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Regress im Schadensausgleichsrecht unter besonderer Berücksichtigung des Privatversicherers DISSERTATION der Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG) zur Erlangung der Würde eines Doktors der Rechtswissenschaft vorgelegt von Alexander Müller von Münchwilen (Thurgau) Genehmigt auf Antrag der Herren Prof. Dr. Vito Roberto und PD Dr. Hardy Landolt Dissertation Nr. 3174 D-Druck-Spescha

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Regress im Schadensausgleichsrecht unter besonderer

Berücksichtigung des Privatversicherers

DISSERTATION

der Universität St. Gallen,

Hochschule für Wirtschafts-,

Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG)

zur Erlangung der Würde eines

Doktors der Rechtswissenschaft

vorgelegt von

Alexander Müller

von

Münchwilen (Thurgau)

Genehmigt auf Antrag der Herren

Prof. Dr. Vito Roberto

und

PD Dr. Hardy Landolt

Dissertation Nr. 3174

D-Druck-Spescha

Die Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaf-

ten (HSG), gestattet hiermit die Drucklegung der vorliegenden Dissertation, ohne damit

zu den darin ausgesprochenen Anschauungen Stellung zu nehmen.

St. Gallen, den 17. Januar 2006

Der Rektor

Prof. Ernst Mohr, PhD

VORWORT

Mein Dank gilt allen, die mich bei der vorliegenden Arbeit unterstützt haben. Herrn Prof.

Dr. Vito Roberto danke ich für den mir vertrauensvoll gewährten Freiraum, den er mir

bei der Bearbeitung des Themas einräumte. Für die Übernahme des Korreferates bin ich

Herrn PD Dr. Hardy Landolt zu Dank verpflichtet.

Den grössten Dank schulde ich jedoch meiner Mutter, die mir meine Ausbildung zum

Rechtsanwalt ermöglicht und mich stets unterstützt hat. Ihr sei diese Arbeit gewidmet.

Im weiteren danke ich Frau Dr. Ida Götte für die äusserst wertvolle und unermüdliche

Korrektur des Manuskripts.

Das Manuskript wurde im Dezember 2005 fertig gestellt. Literatur und Judikatur wurden

bis zu diesem Zeitpunkt berücksichtigt.

Mörschwil, im Februar 2006 Alexander Müller

I

INHALTSÜBERSICHT

Inhaltsübersicht I

Inhaltsverzeichnis II

Abkürzungsverzeichnis XI

Literaturverzeichnis XVI

Zusammenfassung XXV

EINLEITUNG 1

I. TEIL: GRUNDLAGEN DES SCHADENSAUSGLEICHSRECHTS 3

§ 1. Schadensausgleichssysteme 3

§ 2. Rechtsverhältnis zwischen Geschädigten und Schadensausgleichspflichtigen 13

§ 3. Rechtsverhältnis zwischen Geschädigten und Leistungspflichtigen 21

§ 4. Ergebnis erster Teil 24

II. TEIL: GRUNDLAGEN DES REGRESSRECHTS 26

§ 5. Rechtsverhältnis zwischen mehreren Schadensausgleichspflichtigen 26

§ 6. Allgemeine Regressordnung 32

§ 7. Einschränkungen des Regressrechts 60

§ 8. Ergebnis zweiter Teil 88

III. TEIL: REGRESS DES PRIVATVERSICHERERS 90

§ 9. Stellung des Privatversicherers in der Regressordnung 90

§ 10. Regress des Sachversicherers 116

§ 11. Regress des Haftpflichtversicherers 133

§ 12. Besonderheiten des Privatversicherungsregresses 137

§ 13. Gültigkeit von Versicherungsklauseln 153

§ 14. Ergebnis dritter Teil 164

IV. TEIL: SCHLUSSBETRACHTUNG 166

§ 15. Zusammenfassung und Reformvorschläge 166

ANHANG: 172

ALLGEMEINE VERSICHERUNGSBEDINGUNGEN 172

EMPFEHLUNGEN DES SVV 172

II

INHALTSVERZEICHNIS

RÉSUMÉ XXV

EINLEITUNG 1

I. TEIL: GRUNDLAGEN DES SCHADENSAUSGLEICHSRECHTS 3

§ 1. Schadensausgleichssysteme 3

I. Haftungssystem 3

1. Privatrechtliche Haftung 3

A. Allgemeines 3

B. Deliktshaftung 4

i. Allgemeines 4

ii. Rechtsnatur des Haftungsanspruchs 5

iii. Verhältnis zwischen Verschuldens- und Kausalhaftung 5

C. Vertragshaftung 8

i. Allgemeines 8

ii. Rechtsnatur des Haftungsanspruchs 8

2. Staatshaftung 9

II. Versicherungssystem 10

1. Privatversicherung 10

A. Allgemeines 10

B. Rechtsnatur des Privatversicherungsverhältnisses 10

2. Sozialversicherung 11

A. Allgemeines 11

B. Rechtsnatur des Sozialversicherungsverhältnisses 12

§ 2. Rechtsverhältnis zwischen Geschädigten und Schadensausgleichspflichtigen 13

I. Rechtsverhältnis zwischen dem Geschädigten und dem Haftpflichtigen 13

1. Anspruchskonkurrenz/Solidarität 13

A. Echte und unechte Solidarität 13

B. Relevanz der Unterscheidung 14

i. Verjährungsunterbrechung und Subrogation 14

ii. Reduktionsgründe 15

iii. Stellungnahme 17

III

C. Differenzierte Solidarität 17

i. Allgemeines 17

ii. Stellungnahme 19

2. Überentschädigungs- bzw. Bereicherungsverbot 19

II. Rechtsverhältnis zwischen dem Geschädigten und anderen Ersatzpflichtigen 20

§ 3. Rechtsverhältnis zwischen Geschädigten und Leistungspflichtigen 21

I. Anspruch aus Versicherungsvertrag 21

1. Einzel- und Kollektivversicherung 21

2. Eigen- und Fremdversicherung 21

3. Zusatzversicherung / Überobligatorische Versicherung 22

II. Anspruch aus Sozialversicherung 22

III. Anspruch aus Haftpflichtversicherung 22

IV. Anspruch aus Arbeitsvertrag 24

§ 4. Ergebnis erster Teil 24

II. TEIL: GRUNDLAGEN DES REGRESSRECHTS 26

§ 5. Rechtsverhältnis zwischen mehreren Schadensausgleichspflichtigen 26

I. Allgemeines 26

II. Gesetzliches Rückgriffsrecht 27

III. Vertragliches Rückgriffsrecht 29

IV. Zwei Forderungen: originäre und derivative (subrogierte) 30

V. Keine Solidarität im Innenverhältnis 31

§ 6. Allgemeine Regressordnung 32

I. OR 32

1. Allgemeines 32

2. Entstehungsgeschichte 34

3. Stellungnahme 36

4. Rechtsvergleichende Betrachtung 38

A. Regressrecht in Deutschland 38

B. Regressrecht im Fürstentum Liechtenstein 39

C. Zwischenergebnis aus der Rechtsvergleichung 40

II. VVG 40

1. Allgemeines 40

2. Versicherungsarten 41

IV

A. Summen- vs. Schadensversicherung 41

B. Eigenschadensversicherung (Sach- und Personenversicherung) 42

C. Drittschadensversicherung (Haftpflichtversicherung) 42

3. Entstehungsgeschichte von Art. 72 VVG 43

4. Rechtsvergleichende Betrachtung 44

A. Regressrecht in Deutschland 44

B. Regressrecht im Fürstentum Liechtenstein 45

C. Zwischenergebnis aus der Rechtsvergleichung 46

5. Stellungnahme 46

III. Sozialversicherungsrecht 47

1. Allgemeines 47

2. Rückgriff gegen Dritte 47

3. Koordination der Rückgriffsansprüche innerhalb der Versicherungsträger nach ATSG 48

4. Koordination mit Rückgriffsansprüchen anderer Versicherer 48

IV. Nach SVG 50

1. Allgemeines 50

2. Begriff des Betriebes eines Motorfahrzeuges 51

A. Kurzdarstellung der heutigen Rechtsprechung 51

B. Stellungnahme 52

3. Haftungskollisionen innerhalb des SVG 53

A. Vorbemerkungen 53

B. Kompensationstheorie oder sektorielle Verteilung? 55

4. Haftungskollision SVG-Haftung mit allg. Haftungsnorm 56

A. Vorbemerkungen 56

B. Lehre und Rechtsprechung 57

i. Betriebsgefahr ist gegeben 57

ii. Ermässigung oder Ausschluss der Halterhaftung 58

iii. Betriebsgefahr ist nicht gegeben 58

C. Zwei Fälle aus der Praxis 59

§ 7. Einschränkungen des Regressrechts 60

I. Quotenvorrecht 60

1. Ausgangslage 60

2. Illustrierendes Beispiel zum Quotenvorrecht 61

V

3. Sachliche Kongruenz in der Sachversicherung 62

A. Ausgangslage 62

B. Illustrierendes Beispiel zum Gesamtschaden 63

C. Weitere Konstellationen zur sachlichen Kongruenz 65

D. Stellungnahme 66

4. Fiktives Quotenvorrecht 67

A. Ausgangslage 67

B. Lehre und Rechtsprechung 67

C. Stellungnahme 69

5. Selbstbehalt bei der Kaskoversicherung mit Zeitwertzusatz 70

A. Ausgangslage 70

B. Doktrin und Praxis 70

C. Stellungnahme 71

6. Quotenteilung 73

A. Vor Inkrafttreten des ATSG 73

B. Im Sozialversicherungsrecht de lege lata 73

C. Im Privatversicherungsrecht 73

II. Rechts- und Regresslage bei der Unterversicherung 74

1. Ausgangslage 74

2. Theorien in Lehre und Praxis 75

A. Der Zeitwert als Referenzgrösse 75

B. Der Neuwert als Referenzgrösse 75

C. Quotale Aufteilung der Differenz Zeitwert – Neuwert 76

3. Stellungnahme 76

III. Haftungs- und Regressprivileg 77

1. Allgemeines 77

2. Entstehung des Privilegs 78

A. Im VVG 78

B. Im Sozialversicherungsrecht 79

C. Durch Vertrag 80

3. Rechtsfolge des Privilegs 80

A. Allgemeines 80

B. Gestörte Solidargemeinschaft 81

i. Allgemeines 81

VI

ii. Aus Sicht des Geschädigten 81

iii. Aus Sicht des subrogierenden Versicherers 81

C. Probleme bei Grobfahrlässigkeit 82

D. Regressprivileg und unmittelbares Forderungsrecht 83

IV. Einbezug freiwillig erbrachter Leistungen des Schadensversicherers in den Regress 84

1. Ausgangslage 84

2. Eigenschadensversicherung 85

A. Lehre und Rechtsprechung 85

B. Stellungnahme 85

3. Haftpflichtversicherung 86

A. Lehre und Rechtsprechung 86

B. Stellungnahme 87

§ 8. Ergebnis zweiter Teil 88

III. TEIL: REGRESS DES PRIVATVERSICHERERS 90

§ 9. Stellung des Privatversicherers in der Regressordnung 90

I. „Gini/Durlemann-Praxis“ 90

1. Sachverhalt 90

2. Erwägungen 90

A. Bezüglich Beauftragtem (Gini) 90

B. Bezüglich Hilfsperson (Durlemann) 91

II. Analyse der „Gini/Durlemann-Praxis“ 92

1. Auslegung 92

A. Methodische Interpretation 92

i. Sprachlich-grammatikalische Interpretation 92

ii. Teleologische Interpretation 93

iii. Historische Interpretation 94

iv. Systematische Interpretation 95

B. Aktuelle Rechtsprechung 97

2. Deckungsausschlussklauseln 99

A. Allgemeines 99

B. Ausschluss der „fehlerhaften baulichen Konstruktion“ 99

3. Auswirkungen auf den verursachenden Arbeitnehmer 101

A. Ausgangslage 101

VII

B. Wortlaut der Klausel 102

C. BGE 128 III 76 ff. 103

i. Ausgangslage 103

ii. Erwägungen des Bundesgerichts 104

iii. Stellungnahme 104

4. Sog. Umkehrregress 107

A. Ausgangslage 107

B. Rechtliche Auseinandersetzung 108

i. Allgemeines 108

ii. Zum „umgekehrten Gini/Durlemann“ 109

iii. Zum Umkehrregress 110

iv. Aktiv- und Passivlegitimation beim Umkehrregress 111

C. Ergebnis 112

III. Kritik an der geltenden Praxis 113

1. Allgemeines 113

2. Schadensversicherer als haftungsloser Leistungspflichtiger 114

3. Integrales Regressrecht für den Eigenschadensversicherer 114

§ 10. Regress des Sachversicherers 116

I. Allgemeines 116

II. Regress des Gebäudeversicherers auf Mieter 116

1. Ausgangslage 116

2. Aus Sicht der Privatversicherer 117

A. Lehre und Rechtsprechung bezüglich leichtfahrlässiger Verursachung 117

B. Lehre und Rechtsprechung bezüglich grobfahrlässiger Verursachung 119

C. Stellungnahme 119

i. Vorbemerkungen 119

ii. Ad leichter Fahrlässigkeit 119

iii. Ad grober Fahrlässigkeit 121

3. Aus Sicht der monopolisierten kantonalen Gebäudeversicherer 121

A. Das Monopol 121

B. Lehre und Rechtsprechung 122

C. Rechtsvergleichende Betrachtung 124

VIII

i. Deutschland 124

ii. Österreich 125

III. Regress des Kaskoversicherers auf berechtigte Lenker 126

1. Ausgangslage 126

2. Rechtslage und Praxis 126

A. Bei leichter Fahrlässigkeit 126

B. Bei grober Fahrlässigkeit 127

3. Stellungnahme 128

IV. Regress auf Arbeitnehmer bzw. Hilfsperson 129

A. Allgemeines 129

B. Verletzung eines Mitarbeiters 129

i. Ausgangslage 129

ii. Rechtslage 130

C. Verletzung eines Dritten 132

2. Revision VVG 132

§ 11. Regress des Haftpflichtversicherers 133

I. Allgemeines 133

II. Regress des Motorfahrzeughaftpflicht-Versicherers 133

1. Ausgangslage 133

2. Lehre und Rechtsprechung 134

A. Bei grober Fahrlässigkeit 134

B. Bei leichter Fahrlässigkeit 135

3. Stellungnahme 135

III. Regelung de lege ferenda 137

§ 12. Besonderheiten des Privatversicherungsregresses 137

I. Koordinationsklauseln 137

1. Ausgangslage 137

2. Zession 137

3. Subsidiaritäts- und Komplementärklauseln 139

4. Regressausschlussklausel 140

II. Mehrfachversicherung 142

1. Ausgangslage 142

2. Doppelversicherung im Sinne des Gesetzes 143

3. Mehrfachversicherung im Sinne des SVV 145

IX

A. Mehrfachversicherung 145

i. Allgemeines 145

ii. Gleiches Rechtssubjekt 146

iii. Ungleiches Rechtssubjekt 146

4. Stellungnahme 148

III. Verjährung von Regressforderungen 148

1. Ausgangslage 148

2. Lehre und Rechtsprechung 149

A. Subrogation im Sinne von Art. 149 Abs. 1 OR 149

B. Ausgleichsanspruch im Sinne von Art. 51 Abs. 2 OR 150

IV. Verrechnung von Regressforderungen 151

1. Ausgangslage 151

2. Versicherungsrechtliche Sicht 152

3. Stellungnahme 152

§ 13. Gültigkeit von Versicherungsklauseln 153

I. Allgemeines 153

II. Umfang der AVB-Kontrolle 154

1. Allgemeines 154

A. Vorab: Genehmigungspflicht gemäss VAG 154

B. Geltungskontrolle 154

C. Auslegungskontrolle 155

D. Inhaltskontrolle 156

2. Einzelne Klauseln 157

A. Deckungsausschluss in der Betriebshaftpflichtversicherung betreffend Regressansprüche gegen Arbeitnehmer und Hilfspersonen 157

i. Geltungskontrolle 157

ii. Auslegungskontrolle 157

iii. Inhaltskontrolle 158

iv. Ergebnis 160

B. Deckungsausschluss in der Privathaftpflichtversicherung betreffend sämtliche Regressansprüche 161

i. Geltungskontrolle 161

ii. Auslegungskontrolle 161

X

iii. Inhaltskontrolle 162

iv. Ergebnis 162

C. Assistance-Klausel 163

i. Geltungskontrolle 163

ii. Auslegungskontrolle 163

iii. Inhaltskontrolle 163

iv. Ergebnis 164

§ 14. Ergebnis dritter Teil 164

IV. TEIL: SCHLUSSBETRACHTUNG 166

§ 15. Zusammenfassung und Reformvorschläge 166

I. Konsolidierung VVG und OR 166

II. Stellung des Eigenschadensversicherers 166

1. Bemerkungen 166

2. Revisionsvorschlag 167

III. Stellung des Haftpflichtversicherers 168

1. Bemerkungen 168

2. Revisionsvorschlag 168

IV. Kein Deckungsausschluss in der Betriebshaftpflichtversicherung zulasten von Arbeitnehmern 170

1. Bemerkungen 170

2. Revisionsvorschlag 170

V. Zeitlicher Deckungsbereich in der Haftpflichtversicherung 170

1. Bemerkungen 170

2. Revisionsvorschlag 171

ANHANG: 172

ALLGEMEINE VERSICHERUNGSBEDINGUNGEN 172

EMPFEHLUNGEN DES SVV 172

XI

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

a.A. anderer Ansicht

a.a.O. am angegebenen Ort

ABGB Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch für das Fürstentum Liechtenstein vom 1. Juni 1811 (210.0)

Abs. Absatz

AGB Allgemeine Geschäftsbedingungen

AHVG Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung vom 20. Dezember 1946 (SR 831.10)

AJP Aktuelle Juristische Praxis (St. Gallen)

Anm. Anmerkung

a.M. anderer Meinung

ArG Bundesgesetz über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel vom 13. März 1964 (SR 822.11)

ArGV1 Verordnung 1 zum Arbeitsgesetz vom 10. Mai 2000 (SR 822.111)

Art. Artikel

ATSG Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000 (SR 830.1)

ATSV Verordnung über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts vom 11. September 2002 (SR 830.11)

AVB Allgemeine Versicherungsbedingungen

AVIG Bundesgesetz über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung vom 25. Juni 1982 (SR 837.0)

Aufl. Auflage

BBl Bundesblatt

Bd. Band

BG Bundesgesetz

BGB Bürgerliches Gesetzbuch vom 18. August 1896 (Deutschland)

BGE Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichtes, Amtliche Samm-lung

BGer Bundesgericht

BGH Bundesgerichtshof (Deutschland)

BJM Basler Juristische Mitteilungen (Basel)

BK Berner Kommentar

BPV Bundesamt für Privatversicherungswesen

XII

BV Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (SR 101)

BVG Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invaliden-vorsorge vom 25. Juni 1982 (SR 831.40)

BZG Bundesgesetz über den Bevölkerungsschutz und den Zivilschutz vom 4. Oktober 2002 (SR 520.1)

bzw. beziehungsweise

dgl. dergleichen

d.h. das heisst

Dig. Digeste

Diss. Dissertation

E. Erwägung

EHG Bundesgesetz über die Haftpflicht der Eisenbahn- und Dampfschifffahrts-unternehmungen und der Schweizerischen Post vom 28. März 1905 (SR 221.112.742)

EleG Bundesgesetz betreffend die elektrischen Schwach- und Starkstromanla-gen vom 24. Juni 1902 (SR 734.0)

ELG Bundesgesetz über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung vom 19. März 1965 (SR 831.30)

f., ff. folgende, fortfolgende

Fn Fussnote

gl.A. gleicher Ansicht

gl.M. gleicher Meinung

GSchG Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer vom 24. Januar 1991 (SR 814.20)

GVA Gebäudeversicherungsanstalt

GVP St. Gallische Gerichts- und Verwaltungspraxis

HAVE Zeitschrift: Haftung und Versicherung

HGer Handelsgericht

Hrsg. Herausgeber

insb. insbesondere

i.S. in Sachen

IVG Bundesgesetz über die Invalidenversicherung vom 19. Juni 1959 (SR 831.20)

i.V.m. in Verbindung mit

XIII

JSG Bundesgesetz über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel vom 20. Juni 1986 (SR 922.0)

JT Journal des Tribunaux (Lausanne)

Kap. Kapitel

KGer Kantonsgericht

KHG Kernenergiehaftpflichtgesetz vom 18. März 1983 (SR 732.44)

KUVG Bundesgesetz über die Krankenversicherung vom 13. Juni 1911, ersetzt durch das KVG

KVG Bundesgesetz über die Krankenversicherung vom 18. März 1994 (SR 832.10)

LFG Bundesgesetz über die Luftfahrt vom 21. Dezember 1948 (SR 748.0)

MG Bundesgesetz über die Armee und die Militärverwaltung vom 3. Februar 1995 (SR 510.10)

MVG Bundesgesetz über die Militärversicherung vom 19. Juni 1992 (SR 833.1)

m.w.H. mit weiteren Hinweisen

N Note (Randnote)

NGF Nationaler Garantiefonds Schweiz

NJW Neue juristische Wochenschrift (München)

Nr. Nummer

NR Nationalrat

NVB Nationales Versicherungsbüro Schweiz

NZZ Neue Zürcher Zeitung

OGer Obergericht

OGH Oberster Gerichtshof (Österreich)

OR Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetz-buches (Fünfter Teil: Obligationenrecht) vom 30. März 1911 (SR 220)

PrHG Bundesgesetz über die Produktehaftpflicht vom 18. Juni 1993 (SR 221.112.944)

Pra Die Praxis des Bundesgerichts (Basel)

recht Zeitschrift für juristische Ausbildung und Praxis (Bern)

RJN Recueil de jurisprudence neuchâteloise

RLG Bundesgesetz über Rohrleitungsanlagen zur Beförderung flüssiger oder gasförmiger Brenn- und Treibstoffe vom 4. Oktober 1963 (SR 746.1)

S. Seite

SchKG Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs vom 11. April 1889 (SR 281.1)

XIV

SGW Sammelstelle Gerichtsentscheide: Haftpflicht- und Versicherungsrecht

SIA Schweizerischer Ingenieur- und Architekten-Verein

SJZ Schweizerische Juristen-Zeitung (Zürich)

SN Schweizer Norm

sog. sogenannt

SprstG Bundesgesetz über explosionsgefährliche Stoffe vom 25. März 1977 (SR 941.41)

SR Systematische Sammlung des Bundesrechts

Sten Bull Stenographisches Bulletin

SUVA Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Luzern)

SVA Entscheidungen schweizerischer Gerichte in privaten Versicherungsstrei-tigkeiten, herausgegeben vom BPV

SVG Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SR 741.01)

SVV Schweizerischer Versicherungsverband

SVZ Schweizerische Versicherungszeitschrift (Bern)

SZS Schweizerische Zeitschrift für Sozialversicherung (Bern)

SZW Schweizerische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zürich)

USG Bundesgesetz über den Umweltschutz vom 7. Oktober 1983 (SR 814.01)

usw. und so weiter

UVG Bundesgesetz über die Unfallversicherung vom 20. März 1981 (SR 832.20)

UWG Bundesgesetz über den unlauteren Wettbewerb vom 19. Dezember 1986 (SR 241)

VAG Bundesgesetz betreffend die Aufsicht über die privaten Versicherungsein-richtungen vom 23. Juni 1978 (SR 961.01)

VE Vorentwurf

VE-Brehm Vorentwurf Brehm

VE HPG Vorentwurf betreffend die Haftpflichtrechtsrevision

VE VVG Vorentwurf betreffend das Versicherungsvertragsgesetz

VersR Versicherungsrecht; Juristische Rundschau für die Individualversicherung (Deutschland)

VersVG Gesetz über den Versicherungsvertrag für das Fürstentum Liechtenstein vom 16. Mai 2001 (215.229.1)

VG Bundesgesetz über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Be-hördemitglieder und Beamten vom 14. März 1958 (SR 170.32)

vgl. vergleiche

XV

VPB Verwaltungspraxis der Bundesbehörden (Bern)

vs. versus = gegen

VVG Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag vom 2. April 1908 (SR 221.229.1)

VVG (D) Gesetz über den Versicherungsvertrag für Deutschland vom 30. Mai 1908

z.B. zum Beispiel

ZBL Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Verwaltungsrecht (Zürich)

ZBJV Zeitschrift des Bernischen Juristenvereins (Bern)

ZGB Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 (SR 210)

Ziff. Ziffer

zit. zitiert

ZK Zürcher Kommentar

ZMR Zeitschrift für Miet- und Raumrecht (Deutschland)

ZR Blätter für Zürcherische Rechtsprechung (Zürich)

ZSR Zeitschrift für Schweizerisches Recht (Basel)

ZWR Zeitschrift für Walliser Rechtsprechung (Sion)

XVI

LITERATURVERZEICHNIS

BECK PETER, Der Regress auf Familienangehörige und Arbeitnehmer, in: Haftpflicht- und Versicherungsrechtstagung, St. Gallen 1995, S. 115 ff. (zit. Beck, Regress).

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BECK PETER, Die Regressbestimmungen des ATSG, in: Schriftenreihe des Instituts für Rechtswissenschaft und Rechtspraxis, Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG), Schaffhauser René/Kieser Ueli (Hrsg.), S. 121 ff., St. Gallen 2003 (zit. Beck, ATSG).

BÖCKLI PETER, Schweizer Aktienrecht, 3. Aufl., Zürich 2004.

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BREHM ROLAND, Entwurf eines revidierten VVG und Kommentar zum VVG-Entwurf, in: HAVE-Tagungsband 2004 „Retouchen oder Reformen?“, Zürich 2004, S. 253 ff. (zit. Brehm, Entwurf).

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XVII

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GAUCH PETER/AEPLI VIKTOR/ STÖCKLI HUBERT, Präjudizienbuch zum OR, Recht-sprechung des Bundesgerichts, Zürich 2002 (zit. Gauch/Aepli/Stöckli).

GAUCH PETER, Das VVG: Immer noch alt und revisionsbedürftig, in: HAVE 2002, S. 62 ff. (zit. Gauch, VVG).

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XXIII

ZUSAMMENFASSUNG

Die vorliegende Dissertation behandelt das Thema „Regress im Schadensausgleichs-

recht“. Das Haftpflichtrecht kann ohne das Versicherungswesen kaum behandelt werden.

Aus diesem Grunde spielt die Privatversicherung auch im Regressrecht eine zentrale

Rolle, was in dieser Arbeit besonders berücksichtigt wird.

Im ersten Teil werden die Grundlagen des Schadensausgleichsrechts dargelegt. Bei der

Erörterung des Haftungssystems wird untersucht, inwieweit die Unterscheidung zwi-

schen der Verschuldens- und der Kausalhaftung noch sinnvoll ist. Das schweizerische

Versicherungssystem wird kurz behandelt. Das Rechtsverhältnis zwischen Geschädigten

und Schadensausgleichspflichtigen wird vom Prinzip der Anspruchskonkurrenz bzw. der

Solidarität bestimmt. Nach der Analyse dieses Grundsatzes wird die Frage einer allfälli-

gen Solidaritätsgrenze diskutiert. Überlegungen zum Rechtsverhältnis Geschädigte -

Leistungspflichtige schliessen den ersten Teil ab.

Den Inhalt des zweiten Teils bilden die Grundlagen des Regressrechts. Es wird zunächst

das Rechtsverhältnis zwischen mehreren Schadensausgleichspflichtigen, also das sog.

Regressverhältnis untersucht. Die historischen Interpretationen der Kaskadenordnung

von Art. 51 Abs. 2 OR und der Subrogationsbestimmung von Art. 72 Abs. 1 VVG zeigt,

dass die Regressordnung de lege lata zu nicht sachgerechten Ergebnissen führt. Dasselbe

Resultat ergibt auch eine rechtsvergleichende Betrachtung. Unter dem Titel „Einschrän-

kungen des Regressrechts“ wird das Quotenvorrecht dargestellt unter besonderer Be-

rücksichtigung der sachlichen Kongruenz in der Sachversicherung. Auch die Fragen des

fiktiven Quotenvorrechts, der Quotenteilung und des Selbstbehaltes bei der Kaskoversi-

cherung werden besprochen. Besteht eine Unterversicherung, so stellt sich die Frage, ob

auch diesfalls das Quotenvorrecht gilt. Als weitere Einschränkung des Regressrechts ist

das Haftungs- bzw. Regressprivileg zu nennen. Diese Problematik wird erörtert, bevor

abschliessend die Regressmöglichkeit freiwillig erbrachter Leistungen des Schadensver-

sicherers geklärt wird.

Im dritten Teil steht der Regress des Privatversicherers im Zentrum. Aufgrund der Wich-

tigkeit der „Gini/Durlemann-Praxis“, welche vom Bundesgericht entwickelt wurde,

nimmt sie in dieser Arbeit eine zentrale Stellung ein. Diese Praxis wird mittels einer

methodischen Interpretation geprüft. In einem nächsten Schritt wird der Regress des

Sachversicherers auf mögliche Haftpflichtige untersucht. In diesem Zusammenhang

stellt sich auch die Frage nach der Regressmöglichkeit auf Arbeitnehmer bzw. Hilfsper-

XXIV

sonen. Unter dem Titel „Besonderheiten des Privatversicherungsrechts“ werden unter

anderem die Koordinationsklauseln der Versicherer einer Synopse unterzogen. Ebenso

fällt in dieses Kapitel die Problematik der Mehrfach- und Doppelversicherung. Mit der

Verjährung und Verrechnung von Regressforderungen wird dieser Teil abgeschlossen.

Im Rahmen einer Schlussbetrachtung werden Reformvorschläge gemacht, um eine Mög-

lichkeit der Konsolidierung des Regressrechts des OR und des VVG aufzuzeigen. Auf-

grund der gewonnenen Erkenntnisse in dieser Arbeit wird unter anderem das integrale

Regressrecht zugunsten des Eigenschadenversicherers vorgeschlagen.

XXV

RÉSUMÉ

La présente thèse a pour sujet "le droit de recours dans le cadre de la répartition des

dommages entre plusieurs responsables". Le droit de la responsabilité civile étant étroi-

tement lié à celui des assurances, la présente thèse mettra l’accent sur le rôle central joué

par l’assurance privée en matière de recours.

La première partie de l’étude présente les principes régissant la répartition des domma-

ges entre plusieurs responsables. Dans le cadre de la description du système de respon-

sabilités, l’étude aborde la question de la distinction opérée par le droit suisse entre les

types de responsabilité pour faute et responsabilités causales et pose la question de la

pertinence d’une telle distinction. Le système suisse de l’assurance est brièvement traité.

Le rapport juridique entre le lésé et les sujets tenus à responsabilité est régi par le prin-

cipe du concours de prétentions, respectivement par celui de la solidarité. Après

l’analyse de ces principes, l’étude aborde la question de la limite de la solidarité. Enfin,

la première partie s’achève sur une réflexion concernant le rapport juridique entre le lésé

et les sujets tenus à prestations.

Le contenu de la deuxième partie expose les principes régissant le droit de recours. En

premier lieu, l’étude examine les rapports juridiques existant entre plusieurs sujets de

responsabilité, c’est-à-dire les rapports régissant les recours. Les interprétations histori-

ques de l’échelle des recours consacrée par l’article 51 al. 1 CO et de la norme de subro-

gation figurant à l’art. 72 al. 1 LCA montrent que la réglementation des recours conduit

de lege lata à des résultats insatisfaisants. Une analyse du droit comparé aboutit au même

résultat. Sous le titre "limitation du droit de recours" l’étude aborde le thème du droit

préférentiel. Ce thème est traité plus particulièrement sous l’angle de la congruence

matérielle dans l’assurance-chose. Les questions du droit préférentiel fictif, du principe

de la répartition proportionnelle et de la franchise dans l’assurance-casco sont aussi

abordées. De même, le présent travail examine la question du droit préférentiel en pré-

sence d’une sous-assurance. En outre, la problématique du privilège de responsabilité,

respectivement du privilège de recours, en tant que facteur de limitation du droit de re-

cours est également présentée. Enfin, cette partie s’achève avec une analyse de la ques-

tion du recours de l’assureur-dommage suite à une prestation effectuée à bien plaire.

