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rara DAS MAGAZIN VON PROSPECIERARA AUSGABE 3 /2014 DER RETTER DES ’WEISSEN BITTERSÜSSEN’ Seite 5 STADT-TOMATEN IN DER ROMANDIE Seite 10 AM PULS DER BASIS Seite 13 Schweizerische Stiftung für die kulturhistorische und genetische Vielfalt von Pflanzen und Tieren WAS IST EINE SORTE ? Seite 16

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Das Magazin rara erscheint viermal jährlich auf deutsch, französisch und italienisch und ist das offizielle Publikationsorgan der Schweizer Stiftung ProSpecieRara www.prospecierara.ch

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raraDAS MAGAZIN VON PROSPECIERARA AUSGABE 3 /2014

DER RETTER DES ’WEISSEN BITTERSÜSSEN’Seite 5

STADT-TOMATEN IN DER ROMANDIESeite 10

AM PULS DER BASISSeite 13

Schweizerische Stiftungfür die kulturhistorischeund genetische Vielfaltvon P�anzen und Tieren

WAS IST EINE SORTE ?Seite 16

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Der ’Weisse Bittersüsse’ war bereits im 14. Jahrhundert beiuns bekannt. Heute wächst der einst gefragte Süssapfel nur noch auf ganz wenigen Bäumen.

Ihre Unterstützung bringt unsere Arbeit voran:Gönnerschaft Plus à CHF 120.–/JahrGönnerschaft à CHF 70.–/JahrPaargönnerschaft à CHF 90.–/JahrJuniorgönnerschaft (bis 25 Jahre) à CHF 35.–/JahrTier-Patenschaft à CHF 150.– bis CHF 450.–/JahrBaum-Patenschaft à CHF 250.–/Jahr

Für Spenden: PC 90 -1480-3 IBAN CH29 0900 0000 9000 1480 3 BIC POFICHBEXXX

Die Organisation ProSpecieRara ist seit 1997 ZEWO-zertifiziert.

DANKESCHÖN !

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Editorial

Philippe Ammann, Stv. Geschäftsführer ProSpecieRara

Manchmal liegt die Lösung darin, alles anders

zu machen als die Mehrheit es tut. Die Viel-

falt der alten Gemüse- und Obstsorten und die verschie-

denen Nutztierrassen sind unter Druck gekommen, weil

sie nicht dem Mainstream entsprachen. Vor dem Ver-

schwinden bewahren sie Menschen, die einen Sinn fürs

Andersartige besitzen : Menschen wie unser Sorten-

kenner Frits Brunner, der ein Gespür für die Finessen der

Vielfalt hat, damit die Eigenheiten der Sorten erkennt

und mit dieser Gabe vergessene Obst sorten rettet.

Auch unsere Nutztiere überleben nur dank Menschen,

die Freude am Anderen, am Speziellen haben. Damit wir

die Bedürfnisse dieser Menschen gut verstehen und

sie unterstützen können, haben wir eine grosse Umfrage

durchgeführt und interessante Erkenntnisse gewonnen.

Danke, dass Sie mit uns anders denken und unseren

Einsatz für die bedrohte Vielfalt unterstützen !

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Der Obstgarten von Frits Brunner ist Lebensraum für unzählige Obstsorten und viele Wildtiere.

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Fokus

Der Retter des ’Weissen Bittersüssen’

Gertrud Burger, Bereichsleiterin Pflanzen, Text: Nicole Egloff

Fast verschwunden ist er – der

’Weisse Bittersüsse’, ein Apfel aus

dem 14. Jahrhundert. Der ProSpecieRara-

Obstexperte Frits Brunner hat ihn aufgespürt

und versucht ihn nun zu retten. Ein Besuch

in seinem einmaligen Obstgarten.

Aus dem Feld meldet sich der Grünspecht mit seinem prägnanten Ruf, vom Hügel vis à vis ist der Schiessstand zu hören, als ich mit Frits Brunner, DEM Kenner der alten Schweizer Obstsorten, sein Reich be trete. Am Rande Therwils, in der Nähe von Basel, pflegt der 58 -Jährige einen Obst-garten, den bereits sein Vater angelegt hat. Es fällt sofort auf: Dies ist kein norma-ler Obstgarten. Das Gras steht hoch, Brom-beeren, Heckenrosen und Hasel bilden eine Wildnis, in der sich Igel, Eidechsen, Wiesel und viele mehr wohl fühlen. Und vor allem: Auf jedem Baum wachsen unzählige

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Sorten. «300 bis 400 Apfelsorten hab ich hier, so ganz genau weiss ich es nicht», erklärt Frits. Daneben wachsen auch Birnen, Kirschen, Zwetschgen, Quitten, Pfirsiche und Mispeln – jetzt im Spätsommer ein paradiesischer Anblick.

