QUALITÄTSMANAGEMENT ZUR ÜBERWINDUNG DER...

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Hochschule Neubrandenburg Fachbereich Gesundheit, Pflege, Management Studiengang Gesundheitswissenschaften QUALITÄTSMANAGEMENT ZUR ÜBERWINDUNG DER SCHNITTSTELLENPROBLEME ZWISCHEN RETTUNGSDIENST UND KRANKENHAUS Bachelorarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Bachelor of Science (B.Sc.) Vorgelegt von: Miriam Hils Betreuer: Prof. Dr. Bernhard Langer Zweitbetreuer: Prof. Dr. Roman F. Oppermann Tag der Einreichung: 17. April 2015 urn:nbn:de:gbv:519-thesis2015-0099-5

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H o c h s c h u l e N e u b r a n d e n b u r g Fachbereich Gesundheit, Pflege, Management

Studiengang Gesundheitswissenschaften

QUALITÄTSMANAGEMENT ZUR ÜBERWINDUNG DER SCHNITTSTELLENPROBLEME ZWISCHEN

RETTUNGSDIENST UND KRANKENHAUS

B a c h e l o r a r b e i t zur

Erlangung des akademischen Grades

Bachelor of Science (B.Sc.)

Vorgelegt von: Miriam Hils

Betreuer: Prof. Dr. Bernhard Langer Zweitbetreuer: Prof. Dr. Roman F. Oppermann

Tag der Einreichung: 17. April 2015

urn:nbn:de:gbv:519-thesis2015-0099-5

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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung 4

2. Beteiligte in der Präklinik 5

2.1 Primär Beteiligte im Prozess der Patientenversorgung 6

2.2 Sekundär Beteiligte im Prozess der Patientenversorgung 7

2.3 Der Ärztliche Leiter Rettungsdienst (ÄLRD) als QM-Beauftragter 8

3. Problematische Schnittstellen in der Patientenversorgung 8

3.1 Kommunikationsprobleme 9

3.2 Ressourcenprobleme 10

3.3 Dokumentationsprobleme 10

4. Grundlagen des Qualitätsmanagements im Rettungsdienst 11

4.1 Qualitätsdimensionen im Rettungsdienst 11

4.1.1 Strukturqualität 12

4.1.2 Prozessqualität 12

4.1.3 Ergebnisqualität 12

4.2 Einsatz von Qualitätsmanagement-Handbüchern 13

4.3 Bundesweites Qualitätsmanagement 13

5. Zertifizierung und Normen in der Notfallmedizin 14

5.1 DIN EN ISO 9001:2008 14

5.2 EFQM 15

5.3 KTQ im Rettungsdienst 16

5.4 Auswahl eines geeigneten Zertifizierungssystems 17

6. QM-Ansätze zur Verbesserung der Schnittstellenproblematik 17

6.1 Grundlagen des ABCDE-Schemas 18

6.1.1 Vorteile des ABCDE-Schemas 20

6.1.2 Nachteile des ABCDE-Schemas 21

6.2 Prozessbeschreibungen am Beispiel von Checklisten 22

6.2.1 Allgemeine Verwendung von Checklisten 23

6.2.2 Checklisten im Rahmen des Übergabeprozesses 23

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7. Critical Incident Reporting Systeme (CIRS) und Beschwerdemanagement 26

7.1 Critical Incident Reporting Systeme (CIRS) 27

7.2. Beschwerdemanagement 28

8. Mitarbeitermotivation 29

8.1 Widerstand in der Belegschaft 30

8.2 Instrumente zur Mitarbeitermotivation 30

9. Zusammenfassung und Fazit 31

10. Literaturverzeichnis 34

11. Abbildungsverzeichnis 36

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1. Einleitung

Qualitätsmanagement (QM) hat im allgemeinen Gesundheitswesen bereits seinen Platz

eingenommen, im Rettungsdienst verbreiten sich entsprechende Konzepte erst mit der

Zeit. Eine mögliche Ursache hierfür liegt darin, dass die Qualität in der Notfallrettung im

Vergleich zu anderen Bereichen verhältnismäßig schwer zu ermitteln ist. Im Vergleich

zu vielen anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens besteht der „Kunden“-Kontakt

im Rettungsdienst nur einmalig und nur für eine kurze Zeitspanne, sodass ein Feedback

ggf. durch den Behandlungserfolg, aber ansonsten kaum möglich ist.

Je mehr verschiedene Personen aus unterschiedlichen Arbeitsbereichen am gleichen

Prozess beteiligt sind, umso unübersichtlicher kann die Situation werden. Um in diesen

Fällen Probleme möglichst zu vermeiden, ist eine gut funktionierende Struktur notwendig.

Erfahrungsgemäß ist die schwierigste Phase im Rahmen der Behandlung eines Patienten

im Rettungsdienst der Übergabeprozess zwischen Rettungswagen und Notaufnahme.

Hierbei breitet sich oft Chaos aus, da die Besatzung des Rettungswagens die Klinik nach

der Einlieferung des Patienten möglichst schnell wieder mit all ihrem Material verlassen

möchte und die Mitarbeiter der Notaufnahme hingegen vor allem zu „Stoßzeiten“ kaum

Zeit für eine ordentliche Übergabe der Patienten haben. Da keine aktive Übergabe des

Patienten erfolgt, entstehen Missverständnisse bzw. Fragen und davon ausgehend sogar

vermeidbare Fehler, die im schlimmsten Fall sogar zu einer Gefahr für den Patienten

werden können. Für das Personal der Klinik und der Präklinik entsteht durch derartige

Verständnisprobleme oft Mehrarbeit, da Anamnesedaten oder Vitalwerte, die nicht bei

der Übergabe genannt oder dokumentiert worden sind, erneut erhoben werden müssen.

Zur Beschreibung möglicher Lösungsansätze der Schnittstellenproblematik zwischen

Rettungsdienst und Krankenhaus werden zu Beginn die Problematik an sich sowie der

Kreis der beteiligten Personen und Organisationen erläutert. Die nachfolgende Erklärung

der Grundlagen des Qualitätsmanagements, die vor allem auf die Qualitätsdimensionen

nach Donabedian eingeht, führt zu den gängigen Zertifizierungsnormen für die Notfall-

medizin. Der vorgestellte Lösungsansatz bezieht vor allem auf das aus dem ATLS®-

Konzept stammende ABCDE-Schema, das sinnvoll u.a. bei der Übergabe von Patienten

angewendet werden kann. Hinzu kommen in diesem Fall weitere QM-Instrumente wie

Checklisten, Critical Incident Reporting Systeme sowie das Beschwerdemanagement.

Abschließend wird auf einen wichtigen Faktor im Qualitätsmanagement, die Motivation

und Förderung der Mitarbeiter, eingegangen.

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2. Beteiligte in der Präklinik Um das Qualitätsmanagement einer bestimmten Arbeitswelt beschreiben zu können,

sollten zu Beginn alle beteiligten Anspruchsgruppen sowie deren Anforderungen identifi-

ziert werden (vgl. Hellmich 2010, S. 40). Der Kunde steht grundsätzlich im Mittelpunkt,

allerdings ist dies im Gesundheitswesen, insbesondere in der Notfallrettung, schwer zu

definieren, da neben den Patienten als primäre Kunden noch diverse weitere Beteiligte

wie zum Beispiel interessierte Parteien oder Lieferanten existieren. Entsprechend der

DIN EN ISO 9000:2005 sind Kunden als Organisationen oder Personen definiert, welche

ein Produkt oder eine Leistung empfangen. Interessierte Parteien sind Gruppen oder

Personen, die ein Interesse an der Leistung und dem Erfolg eines Unternehmens haben

und als Lieferanten gelten Organisationen und Personen, welche Produkte bereitstellen

(vgl. Ertl-Wagner et al. 2013, S. 86 f).

Abb. 1

Welche Rolle die Kunden, interessierten Parteien sowie Lieferanten innerhalb der Arbeit

des Rettungsdienstes einnehmen, zeigt Abbildung 1. Hierbei ist der Patient das zentrale

Element, mit ihm und um ihn herum spielen sich durch verschiedene Organisationen und

Personen Prozesse ab, die für das Qualitätsmanagement von Bedeutung sein können.

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Der Rettungsdienst ist in den meisten Fällen eine öffentliche Aufgabe. Im Gegensatz zur

Feuerwehr und zur Polizei stellt die Notfallrettung allerdings nicht nur einen Teil der

Gefahrenabwehr dar, sondern ist ebenfalls Teil der öffentlichen Gesundheitsversorgung

(vgl. Hellmich 2010, S. 40). Rettungsdienste und Notaufnahmen bilden ein komplexes

System, in dem viele Beteiligte am Prozess der Patientenversorgung mitwirken oder dort

organisatorisch, wegweisend und unterstützend an diversen Stellen eingreifen können.

2.1 Primär Beteiligte im Prozess der Patientenversorgung Zu den Beteiligten werden hier alle Personen und Organisationen gezählt, die direkt am

Prozess der Patientenversorgung von der Feststellung der ersten Symptome bis hin zur

Entlassung aus dem Krankenhaus beteiligt sind beziehungsweise direkt in diesen Pro-

zess eingreifen können. Nach Symptombeginn erfolgt der Notruf in der Regel durch die

Patienten selbst oder durch ihre Angehörigen. In einigen Fällen werden erkrankte Per-

sonen auch aufgrund ihres akuten vital gefährlichen Zustands direkt von ihrem Hausarzt

mit dem Rettungswagen in die Klinik geschickt. Alle Personen, die in diesem Fall Kontakt

mit der Leitstelle aufnehmen, erwarten eine schnelle und kompetente Abwicklung des

Notrufs. Die Leitstelle erwartet hingegen gewisse Informationen zum Notfallgeschehen,

sodass die Disposition der geeigneten rettungsdienstlichen Kräfte erfolgen kann. Die

Besetzung der Rettungswagen kann durch die Feuerwehr, die Hilfsorganisationen oder

auch private Unternehmen erfüllt werden. Hinzu kommen an dieser Stelle des Prozesses

außerdem Notärzte sowie ggf. die Luftrettung. Wenn außerhalb der Sprechzeiten von

niedergelassenen Ärzten dringend ärztliche Hilfe benötigt wird, jedoch keine akute

Gesundheitsgefährdung des Patienten besteht und auch der Transport in eine Klinik

nicht zwingend notwendig ist, kann der ärztliche Notdienst anstatt des Rettungsdienstes

den Einsatz übernehmen (vgl. 116117.info.de, 2015).

Das entsprechend disponierte Rettungsmittel nimmt den Patienten auf und transportiert

ihn in einem möglichst stabilen Zustand in ein geeignetes Zielkrankenhaus. Bei der Wahl

der Klinik zeigt sich, dass Krankenhäuser in diesem Prozess nicht nur Interessensträger

sind, sondern auch zu Kunden werden können. Im Akutfall besteht für den Patienten

keine Wahlmöglichkeit in Bezug auf die Zielklinik; der Rettungsdienst sollte grundsätzlich

die räumlich nächste geeignete Klinik anfahren, die über die benötigten Fachabteilungen

und Diagnosegeräte verfügt. So liegt die Entscheidung über die Zielklinik, die durchaus

von der Qualität der Klinik abhängig sein kann, in der Hand des Rettungsdienstpersonals.