Dans la troisième partie l’accent est mis sur le recours de l’assureur privé. En raison de

l’importance de la pratique "Gini-Durlemann", laquelle fut élaborée par le Tribunal fédé-

ral, celle-ci prend dans le cadre de ce travail une place centrale. A l’aide d’une interpré-

XXVI

tation méthodique, cette pratique fait l’objet d’un examen particulier. Dans une phase

ultérieure l’étude se penche sur le recours de l’assureur-chose contre d’éventuels respon-

sables. Dans le cadre de cet examen se pose notamment la question du recours contre

l’employé, respectivement contre un auxiliaire. Sous le titre "Particularités du droit de

l’assurance privée" sont entre autres examinées les clauses de coordination prévues par

les assureurs. La problématique de la double assurance ainsi que celle de l’assurance

multiple sont également regroupées dans ce chapitre. Pour conclure, les questions de la

prescription et de la compensation des prétentions récursoires sont également dévelop-

pées.

Dans le cadre de considérations finales des propositions de réforme sont présentées,

destinées à consolider le droit de recours tel que prévu dans le CO ainsi que dans la

LCA. Fort des connaissances acquises au long de cette étude, l’auteur propose de consa-

crer le droit de recours intégral de l’assureur-dommage.

1

Einleitung

Dem Haftpflicht- und Versicherungsrecht ist das Regressrecht immanent. Rein chrono-

logisch betrachtet, steht der Regress bei einer Falllösung am Schluss. Man ist deshalb

versucht, dieser Thematik erst zu einem späten Zeitpunkt die erforderliche Beachtung zu

schenken. Wird hingegen die Regressproblematik zu Beginn eines Falles bedacht, kann

in taktischer Hinsicht viel gewonnen werden.

Das Regressrecht ist seit der Konzeption von Art. 51 Abs. 2 OR durch EUGEN HUBER

mehr oder weniger ein Zankapfel, und ebenso hat sich in der Praxis gezeigt, dass die

heutige gesetzliche Vorgabe schwierig zu handhaben ist. Überdies führt der (gescheiter-

te) Rückgriff oft zu unbefriedigenden Ergebnissen. Die schwankende bundesgerichtliche

Rechtsprechung trägt zur Klärung wenig bei. Daran hat sich bis dato nichts geändert,

weshalb sich eine genauere Betrachtung diesbezüglich durchaus lohnt, wenn nicht sogar

aufdrängt.

Eine Änderung des Regressrechts erhoffte man sich durch die Totalrevision des Haft-

pflichtrechts. Diese endete bekanntlich mit der Vernehmlassung des Vorentwurfs der

Kommission Widmer/Wessmer.1 Der neu zusammengesetzte Bundesrat (2004) hat bei

der Festlegung des Legislaturprogramms das Vorhaben der Totalrevision des Haft-

pflichtrechts aus der Traktandenliste gestrichen. Laut des Bundesamts für Justiz bedeutet

dies, dass in den nächsten 4 Jahren der VE HPG nicht weiter verfolgt wird und somit die

anstehende Revision an sich „beerdigt“ ist. Dieser Entscheid wird von vielen Seiten

bedauert. Etwas Hoffnung besteht nun vor allem in der Hinsicht, dass in künftigen Teil-

revisionen anderer Gesetze gewisse Problempunkte revidiert werden können. Zu denken

ist etwa an die VVG-Totalrevision. Eine Kommission2 wurde dazu beauftragt, einen

Vorentwurf auszuarbeiten. Die Frist war ursprünglich auf Ende 2004 gesetzt, wurde aber

vom Bundesrat um ein Jahr verlängert.3 Überdies liegt schon ein Entwurf von Roland

1 Im Folgenden: VE HPG, abrufbar unter: <http://www.ofj.admin.ch/bj/de/home/themen/wirtschaft/ gesetz-gebung/haftplicht.html> (besucht am 12. Dezember 2005).

2 Sog. Kommission Schnyder. Eine Totalrevision des VVG dürfte erfahrungsgemäss etwa 5–6 Jahre in Anspruch nehmen. Der aktuelle Stand kann auch aus den Schreiben des BPV entnommen werden; vgl. da-zu <http://www.finweb.admin.ch/pdf_neue_neue_Version/PDF-d/FS-TotalrevisionVVG_BPV_d.pdf > (besucht am 12. Dezember 2005). Nach Auskünften der Expertenkommission wird jedoch der Entwurf nicht vor Juni 2006 vorliegen.

3 Aus diesem Grunde kann der VE VVG leider in dieser Arbeit nicht berücksichtigt werden.

2

Brehm vor, der im Auftrag der Schweizerischen Gesellschaft für Versicherungsrecht

erstellt wurde.4

Dies bedeutet für die vorliegende Arbeit, dass der VE HPG nicht berücksichtigt wird.

Vielmehr wird das Hauptaugenmerk auf die Totalrevision des VVG gerichtet. Dabei

geht es vordergründig um die Regressstellung des Privatversicherers, sei es als Eigen-

schadens- oder als Haftpflichtversicherer.

Wegen der Solidarität5 im Aussenverhältnis kommt es regelmässig zur Überbeanspru-

chung eines Solidarschuldners. Der Ausgleich wird im Innenverhältnis mittels Regresse

gesucht. So wird der Regress als Korrekturinstrument eingesetzt, um zu billigen und

rechtmässigen Resultaten zu gelangen. Die vorliegende Dissertation handelt von diesem

Innenverhältnis bzw. vom Regress, und zwar unter besonderer Berücksichtigung der

Stellung des Privatversicherers im schweizerischen Regresssystem. Dabei wird das Aus-

gleichssystem im Sozialversicherungsrecht, welches neu im ATSG geregelt ist, nur so

weit behandelt, wie es entweder auf die Regresse im Privatrecht Auswirkungen zeitigt

oder deren Auslegung dienlich ist.

Es wird von der These ausgegangen, dass die heutige „Gini/Durlemann-Praxis“, welche

aus dem Bundesgerichtsentscheid 80 II 247 ff.6 abgeleitet wird, der Rechtsstellung des

Privatversicherers im Ausgleichssystem nicht gerecht wird. Dies wirkt sich auch auf den

Geschädigten aus. Um diese These zu überprüfen, werden in einem ersten Teil die

Grundlagen des Schadensausgleichsrechts dargestellt. Im zweiten Teil werden die

Grundlagen des Regressrechts erörtert, um dann anschliessend im dritten Teil den Re-

gress des Privatversicherers zu analysieren. Im Rahmen einer Schlussbetrachtung wer-

den Vorschläge für allfällige Gesetzesrevisionen gemacht.

4 Dieser Entwurf ist inkl. Kurzkommentar abgedruckt in: HAVE-Tagungsband „Retouchen und Refor-men?“, Zürich 2004, S. 253 ff.; im Folgenden VE-Brehm.

5 Zur Begriffserklärung m.w.H. vgl. hinten § 2 I 1. 6 Pra (44) 1955, Nr. 18.

3

I. Teil: Grundlagen des Schadensausgleichsrechts

§ 1. Schadensausgleichssysteme

I. Haftungssystem

1. Privatrechtliche Haftung

A. Allgemeines

Das Haftpflichtrecht bezweckt die Ausgleichung von zugefügten Schädigungen. Bereits

im römischen Recht ist ein Ausgleichssystem zu finden. Neben dem Grundsatz casum

sentit dominus galt schon damals als Gegenstück dazu ein culpa-orientiertes Delikts-

recht.7 Mit Einführung der Kausal- und später der Gefährdungshaftung8 wurde das reine

culpa-Prinzip aufgegeben.

Je nachdem aus welchem Rechtsverhältnis der Schadenersatzanspruch abgeleitet wird,

sind unterschiedliche Voraussetzungen erforderlich, die erfüllt sein müssen. Der Begriff

„Haftpflichtrecht“ wird regelmässig als Oberbegriff der ausservertraglichen Haftung

verstanden. Darunter ist aber auch die Haftung aus Vertrag zu zählen.9 Während bei der

ausservertraglichen Haftung irgendein Dritter in die subjektiven Rechte eines Rechtssub-

jektes eingreift und dadurch eine Obligation aus unerlaubter Handlung mit dem Geschä-

digten begründet, besteht bei der Vertragshaftung bereits vor der schädigenden Handlung

ein Rechtsverhältnis inter partes.

Als erste grosse Unterteilung des Haftpflichtrechtes ist die Unterscheidung in privat-

rechtliche und in öffentlich-rechtliche Normen zu nennen. Im Privatrecht gilt es weiter,

ausservertragliche und vertragliche Haftungsnormen auseinander zu halten. Gestützt auf

Art. 61 Abs. 1 OR existieren im öffentlichen Bereich neben den Bundesgesetzen auch

kantonale Bestimmungen. Die Kantone sind jedoch nur für den Bereich der hoheitlichen

Handlungen legitimiert, eigene Bestimmungen zu erlassen; betreffend gewerbliche Ver-

richtungen, also dort, wo der Staat dem Geschädigten gleichgeordnet ist, besteht nach

7 Rey, N 18 ff. 8 Vgl. hinten § 1 I B. 9 Vgl. etwa Oftinger/Stark, I, § 1 N 5; Rey, N 3 f.; Roberto, Haftpflichtrecht N 9; Rumo-Jungo, Haftpflicht,

N 89 ff.

4

Art. 61 Abs. 2 OR keine Gesetzgebungskompetenz, weshalb in diesem Bereich die Be-

stimmungen des OR gelten.10

Im Folgenden werden die verschiedenen Haftungsansprüche lediglich summarisch dar-

gestellt, um bei der späteren Auseinandersetzung in concreto darauf zurückgreifen zu

können.

B. Deliktshaftung

i. Allgemeines

In der Deliktshaftung gemäss Art. 41 ff. OR unterscheidet man gemeinhin zwischen der

Verschuldens- und der Kausalhaftung.11 Letztere lässt sich weiter in eine einfache und

eine strenge Kausalhaftung, die Gefährdungshaftung, unterteilen. Bei gewissen einfa-

chen Kausalhaftungen besteht für den Verursacher die Möglichkeit, einen Entlastungs-

beweis, Exzeptions-, oder auch Sorgfaltsbeweis genannt, zu erbringen. Diese Entlas-

tungsmöglichkeit gilt beispielsweise bei der Tierhalterhaftung nach Art. 56 OR, bei der

Geschäftsherrenhaftung gemäss Art. 55 OR oder bei der Haftung des Familienhauptes

nach Art. 333 ZGB, nicht aber bei der Werkeigentümerhaftung im Sinne von Art. 58

OR, welche als „strengste Kausalhaftung“12 bezeichnet wird. Die Gefährdungshaftung

knüpft an eine gefährliche Tätigkeit oder Anlage an. Das daraus resultierende Risiko ist

zwar sozialpolitisch gebilligt, jedoch unter eine Gefährdungshaftung gestellt, meistens

kombiniert mit einem Versicherungsobligatorium und einem direkten Forderungsrecht.

Dadurch werden allfällige sich aus der Gefährdung ergebende Folgen abgemildert.

Diese Unterscheidung ist nicht unbestritten. So wird von einem Teil der Lehre aus der

Möglichkeit der Erbringung des Sorgfaltsbeweises abgeleitet, dass es sich hierbei um

eine Verschuldenshaftung mit Beweislastumkehr handle.13

10 Statt aller: Roberto, Haftpflichtrecht, N 527. 11 Vgl. etwa Oftinger/Stark, I, § 1 N 114 ff.; Rey, N 57 ff. 12 Urteil des BGer vom 2. März 2005, 4C.386/2004, E. 2.2. 13 Roberto, Haftpflichtrecht, N 35 f. m.w.H.

5

ii. Rechtsnatur des Haftungsanspruchs

Der Haftungsanspruch aus Delikt ist ein privatrechtlicher Anspruch, da zwischen dem

Schädiger und dem Geschädigten durch den Eingriff in die subjektiven Rechte eine

Obligation bzw. ein Schuldverhältnis14 entsteht. Sind die Haftungsvoraussetzungen15

erfüllt, so kann der Anspruch nach den zivilprozessrechtlichen Grundsätzen und/oder

dem SchKG durchgesetzt werden.

iii. Verhältnis zwischen Verschuldens- und Kausalhaftung

In der Doktrin ist das Verhältnis zwischen der Verschuldenshaftung als Grundtatbestand

und der Kausalhaftung als Spezialtatbestand seit jeher umstritten. Es stellt sich nämlich

die Frage nach der anwendbaren Norm, d.h., ob neben einer Haftung aus Gesetz unter

Umständen alternativ eine Verschuldenshaftung angerufen werden kann. Während ein

Teil der Doktrin dem Grundsatz der Ausschliesslichkeit, auch Exklusivität genannt, den

Vorzug gibt,16 verficht ein anderer Teil den Grundsatz der Alternativität, auch Konkur-

renz genannt.17 Im ersten Fall schliesst ein Haftungsgrund den anderen aus, nach dem

Grundsatz lex specialis derogat legi generali. Im zweiten Fall kann der eine oder der

andere Haftungsgrund geltend gemacht werden. Diese Frage ist vor allem wegen der

„Gini/Durlemann-Praxis“18 von Bedeutung.

Die Verfechter der Alternativität führen zu Recht aus, dass es verwirrend wäre, wenn

eine Sonderbestimmung, die eine Kausalhaftung vorsieht und somit per definitionem die

Rechtslage des Opfers verbessern wollte, letztlich im Regress zu deren Verschlimme-

rung führte.19 Selbst die Vertreter des Ausschliesslichkeitsprinzips schreiben diesem

lediglich eine relative Tragweite zu und argumentieren, dass das Spezialgesetz nur so-

14 Hier ist das Schuldverhältnis in Sinne der Summe der Verpflichtungen zwischen Privaten gemeint, welche auf einen bestimmten Rechtsgrund zurückgehen. Vgl. zum Ganzen etwa Wiegand, S. 85 ff.

15 Rechtswidrigkeit, Kausalzusammenhang, Schaden und je nachdem Verschulden oder Misslingen des Sorgfaltsbeweises.

16 So etwa Oftinger/Stark, II/1, § 19 N 21 f.; Schnyder, OR I, Art. 58 N 3 f. 17 Vgl. etwa BK-Brehm, Art. 51 N 55 f.; Keller/Gabi, 145; Maurer, Harmonisierung, S. 106; Oswald, S. 30;

so bereits Hartmann, S. 63; ebenso BGE 107 II 496. 18 BGE 80 II 247 ff. = Pra (44) 1955, Nr. 18. Bei diesem Entscheid wurde die Praxis entwickelt, den Scha-

densversicherer in die mittlere Stufe der Kaskade von Art. 51 Abs. 2 OR zu stellen und ihm den Regress-anspruch gegen Vertragshaftende lediglich bei grobfahrlässiger Handlung zu gewähren; für weitere Ein-zelheiten vgl. hinten § 9 I ff.

19 So etwa Portmann, SVZ, S. 35 m.w.H.

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weit Vorrang vor der allgemeinen Bestimmung haben solle, als es die Haftungsbedin-

gungen verschärfe.

In BGE 80 II 247 ff. stellte das Bundesgericht fest, dass dort, wo ein Tatbestand von Art.

55 OR erfasst wird, allein diese Vorschrift anwendbar sei und nicht parallel dazu Art. 41

OR tangiert werde. Dem wird zum Teil entgegengehalten, dass dessen ungeachtet einem

Geschäftsherrn ein Verschulden angelastet werden könne, wenn sein persönliches Ver-

halten als schuldhaft zu qualifizieren sei.20

Der BGE 108 II 55 ff. wird regelmässig von den Gegnern des Konkurrenzprinzips he-

rangezogen, indem sie es so auslegen, dass ein allfälliges Verschulden des Werkeigen-

tümers als zusätzliches Verschulden zu betrachten sei und damit das Bundesgericht still-

schweigend die Exklusivität von Art. 58 OR als Spezialnorm bejaht habe. Dieses Urteil

kann nach meinem Dafürhalten aber auch anders gelesen bzw. interpretiert werden,

zumal das Bundesgericht ausführt, dass es z.B. bei der Kollision von Motorfahrzeug-

und Tierhalterhaftung üblich sei, von einer Aufteilung des Schadens im Verhältnis 2:3

bis 1:3 zulasten des Motorfahrzeughalters auszugehen. Werde zum Werkmangel ein

zusätzliches Verschulden des Werkeigentümers in Betracht gezogen, so rechtfertige es

sich, diesen mit zwei Dritteln des Schadens zu belasten. Daraus kann ebenso gut die

Bekennung zur Alternativität gefolgert werden.

Im BGE 107 II 496 erwähnt das Bundesgericht – der Vollständigkeit halber, wie es an-

merkt –, dass im Fall der Kausalhaftpflicht mit der Frage des Regresses nach Art. 72

Abs. 1 VVG und Art. 51 Abs. 2 OR jeweils zu prüfen sei, ob dem Kausalhaftpflichtigen

zusätzlich ein Verschulden angelastet werden könne. Treffe dies zu, stehe dem Versiche-

rer, der Entschädigungsleistungen erbracht hat, der Rückgriff auf den Haftpflichtigen zu.

In diese Richtung ging das Bundesgericht auch schon im BGE 104 II 28.

In der Methodenlehre findet man überdies die Auffassung, dass dem Spezialitätsgrund-

satz nicht unkritisch-mechanisch begegnet werden dürfe. Vielmehr müsse ein sog. Güns-

tigkeitsvergleich angestellt werden.21 Aufgrund dieser Aussage und der obigen Ausfüh-

rungen ist meines Erachtens Folgendes festzustellen: Nach der bundesgerichtlichen

Rechtsprechung vergrössert sich die Haftungsquote, wenn den Werkeigentümer auch

zusätzlich ein Verschulden trifft. Daraus lässt sich ableiten, dass es eine Differenzierung

20 Vgl. statt vieler: Oftinger, Bemerkungen, S. 172, wo er zudem festhält, dass es schwer einzusehen sei, dass in casu Gini nicht ebenfalls ein Verschulden treffe usw.

21 So etwa Kramer, S. 113 ff. m.w.H.

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zwischen der Kausalhaftung als solcher und der Verschuldenshaftung gibt. So war die

Absicht des Gesetzgebers, durch die Schaffung von Spezialtatbeständen die Haftpflicht

der Verursacher zu verschärfen. Die ratio legis liegt demnach in einer Besserstellung des

Opfers, nicht aber in einer Diskriminierung des subrogierenden22 Leistungspflichtigen.

Somit wäre es nicht richtig, wenn beispielsweise ein Sachversicherer nicht auf einen

Werkeigentümer Regress nehmen könnte, wenn diesem kein zusätzliches Verschulden

im Sinne von Art. 41 OR vorwerfbar wäre. Es ist anzunehmen, dass selbst die Vertreter

der Exklusivität nicht an das Regressverhältnis dachten, sondern lediglich den Anspruch

des Geschädigten in Betracht gezogen haben.23

In der Lehre wird eine neue Theorie für die systematische Einstufung vertreten: Die Idee

liegt darin, dass die speziellen Haftungstatbestände des OR als Haftungen für vermutete

Sorgfaltspflichtverletzungen qualifiziert werden.24 Dadurch werden diese Tatbestände als

vermeintliche reine Kausalhaftungen dargestellt, da aufgrund dieser Auffassung auch die

Kausalhaftungen unter die Verschuldenshaftung fallen. Somit handelt es sich um eine

Verschuldenshaftung mit Beweislastumkehr.25 Bei der Tierhalter- und bei der Geschäfts-

herrenhaftpflicht ist von einer erforderlichen Sorgfalt die Rede. Anders bei der Werkei-

gentümerhaftung, bei welcher nach dem Wortlaut des Gesetzes die Sorgfalt nicht als

Voraussetzung gilt. SCHWENZER führt insbesondere ins Feld, dass jede Haftpflicht, eben

auch jene des Werkeigentümers, auf mangelhafter Sorgfalt beruhe, was faktisch einem

Verschulden gleichkomme.26 In diese Richtung geht auch die bundesgerichtliche Recht-

sprechung, insbesondere im Zusammenhang mit der Verkehrssicherungspflicht bei Ski-

pisten. In mehreren neueren Urteilen führt das Bundesgericht aus, es könne offen blei-

ben, auf welche Grundlage sich der Haftpflichtanspruch stütze. Vielmehr sei von Interes-

se, ob die Skipiste den massgebenden Sicherungsanforderungen entsprach.27 Indem im

Weiteren jeweils auch die Verhältnismässigkeit und die Zumutbarkeit vorausgesetzt

werden, geht die Rechtsprechung des Bundesgerichts in Richtung Zurechnung von Sorg-

22 Vgl. hinten § 2 I B. 23 Im Ergebnis gl.M. Kramer, S. 117 f. 24 Roberto, Haftpflichtrecht, N 296, 424, 554; Roberto, Verschuldenshaftung und einfache Kausalhaftungen:

eine überholte Unterscheidung?, in: AJP 2005, S. 1325 ff.; Schwenzer, N 49.09; Honsell, Haftpflicht, § 1 N 23.

25 Roberto, Haftpflichtrecht, N 35. 26 Schwenzer, N 49.09; a.M. Honsell, Haftpflicht, § 1 N 23. 27 BGE 130 III 195 f.; 126 III 116 = Pra (89) 2000, Nr. 185; vgl. ferner auch BGE 131 III 116 f., wonach die

Frage, ob es sich bei der Tierhalterhaftung um eine gewöhnliche Kausalhaftung mit Befreiungsmöglichkeit oder um eine Verschuldenshaftung mit umgekehrter Beweislast handle, kaum praktische Bedeutung habe.

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faltspflichten, welche wiederum lediglich beim Element Verschulden eingeordnet wer-

den können.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass aufgrund der neueren Lehre und Rechtspre-

chung die Unterscheidung zwischen einfacher Kausal- und Verschuldenshaftung im

Ergebnis zu Makulatur wird. Für die Einstufung der einfachen Kausalhaftung in die

Regresskaskade von Art. 51 Abs. 2 OR müsste dies infolgedessen zur Konsequenz ha-

ben, dass Vertragshaftende auch auf einfache Kausalhaftende Regress nehmen könnten.

Dieser Feststellung steht jedoch die „Gini/Durlemann-Praxis“ und der Wortlaut von Art.

51 Abs. 2 OR entgegen.28

C. Vertragshaftung

i. Allgemeines

Mit der Vertragshaftung im Sinne des Haftpflichtrechtes sind die Tatbestände der positi-

ven Vertragsverletzung, auch nichtgehörige Erfüllung genannt, sowie die Verletzung von

Nebenpflichten wie Sorgfalts-, Treue- und Schutzpflichten gemeint.29 Der eine Kontra-

hent wird bei der Vertragserfüllung durch den Vertragspartner oder durch eine mangel-

hafte Sache bzw. einen Werkmangel in seinem Eigentum oder in seiner Integrität verletzt

und dadurch geschädigt.

Die Haftung richtet sich nach dem Grundtatbestand von Art. 97 OR. Nicht darunter zu

subsumieren sind etwa die Verzugsregeln, die Nichterfüllung bzw. die Unmöglichkeit

oder die Gewährleistung aus Kauf- und Werkvertrag.

ii. Rechtsnatur des Haftungsanspruchs

Zwischen der Vertragshaftung und der Deliktshaftung besteht Anspruchskonkurrenz.30

Der Vorteil der Vertragshaftung liegt bekanntlich in der Verschuldensvermutung mit

Exkulpationsmöglichkeit und in den längeren Verjährungsfristen. Dadurch erklärt sich

28 Für weitere Ausführungen vgl. hinten § 9. 29 Vgl. dazu Wiegand, S. 85 ff. 30 Statt vieler: Bucher, S. 337.

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auch die „Flucht ins Vertragsrecht“, wie manchmal in der Lehre31 das Aufkommen der

Vertrauenshaftung32 genannt wird.

Für den vorvertraglichen Bereich gilt das Rechtsinstitut der von RUDOLF VON JHERING

entwickelten culpa in contrahendo.33 Auch hier ist höchst umstritten, ob der Anspruch

ausservertraglicher oder vertraglicher Natur ist.34 In dieser Arbeit wird nicht näher auf

diese Problematik eingegangen.

2. Staatshaftung

Die Haftung des Bundes für den Bereich der hoheitlichen Tätigkeit wird durch Art. 146

BV bestimmt, worin eine Kausalhaftung für widerrechtliche Schädigung vorgesehen ist.

Ebenso ist auch in den meisten Kantonsverfassungen eine Staatshaftung verankert.35

Sodann enthält Art. 61 Abs. 1 OR eine Gesetzgebungskompetenz zugunsten der Kantone

und des Bundes. Für den Bund gilt grundsätzlich das VG. Vom Geltungsbereich des VG

sind hingegen gemäss Art. 1 Abs. 2 VG die Angehörigen der Armee mit Bezug auf ihre

militärische Stellung und ihre dienstlichen Pflichten ausgenommen. Die Haftung richtet

sich diesfalls nach Art. 60 ff. BZG. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von weiteren

Haftungsbestimmungen des Bundes, wie namentlich die Umwelthaftung nach Art. 59a

USG oder ferner die subsidiäre Haftung des Bundes im Sinne von Art. 16 Abs. 1 KHG.36

Praktisch alle Kantone haben von ihrer Kompetenz Gebrauch gemacht und eigene

Staatshaftungsgesetze erlassen. Die meisten Kantone und auch der Bund haben sich für

das System der Kausalhaftung entschieden.37

Tritt der Staat nicht hoheitlich, sondern gewerblich auf,38 so kommen laut Art. 61 Abs. 2

OR die Haftpflichtbestimmungen des OR und des ZGB zur Anwendung. Von Bedeutung

31 Roberto, Haftpflichtrecht, N 275. 32 Vgl. zu diesem Rechtsinstitut etwa Walter, Vertrauenshaftung im Umfeld des Vertrages, in: ZBJV 1996,

S. 273; Kuzmic, „Haftung aus Konzernvertrauen“, Diss. Zürich 1998. 33 Bucher, S. 277 ff. m.w.H. 34 Vgl. zu diesem Rechtsinstitut etwa Roberto, Haftpflichtrecht, N 283, 569; Bucher, S. 277 ff.; Guhl/Koller,

§ 13 N 2 ff. 35 Gross, Staatshaftung, S. 19. 36 Es kann nicht weiter auf die einzelnen besonderen Haftungen des Bundes eingegangen werden; für eine

umfassende Darstellung vgl. Gross, Staatshaftung, S. 24 ff. 37 Für Einzelheiten vgl. statt vieler: Gross, Staatshaftung, S. 55 ff. 38 Die Abgrenzung zwischen privat- und öffentlich-rechtlicher Haftung des Gemeinwesens bereitet unter

Umständen Mühe; vgl. dazu Gross, Staatshaftung, S. 111 ff.

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sind diesbezüglich die folgenden Tatbestände: die Geschäftsherrenhaftung nach Art. 55

OR, die Tierhalterhaftung nach Art. 56 OR, die Werkeigentümerhaftung nach Art. 58

OR, die auch für Strassen gilt, die Haftung des Anstaltsinhabers nach Art. 333 ZGB und

die Grundeigentümerhaftung nach Art. 679 ZGB. Die Unterscheidung in öffentlich-

rechtliche und privatrechtliche Haftungsnormen ist vor allem bezüglich der unterschied-

lichen Verfahrenswege39 und der Einstufung in die Regresskaskade von Bedeutung.

II. Versicherungssystem

1. Privatversicherung

A. Allgemeines

Im Versicherungssystem ist das Solidaritätsprinzip verankert.40 Zahlreiche Personen

schliessen sich durch Zahlung einer Prämie zu einer Gefahren- oder Risiko- bzw. einer

Versichertengemeinschaft zusammen. Dabei steht die Prämienhöhe in Relation zur Höhe

des versicherten Risikos. Aus volkswirtschaftlicher Sicht liegt eine Umverteilung von

Volksvermögen vor, wenn Prämiengelder einem oder mehreren Versicherten bei Eintritt

eines versicherten Ereignisses zukommen.41

In der Privatassekuranz können die unterschiedlichsten Risiken und Objekte bzw. Sub-

jekte versichert werden. Bei den Sachversicherungen etwa Gebäude, Hausrat, Wertsa-

chen, Geschäftsinventar, Motorfahrzeuge usw., bei den Personenversicherungen Hei-

lungskosten, Arbeitsunfähigkeit, Erwerbsunfähigkeit, Tod usw. und bei den Vermögens-

versicherungen Befriedigung oder Abwehr von Schadenersatzforderungen, Reisezwi-

schenfall, Rechtsschutz usw.

B. Rechtsnatur des Privatversicherungsverhältnisses

Das Versicherungsverhältnis zwischen einer natürlichen oder juristischen Person und

einer Versicherungsgesellschaft entsteht durch Abschluss eines Vertrages gemäss den

39 Vgl. dazu und zum Rechtswidrigkeitsbegriff im Besonderen: Roberto, Haftpflichtrecht, S. 151 ff. 40 Maurer, PVR, S. 41. Dieser Grundsatz gilt nicht für alle Versicherungsgebiete in gleichem Ausmass; nicht

so ausgeprägt ist die Solidarität beispielsweise im Bereich der beruflichen Vorsorge. 41 Vgl. dazu auch Maurer, PVR. S. 43 f.

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Bestimmungen von Art. 1 ff. VVG und ergänzend, im Sinne der Subsidiarität gemäss

Art. 100 VVG, auch gemäss den Bestimmungen von Art. 1 ff. OR. Daraus ergibt sich

grundsätzlich die aus Art. 19 OR resultierende Vertrags- bzw. Abschlussfreiheit, mit

gewissen Einschränkungen oder Auflagen: so etwa durch die Aufsicht des Bundes ge-

mäss VAG oder durch die zwingenden Bestimmungen des VVG.42 Zudem setzt das

Kartellrecht gewisse Schranken.

Der Versicherungsvertrag ist grundsätzlich im VVG geregelt, wobei nicht jeder Versi-

cherungsvertrag dem VVG untersteht. Der sachliche Geltungsbereich ist in Art. 101

VVG – mittels eines Negativkataloges – festgehalten. Für jene Rechtsverhältnisse, wel-

che nicht unter den Anwendungsbereich des VVG fallen oder für die das VVG keine

Vorschriften enthält, gilt nach Art. 101 Abs. 2 VVG bzw. Art. 100 VVG subsidiär das

OR. Betreffend die Auslegung von Versicherungsverträgen gelten neben Art. 33 VVG

die allgemein für das Privatrecht von Lehre und Rechtsprechung entwickelten Rechts-

grundsätze und Auslegungsmethoden. Sie werden hier nicht weiter dargelegt.43

2. Sozialversicherung

A. Allgemeines

Die einzelnen Sozialversicherungszweige gründen einerseits auf den jeweiligen Bundes-

und Kantonsgesetzen und andererseits auf dem ATSG. Am 1. Januar 2003 ist das ATSG

in Kraft getreten mit dem Ziel, bestimmte Sozialversicherungszweige zu vereinheitli-

chen. So gesehen ist das ATSG ein Rahmengesetz. Dies ergeht aus Art. 2 ATSG, wo-

nach die Bestimmungen des ATSG auf bundesgesetzlich geregelte Sozialversicherungen

anwendbar sind, soweit die einzelnen Sozialversicherungsgesetze es vorsehen und keine

Spezialbestimmungen enthalten.

Die Sozialversicherungsgesetze decken die wirtschaftlichen Folgen von eingetretenen

Risiken, welche etwa die Folgenden sind: Krankheit (IVG, KVG, UVG, BVG), Unfall

(IVG, UVG, MVG, KVG, BVG), Arbeitslosigkeit (AVIG), Alter (AHVG, BVG), Tod

(IVG, UVG, MVG, BVG), fehlende Existenzmittel (ELG) usw.

42 Aufgelistet in Art. 97 Abs. 1 VVG. 43 Vgl. für Einzelheiten etwa Kramer, S. 47 ff.

12

B. Rechtsnatur des Sozialversicherungsverhältnisses

Das Rechtsverhältnis zwischen den versicherten Personen und den Trägern der Sozial-

versicherung ist dem öffentlichen Recht zuzuordnen.44 Die Rechtsbeziehungen werden

einerseits durch das Gesetz oder durch einen sog. Typenvertrag, beispielsweise geregelt

in Art. 59 UVG, begründet. Einzelne Zweige – wie UVG, KVG, BVG – sehen Auffang-

einrichtungen, namentlich in Form von Ersatzkassen, so etwa Art. 72 UVG, vor. Sodann

ist eine freiwillige Versicherungsunterstellung möglich, vorgesehen beispielsweise in

Art. 4 f. UVG.