NUR NOCH GANZ WENIGE BÄUMEWir sind auf der Suche nach einem ganz bestimmten Baum. Der Weg dorthin ist nicht weit, aber Frits weiss zu den Bäumen, an denen wir vorbeikommen, so viel zu berichten – «Den ’Jakob Lebel’ musst du auf den Stamm veredeln, sonst wächst er ganz krumm. Der ’Gelbe Edelapfel’ war der Vitamin C - Lieferant des russischen Zaren. Hier, die ’Oltiger Aprikosenpflaume’ musst du unbedingt probieren ! … » – dass es eine Weile dauert, bis wir vor dem ge-suchten Baum stehen. Auf ihm wächst der ’Weisse Bittersüsse’. «Bei meinen vielen Obstgarten besuchen, die ich im Lauf der letzten fast 30 Jahre gemacht habe, bin ich immer mal wieder auf Bäume gestossen,

«Es gibt nur noch ganz

wenige Bäume des ’Weissen

Bittersüssen’ und von Jahr

zu Jahr werden es weniger.»Frits Brunner

Ein Streifzug mit Frits durch seinen Obstgarten gleicht einer Entdeckungsreise durch unbekanntes Gebiet.

die zuunterst einzelne Äste mit einem fast weissen, leicht nach Bittermandel schme-ckenden Süss apfel aufwiesen – unterhalb der Stelle, wo jeweils eine neue Sorte drauf veredelt wurde», erzählt Frits. «Der Verdacht lag nahe, dass es sich um die Sorte han-delte, welche den Stamm bildet und eigent-lich nur als so genannte Unterlage fun gier te. Einen Ast haben die Bauern aber stehen lassen, denn die sehr süssen Äpfel waren begehrt, z. B. für Gerichte wie ‹Schnitz und Drunder› aber auch zum Schnaps bren-nen. Zucker war damals noch teuer und so diente der Süssapfel als Zucker ersatz.» Es hat einige Jahre gedauert, bis Frits im Austausch mit anderen Pomologen und nach vertiefter Literaturrecherche zum Schluss kam, dass es sich um den ’Weis-sen Bittersüssen’ handeln musste. Dieser stammt aus dem 14. Jahrhundert. Der Basler Universalgelehrte Caspar Bauhin (1560 –1624) hat ihn in seiner Historia plantarum universalis zum ersten Mal in der Schweiz erwähnt. «Speziell ist, dass ich nie auf einen Baum gestossen bin, der den

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RARE OBSTBÄUME SETZENWir haben für Sie Listen zusammengestellt mit gut geeigneten Obstsorten für Höhenlagen, Hausgärten oder spezifische Regionen.

Sie finden sie unter: www.prospecierara.ch/de/sortenempfehlungen

OBSTSORTEN BESTIMMENHaben Sie einen Baum, dessen Sorte Sie nicht kennen ? Sie können Früchte an unsere Obstexperten schicken, um die Sorte bestimmen zu lassen.

Mehr unter: www.prospecierara.ch/de/faq/obstsorten-bestimmen

Oder Sie tauchen gleich selber in die spannende Welt der verschiedenen Obstsorten ein und besuchen unseren Obstsortenbestimmungskurs, der das nächste Mal im Herbst 2015 stattfindet.

Die genauen Daten finden Sie ab Januar unter: www.prospecierara.ch/de/veranstaltungen

OBSTSORTEN ERKENNEN

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’Weissen Bittersüssen’ als Hauptsorte trug», ergänzt Frits. Die meisten der gefun-denen Bäume sind sehr alt, da sie direkt nach dem extrem kalten Winter von 1870/71 gepflanzt wurden. Entsprechend gibt es nur noch ganz wenige von ihnen und von Jahr zu Jahr werden es noch weniger. «Als ich die Seltenheit und die kultu relle Verankerung dieser Sorte erkannte, war klar, dass ich handeln musste. Ich habe mich um Reiser (Vermehrungsmaterial) bemüht und diesen Baum hier damit veredelt.»