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Im Krankenhaus erfolgt die Übergabe des Patienten vom Rettungsdienstpersonal an die

Mitarbeiter der Notaufnahme. Danach arbeiten verschiedene Abteilungen des Kranken-

hauses (z.B. OP, Stationen, Röntgen) eng zusammen, um so eine optimale Behandlung

des Patienten bis hin zur Entlassung zu ermöglichen.

2.2 Sekundär Beteiligte im Prozess der Patientenversorgung Im Gegensatz zu den primär Beteiligten gibt es auch Kunden, vor allem aber interessierte

Parteien und Lieferanten, denen der direkte Eingriff im Prozess der Patientenversorgung

nur bedingt möglich ist. Stattdessen nehmen sie z.B. Führungsaufgaben wahr, haben

finanzielle Verantwortung oder legen Richtlinien für Präklinik und Klinik fest.

Als interessierte Parteien sind hier in erster Linie die übergeordneten politischen sowie

behördlichen Strukturen zu nennen. Entsprechend des deutschen Föderalismusprinzips

wird der Rettungsdienst durch Ländergesetze geregelt, sodass die Landkreise bzw. die

Kommunen hier als Träger der Notfallrettung beauftragt sind. Die Rettungsdienstträger

haben das Recht und die Pflicht, die ordnungsgemäße Durchführung der Notfallrettung

in regelmäßigen Abständen zu überprüfen (vgl. Nömer 2011, S. 30). Gerade für derartige

Überprüfungen bieten sich die verschiedenen Instrumente des Qualitätsmanagements

an. Als Kostenträger der medizinischen Versorgung und des Patiententransports haben

auch die Sozialversicherungsträger wie Krankenkassen, Sozialhilfeträger, Unfallkassen

und Berufsgenossenschaften ein hohes Interesse an effektiver und qualitativer Arbeit im

Rettungsdienst. Die Verbindung zwischen Rettungsdienstpersonal und interessierten

Parteien übernimmt dabei aus organisatorischer Sicht die Rettungsdienstverwaltung.

Einen weiteren Einfluss auf die Arbeit des Rettungsdienstes haben Fachgesellschaften

und die jeweilige Landesärztekammer, hierbei geht es vor allem um fachliche Vorgaben.

Krankenhäuser können in Bezug zum Rettungsdienst als Kunden sowie als interessierte

Partei auftreten, da sie diesen für einige Dienstleistungen (z.B. Verlegungen) benötigen,

aber andererseits ein Interesse an kompetenter Zuarbeit (z.B. bei der Übergabe) haben.

Lieferanten spielen im Prozess der Patientenversorgung eine eher kleinere Rolle, da

Rettungsdienst sowie Krankenhäuser zum Dienstleistungsgewerbe zählen und Güter in

erster Linie für die Durchführung der Dienstleitung benötigt werden. Hierfür müssen im

Rettungsdienst immer ausreichend Verbrauchsmaterialien vorrätig sein, dabei sind u.a.

korrekte Bestellungen und Lieferungen notwendig. Auch die Einsatzbereitschaft sowie

die Instandhaltung von Medizinprodukten und Fahrzeugen müssen gesichert sein.

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2.3 Der Ärztliche Leiter Rettungsdient (ÄLRD) als QM-Beauftragter Eine besondere Position nimmt in Bezug auf den Prozess der Patientenversorgung der

in den meisten Bundesländern per Rettungsdienstgesetz geforderte Ärztliche Leiter

Rettungsdienst (ÄLRD) ein. Da zu seinen Aufgaben die „Planung und Entwicklung von

Standards, Fort- und Weiterbildung sowie Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement

des Tagesgeschäftes der Notfallrettung“ (Pfefferkorn, 2011, S. 81) gehören, kann der

ÄLRD als Qualitätsbeauftragter des Rettungsdienstes bezeichnet werden. Abhängig von

seiner Position innerhalb der Behördenstruktur kann der ÄLRD beratend, koordinierend,

festlegend oder auch prüfend tätig sein. Ihm werden außerdem Aufgaben insbesondere

im Bereich der Schnittstellenpflege zugeschrieben (vgl. Lechleuthner, 2013, S. 279 ff).

3. Problematische Schnittstellen in der Patientenversorgung

Wenn Menschen aus unterschiedlichen Bereichen mit entsprechend verschiedenen Pri-

oritäten sowie Wahrnehmungen zusammenwirken sollen, bilden sich Schnittstellen, an

denen potenziell Probleme entstehen und Komplikationen auftreten können. Rettungs-

dienst und Krankenhaus sowie alle weiteren Beteiligten bilden hier keine Einheit, sondern

sind in gewisser Hinsicht voneinander unabhängige Arbeitsbereiche. Im Rahmen des

Versorgungsprozesses bei einem Unfall oder Notfall durchlaufen Patienten vom Anruf

bei der Leitstelle bis hin zur Versorgung und ggf. stationären Aufnahme im Krankenhaus

mehrere dieser Schnittstellen. Eine Übersicht der Schnittstellen dieses Prozesses zeigt

die Rettungskette (Abb. 2), die vor allem in der Ersthelfer-Ausbildung angewendet wird.

Abb. 2

Die ersten Schnittstellen hierbei betreffen ausschließlich Ersthelfer sowie das Personal

der Leitstelle. Vor allem im komplexen Arbeitsbereich der Leitstelle existiert Qualitäts-

management bereits und zeigt sich beispielsweise anhand regelmäßiger Auswertungen

zufällig ausgewählter Notrufe durch das Team der Leitstelle sowie der Implementierung

standardisierter Notrufabfrageprotokolle, welche auch Informationen zur telefonischen

Anleitung der Ersthelfer beinhalten (vgl. Sievers et al. 2013, S. 96f). Bei der nächsten

Lebensrettende Maßnahmen Notruf

weitereErste Hilfe

Rettungsdienst Krankenhaus

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Schnittstelle treffen der Patient und der Rettungsdienst zum ersten Mal aufeinander. Hier

geht es für die Besatzung des Rettungswagens vor allem darum, mögliche Gefahren zu

erkennen, adäquate Maßnahmen am Patienten zu ergreifen und diesen möglichst stabil,

mit oder ohne Notarztbegleitung, in ein geeignetes Krankenhaus zu bringen. Sicherlich

treten auch an diesem Punkt der „Rettungskette“ Kommunikationsprobleme etc. auf.

Der komplikationsträchtigste Zeitpunkt der Patientenversorgung ist die Übergabephase

zwischen Rettungsdienst und Krankenhaus. Dieser Moment, in dem die Patienten aktiv

abgegeben und entgegen genommen werden sollen, wird oft unterschätzt. Hier müssen

Informationen entsprechend ihrer Bedeutung für das Überleben, die Überlebensqualität

und den aktuellen Gesundheitszustand des Patienten weitergeben werden und die

entsprechenden Maßnahmen fortgeführt werden (vgl. Atzbach 2012, S. 27). Mit der

Patientenübergabe wechselt auch die Verantwortung, Defizite in diesem Bereich können

zu Behandlungsfehlern führen. Die Schnittstellenproblematik zwischen Rettungsdienst

und Krankenhaus lässt sich hauptsächlich in drei Bereiche einteilen; Kommunikations-

probleme, Ressourcenprobleme sowie Probleme bei der Dokumentation.

3.1 Kommunikationsprobleme Die Patientenübergabe des Rettungsdienstes in der Notaufnahme lebt von einer klaren

und gut funktionierenden Kommunikation. Das ist eine der wichtigsten Voraussetzungen,

um die menschlich bedingten Fehler, sog. Human Factors, zu vermindern oder sogar

komplett zu vermeiden (vgl. Atzbach 2012, S. 29). Während der Übergabe führen

Paralleltätigkeiten wie das Umlagern des Patienten, die Übernahme des Monitorings und

der Sauerstoffversorgung durch die Notaufnahme, Gespräche zwischen Mitarbeitern der

Klinik oder Telefonate zu unnötiger Ablenkung aller Beteiligten. Hierdurch können wich-

tige Informationen verloren gehen, falsch verstanden werden oder nur einem Teil des

behandelnden Teams bekannt sein. (vgl. Kreitz 2013, S. 46).

Zur Kommunikationsproblematik gehört außerdem die Auswahl des richtigen Ansprech-

partners in der Notaufnahme. Entsprechend § 3 des Rettungsassistentengesetzes ist

der Rettungsdienst für die Versorgung vital gefährdeter Patienten „bis zur Übernahme

der Behandlung durch den Arzt“ zuständig, hier sind sowohl der Notarzt als auch der

Arzt in der Notaufnahme mögliche Ansprechpartner. Die hier geforderte und fachlich

sowie qualitativ sinnvolle Patientenübergabe vom Rettungsassistenten an einen Arzt im

Krankenhaus findet jedoch nicht immer statt. Selbst eine Arzt-zu-Arzt-Übergabe bei

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notarztbegleiteten Transporten wird im Alltag manchmal vernachlässigt. Nur die sog.

„Nichtnotfallpatienten“ müssen keinem Arzt vorgestellt werden, hier reicht rechtlich (§ 3

RettAssG) auch die Übergabe an das Pflegepersonal der Notaufnahme. In der Praxis

führen auch Patientenübergaben an Pflegeschüler, Auszubildende, etc. zu Problemen.

3.2 Ressourcenprobleme Probleme, welche die personellen sowie materiellen Ressourcen des Rettungsdienstes

und Krankenhauses betreffen, stellen ebenfalls eine potenzielle Gefährdung der Patien-

ten dar. Vor allem zu den „Stoßzeiten“ nachmittags sowie an den Wochenenden sind

Notaufnahmen oft überfüllt, was zu Unübersichtlichkeit und Hektik führt. Gerade in dieser

Situation sind weder genug freie Behandlungsräume noch ausreichend Mitarbeiter der

Notaufnahme verfügbar, um alle Patienten effektiv und koordiniert in Empfang zu neh-

men und entsprechend ihres Notfallbildes zu behandeln. Es kommt beispielsweise zu

Wartezeiten oder zu nicht effektiven Übergaben vital bedrohter Patienten an einzelne

Klinikmitarbeiter direkt am Rettungsmittel oder auf dem Weg in den Behandlungsraum.

Auch das Fehlen bestimmter Materialien ist ein Störfaktor an der Schnittstelle zwischen

Rettungsdienst und Krankenhaus. Sind Beatmungsgeräte, Überwachungsmonitore,

Umlagerungshilfen oder auch diagnostische Geräte bereits in Benutzung, defekt oder

gar nicht vorhanden, kann dies zu unnötigen und gefährlichen Unterbrechungen oder

Verzögerungen der Behandlung führen. Fehlt beispielsweise das sog. Rollboard zur

Umlagerung eines intubierten Patienten, können durch die hieraus resultierende

ruckartige Umlagerung Verletzungen verschlimmert, der Tubus verschoben oder die

Venenverweilkanülen herausgezogen werden (vgl. Dreesen 2012, S. 62f).