Es kommen die allgemeinen Verfassungsgrundsätze zur Anwendung: so das Legalitäts-

prinzip, das Gebot von Treu und Glauben, der Grundsatz der Verhältnismässigkeit, die

Gewährung des rechtlichen Gehörs, die Rechtsgleichheit und teilweise auch die Offizi-

almaxime gemäss Art. 43 ATSG. Die meisten Sozialversicherungsträger, sog. Verwal-

tungen, regeln den Einzelfall mit der versicherten Person bei gewichtigen Entscheiden

mittels Verfügung. Eine Ausnahme bildet der Leistungsentscheid der beruflichen Vor-

sorgeeinrichtung.

Das Verfahrensrecht richtet sich grundsätzlich nach den Art. 34 ff. ATSG. Solange das

Verfahrensrecht im ATSG nicht abschliessend geregelt ist, kommt im Sozialversiche-

rungsverfahren gemäss Art. 55 Abs. 1 ATSG subsidiär das VwVG zur Anwendung.

Ebenfalls nach Art. 61 ATSG richtet sich das Verfahren vor dem kantonalen Versiche-

rungsgericht nach kantonalem Recht. Das kantonale Recht wird aber von einem grösse-

ren Katalog von Verfahrensregeln, welche in Art. 61 lit. a–i ATSG geregelt sind, be-

stimmt.45

44 Locher, § 1 N 37. 45 Vgl. dazu etwa Freivogel, S. 112 ff.

13

§ 2. Rechtsverhältnis zwischen Geschädigten und Schadensaus-

gleichspflichtigen

I. Rechtsverhältnis zwischen dem Geschädigten und dem Haftpflichtigen

1. Anspruchskonkurrenz/Solidarität

A. Echte und unechte Solidarität

Das gemeinsame Einstehen für eine Gesamtschuld46 gegen aussen – das sog. Aussenver-

hältnis – war bereits im römischen Recht verankert.47 Als eine Art „ungeschriebener

Rechtssatz“ wurde die Solidarität überliefert.48 Die solidarische Haftung einer Mehrheit

wurde sodann von OFTINGER49 als ungeschriebener Fundamentalsatz des Haftpflicht-

rechts bezeichnet. Die Solidarität kann durch Willenserklärung oder ex lege entstehen.

Heute ist im schweizerischen Privatrecht an verschiedensten Orten die Solidarität gesetz-

lich verankert.50 Entsteht ein solches Solidarschuldnerverhältnis, wird auch von einem

gesetzlichen Schuldverhältnis gesprochen.51 Aufgrund der Systematik des OR unter-

scheidet das Bundesgericht zwischen echter und unechter Solidarität.52 Bezüglich des

Haftpflichtrechts setzt die echte Solidarität ein gemeinsames Verschulden voraus, bei

Haftung aus verschiedenen Rechtsgründen liegt gemäss Art. 51 Abs. 2 OR Anspruchs-

konkurrenz bzw. unechte Solidarität vor.53

Im Sinne der Solidarität entsteht eine Gemeinschaft der Haftpflichtigen, die sog. Solidar-

schuldnergemeinschaft. Davon gilt es allfällige neutrale Leistungspflichtige54 zu unter-

scheiden, welche neben dieser Haftungsgemeinschaft unter Umständen dazugehören.

Primär sind darunter Versicherungen zu zählen, insbesondere Eigenschadensversiche-

46 Im Folgenden wird hauptsächlich von "Solidarität" gesprochen. Dabei geht es nicht um die Solidarität im volkswirtschaftlichen Sinne betreffend etwa die Sozialversicherungen.

47 Dazu auch Nobel, S. 104. 48 So etwa Oftinger, I, S. 337; Rey, N 1404 m.w.H. 49 Oftinger, I, S. 337. 50 So etwa in Art. 143 ff. OR, Art. 506 OR, Art. 544 Abs. 3 OR, Art. 568 Abs. 1 OR, Art. 603 Abs. 1 ZGB,

Art. 60 Abs. 1 SVG usw. 51 Schaer, Grundzüge, N 521 mit Bezugnahme auf die deutsche Lehre. Weitergehend dazu etwa Wiegand, S.

85 ff. 52 BGE 119 II 131, 115 II 45, 112 II 143, 104 II 229 ff.; gegen diese Unterscheidung etwa Keller, Haftpflicht

II, S. 176 f. 53 Statt vieler: Bucher, S. 498 f. 54 Schaer, Grundzüge, N 472 ff., spricht in diesem Zusammenhang von Gemeinschaft der Ersatzpflichtigen;

in diesem Sinne auch Oftinger/Stark, I, § 11 N 65; vgl. dazu hinten § 9 III.

14

rungen55. Hier geht es primär um die Frage, ob die Versicherungsleistungen kumuliert

werden dürfen oder nicht. Wenn nicht, dann gilt es in einem zweiten Schritt die Leistun-

gen – unter Berücksichtigung der Überentschädigungsgrenze – zu koordinieren. Es wird

also eine Koordinationsgemeinschaft gebildet. Um diese Schicksalsgemeinschaft zu

regeln, existieren zahlreiche Instrumente: Zu denken ist beispielsweise an das Quoten-

vorrecht oder das Regressprivileg usw. BREHM hingegen vertritt die Ansicht, dass zwi-

schen den Versicherungen und den Haftpflichtigen überhaupt keine Solidarität bestehe,

dies mangels Identität des Schadens.56 Diese Lehrmeinung übersieht meines Erachtens,

dass die vertragliche Leistungspflicht des Versicherers exakt der Schadenhöhe ent-

spricht, sofern die versicherte Summe nicht überschritten wird. Das Regressrecht des

Versicherers ist ohnehin unbestritten, weshalb dieser Auseinandersetzung über die Soli-

darität im Grunde genommen keine weitergehende Bedeutung zukommt.

Im Folgenden wird es hauptsächlich darum gehen, wie diese Koordinationsgemeinschaft

im Aussen- und im Innenverhältnis aussieht und welche Regeln zu gelten haben. Zudem

wird in dieser Arbeit hauptsächlich die unechte Solidarität behandelt, da sie in der Praxis

die zentrale Rolle spielt und vor allem hier die rechtlichen Probleme liegen.

B. Relevanz der Unterscheidung

i. Verjährungsunterbrechung und Subrogation

Die Unterschiede zwischen der echten und der unechten Solidarität werden in der Dokt-

rin als gering eingestuft – es wird gar von einem „fragwürdigen Wert“57 gesprochen. Die

vordergründigen Unterschiede sind etwa die Verjährungsunterbrechung und die Subro-

gation58. Bei der echten Solidarität wirkt eine Unterbrechungshandlung gegenüber allen

Mithaftenden im Sinne von Art. 136 OR. Diese Wirkung gilt nicht bei der Anspruchs-

konkurrenz59, da diese Bestimmung restriktiv auszulegen ist.60 Bei der Anspruchskon-

kurrenz erfolgt keine Subrogation der Forderung des Geschädigten gegenüber weiteren

55 Sach-, Hausrat-, Gebäude-, Kaskoversicherungen usw. 56 Brehm, contrat, N 634 und N 637. 57 So Bucher, S. 499. 58 Mit der „Subrogation“ gehen die Ansprüche des Geschädigten von Gesetzes wegen auf einen Ersatzpflich-

tigen oder einen Versicherer über, der Zahlung geleistet hat; vgl. hinten § 5 I. 59 BGE 69 II 162 ff.; 106 II 250 ff.; 112 II 138 ff. 60 BK-Brehm, Art. 51 N 20 m.w.H.

15

Mitschuldnern auf den Leistenden. Vielmehr besitzt er – wie bereits gezeigt wurde61 –

einen sog. Ausgleichsanspruch originärer Art.

ii. Reduktionsgründe

Das im Rahmen der Festsetzung der Schadenersatzhöhe eingeräumte richterliche Ermes-

sen gemäss Art. 43 und 44 OR bereitet bei der Festsetzung der Solidaritätsgrenze erheb-

liche Schwierigkeiten. Unbestritten sind jene Umstände, für die der Geschädigte selbst

einzustehen hat – wie Selbstverschulden, konstitutionelle Prädisposition usw.62 Dieser

beim Geschädigten liegende Risikobereich bestimmt die Grenzen der Solidarität, analog

der Situation, in welcher lediglich ein Haftpflichtiger den Schaden verursacht hat. Dem-

gegenüber sind jene Umstände, welche den Schädiger betreffen, in der Doktrin höchst

umstritten. Zahlreiche Autoren63 vertreten die Auffassung, dass die Mithaftung einerseits

die eigene Haftpflicht nicht schmälert, die Solidarität aber andererseits nie dazu führt,

dass eine Person wegen der Mithaftung anderer mehr leisten muss als ohne diese. Die

Grenze der Solidarität bildet nach dieser Lehrmeinung die eigene persönliche Haftpflicht

gegenüber dem Geschädigten, so wie sie bestünde, wenn er allein haften würde. Demge-

genüber sehen die Gegner der vorgenannten Ansicht64 den Grundsatz der Solidarität erst

dann verwirklicht, wenn im Aussenverhältnis jegliche Geltendmachung von Herabset-

zungsgründen individueller Art ausgeschlossen ist. Während die Rechtsprechung bei der

echten Solidarität einheitlich ist und die persönlichen Herabsetzungsgründe nicht zuge-

lassen werden,65 ist das Bundesgericht bezüglich unechter Solidarität schwankend.66 Die

folgende Kasuistik soll einen kleinen Überblick verschaffen, ohne den Anspruch auf

Vollständigkeit erheben zu wollen:

61 Vgl. hinten § 5 IV. 62 Rumo-Jungo, Haftpflicht, N 877. 63 Roberto, Haftpflichtrecht, N 550; Gauch/Schluep/Rey, Nr. 3941; Honsell, Haftpflicht, § 11 N 20; Kel-

ler/Gabi, S. 139 f.; Maurer, PVR, S. 416; Oftinger/Stark, I, § 10 N 33, und Oftinger, I, S. 345; Schaer, Grundzüge, N 503, Schaffhauser/Zellweger, N 1453; Spiro, S. 456 Anm. 9; Keller, Haftpflicht II, S. 179; Oswald, S. 25; Portmann, SVZ, S. 35.

64 Statt vieler: BK-Brehm, Art. 50 N 43 m.w.H. auf die Doktrin; zurückhaltend OR-Schnyder, Art. 51 N 9. 65 BGE 89 II 122 f.; 55 II 315. 66 A.M. OR-Schnyder, Art. 51 N 9, wo aus der Bundesgerichtspraxis, insb. BGE 112 II 143 f. und BGE 113

II 330 f., geschlossen wird, dass zwischen echter und unechter Solidarität nicht mehr unterschieden werde; vgl. ferner auch ZWR, S. 60 ff., wo die Möglichkeit der Herabsetzung bei echter und unechter Solidarität grundsätzlich bejaht wurde.

16

In BGE 127 III 265 f. hält das Bundesgericht fest, dass die Herabsetzung nach Art. 43

Abs. 1 OR im externen Verhältnis der unechten Solidarität zwar nicht ausgeschlossen,

dass dabei aber grosse Zurückhaltung angezeigt sei, weil andernfalls der Grundsatz der

Solidarität in Frage gestellt würde.

In BGE 93 II 333 ff. macht es im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung zur

Rechtskraftwirkung allgemeine Ausführungen hinsichtlich der Tragweite der Solidarität.

Dabei äussert sich das Bundesgericht implizit für die persönlichen Herabsetzungsgründe

bei der Solidarität, macht jedoch zugleich wieder darauf aufmerksam, dass die Solidarität

Gläubiger- und nicht Schuldnerschutz sei. Man darf bei diesen Erörterungen aber nicht

übersehen, dass es vorliegend um die Rechtskraft geht und nicht direkt um die Grenzen

der Solidarität.

In BGE 97 II 345 wird insbesondere erwähnt, dass das Selbstverschulden des Verletzten

nicht stets dasselbe Gewicht habe, sondern je nach Haftungstatbestand mehr oder weni-

ger ins Gewicht falle. Im vorliegenden Urteil ist vor allem interessant, dass ohne weitere

Ausführungen völlig selbstverständlich die verschiedenen Haftungsquoten bereits im

Aussenverhältnis individuell festgelegt wurden. Dabei darf ausser Acht gelassen werden,

dass das Bundesgericht in casu auch das Innenverhältnis mit berücksichtigt hat. Dies

geht aus E.6 hervor, in der die offene Differenz auf einen anderen Beklagten abgewälzt

wurde.

In BGE 90 II 12 f.67 hat das Bundesgericht das jugendliche Alter von 12 Jahren im Zu-

sammenhang mit dem Lösen von Schraubenmuttern an einem Hochspannungsleitungs-

masten zwar im Regress gewürdigt, auch wenn die exakte Reduktion nicht explizit dem

Urteil zu entnehmen ist, zumal noch weitere Herabsetzungsgründe, welche dem Geschä-

digten zuzurechnen waren, eine Reduktion bewirkten. Zudem gilt es zu beachten, dass

im vorliegenden Urteil der endgültige Ausgleich im Innenverhältnis angesprochen ist

und nicht die Solidaritätsgrenze im Aussenverhältnis.

Aus den Äusserungen des Bundesgerichts in BGE 130 III 603 geht hervor, dass es im

Aussenverhältnis nur dann zu einer Haftungsreduktion kommen könne, wenn das Dritt-

verschulden dem Geschädigten über die Hilfspersonenhaftung zuzurechnen sei. Daraus

geht implizit hervor, dass reines Drittverschulden die Solidarität nicht zu schmälern

vermag.

67 Pra (53) 1964, Nr. 57.

17

iii. Stellungnahme

Auch wenn die Unterschiede zwischen echter und unechter Solidarität als gering einge-

stuft werden können, stellt sich meines Erachtens die Frage, ob es sachlich gerechtfertigt

ist, zwischen zwei Solidaritätstypen zu unterscheiden.

Wenn schon keine echte Solidarität vorliegt, gelangen diesfalls überhaupt die Bestim-

mungen von Art. 143 ff. OR über die Solidarität mit all ihren Konsequenzen zur Anwen-

dung? Die Frage ist nicht einfach zu beantworten. Die Doktrin und auch die Judikatur

haben das Problem zwar erkannt, begnügen sich aber mit der Argumentation, dass auf-

grund des Gesetzeswortlauts „entsprechend“ die Solidarität per analogiam auch für die

Anspruchskonkurrenz gelte.68 Dass mindestens eine analoge Anwendung vom Gesetzge-

ber gewollt war, lässt sich kaum bestreiten. Umso mehr drängt sich die Frage auf, wes-

halb, wie das Bundesgericht ausführt, die Subrogationswirkung gestützt auf Art. 149 OR

nicht auf die unechte Solidarität angewendet werden könne. Dass diese Frage nicht bloss

von akademischem Interesse ist, zeigt sich insbesondere bei der Diskussion über die

Möglichkeit der Einrede der persönlichen Herabsetzungsgründe. Zudem ist in einem

Haftpflichtprozess des Geschädigten gegen einen unechten Solidarschuldner von Interes-

se, ob die im Aussenverhältnis nicht in Anspruch genommenen Mitschuldner eine Soli-

dargemeinschaft im Sinne von Art. 145 OR und somit in diesem Sinne auch eine Pflicht-

gemeinschaft zur Abwehr von Ansprüchen bilden.69 Die Haltung des Bundesgerichts ist

inkonsequent, wenn die Regeln über die Solidarität an sich angewendet werden, gleich-

zeitig aber die Subrogationswirkung ausgeschlossen wird.

C. Differenzierte Solidarität

i. Allgemeines

Im Aktienrecht ist in Art. 759 OR die sog. differenzierte Solidarität statuiert. Nach Abs.

1 dieser Bestimmung geht die Verantwortlichkeit nur so weit, wie der Organperson „der

Schaden aufgrund ihres eigenen Verschuldens und der Umstände persönlich zurechenbar

ist“. Damit gilt zwar echte Solidarität im Aussenverhältnis. Der individuelle Ersatzan-

68 BK-Brehm, Art. 51 N 17; Oftinger/Stark, I, § 10 N 13 ff.; Fellmann, Regress und Subrogation, S. 8 f.; vgl. etwa BGE 112 II 143, 104 II 231 f., 97 II 343 f.

69 Guldener, S. 313.

18

spruch des Verantwortlichen richtet sich jedoch nach dem eigenen Verschulden und der

adäquat kausalen Verursachung.70

Das Besondere bei der aktienrechtlichen Regelung wird in Abs. 2 derselben Bestimmung

verankert,71 in dem der Gesetzgeber eine Verfahrensregel vorgesehen hat, welche dem

Aktionär die Verantwortlichkeitsklage erleichtern soll. Der Kläger kann nämlich mehre-

re Beteiligte gemeinsam für den Gesamtschaden72 einklagen und verlangen, dass der

Richter im gleichen Verfahren die Ersatzpflicht jedes einzelnen Beklagten festsetzt.

Dadurch wird der Kläger vom Prozessrisiko soweit befreit, dass er nicht schlechter da-

steht, als wenn lediglich ein potenzieller Haftpflichtiger beklagt werden müsste.

Der Gesetzgeber wollte de facto eine Entlastung für den Kläger erreichen. Das Bundes-

gericht hat in BGE 122 III 325 ff.73 geprüft und zugleich festgehalten, dass der Kläger,

wenn er mehrere Beteiligte gemeinsam für den Gesamtschaden einklagt, das Risiko der

Gerichts- und Prozesskosten nur gegenüber einer einzigen Gegenpartei und nicht gegen-

über jedem Beklagten trägt.74 Diesen Grundsatz präzisierte das Bundesgericht in BGE

125 II 138 ff. dahingehend, dass eine differenzierte Parteientschädigung der Beklagten

sich dann rechtfertige, wenn diese begründeten Anlass hatten, sich einzeln oder in Grup-

pen vertreten zu lassen. Mit diesem gesetzgeberischen Kunstgriff wird dem Kläger ein-

deutig eine komfortablere Prozessstellung eingeräumt, als wenn er sich der einfachen

Streitgenossenschaft bedienen müsste. Vor dieser Bestimmung konnten mehrere poten-

ziell Haftpflichtige zu einer einfachen Streitgenossenschaft zusammengefasst werden,

zumal die Voraussetzungen – gleiche Zuständigkeit, gleiche Verfahrensart und innerer

Zusammenhang – regelmässig gegeben waren. In diesem Fall trug aber der Kläger das

Kostenrisiko gegenüber jedem ganz oder teilweise obsiegenden Beklagten.75

70 Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, § 36 N 107. 71 Sog. Lex David. 72 In dieser Arbeit wird die aktienrechtliche Verantwortlichkeit nicht weiter vertieft. Weitergehend etwa

Nobel, S. 112 ff. 73 Pra (86) 1997, Nr. 39; vgl. dazu die Bemerkungen von Vogel, SZW 1998, S. 146 ff. 74 Diese Auslegung wird von Vogel, Die Rechtsprechung des BGer zum Zivilprozessrecht im Jahre 1996, in:

ZBJV 1997, S. 773, als kühn bezeichnet; er räumt aber zugleich ein, dass sie dem Sinn des Gesetzgeber-willens entspreche.

75 Vogel, SZW 1998, S. 148.

19

ii. Stellungnahme

In der vorliegenden Problematik stellt sich die Frage, ob das Prinzip der in Art. 759 Abs.

1 OR festgelegten differenzierten Solidarität auch auf das allgemeine Haftpflichtrecht

übernommen werden kann. Der Grundsatz, dass jede Person nach wie vor in erster Linie

für den von ihr selbst sorgfaltswidrig verursachten Schaden persönlich haftet, kann mei-

nes Erachtens – der aufgezeigten, herrschenden Auffassung folgend – übernommen

werden. Es entspricht einem Bedürfnis, die persönlichen Herabsetzungsgründe im Rah-

men von Art. 43 und 44 OR – unbesehen allfälliger weiterer Haftpflichtiger – bereits im

Aussenverhältnis geltend machen zu können.

Der Geschädigte ist bei Klageeinreichung nicht in der Lage, die richtigen Haftungsquo-

ten festzulegen. Um die Klage zu erleichtern, wäre eine analoge Regelung im Sinne von

Art. 759 Abs. 2 OR zu legiferieren. Für den Haftpflichtfall sähe diesfalls die Lösung wie

folgt aus: In einem ersten Schritt legt der Richter im Einheitsprozess die jeweiligen indi-

viduellen Quoten fest. Dies kann in der Regel ohne weiteres zur Folge haben, dass im

Aussenverhältnis weit mehr als 100% des erlittenen Gesamtschadens zugeteilt werden.

In der Lehre76 trifft man diesbezüglich den Begriff der sog. Überschussdeckung an,

wonach das Bonitätsrisiko auf die Solidarschuldner abgewälzt wird. Die effektive end-

gültige Tragung der Einzelquote jedes Solidarschuldners ist dann in einem zweiten

Schritt im gleichen Prozess zu bestimmen, nachdem der Geschädigte endgültig befriedigt

ist.

2. Überentschädigungs- bzw. Bereicherungsverbot

Es entspricht dem allgemeinen Grundsatz des Schadenersatzrechts, dass der Geschädigte

durch den Schaden nicht bereichert werden darf.77 Dies entspricht dem sog. Über-

entschädigungsverbot, auch Bereicherungsverbot genannt, welches im Haftpflichtrecht

unbestritten78 und für das Sozialversicherungsrecht in Art. 69 ATSG verankert ist. So

muss sich der Geschädigte denn auch Leistungen des Schadensversicherers oder solche

76 Böckli, S. 1109. 77 BGE 131 III 16 m.w.H.; Roberto, Haftpflichtrecht, N 592, 784 ff.; Schaer, Grundzüge, N 433, 485. Ge-

gensätzlich ist das amerikanische Rechtssystem, bei welchem mittels punitive damages den Opfern ein Mehrfaches des tatsächlich erlittenen Schadens unter dem Begriff Schadenersatz ausgezahlt wird.

78 Rey, N 13; BK-Brehm, Art. 43 N 25.

20

eines Solidarschuldners an die Ansprüche gegen die haftpflichtige Person oder weitere

Haftpflichtige anrechnen lassen.79

Dieser Rechtsgrundsatz gilt heute für das gesamte Schadensausgleichsrecht, soweit nicht

ausdrückliche Koordinationsregeln etwas Abweichendes vorsehen oder die Kumulation

im Sinne von Art. 96 VVG vereinbart wurde.80 Die Berechnung des Schadens erfolgt

grundsätzlich nach der sog. Differenztheorie.81

II. Rechtsverhältnis zwischen dem Geschädigten und anderen Ersatzpflichti-

gen

Als Schadensausgleichspflichtige gelten neben den Haftpflichtigen grundsätzlich auch

sämtliche Schadensversicherer. Da die Eigenschadensversicherung jedoch auch – wie im

Folgenden noch zu zeigen sein wird82 – Leistungspflichtige ist, wird das Versicherungs-

vertragsverhältnis an jener Stelle erörtert werden.

In der Betriebsunterbruchsversicherung existieren Policen, in welchen schadensunab-

hängig, bei Eintritt eines gewissen Risikos, eine im Voraus bestimmte Versicherungs-

summe ausbezahlt wird. Der Versicherungsnehmer wird somit wie bei der Summenver-

sicherung vom Schadensnachweis entlastet. Es wäre sachlich unkorrekt, bei einer sol-

chen Versicherungsleistung per se von einer Schadensversicherung zu sprechen. Unklar

ist jedoch, ob auch Sachversicherungen unter Art. 96 VVG subsumiert werden können,

da in systematischer Hinsicht diese Bestimmung unter dem Titel „Besondere Bestim-

mungen über die Personenversicherung“ steht. Nach meinem Dafürhalten kann in conc-

reto ein Regressausschluss, gestützt auf Art. 96 VVG, per analogiam auch für Sachver-

sicherungen bejaht werden.83 Dies gilt umso mehr, als die Rechtsprechung im umgekehr-

ten Fall auch Personenversicherungsleistungen unter das Regime von Art. 72 VVG

stellt.84 Voraussetzung ist natürlich, dass die Parteien in der Versicherungspolice eine

Anspruchskumulation vereinbart haben.

79 Zum Ganzen: insb. Schaer, Grundzüge, N 432 ff. mit detaillierten Ausführungen. 80 Rumo-Jungo, Haftpflicht, N 939 ff. 81 Hier wird nicht weiter auf die Schadensberechnung eingegangen; für eine vertiefte Auseinandersetzung

vgl. hierzu statt vieler: Roberto, Schadensrecht, S. 9 ff. 82 Vgl. hinten § 9 II. 83 Gl.M. Rapp, S. 152 f. 84 Vgl. dazu die Ausführungen zur Summenversicherung, hinten § 6 II 2.

21

§ 3. Rechtsverhältnis zwischen Geschädigten und Leistungspflichtigen

I. Anspruch aus Versicherungsvertrag

1. Einzel- und Kollektivversicherung

Von einer Einzelversicherung ist dann die Rede, wenn eine einzelne Person, eine einzel-

ne Sache oder ein einzelnes Vermögen versichert ist.85 Es versteht sich von selbst, dass

der Versicherungsnehmer hier auch Anspruchsberechtigter ist.

Von einer Kollektivversicherung wird dann gesprochen, wenn eine Mehrzahl von Perso-

nen, Sachen oder Vermögen Gegenstand des Versicherungsvertrages bildet.86 Dies sagt

aber noch nichts aus über die Anspruchsberechtigung im Versicherungsfall. In der Kol-

lektiv-Unfall- und Krankenversicherung steht dem Versicherten nach Art. 87 VVG ein

selbständiges Forderungsrecht gegen die Versicherer zu. Dies ist in der Kollektiv-

Lebensversicherung jedoch nicht zwingend so.87

2. Eigen- und Fremdversicherung

Je nachdem, ob der Versicherungsnehmer seine eigenen subjektiven Rechte oder dritte

Interessen versichert, handelt es sich um eine Eigen- oder um eine Fremdversicherung.88

Regelmässig wird ein kombinierter Vertrag abgeschlossen. Eine Fremdversicherung liegt

beispielsweise auch bei der Hausratsversicherung betreffend die Obhutssachen vor.

In der Sachversicherung wird fast durchwegs eine Neuwertdeckung vereinbart.89 Dieser

Umstand führt in Schadenfällen, welche durch haftpflichtige Dritte zu vertreten sind, zu

komplexen Fragestellungen im Regressverhältnis.90

85 Maurer, PVR, S. 177; VVG-Boll, Art. 48 N 17. 86 Maurer, PVR, S. 177; VVG-Boll, Art. 48 N 17. 87 Maurer, PVR, S. 175. 88 Maurer, PVR, S. 179; VVG-Boll, Art. 48 N 19. 89 Zum Neuwert vgl. Maurer, PVR, S. 500 ff. 90 Vgl. dazu hinten § 7 I und II.

22

3. Zusatzversicherung / Überobligatorische Versicherung

Ist in einem Versicherungsvertrag vorgesehen, dass die Leistungen jene eines anderen

Versicherungsvertrages ergänzen sollen, so liegt eine Zusatzversicherung vor. Wird

dadurch ein obligatorisches Versicherungsverhältnis ergänzt oder erweitert, so liegt eine

überobligatorische Versicherung vor. Diese Zusatzversicherungen sind in der Personen-

versicherung, im Bereich UVG und KVG, zahlreich. Man spricht auch von Komplemen-

tärversicherungen.91

Auch wenn der obligatorische Teil regelmässig dem öffentlich-rechtlichen Bereich an-

gehört, gründen die Leistungen aus solchen Zusatzversicherungen in aller Regel im

Privatversicherungsrecht, weshalb hier das VVG zur Anwendung gelangt.92 Eine Aus-

nahme bildet etwa der ausserobligatorische Vorsorgevertrag, welcher als Innominat-

kontrakt unter die allgemeinen Regeln des OR fällt.93

II. Anspruch aus Sozialversicherung

Es wurde bereits ausgeführt, dass sich der Leistungsanspruch aus einem öffentlich-

rechtlich normierten Versicherungsverhältnis ableitet.94 Auch hier sind selbständige und

abgeleitete Ansprüche denkbar. Letztere stehen je nachdem überlebenden Personen zu,

die unterhaltsberechtigt sind. Zu denken ist etwa an Renten und Abfindungen an überle-

bende Ehegatten und Eltern bzw. Renten an geschiedene überlebende Ehegatten oder

Waisenrenten.

III. Anspruch aus Haftpflichtversicherung

Die Haftpflichtversicherung schützt das Vermögen, welches durch Schadenersatzansprü-

che und allenfalls durch Genugtuungsforderungen belastet werden kann. Der Haft-

pflichtversicherer garantiert im Versicherungsvertrag, den Versicherungsnehmer von

diesen Haftungsansprüchen zu befreien (sog. Befreiungsanspruch) oder unberechtigte

Ansprüche abzuwehren (sog. Abwehranspruch oder Rechtsschutzfunktion des Haft-

91 Maurer, PVR, S. 377; vgl. dazu auch hinten § 12 I. 92 VVG-Nebel, Art. 101 N 53 ff. 93 Maurer, PVR, S. 463 f. Fn 1210; VVG-Nebel, Art. 101 N 57. 94 Locher, § 1 N 37 f.

23

pflichtversicherers). Der Befreiungsanspruch wandelt sich dann in einen Zahlungsan-

spruch, wenn der Haftpflichtige den Schadenersatz gegenüber dem Geschädigten bereits

geleistet hat. Dabei gilt es zu beachten, dass die Haftpflichtversicherer in den AVB dem

Versicherungsnehmer die Forderungsanerkennung verbieten. Die Missachtung dieses

Verbots kann nach meinem Dafürhalten aber erst dann eine Deckungseinschränkung zur

Folge haben, wenn der Haftpflichtversicherer zu beweisen vermag, dass er ein für ihn

günstigeres Resultat hätte erzielen können. Dieser hypothetische Beweis wird je nach

Konstellation schwierig zu erbringen sein. Steht aber fest, dass der Versicherungsnehmer

leichtfertig seine Haftung anerkennt, wird er sich eine Kürzung infolge der Obliegen-

heitsverletzung „Schadensminderungspflicht“ im Sinne von Art. 61 VVG gefallen lassen

müssen.

Im Rahmen der Rechtsschutzfunktion handelt der Versicherer in aller Regel im Namen

des Haftpflichtigen, es sei denn, ein Parteiwechsel werde veranlasst.95 Diese vertraglich

vereinbarte Stellvertretung kann etwa dann zu schwierig zu lösenden Fragen führen,

wenn die Haftpflichtversicherung in einem Haftpflichtfall eine im Deckungsbereich

liegende Vergleichsofferte der Gegnerschaft ausschlägt und damit der Versicherte be-

klagt wird und das Gericht den Haftpflichtigen in der Folge zu einer Schadenersatzleis-

tung verurteilt, welche über der versicherten Deckung liegt. Hat nun der Haftpflichtver-

sicherer oder der Versicherungsnehmer den die Deckung übersteigenden Teil zu über-

nehmen? Auch wenn der zu beurteilende Haftpflichtfall häufig komplex sein mag, stellt

sich die Frage, ob der Haftpflichtversicherer den Versicherungsvertrag schlecht erfüllt

hat. Meines Erachtens kann diese Frage weder mit Ja noch mit Nein beantwortet werden,

vielmehr ist der Umstand zu beachten, dass durch die vertragliche Pflicht der Versiche-

rungsnehmer de facto gar nicht mehr in der Lage ist, den Schaden in eigener Regie zu

regulieren, weshalb er auf die richtige Erledigung durch die Versicherung nach Art. 2

ZGB vertrauen darf und auch muss. E contrario übernimmt aber dadurch der Versicherer

auch stillschweigend das Risiko eines ungünstigen Ergebnisses. Somit wird der Haft-

pflichtige nicht mit dem ungedeckten Teil belastet werden dürfen.

95 Ein Parteiwechsel ist in der Praxis jedoch eher die Ausnahme.

24

IV. Anspruch aus Arbeitsvertrag

Der Arbeitnehmer, welcher aus persönlichen Gründen96 und ohne sein Verschulden an

der Arbeitsleistung verhindert wird, hat gemäss Art. 324a OR über eine gewisse Zeit

Anspruch auf Lohnfortzahlung gegenüber seinem Arbeitgeber. Ist für die Arbeitsunfä-

higkeit ein Unfall ursächlich, leistet die Unfallversicherung des Arbeitnehmers ab dem

dritten Unfalltag den Lohnausfall.97 Somit beschränkt sich diesbezüglich der arbeitsver-

tragliche Anspruch auf die ersten zwei Tage.98 Mit verschuldeter Arbeitsunfähigkeit ist

lediglich ein offensichtliches Fehlverhalten und nicht bereits jede, insbesondere die

leichte, Fahrlässigkeit gemeint.99

Dem für den Lohnausfall aufkommenden Arbeitgeber entsteht ein sog. Reflexschaden.100

Die Position des zahlenden Arbeitgebers im Regressverhältnis war lange Zeit unklar.

