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PROJEKTERGEBNISSE UND EMPFEHLUNGEN

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projektergebnisse und empfehlungen

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Undokumentierte Migration nach und innerhalb Europas ist in seinen Konsequenzen und Herausforderungen für Gesund-heitssysteme ein zunehmend diskutiertes Phänomen. Der An-teil Undokumentierter MigrantInnen (UDM) in der EU - also Menschen ohne offiziellen Aufenthaltstitel - wird auf 3,8 Mil-lionen Menschen im Jahr 2008 (7-13% der ausländischen Bevölkerung) geschätzt. UDM sind eine vulnerable Gruppe, die gesundheitlichen Risiken besonders stark ausgesetzt ist: unsichere Lebensverhältnisse, Ausbeutung, Schutzlosigkeit gehören für UDM zum täglichen Leben. Dem von allen EU Mit-gliedsstaaten ratifizierten Menschenrecht auf umfassende Gesundheitsversorgung stehen heterogene nationale Regle-mentierungen gegenüber, die unterschiedliche Rahmenbedin-gungen für die Gesundheitsversorgung schaffen. Praxismodel-le, die das Menschenrecht auf Gesundheit sicherstellen sollen, folgen dementsprechend verschiedenen Logiken.Aufbauend auf richtungsweisenden Vorprojekten entwickelte das Europäische Projekt „Health Care in NowHereland“ die erste Zusammenstellung von Regulierungen in der EU, Norwe-gen und der Schweiz, eine Datenbank über Praxismodelle in 11 EU Mitgliedsstaaten und der Schweiz, und eine detaillierte Beschreibung ausgewählter Modelle. In Interviews berichteten UDM über ihr Alltagsleben und ihre Bemühungen um Zugang zur Gesundheitsversorgung.

Artikel 13.2 der Resolution 1509 der Parlamentarischen Ver-sammlung des Europarats nennt den Zugang zu Notfallversor-gung als minimale Leistung zur Erfüllung des Menschenrechts auf Gesundheitsversorgung. Die Wichtigkeit eines umfassende-ren Zugangs wird in einer Entschließung des Europäischen Par-laments vom März 2011 zum Abbau gesundheitlicher Ungleich-heit in der EU (2010/2089(INI)) aufgezeigt.Wechselt man von der Debatte zu Menschenrechten und Ge-rechtigkeit in eine Public-Health Perspektive, erscheint die Be-schränkung auf Notfallversorgung als ineffiziente Lösung. Sie verursacht vermeidbare Last-Minute Interventionen, hohe Kos-ten, und ein unkontrolliert anwachsendes Risiko von Infektions-krankheiten.In dieser Logik stellt der alleinige Zugang zu Notfallversorgung kei-nen sinnvollen Zugang zu Gesundheitsversorgung dar. Es kann so-mit zwischen Ländern mit vollständigem, partiellem oder keinem Zugang zur Gesundheitsversorgung unterschieden werden, wobei Länder mit alleinigem Zugang zu Notfallversorgung der Gruppe mit „keinem Zugang“ zugeordnet werden. Nach dieser Definition ge-währen vier EU-Länder und die Schweiz vollständigen Zugang zur Gesundheitsversorgung, drei EU-Länder und Norwegen partiellen, und 20 EU-Länder keinen Zugang.

Praxisbeispiele zur Gesundheitsversorgung für UDM sind schwierig zu sammeln. In vielen Fällen ziehen es Gesundheitsorganisationen vor, ebenso unsichtbar zu bleiben wie ihre KlientInnen: zum einen, weil sie an ihren Kapazitätsgrenzen arbeiten und die Nachfrage nicht durch zusätzliche Sichtbarkeit ankurbeln wollen, und oft, weil UDM nicht Teil ihrer offiziellen Zielgruppe (z.B. Obdachlose, Menschen ohne Krankenversicherung) sind. Die Offenlegung ihrer Betreuungsleistungen für UDM kann damit eine Gefährdung ihrer Finanzierung bedeuten. Mit der Hilfe von zahlreichen ExpertInnen und Netzwerken von Krankenhäusern und NGOs konnten 71 Pra-xismodelle aus 12 Ländern in einer öffentlich zugänglichen Da-tenbank gesammelt werden. Die Datenbank umfasst 24 staatliche (GOs) und 47 nicht-staatliche Organisationen (NGOs).