3.3. Dokumentationsprobleme Ein verhältnismäßig kleiner Aspekt in Bezug auf die Schnittstellenproblematik, welcher

jedoch nicht vollkommen vernachlässigt werden sollte, sind Unstimmigkeiten zwischen

Rettungsdienst und Krankenhaus im Bereich der Dokumentation. Sie führen aber nur in

den seltensten Fällen zu einer wirklichen Bedrohung des Patienten, erhöhen aber den

Arbeitsaufwand für alle Beteiligten. Trotz einer optimal gelaufenen mündlichen Übergabe

können z.B. fehlende, unvollständige oder unleserlich ausgefüllte Rettungsdienst- bzw.

Notarztprotokolle zu Problemen und Nachfragen führen, die die Behandlung verzögern.

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4. Grundlagen des Qualitätsmanagements im Rettungsdienst In Wirtschaft und Industrie ist Qualitätsmanagement bereits seit Jahrzehnten verbreitet.

Etwa ab Beginn der 1980er Jahre etablierte sich dieses Konzept vor allem durch das

Wirken von A. Donabedian auch im Gesundheitswesen (vgl. Graudenz 2008, S. 12).

Innerhalb dieses Systems gibt es verschiedene Qualitätsziele, die in den meisten Fällen

einen engen Bezug zur Unternehmensphilosophie haben. Hierzu gehören die Patienten-

orientierung, beispielsweise das Erzielen der Kundenzufriedenheit durch Menschlichkeit,

Freundlichkeit, Leistung und Qualität sowie die Mitarbeiterorientierung, da motivierte und

zufriedene Mitarbeiter effektiver arbeiten können (vgl. Knieps et al. 2010, S. 33f). Weitere

Aspekte des Qualitätsmanagements sind die Prozessorientierung und die Auswertung

interner Strukturen. Es wird in erster Linie präventiv gearbeitet, sodass die potenziellen

Fehlerquellen bereits im Vorfeld identifiziert und die entsprechenden Ursachen beseitigt

werden können. Das führt zur kontinuierlichen Verbesserung der Behandlungsabläufe

(vgl Ertl-Wagner et al. 2013, S. 16).

Entsprechend des PDCA-Zyklus nach W. Deming müssen verschiedene Arbeitsschritte

im Rahmen der Prozessoptimierung nicht nur durchgeführt (Do), sondern auch geplant

(Plan) und kontrolliert (Check) werden. So ist ein qualitativ sinnvolles Handeln (Act) im

Anschluss möglich. Im Rettungsdienst ist es allerdings schwer, die Behandlungsqualität

messbar zu machen und zu ermitteln, da eine „monetäre“ Beschreibung der subjektiven

Gefühle eines Patienten nicht möglich ist. Darüber hinaus existieren allerdings einige

weitere Werte, die den Effekt der Behandlung wiederspiegeln können und einfacher zu

ermitteln sind. Hierzu zählen z.B. die Messung der Aufenthaltsdauer der Patienten im

Krankenhaus und die Zahl vermiedener Rentenzahlungen (vgl. Lipp et al. 2009, S. 186).

3.1 Qualitätsdimensionen im Rettungsdienst Qualitätsmanagement betrachtet nach Möglichkeit immer die drei Qualitätsdimensionen

Struktur-, Prozess und Ergebnisqualität nach A. Donabedian, mit denen unterschiedliche

Bereiche des Rettungsdienstalltags ausgewertet und auch optimiert werden können. Vor

allem an der Schnittstelle zwischen zwei Dimensionen oder dem Qualitätsmanagement

verschiedener Einrichtungen (Präklinik und Klinik) kann es zu Problemen kommen, die

jedoch durch konsequente und effektive Zusammenarbeit gelöst werden können.

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3.1.1 Strukturqualität Im Rettungsdienst sind die Anforderungen im Bereich der Strukturqualität weitestgehend

durch die Gesetze auf Bundes- sowie Länderebene, Verordnungen und Vorschriften

festgelegt. Anhand dieser Rahmenbedingungen werden vor allem die Organisation der

Notfallrettung, die personelle Besetzung der Rettungsmittel und Nutzung von Technik

und medizinischem Material geregelt, sodass der Rettungsdienst „flächendeckend,

zeitnah, dauerhaft, fach- und bedarfsgerecht, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaft-

lich“ (vgl. Lipp et al. 2009, S. 187) funktioniert. In diesen Bereich zählen konkret z.B. die

Zulassungsbestimmungen des Fahrzeugs, die Ausstattung eines Rettungswagens nach

DIN 1789, verschiedene Prüf- und Wartungsvorschriften insbesondere für Fahrzeuge

und Medizinprodukte, Hygiene- und Arbeitsschutzrichtlinien sowie die Vorhaltung von

bestimmten Medikamenten (vgl. Kuhn 2012, S.18). Aufgrund der relativ hohen Anzahl

der Vorschriften zur Strukturqualität ist Qualitätsmanagement hier eher zur Definition des

Arbeitsbereiches und zur Optimierung ausgewählter Verhältnisse geeignet.

3.1.2 Prozessqualität Zur Verbesserung der Prozessqualität werden im Rahmen des Qualitätsmanagements

verbindliche Arbeitsabläufe und Prozessbeschreibungen für die wichtigsten planbaren

Tätigkeiten im Rettungsdienstalltag erstellt und angewendet. Das betrifft z.B. den Bereich

Hygiene und Desinfektion, den Umgang mit Arzneimitteln und Medizinprodukten sowie

die Einarbeitung neuer Mitarbeiter. Zur Auswertung der Prozessqualität können z.B.

Maßnahmen anhand der Dokumentation erfasst und ausgewertet werden, u.a. können

Dispositions- und Fahrtzeiten registriert werden und die Kontinuität des Fahrzeugchecks

überprüft werden (vgl. Lipp et al. 2009, S. 187). Während in der Notfallmedizin für die

Patienten sowie für den Rettungsdienst- und Kostenträger vor allem die Ergebnisqualität

wichtig ist, fördert die Prozessqualität eher das effektive, sichere und motivierte Handeln

der Rettungsdienstmitarbeiter. Im Bereich der Notfallrettung gibt es verhältnismäßig viele

Prozesse, aber bisher gibt es nur zu recht wenigen davon Prozessbeschreibungen.

3.1.3 Ergebnisqualität Die letzte der drei Qualitätsdimensionen beschreibt die Auswertung der Erfüllung aller

im Qualitätshandbuch festgelegten Vorgaben, z.B. die Einhaltung von Hilfsfristen oder

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Abbildung 3

Maßnahmen zur Desinfektion und zum Arbeitsschutz. Jenseits lokaler Auswertungen

existieren bereits verschiedene überregionale Programme zur Auswertung medizinischer

Daten wie z.B. das Traumaregister der DGU® oder das Deutsche Reanimationsregister.

In beiden Systemen werden freiwillig Daten zu entsprechenden Notfällen eingetragen,

sodass eine Beurteilung des Ergebniserfolgs möglich ist (vgl. Wnent et al. 2012, S. 23).

3.2. Einsatz von Qualitätsmanagement-Handbüchern Zur Dokumentation des QM-Systems wird ein Qualitätsmanagement-Handbuch für das

jeweilige Unternehmen erstellt und implementiert. Dieser Leitfaden enthält neben den

Informationen zu Verantwortlichkeiten und der konkreten Durchführung der Maßnahmen

zur Qualitätssteigerung auch Hinweise zur Vorbereitung eines Audits. Grundsätzlich ist

das QM-Handbuch also eine sortierte Sammlung der relevanten Regelungen, Strukturen

und Prozesse des Unternehmens, die für alle Mitarbeiter gültig sind (vgl. Knieps et al.

2010, S. 35). Zur Zertifizierung nach der DIN EN ISO 9001:2008 ist ein QM-Handbuch

vorgeschrieben. Es ist durchaus sinnvoll, neben den Projektzielen auch die „Nichtziele“

des Qualitätsmanagements zu definieren, da sich dadurch der Projektumfang für alle

Beteiligten eingrenzen lässt (vgl. Lobinger et al. 2013, S. 77). Das QM-Handbuch bildet

außerdem die Grundlage für interne sowie externe Audits und Zertifizierungen. Audits

sind unabhängige Untersuchungen zur Feststellung, ob qualitätsbezogene Tätigkeiten

entsprechend ihrer Prozessbeschreibungen durchgeführt werden und die dazugehöri-

gen Ergebnisse ihre Anforderungen erfüllen (vgl. Staiger et al. 1998, Anhang 3.5).

3.3. Bundesweites Qualitätsmanagement Während große Industrie- und Dienstleistungskonzerne ohne Probleme deutschlandweit

Qualitätsmanagement etablieren können, führt im Rettungsdienst die Struktur dieser

Branche zu Problemen. Da die Notfallrettung gesetzlich auf Länderebene geregelt ist,

können QM-Normen hier nur durch die Rettungsdienstträger vorgegeben oder erwartet

werden. Abhängig vom Ärztlichen Leiter Rettungsdienst ist es jedoch auch möglich, dass

gar keine Vorgaben existieren. Die knappen Ressourcen sowie die

Entmonopolarisierung im Rettungsdienst haben allerdings dafür

gesorgt, dass vor allem Hilfsorganisationen sowie manche privaten

Rettungsdienstorganisationen ein gesteigertes Interesse im Bereich

Qualitätsmanagement haben (vgl. Kühn et al. 2007, S. 1000f). Die

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erste Hilfsorganisation, die flächendeckendes Qualitätsmanagement im Rettungsdienst

nach der DIN EN ISO 9001:2008 eingeführt hat, ist der Malteser Hilfsdienst. Unter dem

Motto „Qualität rettet Leben“ wurde ein deutschlandweites QM-Handbuch eingeführt und

alle Rettungsmittel, welche der vorgegeben Norm entsprachen und dieses nachweisen

konnten, wurden daraufhin öffentlichkeitswirksam (Abb. 3) gekennzeichnet (vgl. Malteser

Rettungsdienst 2015). Nun arbeiten weitere Organisationen mit derartigen Konzepten.

5. Zertifizierung und Normen in der Notfallmedizin Heutzutage gibt es im Rettungsdienst viele verschiedene Zertifizierungsverfahren und

Konzepte, mit denen Qualität auch in diesem Arbeitsbereich dargestellt werden kann.

Einerseits existieren branchenunabhängige und somit universell einsetzbare Verfahren

wie DIN EN ISO 9001:2008 und das EFQM-Modell, die für den Bereich Notfallmedizin

adaptiert werden können, andererseits wurden auch Normen, beispielsweise „KTQ für

den Rettungsdienst“, speziell für diese Branche entwickelt. Zertifizierungen sowie die

Einhaltung dieser Normen sind für die Leistungserbringer vor allem notwendig um den

Kostenträgern den effizienten ressourcenschonenden Umgang mit den bereitgestellten

Mitteln bis hin zur Leistungsoptimierung darstellen zu können (vgl. Knieps 2010, S. 32).