Das Bundesgericht hat nun mit dem Entscheid BGE 126 III 521 ff. Klarheit geschaffen,

indem es den Arbeitgeber aus der Kaskade von Art. 51 Abs. 2 OR herausnimmt und ihm

im Ergebnis ein integrales Regressrecht einräumt. Weitere Ausführungen dazu erfolgen

hinten in einem separaten Kapitel.101

§ 4. Ergebnis erster Teil

1. § 1 diente vor allem der Klärung und Präzisierung von Begriffen und der ersten Fest-

stellung von konfliktträchtigen Bereichen. Im Sinne einer Einleitung wurde das Scha-

densausgleichssystem dargestellt, welches aus diversen Rechtsinstituten besteht, wie

etwa dem Haftpflichtrecht, worunter auch die Haftung aus Vertrag oder ebenso die

Staatshaftung zu zählen sind.

96 Von diesen subjektiven Leistungshindernissen gilt es die objektiven zu unterscheiden, welche nicht unter die Lohnfortzahlungspflicht von Art. 324a OR fallen und somit im Risikobereich des Arbeitnehmers lie-gen.

97 Vgl. dazu Art. 324b OR. 98 Roberto, Schadensrecht, S. 41. 99 OR-Rehbinder/Portmann, Art. 324a N 5 m.w.H. So zählt gar die Ausübung riskanter Sportarten im Zwei-

felsfall als unverschuldet. 100 Statt vieler: Roberto, Schadensrecht, S. 38 ff. 101 Vgl. hinten § 9 II.

25

Mit dem eigentlichen Haftungssystem korreliert der zweite wichtige Pfeiler, das Versi-

cherungssystem, welches von privatrechtlichen als auch öffentlich-rechtlichen Bestim-

mungen und Prinzipien bestimmt wird.

2. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Geschädigten und dem Haftpflichtigen wird

durch das Aussenverhältnis bestimmt, was in § 2 behandelt wurde. Dabei bilden die

Haftpflichtigen – aufgrund der Solidarität – eine Solidargemeinschaft. Dabei wurde

erkannt, dass eine differenzierte Solidarität, analog zu Art. 759 Abs. 2 OR, das Aussen-

verhältnis am besten zu regeln vermag.

3. In § 3 ist das Verhältnis des Geschädigten zu den involvierten Leistungspflichtigen

dargelegt worden. Neben dem Privat- und Sozialversicherer ist in diesem Zusammen-

hang auch an die aus dem Arbeitsverhältnis resultierende Lohnfortzahlungspflicht ge-

mäss Art. 324a OR zu denken.

26

II. Teil: Grundlagen des Regressrechts

§ 5. Rechtsverhältnis zwischen mehreren Schadensausgleichspflichti-

gen

I. Allgemeines

Hat der Schadensausgleich zwischen dem Geschädigten und der Solidargemeinschaft

stattgefunden, geht es in einem zweiten Schritt um den Ausgleich zwischen den Solidar-

schuldnern und den involvierten Versicherern. Dies entspricht dem Regressverhältnis,

auch Innenverhältnis genannt, welches über das Regime von Art. 51 OR und Art. 72

VVG geregelt wird. Wie die Rechtsvergleichung noch zeigen wird, handelt es sich bei

der schweizerischen Lösung mit der Kaskadenordnung von Art. 51 Abs. 2 OR und der

Subrogation von Art. 72 VVG um ein einmaliges und einzigartiges Konstrukt, welches

aus einem schweizerischen „Kompromiss“ resultiert ist. Im Rahmen der Rechtsfindung

gemäss Art. 1 ZGB und des gerichtlichen Ermessens gemäss Art. 4 ZGB wurden sodann

diese beiden Bestimmungen mit- bzw. gegeneinander ausgelegt. Das Resultat ist die sog.

Gini/Durlemann-Praxis102, welche nun seit Jahrzehnten mehr oder weniger oft angewen-

det wird, entgegen sämtlichen Bedenken der Doktrin, welche bis dato nicht verstummt

sind.103

Mit dem Wort Subrogation wird der Forderungsübergang ex lege ausgedrückt, welcher

damit per definitionem eine Legalzession ist.104 Dieser Forderungsübergang erfolgt un-

abhängig von einem Parteiwillen. Gesetzliche Subrogationsbestimmungen für das Haft-

pflichtrecht sind etwa in Art. 72 ATSG für das Sozialversicherungsrecht und in Art. 72

VVG für das Privatversicherungsrecht zu finden. Im Rahmen der Subrogation gehen

sämtliche akzessorischen Vorzugs- und Nebenrechte des Haftpflichtanspruchs des Ge-

schädigten, welche nicht untrennbar mit dessen Person verbunden sind, uneingeschränkt

auf den (Sozial-)Versicherer über.105

Im Rahmen der Nebenrechte subrogieren auch das direkte Forderungsrecht der geschä-

digten Person gegen die Haftpflichtversicherung und ebenso der Einredeausschluss auf

den Sozialversicherer. Dies ist in Art. 72 Abs. 4 ATSG vorgeschrieben, und wurde zuvor

102 BGE 80 II 247 ff.; detaillierte Ausführungen dazu erfolgen hinten § 9 I ff. 103 Vgl. etwa Honsell, Regress, S. 569 ff. 104 Art. 166 OR. Vgl. zum Ganzen etwa Bucher, S. 576 ff. 105 Urteil des BGer vom 19. November 2002, 4C.208/2002, E. 2.1.1; statt vieler: Guhl/Koller, § 34 N 71.

27

vom Bundesgericht ebenfalls zugestanden.106 Es stellt sich daher die Frage, ob dies auch

für den subrogierenden Schadensversicherer Gültigkeit hat oder ob hier das direkte For-

derungsrecht als höchstpersönlich gilt. Während in der Doktrin beide Auffassungen

vertreten werden107, bejahte das Bundesgericht, zwar nebenbei, aber immerhin, den

Rechtsübergang dieses unmittelbaren (direkten) Forderungsrechts.108 Da Nebenrechte

Bestandteile der subrogierenden Forderung und damit als akzessorisch zu betrachten

sind, spricht nach meinem Dafürhalten nichts gegen den Rechtsübergang des direkten

Forderungsrechts, zumal nicht ersichtlich ist, weshalb dieses Nebenrecht untrennbar mit

der geschädigten Person verbunden sein soll. Zudem wäre eine unterschiedliche Rege-

lung zum ATSG kaum zu begründen, da in beiden Fällen dieselbe Legalzession mit-

wirkt.

II. Gesetzliches Rückgriffsrecht

Im schweizerischen Recht sind, wie bereits erwähnt,109 an diversen Orten für das Innen-

verhältnis Regressrechte ex lege geregelt. Dabei sind diverse Ausgleichssysteme mög-

lich. Im Einzelnen wird teilweise später darauf eingegangen.110 Die folgenden Ausfüh-

rungen sollen einen kurzen Überblick verschaffen:111

Für das Privatrecht, betreffend echte Solidarität, stehen Art. 148 Abs. 1 und Art. 50 OR,

für die unechte Solidarität gilt Art. 51 Abs. 2 OR. Im Privatversicherungsrecht gilt für

die Schadensversicherer das durch die Subrogation verstärkte Regressrecht gemäss Art.

72 VVG. Nach der dispositiven Regelung von Art. 533 OR tragen die einfachen Gesell-

schafter die Belastung, soweit nichts anderes vereinbart ist, nach den Anteilen der Ge-

winn-und-Verlust-Beteiligung. Erben tragen die Erblasserschulden, mangels anderer

Abreden, nach Art. 640 Abs. 3 ZGB unter sich im Verhältnis ihrer Erbanteile.

Im Bereich des Sozialversicherungsrechts wird das Rückgriffsrecht durch das ATSG

geregelt. Art. 72 ff. ATSG umschreibt den Regress im Detail. Als besonderes Merkmal

106 BGE 119 II 289 ff., 292 f. 107 Bejahend etwa Oftinger/Stark, II/2, § 25 N 162; a.M. Rumo-Jungo, Haftpflicht, N 956; Schaer, Grundzü-

ge, N 551. 108 BGE 105 II 209 ff.; 119 II 289 ff., 292 f.; Urteil des HGer des Kantons ZH vom 23. Juni 2003, in: ZR 103

(2004) Nr. 65, S. 258. 109 Vgl. vorne § 5 I. 110 Vgl. hinten § 6. 111 Die folgende Aufzählung ist nicht abschliessend zu verstehen.

28

kann hier das integrale Regressrecht des Sozialversicherers hervorgehoben werden. Das

BVG, welches dem ATSG nicht untersteht, hat jedoch dessen Regressbestimmungen mit

Art. 34b BVG weitgehend übernommen.

Im öffentlichen Recht sind zahlreiche Regressbestimmungen verankert. Zu denken ist

etwa an das Regressrecht des Bundes gemäss Art. 7 VG gegen fehlbare Beamte, welche

vorsätzlich oder grobfahrlässig einen Schaden verursacht haben. Aber auch in den öf-

fentlich-rechtlichen Spezialgesetzen sind Rückgriffsbestimmungen zu finden; zu denken

ist namentlich an Art. 60 Abs. 2 SVG, an Art. 59a Abs. 3 USG112, an Art. 3 Abs. 3 und 6

KHG oder an Art. 6 KHG, an Art. 34 Abs. 2 EleG und an Art. 37 Abs. 3 RLG.113 Bei der

Haftung im Rahmen des SVG und des RLG gilt ein direktes Forderungsrecht des Ge-

schädigten gegenüber dem Versicherer. Analoge Rückgriffsrechte sind in den kantonalen

Verantwortlichkeitsgesetzen zu finden. In jenen Kantonen, in welchen die Gebäudever-

sicherung monopolisiert ist, sind regelmässig in den kantonalen Gesetzen über die Ge-

bäudeversicherer auch entsprechende Regressbestimmungen vorgesehen.

Ist der Bund bzw. der Staat haftpflichtig, können nach der Rechtsprechung die gesetzli-

chen Regressbestimmungen analog angewendet werden.114 Der Bund haftet gemäss Art.

135 Abs. 1 MG kausal für Schäden, die Angehörige der Armee oder Truppen Dritten

widerrechtlich zufügen. Dabei steht dem vom Geschädigten in Anspruch genommenen

Bund im Sinne von Art. 138 MG ein Rückgriff gegen Angehörige der Armee zu, die den

Schaden vorsätzlich oder grobfahrlässig verursacht haben. Personen, die nach Art. 1a

und Art. 2 MVG bei der Militärversicherung gegen Schäden versichert sind, können ihre

Ansprüche im Rahmen von Art. 8 ff. MVG geltend machen. Ansprüche gegen den Bund

sind hingegen gemäss Art. 135 Abs. 3 MG ausgeschlossen.115 Auch im Zusammenhang

mit der Haftung für Umweltschäden, wenn mehrere Störer beteiligt sind, stellt sich die

Frage nach der Anwendbarkeit der gesetzlichen Rückgriffsbestimmungen. Die Recht-

112 Hier wird auf die Haftpflicht- und Regressbestimmungen des OR verwiesen. 113 Der Abschluss einer Haftpflichtversicherung ist im KHG und im RLG obligatorisch. Im EHG und im EleG

ist der Rückgriff auf Verschuldenshaftpflichtige beschränkt, während das KHG einen abschliessenden Ka-talog möglicher Regressaten vorsieht.

114 In BGE 116 II 647 f. wird die analoge Anwendung von Art. 72 VVG bejaht. In VPB 1997, Nr. 90, S. 866 wird die Anwendung von Art. 72 VVG dem Grundsatze nach nicht ausgeschlossen, in concreto aber ver-neint, da keine Haftung aus Verschulden in Frage stand; der Ausgleichsanspruch gemäss Art. 51 Abs. 2 OR wurde hingegen bejaht. Vgl. ferner BJM 1973, S. 157 ff., wo im Rahmen von Art. 76 Abs. 2 aSVG die Anwendbarkeit von Art. 51 Abs. 2 OR verneint wurde.

115 BGE 127 II 289 ff., 291 f.; vgl. dazu auch Rumo-Jungo, Haftpflicht, N 77 ff. m.w.H. zur Einstufung der Militärversicherung.

29

sprechung der letzten Jahre ist einheitlich.116 Dabei wird zunächst festgehalten, dass bei

einer Mehrheit von Störern die Behörde nicht einen einzelnen Störer mit der vollen Zah-

lungspflicht belasten könne.117 Dabei liessen sich die in Art. 50 Abs. 3 und Art. 51 Abs.

2 OR enthaltenen Wertungen bei der Kostenverteilung analog heranziehen.118 Die in Art.

51 Abs. 2 OR zum Ausdruck kommende Skala der ethischen Wertungen werde aber von

einer wirtschaftlichen Interessenlage, dem Verursacherprinzip von Art. 8 GSchG, über-

lagert.119

III. Vertragliches Rückgriffsrecht

Bei der vertraglichen Abänderung der Regressordnung gilt es zwischen Vereinbarungen

zu unterscheiden, welche unter Ersatzpflichtigen geschlossen werden, und solchen Ab-

machungen, die zwischen dem Geschädigten und dem Versicherer getroffen werden.

Eine Regressvereinbarung zwischen den Ersatzpflichtigen im Rahmen von Art. 51 OR

ist ohne weiteres möglich.120 Man wird jedoch einschränkend anmerken müssen, dass

nicht gegen den Willen eines Solidarschuldners eine andere Ordnung bestimmt werden

kann, da sonst ein Vertrag zulasten Dritter vorläge. Nach gefestigter Praxis des Bundes-

gerichts ist es hingegen nicht möglich, dass der Versicherer in Absprache mit dem Ge-

schädigten die Regressordnung von Art. 51 Abs. 2 OR und Art. 72 VVG mittels Vertrag

und durch entsprechende Zession abändert.121

Als vertragliches Rückgriffsrecht kann auch ein allfälliger Regressverzicht des Versiche-

rers aufgefasst werden. OFTINGER/STARK gestehen dem Versicherer ein solches Recht

auch bereits vor dem Schadensfall zu, wobei sie auf die engen Grenzen der vertraglichen

Abänderung hinweisen, ohne jedoch zu nennen, worin sie liegen.122 Meines Erachtens

gilt es zu unterscheiden, zwischen welchen Parteien ein solcher Verzicht vereinbart wird:

116 Weitergehend etwa Fuhrer, Die Haftung für Umweltschäden und deren Versicherung, in: BJM 1992, S. 225 ff., 235.

117 Urteil des BGer vom 12. Oktober 1990, in: SGW 1990 Nr. 64, S. 12; GVP 1997, Nr. 18, S. 46. 118 Urteil des BGer vom 14. März 1975, in: ZBL 1976, S. 404; Urteil des BGer vom 30. April 1980, in: ZBL

1980, S. 540. 119 Urteil des BGer vom 15. Dezember 1983, in: SGW 1983, Nr. 63, S. 6 f.; Urteil des BGer vom 12. Oktober

1990, in: SGW 1990, Nr. 64, S. 13; ferner Urteil des Regierungsrats AG vom 20. April 1994, in: ZBL 1996, S. 132.

120 Oftinger/Stark, I, § 11 N 77. 121 Letztmals BGE 115 II 25 f. = Pra (78) 1989, Nr. 172. 122 Oftinger/Stark, I, § 11 N 17.

30

Verzichtet der Versicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer auf allfällige Regresse,

so ist dies im Rahmen der Vertragsfreiheit durchaus möglich; verzichtet der Versicherer

hingegen gegenüber einem potenziellen Haftpflichtigen, so könnte man sich fragen, ob

der Versicherer dazu überhaupt berechtigt ist. Dies gilt deshalb, weil der Versicherer an

sich das Geld der Versicherungsnehmer, welches diese in Form von Prämien zur Verfü-

gung stellen, zu verwalten hat. Handelt es sich um kleinere Regressbeträge, so kann ein

Verzicht mit dem eingesparten Aufwand gerechtfertigt werden; dies ist nicht möglich,

wenn es sich um eine namhafte Regressforderung handelt, auf welche verzichtet wird.

Dies könnte unter Umständen als eine Sorgfaltspflichtverletzung im Versicherungsver-

tragsverhältnis ausgelegt werden, was theoretisch die anderen Versicherungsnehmer zu

Schadenersatzforderungen berechtigen würde.

IV. Zwei Forderungen: originäre und derivative (subrogierte)

Was sich auf der Seite des Geschädigten als Anspruchskonkurrenz manifestiert, zeigt

sich auf der Seite der Ersatzpflichtigen als Solidarität.123 Dabei gilt es – innerhalb der

Solidargemeinschaft –, grundsätzlich zwischen zwei Forderungen zu unterscheiden.

Dem vom Gläubiger in Anspruch genommenen Schuldner stehen im Rahmen der Solida-

rität unter Umständen zwei unterschiedliche Forderungen gegen seine solidarischen

Mitschuldner zu: eine derivative und eine originäre Forderung.

Der derivative Anspruch resultiert aus der Subrogation, welche bei der echten Solidarität

nach Art. 149 OR und beispielsweise auch beim Versicherungsregress nach Art. 72 Abs.

1 VVG vorgesehen ist. Kraft Subrogation gehen die Ansprüche des Geschädigten bzw.

des Gläubigers mit der Zahlung des Solidarschuldners auf diesen über.

Der originäre Anspruch ist der Ausgleichsanspruch aus Art. 51 OR. Nach dem Bundes-

gericht kann sich – soweit kein Spezialgesetz die Subrogation vorsieht – der Regressie-

rende „nur“ auf einen Ausgleichsanspruch stützen.124 Dies wird mit der bloss analogen

Anwendung der Solidaritätsregelung von Art. 143 ff. OR begründet.125

123 Vgl. dazu vorne § 2 I. 124 BGE 115 II 48. 125 Statt vieler: BK-Brehm, Art. 51 N 17.

31

V. Keine Solidarität im Innenverhältnis

Lehre und Rechtsprechung sind sich weitgehend einig, dass im Regressverhältnis keine

Solidarität besteht, mit der Konsequenz, dass im Innenverhältnis nur eine anteilsmässige

Leistungs- bzw. Ersatzpflicht besteht.126 Dieser Grundsatz ist für das Haftpflichtrecht

sachgerecht, denn die Schädiger bedürfen nicht des gleichen Schutzes wie der Geschä-

digte.

Bis zum Inkrafttreten des ATSG war diese Frage im Sozialversicherungsrecht hingegen

umstritten. Ein gewichtiger Teil der Doktrin stellte den Sozialversicherer ins Innenver-

hältnis zu den Haftpflichtigen, was sich in einer umfangreichen Kontroverse nieder-

schlug.127 Erst mit Inkrafttreten des ATSG wurde restlos Klarheit geschaffen. Nach Art.

72 Abs. 2 ATSG herrscht nun auch im Innenverhältnis Solidarität unter den Haftpflichti-

gen bezüglich den dem ATSG unterstellten Sozialversicherern. Das Bundesgericht hat

noch kurz zuvor zugunsten der Sozialversicherer die bis dahin umstrittene Frage ent-

schieden.128 Somit gehört der Sozialversicherer nicht ins Innenverhältnis der anderen

Solidarschuldner.

Ob dieser Grundsatz, der im Sozialversicherungsrecht seine Berechtigung hat, ins Pri-

vatversicherungsrecht transferiert werden kann, bedarf der genaueren Betrachtung. Nach

der heutigen Auslegung der Subrogation im Sinne von Art. 72 Abs. 1 VVG129 wird man

das Innenverhältnis de lege lata nicht als Solidargemeinschaft bezeichnen können, zumal

der Schadensversicherer, wenn auch zu Unrecht, in diese Gemeinschaft gedrängt und die

Subrogation sehr eingeschränkt gewährt wird. Diese Auffassung wird zudem durch den

Grundsatz des Regressprozesses gestützt, wonach dessen Urteile keine Rechtskraftwir-

kung gegenüber Dritten zu zeitigen vermögen.130 Bekennt man sich jedoch zum integra-

len Regressrecht, so ist es konsequent, den leistenden Versicherer zum Kreis der Solidar-

schuldner zu zählen. An die Stelle des Geschädigten, welcher gegenüber der Solidarge-

meinschaft anspruchsberechtigt ist, tritt der Schadensversicherer. Diese Lösung gilt es de

lege ferenda zu verfolgen.

126 Roberto, Haftpflichtrecht, N 551; Oftinger/Stark, I, § 10 N 79; BK-Brehm, Art. 51 N 81 und 89 ff.; OR-Schnyder, Art. 51 N 18; Koller, Solidarität, S. 5; von Tuhr/Escher, S. 316; Stein, S. 716; BGE 103 II 139; a.A. Hartmann, S. 66 ff.; Rumo-Jungo, Haftpflicht, N 892.

127 Dazu wird in dieser Arbeit nicht näher eingegangen. Für weitere Hinweise sei auf die Ausführungen von Läubli, Koordination, S. 172 ff.; Rumo-Jungo, Haftpflicht, N 917.; Oftinger/Stark, I, § 10 N 45 ff., verwie-sen.

128 Urteil des BGer vom 19. November 2002, 4C.208/2002, E. 2. 129 Vgl. die folgenden Ausführungen hinten § 9. 130 BGE 93 II 333.

32

Die Konsequenz des Prinzips „keine Solidarität im Regressverhältnis“ liegt hauptsäch-

lich darin, dass keine Anschlussregresse im Innenverhältnis stattfinden, d.h. kein sog.

Kettenregress bzw. keine zweite „Regressrunde“ zugelassen wird, sondern dass die Auf-

teilung nach den effektiven Quoten zu erfolgen hat.131 Der Kausalhaftpflichtige kann

sich somit nicht an den aus Vertrag Haftenden, sondern muss sich direkt an den Ver-

schuldenshaftpflichtigen halten. Nach BREHM trägt damit der Kausalhaftpflichtige ein

allfälliges Insolvenzrisiko des aus Verschulden Haftpflichtigen, sofern er im Aussenver-

hältnis vom Geschädigten zuerst ins Recht gefasst wird.132 In einem zweiten Schritt

gewährt der Autor dem Kausalhaftpflichtigen dennoch einen Regress gegen den aus

Vertrag Haftenden, indem er Art. 148 Abs. 3 OR analog anwendet.133 Der Regress kann

aber nach meinem Dafürhalten in diesem Fall kein vollständiger sein, da Art. 148 Abs. 3

OR von einer gleichmässigen Verteilung spricht. Demgegenüber schränken OFTIN-

GER/STARK den Grundsatz „keine Solidarität im Innenverhältnis“ ein, und zwar im Falle

der Insolvenz des Solidarschuldners, welcher aus Art. 41 OR haftet. Sie sprechen in

diesem Fall von der Ausfallshaftung, was zum Regress gegen den aus Vertrag Haftenden

berechtigt.134

Die Lösung über die analoge Anwendung von Art. 148 Abs. 3 OR überzeugt, zumal es

nicht korrekt wäre, wenn nur einer der beiden Solidarschuldner den Ausfall des aus

Verschulden Haftenden tragen würde. Dadurch wird das Schicksal der Solidargemein-

schaft nicht der Willkür des Geschädigten überlassen.

§ 6. Allgemeine Regressordnung

I. OR

1. Allgemeines

Im OR sind an verschiedensten Stellen Regressbestimmungen verankert: so etwa in Art.

50 und 51, Art. 144 usw. In dieser Arbeit werden einzig die unechte Solidarität und ihr

Innenverhältnis verfolgt, zumal vor allem hier viele Unsicherheiten und Probleme beste-

hen. Die herrschende Doktrin und die Rechtsprechung sehen bei der unechten Solidarität

131 Gl.M. Oftinger/Stark, I, § 10 N 80; a.M. Rey N 1514. 132 BK-Brehm, Art. 51 N 90. 133 BK-Brehm, Art. 51 N 91 f. m.w.H. auf die Doktrin. 134 Oftinger/Stark, I, § 10 N 80.

33

keine Subrogation begründet, weshalb es sich – wie bereits erwähnt – um einen reinen,

originären Ausgleichsanspruch handelt.135

Artikel 51 Abs. 2 OR sieht bekanntlich folgende culpa-orientierte Regressordnung vor,

welche an sich lediglich in der Regel ihre Anwendung finden sollte.136 Danach hat in

erster Linie der aus Verschulden Haftpflichtige, in zweiter Linie jener aus Vertrag Haft-

pflichtige und in letzter Linie derjenige, der kausal haftet, den Schaden zu liquidieren.

Was der Gesetzgeber einmal als offene Orientierungshilfe verankert hatte, wurde im

Laufe der Zeit von der Rechtsprechung zur fast unumstösslichen Regel umfunktio-

niert.137 Die Rechtsprechung hält sich konsequent an diese Regressordnung, auch wenn

das Bundesgericht138 die Möglichkeit der Regelabweichung aus Gerechtigkeitsgründen

grundsätzlich zulässt.139 Die Recherche in der amtlichen Sammlung der Bundesgerichts-

entscheide ergibt, dass es keine von dieser Kaskadenordnung abweichenden publizierten

Urteile gibt. So kann auch BGE 116 II 645 ff. nicht als Entscheid für die Regelabwei-

chung von Art. 51 Abs. 2 OR dienen, zumal es in diesem Entscheid um eine Haftungs-

verteilung unter mehreren Haftpflichtigen geht. Der Haftpflichtversicherer wurde ledig-

lich aufgrund des direkten Forderungsrechtes zur unmittelbaren Leistung gezwungen.

Einige nicht amtlich publizierte Urteile, welche von der Kaskadenordnung abweichen,

bestehen dennoch.140

Die Ansichten über diese Stufenordnung sind in der Lehre äusserst kontrovers.141 In der

Praxis kann man feststellen, dass zwar heute einige Versicherungsgesellschaften nicht

mehr hinter dieser Regressordnung stehen, sich aber kaum für eine Praxisänderung ein-

setzen. Dies zeigt sich darin, dass, meiner Kenntnis nach, in letzter Zeit weder ein Mus-

terprozess dagegen geführt noch je ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben wurde. Die

135 BGE 115 II 48; Oftinger/Stark, I, § 10 N 75; Rey, N 1493 ff.; Roberto, Haftpflichtrecht, N 551. 136 Oftinger/Stark, I, § 10 N 50, 66, 73 m.w.H.; Roberto, Haftpflichtrecht, N 555. 137 So auch etwa Schiedsgutachten von A. Keller vom 13. Februar 1998, in: SGW 1998 Nr. 16, S. 9 ff. In

diesem Schiedsgutachten schliesst sich Keller der neueren Lehre an, wonach die Regel von Art. 51 Abs. 2 OR nicht als starr zu betrachten sei und auch Art. 72 Abs. 1 VVG nicht lediglich ein Regressrecht auf Haftpflichtige aus Art. 41 OR zulasse.

138 BGE 115 II 28 = Pra (78) 1989, Nr. 172. 139 Vgl. etwa Urteil des Appellationshofs des Kantons BE, III. Zivilkammer, vom 8. März 1988, in: SGW

1988 Nr. 9, S. 2 ff.; Urteil des HGer des Kantons SG vom 2. Juni 1999, in: SGW 1999 Nr. 38, S. 5 ff. 140 ZR 1956, S. 119 ff.; JT 1941 I, S. 363 ff.; Urteil des BGer vom 5. Mai 1987 i.S. Michaud gegen Eidgenos-

senschaft, in: SGW 1987 Nr. 25, S. 27 ff. oder als Urteilsanmerkung von Stark Emil W. in: ZBJV 1992, S. 223; etwas unklar im Urteil des BGer vom 29. Januar 1980 Tonossi c. Gaudin & Morand, in: SGW 1980 Nr. 4, S. 10 ff..

141 Oftinger, Bemerkungen, S. 172, spricht im Zusammenhang mit Art. 51 Abs. 2 OR von einer "wohl abge-wogenen, ethisch fundierten – wenn auch unvollständigen – Regressordnung"; vgl. statt vieler etwa BK-Brehm, Art. 51 N 144 ff. m.w.H.; Roberto, Haftpflichtrecht, N 554; Rey, N 1515.

34

schärfste Kritik in den letzten Jahren kam von SCHAER, OFTINGER/STARK und später von

RUMO-JUNGO.142 So wird in der Lehre denn auch mehrheitlich von einer „blossen“

Richtschnur im Zusammenhang mit der Regresskaskade gesprochen.143 OFTIN-

GER/STARK schlagen für eine befriedigende Lösung die sektorielle Verteilung vor, wo-

nach die Schadensquote auf die einzelnen Ersatzpflichtigen nach den Umständen festzu-

legen ist.144

2. Entstehungsgeschichte

Die Entstehungsgeschichte der in Art. 51 Abs. 2 OR verankerten Regresskaskade wird

unter anderem von SCHAER überzeugend dargelegt.145 Der gesetzgeberische Wille, wel-

cher der Entstehung dieser Kaskade zugrunde liegt, wird so weit dargelegt, als er für die

folgende Auslegung Anknüpfungspunkte ergibt.

Bei einer historischen Auslegung tritt bald der BGE 35 II 238 ff.146 in den amtlichen

Materialien in Erscheinung. Aus den Bulletins des National- und des Ständerates geht

explizit hervor, dass der Sachverhalt und das Ergebnis dieses Urteils wegleitend für das

Schicksal des Regresses unter den unechten Solidarschuldnern waren. Welcher Sachver-

halt liegt diesem besagten Urteil zugrunde?

B ist Eigentümer eines im Jahre 1892 erbauten Hauses in Bern geworden. Dieses

Haus hat eine turmartig ausgestaltete Ecke, welche ein steil aufsteigendes Schiefer-

dach trägt. Kurz nach Erwerb des Eigentums hatte B zur Überprüfung des Daches

einen Dachdecker- und Spenglermeister beauftragt, das Dach zu untersuchen und al-

le notwendigen Reparaturen daran vorzunehmen. Bei der Ausführung dieser Arbeit

ist ein Arbeitnehmer der beauftragten Firma mit einer Leiter, welche er an einem im

oberen Teil des Schieferdaches angebrachten Leiterhaken anhängte, auf das Dach

hinaufgestiegen. Als der Arbeiter auf der Leiter war, gab der Haken nach, und der

142 Schaer, Grundzüge, N 472 ff.; Oftinger/Stark, I, § 10 N 65; Rumo-Jungo, Haftpflicht, N 1071 ff.; Rumo-Jungo, Zusammenspiel, S. 616 ff.

143 Nach BK-Brehm, Art. 51 N 146, sollte Art. 51 II keine Zwangsjacke sein. 144 Oftinger/Stark, I, § 10 N 65; zur sektoriellen Verteilung vgl. hinten § 6 IV. 145 Schaer, Grundzüge, N 844 ff.; ebenso: Brühlmann, S. 105 ff.; Hartmann, S. 43 ff.; Stein, S. 708 f. Um

Wiederholungen zu vermeiden, wird in der vorliegenden Arbeit nur noch summarisch auf die Entste-hungsgeschichte eingegangen.

146 Sog. Leiterhaken-Fall, Urteil Bühler/Hermann.

35

Arbeiter ist von einer Höhe von ungefähr 15 m zur Erde gefallen, wo er infolge der

schweren Kopfverletzungen das Leben verlor. Aufgrund einer Expertise konnte

festgestellt werden, dass der Haken lediglich mit einem 5 cm langen geschmiedeten

Nagel befestigt worden war, was nach Ansicht der Experten ein „furchtbarer Leicht-

sinn“ gewesen sei.

In der Folge verurteilte das Bundesgericht den neuen Eigentümer B zu Schadener-

satz, gestützt auf die kausale Werkeigentümerhaftung. Die damalige Unfallversiche-

rung schob die Anspruchssteller an den Gebäudeeigentümer ab.