DAS SELTENE BEOBACHTENSeit der Expo 2002, wo er die naturgetreue Nachbildung der 365 Apfelsortenmodelle be-gleitet hat, arbeitet Frits für ProSpecieRara. Neben dem Bestimmen von Obstsorten gehört auch das Beschreiben zu Frits’ Auf-gaben. «Über Jahre beobachte ich die ein-zelnen Sorten, beschreibe ihre Deckfarbe, Kelchgrube, Säure, Kerne, Pflückreife, Wuchs-form und viele weitere Merkmale und foto-grafiere die Früchte.» Diese Infos kommen im Rahmen eines Projektes des Bundes-amts für Landwirtschaft in eine nationale Datenbank, in der das Wissen über die alten

«Der Apfelbaum ist

für mich ein Symbol

des Friedens und

der Sesshaftigkeit.

Wenn ich einen Apfel

esse, bekomme ich

gratis die ganze

Liebe der Jahreszei-

ten und der Erde.»Frits Brunner

In Frits Brunners Obstgarten wachsen bis zu 50 Sorten auf einem Baum.

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So setzen wir uns für die alten Obstsorten ein:

• Suche von verschwundenen Obstsorten• Mehrjährige pomologische Unter-

suchung• Jede Sorte auf mindestens drei Bäumen

an zwei verschiedenen Orten absichern• In der Datenbank jeden einzelnen

Baum und jede Sorte registrieren• Obstgartenbesitzer finden, die Samm-

lungen mit seltenen Sorten anlegen• Schaffung eines Erhalternetzwerkes

zum Austausch von Wissen• Experten besuchen Obstsammlungen• Kurse veranstalten zu Themen wie

Obstsortenbestimmung, Baumpflege• Sortenbestimmungsdienst zum Ein-

schicken seltener Sorten anbieten• Bekanntmachung der in Vergessenheit

geratenen Sorten über Öffentlichkeits-arbeit

• Angebot an seltenen Sorten in Baum-schulen propagieren

Ihre Spende macht unser Engagement möglich. Vielen Dank !

HELFEN SIE UNS BEI DER

RETTUNG VON ’WEISSEM

BITTERSÜSSEN’ & CO.Sorten zusammenfliesst. ProSpecieRara ist ein wichtiger Partner beim Aufbau dieser Datenbank. «Beim ’Weissen Bittersüssen’ bin ich noch ganz am Anfang der Recher-chen. Die Infos über ihn sind erst in der ProSpecieRara-eigenen Datenbank vorhan-den, wo sie für die Nationale Datenbank aufbereitet werden.»

EIN ERSTES ASYLFrits’ Obstgarten ist unendlich wertvoll, es gibt Sorten, die nur noch hier vorkom-men. «Ich biete den alten Sorten ein erstes Asyl», erzählt Frits. Da eine solche Kon-zentration an einem Ort Risiken birgt, ist Frits darum bemüht, Vermehrungsmaterial aus seinem Garten weiterzugeben. «Vom ’Weissen Bittersüssen’ habe ich Reiser an Markus Mächler weitergegeben, der eine kleine Baum schule in Fehren/SO aufbaut. Er wiederum hat daraus Bäume ge zogen und einer davon steht nun in der Obst sammlung am ProSpecieRara-Hauptsitz in den Merian Gärten bei Basel.»

WISSEN FÜR ALLEAuch das Wissen, welches sich Frits auf-gebaut hat, ist einzigartig. «Ich möchte aber diesbezüglich nicht einzigartig sein. Ich möchte, dass möglichst viele Leute sich für die Obstsorten interessieren und sich mit ihnen befassen. Das Wissen muss weiter-leben !», zeigt sich Frits engagiert. Deshalb bietet ProSpecieRara seit einigen Jahren Obstsortenbestimmungskurse an, in denen die Teilnehmenden lernen, was z. B. eine tiefe Stielgrube oder eine dreieckige Kelch-höhle sind und so ein Sensorium für die verschiedenen Sorten entwickeln. Frits: «Mir liegt es sehr am Herzen, dass der Wert der alten Sorten wieder erkannt wird. Dank ProSpecieRara kann ich mich voll und ganz den Obstraritäten widmen und mein Wissen an ein grosses Publikum weitergeben.»

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Stadt-Tomaten

Die Stadt-Tomaten blühen

auch in der Romandie !

