der Staat in die sektorale und regionaleAusrichtung der Wirtschaftsaktivitäten eingreifen sollte.

6.2 Die Rolle des Staates

Zur Dynamisierung der Wirtschaft ist es von entscheidender Bedeutung, dass die In-vestitionsbedingungen des Privatsektors verbessert werden. Der Staat sollte deshalbder Privatwirtschaft keine unnötigen und Regelungen auferlegen. Insbesondere sollten dieadministrativen Erfordernisse für die Etablierung neuer Unternehmen möglichst niedrig ge-halten werden. Durch niedrige Marktzugangsbarrieren wird der Wettbewerb gestärkt sowiemaßgeblich dazu beigetragen, dass Technologie und Wissen verbreitet und damit dasdurchschnittliche Produktivitätsniveau erhöht wird. Außerdem muss bedacht werden, dassUnternehmen, um wettbewerbsfähig zu sein, Zugang zu kostengünstigen Vorleistungen undinsbesondere Technologie (z.B. produktionsbezogene Dienstleistungen) benötigen und diesehäufig nur im Ausland verfügbar ist.

63 Dabei sollte die Lage von Frauen besonders berücksichtigt werden.64 Es wird geschätzt, dass nur für etwa 2-10 Prozent des Bodens formelle Eigentumstitel bestehen.65 Hier geht es insbesondere, um

� die Schaffung makroökonomischer Voraussetzungen (z.B. durch die Abschaffung von Preis-verzerrungen für landwirtschaftliche Produkte oder die Stabilisierung des Wechselkurses aufeinem relativ niedrigen – gfs. auch leicht unterbewerteten – Niveau);

� die Umschichtung der öffentlichen Ausgaben zugunsten von Basisgesundheitsversorgung,Grundschul- und berufliche Bildung sowie von benachteiligten Regionen bzw. der ländlichenInfrastruktur;

� den Aufbau eines effizienten sozialen Sicherungssystems.

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Allerdings kann aber auch nicht davon ausgegangen werden, dass durch „Abbau vonBürokratie“, Privatisierung, Preis- und Handelsliberalisierung automatisch die privateInvestitionstätigkeit steigt und eine effiziente Wettbewerbsstruktur entsteht. Es ist zwardavon auszugehen, dass in vielen Ländern der Staat die private Investitionstätigkeit behin-dert hat, zum Beispiel durch überzogene und ineffiziente Auflagen und Bürokratie. Einenachhaltige wirtschaftliche Entwicklung ergibt sich aber in der Regel nicht allein dadurch,dass diese durch den Staat geschaffenen Probleme ausgeräumt werden.66

Dies hängt damit zusammen, dass es – neben den zuweilen ineffizienten Eingriffendes Staates in den Wirtschaftsprozess - zahlreiche Marktunvollkommenheiten gibt.Preis- und andere Marktanreize bringen häufig deshalb nicht die erwünschten Ergebnisse.Es wurde theoretisch gezeigt, dass Marktunvollkommenheiten und Informationsdefizite diewirtschaftliche Entwicklung eines Landes blockieren können. Es gibt mehrere Faktoren, dieeine Volkswirtschaft in einem solchen low-level equilibrium halten können, aus dem der Pri-vatsektor allein keinen Ausweg findet. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn bestimmte In-dustriezweige bzw. Aktivitäten mit Lerneffekten für die gesamte Volkswirtschaft verbundensind oder wenn die Rentabilität von verschiedenen Wirtschaftsaktivitäten – aufgrund vonsteigenden Skalenerträgen - voneinander abhängt.67 Marktunvollkommenheiten bestehenz.B. in dem wichtigen Bereich des Technologietransfers. So wird es immer wichtiger, dasslokale Unternehmen – auf der Basis von ausländischem Knowhow – Technologie adaptierenund weiterentwickeln. Aus unterschiedlichen Gründen werden diese Aktivitäten vom Marktnicht ausreichend berücksichtigt:• Unternehmen haben wenig Anreiz in Aus- und Fortbildung zu investieren, da die betrof-

fenen Arbeitskräfte häufig das Unternehmen verlassen.• Kleine, innovative Unternehmen haben häufig – wenn überhaupt – nur sehr begrenzten

Zugang zu Krediten, da Banken diese Unternehmen nicht kennen und die mit den Kredi-ten verbundenen Transaktionskosten hoch und die Risiken schwer kalkulierbar sind.

• Das Vorhandensein eines hohen Grades an Unsicherheit, wodurch vor allem Investitio-nen, die mit hohen Lerneffekten einher gehen, betroffen sind.

Bei der Konzeption wirtschaftspolitischer Strategien – und die dem Staat dabei zuer-kannte Rolle - muss die Kapazität der Regierungsstellen und die polit-ökonomischeSituation der jeweiligen Länder berücksichtigt werden. Ein dynamisches, breitenwirksa-mes Wachstum setzt in den meisten Entwicklungsländern voraus, dass sich ein arbeitsin-tensiver Sektor von Klein- und Mittelunternehmen herausbildet. Die Frage ist, ob der Staateine solche Entwicklung aktiv durch industriepolitische Eingriffe fördern sollte. Die Antworthängt vor allem auch mit polit-ökonomischen Fragen zusammen, weil solche Eingriffe – wiein der Vergangenheit häufig der Fall – die Grundlage für Korruption und Ineffizienz legenkönnen. Daraus muss der Schluss gezogen werden, dass industriepolitische Interventionenin Ländern mit relativ schlechter Regierungsführung nicht wünschenswert sind. - Außerdemwurde verschiedentlich argumentiert, dass selektive wirtschaftspolitische Maßnahmen auchdeshalb problematisch sind, weil sie höhere administrative Kapazitäten und Fähigkeiten beider Politikformulierung und –umsetzung voraussetzen. Dieses Argument mag in vielen Fäl-len berechtigt sein; es kann aber nicht allgemein gelten. Entwicklungsländer haben zuweilen

66 Eine positive Korrelation zwischen hohen bzw. niedrigen Wirtschaftswachstumsraten und dem

Grad der wirtschaftlichen Liberalisierung und Deregulierung kann nicht nachgewiesen werden. Vgl.hierzu zum Beispiel Institut für Weltwirtschaft 2003 für einen Vergleich zwischen den dynamischenasiatischen Entwicklungsländern und den Ländern Lateinamerikas.

67 Vgl. z.B. Hoff and Stiglitz (2001, S. 20). Vgl. auch Rodrik (1995, S.8), der gezeigt hat, dass privateInvestitionen in nicht-traditionellen Sektoren beeinträchtigt werden, wenn diese Sektoren durchsteigende Skalenerträge gekennzeichnet sind und es enge Verflechtungsstrukturen zwischen dieIndustriezweigen gibt.

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alternative Politikansätze und Institutionen umgesetzt bzw. eingeführt, gerade weil die tradi-tionellen Politikansätze (administrativ und finanziell) zu anspruchsvoll waren.68

Insbesondere in Ländern mit relativ guter Regierungsführung kann es nützlich sein,dass die staatlichen Stellen gezielt prioritäre wirtschaftliche Aktivitäten fördern und sozur Überwindung von Marktunvollkommenheiten beitragen.69 Häufig kommt es daraufan, die Diversifizierung der Volkswirtschaft aktiv voranzutreiben und die Exportentwicklunggezielt zu fördern; z.B. durch eine Politik, die auf einen niedrigen (realen) Wechselkurs ab-zielt; durch die öffentliche Beteiligung an Investitionsrisiken in erfolgsversprechenden nicht-traditionellen Sektoren; oder durch die Förderung von nicht-traditionellen Exporten.