PRAXIS

GeSetzlIcheRAhmenbedInGunGen

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GO (n=24) nGO (n=45)

VeRlAnGte dOkumente

25%

33%4%

38%

62%

87%

2%

9%

2%13%

keIne dOkumente

GeSundheItSkARte

AndeRe

GeSundheItSkARte & AndeRe

87%

2%

9%

2%

38%

25%

33%

4%

partiellerzugang:

BE, IT,UK, NO

kein zugang:AT, BG, CY, CZ,DE, DK, EE, FI,GR, HU, IE, LT,LU, LV, MT, PL,RO, SE, SK, SI

vollerzugang:

ES, FR, NL,PT, CH

GeSetzlIche zuGAnGS-beStImmunGen

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In vielen Fällen leben UDM unter extrem harten Lebensbedin-gungen. Die Sorge um das Notwendigste zum Leben – ein wenig Geld, Arbeit, ein Schlafplatz - gehört zum Alltag. Alle Energie wird für das Überleben eingesetzt, gesundheitliche Beschwerden werden so lange es geht selbst behandelt und/oder ignoriert. Gleichzeitig ist ein guter Gesundheitszustand die Hauptressource für dieses Überleben: man muss gesund sein, um arbeiten zu können und um einen Schlafplatz zu finden (da Schlafräume oft geteilt werden kann Krankheit die Chancen auf einen Schlafplatz gefährden).

Auch in Ländern, die einen umfassenderen Zugang zur Ge-sundheitsversorgung gewähren, kommen UDM oft sehr spät und als Notfall in die Versorgung. Gründe dafür sind die Angst vor der Aufdeckung und möglichen Abschiebung, der Mangel an Informationen über Rechte auf Gesundheitsversorgung, und allgemeine Schwierigkeiten, sich im Gesundheitssystem zu-rechtzufinden und administrative Hürden zu überwinden.

UDM sind eine heterogene Gruppe mit unterschiedlichen Be-dürfnissen. So zeigt das italienische Modell die Verschiedenhei-ten seiner drei größten Klientengruppen aus China, Osteuropa (Georgien, Moldawien, Ukraine) und Afrika (Ägypten, Marokko, Nigeria, Tunesien) hinsichtlich ihrer Konzepte von Gesundheit und Krankheit, ihrer Vorerfahrungen mit den Gesundheitssyste-men in den jeweiligen Herkunftsländern, und ihrer Lebens- und Arbeitssituation auf. Dementsprechend vielfältig sind erfolgrei-che Betreuungs- und Versorgungsansätze: von der Öffnungs-zeit bis zur kultursensiblen medizinischen Versorgung.

menSchen: deR AlltAG VOn udm und IhRe zuGÄnGe zuR GeSundheItSVeRSORGunG

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eine vergleichende Analyse zeigt:

• Gesundheitsorganisationen, sowohl GOs als auch NGOs, nennen psychische Gesundheit und infektiöse Erkrankungen als häufigste Gesundheitsprobleme ihrer UDM Klientel. Ein weiteres wichtiges Thema ist die sexuelle Gesundheit, wobei GOs insbesondere sexuell übertragbare Krankheiten und HIV nennen und NGOs auf reproduktive Gesundheit fokussieren. Arbeitsbedingte Gesundheitsprobleme folgen in der Häufigkeit der Nennungen.

• Die am häufigsten angebotenen medizinischen Leistungen sind bei GOs als auch NGOs allgemeine Grundversorgung und Diagnostik. Von GOs wird zusätzlich schwerpunktmäßig Not-fallversorgung geleistet, von NGOs medizinische Versorgung von Frauen und Kindern. Mentale Gesundheitsversorgung, also psychiatrische Behandlung und psychologische Unterstützung, wird von drei Viertel der Organisationen angeboten.