Zum ersten Mal eigene Tomaten grossziehen und das erst noch auf dem Balkon ! Diese Erfahrung machte Christelle Bochatay aus Genf im vergangenen Frühling und Sommer. Das Projekt «Stadt-Tomaten», oder wie es in der Romandie heisst «Tomates-Urbaines», von ProSpecieRara, hat sie dazu gebracht. (Interview: Claudia Steinacker, Projektleiterin Tomates-Urbaines)

CLAUDIA STEINACKER: WIE HAST DU DIE STADT-TOMATEN KENNENGELERNT ?Christelle Bochatay: Zufällig ! Via Facebook bin ich auf die Tomates-Urbaines-Seite gestossen und hab mich dann gleich regist-riert, weil ich Samen bestellen wollte. Ich fand es gar nicht einfach, mich für eine der 20 angebotenen ProSpecieRara-Sorten zu

entscheiden … Das Saatgut hab ich dann allerdings nicht erhalten. Inzwischen weiss ich auch warum: ProSpecieRara wurde schlicht von Bestellungen überschwemmt, so dass einzelne – darunter auch ich – offenbar übersehen wurden. Ich hab mich aber nicht entmutigen lassen und bin ein-fach nach Carouge gefahren, wo ich am Stadt-Tomaten-Stand eine Samenportion abholen konnte. Und das war der Auslöser für eine wahre Tomatenanbau-Sucht.

UND IST DIR DAS EXPERIMENT GELUNGEN ?Ja ! Ich bin ein grosser Tomaten-Fan und habe bei den Stadt-Tomaten viel über den Anbau von Tomaten gelernt. Was mich aber am

Auch Tochter Célie ist mit vollem Einsatz dabei.

«Die Stadt-Tomaten haben

bei mir eine richtige Tomaten-

Anbau und -Vermehrungs-

sucht ausgelöst.»Christelle Bochatay

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meisten erstaunte und überzeugte war, dass man aus diesen alten Sorten selber Samen ernten kann. Und ihr Geschmack !!!

WEN HAST DU MIT DEINER LEIDENSCHAFT ANGESTECKT ?Meine ganze Familie: Meine dreijährige Tochter Célie hat ihre eigene Tomate ange-baut, mein Mann hat die Tomaten für den Fotowettbewerb fotografiert und alle haben sie natürlich gegessen. Ich hätschelte meine Tomaten dermassen, dass Célie be-reits von den «Bébé-Tomaten» gesprochen hat. Deshalb hab ich ihr eine ’Black Cherry’, die süsse, kleine Früchte macht, geschenkt. Diese pflegte sie wunderbar.

UND NÄCHSTES JAHR ?Da bin ich selbstverständlich wieder da-bei … In der Krippe, in der ich arbeite, haben wir sogar vor, zusammen mit den Kindern alte Tomatensorten anzubauen. Ich selber hab bereits viel gelernt, aber mich hat auch der Ehrgeiz gepackt. Ich möchte nächs-tes Jahr noch mehr und noch schö nere Tomaten. Das Saatgut dazu hab ich ja be-reits – aus meinen eigenen Tomaten !

Die Begegnung mit den Stadt-Tomaten eröffnete Christelle eine neue Welt.

DIE STADT-TOMATEN UND

PROSPECIERARA

Was in der Deutschschweiz bereits seit drei Jahren erfolgreich läuft, wurde in die-sem Jahr auf die Romandie ausgeweitet. Mit dem Projekt sensibilisieren wir die urbane Bevölkerung für die Thematik der bedrohten Sorten. Dies auf lustvolle Art und mit der Aufforderung zum Mitma-chen. Jeweils im Frühling kann über die Web site Saatgut und eine Anleitung zum Grossziehen von Tomaten bestellt wer-den. Die Teilnehmenden werden dazu motiviert, Saatgut zu ernten und weiter-zugeben. Im September 2015 wird in den Städten Zürich und Lausanne ein Stadt-Tomaten-Fest mit einer grossen Samen-tauschbörse stattfinden.

www.stadt-tomaten.ch

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News

AUSGEZEICHNETES

GEMÜSELEXIKON

Das «Lexikon der alten Ge-

müsesorten», welches wir in

diesem Frühling herausge-

geben haben, wurde von der

Gastronomischen Akademie

Deutschlands mit einer Gold-

medaille ausgezeichnet. Sie

bezeichnet es als «Genuss-

buch, welches Spass beim

Lesen macht und der Ziel-

gruppe Mehrwert bietet». Die

Autorin Marianna Serena

hat die Auszeichnung an der

Frankfurter Buchmesse ent-

gegennehmen dürfen.