Unabhängig von der Frage, ob der Staat industriepolitisch in den Wirtschaftsprozesseingreifen sollte, geht es um eine umfassende Stärkung staatlicher Kapazität und ei-ner Verbesserung der Regierungsführung. Das Dilemma der Entwicklungsländer bestehtdarin, dass sie nicht nur mit einem hohen Grad an Marktversagen, sondern auch mit schwa-chen und ineffizienten staatlichen Strukturen, also „Staatsversagen“ konfrontiert sind. Einineffizienter und / oder korrupter öffentlicher Sektor, der sich einer Rechenschaftslegungweitgehend entzieht, stellt nicht nur ein wichtiges Investitionshemmnis dar. Er behindert inbesonderem Maße die Chancen armer Menschen, am Entwicklungsprozess teilzuhaben.Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung die Anreize und Möglichkeiten für Korruptionzu reduzieren und die Effizienz staatlichen Handelns verbessern.

6.3 Liberalisierung

Bei der Konzeption von Liberalisierungsmaßnahmen sollte die Erkenntnis berücksich-tigt werden, dass für deren erfolgreiche Umsetzung häufig institutionelle Reformenund eine Stärkung von Kapazitäten erforderlich sind. Insgesamt zeigen die vorliegendenErfahrungen, dass der Privatsektor häufig nicht im erwarteten Ausmaß auf die durch die Li-beralisierung ausgehenden Preisanreize reagiert hat. Wie bereits erwähnt, hängt die Ent-wicklung des Finanzsektors maßgeblich davon ab, ob institutionelle Reformen rechtzeitigumgesetzt werden und die makroökonomische Stabilisierung relativ weit fortgeschritten ist.Diese Problematik ist auch für andere Sektoren relevant. Die potentiellen (vor allem allokati-ven) Vorteile von Liberalisierungsmaßnahmen müssen gegenüber den möglichen Risikenabgewogen werden. Dies schließt die Möglichkeit mit ein, dass gegebenenfalls Liberalisie-rungsmaßnahmen solange aufgeschoben werden müssen, bis die institutionellen und ma-kroökonomischen Mindestvoraussetzungen vorhanden bzw. herbeigeführt sind. Die Fragedes Zeithorizonts ist dabei keine Banalität: So haben heutige Industrieländer erst über einenProzess von Jahrzehnten und sogar Jahrhunderten ihre Wirtschaft, insbesondere die Au-ßenwirtschaft liberalisiert. Obwohl diese Erfahrungen nur eingeschränkt mit der Situation derheutigen Entwicklungsländer vergleichbar ist, sollte die Frage des Zeithorizonts ernst ge-nommen werden und nicht – wie häufig geschehen – als Detailfrage des „Timings and Se-quencings“ abgehandelt werden.

Beispiel Investitionspolitik

Eine undifferenzierte Liberalisierung der Investitionsregime hat sich in der Praxisnicht immer bewährt. Es wird landläufig davon ausgegangen, dass die Entwicklungsländer 68 Vgl. z.B. Rodrik 2003, S. 14. Er verweist in diesem Zusammenhang auf die Erfahrungen mit den

„Township and Village Enterprises“ in der VR China und den Exportzonen in Mauritius hin.69 Es wurde auch verschiedentlich empirisch nachgewiesen, dass durch staatliche Intervention die

oben genannten Marktunvollkommenheiten korrigiert werden können. Vgl. z.B. Ferris und Gawan-de, 2003, S. 84-111

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ihre Investitionsregime liberalisieren müssen, um für (Auslands-) Investitionen attraktiv zuwerden und damit ihre wirtschaftliche Entwicklung zu forcieren. Empirisch lässt sich aberzeigen, dass diejenigen Länder, welche in hohem Maße von (Auslands-)Investitionen profi-tierten, relativ starke Regelwerke und z.T. eine aktive Industriepolitik aufweisen.70 EinGrundproblem besteht darin, dass sich in vielen Fällen die Auslandsinvestitionen bei einerliberalen Investitionspolitik auf Branchen konzentrierten, für deren Produkte die Weltnachfra-ge stagniert bzw. sogar zurück geht. Außerdem sind mit diesen Investitionen (häufig im Be-reich der Rohstoffproduktion) kaum positive Effekte bzw. Lerneffekte für die Gesamtwirt-schaft verbunden.

Die positiven Einkommens- und Produktivitätswirkungen von Auslandsinvestitionenkönnen grundsätzlich dadurch erhöht werden, dass der Staat – durch Auflagen undandere Politikmaßnahmen – entwicklungspolitisch wünscheswerte Investitionen för-dert. Die lateinamerikanischen Länder konnten weit weniger als die asiatischen Entwick-lungsländer von den ausländischen Direktinvestitionen in Form von Lerneffekten und Tech-nologietransfer profitieren. Dies lag zum einen daran, dass die asiatischen Länder in einemweit höheren Maße über heimische mittelständische Unternehmen verfügten, die die Fähig-keiten und Qualifikationen hatten, die sich bietenden Chancen zu nutzen.71 Zum anderenhaben die asiatischen Länder durch Investitionsauflagen und andere Politikmaßnahmen ge-zielt die Verflechtung der Auslandsinvestitionen mit der nationalen Wirtschaft gefördert. Vielelateinamerikanische Länder haben dagegen ihre Investitionsregime relativ weitgehend undundifferenziert gegenüber ausländischen Unternehmen geöffnet. Dies bedeutet natürlichnicht, dass die von den asiatischen Ländern praktizierte Investitionspolitik allgemein zuempfehlen ist. Sie setzt sicherlich eine starke Regierungsführung und entsprechende admi-nistrativen Kapazitäten voraus. Die Erfahrung zeigt aber, dass auch in diesem sensiblen Be-reichen durchaus unterschiedliche Strategien möglich sind.

Eine aktive Investitionspolitik, z.B. in Form von Investitionsauflagen, bedeutet nicht,dass ausländische Investoren diskriminiert werden. Investitionsauflagen – zum Beispielin Form einer Mindestanforderung hinsichtlich der Beschäftigung lokaler Arbeitskräfte – kön-nen gleichermaßen für inländische und ausländische Unternehmen gelten. Eine aktive Inve-stitionspolitik bedeutet also nicht, dass ausländische Unternehmen anders behandelt werdenals einheimische Firmen.

Multilaterale Abkommen im Bereich der Investitionspolitik sollten die Autonomie derRegierungen, Investitionen aktiv zu gestalten, nicht einschränken. Der vor einigen Jah-ren innerhalb der OECD initiierte Versuch, ein multilaterales Investitionsabkommen abzu-schließen, scheiterte unter anderem an dem Thema Investitionsauflagen. Der Entwurf desAbkommens sah vor, den Gebrauch von Investitionsauflagen – unabhängig davon, ob siediskriminierend oder nicht-diskriminierend gegenüber ausländischen Investoren eingesetztwerden – einzuschränken. Künftige internationale Regeln in diesem Bereich sollten sich nurauf die Frage der Nicht-Diskriminierung beziehen, aber nicht generell Auflagen verbieten.72

Beispiel Handelspolitik

Die Importliberalisierung von Seiten der Entwicklungs- und Transformationsländerbildete einen Kernbereich der von den Internationalen Finanzinstitutionen propagier-ten Reformprogramme. Diese Programme konzentrierten sich auf die Rückführung der Im-portzölle, die Abschaffung von Importquoten und Exportsteuern sowie auch die weitgehendeBeseitigung von öffentlichen Vermarktungsinstitutionen. Die Notwendigkeit einer schnellenImportliberalisierung wurde durch verschiedene empirische Untersuchungen untermauert. 70 Vgl. UNCTAD 2002, insbesondere Kapitel 5.71 Vgl. z.B. Schweickert und Thiele 2003 2003.72 Vgl. Zattler 1999.