5.1 DIN EN ISO 9001:2008 Die DIN EN ISO 9000:2005 ist eine europaweite Norm, welche Qualität als „Grad, in dem

ein Satz inhärenter Merkmale Anforderungen erfüllt“ (DIN EN ISO 9000:2005, Nr. 3.1.1)

definiert. Hier wird beschrieben, in wieweit eine Ware oder eine Dienstleistung bestimmte

vorausgesetzte Erfordernisse erfüllt. Neben den technischen und den klassifikatorischen

Standards werden in der DIN EN ISO 9001:2008 in erster Linie die Verfahrensstandards

geregelt, sodass diese spezifische Norm im Qualitätsmanagement eine verhältnismäßig

hohe Relevanz hat (vgl. Ertl-Wagner et al. 2013, S. 30). Dieses System ist bereits im

Rettungsdienst verbreitet, da es vor allem gut für den Einstieg eines Unternehmens in

das Qualitätsmanagement geeignet ist. Die DIN EN ISO 9001:2008 stellt Kunden sowie

Wertschöpfung in den Mittelpunkt und setzt generell im Bereich der Prozessqualität an.

Das bedeutet nun für den Rettungsdienst, dass Prozess- bzw. Arbeitsabläufe sowie

verbindliche Strukturen, z.B. für die Nutzung und Wartung von Medizinprodukten, für den

Umgang mit Arzneimitteln, im Bereich Arbeitsschutz, zur Durchführung von Hygiene- und

Desinfektionsmaßnahmen oder auch für die Patientenübergabe im Krankenhaus, initiiert

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und in den Arbeitsalltag integriert werden müssen (vgl. Knieps et al. 2010, S. 32). Bei

der Überprüfung dieser Prozesse erfolgt ein Vergleich zwischen dem Ist- und dem Soll-

Zustand, sodass bei einer Abweichung von der Anforderungen reagiert werden kann und

Veränderungen im Sinne des PDCA-Zyklus eingeführt werden. In diesem System gibt

es sowohl interne Audits als auch Visitationen durch externe Auditoren, bei denen die

Wirksamkeit der Prozesse und Prozessbeschreibungen gemessen und analysiert wird.

Qualitätsmanagement nach der DIN EN ISO 9001:2008 kann aufgrund der Komplexität

dieses Konzeptes nur bedingt eigenständig im Unternehmen eingeführt werden. So kann

die Implementierung eines QM-Systems noch zusätzliche Kosten mit sich bringen.

Qualitätsmanagement entsprechend der DIN EN ISO 9001:2008 basiert auf mehreren

Elementen, die auch als „Hauptkategorien“ bezeichnet werden. Hierzu gehören neben

z.B. Kundenorientierung, Einbeziehung und Mitwirkung der Mitarbeiter, sachbezogenen

Entscheidungen sowie dem Streben nach ständiger Verbesserung vor allem die vier

Prozesskategorien. Diese beschreiben die Verantwortung der Unternehmensleitung in

Bezug auf das Leitbild und die Analyse der Ziele, das Ressourcenmanagement in Bezug

auf Personal und Material, die Abläufe innerhalb des Leistungserstellungsprozesses

sowie die Messung, Analyse und Verbesserung der Kundenzufriedenheit (vgl. Kühn et

al. 2007, S. 999f). Die grundsätzlichen Ziele der Zertifizierung nach dieser Norm sind

gleichbleibende Leistungen, die langfristige Verbesserung der Kundenzufriedenheit, die

Erfüllung aller gesetzlichen und behördlichen Auflagen sowie Optimierung im Bereich

der Patientensicherheit durch z.B. Risikomanagement oder Critical Incident Reporting

Systeme (CIRS). Diese Anforderungen können an den Rettungsdienst genauso wie an

Krankenhäuser gestellt werden. Im Qualitätsmanagement nach DIN EN ISO 9001:2008

sollen außerdem nicht nur die Erwartungen der Kunden, sondern auch die Erwartungen

von interessierten Parteien und Lieferanten ermittelt und möglichst effizient umgesetzt

werden (vgl. Ertl-Wagner et al. 2013, S. 31f).

5.2 EFQM

Die European Foundation for Quality Management (EFQM) entwickelte 1988 ein eigenes

System zur Selbstverwaltung im Rahmen des Qualitätsmanagements. Dieses Konzept

steht für eine ganzheitliche Sicht auf das Unternehmen und stützt sich entsprechend des

Qualitätsmodells nach Donabedian auf die drei Elemente Führung, Prozesse und Ergeb-

nisse (vgl. Runggaldier/Flake 2013, S. 58). Ein zentraler Begriff im EFQM-Modell ist die

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„Excellence“; hiermit wird der Anspruch auf dauerhaftes Bemühen um Spitzenleistungen

beschrieben. Diese Bemühungen zeigen sich z.B. durch das Erzielen ausgewogener

Ergebnisse, die Übernahme der Verantwortung für eine nachhaltige Zukunft, den Aufbau

von Partnerschaften, die Förderung von Innovation und Kreativität sowie den Erfolg durch

die Mitarbeiter. Im EFQM-Modell werden die Unternehmen nach neun verschiedenen

Kriterien bewertet. Diese teilen sich sowohl in Befähigerkriterien wie die Beschreibung

der Organisation von Führung, Strategie, Mitarbeitern, Partnerschaften und Ressourcen

als auch in Ergebniskriterien wie Mitarbeiter-, Kunden-, Gesellschafts- und Schlüssel-

ereignisse. Zur Selbstbewertung stehen im Rahmen der EFQM mehrere Verfahren von

der einfachen Verwendung von Mitarbeiterfragebögen über diverse Workshops bis hin

zu komplexen Simulationen zur Auswahl. Neben der Bestätigung durch entsprechende

Zertifikate ist für Unternehmen mit hohem Qualitätsniveau auch eine Bewerbung zum

Excellence Award und zu weiteren Preisen möglich (vgl. Ertl-Wagner et al. 2013, S. 44f).

Das EFQM-Modell ist außerdem ein bekanntes Beispiel für den Ansatz des Total Quality

Managements (TQM), eine umfassende Form des Qualitätsmanagements, welches alle

Kunden, Mitarbeiter und Lieferanten mit einbezieht. Qualität gilt hierbei als oberstes

Unternehmensziel und sollte auch von der Geschäftsführung entsprechend vorgelebt

werden, die Fähigkeiten der Mitarbeiter sollen gefördert werden und Daten werden

systematisch zur Auswertung gesammelt und später aufbereitet. Langfristig zielt das

Total Quality Management auf Erfolg durch die Zufriedenstellung der Kunden und durch

Nutzen für die Mitglieder der Organisation und für die Gesellschaft (vgl. Hellmich 2010,

S. 174). Im Gegensatz zur DIN EN ISO 9001:2008 ist das EFQM-Modell vor allem für

Unternehmen gedacht, die bereits mit einem Qualitätsmanagement arbeiten und dieses

weiterentwickeln möchten. Trotz der hohen Relevanz der Selbstbewertung in diesem

System ist auch hier in vielen Fällen die Inanspruchnahme externer Hilfe notwendig (vgl.

Runggaldier/Flake 2013, S. 58). Bisher wird das EFQM-Modell bereits in der stationären

Pflege erfolgreich angewendet, im Rettungsdienst ist es hingegen eher noch unbekannt.

5.3. KTQ im Rettungsdienst Freiwillige Zertifizierungsverfahren im Rahmen der „Kooperation für Transparenz und

Qualität“ (KTQ) werden außerdem von einer gemeinnützigen GmbH angeboten. Dieses

noch relativ junge System wurde 2001 entwickelt und ist auf verschiedene Einrichtungen

des Gesundheitswesens zugeschnitten. So gibt es z.B. Prüfkataloge für Krankenhäuser,

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Reha-Einrichtungen oder seit September 2011 auch für den Rettungsdienst. Auch in

diesem QM-System steht der Patient im Mittelpunkt; neben der Patientenorientierung

werden jedoch außerdem Mitarbeiterorientierung, Sicherheit, Führung, Informations- und

Kommunikationswesen sowie das Qualitätsmanagement an sich ausgewertet. Zu Beginn

war KTQ nur als ein krankenhausspezifisches Zertifizierungsverfahren gedacht, daraus

entwickelte sich jedoch ein Katalog zur primären Selbstbewertung sowie zur sekundären

Bewertung durch die nachfolgenden externen Audits. Im Rahmen der KTQ existiert ein

komplexes System zur Zertifizierung von großen Unternehmen mit mehreren Standorten

oder mehreren einzeln zertifizierbaren Teileinheiten (vgl. Ertl-Wagner et al. 2013, S.

38ff). Im Gegensatz zur DIN EN ISO 9001:2008 sowie zu EFQM ist KTQ allerdings nicht

international, sondern bisher nur in deutschsprachigen Ländern verbreitet.

5.4 Auswahl eines geeigneten Zertifizierungssystems Neben den bisher aufgezeigten Systemen zur Darstellung der Qualität im Rettungsdienst

gibt es noch weitere Konzepte wie z.B. Six Sigma, Balanced Scorecard oder das Modell

der Joint Commission International, die in diesem Arbeitsbereich angewendet werden

können. Daher ist es auch im Rettungsdienst wichtig, ein sinnvolles sowie an die

Gegebenheiten angepassten Zertifizierungssystem zu finden (vgl. Ertl-Wagner et al.

2013, S.70). Insbesondere zur Auswertung des Übergabeprozesses zwischen Rettungs-

dienst und Krankenhaus empfiehlt sich ein Modell, das sich u.a. auf die Prozesse und

nicht nur ausschließlich auf die Struktur- oder Ergebnisqualität bezieht, allerdings kann

dieses Kriterium von allen vorliegenden Konzepten erfüllt werden. Im Allgemeinen gilt

die DIN EN ISO 9001:2008 als klassisches Einsteigermodell, da hierbei auch die

Zertifizierung einzelner Abteilungen zulässig ist und das System international verbreitet

ist. Sofern nur das interne Qualitätsmanagement optimiert werden soll und keine

Zertifizierung geplant ist, ist auch eine Kombination der Aspekte mehrerer Verfahren in

Betracht zu ziehen.

6. QM-Ansätze zur Verbesserung der Schnittstellenproblematik Die anfangs beschriebene, verhältnismäßig komplexe Übergabeproblematik zwischen

Rettungsdienst und Krankenhaus sollte anhand von verschiedenen Maßnahmen des

Qualitätsmanagements so optimiert werden, dass sowohl die Patienten als auch die

Mitarbeiter aus Klinik und Präklinik davon profitieren können. In Bezug auf den Prozess

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der Patientenübergabe in der Notaufnahme kann man das „ABCDE“-Schema sinnvoll

als Grundlage für alle weiteren Handlungen im Rahmen Qualitätsmanagements nutzen.

Dieses Akronym steht für ein ursprünglich aus den USA kommendes Beurteilungs- und

Managementsystem, welches die Übergabe von Patienten standardisiert und somit auch

systematisiert (vgl. Atzbach 2012, S. 26). ABCDE kann sich wie ein roter Faden durch

mehrere Bereiche des Qualitätsmanagements ziehen, von denen hier einige beispielhaft

vorgestellt werden. Das neue Schema sollte u.a. in den QM-Handbüchern der Beteiligten

aus Klinik und Präklinik enthalten sein, es können dazu Schulungen für die Mitarbeiter

durchgeführt werden. Flowcharts, Checklisten sowie weitere Ablaufpläne zeigen alle

wichtigen Informationen zur Übergabe nach dem ABCDE-Schema auf einen Blick. Auch

die Dokumentation, z.B. Patientenprotokolle, können soweit es innerhalb der regionalen

Organisation möglich ist, am Schema orientiert sein und somit die Zusammenarbeit des

Rettungsdienstes mit den Notaufnahmen erleichtern. Um den Erfolg der QM-Maßnahme

zu evaluieren, kann ein anonymes Beschwerdesystem bzw. Critical-Incident-Reporting-

System (CIRS) eingesetzt werden. Alle genannten QM-Instrumente können des Weiteren

unabhängig von ABCDE zur Standardisierung weiterer Prozesse eingesetzt werden.