www.prospecierara.ch/de/shop

SAASER MUTTEN: GROSSER VERLUST DURCH RAUBEnde Alpsaison fehlten über-raschend 103 Tiere, was sich als Diebstahl über die Landesgrenze herausstellte. Mit bislang nur sechs wie-dergefundenen Schafen erleidet das Rettungsprojekt einen herben Rückschlag. Viele beherzte Reaktionen und Meldungen von Schaf-sichtungen sowie von über 40 Menschen, die mit der Haltung von Saaser Mutten beginnen möchten, geben Zuversicht, dass die Rettung der Rasse auch mit redu-ziertem Ausgangsbestand machbar ist.

www.prospecierara.ch/de/news/ boese-ueberraschung-saaser-mutten

KUPFERHALSZIEGENBis anhin sind wir davon

ausgegangen, dass das Gen,

welches für die Kupferfarbe

bei den Kupferhalsziegen

verantwortlich ist, rezessiv

ist, während die Schwarz-

halsziegen ein dominantes

Gen für Schwarz besitzen.

Nach acht Projektjahren

mit einer grossen Anzahl

Paarungen und Dank Unter-

suchungen der Uni Bern

wurde nun das genaue Ge-

genteil bewiesen. Für die

Zucht ergeben sich jedoch

nur marginale Änderungen.

www.prospecierara.ch/de/news/

farbvererbung-kupferhalsziegen

BLEIBEN SIE AUF DEM LAUFENDEN !Mit unserem E-Mail-News-letter informieren wir Sie ca. alle fünf Wochen über Veranstaltungen und Aktualitäten rund um ProSpecieRara.

Abonnieren auf: [email protected]

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Tiere

Am Puls der Basis

Philippe Ammann, Bereichsleiter Tiere

Die alten Rassen überleben nur, wenn sie von Menschen gehalten und genutzt werden. Was aber bewegt und motiviert Menschen, ausgerechnet Spiegelschafe oder Kupferhalsziegen zu halten ?

Und wo brauchen sie unsere Unterstützung ? Mit einer grossen Züchterumfrage wollten wir mehr erfahren.

Dank Unterstützung des Bundesamtes für Landwirtschaft konnte in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsinstitut amPuls Market Research AG ein Fragebogen reali-siert werden, der an alle 2883 Mitglieder der ProSpecieRara-Rassevereine verschickt wurde. Mit 1162 ausgefüllten Fragebogen (40 %) erhielten wir eine erfreulich breite Datengrundlage für fundierte Aussagen.

GRAZIE UND ROBUSTHEIT VOR LEISTUNGGefragt nach den wichtigsten Gründen für die Wahl der Rasse wurden das ansprechen-de Aussehen sowie die Robustheit und Widerstandskraft am häufigsten genannt.

Am wenigsten zählten bei der Rassenwahl die Leistungsmerkmale (Milch-, Mast- und Legeleistung) sowie die kulturelle Veranke-rung der Rasse in der Region des Züchters. Wirtschaftlichkeit im herkömmlichen Sinn spielt bei den gefährdeten Rassen also eine untergeordnete Rolle. Bestätigt wird dies in der Zusatzfrage, bei der sich 80 % zur Erhaltungszucht mit Fokus auf Robust-heit und Ursprünglichkeit bekennen und

«Wollschweine sind so

gmögige Tiere. Dass wir

mit unseren zwei Zucht-

sauen zum Überleben

dieser Rasse beitragen

können, finde ich toll.»Anna Rüetschi, Bern

Anna Rüetschi und ihre Familie halten mitten in Bern Wollschweine.

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nur 9 % ihr Ziel in der Weiterentwicklung der Produkti vität sehen. Diese Eindeutigkeit ist umso bemerkenswerter, als die Hälfte aller Umfragen von Züchtern ausgefüllt wurde, deren Haupt- oder Nebenerwerb in der Landwirtschaft liegt.

HERAUSFORDERUNG VATERTIERHALTUNG64 % der Befragten gaben an, unter den jetzigen Verhältnissen nicht mehr Vater- tiere halten zu können. Das bestätigt die Erfahrung der Zuchtleiter, welche Mühe bekunden, die Zahl der Vatertiere zu erhö-hen. In der Zucht gefährdeter Rassen ist aber gerade der Anteil männlicher Zucht-tiere wichtig, um genetische Engpässe zu vermeiden. Das erfreulichere Bild, dass 66 % der Teilnehmenden bei den weiblichen Tieren Aufstockungsmöglichkeiten sehen, wurde darum etwas getrübt. Es bleibt also eine wichtige Aufgabe, wei tere Betriebe für die Vatertierhaltung zu gewinnen. Mit

der Gründung eines Bockzentrums im aargauischen Linn, ist bereits ein erster Schritt getan.