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Insbesondere wurde darauf hingewiesen, dass Länder mit offeneren Volkswirtschaften höhe-re Wachstumsraten aufweisen. Gleichermaßen wurde gezeigt, dass diejenigen Volkswirt-schaften, welche ihr Handelsvolumen erhöht haben, auch Einkommenssteigerungen zu ver-zeichnen hatten.73

Die vorliegenden empirischen Untersuchungen, welche die Vorteilhaftigkeit einerschnellen Liberalisierung der Importregime der Entwicklungs- und Transformations-länder belegen sollen, sind aus mehreren Gründen problematisch. Erstens darf voneiner Korrelation zwischen den Größen „Grad der Offenheit von Handelsregimen“ und „Wirt-schaftswachstum“ nicht vorschnell auf Begründungszusammenhänge geschlossen werden.Die Korrelation bedeutet deshalb nicht, dass eine Liberalisierung der Importe zu hohen Wirt-schafts- und Einkommenswachstumsraten führt. Eine systematische Korrelation zwischendem durchschnittlichen Niveau der tarifären und nicht-tarifären Handelsbarrieren eines Lan-des und den in den folgenden Perioden erzielten Wirtschaftswachstumsraten kann nichtnachgewiesen werden.74 Zweitens wurde der „Grad der Offenheit“ in der Regel mit demHandelsvolumen der jeweiligen Länder indiziert. Die Entwicklung des Handelsvolumens istaber kein guter Indikator für die Ausrichtung eines Handelsregimes. Ein relativ hohes Han-delsvolumen kann allgemein als Ergebnis eines erfolgreichen Entwicklungsprozesses be-trachtet werden. In diesem Fall wäre nicht die Liberalisierung, sondern das hohe Wirt-schaftswachstum die Ursache der Handelsintegration. Drittens sagen allgemeine Indikatorenüber den „Grad der Offenheit“ nichts über die jeweilige, hierfür verantwortliche Politik aus. Sokann eine Volkswirtschaft sowohl durch eine undifferenzierte, allgemeine Importliberalisie-rung „geöffnet“ werden als auch durch eine gezielte handelspolitische Förderung von be-stimmten Industriezweigen (z.B. durch relativ niedrige Importbarrieren für Kapitalgüter) odereiner Förderung der Exportproduktion.

Die Vorteile einer allgemeinen Importliberalisierung müssen sorgfältig gegenüber denRisiken abgewogen werden. Unterschiedliche Strategien sind denkbar. Die neoklassi-sche Theorie betont vor allem die mit einer Handelsliberalisierung angestrebte Verbesserungder Ressourcenallokation. Solche (statischen) Effizienzgewinne führen zu einer einmaligenErhöhung des Einkommens, nicht jedoch zu einer dauerhaften Erhöhung der Wirtschafts-bzw. Einkommenswachstumsraten. Weit wichtiger sind die möglichen dynamischen Wirkun-gen einer Handelsliberalisierung – indem sie den Wettbewerb zwischen den Unternehmenforciert bzw. technologische Fortschritte fördert und damit die Produktivität erhöht. Dazukommt, dass die Liberalisierung des Handels auch die Qualität der nationalen Institutionenverbessern kann.75 Diese dynamischen (Produktivitäts-) Wirkungen stellen sich jedoch nichtautomatisch ein. Sie treten z.B. nicht ein, wenn durch die Liberalisierung heimische Anbietervom Markt verdrängt werden und der – in der Regel relativ kleine – heimische Markt in Folgevon einem oder wenigen großen internationalen Anbietern bedient wird.76 Die erfolgreichenostasiatischen Länder haben außerdem gezeigt, dass es möglich ist, Wettbewerb am heimi-schen Markt herbei zu führen, ohne ihn für ausländische Konkurrenten zu öffnen.77 Untersu-chungen deuten auch darauf hin, dass eine schnelle und weitgehende Liberalisierung derImportregime in vielen Ländern problematisch war. Sie hatte zuweilen zur Folge, dass diewenigen vorhandenen Weiterverarbeitungskapazitäten stillgelegt wurden; vielfach kam es zu

73 Vgl. z.B. Dollar und Kraay 2000, S. 22.74 Vgl. Rodrik 2001, S. 22.75 „Once institutions are controlled for, integeration has no direct effect on incomes, while geography

has at best weak direct effects. Trade often enters the income regression with the „wrong“ (i.e., ne-gative sign... . (...) ... institutional quality has a positiv and significant effect on integration. Im-portantly, integration also has a positiv impact on institutional quality, suggesting that trade canhave an indirect effect on incomes by imporving instituional quality.“ Vgl. Rodrik et al. 2002, S. 4.

76 Stiglitz 1998, S. 19 weist darauf hin, dass in einem solchen Fall die ökonomischen Renten vomStaat an das (monopolistische) Auslandsunternehmen übertragen werden.

77 Vgl. zum Beispiel Stiglitz 1998, S. 19.

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einem starken Rückgang der Staatseinnahmen sowie einem signifikanten Anstieg der impor-tierten (Konsum-) Güter – mit den entsprechenden makroökonomischen Implikationen.

Allgemein festzuhalten ist, dass Handelsreformen in eine umfassende Entwicklungs-strategie eingebettet werden sollten. Dies betrifft sowohl die Frage des Zeitpunkts derLiberalisierung als auch des notwendigen Ineinandergreifens von Handelsreformen mit ande-ren Reformmaßnahmen, insbesondere im institutionellen Bereich. Dabei muss auch berück-sichtigt werden, dass Handelsreformen in der Regel nicht leicht umsetzbar sind, sondernpolitisches Kapital und zum Teil auch finanzielle Ressourcen beträchtlich belasten. Deshalbgeht es normalerweise zunächst darum, diejenigen Handelsreformen auf den Weg zu brin-gen, die für die Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft zentral sind. So kann die Wettbe-werbsfähigkeit der heimischen Industrie, insbesondere der Exportunternehmen, verbessertwerden, indem diese Unternehmen von Importzöllen freigestellt werden (z.B. in Form vonforeign exchange retention schemes bzw. duty drawback schemes). Vorrangig und dringlicherscheint deshalb in den meisten Fällen, dass die Benachteiligung der Exportsektoren derEntwicklungs- und Transformationsländer zurückgeführt wird (verbunden mit einer substan-ziellen Verbesserung des Marktzugangs von Seiten der Industrieländer). – Mit diesen Über-legungen soll nicht grundsätzlich die Sinnhaftigkeit von Handelsliberalisierungen in Fragegestellt werden. Wichtig ist aber die Frage des „Wie“. Und hier gibt es zahlreiche Optionen,von denen die klassische allgemeine Importliberalisierung nur eine Möglichkeit darstellt.Deshalb benötigen auch hier die Entwicklungs- und Transformationsländer genügend Spiel-raum, um ihren eigenen Weg zu definieren.

7. Rolle der externen Partner

Theoretisch gibt es einen breiten Konsens darüber (vgl. z.B. den „Monterrey Consen-sus“), wie die externen Partner den Entwicklungsprozess in den Empfängerländernunterstützen können, insbesondere durch eine:• Öffnung der Märkte der Industrieländer für die relevanten Produkte der Entwicklungs-

und Transformationsländer;• weitere Unterstützung bei der Umsetzung der Entschuldung der Niedrigeinkommenslän-

der;• substanzielle Erhöhung der Entwicklungszusammenarbeit;• Verbesserung der Qualität der Entwicklungszusammenarbeit durch

� die Konzentration der Entwicklungszusammenarbeit auf die Länder, in denen die Ab-sorptionsfähigkeit für mehr Hilfe gegeben ist und in denen Armut relativ weit verbrei-tet ist („selectivity“);

� die Integration der Entwicklungszusammenarbeit in die nationalen Haushalte und inandere nationalen Prozesse („alignment“)

� die Koordinierung und Vereinfachung von Verfahren der verschiedenen Geber inRichtung der in den jeweiligen Empfängerländern geltenden Verfahren („Harmoniza-tion“)

� die Verbesserung der Vorhersehbarkeit der Transfers („predictability“).