Dieses Urteil wurde als höchst unbillig empfunden. Bei der Revision des OR von 1881

vom 30. März 1911 versuchten einige Parlamentarier, die Werkeigentümerhaftung in

eine Verschuldenshaftung mit umgekehrter Beweislast oder gar in eine Subsidiärhaf-

tung147 umzuwandeln.148 Das Missbehagen gegen dieses Resultat stammte nicht zuletzt

auch aus dem Vergleich, welcher die Personenversicherung mit der Witwe des Verun-

fallten geschlossen hatte. Dieser Vergleich verpflichtete die Klägerin, den Ersatz des

entstandenen Schadens vorab auf dem Prozesswege gegen den Hauseigentümer bzw. den

Auftraggeber geltend zu machen. Im Gegenzug übernahm die Versicherung neben dem

Prozessrisiko auch eine Subsidiärdeckung für den Fall des Unterliegens.149

Zur Rettung der Werkeigentümerhaftung als Kausalhaftung konstruierte EUGEN HUBER

die heutige Regresskaskade von Art. 51 Abs. 2 OR150, um die zum Teil als zu weitge-

hend empfundenen Wirkungen einer Kausalhaftung durch das Innenverhältnis zu mil-

dern. Damit könne dem Gebäudeeigentümer, „welcher für den Schaden persönlich nichts

kann, ein Rückgriffsrecht auf jene gewährt werden, die aus unerlaubter Handlung, aus

Delikt, den Schaden tragen oder vertraglich die Deckung des Schadens übernommen

haben, also auf die Versicherungsgesellschaft [...]“. Überdies gewichtete der historische

Gesetzgeber ein schuldhaftes Verhalten viel schwerer als die Kausalhaftung und sprach

gar von einer verdienten Strafe als Sanktion.151 Der Gesetzgeber war sich jedenfalls

einig, dass diese neu gestaltete Regressordnung einer vernünftigen Interpretation durch

147 Der Werkeigentümer wäre diesfalls so lange von der Haftung befreit gewesen, als der Geschädigte noch von anderen Haftpflichtigen Schadenersatz hätte fordern können.

148 Müri, Sten Bull NR 1909, S. 741, 501. 149 BGE 35 II 238. 150 Vgl. Huber, Sten Bull NR 1909, S. 520 f. 151 Aus diesem Grunde die culpa-orientierte Gesetzgebung; vgl. dazu etwa Hartmann, S. 59.

36

einsichtige Richter bedürfe.152 Aufgrund der heutigen Technologisierung und Automati-

sierung und der dazu geschaffenen Gefährdungshaftungen bedarf die Ansicht des histori-

schen Gesetzgebers jedoch einer erneuten Überprüfung.153

3. Stellungnahme

Vorab ist festzuhalten, dass das Sozialversicherungssystem, welches vor etwa 100 Jahren

galt, weitgehend nicht dem heutigen System entspricht. So ereignete sich der erwähnte

Leiterhaken-Fall zeitlich vor dem Inkrafttreten des KUVG.154 Der Arbeitgeber hatte für

den Verunfallten eine private Unfallversicherung abgeschlossen, welche vermutungs-

weise nur eine subsidiäre Leistungspflicht beinhaltete. Auch wenn nach SCHAER155 die

Art der Versicherung in concreto unklar ist, so kann meines Erachtens immerhin festge-

stellt werden, dass es sich offensichtlich um eine Art private Personenversicherung han-

delte, welche in der vom Bundesgericht verstandenen Regresstreppe de lege lata in die

mittlere Stufe einzuordnen ist. Diese Folgerung deckt sich eigentlich auch mit dem Wil-

len des Gesetzgebers, wenn – wie oben ausgeführt – der in die Haftung genommene

Werkeigentümer einen Regressanspruch, gestützt auf Art. 51 Abs. 2 OR, gegen die Ver-

sicherung haben soll. Damit steht der gesetzgeberische Wille an sich fest: Der Eigen-

schadensversicherer sollte in die mittlere Kaskadenstufe von Art. 51 Abs. 2 OR gestellt

werden.

In der moderneren Methodenlehre, welche auch vom Bundesgericht verfolgt wird, gilt

grundsätzlich der Methodenpluralismus.156 Darüber hinaus besteht weitgehend Einigkeit,

dass der gesetzgeberische Wille insbesondere dann zu überdenken und unter Umständen

entsprechend zu relativieren ist, wenn es sich um ein älteres Gesetz handelt oder sich die

Umstände, die gesellschaftliche Auffassung oder die Rahmenbedingungen geändert

haben. So führt das Bundesgericht in BGE 81 I 282 aus: Es „ist nicht massgebend, was

in den Gesetzesmaterialien steht oder was bei der Gesetzesberatung in der gesetzgeben-

den Behörde gesagt wurde, sondern was dem Gesetz im Lichte allgemeiner Rechtsan-

schauungen zu entnehmen ist, wobei die gegenwärtigen Verhältnisse zu berücksichtigen

152 Brühlmann, S. 121. 153 Vgl. dazu hinten § 6 V. 154 Für Einzelheiten vgl. etwa Locher, § 3 N 1 ff. 155 Schaer, Grundzüge, N 844. 156 Kramer, S. 151 ff.; Hausheer/Jaun, Einleitungsartikel, 2.84.

37

sind“.157 Genau diese Umstände liegen hier vor: So wurde zum einen seit damals ein sehr

ausgewogenes Sozialversicherungssystem entwickelt; zum anderen hat sich die gesell-

schaftliche Auffassung hinsichtlich des Verursacherprinzips wesentlich geändert, da

nicht mehr das Prinzip casum sentit dominus im Zentrum steht. Vielmehr hat sich eine

Anspruchshaltung der Geschädigten gegenüber den Verursachern eingestellt.

In diesem Sinne hat bereits VON TUHR158 zutreffend festgehalten: „Da nun die Auslegung

des Gesetzes nicht nach den aus den Materialien ersichtlichen Absichten der Beteiligten

zu erfolgen hat, sondern nach dem objektiven Sinn und dem inneren Zusammenhang der

im fertigen Gesetz enthaltenen Rechtssätze, so erscheint es mir unzulässig, aus dem

wohlüberlegten und fest gefügten Versicherungsgesetz eine wichtige Vorschrift heraus-

zubrechen, weil bei der Beratung des OR an diesen bereits bestehenden Rechtssatz nicht

gedacht worden ist. Man muss meines Erachtens unter Aufrechterhaltung des Art. 72

Versicherungsgesetz den Art. 51 OR auf andere Verträge beschränken, durch welche

jemand die Haftung für einen Schaden übernimmt.“

Diesen Ausführungen VON TUHRS ist im Lichte der bundesgerichtlichen Rechtsprechung

vollumfänglich zuzustimmen, zumal das VVG zum einen lex specialis159 ist und zum

anderen der Schadensversicherer nicht Haftpflichtiger, sondern Leistungspflichtiger160

ist. Zudem war beim „Leiterhaken-Fall“ die Haftung des Werkeigentümers verfehlt. Ein

Handwerker, der für die Kontrolle und die Instandsetzung des Daches beauftragt ist,

übernimmt in der Regel vertraglich dieses Risiko und kann somit die Werkeigentümer-

haftung nicht geltend machen. So kommt die Werkeigentümerhaftung nach Art. 58 OR

sowohl beim Bau eines Werkes als auch bei Reparatur- oder Umbauarbeiten an einem

Werk nicht zur Anwendung. Vielmehr wird Art. 41 und 55 OR tangiert.161 Der verunfall-

te Unternehmer hatte Kenntnis vom renovationsbedürftigen Dach. Aus eben diesem

Grunde wurde er beauftragt, dieses zu reparieren. In solchen Konstellationen kann die

Werkeigentümerhaftung nicht greifen. Andernfalls wäre der Werkeigentümer ausser

Stande, eine Reparatur oder einen Werkmangel beseitigen zu lassen, ohne nicht gleich-

157 Siehe auch Kramer, S. 104 ff., m.H. auf den Theorienstreit Objektivismus vs. Subjektivismus; Haus-heer/Jaun, Einleitungsartikel, 2.58 ff.

158 von Tuhr, S. 233 f. 159 So bereits Portmann, SVZ, S. 34; ebenso Vaverka, S. 250. 160 Ebenso Honsell, Haftpflicht, § 24 N 9; vgl. dazu auch hinten § 9 II. 161 Statt vieler: Roberto, Haftpflichtrecht, N 398; Oftinger/Stark, II/1, § 19 N 82; BGE 108 II 184 ff.; a.M.

Schwenzer, N 53.22.

38

zeitig Gefahr zu laufen, trotzdem infolge dieses Werkmangels noch haftpflichtig zu

werden.

Bereits an dieser Stelle kann festgehalten werden, dass die heutige Regressordnung Re-

sultat eines für unbillig empfundenen Bundesgerichtsentscheides ist. Meines Erachtens

kann gar von einer Überreaktion des Gesetzgebers gesprochen werden, auch wenn

gleichzeitig an das richterliche Ermessen appelliert wurde. So bemerkte EUGEN HUBER,

dass man bei der Anwendung des Ermessensprinzips genügend Spielraum gewähren

müsse, um in den verschiedensten Fällen jeweils die billigste Lösung finden zu kön-

nen.162 Somit hätte für das Bundesgericht durchaus die Möglichkeit bestanden, im Sinne

einer teleologischen und systematischen Auslegung, vom Willen des Gesetzgebers ab-

zuweichen und damit ein fein abgestuftes Regresssystem zu entwickeln,163 beispielswei-

se im Sinne des Vorschlags der sektoriellen Verteilung, wie von OFTINGER/STARK vor-

geschlagen. Dabei hätte auch die Subrogationsbestimmung von Art. 72 Abs. 1 VVG

durchaus entsprechend einbezogen werden können.

4. Rechtsvergleichende Betrachtung

A. Regressrecht in Deutschland

Die Solidarität von Gesamtschuldnern wird im Allgemeinen in § 421 BGB und für das

Deliktsrecht in § 840 BGB festgehalten. In § 426 Abs. 1 BGB findet anschliessend die

Ausgleichspflicht unter den Gesamtschuldnern Eingang. Demnach sind die Gesamt-

schuldner im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht etwas

anderes bestimmt ist. In Abs. 2 wird sodann eine allfällige Ausgleichung unter den

Schuldnern vorgesehen. Mittels Subrogation geht die Forderung des Gläubigers gegen

die übrigen Schuldner auf den leistenden Schuldner über. Diese Bestimmung des allge-

meinen Teils ist auch im Deliktsrecht Anspruchsgrundlage für den Innenausgleich, wäh-

rend § 840 BGB eine Scharnierfunktion zwischen den Haftungsnormen des Deliktsrechts

und den allgemeinen Regeln der Gesamtschuld bildet.164

162 Huber, Sten Bull NR 1909, S. 520 ff. 163 Gl.M. Rumo-Jungo, Haftpflicht, N 1073; vgl. auch hinten § 9 II. 164 Wagner, § 840 N 1, 13.

39

Die Lehre in Deutschland lehnt bezüglich des Versicherers und des Dritthaftpflichtigen

die Anwendung eines Gesamtschuldverhältnisses ab.165 Die Doktrin gibt dem VVG,

welches als lex specialis gegenüber dem BGB eingestuft wird, ohnehin den Vorrang,

selbst wenn diesbezüglich ein Gesamtschuldverhältnis angenommen werden müsste.166

Diese Einstufung ist begrüssenswert und lässt zugleich die Frage aufkommen, weshalb

eine solche Auslegung nicht auch im schweizerischen Recht möglich sein soll, zumal die

gesetzliche Systematik mit jener in Deutschland praktisch identisch ist: Das VVG der

Schweiz ist ebenso ein Spezialgesetz wie jenes von Deutschland.

B. Regressrecht im Fürstentum Liechtenstein

Die Regelung des liechtensteinischen Schadenersatzrechtes bezüglich mehrerer Haft-

pflichtigen, § 1302 ABGB167, bedarf einer besonderen Erwähnung, da eine volle Solida-

rität – also das Einstehenmüssen für den ganzen Schaden, ohne Möglichkeit der Gel-

tendmachung persönlicher Herabsetzungsgründe – vorgesehen ist. Dies gilt jedoch ledig-

lich für vorsätzlich verursachte Schäden. Resultiert der Schaden aus einer Fahrlässig-

keitshandlung, so hat jeder Teilnehmer einzig für seinen kausal verursachten Schaden

einzustehen.

Unabhängig davon, ob man für oder gegen die Geltendmachung persönlicher Herabset-

zungsgründe ist, hat diese Regelung den Vorteil der Rechtsklarheit. Im Übrigen scheint

es – ohne näher darauf eingehen zu wollen – auch einleuchtend, dass der vorsätzlich

handelnde Täter nicht noch persönliche Herabsetzungsgründe168 zulasten des Geschädig-

ten einbringen kann, während dem fahrlässig Handelnden, welcher unter Umständen

unbewusst sorgfaltswidrig gehandelt hat, durchaus mehr Spielraum gewährt werden

kann.

165 Selb, § 421 N 16; so bereits Karrer, S. 61. 166 Wohl implizit Weyers/Wandt, § 67 N 725 ff.; Karrer, S. 61. 167 Wortlaut von § 1302 ABGB: „In einem solchen Falle [Verursachung durch mehrere Teilnehmer] verant-

wortet, wenn die Beschädigung in einem Versehen gegründet ist, und die Anteile sich bestimmen lassen, jeder nur den durch sein Versehen verursachten Schaden. Wenn aber der Schaden vorsätzlich zugefügt worden ist oder, wenn die Anteile der Einzelnen an der Beschädigung sich nicht bestimmen lassen, so haf-ten alle für einen und einer für alle; doch bleibt demjenigen, welcher den Schaden ersetzt hat, der Rücker-satz gegen die übrigen vorbehalten.“

168 Vgl. dazu vorne § 2 I.

40

C. Zwischenergebnis aus der Rechtsvergleichung

Aus der kurzen Rechtsvergleichung resultiert, dass die Regressordnungen der vergliche-

nen Rechtsstaaten einfach und klar sind. Deshalb existieren vergleichbare Schwierigkei-

ten in der Praxis wie im schweizerischen Recht nicht. Zudem kam zum Vorschein, dass

die schweizerische Regressordnung im Privatrecht sehr komplex, teilweise auch unlo-

gisch ist und dass die meisten Schwierigkeiten somit „hausgemacht“ sind.169

Die Probleme lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die Regresskaskade von Art. 51

Abs. 2 OR führt zu sachlich unlösbaren Rechtsproblemen, da das Verhältnis zur Spezial-

norm Art. 72 VVG nicht geklärt wurde. Dieser Feststellung wird im Folgenden und dann

ausführlich im Teil III nachgegangen.

II. VVG

1. Allgemeines

Das VVG sieht in Art. 72 Abs. 1 die Subrogation vor, also einen derivativen Forde-

rungsübergang vom Geschädigten zum leistenden Schadensversicherer. Die ratio legis

dieser Bestimmung besteht einerseits im Bereicherungsverbot, was sich in der An-

spruchskonkurrenz niederschlägt, und andererseits darin, dass durch die Leistungspflicht

des Schadensversicherers gegenüber dem Geschädigten nicht der Haftpflichtige entlastet

bzw. befreit werden soll.170

Die Wirkungen der Subrogation sind umfassend: Der Forderungserwerb erfolgt in der

Höhe, in welcher der Versicherer seine vertraglichen Leistungen erbracht hat. Inbegrif-

fen sind sämtliche mit der Forderung akzessorischen Nebenrechte, wie Sicherheiten und

Vorrechte, aber auch Einreden usw.171 Der Haftpflichtige wird gegenüber dem Opfer in

der Höhe der Versicherungsleistungen befreit;172 im Gegenzug verliert das Opfer den

Ersatzanspruch gegen den Verursacher.

169 Gl.M. Schaer/Duc/Keller, Bossard/Daxelhoffer/Jaeger, S. 308; Maurer, Harmonisierung, S. 106. 170 So auch Honsell, Regress, S. 577. 171 Zum direkten Forderungsrecht als Nebenrecht vgl. vorne § 5 I. 172 Im Sinne von Art. 167 OR.

41

2. Versicherungsarten

A. Summen- vs. Schadensversicherung

Im Versicherungsrecht wird zwischen der Schadens- und der Summenversicherung un-

terschieden.173 Während die Schadensversicherung schadensausgleichenden Charakter

hat und damit an das Vorliegen eines Schadens anknüpft, wird die Leistung bei der

Summenversicherung schadenunabhängig erbracht. Bei der Summenversicherung spricht

man auch von abstrakter Bedarfsdeckung, da nicht primär bezweckt wird, einen konkre-

ten Schaden zu decken. Die Relevanz der Unterscheidung liegt darin, ob auf den leisten-

den Versicherer die Subrogationsbestimmungen gemäss Art. 72 Abs. 1 VVG anwendbar

sind oder nicht.

Bis zum Contacta-Urteil, BGE 104 II 44 ff., wurde bei Personenversicherungen Art. 96

VVG uneingeschränkt angewendet und damit der Summenversicherung unterstellt. Mit

diesem Urteil wurde die bisherige Konstanz durchbrochen und in BGE 119 II 361 ff.174

bestätigt. Dabei stellt das Bundesgericht für die Abgrenzung darauf ab, „ob die betref-

fende Leistung einen konkreten Schaden deckt oder ob sie unabhängig vom Vorhanden-

sein eines Schadens zu leisten ist“.175 Zur Bejahung einer Schadensversicherung müssen

die Vertragsparteien, so das Bundesgericht weiter, die vermögensrechtliche Einbusse als

eine selbständige Bedingung des Anspruchs auf Leistung gemacht haben. Daneben sei

stets eine Gesamtwürdigung der rechtlichen Natur der in Frage stehenden konkreten

Versicherungsleistungen vorzunehmen. In der Lehre wird demgegenüber mehrheitlich

für die Lösung plädiert, auf den Inhalt und den Zweck der Leistungen abzustellen.176

Sach- und Vermögensversicherungen sind von ihrer Natur her grundsätzlich als Scha-

densversicherungen ausgestaltet, zumal die Leistungspflicht und die Entschädigungshö-

he stets vom Schaden abhängen. In der Gebäude- und Fahrhabeversicherung ist praktisch

ausnahmslos eine Neuwertdeckung vereinbart, und zwar unabhängig von einer allfälli-

gen Amortisation. In der Kaskoversicherung von Fahrzeugen ist ein Zeitwertzusatz ver-

einbart, welcher regelmässig den Zeitwert des entsprechenden Fahrzeuges übersteigt,

wiederum unabhängig von der individuellen Abnutzung. In diesem Fall stellt sich die

Frage, ob bezüglich der Differenz Zeitwert – Neuwert eine Summenversicherung vor-

173 Für eine vertiefe Auseinandersetzung vgl. etwa Rütsche/Ducksch, S. 39 ff.; ferner auch Stoessel, S. 503 ff.; Gutachten von Emil W. Stark vom 9. März 1995, in: SGW 1995 Nr. 10.

174 Pra (83) 1994, Nr. 163. 175 BGE 119 II 364 f. = Pra (83) 1994, Nr. 163. 176 Rütsche/Ducksch, S. 52; gl.M. Nigg, S. 879 f.

42

liegt.177 Die Doktrin geht in diesem Zusammenhang von einer Kombination Sach-

/Vermögensversicherung aus.178 Diese Überlegungen setzen jedoch die analoge Anwen-

dung von Art. 96 VVG auf Sachversicherungen voraus.179

B. Eigenschadensversicherung (Sach- und Personenversicherung)

Das VVG unterscheidet zwischen Schadens- und Personenversicherung. Diese Unter-

scheidung ist auf eine Ungenauigkeit des Gesetzgebers zurückzuführen,180 da das Re-

gressrecht des Schadensversicherers gemäss Art. 72 VVG nicht nur auf die Sachversi-

cherung zugeschnitten wurde,181 sondern unter Umständen auch auf Personenversiche-

rungen anwendbar ist. Lediglich dann, wenn die Personenversicherung konkret als

Summenversicherung ausgestaltet ist, entfällt eine Subrogation im Sinne von Art. 72

Abs. 1 VVG.

C. Drittschadensversicherung (Haftpflichtversicherung)

Auf den Haftpflichtversicherer kann nach herrschender Lehre Art. 72 VVG keine direkte

Anwendung finden, und zwar aus folgenden Gründen: Erstens wird eingewendet, Art. 72

VVG beziehe sich lediglich auf die Eigenschadensversicherung. Zudem werde lediglich

ein Rückgriff auf verschuldenshaftpflichtige Personen zugelassen, und es mangle an der

Identität des Schadens.182 Dann wird aber doch auf die Subrogationsbestimmung von

Art. 72 VVG zurückgegriffen, wenn auch nur per analogiam.183 Durch diese analoge

Anwendung sei es auch möglich, gegebenenfalls einen Regress auf Kausalhaftpflichtige

zuzulassen, „denn die Subrogation umfasst die gleichen Rechte, wie sie der versicherte

Haftpflichtige gegenüber möglichen Mithaftpflichtigen hätte geltend machen können“184.

177 Bejahend etwa Stoessel, S. 519 f. 178 Koenig, PVR, S. 535 f., was aber Maurer, PVR, S. 502, kritisiert, ohne jedoch einen Gegenvorschlag zu

liefern. 179 Vgl. dazu hinten § 7 I. 180 Stoessel, S. 507 m.w.H. 181 Maurer, PVR, S. 417. 182 BK-Brehm, Art. 51 N 65; Koenig, PVR, S. 289; Maurer, PVR, S. 422. 183 BGE 116 II 647 = Pra (80) 1991, Nr. 45, E. 2; Oftinger/Stark, I, § 11 N 102; Schaffhauser/Zellweger,

N 1476. 184 BGE 116 II 647 f.; so auch schon BGE 79 II 407 ff. = Pra (43) 1954, Nr. 36; vgl. ferner auch Schiedsge-

richt H. Oswald vom 22. Februar 1983 in: SGW 1983 Nr. 9, S. 26.

43

Dies entspricht der sog. Alter-ego-Praxis. Damit tritt der Haftpflichtversicherer in die

Rechtsstellung des versicherten Haftpflichtigen, mit der Konsequenz, dass sich der Ver-

sicherer in der Regresskaskade von Art. 51 Abs. 2 OR dort einzuordnen hat, wo sich sein

haftpflichtiger Versicherungsnehmer befindet bzw. befand.

Diese Einstufung des Haftpflichtversicherers ist im Ergebnis richtig, zumal es sowohl

sachlich als auch dogmatisch nachvollziehbar ist. Bedauerlich ist einzig der Umstand,

dass ein derart zentraler Tatbestand bis dato nicht gesetzgeberisch festgehalten wurde.

3. Entstehungsgeschichte von Art. 72 VVG

Das VVG vom 2. April 1908 trat am 1. Januar 1910 in Kraft und ist damit zeitlich vor

der Bestimmung des Art. 51 Abs. 2 OR185 entstanden, was diesem Gesetz zum Teil den

Ruf des antiquierten VVG einbrachte.186 Das Problem bei der Auslegung der Subrogati-

onsbestimmung des Art. 72 VVG liegt in der Frage, was der Gesetzgeber mit dem Aus-

druck „unerlaubte Handlung“ gemeint haben könnte. Die überwiegende Lehre und auch

die Rechtsprechung subsumieren unter den Ausdruck „unerlaubte Handlung“ lediglich

die Verschuldenshaftung, womit ein Regress auf Kausalhaftpflichtige ausser Betracht

bleibt.187

Die juristische Subkommission beschränkte offenbar den Regressanspruch auf den Fall,

wo „ein delictischer Ersatzanspruch gegen einen Dritten“ besteht. Zudem wurde in den

Materialien festgehalten, dass auch bei „kontraktlicher Haftung“ bei gleichzeitiger Haf-

tung aus Delikt ein Regressanspruch gegeben sein soll.188 Weitere Details, welche eine

schlüssigere Interpretation zuliessen, sind aus den Gesetzesmaterialien kaum zu entneh-

men. Was wollte die Kommission mit dem zweiten Satz festhalten?

VON TUHR189 folgerte daraus, dass das Verschulden nicht Voraussetzung des Versiche-

rungsregresses sei. Diese Auslegung von Art. 72 VVG würde im Ergebnis ein integrales

Regressrecht bedeuten. In diese Richtung geht auch die neuere Doktrin.190 Wie in diesem

185 OR vom 30. März 1911; in Kraft getreten per 1. Januar 1912. 186 Gauch, VVG, S. 62. 187 Vgl. statt vieler: Oftinger/Stark, I, § 11 N 31; Portmann, SVZ, S. 33; BGE 62 II 181. 188 Vgl. Protokoll der juristischen Subkommission 1898, S. 54 ff. 189 von Tuhr, SJZ 1922, S. 233 ff. 190 So etwa Rumo-Jungo, Haftpflicht, N 1083 ff.

44

Absatz kurz dargelegt, versteht hingegen die herrschende, aber ältere Lehre diese Be-

stimmung in der Weise, dass ein Regress des Versicherers nur bei Vorliegen eines Ver-

schuldens möglich sein soll. In diesem Zusammenhang gilt es auch den Umstand zu

beachten, dass während der Zeit der Entstehung des VVG die Geschäftsherren-, die

Tierhalterhaftpflicht und auch die Haftung des Familienhauptes als Verschuldenshaftun-

gen aufgefasst wurden.191 Daraus wird teilweise gefolgert, dass zu diesem Zeitpunkt

unter dem Begriff der unerlaubten Handlungen lediglich die Verschuldenshaftungstatbe-

stände zu subsumieren waren.192 Dies liesse meines Erachtens aber auch den Schluss zu,

dass der Gesetzgeber die Subrogation des Versicherers eben viel weiter fassen wollte. Er

wählte bewusst den Begriff „unerlaubte Handlung“ und nicht „aus Verschulden“, um

gerade auch die Kausalhaftung des Werkeigentümers zu erfassen.

Die Regressordnung des Art. 72 VVG allein gäbe genügend Anlass für eine Revision

dieses Gesetzes. Dies wurde bereits am Juristentag 1962 erkannt.193 Zurzeit gleicht das

Versicherungsrecht einer Grossbaustelle: So wird sowohl das VAG als auch das VVG

revidiert. Das VVG wird in einem ersten Schritt teilrevidiert,194 wobei auch längerfristig

eine Totalrevision ins Auge gefasst wird.195 Die Botschaft des teilrevidierten VVG ist

bereits im Parlament beraten und tritt per 1. Januar 2006 in Kraft.

4. Rechtsvergleichende Betrachtung

A. Regressrecht in Deutschland

Das Regressrecht des deutschen Schadensversicherers wird in § 67 VVG (D) geregelt.

Ein Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen einen Dritten geht auf den Versi-

cherer über, soweit dieser dem Versicherungsnehmer den Schaden ersetzt hat. Auch im

deutschen VVG hat somit die Subrogation Eingang gefunden. § 67 Abs. 1 VVG (D)

lautet wie folgt:

191 Schaer, Grundzüge, N 917 m.w.H. 192 Dazu etwa Roelli/Jaeger, Art. 72 N 5. 193 Dazu Gauch, VVG, S. 62. 194 Das teilrevidierte VVG ist per 1. Januar 2006 in Kraft getreten. Kernpunkte der Teilrevision waren die

Einführung einer Informationspflicht der Versicherungsgesellschaft, die Neuregelung der Anzeigepflicht-verletzung, die Teilbarkeit der Prämie bei vorzeitiger Beendigung des Versicherungsvertrages sowie das Vertragsschicksal bei einer Handänderung des versicherten Gegenstandes.

195 Vgl. auch vorne Einleitung.

45

„Steht dem Versicherungsnehmer ein Anspruch auf Ersatz des Schadens gegen ei-

nen Dritten zu, so geht der Anspruch auf den Versicherer über, soweit dieser dem

Versicherungsnehmer den Schaden ersetzt. Der Übergang kann nicht zum Nachteil

des Versicherungsnehmers geltend gemacht werden. Gibt der Versicherungsnehmer

seinen Anspruch gegen den Dritten oder ein zur Sicherung des Anspruchs dienendes

Recht auf, so wird der Versicherer von seiner Ersatzpflicht insoweit frei, als er aus

dem Anspruch oder dem Recht hätte Ersatz erlangen können.“

Danach wird dem leistenden Versicherer ein integrales, umfassendes Regressrecht gegen

alle beteiligten Haftpflichtigen eingeräumt – unter Vorbehalt des Quotenvorrechts, wel-

ches hier ganz offensichtlich nicht bloss auf leichte Fahrlässigkeit beschränkt ist.196

Diese Lösung mit dem integralen Regressrecht ist sachgerecht und dient darüber hinaus

der Rechtssicherheit.197 Dies zeigt sich auch darin, dass die Literatur bezüglich des Re-

gresses weniger umfangreich ausfällt. Von § 67 VVG (D) werden auch die Ausgleichs-

ansprüche von Haftpflichtversicherern erfasst.198

B. Regressrecht im Fürstentum Liechtenstein

Das Versicherungsvertragsgesetz (VersVG)199 von Liechtenstein regelt das Regressrecht

des Versicherers in Art. 53 Abs. 1, wo die Subrogation wie folgt bestimmt wird:

„Auf das Versicherungsunternehmen geht insoweit, als es Entschädigung geleistet

hat, der Ersatzanspruch über, der dem Anspruchsberechtigten gegen Dritte zusteht.“

Diese Regelung erinnert stark an die schweizerische Regelung im VVG, ist doch der

Satz bzw. der Wortlaut identisch mit Art. 72 VVG, mit der Ausnahme, dass bei Letzte-

rem bekanntlich die Anspruchsberechtigung auf die „unerlaubte Handlung“ reduziert ist.

196 Vgl. dazu Weyers/Wandt, § 67 N 735 ff., wo zum Ausdruck kommt, dass § 67 VVG weit auszulegen sei. 197 Vgl. dazu hinten § 9 III 3. 198 Weyers/Wandt, § 67 N 736. 199 Gesetz vom 16. Mai 2001 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VersVG),

215.229.1.

46

Demnach steht den liechtensteinischen Schadensversicherern – wie in Deutschland und

Österreich – ein integrales Regressrecht gegen sämtliche Haftpflichtige zu, und zwar

ohne Einschränkung.

Diese Regelung ist klar und eindeutig, auch wenn an dieser Stelle nochmals betont wer-

den muss, dass an sich unter den Begriff „unerlaubte Handlung“ ohne weiteres auch

Kausalhaftungstatbestände subsumiert werden könnten, zumal unter diesem Titel im OR

sämtliche ausservertraglichen Haftungstatbestände figurieren.

C. Zwischenergebnis aus der Rechtsvergleichung

Durch die unterlassene Koordination zwischen VVG und OR und dem unklaren Aus-

druck „unerlaubte Handlung“ wurde die Handhabung des schweizerischen Regressrech-

tes unnötig erschwert. Dies im Gegensatz zum ausländischen Recht, bei welchem einer-

seits teilweise explizit auf den Vorrang des VVG hingewiesen und andererseits eine

klare Subrogationsnorm statuiert wird.

5. Stellungnahme

Die Schwierigkeiten hinsichtlich der aus Art. 72 Abs. 1 VVG resultierenden Subrogati-

on, im Zusammenhang mit der Kaskade von Art. 51 Abs. 2 OR, gründen in einer Unter-

lassung des Gesetzgebers, der es versäumt hat, das Verhältnis der Spezialgesetze zum

allgemeinen neueren Regressrecht des OR zu regeln bzw. anzupassen. Dies mag daran

liegen, dass nicht schon zu Beginn der Beratung die Revision des Art. 51 OR geplant

war und somit eine Anpassung der speziellen Regressnormen untergegangen ist.200

Zudem ist hinsichtlich der Regressaten der Ausdruck „unerlaubte Handlung“ nicht allzu

glücklich ausgefallen. Es entbehrt jeglicher Logik, wenn die aus Kausalhaftpflicht oder

aus Vertrag Haftenden nicht zu den möglichen Regressschuldnern von Art. 72 Abs. 1

VVG gezählt werden. Überdies galt damals wie heute die Werkeigentümerhaftung als

unerlaubte Handlung, weshalb es keinen Grund gibt, den gesetzgeberischen Willen so

auszulegen, dass die unerlaubte Handlung dem Verschulden gleichzustellen wäre. Wäh-

200 Hartmann, S. 81.

47

rend die unerlaubte Handlung als Oberbegriff für eine Art der Obligationsentstehung

dient, versteht sich das Verschulden als Tatbestandselement einzelner Haftungsarten.

Nach dem allgemeinen Verständnis ist es Zweck einer Eigenschadensversicherung, den

Schaden einer bestimmten Art zu ersetzen, und zwar unabhängig davon, ob dem Ge-

schädigten für diesen Schaden ein Dritter haftet. Dadurch sollen dem Versicherungs-

nehmer die Mühe und das Risiko eines Prozesses gegen den Dritten erspart bleiben.