VIA PROSPECIERARA ZU DEN GEFÄHRDETEN RASSENDass 42 % aller Befragten angaben, über ProSpecieRara auf ihre Rasse aufmerksam geworden zu sein, ist eine tolle Bestäti- gung für unsere Arbeit. 34 % der Teilnehmen-den sind über einen Züchter in ihrem per-sönlichen Umfeld auf ihre Rasse gestossen. Die ProSpecieRara-Züchter verstehen es also, ihre Freunde mit ihrer Leidenschaft für rare Rassen anzustecken !

Wir werden uns anstrengen, sie mit ge-eignetem Infomaterial und der Organisation von Anlässen, wie z. B. der Tierexpo, bei der Bekanntmachung alter Rassen zu unter-stützen.

Detaillierte Ergebnisse der Umfrage finden Sie unter: www.prospecierara.ch/de/projekte/zuechterumfrage

Die Rasse ist besonders rar und gefährdet.

Die Rasse ge�el mir optisch besonders gut.

Die Rasse gehört kulturell in meine Region.

Die Rasse eignet sich für die extensive Haltung.

Die Rasse ist generell robust und widerstandsfähig.

Die Rasse ist geländegängig.

Die Leistung der Rasse überzeugt (Milchmenge, Mastfähigkeit, Legeleistung, Wollmenge, etc.).

Die Qualität der Produkte der Rasse überzeugt (Milch- und Fleischqualität, Wollqualität, etc.).

Die Einzigartigkeit der Rasse eignet sich für die Herstellung von Nischenprodukten.

Die Rasse ist für Landschafts-p�egeeinsätze geeignet.

Die Rasse ist auf der Liste von ProSpecieRara.

1 2 3 4

3.1

3.6

2.2

3.3

3.7

3.4

2.4

2.8

2.3

2.7

3.0

WIE WICHTIG WAREN FOLGENDE FAKTOREN BEI DER WAHL DER RASSE ?Bandbreite für die Antworten: 1– 4

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80% Mein Schwerpunkt liegt bei der Erhaltung einer alten, traditionellen Rasse. Es ist mir wichtig, dass ursprüngliche Merkmale wie rassetypisches Aussehen, Mehrnutzung und Robustheit sowie kulturelle Werte erhalten bleiben.

9% Ich sehe mein Ziel weniger im Erhalten eines alten, ursprünglichen Typus’ von Nutztier. Es ist mir wichtig, dass die Rasse sich produktiv weiterentwickelt und sich z.B. dank verbesserter Milch-, Mast- oder Legeleistung durchsetzt.

11% Keine der beiden Aussagen trifft auf mich zu.

42% Über ProSpecieRara (Homepage, Tier-Expo, Öffentlichkeitsarbeit)

34% Durch einen Züchter/eine Züchterin im persönlichen Umfeld

12% Über den Rasseverein (Homepage, Vereinstierschau)

9% Über eine landwirtschaftliche Messe (Olma, BEA, SwisseTier, etc.)

Mehrfachnennungen waren möglich. Die Angaben ergeben zusammen nicht 100%.

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WIE ODER WO WURDEN SIEAUF IHRE RASSE AUFMERKSAM ?

ZUCHTPHILOSOPHIE IN BEZUGAUF DIE RASSE.

Auch für die Züchterinnen der Walliser Landschafe zählen ursprüngliche Merkmale wie z.B. Robustheit mehr, als maximaler Fleischertrag.

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Garten & Acker

Was ist eine Sorte ?

Philipp Holzherr, Bereichsleiter Garten-, Acker- und Zierpflanzen

800 Gemüsesorten sind im «Lexikon der alten Gemüsesorten» auf 672 Seiten beschrieben. Hätten wir vor zehn Jahren das gleiche Buch über die gleichen Sorten herausgegeben, wäre es wohl

nur halb so umfangreich geworden – denn mit den alten Sorten arbeiten heisst: Anbauen, beschreiben, erhalten. Wieder anbauen, noch besser beschreiben, noch effektiver erhalten …

In der ganzen Schweiz bauen hunderte en-gagierte Sortenerhalterinnen, Gärtner, Forscherinnen und Gemüseproduzenten die grosse Vielfalt alter Sorten an. Überall herrschen unterschiedliche Bedingungen und werden andere Ansprüche an die einzel-nen Sorten gestellt. Eine Privatgärtnerin verzeiht ihren Salatköpfen wohl grosszügig einige Flecken an den Blatträndern, aber wehe denn eine Schnecke vertilgt einen der kostbaren Schützlinge ! Ein Gemüseprodu-zent hingegen muss täglich mit einzelnen

fehlenden Salatköpfen rechnen, ein gross-flächiger Befall mit falschem Mehltau stellt ihn aber vor Probleme. So stellen verschie-dene Menschen ganz unterschiedliche Ansprüche an die ProSpecieRara-Sorten.