Darüber hinaus ergeben sich aus den obigen Überlegungen eine Reihe weitererSchlussfolgerungen. Im Folgenden sollen die wichtigsten Aspekte benannt werden: zu-nächst die für die Gebergemeinschaft allgemein wichtigen Implikationen; danach spezifischeFolgerungen für die Politik von Weltbank und IWF. Die Ausführungen konzentrieren sich aufPunkte, die in der bisherigen Diskussion noch wenig beachtet wurden und vermutlich (noch)relativ strittig sind.

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7.1 Allgemeine Implikationen

(a) Die Begründung von Entwicklungszusammenarbeit: mehr als ein Finanztransfer

In der traditionellen Sichtweise hatte die ODA die Funktion, die interne „Sparlücke“ zufinanzieren. Dahinter steht das Argument, ein Ressourcen- bzw. Finanztransfer sei notwen-dig, um in den betreffenden Ländern die Lücke zwischen notwendigen Investitionen und derinländischen Ersparnis zu schließen. Externe Mittel haben so die Funktion, die unzureichen-den internen Ersparnisse sowie die Deviseneinnahmen und die Haushaltseinnahmen aufzu-stocken. Diese Argumentation gründet sich im Kern auf die (alte) Wachstumstheorie vonHarrod-Domar, die davon ausgeht, dass Wachstum durch die Akkumulation von Sachkapitalbewirkt wird und „Unterentwicklung“ auf Kapital- bzw. Sparmangel zurückgeführt wird.

Gegenüber der alten Wachstumstheorie rücken neuere Ansätze den Faktor „Wissen“in das Zentrum der Betrachtung („endogene Wachstumstheorie“). Obwohl diese Theo-rien den Faktor „Wissen“ (Technologie, Fähigkeiten, Knowhow) „endogenisieren“, lassen sieweitgehend die Frage offen, wie die Akkumulation von Wissen zustande kommt und wie da-durch Produktivität und Einkommen erhöht werden: durch Investitionen in Humankapital,durch die Förderung von Forschung und Entwicklung oder durch learning-by-doing. Außer-dem sind die Schlussfolgerungen teilweise widersprüchlich. Der ODA käme in dieser Sicht-weise die Rolle zu, den Wissens- bzw. Technologietransfer zu fördern. Auch hier bleibt dieFrage des „wie“ offen.

Darauf aufbauend wird argumentiert, dass Investitionen vor allem durch einen funk-tionierenden Regel- und Institutionenrahmen zustande kommen („Neue Institutio-nenökonomie“). Funktionierende Institutionen schaffen einen klaren und stabilen Rahmenfür die wirtschaftlichen Akteure. Sie sind notwendig, damit Märkte effizient funktionieren. Wieoben erwähnt, wird diese Sichtweise durch die vorliegenden Erfahrungen und empirischenDaten bestätigt. Wie aus der endogenen Wachstumstheorie begründet sich auch aus diesemTheoriezweig die ODA nicht allein durch den Ressourcentransfer an sich. Vielmehr muss siedazu beitragen, Unsicherheitsfaktoren zu vermindern und effiziente Institutionen zu schaffen.Wenn dies gelingt, dann werden interne Ressourcen mobilisiert und die makroökonomischenFinanzierungslücken gestopft.

Die ODA hat deshalb nicht allein die Funktion, Ressourcen in die Empfängerländer zutransferieren. Vielmehr muss der Finanztransfer dazu dienen dynamische Prozesse inGang zu setzen, die dazu beitragen, die einheimischen Ressourcen in den Partnerlän-dern zu mobilisieren.

(b) Eine zweite Phase der Stärkung von „Ownership“

Um die Wachstumsraten dauerhaft zu erhöhen und die Armut substanziell zu senken,bedarf es einer erneuten Anstrengung zur Stärkung der ownership der Empfängerlän-der. Hier erscheinen die folgenden Aspekte vordringlich:

Lokale analytische Kapazitäten müssen besser genutzt bzw. gezielt aufgebaut werden.Es wurde bereits erwähnt, dass erfolgreiche Wachstumsstrategien in das lokalspezifischeUmfeld eingebettet sind. Deren Erarbeitung setzt fundierte Kenntnisse über die jeweiligenVolkswirtschaften voraus, sowie über das institutionelle, politische und soziale Umfeld, indem die Programme umgesetzt werden sollen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass sol-che Strategien nicht von außen – z.B. durch die internationalen Finanzierungsinstitutionen –konzipiert werden können. Vielmehr müssen lokale Institutionen, wie z.B. Forschungsein-richtungen, verstärkt in die Länderstrategien einbezogen werden. Solche Einrichtungen sindin vielen Ländern, insbesondere den Mitteleinkommensländern bereits vorhanden. DerenKapazität muss gezielt genutzt werden, um analytische Lücken – z.B. bzgl. der Wirkungszu-

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sammenhänge im Bereich makroökonomischer Reformen oder der sozioökonomischen Im-plikationen von Reformvorhaben – zu schließen. Insbesondere in Niedrigeinkommenslän-dern bedarf es einer Stärkung dieser Kapazitäten. Poverty and Social Impact Analysis(PSIAs) spielen in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle.

Die externen Partner, insbesondere IWF und Weltbank, müssen bereit sein, im Rah-men einer breiten Palette von Politikoptionen beratend tätig zu werden. Sie solltenauch die Partnerländer aktiv bei der Entwicklung und Umsetzung unkonventionellerPolitikvorstellungen (vgl. Ziffer 5.5) unterstützen. Es geht hier weniger um „Politikbera-tung“ im klassischen Sinn. Vielmehr ist es erforderlich, dass die internationalen Finanzinsti-tutionen verstärkt untersuchen, wie wirtschaftspolitische Maßnahmen und Institutionen inverschiedenen länderspezifischen Kontexten wirken und wie diese Erkenntnisse in konkretePolitikansätze umgesetzt werden können. Insbesondere müssen sie Spannungsfelder zwi-schen verschiedenen Reformen benennen, mögliche alternative Politikoptionen aufzeigen,Erfahrungen von anderen Ländern zugänglich machen, die makroökonomischen Implikatio-nen von Reformen darstellen und einen Beitrag zum Aufbau eigener analytischer Kapazitä-ten leisten. Die jüngsten Weltbank-bezogenen Evaluierungsberichte und auch der CAS-Rückblick zeigen, dass in diesem Bereich weiter Defizite bestehen - insbesondere bzgl. derEinbettung der Weltbankprogramme in die politische Ökonomie der Partnerländer, des effek-tiven Einsatzes von analytischen und Ausleihinstrumenten und der Überprüfung von Wirkun-gen und Fortschritten.