6.1 Grundlagen des ABCDE-Schemas Das ABCDE-Schema ist Bestandteil des Kurskonzeptes ATLS® (Advanced Trauma Life

Support), das in den 1970er Jahren vom American College of Surgeons zur Optimierung

der Versorgung von Traumapatienten entwickelt wurde und inzwischen in Deutschland

immer bekannter wird. Den Anstoß zur Entstehung des Programms gaben persönliche

Erfahrungen eines Chirurgen mit der insuffizienten Behandlung von schwerstverletzten

Patienten sowohl präklinisch als auch im Krankenhaus. Das ABCDE-Schema zielt auf

eine schnelle und genaue Einschätzung des Patientenzustands ab und fokussiert eine

prioritätenorientierte Behandlung (vgl. AUC 2015). Inzwischen ist diese Merkregel auch

jenseits des ATLS®-Systems in vielen Bereichen der Notfallmedizin deutschlandweit zu

finden, da sich ABCDE verhältnismäßig einfach in den Arbeitsalltag integrieren lässt.

„ABCDE“ ist ein Akronym, bei dem jeder Buchstabe auf bestimmte Körperfunktionen

hinweist, die je nach Notfallbild überprüft, wiederhergestellt, unterstützt oder anderweitig

behandelt werden müssen (s. Tabelle 1). Dieses Schema hilft dabei, die zahlreichen

diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, die im Notfall sowohl vor Ort als auch

in der Klinik notwendig sind, in eine sinnvolle Reihenfolge zu bringen. Somit wird der

Prozess der Patientenversorgung standardisiert. Der Grundgedanke hinter der ABCDE-

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Regel lautet „Treat first what kills first.“, das heißt, die Verletzungen und Erkrankungen

des Patienten müssen entsprechend der physiologischen Bedürfnisse behandelt werden.

Im Vergleich zu einer starken Blutung (C) kann z.B. eine Verlegung der Atemwege (A)

aufgrund der Erstickung deutlich schneller zum Tod führen (vgl. Charité CBF, 2015).

Im Rettungsdienst wird das Schema ähnlich

wie in der Notaufnahme durchgeführt. Zuerst

werden die Atemwege (A) des Patienten

überprüft und wenn notwendig z.B. durch eine

Intubation gesichert. Danach erfolgt die Kon-

trolle der Atmung (B), dabei wird die Lunge

abgehört sowie der Sauerstoffgehalt im Blut

gemessen. Lastet hier ein zu starker Druck

auf der Lunge, muss eine Entlastungspunktion

durchgeführt werden. Im nächsten Schritt wird der Kreislauf (C) anhand von Puls,

Blutdruck und Laborwerten überprüft. Hierbei können auch mithilfe einer zielgerichteten

Sonographie (FAST Scan) innere Blutungen festgestellt werden. Bei der neurologischen

Untersuchung (D) wird vor allem die Glasgow Coma Scale (GCS) ermittelt sowie der

Pupillenstatus überprüft. Letztendlich wird der Patient noch entkleidet und es findet eine

Ganzkörperuntersuchung (E) statt. Dabei darf allerdings der Wärmeerhalt des Patienten

nicht außer Acht gelassen werden (vgl. Kreitz 2013, S. 46ff).

Die zuvor beschriebenen Untersuchungen können sowohl klinisch als auch präklinisch

durchgeführt werden, hier werden sie meistens noch durch Anamnese-Schemata sowie

Informationen zur Schmerzqualität und zur Schmerzcharakteristik ergänzt (vgl. Atzbach

2012, S. 27). Auch eine standardisierte Übergabe im Krankenhaus kann anhand des

ABCDE-Schemas stattfinden. Dadurch können, sofern alle Beteiligten nach diesem

Schema arbeiten, die Diagnosen und die durchgeführten Maßnahmen in einer sinnvollen

Reihenfolge weitergegeben werden, sodass kein wichtiges Detail vergessen wird. Im

Rahmen der Übergabe kann dieser Prozess auch noch durch entsprechende Protokolle

oder Checklisten ergänzt werden, sodass alle relevanten Informationen der Patienten

erstmal unabhängig vom Rettungsdienstprotokoll stichpunktartig festgehalten werden.

Tabelle 1: Das ABCDE-Schema

A Airway (Atemwege)

B Breathing (Atmung)

C Circulation (Kreislauf)

D Disability (Neurologie / Defizite)

E Exposure / Environment (weitere Verletzungen)

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6.1.1 Vorteile des ABCDE-Schemas Das American College of Surgeons bezeichnet ATLS® sowie das dazugehörige

ABCDE-Schema selbst als „Language of Trauma“ (vgl. AUC 2015); diese Bezeichnung

kann durchaus in Bezug zur Nutzung dieses Schemas als einheitliche Sprache in der

Notfallmedizin gesetzt werden. Wie zuvor beschrieben war die Kommunikation eines der

größten Probleme im Übergabeprozess zwischen Rettungsdienst und Krankenhaus.

Mithilfe des ABCDE-Schemas kann diesem Problem begegnet werden, da nun alle die

gleiche „Sprache“ sprechen und z.B. das Rettungsdienstpersonal die Informationen

genau in derselben Reihenfolge weitergibt wie das Team der Notaufnahme sie erwartet.

Dadurch reduzieren sich außerdem Nachfragen sowie Missverständnisse, sodass hier

weitere Defizite bei der Patientenbehandlung vermindert werden.

Das ABCDE-Schema wird bereits seit den 1980er Jahre in den USA und auch bereits

teilweise in Deutschland verwendet, sodass eine Testphase theoretisch nur regional,

wenn überhaupt, notwendig wäre. Eines „Problem“ des ATLS®-Konzeptes sind jedoch

die verhältnismäßig hohen Kosten, die auf den Rettungsdienst bzw. die Klinik durch die

Fortbildung ihrer Mitarbeiter in diesem Bereich zukommen. Auf der einen Seite steht

hinter ATLS® ein lange erprobtes internationales Konzept, auf der anderen Seite können

bestimmte, nur für die Übergabe wichtige Elemente wie beispielsweise das ABCDE-

Schema auch unabhängig vom deutlich umfangreicheren Grundkonzept rettungsdienst-

bzw. klinikintern unterrichtet werden. Hierbei ist die Absprache der Institutionen wichtig.

Da auch das American College of Surgeons ATLS®-Kurse sowohl für die Mitarbeiter im

klinischen Bereich als auch für Rettungsdienstpersonal und Notärzte anbietet, ist auch

ABCDE grundsätzlich für beide Bereiche gedacht worden. Ein weiterer Vorteil des

Schemas ist die Förderung von themenorientiertem Arbeiten sowohl in der Klinik als

auch in der Präklinik. Im Schockraum der Notaufnahme können zum Beispiel sog.

„Themenkörbe“ bereitgestellt werden, um im Notfall das benötigte vollständige Material

zur Atemwegssicherung (A), zur Stillung starker Blutungen (C) oder zur Versorgung von

schweren Knochenbrüchen (E) zur Hand zu haben (vgl. Hennes et al. 2011, S. 171 ff).

Auch im Rettungsdienst ist ein derartiges Arbeiten mit entsprechenden Modultaschen im

Notfallrucksack möglich. Somit kann hier auch das Ressourcenproblem optimiert werden.

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6.1.2 Nachteile des ABCDE- Schemas Der offensichtlichste Nachteil des Konzepts liegt darin, dass das ABCDE-Schema zwar

gut bei traumatologisch verletzten Personen, insbesondere bei Polytrauma-Patienten

einsetzbar ist, im Gegensatz dazu bereitet es aber einige Probleme bei der Behandlung

von internistischen oder neurologischen Notfällen. Während bei den Schwerstverletzten

zuerst die Sicherung der Atemwege im Mittelpunkt steht, bereiten einem Patienten mit

Herzinfarkt oder Schlaganfall die Kriterien „Airway“ und „Breathing“ auf den ersten Blick

keine Probleme, jedoch verzögern die hier laut ABCDE geforderten Untersuchungen und

Maßnahmen die für diese Patienten lebensrettenden Maßnahmen. Obwohl es bereits

Möglichkeiten gibt, das ABCDE-Schema auf weitere Erkrankungen hin zu modifizieren,

sollte es bei zeitkritischen internistischen Notfallbildern derzeit nicht verwendet werden.

Wie bereits erwähnt, wird das ABCDE-Schema auch in Deutschland durchaus schon

verwendet, allerdings ist es noch nicht überall verbreitet. Daraus resultiert, dass viele

Mitarbeiter in dieser Hinsicht geschult werden müssen und es ebenfalls passieren kann,

dass eine Übergabe nach dem ABCDE-Schema erfolgt und einer der beiden Parteien

dieses System nicht geläufig ist. Dies kann zu Verwirrungen und Verzögerungen im

Behandlungsablauf führen. Vor allem durch Personalwechsel sowie bei überregionaler

Zusammenarbeit kann es auch trotz Schulungen und Fortbildungen dazu kommen, dass

dieses Problem verstärkt auftritt.

Bisher gibt es verhältnismäßig wenige Daten, die in Bezug auf die Nutzung von ATLS®

und ähnlichen Konzepten in der Notfallmedizin ausgewertet werden können. In zwei

Studien von Jayaraman et al. (2014) wurde jeweils das Outcome verschiedener Notfall-

patienten verglichen, um einen Zusammenhang zwischen der Fortbildung und einem

höheren Behandlungserfolg zu untersuchen. Die Untersuchungen zeigten in beiden

Fällen, dass das Outcome der Patienten unabhängig vom „Fortbildungsstand“ der

Rettungsdienst- bzw. Krankenhausmitarbeiter war. Grundsätzlich steigern Fortbildungen

zwar das Wissen und die Handlungssicherheit in Notfallsituationen, allerdings spielen

Human Factors in diesem Fall eine deutlich größere Rolle: Die Patientenbehandlung ist

immer noch in vielen Fällen abhängig von der persönlichen Leistung aller Beteiligten.

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Abbildung 4

6.2 Prozessbeschreibungen am Beispiel von Checklisten Ein wichtiges Instrument zur Einbindung des Qualitätsmanagements im Arbeitsalltag

sind die Prozessbeschreibungen, beispielsweise Flowcharts oder Checklisten. Prozesse

sind eine „Abfolge von Unternehmensabläufen, die zu einem vorbestimmten Zweck

geschaffen wurden. Sie finden wiederholt in gleicher oder ähnlicher Form statt und

können über mehrere Organisationseinheiten verteilt sein“ (Ertl-Wagner et al. 2013, S.

100). Prozessbeschreibungen sollten vor allem für die wesentlichen Arbeitsprozesse in

detaillierter Form vorhanden sein, sodass auch Aushilfen, Zeitvertretungen oder neue

Mitarbeiter effektiv und schnell eingearbeitet werden können (Lobinger et al. 2013, S. 10).