• 50% der GOs beobachten einen Anstieg ihrer UDM Klientel, 37% stabile und 13% sinkenden Zahlen. 71% der NGOs berich-ten von einem Anstieg ihrer UDM Klientel, 29% von stabilen und 0% von sinkenden Zahlen. NGOs berichten damit im Vergleich zu GOs deutlich häufiger von steigenden Nutzerziffern und in keinem Fall von sinkenden Zahlen. Dieser Unterschied zwi-schen GOs und NGOs könnte durch den niederschwelligeren Zugang zu NGOs bedingt sein: nur 13% der NGOs, aber 62% der GOs verlangen Papiere von den UMD.

• Im Vergleich stellen GOs häufiger als NGOs Dolmetschdienste und kulturelle Mediation zur Unterstützung der Kommunikation mit einem ethno-kulturell unterschiedlichen Klientel zur Verfü-gung. Informationsmaterial in verschiedenen Übersetzungen ist zu gleichen Anteilen in GOs wie auch in NGOs verfügbar.

Medizinische Versorgung

Mentale Versorgung

Präventive Maßnahmen

Gesundheits-förderung

SozialeUnterstützung

(mehrere Antworten möglich)

92%83%

71%

54%

70%79%

53%

79%

60%

72%

GO (n=24)

NGO (n=47)

AnGebOtene leIStunGen

Dolmetsch-dienste

Inter-kulturelle Mediation

Über-setztes Material

Mobile Einrich-tungen

Flexible Öffnungs-

zeiten

Training für Mitar-

beiter

(mehrere Antworten möglich)

63%67%

38%

54%55%

42%

13%

66%

34%

26%

45%

30%

GO (n=24)

NGO (n=47)

unteRStützende AnGebOte

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Die alleinige Verantwortung für die Inhalte liegt

bei den Autorinnen. Die Europäische Kom-

mission ist nicht verantwortlich für jeglichen

Gebrauch dieser Inhalte.

Weitere Informationen finden Sie auf:http://www.nowhereland.info

impressum© 2011 Ursula Karl-Trummer,Sonja Novak-Zezula

ein projekt gefördert von

ÖsterreichischesBundesministerium fürWissenschaft und Forschung

DG SancoFonds GesundesÖsterreich

NowHereland am Zentrum für Gesundheit und Migration / DUK

• Verstärkte Aufmerksamkeit für das Thema der undokumentier-ten Migration in und nach Europa hat eine Reihe von Projekten und Initiativen hervorgebracht. Entscheidungen zur Gestaltung von Rahmenbedingungen der Gesundheitsversorgung und zur Entwicklung von guter Praxis können auf dieser Grundlage stär-ker evidenzbasiert getroffen werden. Dazu ist eine systemati-schere Vernetzung und Nutzung der vorliegenden Ergebnisse aus verschiedenen Projekten und Initiativen erforderlich.

• Praxismodelle zeigen auf, dass undokumentierte MigrantInnen ein wesentlicher Bestandteil informeller Arbeitsmärkte sind: flexi-bel, rechtlos, ausbeutbar. Eine für das Gesundheitswesen relevan-te Folge davon sind gesundheitliche Probleme, die aus schwieri-gen Arbeitsbedingungen resultieren. Es wird damit auch deutlich, dass innerhalb Europas eine Nachfrage nach solchen Arbeitskräf-ten besteht, die als ein Motor undokumentierter Migration gese-hen werden kann. Hier sind weiterführende Studien zu empfehlen, die über Fragen der Gesundheitsversorgung hinausgehen.

• Die Debatte zum Menschenrecht auf umfassende Gesundheits-versorgung ist zweifellos hoch relevant - sie gibt Aufschluss darüber, welchen Werten sich Europa verpflichtet fühlt. Zusätzlich dazu sollten ökonomische Analysen durchgeführt werden, um die Kosten von In-klusion und Exklusion von UDM festzustellen. Dabei stellt sich mög-licherweise heraus, dass es ökonomisch betrachtet kostengünstiger ist, einen partiellen Zugang zur Gesundheitsversorgung zu gewähren, anstatt auf eine teure Notfallversorgung als letztes Mittel zu setzen.