Wichtig ist auch, dass makroökonomische Themen im PRSP – Prozess nicht tabuisiertwerden. So zeigen die bisherigen Erfahrungen mit den PRSPs, dass die Frage alternativermakroökonomischer Politiken kaum behandelt wird. Auch die zur Erstellung von PRSPs er-forderliche Partizipation der Zivilgesellschaft hat sich bisher nicht auf makroökonomischeFragen erstreckt.78 Die Optionen und die jeweils damit verbundenen Spannungsfelder müs-sen bezogen auf die Situation der einzelnen Länder diskutiert werden. Der PRSP Prozesssollte hierfür genutzt werden. So könnten z.B. im Rahmen der von den Ländern eingesetztentechnischen Ausschüsse zur Begleitung der PRSP-Erstellung Arbeitsgruppen für makroöko-nomische Fragen eingesetzt werden. Das den IWF-Programmen zugrunde liegende Modellim Bereich des „Financial Programming“, dessen Ursprung auf die Arbeiten von Pollak in den50er Jahren zurück geht, wurde zwar verschiedentlich angepasst; es ist jedoch nur begrenztgeeignet, länderspezifische Situationen angemessen zu berücksichtigen. So wird der Tatsa-che, dass viele Entwicklungs- und Transformationsländer über relativ große informelle Sekto-ren verfügen, nicht ausreichend Rechnung getragen (Vgl. Gomez und Lawson 2003). Auchdie Implikationen von verschiedenen makroökonomischen Optionen auf die Armutssituationbleiben dabei weitgehend unberücksichtigt. Der IWF muss deshalb sein Planungsinstru-mentarium weiterentwickeln, flexibler gestalten und hierfür zum Teil schon vorhandene lokaleExpertise nutzen.

Schließlich muss die Konditionalität von IWF- und Weltbank-Programmen weiter aufKernbereiche konzentriert werden. Erfahrungen mit Strukturanpassungsprogrammen ha-ben gezeigt, dass Konditionalität in der Regel nur dann zielführend ist, wenn sie die allge-meine Politik des Empfängerlandes unterstützt. Mit dieser Erkenntnis verliert jedoch die tra-ditionelle Konditionalität ihre Grundlage. Sofern eine Regierung ein starkes Reformprogrammaufweist und Übereinstimmung mit den Vorstellungen der internationalen Gebergemein-schaft besteht, sind Konditionen – von den wenigen Auflagen, die sich auf die Ausgaben-plafonds beziehen abgesehen - obsolet: statt „Konditionen“ geht es um (mit den externenPartnern abgestimmte) Eckpunkte des von der Regierung vorgesehenen Reformprogramms.Die anderen („reformunwilligen“) Länder können in der Regel durch Auflagen nicht zu denangestrebten Reformen bewegt werden. Deshalb sind hier andere Instrumente notwendig;diese befinden sich weitgehend außerhalb der Möglichkeiten der IFIs. Der IWF und die Welt-bank haben bereits in den letzten Jahren beschlossen, die Zahl der Konditionen zu reduzie- 78 Vgl. CIDSE 2003, S. 8

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ren und auf Kernbereiche zu konzentrieren. Diese Politik sollte in dem genannten Sinne kon-sequent fortgesetzt werden.

(c) Stabilisierung der externen Rahmenbedingungen – „Vulnerabilität“ umfassend vermin-dern

Privatwirtschaftliche Investitionen sind ganz wesentlich von der Stabilität der Rahmenbedin-gungen abhängig. Die internationale Gemeinschaft kann auf zwei Ebenen – dem internatio-nalen Handels- und Finanzsystem und der Entwicklungszusammenarbeit - einen wichtigenBeitrag leisten, damit sich die Rahmenbedingungen von Entwicklungs- und Transformati-onsländern strukturell verbessern.

Erstens muss das internationale Handels- und Finanzsystem dazu beitragen, die in-ternationalen Rahmenbedingungen für Entwicklungs- und Transformationsländer zuverbessern. Hinsichtlich des internationalen Handelssystems sind die entsprechendenStichworte bekannt. So wird durch die „Tarifeskalation“eine Diversifizierung der Wirtschafts-struktur der Entwicklungs- und Transformationsländer behindert. Hohe Zölle für Agrar- undTextilprodukte sowie Exportsubvention der Industrieländer beeinträchtigen die Exportent-wicklung der Partnerländer und die Entwicklung lokaler Märkte. Schutzklauseln, Anti-Dumping- und Präferenzsysteme sind für die Entwicklungs- und Transformationsländer mithoher Unsicherheit verbunden und behindern Investitionen in den relevanten Sektoren. DieListe von Beispielen ließe sich problemlos verlängern. Auf eine Vertiefung soll hier verzichtetwerden. Was das internationale Finanzsystem anbetrifft, so konzentrierten sich die bisheri-gen Reformmaßnahmen darauf, die Transparenz der Finanzsektoren und der Kapitalmarkt-transaktionen zu verbessern und dadurch eine größere Marktdisziplin zu erreichen. Hierwurden in den vergangenen Jahren wichtige Fortschritte erzielt. Aber selbst in diesem Be-reich marktkonformer Regelungen zur Verbesserung der Markttransparenz sind durchausweitere Fortschritte möglich. So können Industrieländer dazu beitragen, die Volatilität vonKapitalströmen in Schwellenländer zu vermindern, z.B. durch eine konsequente Offenle-gungspflicht für Transaktionen von Hedge Funds und anderen Finanzinstitutionen. Danebenwären Verhaltenskodizes für den Devisenhandel der Banken, einschließlich des Interban-kenhandels, möglich; gegebenenfalls könnte eine entsprechende Berichtspflicht eingeführtwerden.79 Neben der Verbesserung der Markttransparenz gibt es eine Reihe von weiterenMaßnahmen zur Stabilisierung der internationalen Finanzmärkte. So wäre es z.B. denkbar,dass Industrieländer diejenigen Schwellenländerregierungen unterstützen, die zur Präventionund Bekämpfung von Krisen Kapitalimportsteuern praktizieren, indem die Industrieländerselbst auf die entsprechenden Transaktionen Steuern erheben.80 Jedoch besteht kein Zwei-fel, dass die politischen Spielräume für solche Vorschläge derzeit relativ klein sind. Die Er-fahrungen der letzten Jahre, zum Beispiel mit dem innerhalb des IWF ausgearbeiteten Vor-schlag eines internationalen Insolvenzrechts (SDRM), haben dies deutlich aufgezeigt.

Zweitens sollte der PRS Prozess sowie andere Entwicklungspartnerschaften verstärktberücksichtigen, dass Entwicklungsländer besonderen Risiken ausgesetzt sind undexterne Schocks relativ häufig auftreten. Dabei kommt es zunächst darauf an, dass sichdie Länder selbst vor externen Schocks schützen, indem sie – wie vorne ausgeführt - ihreFinanzmärkte gezielt entwickeln, die Kreditaufnahme im Ausland unter Kontrolle halten undmöglichst ihre Devisenreserven aufstocken. Außerdem müssen die den Entwicklungspro-grammen zugrunde liegenden Annahmen und Wirkungszusammenhänge besser analysiertund dargestellt werden. Die Programme sowie die Berechnungen zur Schuldentragfähigkeit

79 Vgl. Reszat 200180 Vgl. die von Spahn 2002 vorgeschlagene „Zweite Säule“. Dieser Vorschlag könnte noch dahinge-

hend ergänzt werden, dass die Einnahmen auf Industrieländerseite für Maßnahmen zur Stärkungder Finanzsektoren in Entwicklungsländern verwendet werden.