EINE GEMEINSAME VISIONAber was ist denn nun eigentlich eine Sorte ? Ist es das Saatgut in der Samentüte ? Oder ist es die Tomate, welche wir genüsslich ver-speisen ? Schmeckt die Tomate ’Berner Rose’ heute nicht irgendwie anders, als die,

Eine gute Sortenbeschreibung beinhaltet Beobachtungen …

… genauso wie Degustationen und fasst Rückmeldungen von Konsumenten, Gärtnerinnen und Bauern zusammen.

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Die Sortenbeschreibung definiert, welche Pflanzen einer bestimmten Gruppe erhalten werden. Und sie hält die Herkunfts-geschichte einer Sorte fest.

welche ich von früher kenne ? Habe nun ich mich verändert oder hat sich die Toma-tensorte entwickelt ? Fakt ist: «Eine Sorte» ist die Definition von gewissen Eigenschaf-ten, die Menschen einer einheitlichen Pflanzengruppe zugewiesen haben. «Eine Sorte» ist also eine gemeinsame Vision, ein gemeinsam geschaffenes Sortenbild – und dieses lässt sich weder pflanzen noch essen. Was abstrakt tönt, ist für die Erhaltungs-arbeit eminent wichtig. Denn nur so wissen wir, was wir überhaupt erhalten sollen. Mit dem passenden Namen, bekommt die Sorte zudem eine Identität, welche bei der Erhaltung zusätzlich hilfreich ist.

«RICHTIGE» UND «FALSCHE» PFLANZENIn der Praxis sorgen zahlreiche Sorten be-treuerinnen und Züchter dafür, dass wir in der Samenbibliothek stets frisches Saatgut von Pflanzen haben, die einem bestimmten Sortenbild entsprechen. Zunächst braucht es dazu grundlegende Kenntnisse zur Bio-logie der angebauten Pflanzen. Was sind ihre Bedürfnisse und wann reift der Samen aus ? Können sie mit anderen Pflanzen ver-kreuzen ? In unseren Samen baukursen kön-

nen Privatpersonen und Profigärtner dieses Wissen erlangen. Doch von der ersten An-bausaison an stellt sich für die Sortenerhal-terin die Frage, welche Pflanzen wohl dem Sortenbild entsprechen und welche nicht. Die genau beobachtende Sortenbetreuerin erkennt schon bald, welche Pflanzen die «richtigen» sind. Und ehe sie sich’s versieht, arbeitet auch sie an der Vision einer be-stimmten Sorte mit.

Deswegen sammelt ProSpecieRara nicht nur Saatgut, sondern arbeitet auch stän- dig an noch exakteren Beschreibungen der Sorten. Freuen Sie sich also – in vielleicht zehn Jahren – auf ein noch dickeres Lexikon !

Gönner und Aktive von ProSpecie- Rara haben die Möglichkeit, über unser Erhalternetzwerk Saat- und Pflanzgut von rund 600 Gemüse- und Zierpflanzensorten zu bestel-len – zum grossen Teil kostenlos. Ab Ende Jahr wird das aktuali-sierte Angebot im Online-Sorten-finder abrufbar sein. Sobald Sie ein geloggt sind, sehen Sie, wo Sie welche Sorte beziehen können.