Hingegen wollte meines Erachtens der Geschädigte mit dem Abschluss seiner Eigen-

schadensversicherung kaum den haftpflichtigen Dritten begünstigen. Wäre dem so, wür-

de es sich – wohl stillschweigend – um Versicherungen zugunsten Dritter handeln. Da-

von spricht aber bei Sach- und Kaskopolicen zu Recht niemand.201

III. Sozialversicherungsrecht

1. Allgemeines

Mehrere Ersatzpflichtige bilden bezüglich kongruenter Leistungen eine Koordinations-

gemeinschaft. Bei der Beteiligung von Sozialversicherern gilt es neben dem Rückgriff

gegenüber einem Dritten auch den Ausgleich innerhalb der Koordinationsgemeinschaft

zu berücksichtigen. Ausserdem ist zwischen solchen Gemeinschaften zu unterscheiden,

welche einzig aus dem ATSG unterstellten Versicherungsträgern bestehen, und solchen,

bei denen zusätzlich auch Privatversicherer nach VVG involviert sind. Je nachdem än-

dert sich die Rückgriffsregelung. Dabei geht es ausschliesslich um die Koordination des

Rückgriffs und nicht um jene der Leistungen.202 Dies wird im Folgenden kurz dargelegt.

2. Rückgriff gegen Dritte

In Art. 72 Abs. 1 ATSG ist ein integrales Regressrecht statuiert, basierend auf dem Prin-

zip des „neutralen Ersatzpflichtigen“203. Der Versicherungsträger tritt zum Zeitpunkt des

Ereignisses in die Ansprüche der versicherten Person und ihrer Hinterlassenen ein, wel-

201 Honsell, Regress, S. 572 hält fest, dass das Regressergebnis nicht vom zufälligen Umstand abhängen soll, ob der Geschädigte eine Eigenschadenversicherung abgeschlossen hat.

202 Betreffend Leistungskoordination vgl. Art. 63 ff. ATSG. 203 Mit diesem Begriff sind Ersatzpflichtige, welche keine Schadenursache zu vertreten haben, gemeint; vgl.

dazu etwa Beck, ATSG, S. 130.

48

che diese gegenüber Dritten besitzen. Diese Regelung bezieht sich demnach auf Rück-

griffe gegen Haftpflichtige oder ihren Haftpflichtversicherer. Als Besonderheit gilt es

speziell die solidarische Haftung mehrerer Haftpflichtiger gegenüber den regressieren-

den Versicherungsträgern gemäss Art. 72 Abs. 2 ATSG zu erwähnen. Dadurch wird

teilweise der Schluss gezogen, dass die Sozialversicherer gar nicht mehr zur Anspruchs-

konkurrenz zählen und damit eine Unterscheidung zwischen Aussen- und Innenverhält-

nis obsolet wird.204 Sodann umfasst die Subrogation nach ATSG auch ein allfälliges

direktes Forderungsrecht der geschädigten Person, welches ihr gegenüber dem Haft-

pflichtversicherer zusteht. Umfang, Kongruenzen und Regressprivilegien werden in den

darauf folgenden Art. 73–75 ATSG geregelt.205

Regressberechtigte im Sinne des ATSG sind nur jene Sozialversicherungsträger, welche

diesem Gesetz unterstellt sind. Die berufliche Vorsorge untersteht nicht dem ATSG. Mit

der 1. BVG-Revision, welche per 1. Januar 2005 in Kraft getreten ist, sind jedoch die

Regressbestimmungen direkt im BVG dem ATSG angeglichen worden.206

3. Koordination der Rückgriffsansprüche innerhalb der Versicherungsträger

nach ATSG

Das Regressverhältnis mehrerer dem ATSG unterstellter Sozialversicherer wird durch

Art. 16 ATSV geregelt. Danach werden die beteiligten Sozialversicherungsträger zu

einer Gesamtgläubigerschaft zusammengeschlossen. Innerhalb dieser Gemeinschaft

werden sie im Verhältnis der von ihnen zu erbringenden kongruenten Leistungen aus-

gleichspflichtig. Es findet demnach eine proportionale Aufteilung statt.

4. Koordination mit Rückgriffsansprüchen anderer Versicherer

Beinhaltet die Koordinationsgemeinschaft sowohl Sozialversicherer nach ATSG als auch

Versicherer nach VVG, so stellt sich die Frage, wie eine allfällige Ausgleichung zu er-

204 So etwa Beck, ATSG, S. 131 f.; ebenso bereits schon vor Inkrafttreten des ATSG Rumo-Jungo, Haft-pflicht, N 917, wo von fingierter Anspruchskonkurrenz die Rede ist.

205 Die entsprechenden Artikel werden bei der Darlegung der jeweiligen Themen weiter herangezogen und gegebenenfalls behandelt.

206 Art. 34b BVG.

49

folgen hat, zumal eine gesetzliche Regelung nirgends verankert ist. In der Doktrin wer-

den drei Theorien vertreten:207

1. Proportional-Methode: Bei dieser Methode bilden alle beteiligten Versicherer eine

Gesamtgläubigerschaft. Innerhalb dieser Gemeinschaft stehen sich alle Regressforderun-

gen gleichberechtigt gegenüber. Die Aufteilung der Forderungen erfolgt sodann im Ver-

hältnis der jeweilig erbrachten Versicherungsleistungen. Diese Meinung wird von der

überwiegenden Lehre vertreten.208

2. Rangfolge-Methode: Diese Methode richtet sich nach der zeitlichen Entstehung der

jeweiligen Subrogation. Damit werden die Sozialversicherer, infolge der unmittelbaren

Subrogation, gegenüber den Privatversicherern bevorzugt, welche erst bei Erbringen der

Leistung in die Geschädigtenansprüche subrogieren.

3. Entflechtungs-Methode: Diese Theorie wird vor allem von DENGER verfochten.209

Hier werden die zwei Kategorien von Versicherern berücksichtigt, indem zweiphasig

verfahren wird. In einer ersten Stufe werde das Regresssubstrat für die Sozialversicherer

nach ATSG ermittelt, wobei der Brutto-Direktanspruch des Versicherten als Basis diene.

Das verbleibende Substrat, welches den Brutto-Direktanspruch darstelle, werde auf die

zweite Kategorie von Versicherern, jenen nach VVG, aufgeteilt.

Für die Proportionalmethode spricht meines Erachtens vor allem das Prinzip der Gleich-

behandlung, auch wenn aufgrund der Neukonzeption des Art. 72 Abs. 2 ATSG, wonach

mehrere Haftpflichtige gegenüber den Versicherungsträgern solidarisch haften, auch die

Rangfolgemethode eine gewisse Berechtigung erlangt hat. Die Entflechtungsmethode ist

deshalb abzulehnen, weil die Sozialversicherer davon profitieren, wenn der Geschädigte

eine Zusatzversicherung210 nach VVG abgeschlossen hat.211 Diesfalls wird der Brutto-

Direktschaden kleiner und damit das Regresssubstrat der Versicherer der ersten Katego-

rie grösser. Der dadurch erzielte Profit geht dann zulasten der Versicherer der zweiten

Kategorie.

207 Die Darstellung erfolgt lediglich summarisch, da es vor allem ein sozialversicherungsrechtliches Problem betrifft. Für weitere Ausführungen vgl. etwa Schaer/Duc/Keller, Denger, S. 339 ff.; Rumo-Jungo, Haft-pflicht, N 1100 ff.

208 So etwa Rumo-Jungo, Haftpflicht, N 1108 m.w.H.; Rumo-Jungo, Zusammenspiel, S. 627 ff.; Schaer, Hard cases, S. 20 f.

209 Schaer/Duc/Keller, Denger, S. 340 ff., wo auch zwei Beispiele dargestellt werden. 210 Z.B. eine Auto-Insassenversicherung. 211 Ebenfalls ablehnend Rumo-Jungo, Zusammenspiel, S. 626 Fn 73.

50

IV. Nach SVG

1. Allgemeines

Dieses Kapitel behandelt die Rechtslage, wenn eine Haftung nach SVG mit anderen

Haftungsnormen kollidiert. Auf die weiteren Gefährdungshaftungen212 wird nicht einge-

gangen. Die im SVG statuierte Gefährdungshaftung von Art. 58 Abs. 1 kommt nur dann

zur Anwendung, wenn das Fahrzeug in Betrieb war und sich diese Betriebsgefahr auch

auf den Schaden ausgewirkt hat. Ist der Betrieb nicht gegeben, kommt eine Verschul-

denshaftung gemäss Art. 58 Abs. 2 SVG in Betracht. Somit ist die Bejahung des Betrie-

bes bei der Gefährdungshaftung von zentraler Bedeutung, weshalb dieser Frage im fol-

genden Abschnitt kurz nachgegangen wird.213

Das SVG sieht als Spezialgesetz eine eigene Regressordnung vor. Dies ergibt auch Sinn,

da es sich beim vorliegenden Gesetz um eine Gefährdungshaftung handelt, bei welcher

die Betriebsgefahr in besonderer Weise zu berücksichtigen ist. Dabei wird aber lediglich

die Haftungskollision mehrer Halter geregelt, während das Verhältnis zu anderen Haft-

pflichtigen, welche aus anderen Rechtsgründen haften, keine spezielle Regelung erfährt.

Die Bestimmung von Art. 60 SVG verankert zunächst in Abs. 1 die Solidarität gegen-

über Dritten, und zwar handelt es sich dabei um die echte Solidarität. Dies ist unproble-

matisch. Die Schadensverteilung im Innenverhältnis wird von Abs. 2 bestimmt. Entspre-

chend wird der Schaden unter den beteiligten Haftpflichtigen, unter Würdigung aller

Umstände, verteilt. Als Richtlinie wird bestimmt, dass mehrere Motorfahrzeughalter

nach Massgabe des von ihnen zu vertretenden Verschuldens den Schaden tragen, wenn

nicht besondere Umstände, namentlich die Betriebsgefahren, eine andere Verteilung

rechtfertigen. Dieser viel diskutierte Abs. 2 hat zu zwei Methoden geführt: der Kompen-

sationsmethode und der sektoriellen Verteilung.214

Betreffend Schaden unter Haltern gibt Art. 61 SVG Auskunft. Zunächst fällt auf, dass

hier zwischen Personen- und Sachschäden unterschieden wird. Dies ist nach überwie-

gender Meinung nicht sachgerecht und entbehrt jeglicher Logik.215 Hinsichtlich der

Personenschäden ist Abs. 1 im Ergebnis praktisch identisch mit der Bestimmung von

212 Zu denken ist etwa an folgende Gefährdungshaftungen: Art. 1 PrHG, Art. 64 LFG, Art. 1 EHG, Art. 3 KHG, Art. 27 EleG, Art. 33 RLG, Art. 27 SprstG, Art. 15 JSG, Art. 59a-b USG.

213 Für eine vertiefte Auseinandersetzung mit Art. 60 und 61 SVG vgl. etwa Hulliger. 214 Zu den Einzelheiten vgl. hinten § 6 IV. 215 So noch das EHG.

51

Art. 60 SVG. Hingegen wird in Abs. 2 betreffend Sachschäden unter Haltern eine Ver-

schuldenshaftung statuiert.

Sodann wird hier der guten Ordnung halber festgehalten, dass Art. 60 ff. SVG lex spe-

cialis zu den allgemeinen Normen des OR sind. Dennoch wird von einem Teil der Lehre

die Anwendbarkeit der Regresskaskade von Art. 51 Abs. 2 OR für das SVG bejaht, dies

im Sinne von Art. 4 ZGB, da das Gesetz dem Richter die Würdigung aller Umstände

auferlege.216 Kollidiert eine Haftung aus SVG mit anderen Haftungsnormen, so bleibt die

Frage von Seiten des Gesetzes unbeantwortet, nach welchen Regeln der Schaden im

Innenverhältnis aufzuteilen ist. Diese Problematik wird in einem eigenen Abschnitt erör-

tert.217

2. Begriff des Betriebes eines Motorfahrzeuges

A. Kurzdarstellung der heutigen Rechtsprechung

Damit die Haftungskollisionen bzw. der Regress nach SVG untersucht werden können,

bedarf es vorab der kurzen Klärung des Begriffs „Betrieb eines Motorfahrzeuges“218,

zumal damit die Gefährdungshaftung steht oder fällt.

Der Betriebsbegriff wird in BGE 63 II 269 ff.219 wie folgt umschrieben: „Das Motorfahr-

zeug ist im Betrieb, wenn seine maschinellen Einrichtungen, welche die dem Motorfahr-

zeugverkehr eigentümliche Gefahrenquelle darstellen, also namentlich Motor und

Scheinwerfer, im Gange sind, wobei der Fortbewegung des Fahrzeuges durch den Motor

diejenige durch die eigene Schwerkraft zum mindesten bei bewusster Ausnutzung

gleichgestellt werden muss.“

Zwischen dem Betrieb des Motorfahrzeugs bzw. seiner spezifischen Betriebsgefahr und

dem Unfall muss zudem ein Kausalzusammenhang bestehen. Nach Bundesgericht ist

dieser Zusammenhang dann zu bejahen, „wenn eine dem Betrieb des Fahrzeuges eigene

216 So etwa Giger, Art. 60 Ziff. 2a. 217 Vgl. hinten Ziff. 4. 218 Ausführlich etwa A. Keller, Rechtsgutachten für den Nationalen Garantiefonds Schweiz und das Nationale

Versicherungsbüro Schweiz zum Bagger-Küde-Fall, in: HAVE 2003, I, S. 18 ff. 219 Bestätigt etwa in BGE 82 II 47; 88 II 458.

52

Gefahr sich auswirkt, dagegen zu verneinen, wenn bloss anlässlich des Betriebes eines

solchen Fahrzeuges Schaden entsteht“220.

Somit kann festgehalten werden, dass ein Betrieb im Sinne von Art. 58 Abs. 1 SVG dann

nicht vorliegt, wenn die motorischen Kräfte nicht zur Fortbewegung, sondern aus-

schliesslich zur Arbeitsleistung verwendet werden.221 Es wird auch gefordert, dass die

Betriebsgefahren nicht abstrakt, sondern konkret, nach den jeweiligen Umständen, zu

beurteilen sind, wie sie sich im Einzelfall verwirklicht oder ausgewirkt haben.222 Diesbe-

züglich darf nicht übersehen werden, dass das Bundesgericht mit seiner Rechtsprechung

manchmal auch die abstrakte Betriebsgefahr genügen lässt: die sog. latente Betriebsge-

fahr; beispielsweise dort, wo der Motor läuft, aber das Fahrzeug nicht in Bewegung ist.

Dieses Problem ist in der Praxis als Sonderfall der stillstehenden Fahrzeuge bekannt.

Dabei stellt das Bundesgericht auf eine Gesamtbetrachtung ab, worin sich auch eine

zeitliche Komponente widerspiegelt.223 Tendenziell bejaht das Bundesgericht bei still-

stehenden Fahrzeugen auf der Fahrbahn den Betrieb.224

B. Stellungnahme

Obschon das Bundesgericht die Betriebsgefahr zu Recht nicht extensiv auslegt, kann

diese Praxis zu nicht sachgerechten Resultaten führen. Aus diesem Grunde wird ver-

sucht, eine Lösung aufzuzeigen, welche mit relativ einfachen Mitteln eine Haftungsbeur-

teilung nach SVG zulässt.

Aus den obigen Ausführungen und der dargelegten Kasuistik kann gefolgert werden,

dass auf die beim Unfall konkret ausgewirkten Energien abgestellt werden könnte. Dies

entspricht auch der ratio legis, die Betriebsgefahr unter die Gefährdungshaftung zu stel-

len. Die von einem Motorfahrzeug ausgehende Gefahr korreliert mit der entsprechenden

kinetischen Energie, welche bekanntlich nach der Formel: E = (m*v2)/2 berechnet wird.

Ist die Energie gleich Null, so kann sich die Betriebsgefahr grundsätzlich nicht ausge-

wirkt haben und darf bei der Schadensaufteilung keine Berücksichtigung finden. Eine

220 BGE 107 II 271; 114 II 379. 221 So auch das Urteil des KGer SG, in: SJZ 1969, S. 12; a.M. Keller, Haftpflicht I, S. 292. 222 BGE 85 II 521 f.; 105 II 213 E. 4b; Schaffhauser/Zellweger, N 1321 u. N 1336. 223 So etwa BGE 64 II 237 ff. 224 Der Betrieb wurde vom BGer bejaht, in: BGE 113 II 323 ff.; 95 II 635; 81 II 554; 64 II 240; 63 II 339.

Betrieb verneint, in: BGE 114 II 382; 107 II 273; 102 II 281; 100 II 49; 97 II 161 ff.; 78 II 161; 72 II 217 ff.

53

Ausnahme dieser Regel würde etwa der Fall bilden, bei welchem ein Motorfahrzeug

kurz anhält, um einen Zusammenstoss mit einem anderen Strassenbenützer zu verhin-

dern. Hier darf nicht auf die Kollisionsenergien, sondern auf jene vor dem sich anbah-

nenden Unfall abgestellt werden. Wissenschaftliche Genauigkeit ist beim Ganzen zwar

nicht verlangt, meines Erachtens auch nicht erstrebenswert und im Übrigen auch nicht

möglich. Gleichwohl darf nicht übersehen werden, dass die Geschwindigkeit sich quad-

ratisch auswirkt. Die physikalische Energieformel wird – unter Anrufung der konkreten

Berechnung, wie hier vorgeschlagen – bis dato jedoch mehrheitlich abgelehnt.225

Eine scharfe Kausalhaftung lässt sich meines Erachtens nur dadurch rechtfertigen, dass

eine Haftung mitunter für jene Fälle begründet wird, bei welchen sich die tatsächliche

Gefahr auch verwirklicht hat. So ist nicht einzusehen, weshalb ein zwar in den Verkehr

eingegliedertes Fahrzeug, welches vor dem auf Rot stehenden Lichtsignal seit einigen

Sekunden oder Minuten steht, plötzlich mit einer Haftung belastet wird, bloss weil ihm

ein anderer Verkehrsteilnehmer – Auto oder Fahrrad – aufgefahren ist. Die tote Masse,

wie das Bundesgericht zu sagen pflegt,226 hätte ja auch ein Stein oder sonst ein Hindernis

sein können.

3. Haftungskollisionen innerhalb des SVG

A. Vorbemerkungen

Einleitend und Bezug nehmend auf die vorherigen Ausführungen wird die Problematik

der bundesgerichtlichen Rechtsprechung betreffend die Betriebsgefahr anhand eines

Sachverhaltes dargelegt:

Halter A hält korrekt vor dem roten Lichtsignal. Dies macht hinter A auch das Fahr-

zeug B. Das dritte Fahrzeug C kann nicht mehr rechtzeitig anhalten und fährt B von

hinten auf, so dass Letzterer auf A gestossen wird. Dabei wird die Beifahrerin des

Fahrzeuges B, die Ehefrau des Halters B, schwer verletzt. C begeht Fahrerflucht,

225 Statt vieler etwa Hulliger, S. 98 f., wo er das Beispiel eines Motorrades anführt, welches in einen Reisebus prallt. Der dabei ausgewirkte physikalische Stoss, m1*v1 = m2*v2, kann meines Erachtens dabei niemals alleine den Bus den Abhang hinunterstossen, sondern da muss ein weiterer Umstand in der Kausalkette hinzutreten.

226 BGE 97 II 166.

54

und es gelingt in der Folge nicht, ihn zu finden. Die Beifahrerin des B wird von der

UVG-Versicherung schadlos gehalten. Letztere macht Regress, aber auf wen? Eben-

so möchte B seinen Fahrzeugschaden geltend machen.

Bemerkungen: C ist nicht auffindbar, weshalb gegen ihn de facto keine Ansprüche ge-

stellt werden können. Dass der nationale Garantiefonds hinsichtlich des Personenscha-

dens nicht zur Anwendung gelangt, ergeht aus Art. 76 Abs. 4 SVG, worin eine subsidiä-

re Deckung227 statuiert ist. Dasselbe gilt für den Fahrzeugschaden des B, wenn er eine

Kaskoversicherung besitzt. Somit muss vorab nach anderen Ersatzpflichtigen gesucht

werden. Halter B fällt unter das Haftungs- bzw. neu das Regressprivileg nach ATSG.

Die Frage, ob der subrogierende Versicherer trotzdem Regress auf den an sich privile-

gierten Schädiger nehmen kann, ist eine Frage der gestörten Solidargemeinschaft. Diese

Frage wird in einem separaten Kapitel erörtert.228 Wird der herkömmlichen Auffassung

gefolgt, so bleibt B auch im Regress privilegiert, weshalb lediglich noch Halter A in

Betracht kommt. Da das Fahrzeug noch in den Verkehr eingegliedert ist, würde nach

höchstrichterlicher Rechtsprechung die Haftung vollumfänglich auf den unschuldigen A

fallen.

Dieses Resultat kann nach meinem Dafürhalten nicht richtig sein. Dies zeigt sich auch

dadurch, dass anstelle des Fahrzeuges A ebenso gut ein Stein – eben eine tote Masse –

hinzugedacht werden kann, für welchen logischerweise keine Gefährdungshaftung be-

steht. Nach der hier vorgeschlagenen Lösung ginge die Beifahrerin B nicht leer aus,

sondern für den erlittenen Schaden käme der nationale Garantiefonds zum Zuge, da

keine Haftpflichtigen vorhanden sind. Dem steht meines Erachtens auch Art. 59 SVG

nicht entgegen, wonach lediglich die höhere Gewalt, nicht aber der blosse Zufall einen

Haftungsausschlussgrund darstellt, stellt man auf die sich beim Unfall ausgewirkte Ener-

gie ab.

227 Vgl. dazu hinten § 12 I 3. 228 Vgl. hinten § 7 III.

55

B. Kompensationstheorie oder sektorielle Verteilung?

In der Doktrin werden in Bezug auf die quotale Aufteilung des Schadens zwei verschie-

dene Methoden vertreten: die sog. sektorielle Verteilung229 und die sog. Kompensati-

onsmethode230.

Bei der sektoriellen Verteilung231 werden alle relevanten Ursachen zusammen als Kreis

oder Kuchen dargestellt, womit jede Ursache in Form eines Sektors abgebildet wird.232

Je gewichtiger die Relevanz der Teilursache, desto grösser wird das „Kuchenstück“. Der

gesamte Kreis bzw. Kuchen entspricht dem Gesamtschaden im Sinne von Art. 42 OR.

Die Veränderung des einen Sektors wirkt sich auf sämtliche anderen im Kreis enthalte-

nen Sektoren aus. Wird ein Sektor vernachlässigbar klein, so scheidet er sogar aus der

Verteilung aus.233 Ist im Innenverhältnis ein Versicherer beteiligt, so nehmen OFTIN-

GER/STARK diesen aus dem Solidarschuldnerverhältnis heraus und gewähren ihm ein

Rückgriffsrecht gegen alle Haftpflichtigen. Die Autoren rufen auch in Erinnerung, dass

Art. 51 Abs. 2 OR keinen zwingenden Charakter habe.234 Diese Lösung entspricht im

Ergebnis einem integralen Regressrecht.

Bei der Kompensations- bzw. Neutralisationsmethode werden gleichartige Ursachen,

welche miteinander kollidieren, aus der Rechnung gestrichen bzw. neutralisiert.235 Die

Quoten der verbleibenden Ursachen werden dadurch erhöht. Dabei können sowohl Ver-

schuldensquoten als auch Betriebsgefahren neutralisiert werden. Eine Kompensation der

Betriebsgefahren findet nach Bundesgericht dann nicht statt, wenn keiner der ersatz-

pflichtigen Halter ein Verschulden zu vertreten hat.236 Diesfalls werden die Schäden

nach der Grösse der Betriebsgefahren verteilt.

Die bundesgerichtliche Rechtsprechung hat sich bis dato noch auf keine Methode wirk-

lich festgelegt. Hinsichtlich des Regresses unter Motorfahrzeughaltern wird jedoch ten-

denziell die Kompensationsmethode favorisiert.237 Bei der Verschuldenskompensation

229 Vgl. etwa: Oftinger/Stark, I, § 9 N 12 ff.; Roberto, Schadensrecht, S. 319 m.w.H. 230 So etwa Guhl/Koller, § 10 N 74, 78. 231 Auch "Kuchenprinzip" genannt. 232 Oftinger/Stark, I, § 9, N 13. 233 Oftinger/Stark, I, § 9 N 14; nach dem Prinzip "minima non curat Praetor". 234 Oftinger/Stark, I, § 11 N 74 ff. 235 Oftinger/Stark, I, § 9 N 15. 236 BGE 105 II 209 ff. 237 BGE 99 II 95 ff.; BBl 1973 II 1199.

56

werden die beiden Methoden etwa gleich oft angewendet.238 Das Bundesgericht führt im

Entscheid BGE 113 II 329239 aus, dass die beiden Halter dem Lenker oder seiner Hinter-

bliebenen solidarisch nach Art. 60 Abs. 1 SVG haften. Die Kompensation findet nach

Auffassung des höchsten Gerichtes nur unter Haltern statt, weshalb die zum Teil in der

Lehre geäusserten Bedenken hinsichtlich Kompensation der beteiligten Betriebsgefahren

bei der Kollision mit allgemeinen Haftungstatbeständen obsolet geworden sind.240 Eine

Kompensation der Betriebsgefahren findet nach der Rechtsprechung auch dann nicht

statt, wenn beide Halter schuldlos sind. In diesem Fall wird der Schaden nach den von

den beteiligten Fahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahren aufgeteilt.241 Es ist zu bedau-

ern, dass sich das Bundesgericht bis heute nicht für eine einheitliche Praxis entschieden

hat.

4. Haftungskollision SVG-Haftung mit allg. Haftungsnorm

A. Vorbemerkungen

Die Einordnung der Gefährdungshaftung in die Regressordnung bereitet seit jeher Prob-

leme, und eine entsprechende konsequente Praxis existiert dazu nicht. Wie die histori-

sche Auslegung gezeigt hat, stammt die Regresskaskade von Art. 51 Abs. 2 OR aus einer

Zeit, in der die Gefährdungshaftungstatbestände erst im Aufkommen waren und der

Gesetzgeber diese bei der Konzeption nicht bedacht hatte.242 Seither wird versucht, die

Gefährdungshaftung ins geltende Recht einzuordnen, was jedoch nicht einfach ist, zumal

bei der Gefährdungshaftung sich lediglich die konkrete Gefahr, welche an sich sozial-

adäquat gebilligt wird, verwirklicht hat.

238 Für Verschuldenskompensation: BGE 116 II 737; 116 II 427; 97 II 345; 67 II 188. Gegen eine Neutralisie-rung der Verschulden: BGE 113 II 328; 95 II 581; 92 II 44; 63 II 224; 60 II 199.

239 Sog. Ebenrain-Tunnel-Fall. 240 Dazu noch etwa Oftinger/Stark, II/2, § 25 Fn 1162. 241 BGE 123 III 279; Oftinger/Stark, II/2, § 25 N 661. 242 Vgl. vorne § 6 I 2.

57

B. Lehre und Rechtsprechung

i. Betriebsgefahr ist gegeben

Nach der herrschenden Lehre soll die Gefährdungshaftung auf die Gesetzesstufe von

Art. 51 Abs. 2 OR gestellt werden, mit der zusätzlichen Einschränkung des Prinzips der

Vorwegtragung eines Regressteils für die Verwirklichung der Betriebsgefahr.243 OFTIN-

GER/STARK wollen die sektorielle Methode angewendet wissen.244 Eine andere Meinung

geht dahin, die Gefährdungs- mit der Kausalhaftung im Innenverhältnis gleichzustel-

len.245 Diese Lösung basiert auf der Überlegung, dass die strenge Haftung für die Be-

triebsgefahr lediglich als Schutz für den Geschädigten im Aussenverhältnis statuiert

wurde, sich aber im Innenverhältnis, aufgrund des fehlenden tadelnswerten Verhaltens,

ein weiteres Festhalten an dieser scharfen Haftung nicht rechtfertigen lasse.

Das Bundesgericht hat sich in BGE 116 II 645 diesbezüglich gegen die Anwendung von

Art. 51 Abs. 2 OR ausgesprochen, indem es diesen Fall als Ausnahme von der aufge-

stellten Kaskade einstuft und die Regelung vielmehr dem Grundsatz von Art. 60 Abs. 2

Satz 1 unterstellt, wonach der Schaden auf die beteiligten Haftpflichtigen unter Würdi-

gung aller Umstände zu verteilen sei.246 Die bereits erwähnte Kompensationsmethode

betreffend die kollidierenden Betriebsgefahren findet somit spätestens dort ihr Ende, wo

Haftpflichtige aus SVG-fremden Haftungsgründen beteiligt sind, da sonst mittels Kom-

pensation der Betriebsgefahren diese meistens zur Nichtberücksichtigung führen wür-

den.247

Meines Erachtens führt sowohl das Prinzip der Vorwegtragung eines Haftungsteils

betreffend die Betriebsgefahr als auch die bundesgerichtliche Lösung zum gleichen

Ergebnis: Es entspricht nämlich der von OFTINGER/STARK vorgeschlagenen Lösung der

sektoriellen Methode.

243 Rey, N 1523; eher kritisch: Schaer, Grundzüge, N 869 ff.; Oftinger/Stark, I, § 10 N 51; Oftinger/Stark, II/2, § 25 N 714; Schaffhauser/Zellweger, N 1467.

244 Oftinger/Stark, II/2, § 25 N 711. 245 BK-Brehm, Art. 71 N 133 m.w.H. 246 BGE 116 II 649 E.3b. 247 So auch Oftinger/Stark, II/2, § 25 Fn 1162.

58

ii. Ermässigung oder Ausschluss der Halterhaftung

Die Relevanz der Betriebsgefahr kann durch ein grobes Drittverschulden oder durch ein

grobes Selbstverschulden derart in den Hintergrund gedrängt werden, dass es den Kau-

salzusammenhang hinsichtlich der Betriebsgefahr zu unterbrechen vermag.248 Gemäss

Art. 59 Abs. 1 SVG ist jedoch vorausgesetzt, dass kein zusätzliches Verschulden des

Halters bzw. des Lenkers mitgewirkt und ebenso keine fehlerhafte Beschaffenheit des

Fahrzeuges zum Unfall beigetragen hat. Sind diese Bedingungen erfüllt, wird der Halter

gemäss Art. 59 Abs. 1 SVG von der Haftung befreit. Trifft nun der Kausalhaftpflichtige,

welcher ein zusätzliches Verschulden zu vertreten hat, mit einer aus Gefährdung haften-

den Person zusammen, so verteilen sich die Sektoren des Gesamtschadens auf mehrere

Komponenten.249

Kann der Halter den Beweis des grobfahrlässigen Selbstverschuldens des Geschädigten

nicht erbringen, so kann seine Haftung dennoch gemäss Art. 59 Abs. 2 SVG gemildert

werden. Ein eigenes Verschulden des Halters oder Lenkers wird nach Rechtsprechung

des Bundesgerichts mit dem Selbstverschulden kompensiert.250 Diese Lösung liegt auf-

grund des Gesetzeswortlautes nicht zwingend auf der Hand. Auf weitere Einzelheiten

kann in dieser Arbeit nicht eingegangen werden.

iii. Betriebsgefahr ist nicht gegeben

Ist die Betriebsgefahr nicht gegeben, so haftet der Fahrzeughalter einzig dann, wenn ihm

ein Verschulden zur Last gelegt werden kann. Wenn dies der Fall ist, so fällt er in der

Regresskaskade von Art. 51 Abs. 2 OR auf die unterste Stufe.

Wird ein parkiertes Fahrzeug von einem Tier oder infolge eines Werkmangels beschä-

digt, und ist alternativ zur Kausalhaftung ein zusätzliches Verschulden gegeben, so stellt

sich wiederum die Frage, wie der für den Schaden aufgekommene Teilkaskoversicherer

regressieren kann. Nach der Regresskaskade steht dem Teilkaskoversicherer grundsätz-

lich ein Regressanspruch gegen den Haftpflichtigen aus Art. 41 OR zu. Wendet man

hingegen die sektorielle Verteilung an – wie oben dargelegt –, so gilt es zu beachten,

248 Vgl. dazu eindrücklich Urteil des BGer vom 24. August 2001, 4C.141/2001. 249 Vgl. dazu etwa Hulliger, S. 84 ff., wo versucht wird, die verschiedenen Konstellationen, unter Berücksich-

tigung der Verschuldenshöhe, zu katalogisieren. 250 BGE 64 II 237; 64 II 312.