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sollten idealerweise Szenarien enthalten, die mögliche negative Entwicklungen berücksichti-gen.81 Darüber hinaus ist vor allem auf die folgenden Aspekte zu verweisen:

• Es ist notwendig, Finanzierungsfazilitäten (weiter) zu entwickeln, die es erlauben,Ländern im Falle von externen Schocks schnell zu helfen. Untersuchungen habengezeigt, dass Finanzhilfen bei externen Schocks besonders effizient sein können. Da-durch können die negativen Wirkungen auf das Wirtschaftswachstum und die Armutssi-tuation beträchtlich vermindert werden.82 Für Mitteleinkommensländer könnten Finanzie-rungsfazilitäten bereit gestellt werden, auf die das Land relativ unkompliziert in Notfällenzurückgreifen kann. Eine besondere Herausforderung stellen die Niedrigeinkommenslän-der bzw. die HIPC-Länder dar. In der Vergangenheit wurden die IWF-Programme in die-sen Ländern häufig ausgesetzt. Der Grund ist in der Regel eine Mischung von unver-schuldeten externen Schocks und unzureichenden internen politischen Reformen. Im Fallvon Programmunterbrechungen sind diese Länder nicht nur mit ausbleibenden Auszah-lungen vom IWF und der Geber konfrontiert; es verzögert sich auch der Entschuldungs-prozess. Deshalb ist es notwendig, in den Fällen, in denen externe Schocks maßgeblichzur Verschlechterung der makroökonomischen Situation beitragen, eine Programmunter-brechung zu verhindern und die Finanzhilfen entsprechend aufzustocken. Konkret solltedie PRGF verstärkt dazu genutzt werden, um Finanzierungsprobleme bei externenSchocks zu kompensieren.

• Finanzierungsinstrumente sind möglichst so auszugestalten, dass Risikofaktorenbzgl. der Aufbringung des Schuldendienstes vermindert werden. So könnte grund-sätzlich durch Anleihen, deren Zinszahlungen an die Entwicklung des BIP gekoppelt ist,eine rasche Verschlechterung der Schuldendienstindikatoren in einer Wirtschaftskrisevermieden und die Gläubiger an den Risiken beteiligt werden. In ähnlicher Form könntedie „Bedienung“ konzessionärer Kredite flexibel ausgestaltet werden. Um das Wechsel-kursrisiko auszuschalten könnten auch ODA-Kredite verstärkt in lokaler Währung bereitgestellt werden. Die Umsetzbarkeit dieser Optionen muss dringend geprüft werden.

• Darüber hinaus sollten ODA-Finanztransfers sowohl flexibel als auch vorhersehbarbereit gestellt werden. Finanzhilfen sollten möglichst verfügbar sein, wenn sich auf-grund zyklischer Entwicklungen oder externer Schocks die makroökonomische Situation(Leistungsbilanz, Staatshaushalt) verschlechtert. Konkret kann Flexibilität vielerlei be-deuten. Z.B. wird die Aufgabe der monetären Autoritäten erleichtert, wenn der Empfän-gerregierung erlaubt wird, die Mittel zunächst als zusätzliche Devisenreserven zu halten;dadurch würden die Devisenreserven erhöht und nach Bedarf („in schlechten Zeiten“) fürden vereinbarten Zweck abgerufen. Daneben könnte den Empfängerregierungen erlaubtwerden, „in guten Zeiten“ einen Teil der Finanzmittel zur Tilgung heimischer Schuldeneinzusetzen.

• Die internationalen Finanzierungsinstitutionen müssen - gemeinsam mit der Ge-bergemeinschaft – ihre Ausleihepolitik in Niedrigeinkommensländern reformieren,um die langfristige Schuldentragfähigkeit zu sichern. Wie erwähnt ist der Schulden-dienst vieler Niedrigeinkommensländer, trotz der substanziellen Entschuldung unter derHIPC-Initiative, relativ hoch. Die internationalen Finanzierungsinstitutionen halten einenGroßteil der Schulden dieser Länder. Eine unreflektierte Vergabe von Krediten – auchwenn diese konzessionärer Art sind – kann hier die Schuldentragfähigkeit ernsthaft ge-fährden. Wichtige Maßnahmen zur Reduzierung der Risiken sind:- Bestimmung der IDA-Ausleihpolitik durch eine umfassende landesspezifische Schul-

dentragfähigkeitsanalyse;

81 Dies entspricht auch den Empfehlungen aus den bisherigen Evaluierungen des Independent Eva-

luation Office (IEO) beim IWF.82 Vgl. z.B. Collier 2002.

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- Transparenz über die bei Verschuldungsprognosen getroffenen (möglichst realisti-schen) Annahmen;

- Bewertung der Qualität der Institutionen und Politikgestaltung bei der Überprüfungvon Schuldentragfähigkeit;

- Explizite Darstellung der Auswirkungen möglicher externer Schocks auf die zu er-wartende Verschuldungssituation;

- Flexibilisierung der Rückzahlungsmodalitäten zur Vereinfachung und Beschleunigungder Reaktion auf vom Land nicht beeinflussbare externe Schocks;

- Erhöhung des Zuschussanteils bei bestimmten Niedrigeinkommensländern;- Stärkere Arbeitsteilung zwischen Weltbank bzw. IWF und den Geberorganisationen,

die vor allem auf Basis von Zuschüssen arbeiten.

(d) Stärkung der PRSPs und anderer Entwicklungsstrategien

Die Armutsbekämpfungs- und anderen Entwicklungsstrategien müssen konkreterausgestaltet und so zu wirklichen Planungsgrundlagen werden. Es ist bekannt, dass diePRSPs häufig unzureichend Prioritäten setzen, Spannungsfelder zwischen den verschiede-nen Zielen und Maßnahmen kaum benennen und die budgetären Implikationen der geplan-ten Maßnahmen nicht ausreichend aufzeigen. Das Problem liegt zum Teil darin, dass dieArmutsbekämpfungsprogramme unterschiedliche Funktionen erfüllen sollen. Zum einen sol-len sie aufzeigen, wie – vor dem Hintergrund der Millennium Development Goals - die Armutin den betreffenden Ländern perspektivisch zurück geführt werden kann. Zum anderen sollensie – vor dem Hintergrund begrenzter Mittel – den Referenzrahmen für kurzfristige Budget-planungen abgeben. Derzeit besteht zwischen beiden Prozessen eine relativ breite Kluft: hierdie langfristige Vision, weitgehend losgelöst von budgetären Zwängen; dort die harte Reali-tät, die sich zum Beispiel in den mit dem IWF definierten Ausgabenrahmen widerspiegeln.Diese Kluft muss künftig überwunden werden. Zum einen sollten die Armutsbekämpfungs-programme konkreter formuliert und Prioritäten vor dem Hintergrund budgetärer Zwängeklarer benannt werden. Zum anderen sollten die kurzfristigen Planungen, insbesondere diemakroökonomischen Vorgaben des IWF (z.B. in der Form der PRGFs), die längerfristigenZiele stärker berücksichtigen. Die Schwierigkeit besteht vor allem darin, dass die Erreichungder längerfristigen Entwicklungsziele auch davon abhängt, in welchem Maße externe Res-sourcen zur Verfügung gestellt werden. Es kann deshalb sinnvoll sein, dass sowohl diePRSPs, als auch die kurzfristigen makroökonomischen Projektionen – auf der Grundlage derverschiedenen Annahmen bezüglich der Verfügbarkeit externer Ressourcen – unterschiedli-che Szenarien aufzeigen.

7.2 Weltbank

Die Weltbank hat sich in den letzten Jahren in vielerlei Hinsicht positiv gewandelt. Wiebereits erwähnt haben sich die Konzepte der Bank zur Förderung von Wirtschaftswachstumund Investitionen in den letzten Jahren erheblich verändert. Sie sind heute weit weniger mo-nolitisch, marktgläubig und praxisfern. So wird zum Beispiel zwischenzeitlich auch von Be-schäftigten der Weltbank zugestanden, dass in der Vergangenheit die institutionellen Refor-men und die Reformen im Bereich der Regierungsführung den „policy reforms“ hinterherhinkten. Es wird grundsätzlich anerkannt, dass die Bank zuweilen die wirtschaftliche Liberali-sierung in einem Umfeld vorangetrieben hat, das aufgrund schwacher Institutionen und Re-gelwerke hierfür nicht gerüstet war.