Diese Beschreibungen sollten in regelmäßigen Abständen aktualisiert werden und auch

Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten sollten festgelegt sein. Es gibt drei zentrale

Möglichkeiten, Prozessbeschreibungen zu erstellen. Hierzu gehören Flussdiagramme

bzw. Flowcharts (vgl. Abb. 4), eine schrittweise sowie ggf. numerische Auflistung der

Prozesschritte beispielsweise anhand einer Checkliste, sowie die Verwendung von

Flusstext (vgl. Ertl-Wagner et al. 2013, S. 101). Aufgrund der Unübersichtlichkeit und

möglichen Verständnisproblemen eignet sich die

letztgenannte Variante jedoch eher weniger für

dynamische Arbeitsbereiche wie die Notfallrettung.

Zur Erstellung von Flussdiagrammen gibt es in der

DIN 66001:1983-12 mit dem Titel neuma eine

genaue Beschreibung zur Nutzung verschiedener

Symbole. Die einzelnen Prozessbeschreibungen

ergeben zusammen die Prozesslandschaft eines

Unternehmens, hierbei sollten auch Schnittstellen

innerhalb des Arbeitsbereiches sowie zu anderen

Organisationseinheiten eine besondere Beachtung

finden. Im Arbeitsalltag können diese Flowcharts

sinnvoll durch Checklisten ergänzt werden, die zusätzlich einen Überblick über bisher

erledigte Maßnahmen sowie noch durchzuführende Aufgaben geben können. Das

Prinzip kann bei der Übergabe helfen.

6.2.1 Allgemeine Verwendung von Checklisten Der Begriff Checkliste stammt aus der Flugsicherheit und wird heute vielfach verwendet,

unter anderem bei Fahrzeugsinspektionen, aber auch in der Medizin z.B. im Rahmen

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der OP-Vorbereitung (vgl. Wölker 1996, II). Die Listen können im Qualitätsmanagement

effektiv eingesetzt werden, sofern die damit durchzuführenden Prozesse und Verfahren

definiert worden sind, um die Anforderungen von Kunden und interessierten Parteien zu

erfüllen. Während die DIN EN ISO 9001:2008 eine generelle Prozessdokumentation

fordert, wird vor allem in jüngeren Zertifizierungsverfahren wie beispielsweise KTQ vor

allem Wert auf das Checklistenvorgehen gelegt (vgl. Ertl-Wagner et al. 2013, S. 71f). Die

Checklisten bringen Arbeitsabläufe in eine logische Form, können als Schritt-für-Schritt-

Anleitung insbesondere für Routineaufgaben eingesetzt werden und dienen Mitarbeitern

als Gedächtnisstütze. Außerdem sind Checklisten im Sinne des Qualitätsmanagements

ein Erfahrungsspeicher; potenzielle Wiederholungen von Fehlern werden verringert und

auch die Zeit für Erklärungen z.B. im Rahmen von Einarbeitungen wird effektiv verkürzt

(vgl. Wölker 1996, II). Somit eignet sich dieses Checklistenvorgehen gut zur Optimierung

verschiedener Prozesse im Rettungsdienst wie beispielsweise auch der Übergabe.

Es gibt bereits einige Verfahren im Rettungsdienst, die anhand von Checklisten überprüft

und durchgeführt werden. So muss sich z.B. die Besatzung eines Rettungsmittels vor

Dienstantritt von der Einsatzbereitschaft ihres Fahrzeuges sowie der Vollständigkeit des

Materials überzeugen und dieses auf einer entsprechenden Checkliste vermerken. Vor

allem Abweichungen vom Normalzustand müssen dokumentiert werden, sodass daraus

zeitnah Konsequenzen gezogen und Verbesserungen umgesetzt werden können (vgl.

Kuhn 2012, S. 18f). Weitere Einsatzbereiche von Checklisten im Rettungsdienst sind im

Bereich Medizinprodukte / Arzneimittel sowie im Umgang mit Auszubildenden zu finden.

6.2.2 Checklisten im Rahmen des Übergabeprozesses Orientiert an dem bereits zuvor vorgestellten ABCDE-Schema kann auch eine konkrete

Checkliste zur Übergabe von Notfallpatienten entstehen, welche u.a. eine mögliche

Lösung zur bereits angesprochenen Problematik unleserlicher sowie unvollständiger

Dokumentation im Übergabeprozess darstellt. Diese Checkliste sollte nach Möglichkeit

vom Rettungsdienstpersonal während der Fahrt zum Krankenhaus ausgefüllt werden,

es ist jedoch auch möglich die Angaben später gemeinsam mit dem Klinikpersonal beim

Übergabegespräch zu vermerken. Daher sollten die Übergabe-Checklisten sowohl vom

Rettungsdienst- als auch vom Krankenhausträger unterstützt werden. Die Checkliste

dient dem Personal der Notfallrettung als Gedächtnisstütze und kann danach direkt an

das Team der Notaufnahme weitergegeben werden. Neben Namen und Geburtsdatum

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zur eindeutigen Identifizierung des Patienten wird auf der Checkliste die gesundheitliche

Problematik in Bezug auf das ABCDE-Schema vermerkt (vgl. Abb. 5). Dazu werden das

entsprechende Feld angekreuzt und ggf. weitere Informationen wie beispielsweise die

Vitalwerte im Bereich des C-Problems hinzugefügt. Normalwerte müssen in diesem Fall

nicht zwangsweise aufgeschrieben werden, da hier das Patientenprotokoll ausreichend

zusätzliche Informationen bietet. Alle definierten „Notarztstichwörter“ können bereits zu

Beginn des Formulars vermerkt werden, sodass abhängig von den zeitlichen Ressourcen

weitere Informationen noch später oder ggf. auch gar nicht eingetragen können werden.

Die wichtigsten Punkte der Anamnese, vor allem die Vorerkrankungen und Allergien,

sowie der Verlauf des Patientenzustands im Rahmen der Behandlung vor Ort und im

Rettungswagen werden ebenfalls vermerkt. Grundsätzlich sollte diese Checkliste alle

relevanten Punkte für eine Übergabe enthalten, der hier vorliegende Entwurf muss nach

einer Testphase im Arbeitsalltag ggf. verändert und regional angepasst werden.

Abschließend sollte angemerkt werden, dass eine derartige Checkliste verschiedene

Vorteile, aber auch Nachteile mit sich bringen kann. Abhängig vom Einsatzbereich und

der Motivation der beteiligten Mitarbeiter können die Vorteile aber durchaus überwiegen.

Grundsätzlich würde eine solche Checkliste für die Übergabe einen höheren Aufwand

im Bereich der Dokumentation darstellen und könnte somit potenziell von Mitarbeitern

im Rettungsdienst zu Beginn nicht zwangsweise positiv aufgenommen werden. Wenn

man jedoch den Input, also etwa ein bis zwei Minuten Zeit, die zum Ausfüllen bzw.

Abhaken der Checkliste notwendig sind, mit dem Outcome für den Patienten sowie die

Mitarbeiter in der Klinik und Präklinik vergleicht, lohnt sich der Aufwand. Die Checkliste

vermindert Nachfragen und Missverständnisse bei der Übergabe und spart hier somit

Zeit ein, die nun direkt für die Patientenbehandlung aufgewendet werden kann. Eine

wichtige Voraussetzung für die effektive Nutzung einer derartigen Checkliste ist die

Anwenderorientierung. So müssen z.B. nur wenige Informationen wie Vitalwerte komplett

aufgeschrieben werden, alle anderen Fakten können durch Ankreuzen der jeweiligen

Felder vermerkt werden. Mit der Einführung eines derartigen Systems sollte natürlich die

Schulung aller beteiligten Mitarbeiter einhergehen. Aufgrund der langen Fahrtzeiten vom

Unfallort zum Krankenhaus in der Landrettung ist die Nutzung der Checkliste in diesem

Bereich besser geeignet als im Rettungsdienst größerer Städte.

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Zusammengefasst soll diese Checkliste also nicht die Arbeit im Rettungsdienst unnötig

erschweren, sondern sie soll dabei helfen, den Übergabeprozess in der Notaufnahme

strukturierter und effektiver zu gestalten als es mit bisherigen Dokumentationsmitteln

möglich ist.

Checkliste zur Patientenübergabe im Rettungsdienst Landkreis XY

Name und Vorname des Patienten Geburtsdatum RTW-Kennung

NA-Stichwort: □ Reanimation / □ Plötzliche Bewusstlosigkeit / □ Starke Blutung

□ Atemnot / □ Schock / □ Brustschmerz / □ Schwere Verletzung / □ Schlaganfall

□ A-Problem (Airway)

□ Intubation (Guedel / Larynx / Endotracheal) □ HWS-Immobilisation

□ B-Problem (Breathing)

□ Sauerstoffsättigung: ___% □ Sauerstoffgabe: ___l/min □ Sonstiges: ______

□ C-Problem (Circulation)

□ Puls: ___/min □ Blutdruck: ____mmHg □ Blutverlust: ca. ___ l □ Sonstiges:

□ D-Problem (Disability)

□ Pupillenreaktion: ____________ □ Glasgow Coma Scale: _______________

□ Neurologische Defizite: _______ □ Sonstiges: ________________________

□ E-Problem (Environment / Exposure)

□ Frakturen: __________________ □ Wunden: _________________________

Allergien / Vorerkrankungen: _________________________________________

Verlauf: □ ++ □ + □ +/- □- □ - - Schmerzen: □ ja □ nein Stärke (0-10): __

Sonstiges:

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7. Critical Incident Reporting Systeme (CIRS) und Beschwerdemanagement Im Gesundheitswesen, vor allem im Bereich der Notfallmedizin, können Fehler sowie

andere unerwünschte Ereignisse öfter auftreten als in anderen Arbeitsbereichen. Im

Rettungsdienst und der Notaufnahme häufen sich in dieser Hinsicht fördernde Faktoren

wie unbekannte Patienten, schwere Verletzungen und Erkrankungen, hochdynamische

Krankheitsverläufe, ungünstige Umweltbedingungen, unklare mehrdeutige Informationen

sowie sehr kurzfristige Entscheidungen (vgl. Hohenstein/Fleischmann 2011, S. 42). Im

hektischen Geschehen am Unfallort oder in der Notaufnahme kann es z.B. zu Vorfällen

wie Fehlintubationen, Verwechselung von Medikamenten und deren Dosierungen oder

Missachtung von Kontraindikationen kommen. Offensichtliche oder bereits bekannte

Erkrankungen der Patienten lenken in vielen Fällen vom eigentlichen Notfall ab. Auch

der Übergabeprozess ist anfällig für unerwünschte Ereignisse, da viele Informationen in

sehr kurzer Zeit weitergegeben werden müssen und dabei der Zustand des Patienten

trotzdem kontinuierlich überwacht werden muss.