59

dass diesfalls der Kaskoversicherer aus dem Innenverhältnis herauszunehmen und ihm

damit keine Quote zuzuteilen ist.251

C. Zwei Fälle aus der Praxis

Betreffend Kollision zwischen Tierhalter- und Motorfahrzeughaftung hat das Bundesge-

richt252 beispielsweise eine Haftungsquote des Tierhalters von 75% für rechtmässig

erklärt. Der Tierhalter hatte ein leichtes, zusätzliches Verschulden zu vertreten, während

dem Motorfahrzeughalter lediglich die Betriebsgefahr angelastet werden konnte.

Hinsichtlich der Haftungskollision zwischen Werkeigentümer- und Motorfahrzeughaf-

tung beurteilte das höchste Gericht253 die Aufteilung in der Weise, dass ohne jegliches

Verschulden eine Aufteilung 1:3 zu 2:3 zulasten des Motorfahrzeughalters gerechtfertigt

sei. Treffe den Werkeigentümer ein zusätzliches Verschulden, so sei dieselbe Aufteilung,

jedoch zulasten des Werkeigentümers, rechtmässig.

Wird ein aus OR Haftpflichtiger vom Geschädigten im Aussenverhältnis belangt, so hat

er aufgrund der Solidarität für den kausal verursachten Schaden grundsätzlich vollen

Ersatz zu leisten. Im Innenverhältnis hat er sich an die Regresskaskade von Art. 51 Abs.

2 OR zu halten. Davon nicht betroffen sind Haftungssubjekte aus SVG, welche eine

Betriebsgefahr zu vertreten haben. Gegen solche Haftpflichtige wird der Regress des

beispielsweise Verschuldenshaftpflichtigen zugelassen, eben mit der Begründung, dass

die Betriebsgefahr stets ihren Anteil zu übernehmen hat.

Eine umfangreiche Kasuistik betreffend die Kollision von Halterhaftung und Verschul-

denshaftung, inklusive graphischer Darstellung, ist bei EMMENEGGER/GEISSELER254 zu

finden. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird in dieser Arbeit lediglich darauf ver-

wiesen.

251 Oftinger/Stark, I, § 11 N 74. 252 BGE 85 II 243 ff. = Pra (48) 1959, Nr. 174. 253 BGE 108 II 57 f. 254 Emmenegger/Geisseler, Ausgewählte Fragen der SVG-Haftung in: Strassenverkehrsrechts-Tagung 2004,

S. 3 ff., insb. S. 30 ff. und Anhang.

60

§ 7. Einschränkungen des Regressrechts

I. Quotenvorrecht

1. Ausgangslage

Kommt für einen Schadensfall eine Schadensversicherung auf, wird aber durch ihre

Leistung nicht der ganze erlittene Schaden gedeckt, so stellt sich die Frage, ob der Ge-

schädigte seine Direktansprüche weiterhin gegenüber dem Haftpflichtigen durchsetzen

kann, ungeachtet eines Regressanspruchs der leistenden Versicherung. Nach der tradier-

ten Rechtsparömie nemo subrogat contra se darf der subrogierende Versicherer nicht

zulasten des Geschädigten regressieren. Letzterem verbleibt dadurch die sog. Direkt-

schadensforderung gegenüber dem Haftpflichtigen, welche er grundsätzlich255 vorweg

geltend machen kann. Mit anderen Worten: Die Subrogation ist mit dem Vorbehalt des

Quotenvorrechts des Geschädigten belastet.

Es gibt zwei Ursachen, weshalb nicht der ganze Schadenersatz eingebracht werden kann:

Liegt ein Reduktionsgrund gemäss Art. 43 oder Art. 44 OR vor, also ein herabgesetzter

Schadenersatzanspruch infolge Selbstverschuldens, mitwirkender Betriebsgefahr, ju-

gendlichen Alters, Gefälligkeit, Zufall oder Billigkeit usw., so kommt das sog. Vertei-

lungsvorrecht256 zur Anwendung. Besteht bei der Haftpflichtversicherung eine ungenü-

gende Deckung oder ist die haftpflichtige Person insolvent, so wird das sog. Befriedi-

gungsvorrecht257 tangiert. Somit ist das Quotenvorrecht als Oberbegriff aufzufassen.

Beim Quotenvorrecht des Geschädigten handelt es sich um einen wichtigen, von der

Rechtsprechung258 aufgrund des Art. 88 SVG entwickelten allgemeinen Grundsatz, der

bei teilweiser Haftung und/oder ungenügender Deckungssumme zur Anwendung kommt

und sich über das gesamte Haftpflichtrecht erstreckt. Dieser Grundsatz wird von Lehre

und Judikatur259 allgemein anerkannt, jedoch nur im Rahmen der leichten Fahrlässigkeit.

Bei grobfahrlässigem Selbstverschulden – sofern es nicht die adäquate Kausalität zu

255 Eine Ausnahme besteht bei grobfahrlässigem Selbstverschulden; vgl. dazu die folgenden Ausführungen. 256 Für das Sozialversicherungsrecht in Art. 73 Abs. 1 ATSG. 257 Art. 73 Abs. 3 ATSG. 258 BGE 96 II 355. 259 BK-Brehm, Art. 51 N 135 ff.; Maurer, PVR, S. 419; Roelli/Jaeger, Art. 72 N 38; Oftinger/Stark, I, § 11 N

46; Rey, N 1565 ff.; Schaer, Grundzüge, N 934 ff.; im Urteil des BGer vom 29. Juni 2004, 4C.101/2004 ging bei der Direktschadensberechnung das Quotenvorrecht des Geschädigten offenbar vergessen.

61

unterbrechen vermag – wird, in Anlehnung an das ATSG, die Quotenteilung vorgenom-

men.260

Der Regress des subrogierenden Versicherers bezieht sich immer nur auf identische

Schadensposten.261 Man spricht dabei auch von sachlicher Kongruenz, womit ausge-

drückt wird, dass sich die Versicherungsleistung immer auf einen Einzelschaden rich-

tet.262 Auf der Seite des Versicherers bedeutet dies, dass er infolge dieses Grundsatzes

nur in jene Haftpflichtansprüche subrogieren kann, für welche er selbst auch eine Leis-

tung erbracht hat. Auf der Seite des Geschädigten hat das Quotenvorrecht zur Konse-

quenz, dass der Versicherer nur so weit hinter die Direktschadensforderung zurücktritt,

als die Ersatzforderung des Geschädigten gleichartig mit den versicherten Schäden ist;263

auf die nichtkongruenten Schadensposten wird somit das Quotenvorrecht nicht gewährt

– mit der Konsequenz, dass der Geschädigte auf diese nichtkongruenten Schadenskate-

gorien nicht mehr und nicht weniger erhält, als der Verursacher hierfür ersatzpflichtig

ist.

2. Illustrierendes Beispiel zum Quotenvorrecht

Da sich das Quotenvorrecht am besten an einem Beispiel erklären lässt, wird anhand

eines Verkehrsunfalles eine Berechnung dargelegt, welche auf folgendem Sachverhalt

basiert:

A beschädigt das Fahrzeug des B. Ersteren trifft, als Folge eines Selbstverschuldens

von B, eine Haftungsquote von 50%. B erleidet einen Schaden am Fahrzeug von

CHF 6000.-. Er benötigt aus beruflichen Gründen einen Ersatzwagen und bezahlt

dafür CHF 1200.-. In der Vollkaskoversicherung von B, bei welcher ein Selbstbe-

halt von CHF 1000.- vorgesehen ist, sind die Ersatzwagenkosten nicht gedeckt.

260 Vgl. Art. 73 Abs. 2 ATSG, früher etwa Art. 42 Abs. 2 aUVG. 261 Oftinger/Stark, I, § 11 N 43 f.; Maurer, PVR, S. 399; Koenig, PVR, S. 288; Beck, Schadenausgleichsyste-

me, S. 301. 262 Im Sozialversicherungsrecht werden folgende Kongruenzen unterschieden: ereignisbezogene, personelle,

sachliche und zeitliche; ausführlich dazu etwa Rumo-Jungo, Haftpflicht, N 980 ff. Dies gilt grundsätzlich auch in der Sachversicherung, wobei einzig die sachliche Kongruenz von Relevanz ist, da die anderen kaum zu Diskussionen Anlass geben dürften. Die personelle Kongruenz ist auch bei einem Gebäudescha-den eines Mehrfamilienhauses unter den Stockwerkeigentümern abzulehnen; zur sachlichen Kongruenz vgl. unten Ziff. 3.

263 So auch Rumo-Jungo, Haftpflicht, N 1015.

62

Die entsprechende Lösung sieht wie folgt aus: Der gesamte Schaden von B beträgt CHF

7200.- (Schaden am Auto: CHF 6000.- plus Ersatzwagen: CHF 1200.-). Vom Kaskover-

sicherer erhält er CHF 5000.-; sein ungedeckter Schaden ist demnach CHF 2200.-. Die

haftpflichtrechtlich geschuldete Entschädigung beträgt CHF 3600.- (50% des Schadens:

CHF 3000.- plus 50% Ersatzwagenkosten: CHF 600.-). Hier gilt nun eben das Quoten-

vorrecht: Der Geschädigte darf den Haftpflichtanspruch so weit geltend machen, bis er

zusammen mit der Leistung seiner Versicherung den ganzen Schaden gedeckt erhält. In

concreto heisst das also: B kann seinen Selbstbehalt von CHF 1000.- und CHF 600.- für

die Ersatzwagenkosten vom Haftpflichtversicherer bzw. vom Haftpflichtigen selbst

fordern. Der Kaskoversicherer kann nur auf den Rest der aus der Haftpflicht geschulde-

ten Entschädigung regressieren, d.h. ihm verbleiben CHF 2000.-.

Es bleibt Folgendes anzumerken: Wie die Lösung zeigt, hat der Geschädigte nicht die

ganzen Ersatzwagenkosten erhalten. Der Grund liegt im bereits erwähnten Grundsatz der

identischen Schadensposten, der sog. sachlichen Kongruenz. Der Kaskoversicherer kann

auf die Schadensposition „Mietwagenkosten“ nicht regressieren, da diese in der Kasko-

versicherung nicht gedeckt sind. Der Geschädigte wiederum muss sich aus demselben

Grunde mit dem haftpflichtrechtlich geschuldeten Teil der Mietwagenkosten begnügen

und kann ihn nicht mit anderen Posten verrechnen. Diese Lösung stützt sich lediglich auf

die Praxis ab, zumal ausserhalb der Sozialversicherungen264 keine Urteile diesbezüglich

existieren. Dennoch bezieht sich nach der hier vertretenen Ansicht auch im Bereich der

Privatversicherungen das Quotenvorrecht nur auf kongruente Schadensposten.

3. Sachliche Kongruenz in der Sachversicherung

A. Ausgangslage

Im Bereich der Sozialversicherungen ist die sachliche Kongruenz ausdrücklich gere-

gelt,265 wodurch eine weitere Differenzierung gleichartiger Schadensposten gemacht

wird. Im Haftpflichtrecht – wie auch in der Versicherungswirtschaft – wird pauschal nur

zwischen Personen-, Sach- und Vermögensschäden unterschieden.266 Innerhalb der

Sachversicherungen werden die versicherten Leistungsarten weiter unterteilt in Gebäu-

264 Ad Sozialversicherung etwa BGE 119 II 361 ff. 265 Art. 74 ATSG, inklusive namentlicher, nicht abschliessender Aufzählung in Abs. 2. 266 Maurer, PVR, S. 539 f.

63

de-, Fahrhabe- und Vermögensschäden. Letztere lassen sich materiell in weitere Katego-

rien unterteilen, wie Schäden infolge Betriebsunterbruchs, Chômage, Schlossänderungs-

kosten, Freilegungskosten, Lebenshaltungskosten usw. Es drängt sich deshalb die Frage

auf, ob in Analogie zum Sozialversicherungsrecht auch in der Sachversicherung eine

Unterscheidung in Leistungen gleicher Art – bezüglich dieser Versicherungsobjekte und

ihren Unterkategorien – angezeigt ist, zumal teilweise die Gebäude-, die Fahrhabe- und

die Vermögensversicherung in einer und derselben Police vertraglich geregelt werden.

Eine solche Regelung ist weder im Gesetz noch in der Judikatur zu finden. Würde näm-

lich die sachliche Kongruenz zwischen den verschiedenen Versicherungsleistungen

bejaht, würden – soweit auch die personelle Kongruenz gegeben ist – sämtliche Sach-

und Vermögensschäden pro Ereignis als ein Gesamtschaden gelten. Aufgrund des Quo-

tenvorrechts des Geschädigten würde sich dies bei einer Teilhaftung positiv auf den

Geschädigten auswirken, weshalb diese Frage nicht nur akademischer Natur ist.

B. Illustrierendes Beispiel zum Gesamtschaden

Eine solche sachliche Gleichartigkeit könnte beispielsweise aus dem Zusammentreffen

von einem Fahrhabe- mit einem Gebäudeschaden oder von einer Chômage mit einem

Mietzinsausfall resultieren. Zur Verdeutlichung der Problematik diene folgendes Bei-

spiel:

Ein Gebäudeeigentümer (E) erleidet einen Wasserschaden, welcher teilweise der

Unternehmer (U) zu vertreten hat. Aufgrund der fehlerhaften, von E gelieferten Plä-

ne entsteht ein Baumangel, weshalb eine quotale Haftung des U von 20% resultiert.

Der Gebäudeschaden verursacht Reparaturkosten über CHF 8000.-; für den Fahrha-

beschaden belaufen sich die Reinigungskosten auf CHF 3000.-. In der Gebäudever-

sicherungspolice ist ein Selbstbehalt von CHF 2000.- und bei der Hausratversiche-

rungspolice kein Selbstbehalt vereinbart.

Lösung:

a) Gebäudeschaden-Abrechnung: Gebäudeschaden (Zeitwert): CHF 8000.- Entschädigung Sachversicherer: CHF 6000.- Direktschaden: CHF 2000.-

64

Ersatzpflichtiger Schaden (20%): CHF 1600.- Quotenvorrecht des Geschädigten: CHF 1600.- Verbleibender Regressanspruch: CHF 0.-

b) Fahrhabeschaden-Abrechnung: Fahrhabeschaden (Zeitwert): CHF 3000.- Entschädigung Sachversicherer: CHF 3000.- Direktschaden: CHF 0.- Ersatzpflichtiger Schaden (20%): CHF 600.-

Kann nun der Geschädigte E seinen trotz des Quotenvorrechts verbleibenden Direkt-

schaden betreffend das Gebäude von CHF 400.- im Fahrhabeschaden geltend machen?

Grundsätzlich stellen sowohl der Gebäude- wie auch der Fahrhabeschaden einen Sach-

schaden im Rechtssinne dar. Auf den ersten Blick könnte man nunmehr sachliche Kon-

gruenz annehmen, was zur Folge hätte, dass der Geschädigte seinen Direktschaden vom

Haftpflichtigen vorrangig geltend machen könnte. Wonach definiert sich aber die sachli-

che Kongruenz: aus der haftpflichtrechtlichen Definition des Sachschadens,267 aus den

sachenrechtlichen Abgrenzungskriterien,268 aus der Deckungszuständigkeit bzw. der

entsprechenden Subrogation der involvierten Sachversicherer oder etwa aus den Abgren-

zungsnormen von kantonalen Gebäudeassekuranzen?269 Zur Verdeutlichung der anste-

henden Problematik stelle man sich etwa vor, dass im vorerwähnten Beispiel zusätzlich

auch das Motorfahrzeug in der Garage am Standort Schaden genommen hätte.

Je nach Auffassung, ob die sachliche Kongruenz bejaht wird oder nicht, ergeben sich

folgende Resultate:

267 Vgl. etwa Keller, Haftpflicht II, S. 103 m.w.H., wonach als Sachschaden die Beschädigung, die Zerstörung oder der Verlust einer Sache verstanden wird.

268 Im Sinne von Art. 642 und ferner Art. 655 ZGB. Danach gilt als Entscheidungskriterium die „am Orte übliche Auffassung“. Gemäss BGer wird dieser Ortsgebrauch nur in Zweifelsfällen als Kriterium herange-zogen, so etwa in BGE 106 II 333 ff.

269 Vgl. etwa die Zuteilungstabelle der GVA St. Gallen vom 1. Januar 2005.

65

Kongruenz bejaht Kongruenz verneint

Quotenvorrecht des

Geschädigten

Gebäudevers. + Fahrhabevers.:

1'600.- + 400.- = 2'000. -

Nur Gebäudevers.:

1'600.-

Verbleibender Direkt-

schaden

0.- 400.-

Regressanspruch der

Versicherungen

Gesamtsch. – Quotenvorr. von E

2’200.- – 2'000.- = 200.-

Aufteilung:

Gebäudevers. CHF 133.30 (2/3)

Fahrhabevers. CHF 66.70 (1/3)

(im Verhältnis der erbrachten Leis-

tungen, analog Art. 16 ATSV)

Gebäudevers. 0.-

Fahrhabevers. 600.-

C. Weitere Konstellationen zur sachlichen Kongruenz

Eine weitere Konstellation in diesem Zusammenhang stellt sich etwa bei einem Fahr-

zeug, das nach einer Reparatur infolge Kollision einen merkantilen Minderwert aufweist.

Sind die Reparaturkosten mit dem entstandenen Minderwert kongruent? Der Minderwert

ist in der Kaskoversicherung nicht versichert, stellt aber haftpflichtrechtlich einen ersatz-

pflichtigen Schaden dar.270 Bei einer Teilhaftung stellt sich nun die Frage des Quoten-

vorrechts hinsichtlich dieses Minderwertes. OFTINGER/STARK und SCHAER verneinen die

Kongruenz zwischen Minderwert und Reparaturkosten.271 SCHAER argumentiert über die

Substanzbeeinträchtigung, welche nur bei der Reparatur, nicht aber beim Minderwert

behoben werde. Demnach würde sich das Quotenvorrecht des Geschädigten lediglich auf

die Reparaturkosten beziehen, nicht aber auf den Minderwert, welchen er nur im Rah-

men der Haftungsquote ersetzt erhielte. Der Versicherer hingegen subrogierte nicht in

den Schadensposten Minderwert, weshalb er gegenüber dem Haftpflichtigen auch nur im

Rahmen der Haftungsquote die erbrachten Reparaturkosten regressieren könnte.

Im Weiteren bejaht SCHAER die Kongruenz zwischen den Reparatur- und den Ab-

schleppkosten, den Gutachter- und den Prüfkosten, nicht aber zwischen den Reparatur-

kosten und dem Nutzungsausfall oder den Ersatzbeschaffungskosten.272 Während die

270 Roberto, Schadensrecht, S. 43, 163 ff. m.w.H. 271 Oftinger/Stark, I, § 11 N 43.; Schaer, Grundzüge, N 1176. 272 Schaer, Grundzüge, N 1175 ff.

66

Reparatur auf den Substanzschaden gerichtet sei, stelle der Nutzungsausfall und die

Ersatzbeschaffung reinen Vermögensschaden dar.

D. Stellungnahme

Wenn bei Personenschäden – wohl zu Recht – die Kongruenzen als Voraussetzungen für

das Quotenvorrecht herangezogen werden, so hat dies grundsätzlich auch bei den Sach-

schäden zu gelten. In Anlehnung an den römisch-rechtlichen Grundsatz nemo subrogat

contra se wäre eine Regelung in dubio pro Geschädigten denkbar, da der Gesetzgeber

darüber schweigt. Betrachtet man hingegen die Gesamtgläubigerschaft, zu der auch die

Versicherer zu zählen sind, so wird deutlich, dass bei Bejahung der sachlichen Kon-

gruenz beispielsweise der Gebäudeversicherer in Ansprüche des Geschädigten subrogie-

ren könnte, für die er keine (bezüglich des Hausrats) oder nur anteilsmässige (Anteil am

Gesamtschaden) Deckung gewährt.

Auf den obigen Fall bezogen bedeutet dies Folgendes: Bei Bejahung der sachlichen

Kongruenz beliefe sich der Gesamtschaden auf CHF 11 000.-, wovon 20%, also CHF

2200.-, ersatzpflichtig wären. Nach Abzug des Direktschadens verbliebe ein Regresssub-

strat von CHF 200.-, das sich Gebäude- und Hausratversicherung im Rahmen der Ge-

samtgläubigerschaft unter sich aufteilen könnten. Dies kann meines Erachtens nicht sein,

weshalb also die Kongruenz in den obigen Beispielen zu verneinen ist, analog der filig-

ranen Unterteilung bei Personenschäden.273 Ohne auf Einzelheiten der Sozialversiche-

rungsregresse einzugehen, sei in diesem Zusammenhang auf ein neueres, im Ergebnis

fragwürdiges Urteil des Bundesgerichts hingewiesen,274 bei welchem die sachliche Kon-

gruenz zwischen Erwerbs- und Haushaltsschaden bejaht und dadurch von einem Ge-

samtschaden ausgegangen wurde. Im Falle einer Teilhaftung profitiert dadurch der Ge-

schädigte, indem das Quotenvorrecht auf eine grössere Quote anwendbar wird, zulasten

der Sozialversicherer, insbesondere der Invalidenversicherung.275

Die von SCHAER angewandten Kriterien der Substanzbeeinträchtigung und des reinen

Vermögensschadens können nur teilweise überzeugen. Während bei einem Personen-

schaden der rasche Transport ins Spital der Schadensminderung und damit der Heilung

273 Vgl. Art. 74 ATSG. 274 BGE 131 III 17 f. E. 7.3. 275 Vgl. dazu die Kritik von Studhalter, Personen-Schaden-Forum 2005, Zürich 2005, S. 63 ff., insb. Beiblatt

„Vertiefungen und Diskussionen“, S. 3 f.

67

dient, trägt der Transport des beschädigten Fahrzeugs in die Reparaturstätte nichts zur

Wiederherstellung der Substanz bei. Gleiches gilt auch für die Gutachter- und Prüfkos-

ten. Deshalb ist auch bei diesen Schadensposten die sachliche Kongruenz zu verneinen.

Aus den angestellten Überlegungen resultiert somit, dass die sachliche Kongruenz auch

in der Sachversicherung durchaus einer Prüfung und Berücksichtigung bedarf. Wün-

schenswert wäre, dass diese Problematik in einer künftigen VVG-Revision Eingang

fände und gesetzgeberisch geregelt würde.

4. Fiktives Quotenvorrecht

A. Ausgangslage

Die Situation des sog. fiktiven Quotenvorrechts276 kann aus zwei Gründen entstehen: Der

Geschädigte schöpft seinen Direktanspruch gegenüber dem Haftpflichtigen nicht voll-

ständig aus. Diesfalls stellt sich die Frage, ob der Haftpflichtversicherer dennoch das

Quotenvorrecht – eben ein fiktives – entgegenhalten kann, selbst dann, wenn der An-

spruch bereits verjährt ist. Die gleiche Frage stellt sich auch, wenn ein Sozialversicherer

auf allfällige Regressforderungen verzichtet hat. Wer profitiert davon, allfällige andere

Sozialversicherer oder die Haftpflichtversicherung?

B. Lehre und Rechtsprechung

Eine gesetzliche Regelung fehlt im ATSG, zumal Art. 73 ATSG lediglich von den effek-

tiven Ansprüchen spricht. Während sich das Bundesgericht mit dieser Frage bis dato

meines Wissens noch nicht zu befassen hatte, gibt es ein paar kantonale Entscheide über

das fiktive Quotenvorrecht.277 Die Doktrin nimmt wie folgt zu dieser Problematik Stel-

lung:

276 Auch abstraktes Quotenvorrecht genannt. 277 Vgl. dazu Kolly, S. 303 m.H. auf die kantonale Rechtsprechung. Der Autor stellt jedoch fest, dass die

beiden Urteile, ohne weitere Begründung, unterschiedlich ausgefallen sind.

68

RUMO-JUNGO278 lässt den Sozialversicherer nicht subsidiär in die Geschädigtenrechte

treten, wenn die geschädigte Person ihre Direktforderung nicht geltend macht; die Auto-

rin lässt damit den Einwand des fiktiven Quotenvorrechts des Haftpflichtversicherers zu.

OFTINGER/STARK279 bejahen das fiktive Quotenvorrecht aufgrund des Gesetzeswortlauts

von aUVG 42 I, indem sie ausführen, dass die gegenteilige Lösung contra legem wäre.

KELLER280 berücksichtigt ebenfalls die nicht geltend gemachten Ansprüche der geschä-

digten Person und stellt dabei auf die gesetzliche Formulierung „vom Dritten geschulde-

ter Ersatz“ ab. Er betrachtet das Verhältnis Haftpflichtiger – Geschädigter als reine Inter-

partes-Beziehung.

SCHATZMANN281 und BECK

282 schliessen sich – jedoch ohne Begründung – den oben

erwähnten Meinungen an, welche sich für das fiktive Quotenvorrecht aussprechen.

Aus diesen Lehrmeinungen geht – vor allem gestützt auf den Wortlaut des Gesetzes –

einhellig hervor, dass es das abstrakte Quotenvorrecht gibt und es somit nicht auf die

Geltendmachung des Direktschadens ankommt. Der Direktschaden muss einzig ausge-

wiesen werden können; auf die gehemmte Durchsetzung einer Naturalobligation, welche

sich unter Umständen aus der Verjährung ergibt, wird nicht abgestellt.

Gegen die herrschende Auffassung plädiert vor allem KOLLY283. Das abstrakte Forde-

rungsrecht sei aus Gründen der ratio legis des integralen Regressrechts und des Quoten-

vorrechts zu verneinen. Die Subrogation benachteilige den Geschädigten auch dann

nicht, wenn er seine ihm zustehende Direktforderung nicht geltend mache. Bis das Bun-

desgericht diese Rechtsfrage entschieden habe, schlägt der Autor die folgende pragmati-

sche Lösung vor: Der Haftpflichtversicherer informiert den Geschädigten über dessen

ihm zustehenden Direktansprüche. Unterlässt der Haftpflichtversicherer dies, so kann

das abstrakte Quotenvorrecht nicht eingewendet werden, wenn die Geschädigtenforde-

rung verjährt ist.284 Wenn der Geschädigte trotz Hinweis auf seine Rechte der Geltend-

278 Rumo-Jungo, Haftpflicht, N 1016. 279 Oftinger/Stark, I, § 11, Fn 251. 280 Keller, Haftpflicht II, S. 225. 281 Schatzmann, S. 103. 282 Beck, Schadenausgleichsysteme, S. 302. 283 Kolly, S. 302 ff. 284 Gemäss Auskünften des Autors handelt es sich um ein Versehen, indem der Invalidenversicherung im

aufgeführten Beispiel lediglich CHF 100'000.- und nicht CHF 500'000.- zugesprochen wurden.

69

machung verzichtet und seine Forderungen verjähren lässt, soll der entsprechende Betrag

zwischen dem Haftpflicht- und dem Sozialversicherer hälftig geteilt werden.

C. Stellungnahme

Die zentrale Frage ist: Wer soll von der Nichtgeltendmachung einer Forderung profitie-

ren, der Schadens- bzw. der Sozialversicherer oder der Haftpflichtversicherer? Solange

der Anspruch des Geschädigten noch nicht untergegangen ist,285 muss die Haftpflicht-

versicherung de jure noch damit rechnen, irgendwann dafür belangt zu werden. Wenn

der Anspruch jedoch verjährt ist, so wäre rein theoretisch nur noch, aber immerhin, eine

Verrechnung denkbar, zumal die Konnexität286 keine Voraussetzung der Verrechnung

bildet.

Ohne den Anspruch einer definitiven Lösung erheben zu wollen, scheint es mir sachlo-

gisch, darauf zu achten, weshalb denn der Geschädigte seinen Direktanspruch nicht voll

ausgeschöpft hat. Liegt es nämlich im Verhandlungsgeschick des Haftpflichtversiche-

rers, dass er einen für sich vorteilhaften Vergleich ausgehandelt hat, so wäre es meines

Erachtens stossend, wenn dennoch das Regresssubstrat für den Eigenschadensversicherer

gleich bliebe. Zudem ist es bekanntlich gerade bei komplexen Personenschäden prak-

tisch nicht möglich, eine exakte Schadensberechnung mit Kapitalisierung zu bewerkstel-

ligen. Ebenso hat unter Umständen der Geschädigte auch aufgrund immanenter Prozess-

risiken auf eine vollständige Durchsetzung seines Anspruches verzichtet. Diese Tatsa-

chen sind ebenfalls zu berücksichtigen.

Die von KOLLY vorgeschlagene Lösung ist nach meinem Dafürhalten abzulehnen, da der

Haftpflichtversicherer in erster Linie vertragliche Pflichten inter partes, also gegenüber

seinem Versicherungsnehmer, wahren muss und nicht zum Rechtsschutzversicherer des

Geschädigten umfunktioniert werden darf. Der Haftpflichtversicherer hat die Interessen

des Verursachers zu vertreten. Zudem ist die gewählte Terminologie verwirrend, zumal

das Gegenteil des abstrakten bzw. fiktiven nicht das konkrete Quotenvorrecht ist. Viel-

mehr findet bei Ablehnung des fiktiven Quotenvorrechts, was KOLLY verficht, das Vor-

recht des Geschädigten gar keine Anwendung.

285 Ein Untergang wäre beispielsweise durch eine Verzichtserklärung oder durch einen Vergleich mit „Saldo-Klausel“ denkbar.

286 Vgl. dazu hinten § 12 IV.

70

Hat der Geschädigte oder ein Sozialversicherer hingegen wider besseres Wissen auf

seine Rechte verzichtet und ist mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr damit zu rech-

nen, dass auf die verzichteten Ansprüche zurückgekommen werden kann, so wäre nach

meinem Dafürhalten das fiktive Quotenvorrecht in concreto zu verneinen.

5. Selbstbehalt bei der Kaskoversicherung mit Zeitwertzusatz

A. Ausgangslage

Die Kaskoversicherungen sind heute praktisch ausnahmslos mit einem sog. Zeitwertzu-

satz ausgestaltet. Dabei ist unklar, wie weit die Subrogation des Versicherers geht. Die

Frage bezieht sich auf den Selbstbehalt bei der Kaskoversicherung: Inwieweit hat der

Geschädigte ein Vorrecht darauf, diesen Selbstbehalt ersetzt zu erhalten? Ausgangslage

bildet folgender Sachverhalt:287

Fahrzeughalter S kollidiert mit Fahrzeughalter G. S trifft eine Haftungsquote von

100%. G hat eine Vollkaskoversicherung mit Zeitwertzusatz beim Versicherer K.

Letzterer leistet CHF 17 000.-, wovon der Selbstbehalt von CHF 1000.- bereits in

Abzug gebracht worden ist. Der Zeitwert des Fahrzeugs des S beträgt CHF 14 000.-.

Kann nun G seinen Selbstbehalt vom Haftpflichtversicherer H des S vorweg geltend

machen?

B. Doktrin und Praxis

Wie bereits erwähnt, erfolgt die Subrogation des leistenden Versicherers nur in kon-

gruente Leistungen.288 Bezieht man diesen Grundsatz auf den Selbstbehalt in der Kasko-

versicherung, so entsteht in der Praxis Uneinigkeit darüber, ob bei dieser „Schadensposi-

tion“ das Quotenvorrecht zum Tragen kommt.

Die Lehre greift zwar diesen Sachverhalt auf, erachtet es aber als selbstverständlich, dass

der Geschädigte den Selbstbehalt vorweg beim Haftpflichtversicherer geltend machen

287 Dieser Sachverhalt bildet die Grundlage der SVV-Empfehlung Nr. 2/2001. 288 Vgl. dazu vorne § 7 I 3.

71

kann.289 Über diese Lösung gibt es keine Auseinandersetzung. Dies erstaunt umso mehr,

als der SVV eine Empfehlung290 für diese Problematik abgegeben hat.291 Der SVV split-

tet die Leistung des Kaskoversicherers in den Zeitwert und den Zeitwertzusatz. Dadurch

kann hinsichtlich des Zeitwertes die Kongruenz bejaht werden, da es sich um gleicharti-

ge Leistungen von Haftpflicht- und Sachversicherung handelt. Das Quotenvorrecht wird

deshalb gewährt, so dass im oben aufgeführten Fall G von H CHF 1000.- fordern kann

und K im Regress noch ein Substrat in der Höhe von CHF 13 000.- verbleibt.