Sie sind Gönner/Aktiver und haben noch kein Login ? Gehen Sie auf www.prospecierara.ch/de/goenner-aktivierung und geben Sie dort Ihre Mailadresse ein (diejenige, auf welche Sie unseren Newsletter erhalten). Folgen Sie dann der weiteren Anleitung. Möchten Sie als Gönnerin die Broschüre «Sortenfinder», teilen Sie uns dies bitte mit.

www.prospecierara.ch/de/sortenfinder [email protected] Telefon 061 545 99 11

SAATGUT BESTELLEN

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Wie wär’s mit einer schicken Tasche mit Walliser Schwarzhalsziegen-Fell ? Einem sortenreinen Schnaps nur aus ’Tobiässler’, einer Seife mit Honig der Dunklen Biene, einem Kartoffel-körbli aus Engadinerschaffilz, einer Apfeldegustationsschachtel oder grad einem ganzen Wollschweinfell ? Diese und viele weitere Produkte finden Sie auf unserem Online-Marktplatz.

www.prospecierara.ch/marktplatz

Wofür kann man Petersilienwurzel brauchen ? Wie verwendet man Feder-kohl, Pastinaken oder Stachys ? Damit die Raritäten in der Küche auch gut zur Geltung kommen, haben wir unsere Online-Rezeptdatenbank. Lassen Sie sich inspirieren und verraten Sie uns auch Ihre Geheimrezepte !

www.prospecierara.ch/de/rezepte

Kolumne

Pro Specie

Bitschgi

Gabriel Vetter, Autor und Satiriker

Ich mag Äpfel. Äpfel sind so überschaubar. Vor Äpfeln

braucht man keine Angst zu haben, denn Äpfel sind simple, ehrliche Gesellen. Ein Ap-fel ist der Fructose gewordene Paul Accola im Früchtekorb. Wobei: Vielleicht bin ich ein Banause. Was weiss ich schon über den Apfel ? Was kann der Mensch überhaupt wissen von des Apfels Apfeltum ? Wilhelm Tell zum Beispiel: Was wusste Tell, als er Walterli die Frucht vom Grind pfefferte, eigentlich über den Apfel ? Wahrscheinlich war der Erfolg des Tell’schen Apfelschusses gar nicht so sehr abhängig von der Ziel-genauigkeit des bearmbrusteten Schützen, sondern vielmehr von der Grösse des Apfels selbst. Es macht schliesslich einen Unter-schied, was für einen Apfel man treffen muss. Darum ist wohl auch nirgendwo über-liefert, was für eine Apfelsorte das genau war, die Wutbürger Tell dem Nachwuchs vom Schädel schoss: War es eine munzige, von Würmern zerfressene ’Goldparmäne’? War es ein grosser, fester ’Weisser Härt-ling’? Ein mehliger ’Augustiner Rosenapfel’? Man weiss es nicht. Die Tell’sche Sage würde wohl in einem ganz neuen Licht er-scheinen, wüsste man, was das für ein Apfel war. Ich sage: ProSpecieRara, über-nehmen Sie ! Der helvetische Mythos hängt am seidenen Bitschgi.

Tipps

KREATIVE WEIHNACHTSGESCHENKE

PROSPECIERARA-REZEPTE

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STIFTUNG PROSPECIERARASchweizerische Stiftung für die kulturhistorische und genetische Vielfalt von Pflanzen und Tieren.

IMPRESSUMDas Magazin «rara» für Gönnerinnen und Spender von ProSpecieRara erscheint viermal jährlich in deutscher, französischer und italienischer Sprache.

Herausgeberin: Stiftung ProSpecieRara, Basel, Schweiz Redaktion: Nicole Egloff, Anna Kornicker Texte: Philippe Ammann, Nicole Egloff, Claudia Steinacker, Philipp Holzherr Fotos: ProSpecieRara Gestaltung: Reaktor AG, Kommunikationsagentur ASW, Aarau Druck: SuterKeller Druck AG, Oberentfelden Papier: Cocoon 100 % Recycling 90 g /m2 Auflage: 31 500 Ex. deutsch, 7200 Ex. französisch, 1700 Ex. italienisch

Weiblein und Männlein: Um die Lesbarkeit zu vereinfachen, verwenden wir jeweils entweder die weibliche oder die männliche Form, selbstverständlich sind immer beide Geschlechter gemeint.

ProSpecieRara Hauptsitz Unter Brüglingen 6 4052 Basel Schweiz Telefon +41 61 545 99 11 Fax +41 61 545 99 12 [email protected] www.prospecierara.ch

ProSpecieRara Svizzera italiana Via al Ticino 6592 S. Antonino Svizzera Telefono +41 91 858 03 58 Fax +41 91 858 03 03 [email protected] www.prospecierara.ch

ProSpecieRara Suisse romande c/o Conservatoire et Jardin botaniques de Genève Case postale 60 1292 Chambésy Suisse Téléphone +41 22 418 52 25 Fax +41 22 418 51 01 [email protected] www.prospecierara.ch

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