„Lernen aus Fehlern“ ist ein allgemein bekanntes Konzept in der Pädagogik und der

Psychologie, das auch im medizinischen Bereich oft angewendet wird. Durch die

systematische Analyse und Auswertung unerwünschter Ereignisse verringert sich die

Wahrscheinlichkeit, dass die gleichen Fehler ein weiteres Mal durch andere Mitarbeiter

begangen werden. Internationale Studien zeigen, dass die Quote dieser „Adverse

Events“ mit beispielsweise 10,8 % in Großbritannien (Vincent et al. 2001) sowie 7,5 %

in Kanada (Baker et al. 2004) immer noch relativ hoch ist. Um Qualität zu erreichen ist

also ein strukturierter und konstruktiver Umgang mit Fehlern im Rahmen des Qualitäts-

managements unverzichtbar (vgl. Ertl-Wagner et al. 2013, S. 152).

Critical Incident Reporting Systeme (CIRS) sowie das Beschwerdemanagement sind zu

festen Bestandteilen des Qualitätsmanagements geworden und sind heutzutage in

immer mehr Zertifizierungsnormen präsent (z.B. KTQ, DIN EN ISO). In Bezug auf die

Verbesserung der Patientenübergabe in der Notaufnahme haben diese beiden Systeme

den Vorteil, dass nicht direkt in den Übergabeprozess eingegriffen werden muss und

dieser somit nicht verzögert oder erschwert wird, sondern stattdessen Feedback und

Evaluation erst im Nachhinein jenseits der stressigen Situation in der Notaufnahme

stattfinden. CIRS und Beschwerdemanagement unterscheiden sich grundsätzlich vor

allem hinsichtlich der Personenkreise, die diese Systeme benutzen. Während Critical

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Abbildung 6

Incident Reporting Systeme in erster Linie für eigene Mitarbeiter gedacht sind, werden

im Beschwerdemanagement die Anliegen von u.a. Kunden, interessierten Parteien,

Lieferanten und diversen weiteren Beteiligten verarbeitet. Die Patientensicherheit, die im

Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen eine sehr hohen Stellenwert hat, steht bei

Critical Incident Reporting Systemen sowie auch im Beschwerdemanagement im

Mittelpunkt. Entsprechend einer Richtlinie für sog. „Adverse Event Reporting and

Learning Systems“ der Weltgesundheitsorganisation gibt es einige Grundprinzipien für

derartige Fehlersysteme. Das System soll keinen Schuldigen suchen, sondern vor allem

die Fehler im Organisationsprozess identifizieren und analysieren. Diese Analyse soll

dann fachlich fundiert sein und zu konkreten Lösungsvorschlägen führen, welche aktiv

umgesetzt werden können. Das Fehlersystem sollte für die Nutzer vertraulich gestaltet

sein und die bearbeitenden Personen müssen unabhängig bzw. unparteiisch sein (vgl.

WHO 2005, S. 12).

7.1 Critical Incident Reporting Systeme (CIRS) Berichtsysteme über kritische Vorkommnisse und sog. „Beinahe-Schäden“ werden vor

allem im Gesundheitswesen und in der Luftfahrt eingesetzt. Hierbei geht es darum, die

möglichen Fehler bereits zu identifizieren

bevor sie wirklich aufgetreten sind, um somit

frühzeitig notwendige Vorsorgemaßnahmen

ergreifen zu können. Die Critical Incident

Reporting Systeme suchen nach möglichen

Ursachen von Fehlern bzw. Beinahe-Fehlern

innerhalb eines Prozesses. Dabei orientiert

man sich z.B. am sog. Fischgrätendiagramm

(Abb. 6) von Kauro Ishikawa, welches sechs

Bereiche für die Ursachen eines Problems aufzeigt. Dazu gehören menschliche Fehler,

Defekte an den benötigten Maschinen, umweltbezogene „Milieu“-Faktoren, Probleme

mit dem Arbeitsmaterial und vor allem im Dienstleitungsbereich mit der Arbeitsmethode

sowie Defizite der hierfür relevanten Datenerhebung und Messung. Das Diagramm zeigt

die Vielfalt der möglichen Auswahl der Ursachen eines Fehlers, es stößt jedoch vor allem

in Bezug auf die Wechselwirkungen der einzelnen Ursachen an seine Grenzen (vgl.

Kuhn 2012, S. 20).

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CIRS-Programme im Gesundheitswesen dienen in erster Linie dazu, unbeabsichtigte

Patientenschädigungen soweit wie möglich zu elimieren bzw. zumindest die Anzahl und

Schwere dieser Vorfälle auf ein Minimum zu reduzieren (vgl. cirs-notfallmedizin.de,

2015). Derartige Systeme können allerdings meistens keinen Rückschluss darauf

geben, wie oft kritische Ereignisse wirklich passieren, da die CIRS immer nur einen

begrenzten Arbeitsbereich abbilden und auch Vorkommnisse, die von den Mitarbeitern

als „weniger kritisch“ eingeschätzt werden, gegebenenfalls auch gar nicht gemeldet

werden. Grundsätzlich sind Critical Incident Reporting Systeme eher für die Meldung von

Beinahe-Fehlern ausgelegt, allerdings existieren bereits ähnliche Systeme, in denen

tatsächliche Fehler nach dem gleichen Prinzip gemeldet und analysiert werden können

(vgl. Ertl-Wagner et al. 2013, S. 156 f.). Ohne das Vertrauen der meldenden Personen

funktioniert CIRS nicht, daher ist es wichtig, dass das eigesetzte System Anonymität

garantiert und, sofern auch personenbezogene Daten gespeichert werden, dieses nur

verschlüsselt geschieht. Rückschlüsse auf die Meldenden und Beteiligten sollen nicht

möglich sein (vgl. Hohenstein/Fleischmann 2011, S. 42).

Um letztendlich wirklich aus den im CIRS registrierten Vorfällen zu lernen, müssen diese

durch einen Expertenzirkel analysiert und entsprechend aufbereitet werden, sodass alle

Mitarbeiter von den Erkenntnissen profitieren können und ggf. präventive Maßnahmen in

den Arbeitsablauf integrieren. Critical Incident Reporting Systeme können wie z.B. das

Portal „cirs-notfallmedizin.de“ deutschlandweit betrieben werden, allerdings können sie

auch auf regionaler Ebene, beispielsweise innerhalb eines Krankenhauses oder einer

Krankenhauskette effektiv eingesetzt werden. In Bezug auf die Problematik in der

Übergabephase zwischen Rettungsdienst und Krankenhaus ist es sinnvoll, wenn durch

die zuständigen Rettungsdienst- und Krankenhausträger ein gemeinsames regionales

CIRS betrieben wird, sodass beide beteiligte Institutionen die Fehler auswerten können

und somit alle Mitarbeiter im Bereich Notfallmedizin daraus etwas lernen.

7.2. Beschwerdemanagement Im Gegensatz zu Critical Incident Reporting Systemen greift das Beschwerde-

management erst dann ein, wenn der „Fehler“ bereits passiert ist. Allerdings kann aus

Fehlern auch nur gelernt werden, wenn es Personen gibt, die diese Abweichung von der

Norm feststellen und melden. Beschwerden von Patienten als primäre Kunden haben in

dieser Hinsicht eine besondere Aussagekraft (vgl. Nömer 2011, S. 30). Generell dient

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Beschwerdemanagement vor allem der Identifizierung von Verbesserungspotenzial

innerhalb eines Unternehmens sowie zur Wiederherstellung der Kundenzufriedenheit

(vgl. Ertl-Wagner et al. 2013, S. 162). Wenn sich ein Kunde, also in diesem Fall z.B. ein

Patient oder ein Zuweiser, beschwert hat, sollte diese Beschwerde möglichst erfolgreich

gelöst werde, sodass eine positive und kundenbindende Wirkung entsteht. Dafür sollte

der Kunde nicht nur über den Empfang und die Bearbeitung seiner Beschwerde

informiert werden, sondern, soweit es möglich ist, auch über die daraus resultierenden

Maßnahmen. Dieses Engagement hat eine positive Wirkung auf den Kunden.

Eine oft verwendetes Instrument im Beschwerdemanagement sind „Briefkästen“ oder

ähnliche Boxen in Wartezimmern bzw. Notaufnahmen (vgl. Lobinger et al. 2013, S. 58).

Auf Fragebögen zur Patienten- bzw. Zuweiserzufriedeheit oder anhand von Impuls-

Notizen können Patienten, Ärzte und auch Rettungsdienstpersonal hier Beschwerden,

aber auch Lob und Anregungen vermerken (vgl. Kreitz 2013, S. 50). Es sollte den

Teilnehmenden freigestellt werden, ob diese Rückmeldung anonym erfolgt oder

entsprechende Daten angegeben werden, sodass eine Antwort von Seiten des

Unternehmens möglich ist. Da eine schriftliche Rückmeldung vor Ort an den

Rettungsdienstträger kaum realisierbar ist, kann der „Briefkasten“ hier auch durch ein

Online-Modul etc. ersetzt werden, in dem die Rückmeldungen von Kunden, Zuweisern

und den Krankenhäusern erfolgen können. Alternativ können auch schriftliche oder

telefonische Umfragen durchgeführt werden, diese haben jedoch einen hohen zeitlichen

sowie finanziellen Aufwand und geben dem Befragten außerdem keine Möglichkeit zur

Anonymität (vgl. Neumayr et al. 2013, S. 72).

8. Mitarbeitermotivation Die Mitarbeitermotivation ist ein wichtiger und entscheidender Aspekt in Bezug auf den

Erfolg des Qualitätsmanagements, insbesondere bei der Implementierung neuer Projekte

oder Maßnahmen. Solange Widerstand von Seiten der Belegschaft existiert, lassen sich

sämtliche Neuerungen zur Qualitätsverbesserung kaum realisieren. Grundsätzlich sollten

Strategien, Pläne und konkrete Prozessoptimierungen für die Mitarbeiter zugänglich und

verständlich gestaltet sein. Außerdem fördert die direkte Einbeziehung der Mitarbeiter in

allen Phasen und Bereichen des Qualitätsmanagements die Akzeptanz neuer Projekte.

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8. 1 Widerstand in der Belegschaft Im Rahmen der Einführung neuer Prozesse und Strukturen kann die Unternehmens-

leitung oder die mit dem Qualitätsmanagement beauftragte Person vor allem aus zwei

Gründen auf Widerstände in der Belegschaft stoßen. Auf der einen Seite besteht bei

vielen Mitarbeitern Angst vor „Neuem“ und den daraus folgenden Konsequenzen. So

kann beispielsweise befürchtet werden, dass die Pläne des Qualitätsmanagements zu

Umstrukturierungen und somit zu Versetzungen und Entlassungen führen. Außerdem

besteht subjektiv die Gefahr einer starken Kontrolle durch die Leitungsebene sowie die

Erkenntnis, dass Mitarbeiter aufgrund der neuen QM-Bestimmungen nun für bestimmte

Tätigkeiten nicht mehr geeignet oder qualifiziert sind (vgl. Denis 2012, S. 36). Auf der

anderen Seite ist der Mensch ein Gewohnheitstier, das bedeutet die Umstrukturierung

funktionierender Prozesse wird von den Mitarbeitern nur widerwillig angenommen.