Die eingeleiteten Reformen in der Weltbank müssen konsequent zu Ende geführt wer-den. Trotz der erfolgreichen Reformschritte in den letzten Jahren, bestehen Defizite in derWeltbank-Politik fort. Insbesondere gibt es Anzeichen, dass das operative Geschäft nichtimmer die konzeptionellen Fortschritte mitvollzogen hat. Aus den unter Ziffer 6 ausgeführten

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Aspekten ergeben sich eine Reihe von Implikationen für die Arbeit der Bank. Diese seienhier nur kurz benannt:• Weitere Verlagerung von Entscheidungsprozessen in die Empfängerländer; aktive Bera-

tung der Partnerregierungen, auch im Bereich von Politikvorstellungen außerhalb des„Mainstream“; Stärkung der Analysekapazität in den Partnerländern; weitere Rückfüh-rung und Konzentration der mit den Programmen verbundenen „Auflagen“ auf institutio-nelle Schlüsselreformen etc.

• Stärkung der Konzepte im Bereich der Verarbeitung externer Schocks und des Risiko-managements.

• Anpassung des Volumens der Ausleihungen an die jeweilige Schuldentragfähigkeit derPartnerländer (in Abstimmung mit den bilateralen, auf der Grundlage von Zuschüssenagierenden Geber); Neudefinition der Rolle der Bank in hochverschuldeten Ländern.

Neben diesen Punkten ergeben sich die folgenden Schlussfolgerungen für die Arbeit derWeltbank.

Allgemein muss die Bank ihre Expertise im Bereich der Wirtschaftspolitik weiter stär-ken. Dies betrifft zum einen den Bereich der Makroökonomie und deren Zusammen-wirken mit strukturellen, mikroökonomischen Fragen. Die Bank hat sich in den letztenJahren stark auf die Mikroebene konzentriert, z.B. im Rahmen der laufenden Forschungenzur Frage des Investment Climate. Dabei stehen in der Regel allokative Gesichtspunkte imVordergrund. Verbesserungen in der Ressourcenallokation sind aber keine Garantie fürWirtschaftswachstum und Armutsreduzierung. Allokationsverbesserungen können sogar vonniedrigem Wachstum oder Rezession begleitet sein. Umgekehrt kann, wie sich in mehrerenLändern zeigt, durch günstige gesamtwirtschaftliche Bedingungen hohes Wachstum entste-hen, selbst wenn die Allokation weit unter dem Optimum bleibt. Die Wirkungszusammenhän-ge zwischen der Makro- und Mikroebene müssen deshalb stärker berücksichtigt werden. Somüssen z.B. Antworten auf die folgenden Fragen gefunden werden:• Wie können makroökonomische wirtschaftspolitische Maßnahmen aktiv für die Förderung

von Wachstum und Armutsbekämpfung eingesetzt werden?• Welche strukturellen Reformen sind notwendig, um makroökonomische Stabilität langfri-

stig abzusichern?• Welche Risiken bergen Strukturreformen für die makroökonomische Stabilisierung?

In diesem Bereich geht es um eine enge Zusammenarbeit zwischen der Weltbank unddem IWF. Die Vorstellung, dass der IWF für makroökonomische Politikempfehlungen unddie Weltbank für strukturelle und institutionelle Fragen zuständig ist, greift zu kurz. EffizienteStrategien zur Förderung des Wirtschaftswachstums und zur Bekämpfung der Armut sindnur möglich, wenn die Makro- und die Mikropolitik funktional ineinander greifen. Dies mussim Arbeitsprogramm beider Institutionen verankert sein.83

Zum anderen muss die Bank künftig der institutionellen Entwicklung eine größere Be-deutung beimessen, die oben genannten Wirkungszusammenhänge zwischen institu-tionellen Reformen und Maßnahmen im Bereich der Liberalisierung klarer benennenund daraus konsequent die entsprechenden Schlussfolgerungen ziehen. Die Qualitätvon Institutionen, der Regelsysteme, der Regierungsführung und die Frage von Eigentums-rechten müssen als Faktoren betrachtet werden, welche allen anderen wachstumsfördern-den Faktoren zugrunde liegen. Dies sollte bei der Konzeption von Wirtschaftsreformen, ins-besondere im Bereich der Liberalisierung und Privatisierung systematisch berücksichtigtwerden. Darüber hinaus bedarf die Frage, wie Institutionen in verschiedenen lokalen Umfel-den wirken und damit auch die polit-ökonomische und kulturelle Verankerung von Reformen,

83 Herr und Priewe (2003, S.5) weisen zu Recht darauf hin, dass das „PRSP-Sourcebook“ der Welt-

bank äußerst wenig Anhaltspunkte gibt, welchen Beitrag makroökonomische Politiken leisten kön-nen, um Wachstum und Investitionen zu fördern.

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verstärkter Beachtung. Ziel muss es sein, in Entwicklungsländern erfolgreich angewandteinstitutionelle Lösungen (best practices) zu identifizieren und auf ihre Übertragbarkeit zuprüfen. Angesichts der schwachen finanziellen und administrativen Leistungsfähigkeit derEmpfängerländer geht es dabei um institutionelle Lösungen, die relativ einfach und kosten-günstig sind. Zum Beispiel in den folgenden Bereichen gibt es aktuell einen besonders ho-hen Bedarf an tragfähigen Konzepten: Landreform, Reform öffentlicher Unternehmen, Re-form von Staatsbanken, Schaffung eines Systems zum Schutz geistiger Eigentumsrechte.Dies bedeutet auch, dass sich die Bank stärker als Institution verstehen muss, die Informati-on bereitstellt, Erfahrungen verfügbar macht und Lernprozesse unterstützt. Dagegen tritt dieklassische Beratung in den Hintergrund.

Die Bank sollte sich auch intensiver der Frage widmen, wie die Finanzsektoren inEntwicklungs- und Transformationsländern gefördert werden können. Für die Mobilisie-rung und Aufrechterhaltung ausreichenden Wachstums ist die Bereitschaft, im Inland zu in-vestieren entscheidend. Sofern diese Bereitschaft vorhanden ist, können Ersparnisse mobili-siert und in gewissen Umfang auch Investitionen durch Kreditschöpfung finanziert werden.Dies setzt allerdings ein funktionierendes Finanzsystem voraus. Die Weltbank sollte ihreAnalysen im Bereich der Finanzsektorpolitik – einschließlich des Zusammenhangs zwischenFinanzsektorentwicklung und Makropolitik – vorantreiben.84 Auch im operativen Geschäftsollte der Finanzsektorentwicklung größere Bedeutung geschenkt werden. Dazu gehört auchdie Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen, z.B. hinsichtlich der Verwendungvon Land und informellen Vermögenswerten zur Kreditsicherung.