• Die Entwicklung von Partnerschaften zwischen öffentlichen Ge-sundheitseinrichtungen und NGOs für die Gesundheitsversorgung von UDM hat sich als Erfolgsfaktor erwiesen. Diese Praxismodelle sollten genutzt werden, um allgemeinere, auf andere Länder und Regionen übertragbare Lösungen für eine gemeinsame Leistungs-erbringung von GOs und NGOs zu diskutieren und zu entwickeln.

• Es gibt keine „typischen“ UDM. Sie sind eine heterogene Grup-pe mit wesentlichen Unterschieden in ihrer Arbeits- und Lebens-situation, ihren sozialen Netzwerken und Überlebensstrategien. Für die Praxisebene bedeutet dies, dass es keine Standardlösun-gen gibt und zielgruppenspezifische Angebote wichtig sind.

emPFehlunGen

• In den meisten Fällen verlassen UDM ihre Herkunftsländer, weil sie dort kein menschenwürdiges Leben führen können. Sie wollen sich und ihre Familien arbeitend versorgen und überwinden schwierigste Hindernisse. Sie entsprechen damit unbemerkt der für Europa so wichtigen Leistungsgesellschaft. UDM könnten deshalb auch als Ressource für Europa gesehen werden und nicht als Bedrohung. Ein solcher Perspektiven-wechsel kann dazu beitragen, gängige Stereotype aufzulösen und innovative Lösungen zu entwickeln.

0,68

1,41

8

IENo Rights

IENo RightsNo Access

ITRights

ITRights

Partial AccessIT

0,47

0,77

7

LTMinimum Rights

LTMinimum Rights

No AccessLLTT

0,10

0,50

,1100

500

LUNo Rights

LUNo RightsNo Access

LU

0,38

0,80

LVNo Rights

LVNo RightsNo Access

LV

0,10

0,505500

MTNo Rights

MTNo RightsNo AccessMT

1,89

1,26

11,8899

NLRights

NLRights

Full AccessNL

0,38

0,80

NO

0,22

0,67

NOPartial Access

PLMinimum Rights

PLMinimum Rights

No AccessPL

0,13

0,79

PTPT

0,75

0,94

Rights

PTRRights

Full AccessRO

No Rights

RONo RightsNo AccessRO

0,05

0,03

SENo Rights

SENo RightsNo Access

SE

0,09

0,13

SIMinimum Rights

SIMinimum Rights

No AccessSI

0,10

0,500

SKMinimum Rights

SKMinimum Rights

No AccessSSK

0,28

0,377

UKMinimum Rights

UKMinimum RightsPartial Access

UK

0,68 1,41

8

ATMinimum Rights

ATMinimum Rights

No AccessAATT

0,22

0,65

BEBE

0,82 1,24

Minimum Rights

BEMinimum RightsPartial Access

BGNo Rights

BGNo RightsNo AccessBBGG

0,03

0,05

CHCHFull Access

CH

1,041,301

CYMinimum Rights

CYMinimum Rights

No AccessCY

1,89

1,26

CZNo Rights

CZNo RightsNo AccessCCZ

0,16

0,96

DEMinimum Rights

DEMinimum Rights

No AccessDE

0,24

0,5666

FRRights

FFRRights

Full AccessFR

0,63

0633

0,28

HUMinimum Rights

HHUMinimum Rights

No AccessHU

0,10

0,5000

DKMinimum Rights

DKMinimum Rights

No AccessDK

0,09

0,02

EEMinimum Rights

EEMinimum Rights

No AccessEE

0,37

0,75

7

ESRights

ESRRights

Full AccessES

0,62

0,78

2

FINo Rights

FINo RightsNo Access

FI

0,15

0,23

GRMinimum Rights

GRMinimum Rights

No AccessGR

1,861,53