Einerseits besteht hier trotz des zusätzlichen Nutzens keine Motivation und Bereitschaft

zu potenzieller Mehrarbeit, z.B. durch Ausfüllen „unnötiger“ Dokumente, zum anderen

beruht die grundsätzlich auftretende Skepsis der Menschen vor Neuerungen jeder Art

auf Inflexibilität und der besagten Angst vor Veränderungen (vgl. Ertl-Wagner et al. 2013,

S. 130). Der gesamte Widerstand kann sich hier entweder aktiv durch Beschwerden und

offene Proteste oder passiv durch Verweigerung der neuen Konzepte im Arbeitsalltag

zeigen. Gerade deswegen ist es notwendig, dass die QM-Beauftragten sowohl über

Führungs- als auch über Kommunikationskompetenzen verfügen.

8.2 Instrumente zur Mitarbeitermotivation Durch die aktive Einbeziehung der Belegschaft und Lob und Anerkennung für gute Ideen

fühlen sich die Mitarbeiter ernst genommen und Widerstände gegen neue QM-Projekte

legen sich. Zwei Instrumente, um dieses Vorhaben konkret in die Tat umzusetzen, sind

das Betriebliche Vorschlagwesen (BVW) sowie die Gründung eines Qualitätszirkels.

Als Hauptziele des Betrieblichen Vorschlagwesens werden Qualitätsverbesserung und

Innovation im Unternehmen bei gleichzeitiger Motivation der Mitarbeiter beschrieben.

Gerade im Rettungsdienst haben die Mitarbeiter direkten Kontakt zu fast allen beteiligten

Personen sowie Organisationen und kennen somit die Anforderungen und Probleme der

Kunden und Interessensträger aus erster Hand. Daher sind Hinweise und Vorschläge

zu Verbesserungen des Arbeitsalltags von den Rettungsdienstmitarbeitern selbst oft viel

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effektiver und mit geringerem Aufwand verbunden als bei vergleichbaren Bemühungen

durch die Unternehmensleitung. Zur Erhaltung der Mitarbeitermotivation ist hierbei ein

passendes Feedback notwendig. Im Gegensatz zur offenen Gestaltung des Betrieblichen

Vorschlagwesens sind die sog. Qualitätszirkel feste, auf Dauer angelegte Kleingruppen

von Mitarbeitern, die auf freiwilliger Basis unter Führung des Gruppenleiters regelmäßig

Probleme des Arbeitsalltags besprechen und möglichst eigenverantwortlich Lösungen

hierfür suchen (vgl. Hellmich 2010, S. 130ff). Zur Verbesserung der Übergabeproblematik

zwischen Rettungsdienst und Krankenhaus können auch gemeinsame Qualitätszirkel

mit Mitarbeitern beider Institutionen eingerichtet und regelmäßig betrieben werden.

9. Zusammenfassung und Fazit Alles in allem stellt sich das Rettungswesen in Deutschland von der Notrufannahme bis

zur ambulanten oder stationären Aufnahme im Krankenhaus als ein komplexer Prozess

mit vielen Beteiligten und Interessensträgern aus verschiedenen Bereichen dar. Um die

Bedürfnisse und Anforderungen dieser unterschiedlichen Personen und Organisationen

in einem möglichst hohen Maß zu erfüllen, ist die strukturierte effektive Zusammenarbeit

der verschiedenen Institutionen und Bereiche im Gesundheitsweisen notwendig.

Qualitätsmanagement im Rettungsdienst ist ein umfangreiches Thema , das im Rahmen

einer Bachelorarbeit nur bedingt ganz erfasst werden kann. Daher liegt der Schwerpunkt

dieser Arbeit auf der Problematik des Übergabeprozesses zwischen dem Rettungsdienst

und den Notaufnahmen der Krankenhäuser, da es hier an der Schnittstelle zwischen

zwei eigenständigen Einheiten des Gesundheitswesens oft zu Missverständnissen und

Problemen kommen kann. Im Arbeitsalltag des Rettungsdienstes gibt es orientiert an

den Qualitätsdimensionen nach Donabedian Bereiche, in denen Qualitätsmanagement

bereits erfolgreich angewendet wird sowie andere Bereiche, in denen noch erhöhter

Optimierungsbedarf in Bezug auf die Erfassung und Auswertung der entsprechenden

Informationen sowie auf die Umsetzung der qualitätsfördernden Maßnahmen besteht.

Im Bereich der Strukturqualität gibt es im Rettungsdienst bereits viele Richtlinien, sodass

alle Interessenträger hierbei die Qualität maximal noch über zusätzliche Leistungen oder

Qualifikationen, beispielsweise spezielle fachliche Fortbildungen der Mitarbeiter, steuern

können. Auch in Überlegungen zur Verbesserung des Übergabeprozesses kann die

Strukturqualität nur bedingt mit einbezogen werden, da dieses Verfahren hier eher als

ein dynamischer Prozess gesehen werden sollte. Daran zeigt sich bereits, dass die

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Prozessqualität grundsätzlich zur Optimierung der Übergabephase beitragen kann. Ein

wichtiger Aspekt sollte hierbei die Zusammenarbeit der präklinischen und klinischen

Beteiligten darstellen, da beide Parteien von diesen Prozessen betroffen sind und somit

auch an einer gemeinsamen Lösung interessiert sind, von der beide profitieren. Für die

dritte Qualitätsdimension, die Ergebnisqualität, interessieren sich vor allem Patienten,

sodass auch in diesem Bereich das Qualitätsmanagement zum Einsatz kommen sollte.

Zur Optimierung des Übergabeprozesses zwischen Präklinik und Klinik existieren viele

Ansätze und konkrete Maßnahmen. Ein sinnvolles, in sich stimmiges Konzept bietet das

aus dem ATLS®-Konzept stammende ABCDE-Schema, welches zu einer strukturierten

und prioritätenorientierten Übergabe des Patienten in der Notaufnahme beitragen kann.

Dieses System ist in Deutschland bereits bekannt, aber wird allerdings nur selten in der

Notfallrettung aktiv angewendet. Zwar besuchen bereits einige Rettungsdienstmitarbeiter

entsprechende Schulungen, aber solange das Konzept nicht konsequent angewendet

wird, gerät es leicht in Vergessenheit und bringt keinen Erfolg für alle Beteiligten. Es hat

sich gezeigt, dass sich Qualitätsmanagement nicht nur auf einzelne Maßnahmen wie

beispielsweise die Schulung der Mitarbeiter konzentrieren sollte, sondern dass z.B. in

diesem Fall das gelernte Wissen anhand von Checklisten in den Arbeitsalltag integriert

werden und außer dem Rettungsdienstpersonal auch den Mitarbeitern der Notaufnahmen

dieser standardisierte Patientenübergabe- und Aufnahmeprozess bekannt sein sollte.

Qualitätsmanagement steht und fällt mit der Motivation und Bereitschaft der Mitarbeiter,

die neu festgelegten Aufgaben und Verfahren gewissenhaft auszuführen. Grundsätzlich

ist die Belegschaft neuen Ideen gegenüber oft skeptisch eingestellt, somit ist es hier die

Aufgabe des QM-Beauftragten und der Unternehmensleitung, den Mitarbeitern realistisch

und verständlich den Sinn eingeführter Qualitätsmaßnahmen und der damit verbundenen

Mehrarbeit zu erklären. Vor allem die direkte Einbindung der Belegschaft in alle Phasen

des Qualitätsmanagements führt zu einer deutlich höheren Akzeptanz des Systems. Am

Beispiel des Übergabeprozesses können die Rettungsdienstmitarbeiter beispielsweise

bei der Erstellung von Checklisten, deren Einsatz im notfallmedizinischen Alltag danach

realisierbar ist, mitarbeiten oder nach einer Testphase durch entsprechende Instrumente

wie Qualitätszirkel Feedback und Verbesserungsvorschläge einbringen. Im Gegensatz

zur Belegschaft kann die Unternehmensleitung nur sehr selten die gleichen wertvollen

Erfahrungen zum Einsatz der neuen QM-Methoden direkt aus dem Arbeitsalltag in der

Notfallrettung machen.

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Für die Unternehmensleitung oder im Bereich der Notfallrettung die Rettungsdienst-

träger stellt sich teilweise die Frage, ob Qualitätsmanagement mit den entsprechenden

Erhebungen und Maßnahmen „nur“ im Betrieb implementiert wird oder ob außerdem

noch eine Zertifizierung, beispielsweise nach der DIN EN ISO 9001:2008 oder „KTQ im

Rettungsdienst“, angestrebt wird. Es hat sich gezeigt, dass Zertifizierungen eine effektive

Außenwirkung auf Interessenträger haben und auch zu Vorteilen bei Ausschreibungen

im Rettungsdienst führen können. Auf der anderen Seite sind Zertifizierungen und die

damit zusammenhängenden externen Audits mit Kosten für den Rettungsdienstträger

verbunden. Hier kann festgestellt werden, dass internes Qualitätsmanagement vor allem

zur Verbesserung einzelner Prozesse ohne Feedback von „außen“ eingesetzt werden

sollte, während die Zertifizierungen vor allem zur Verbesserung der Marktsituation des

Rettungsdienstträgers und zur professionellen Überprüfung eines gesamten Qualitäts-

managementsystems gedacht sind. Im Fall der Übergabeproblematik können interne

QM-Maßnahmen, an denen die Mitarbeiter des Rettungsdienstes und der Notaufnahme

beteiligt sind, diverse Schwachstellen identifizieren und die dort bestehenden Probleme

verringern. Sofern diese beiden Institutionen bereits nach einer oder mehreren Normen

zertifiziert sind, können die Verbesserungen des Übergabeprozesses, sofern möglich, in

das bestehende Qualitätsmanagementsystem integriert werden.

Den Qualitätsmanagementbeauftragten sollte immer wieder bewusst werden, dass ihre

Aufgabe und Verantwortung nicht allein durch die Implementierung eines QM-Systems

mit den dazugehörigen QM-Handbüchern, Strukturplänen, Prozessbeschreibungen und

Checklisten erledigt ist. Das Qualitätsmanagement muss immer wieder an die aktuelle

gesellschaftliche und gesamtwirtschaftliche Situation sowie den aktuellen Stand des

Unternehmens angepasst werden. Vor allem im Bereich der Notfallmedizin kommt es

regelmäßig zu neuen Vorschriften, Erkenntnissen oder medizinischen bzw. technischen

Errungenschaften; daher sollte dem Qualitätsmanagement im „Alltag“ eine mindestens

genauso große Aufmerksamkeit entgegengebracht werden wie in der Einführungsphase.

Vor allem im Bereich der Technik können die Neuerungen auch Vorteile zur Nutzung

verschiedener QM-Instrumente bringen. So erleichtern digitale Dokumentationssysteme

wie beispielsweise der Einsatz von Tablets auf den Rettungsmitteln nicht nur die Arbeit

vor Ort, sondern können sich auch positiv auf den Übergabeprozess im Krankenhaus

sowie die Auswertung medizinischer Daten in deutschlandweiten oder internationalen

Registern auswirken. Grundsätzlich sind Qualität, Vernetzung und Kooperation die Ziele,

die im Rettungsdienst in den nächsten Jahren verfolgt werden sollten.

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Tab. 1: selbsterstellt nach ATLS®

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Eidesstattliche Erklärung Ich erkläre an Eides Statt, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und ohne

Benutzung anderer als der angegebenen Hilfsmittel angefertigt habe. Die aus fremden

Quellendirekt oder indirekt übernommenen Gedanken habe ich als solche kenntlich

gemacht.

Neubrandenburg, den 17. April 2015