7.3 Internationaler Währungsfonds (IWF)

Der IWF wurde in den letzten Jahren in vielerlei Hinsicht neu ausgerichtet. So wurde erz.B. in seiner Funktion der Krisenprävention gestärkt. Es geht darum, diese positiveEntwicklung konsequent weiter zu führen. Aus den bisherigen Überlegungen ergebensich für den IWF eine Reihe von Schlussfolgerungen, z.B. die Notwendigkeiten:• den makroökonomischen Dialog auf Länderebene zu verstärken (Analyse und Diskussi-

on verschiedener makroökonomischer Optionen);• die Unterstützung von Niedrigeinkommensländern konzeptionell weiterzuentwickeln, sei-

ne Programme stärker in die nationalen Verfahren (insbesondere die PRSPs und denHaushaltszyklus) zu integrieren und auch im Bereich von Politikansätzen außerhalb desMainstreams aktiv zu beraten;85

• Instrumente und Finanzierungsfazilitäten (weiter) zu entwickeln, die es ohne negativeSignalwirkungen erlauben, Ländern im Falle von externen Schocks flexibel und schnellzu helfen (z.B. durch entsprechende Ausgestaltung der PRGF) und die Krisenanfälligkeitzu vermindern (z.B. durch eine verstärkte Berücksichtigung im Rahmen der Überwa-chungsfunktion des IWF).

Daneben ergeben sich die folgenden Schlussfolgerungen für die Arbeit des IWF.

Optimistische Programmannahmen sollten vermieden bzw. alternative Szenarien dar-gestellt werden. Ursachen für Abweichungen von den Programmvorgaben sollten inden IWF-Dokumenten klar benannt werden. Zu optimistische Programmannahmen haben 84 Angesichts der Bedeutung des Finanzsektors für Wachstum und die makroökonomische Stabilität

ist es erstaunlich, dass im „PRSP-Sourcebook“ der Weltbank der Finanzsektor faktisch nicht er-wähnt wird. Vgl. Herr und Priewe 2003, S. 6.

85 So hält zwar der IWF zwischenzeitlich Kapitalverkehrsregulierungen in bestimmten Fällen für ge-rechtfertigt. Er sollte die Mitgliedsländer aber darüber hinaus aktiv beraten, wie solche Politiken ef-fizient umgesetzt werden können (zeitlicher Ablauf und Sequenzierung der Kapitalmarktliberalisie-rung; welche Instrumente sind in welchen Situationen geeignet etc.).

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zur Folge, dass potentielle Risiken verharmlost werden und letztlich die vorgeschlagenenAnpassungen nicht ausreichen, um die vorhandenen Probleme nachhaltig zu lösen. Dadurchergibt sich ein stop-and-go, das der langfristigen wirtschaftlichen Entwicklung, aufgrund derdamit verbundenen Unsicherheit für Investoren abträglich ist. Unabsichtlich trägt der IWFdurch solcherart Programmunterbrechungen selbst zu einer Destabilisierung der Situationbei. In den Programmdokumenten, insbesondere den Programmüberprüfungen sollte klarfestgehalten werden, was die Ursachen von Problemen bei der Haushaltskonsolidierung undanderen Programmvorgaben sind; d.h. vor allem, ob übermäßige Defizite auf externe Fakto-ren, ungenügende Politikmaßnahmen oder unzureichende institutionelle Reformen zurück zuführen sind.

Auch die Verbindung zwischen den Ursachen möglicher makroökonomischer Proble-me und den IWF-Empfehlungen sollten deutlicher werden. So sollten die IWF-Programme klarer die unterstellten Wirkungszusammenhänge darlegen. Der IWF solltegegenüber der Öffentlichkeit die Rationale seiner Programme deutlicher machen. Eswird zuweilen das Argument angeführt, dass die (restriktiven) Programmvorgaben bzgl. derfiskalischen Ziele auch die Funktion haben, die Glaubwürdigkeit des Programms gegenüberden Investoren zu unterstreichen und damit externe Mittel zu mobilisieren. Dies ist zweifels-ohne richtig. Jedoch muss berücksichtigt werden, dass den internationalen Finanzierungsin-stitutionen auch die Rolle zufällt, die Rationale der Programme und die dahinter stehendenAnsätze zu erklären. Die Einschätzung und Reaktion der Investoren wird letztlich auch starkbeeinflusst durch die Argumentation der für die Programm-Gestaltung Verantwortlichen bzw.der internationalen Gemeinschaft.86

Auch der IWF sollte institutionellen Reformen, die für die Durchsetzung und Aufrecht-erhaltung von makroökonomischen Politikansätzen notwendig sind, mehr Aufmerk-samkeit schenken. Schlüsselreformen (z.B. der Verwaltungsreform oder der Reform dersozialen Sicherungssysteme) sollten klar in den Programmdokumenten benannt werden. Umdem kurzfristigen Charakter der IWF-Programme Rechnung zu tragen, müssen institutionelleReformen gfs. in einzelne Teilschritte zerlegt werden. Die Programme sollten so stärker indie PRSPs eingebettet werden. In den Ländern ohne PRSPs sollte die Überwachung durchden Fonds stärker genutzt werden, um institutionelle Schwächen aufzudecken und entspre-chende Reformziele mit den Partnern zu diskutieren.87 Die Überwachung muss mehr undmehr die Funktion übernehmen, mit der Partnerregierung ein mittelfristiges Reformkonzeptfestzuhalten, ohne die institutionellen Reformziele aber als „Konditionalitäten“ zu formulieren

Der Fonds sollte seine Prioritäten im Bereich des Einnahmen- und Ausgabenmana-gements überprüfen. Um die Einnahmen des Staates zu stärken und die Konsolidierungdes Staatshaushalts voran zu treiben, sollte stärkeres Gewicht darauf gelegt werden, dieSteuerbasis zu verbreitern, indem Ausnahmeregelungen beschränkt und die Hinterziehungeffektiv bekämpft wird. Auch dies erfordert in der Regel, dass die entsprechenden staatlichenBehörden gestärkt werden.88 Auf der Ausgabenseite sollte der Reform der öffentlichen Ver-waltung stärkere Bedeutung geschenkt werden. Insbesondere in Nicht-PRGF-Ländern sollteder IWF zusammen mit der Weltbank und den betreffenden Regierungen soziale Programmebzw. Ausgaben definieren, welche im Falle einer Fiskalkrise zu schützen sind.89

86 Hier ergibt sich eine Parallele zu der derzeit geführten Debatte um die Angemessenheit des EU-

Stabilitätspakts. Als Hauptargument gegen eine flexiblere Handhabung der fiskalischen Zielvorga-ben wird in der Regel angeführt, dass dies die Glaubwürdigkeit des Paktes in den „Augen derMärkte“ in Mitleidenschaft ziehen würde.

87 „Surveillance is drawing too few lessons from past failures, and not contributing to defining thefuture paths for more complex reforms.“ Vgl. IEO 2003 a, S. 31

88 Der IWF hat in letzter Zeit seine technische Hilfe gestärkt, insbesondere in Bezug auf die Afrikani-schen Länder.

89 Vgl. IEO 2003 a, S. 32.

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Der externen Verschuldung und der Schuldenstruktur sollte mehr Aufmerksamkeitgewidmet werden. Der IWF sollte, gemeinsam mit der Weltbank, für alle Entwicklungslän-der regelmäßig Schuldentragfähigkeitsanalysen erstellen. Dies ist bisher nur für die HIPC-Länder der Fall. Der Fonds sollte den Umfang und die Struktur der externen Verschuldung,sowohl des öffentlichen als auch des Privatsektors, eng verfolgen – u.a. in Zusammenhangmit seiner Überwachungsfunktion - und Schwachstellen frühzeitig aufzeigen. Auch die Auf-nahme konzessionärer Kredite sollte vom IWF enger verfolgt werden. Wie bereits erwähntsollten in den IWF-finanzierten Programmen nicht nur klare Obergrenzen für die Aufnahmevon nicht-konzessionären Krediten, sondern auch von neuen konzessionären Krediten fest-legt werden. Allgemein sollte der IWF seine Überwachungsfunktion stärken und diese Über-wachung so weiter entwickeln, dass sie als Grundlage für Nothilfekredite, z.B. bei externenSchocks, dienen kann.

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