Dieser Lösung des SVV steht ein Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich entge-

gen.292 Darin wird Bezug auf KELLER293 genommen, wonach Leistungen, die über den

Schaden hinausgehen – wie es bei der Neuwertversicherung der Fall ist –, keinen Ein-

fluss auf den Rückgriff und das Quotenvorrecht haben.294

C. Stellungnahme

Betrachtet man den Teil, der den Zeitwert übersteigt, d.h. den Zeitwertzusatz, als Sum-

menversicherung295, so subrogiert der Kaskoversicherer von vornherein nur in die Zeit-

wertquote. Diesfalls steht für den Rückgriff und damit für das Quotenvorrecht lediglich

der haftpflichtrechtlich geschuldete Zeitwert zur Verfügung. Die Zusatzentschädigung

fällt diesfalls vollumfänglich dem Versicherungsnehmer zu. Da die Qualifizierung des

Zeitwertzusatzes umstritten ist, drängen sich noch weitere Überlegungen auf.

Unbestritten ist, dass haftpflichtrechtlich mindestens der Zeitwert des Fahrzeuges ge-

schuldet ist. Mit Blick auf die Differenztheorie könnte man sich aber auch fragen, ob

nicht der Selbstbehalt als Schaden zu werten ist, zumal der Geschädigte durch den Unfall

keine Vermögenseinbusse erleiden darf. Damit ist nicht von vornherein klar, was nun die

vom Obergericht des Kantons Zürich erwähnte haftpflichtrechtliche Quote de jure aus-

289 Vgl. Maurer, PVR. S. 419; VVG-Graber, Art. 72 N 40 m.H. auf ein kant. Urteil. 290 Unter den SVV-Gesellschaften werden vornehmlich Empfehlungen abgegeben, welche dann in abkom-

mensähnlicher Weise verwendet werden. Die in der vorliegenden Arbeit angesprochenen oder behandelten Empfehlungen sind im Anhang abgedruckt.

291 SVV-Empfehlung Nr. 2/2001 vom 26. Juni 2001. 292 OGer ZH, Entscheid vom 13. April 1989, in: SGW 1989 Nr. 19 S. 2 f. 293 Keller, Haftpflicht II, S. 184. 294 Zweifelsfrei gehört ein Bonusverlust des Geschädigten nie in eine Quotenvorrechtsberechnung, da sowohl

die sachliche als auch die zeitliche Kongruenz fehlt. 295 Vorausgesetzt, Art. 96 VVG sei analog auf Sachversicherungen anwendbar; vgl. dazu vorne § 6 II.

72

macht. Der Geschädigte bezahlt für seine Zeitwertzusatzversicherungs-Deckung eine

Prämie. Würde er sich diese finanziellen Aufwendungen sparen, bekäme er einfach den

Zeitwert entschädigt. Wie hoch dieser Zeitwert ist, bestimmt sich entweder nach dem

Marktwert oder nach dem Neuwert abzüglich Amortisation.296 Dieser Ersatz ist häufig

niedriger als der Wert eines adäquaten Fahrzeugs auf dem Markt.297 Der Vorteil liegt in

der Differenz Zeitwert – Zeitwertzusatz, für welche unter anderem die Versicherungs-

prämie erbracht wird. Der Kaskovertrag wird aber nicht nur aus diesem Grunde stipu-

liert, sondern es wird an Fälle gedacht, die leichtfahrlässig durch den Versicherungs-

nehmer selbst verursacht werden und damit zu seinen Lasten gehen. Somit ist die Aussa-

ge, der Geschädigte bezahle die Prämie für die Zeitzusatzdeckung, nur die halbe Wahr-

heit. Der in der Police vereinbarte Selbstbehalt ist zwar Vertragsbestandteil und nur inter

partes gültig, ist aber dennoch durch den Verursacher kausal ausgelöst worden. Somit ist

dieser Selbstbehalt haftpflichtrechtlich nicht geschuldet. Demgegenüber ist aber auch

anzumerken, dass der sog. Skalenwert in der Kaskoversicherung in der Regel sehr gross-

zügig ausgelegt ist. Dadurch geht der Geschädigte, kauft er sich ein gleichwertiges Fahr-

zeug auf dem Markt, nicht selten mit einem finanziellen Gewinn aus dem Schadensfall

heraus.

Unter Berücksichtigung all dieser Umstände ist im Ergebnis der Lösung des SVV grund-

sätzlich zuzustimmen. Meines Erachtens ist es jedoch in concreto nicht primär eine Fra-

ge der identischen Schadensposten, sondern eine Frage des haftpflichtrechtlich geschul-

deten Schadens. Erst in einem zweiten Schritt kommt dann das Quotenvorrecht des Ge-

schädigten zum Zuge, wodurch der Geschädigte den Haftpflichtanspruch so weit selbst

geltend machen kann, bis er zusammen mit den Versicherungsleistungen seinen ganzen

erlittenen Schaden gedeckt hat. Zum gleichen Ergebnis gelangt man auch über die Quali-

fikation der Zeitwertzusatzquote als Summenversicherung.

296 In der Praxis ist in aller Regel der sog. Eurotax-Wert massgebend. 297 Oftinger/Stark, I, § 6 N 361.

73

6. Quotenteilung

A. Vor Inkrafttreten des ATSG

Das Quotenvorrecht soll dann nicht gelten, wenn der Geschädigte grobfahrlässig den

Schaden verursacht hat, da er sonst von der Kürzung des Sozialversicherers kaum betrof-

fen würde. Das wäre nach OFTINGER/STARK298 nicht vernünftig und inakzeptabel.

So sah beispielsweise das aUVG in Art. 42 Abs. 2 die sog. Methode der Quotenteilung

vor. Danach gehen die Ansprüche des Versicherten und seiner Hinterlassenen entspre-

chend dem Verhältnis der Versicherungsleistungen zum Schaden auf den Versicherer

über. Somit wird die Schadenersatzleistung proportional im Verhältnis der erbrachten

Leistungen zum Gesamtschaden aufgeteilt und die Sozialversicherung subrogiert in diese

Quote.

B. Im Sozialversicherungsrecht de lege lata

Mit Inkrafttreten des ATSG, in concreto mit Art. 73 Abs. 2, hat sich zweierlei geändert:

einerseits die Berechnungsmethode und andererseits die Anwendbarkeit des Quotenvor-

rechts.

Nach neuer Berechnungsmethode wird die Summe sämtlicher im Einzelfall gegebenen

Haftpflichtansprüche der geschädigten Person um den Kürzungsbetrag der Sozialversi-

cherung vermindert. Das Quotenvorrecht wird nach Art. 73 Abs. 2 ATSG nur noch dann

nicht angewendet, wenn der Versicherungsträger seine Leistungen im Sinne von Art. 21

Abs. 1 oder 2 gekürzt hat. Dadurch ist die Anwendung der neuen Quotenteilung auf

Fälle mit Vorsätzlichkeitskürzungen beschränkt.299

C. Im Privatversicherungsrecht

Man kann sich fragen, inwieweit diese neue Berechnungsform auch für die Schadensver-

sicherung gemäss VVG Gültigkeit zu entfalten vermag. Oder gilt im Privatversiche-

rungsbereich noch weiterhin der herkömmliche Begriff der Quotenteilung? Die Antwort

298 Oftinger/Stark, I, § 11 N 210. 299 Kieser, ATSG, Art. 73 N 7.

74

kann zurzeit kaum gegeben werden. Es wird sich zeigen, wie die Gerichte damit umge-

hen. Meines Erachtens könnte es durchaus sein, dass die neue Regel des ATSG per ana-

logiam auf das Privatversicherungsrecht Anwendung finden wird, zumal auch das VVG

diesbezüglich keine eigene Bestimmung enthält. Zwei differente Berechnungsmethoden

in ein und demselben Fall wären nämlich kaum vertretbar.

II. Rechts- und Regresslage bei der Unterversicherung

1. Ausgangslage

Übersteigt der Ersatzwert die vertraglich vereinbarte Versicherungssumme der Eigen-

schadensversicherung, so besteht eine Unterversicherung.300 Bei einem Teilschaden sieht

Art. 69 Abs. 2 VVG vor, dass „der Schaden in dem Verhältnis zu ersetzen ist, in dem die

Versicherungssumme zum Ersatzwert steht“. Dadurch resultiert eine Kürzung, welche

nach der sog. Proportionalregel301 berechnet wird.

Ist der Schaden durch einen Haftpflichtigen zu vertreten, so tritt neben die Eigenscha-

densversicherung auch ein Haftpflichtanspruch, welcher jedoch höchstens dem Zeitwert

der beschädigten Sache entspricht. Wie gezeigt wurde, kommt im Falle ungenügender

Deckung oder bei einer Teilhaftung das Quotenvorrecht gegenüber dem Haftpflichtver-

sicherer grundsätzlich zum Tragen.

Die Sachversicherungsverträge sehen vornehmlich eine Neuwertdeckung vor, während

bekanntlich der haftpflichtrechtlich relevante Schaden sich lediglich auf den Zeitwert

bzw. die Reparaturkosten bezieht.302 Im Falle der Unterversicherung im Zusammenhang

mit der Neuwertdeckung gilt der Grundsatz des Quotenvorrechts hingegen nicht per se

uneingeschränkt. Es stellt sich somit die Frage, wie die Differenz zwischen Neuwert und

Zeitwert zu verteilen ist, da unklar ist, ob sich das Quotenvorrecht auf die ganze versi-

cherte Summe oder lediglich auf den Zeitwert bezieht.303

Um die Problematik zu verdeutlichen, wird wiederum ein Beispiel herangezogen. Die

möglichen Lösungen werden im folgenden Abschnitt dargestellt.

300 Maurer, PVR, S. 505. 301 Berechnungsformel: Entschädigung des Versicherers = Schaden x Versicherungssumme / Ersatzwert. 302 Pro memoria: Übersteigen die Reparaturkosten den Zeitwert der beschädigten Sache, so liegt ein Total-

schaden vor. 303 Analog der Problematik des Zeitwertzusatzes in der Kaskoversicherung, vgl. vorne I 5.

75

X hat eine Mobiliarneuwertversicherung bei Z. Der Neuwert beträgt CHF 10 000.-.

Der Zeitwert liegt bei CHF 8000.-. Die versicherte Summe beträgt CHF 8000.-,

weshalb eine Unterversicherung besteht. X erleidet an seiner Fahrhabe einen Total-

schaden, welcher durch Y verursacht wurde. Die Haftungsquote liegt bei 25%, d.h.

in concreto sind CHF 2500.- haftpflichtrechtlich geschuldet.

2. Theorien in Lehre und Praxis

A. Der Zeitwert als Referenzgrösse

Nach der ersten Variante werden dem Versicherungsnehmer Leistungen mindestens in

der Höhe des Zeitwertes garantiert. Für den Fall, dass die Versicherungssumme den

Zeitwert übertrifft, gilt die versicherte Summe als Referenzgrösse. Auf den obigen Sach-

verhalt angewendet, bedeutet es Folgendes: Der Versicherungsnehmer X erhält aus sei-

ner Versicherungspolice bei Z die Summe von CHF 8000.-. Damit hat er haftpflicht-

rechtlich betrachtet keinen ungedeckten Schaden, weshalb die Z bei Y die ganzen CHF

2500.- regressieren kann. Hätte X lediglich einen Teilschaden erlitten, so wäre kraft der

Proportionalregel vom Sachversicherer unter Umständen nicht einmal der Zeitwert ent-

schädigt worden. Hier hätte aber das Quotenvorrecht – aufgrund der identischen Scha-

densposten – bis zum Ausgleich des Zeitwerts durchgeschlagen.

Hier wird etwa dahingehend argumentiert, dass X bewusst eine Unterversicherung in

Kauf genommen habe und damit rein nach den haftpflichtrechtlichen Grundsätzen ent-

schädigt werden darf und soll. Der Neuwert spiele somit keine Rolle.

B. Der Neuwert als Referenzgrösse

Wie gezeigt, könnte bei der Kaskoversicherung der Zeitwertzusatz als Summenversiche-

rung eingestuft werden. Da der Zeitwertzusatz mit der Differenz Neuwert – Zeitwert

vergleichbar ist, kann in concreto analog argumentiert werden mit dem Ergebnis, dass

bei dieser Differenz, welche eben als Summenversicherung gilt, die Subrogation keine

Anwendung findet. Aufgrund der kongruenten Schadensposten innerhalb des Zeitwertes

kommt hier das Quotenvorrecht voll zum Tragen. Das Resultat ist somit versicherungs-

nehmerfreundlich, zumal der Geschädigte zunächst die versicherte Leistung oder bei

Teilschaden die gesetzlich geschuldete Quote nach Art. 69 Abs. 2 VVG vom Eigenscha-

densversicherer erhält und für den Rest bis auf die Höhe des Neuwerts das Quotenvor-

76

recht gegenüber dem Haftpflichtigen durchsetzen kann.304 Im eingangs genannten Bei-

spiel würde somit der Sachversicherer vorab CHF 8000.- an den Versicherungsnehmer

leisten. Letzterem stünde zudem ein Vorrecht gegenüber dem Haftpflichtigen zu, wes-

halb er von den haftpflichtrechtlich geschuldeten CHF 2500.- den Direktschaden von

CHF 2000.- für sich in Anspruch nehmen könnte. Z wäre infolgedessen noch zu CHF

500.- regressberechtigt.

C. Quotale Aufteilung der Differenz Zeitwert – Neuwert

Eine Zwischenlösung kann mit der quotalen Aufteilung der Differenz Zeitwert – Neu-

wert erreicht werden. Sie erinnert an die sog. Entflechtungsmethode, welche bei der

Koordination von Versicherungsleistungen anzutreffen ist.305 Dieser Begriff wird sowohl

hier als auch im Folgenden verwendet. Es wird zweistufig vorgegangen, indem in einem

ersten Schritt der Zeitwert festgesetzt wird. Die Differenz zwischen Zeitwert und Neu-

wert wird dann in einem zweiten Schritt prozentual im Verhältnis Zeitwert zu Neuwert

errechnet und entschädigt.306 Auf das Anfangsbeispiel angewendet, bedeutet es Folgen-

des: Z leistet einmal die volle Summe von CHF 8000.- an X. Die Differenz zwischen

Neuwert und Zeitwert, also in casu CHF 2000.-, wird prozentual Neuwert zu Zeitwert

aufgeteilt. Im vorliegenden Fall entspricht der Zeitwert 4/5 des Neuwertes, weshalb der

Versicherungsnehmer auch in diesem Verhältnis am Quotenvorrecht partizipieren soll,

was in concreto 4/5 von CHF 2000.- bzw. CHF 1600.- ausmacht. Damit erstreckt sich

der Regressanspruch von Z auf CHF 400.-.

3. Stellungnahme

Vorab ist festzustellen, dass es für den vorliegenden Fall rein dogmatisch keine richtige

Lösung gibt: Trägt der Versicherungsnehmer die Differenz, so zieht er keinerlei Vorteile

aus der abgeschlossenen Eigenschadensversicherung, weshalb seine Prämien umsonst

entrichtet wurden, zumal ihm der Zeitwert ja ohnehin vom Haftpflichtigen bzw. dessen

Versicherer ersetzt worden wäre. Wird das Quotenvorrecht vollumfänglich gewährt, so

sind unter Umständen all jene Versicherungsnehmer benachteiligt, welche die ganze

304 So auch Ostertag, Art. 72 N 3; Roelli/Jaeger, Art. 72 N 38. 305 Vgl. dazu Schaer/Duc/Keller, Denger, S. 340 ff.; hinten § 6 III. 306 Im Ergebnis ebenso VVG-Graber, Art. 72 N 38.

77

Versicherungssumme ins Risiko mit eingeschlossen und dafür Prämien bezahlt haben.

Somit drängt sich die Lösung nach der quotalen Aufteilung der Differenz Zeitwert –

Neuwert auf. Dies gilt es genauer zu untersuchen:

Nur wenn die Unterversicherung so gross ist, dass die Versicherungssumme unterhalb

des Zeitwerts liegt, kommt das Quotenvorrecht des Geschädigten zur Anwendung. Ent-

spricht die versicherte Summe mindestens dem Zeitwert, so entsteht dem Geschädigten

an sich gar kein haftpflichtrechtlicher Direktschaden, weshalb auch das Quotenvorrecht

nicht bemüht werden muss. Ausgehend von der These, dass die Differenz Zeitwert –

Neuwert einer Summenversicherung gleichkommt, gelangt man unter gleichzeitiger

Anwendung von Art. 69 Abs. 2 VVG zur Entflechtungsmethode. Dadurch wird die Dif-

ferenz nicht einfach einer Seite gutgeschrieben, sondern es wird nach dem quotalen

Verhältnis zwischen versicherter Summe und Ersatzwert geteilt. Nach meinem Dafürhal-

ten entspricht diese Lösung der ratio legis von Art. 69 Abs. 2 VVG, welche darin liegt,

die Relation zwischen Leistung und Gegenleistung zu wahren.307 Diesem gesetzgeberi-

schen Willen wird die quotale Aufteilung gerecht. Deshalb ist es legitim, in teleologi-

scher Auslegung die These der Entflechtungsmethode auch hier anzuwenden.

III. Haftungs- und Regressprivileg

1. Allgemeines

Ein Privileg im Sinne des Haftpflichtrechtes hat die Bedeutung, dass eine haftpflichtige

Person, welche an sich unter allgemeinen Voraussetzungen für einen Schadenersatz oder

für einen Regressanspruch einzustehen hätte, von den Ansprüchen befreit wird. Begrün-

dung hierfür ist eine bestimmte enge Beziehung zwischen der ersatzpflichtigen und der

geschädigten Person.308

Aufgrund des Haftungsprivilegs kann die geschädigte Person gegenüber dem Haftpflich-

tigen keine Schadenersatzansprüche geltend machen. Indem das Regressprivileg ledig-

lich Regressansprüche des involvierten Versicherers gegenüber dem Haftpflichtigen

versagt, nicht aber allfällige Direktansprüche verhindert, geht es nicht so weit wie das

Haftungsprivileg.

307 VVG-Bolly, Art. 69 N 6. 308 Kieser, ATSG, Art. 75 N 2.

78

Die Voraussetzungen für ein Privileg sind kumulativ: leichtes Verschulden und häusli-

che Gemeinschaft, Ehegatten oder Hilfsperson.309

2. Entstehung des Privilegs

A. Im VVG

Im Privatversicherungsrecht ist ein Regressprivileg in Art. 72 Abs. 3 VVG stipuliert,

welches im Zusammenhang mit Art. 14 Abs. 4 VVG steht.310 Hier haftet der Versicherer

in vollem Umfang, wenn der Versicherungsnehmer, der Anspruchsberechtigte oder eine

in Art. 14 Abs. 3 VVG aufgeführte Person den Schaden leichtfahrlässig herbeigeführt

hat.

In Art. 72 Abs. 3 VVG ist der privilegierte Personenkreis zum einen auf Personen be-

schränkt, die mit dem Anspruchsberechtigten in häuslicher Gemeinschaft leben. Es müs-

sen Hausgenossen im Sinne von Art. 331 ZGB sein, welche eine Wohngemeinschaft

gemäss Art. 162 ZGB bilden.311 Zum anderen werden jene Personen in den bevorzugten

Kreis subsumiert, für deren Handlungen der Anspruchsberechtigte einstehen muss. Dar-

unter sind primär Hilfspersonen zu zählen. Aber auch andere Verhältnisse sind denkbar,

wie etwa das Halter-Lenker-Verhältnis.312 Bei dieser zweiten Kategorie wird denn auch

von einer Gefahrengemeinschaft gesprochen.313

Wann diese Sondereigenschaft zwischen Geschädigtem und Schädiger bestehen muss,

um das Privileg zu tangieren, wird vom Gesetz nicht bestimmt. In der Doktrin wird ent-

weder auf den Zeitpunkt der Entstehung der Schadenersatzforderung und/oder auf den

Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Schädigers abgestellt.314 Nach meinem Dafürhalten

überzeugt einzig das Abstellen auf den Zeitpunkt der Entstehung des Geschädigtenan-

spruchs, zumal beim Abstellen auf den Zeitpunkt der Inanspruchnahme die Anwendbar-

keit des Privilegs unter Umständen lediglich vom Zeitpunkt der Geltendmachung des

309 Auf Einzelheiten wird vorliegend nicht eingegangen. 310 VVG-Graber, Art. 72 N 55. 311 Beck, Regress, S. 121 f. 312 Davon gilt es den Fall des berechtigten Lenkers zu unterscheiden, welcher ins Garagentor des Halters

fährt. Dieser kann von der Gebäudeversicherung nicht belangt werden, solange die Handlung als leicht-fahrlässig eingestuft werden kann. Das Gleiche gilt auch für den Kaskoversicherer.

313 So etwa Beck, Regress, S. 122 f. 314 Roelli/Jaeger, Art. 72 N 63, plädieren für die Anwendbarkeit in beiden Fällen; für den Zeitpunkt der

Inanspruchnahme VVG-Graber, Art. 72 N 62.

79

Schadenersatzanspruchs abhängig wird. Diesfalls wäre der Versicherer gut beraten,

möglichst schnell den Anspruch durchzusetzen, damit er nicht Gefahr läuft, dass der

Schädiger in der Zwischenzeit Hausgenosse oder Hilfsperson des Geschädigten wird.

B. Im Sozialversicherungsrecht

Historisch geht das Haftungs- und Regressprivileg auf das KUVG vom 13. Juni 1911

zurück, welches per 1. April 1918 in Kraft trat. Diese Sonderstellung gewisser Haft-

pflichtiger fand in der Folge in zahlreichen weiteren Bundesgesetzen Eingang, wie etwa

im aUVG, im aAHVG usw. Mit Schaffung des ATSG und seinem Inkrafttreten am 1.

Januar 2003 wurde ein einheitliches Regressprivileg geschaffen, welches die einzelge-

setzlichen Regelungen ablöst. Das altrechtliche und hinsichtlich Wirkungen ins Privat-

recht nicht unbestrittene Haftungsprivileg wurde damit aufgegeben.

In Art. 75 ATSG ist somit de lege lata lediglich noch ein Regressprivileg für alle bun-

desrechtlich geregelten Sozialversicherungszweige, mit Ausnahme der beruflichen Vor-

sorge, statuiert.315 Damit dürfte auch die beinahe endlose Diskussion obsolet sein, ob es

nun im Haftpflichtrecht ein Haftungsprivileg, als eine Art „allgemeinen Rechtsgrund-

satz“ gebe, was im Übrigen vom Bundesgericht schon früher abgelehnt wurde, mit der

Begründung, es bedürfe hierfür einer Gesetzesänderung.316 Dies ist nun mit Schaffung

des ATSG geschehen. Das darin vorgesehene Privileg kommt nur bei leichtfahrlässiger

Schadensverursachung zur Anwendung. Im Falle von Absicht oder Grobfahrlässigkeit

kann grundsätzlich ein voller Regress durchgesetzt werden. Ebenso privilegiert sollen

nach der Doktrin und der Rechtsprechung offenbar auch die Kausalhaftpflichtigen wer-

den.317 Da der Begriff Kausalhaftpflicht als Oberbegriff der verschuldens-unabhängigen

Haftungstatbestände gilt, zählen darunter auch die Gefährdungshaftungstatbestände als

sog. scharfe Kausalhaftungen.318 In diesem Sinn ist meines Erachtens auch der BGE

4C.286/2003 zu lesen, bei welchem explizit die gewöhnlichen Kausalhaftungen unter

315 Der Wegfall des Haftungsprivilegs bedeutet, dass bei einem Arbeitsunfall der Arbeitgeber dem geschädig-ten Arbeitnehmer gegenüber für jedes Verschulden sowie für Kausalhaftungstatbestände für Direktansprü-che einzustehen hat.

316 BGE 117 II 617; a.A. etwa Beck, Regress, S. 127 f. 317 So etwa Kieser, ATSG, Art. 75 N 7; Oftinger/Stark, I, § 11 N 222; bestätigt im Urteil des BGer vom 18.

Februar 2004, 4C.286/2003. 318 Statt vieler: Roberto, Haftpflichtrecht, N 34.

80

das Privileg subsumiert werden. Der privilegierte Personenkreis umfasst im Übrigen

Familienangehörige und Arbeitgeber.

C. Durch Vertrag

Grundsätzlich wäre eine vertragliche Privilegierung aufgrund der Vertragsfreiheit durch-

aus möglich. Durch Art. 72 Abs. 2 VVG wird diese Möglichkeit jedoch eingeschränkt,

indem der Geschädigte und Versicherungsnehmer die Rückgriffsrechte des leistenden

und subrogierenden Schadensversicherers nicht durch Vereinbarungen schmälern darf,

will er nicht aus dem Versicherungsvertragsverhältnis schadenersatzpflichtig werden. Ob

nur Handlungen319 des Versicherten zu dieser Rechtsfolge führen können oder ob auch

unterlassene Handlungen320, die zur Wahrung eines Rechtes erforderlich sind, dazu ge-

eignet sind, ist in der Lehre umstritten.321

Zudem ist zu überlegen, ob durch eine vertragliche Privilegierung ein Vertrag zulasten

Dritter geschlossen würde. Dies wäre dann der Fall, wenn die Privilegierung zulasten der

anderen Solidarschuldner ginge. Dies ist eine Frage der „gestörten Solidargemeinschaft“,

welche im Folgenden behandelt wird.

3. Rechtsfolge des Privilegs

A. Allgemeines

Die Rechtsfolge ist sowohl im ATSG als auch im VVG dieselbe: Sind sämtliche Voraus-

setzungen erfüllt, so findet keine Subrogation statt und der Versicherer hat den Schaden

abschliessend zu tragen.

319 Zu denken ist etwa an Saldoquittungen und dgl. 320 Zu denken ist etwa an unterlassene Handlungen betreffend Verjährungsunterbrechung. 321 Vgl. dazu auch VVG-Graber, Art. 72 N 50.

81

B. Gestörte Solidargemeinschaft

i. Allgemeines

Fällt ein Haftpflichtiger infolge eines Privilegs oder wegen Insolvenz aus der Solidari-

tätsgemeinschaft aus, so stellt sich die Frage, zu wessen Lasten die ausfallende Quote

geht. Dies ist die Problematik der sog. gestörten Solidargemeinschaft. Dabei gilt es zu

unterscheiden, ob dieser Ausfall den Geschädigten selbst oder ob er einen Sozialversi-

cherungsträger tangiert.

ii. Aus Sicht des Geschädigten

Im Verhältnis zwischen den Solidarschuldnern und dem Geschädigten kommt allenfalls

das Haftungsprivileg in Betracht, welches jedoch mit Inkrafttreten des ATSG – wie

bereits erwähnt – aufgehoben wurde.322 Nach Ausführungen des Bundesgerichts dürfen

die Folgen eines Ausscheidens eines Haftpflichtigen aus der Solidargemeinschaft nicht

dem Geschädigten aufgebürdet werden.323

iii. Aus Sicht des subrogierenden Versicherers

Tritt an die Stelle des Geschädigten ein subrogierender Sozialversicherer, wird in der

Doktrin mehrheitlich die Ansicht vertreten, dass sich das Regresssubstrat des leistenden

Versicherers um diesen ausscheidenden Teil reduziere.324 Als Gründe werden etwa ge-

nannt: das Verbot der Verträge zulasten Dritter; keine Solidarität im Innenverhältnis; der

Wille des Gesetzgebers und, dass im anderen Fall den regressbelasteten Schädigern ein

Regressanspruch, gestützt auf Art. 148 Abs. 2 OR, zustünde.

Das Verbot der Verträge zulasten Dritter vermag nur für Fälle zu überzeugen, bei denen

das Privileg vertraglich vereinbart wurde, nicht hingegen beim gesetzlichen Privileg.

322 Vgl. dazu vorne § 7 III 2 B. 323 BGE 113 II 331; offengelassen noch in BGE 104 II 307; vgl. ferner auch ZWR 1984, S. 136 ff. So auch

etwa Rumo-Jungo, Haftpflicht, N 901. 324 VVG-Graber, Art. 72 N 65; Oftinger/Stark, I, § 11 N 53; Schaer, Grundzüge, N 982 f.; Keller, Haftpflicht

II, S. 178; Frei, S. 140 f.; Roelli/Jaeger, Art. 72 N 55; a.M. Läubli, Koordination, S. 174; Koller, Privileg, S. 25 ff., 29; Vogel/Bichsel, S. 331 ff., welche innerhalb des direkten Forderungsrechts von Art. 65 Abs. 1 SVG dem obligatorischen Haftpflichtversicherer die Berufung auf das Privileg gänzlich versagen.

82

Dieses Argument wird durch die Rechtsfolgen betreffend Vereitelung der Subrogation

gemäss Art. 72 Abs. 2 VVG geschmälert. Der Einwand, im Innenverhältnis gebe es

keine Solidarität, ist beachtenswert; nicht hingegen die Argumentation, gestützt auf Art.

148 Abs. 2 OR, zumal die unechte Solidargemeinschaft gerade nicht unter die allgemei-

nen Bestimmungen von Art. 143 ff. OR fällt. Weshalb zudem ein voller Regress auch

Art. 14 Abs. 4 VVG widersprechen sollte,325 ist nicht ersichtlich, stehen die anderen

Haftpflichtigen doch in keiner Weise in einer Art „Sonderbeziehung“ zum Geschädigten.

Im obgenannten Entscheid326 hat sich das Bundesgericht auf die Seite des Geschädigten

gestellt. Diese Begünstigung steht nicht im Zentrum der Diskussion, vielmehr ist die

Frage umstritten, wie weit die Subrogation zu reichen vermag. Unabhängig vom Resultat

der oben dargelegten Auseinandersetzung gilt es die neue Regelung von Art. 72 Abs. 2

ATSG zu beachten, wonach auch für das Innenverhältnis Solidarität statuiert wurde.327

Die Meinungen in der Literatur sind bereits heute geteilt.328 Nimmt man den Grundsatz

der Subrogation ernst, so wird man meines Erachtens kaum darum herumkommen, dem

subrogierenden Versicherer die Rechtsposition des Geschädigten einzuräumen. Es bleibt

somit abzuwarten, wie die Rechtsprechung die Regressordnung des ATSG diesbezüglich

auslegen wird.329

C. Probleme bei Grobfahrlässigkeit

Nun ist im Zusammenhang mit einer allfälligen Privilegierung von Gesetzes wegen stets

die Rede von leichter Fahrlässigkeit. Wie sieht aber die Rechtslage aus, wenn ein Fami-

lienmitglied oder ein Arbeitnehmer grobfahrlässig seinen Hausgenossen oder seinen

Arbeitgeber geschädigt hat? Zur Verdeutlichung der Problematik mag der folgende Fall

dienen:

Der Arbeitnehmer X beschädigt grobfahrlässig während der Verrichtung seiner Ar-

beit eine Maschine des Arbeitgebers Y. Die Sachversicherung Z des Y hält Letzte-

325 Vertreten von Roelli/Jaeger, Art. 72 N 55. 326 BGE 113 II 331. 327 Leider wird hier nicht weiter auf die Solidarität im Innenverhältnis eingegangen. 328 Für eine Beibehaltung der heutigen Rechtsprechung: Frei, S. 140 f.; a.M. Läubli, Koordination, S. 174;

Vogel/Bichsel, S. 331 ff. 329 So auch Koller, Privileg, S. 27 ff.

83

ren schadlos, da ihm keine grobfahrlässige Handlung im Rahmen von Art. 14 Abs. 3

VVG vorgeworfen werden kann.

Hätte X leichtfahrlässig gehandelt, käme ein Regress im Sinne des Privilegs gemäss Art.

72 Abs. 3 VVG ohnehin nicht in Betracht. Würde nun der Regress des Schadensversi-

cherers bei grobfahrlässiger Verursachung vollumfänglich dem an sich privilegierten

Verursacher zugestanden, stünde dies im Widerspruch zur wirtschaftlichen Einheit von

Arbeitgeber und seinem Arbeitnehmer.330 Die Versicherung Z würde diesfalls Y einer-

seits eine ungekürzte Leistung erbringen, aber andererseits diese wieder bei X regress-

weise zurückfordern. Die wirtschaftliche Einheit im Arbeitsverhältnis ist auch in Art. 14

Abs. 3 VVG verkörpert. Wenn der Arbeitgeber in der Beaufsichtigung des Arbeitneh-

mers grobfahrlässig gehandelt hätte, wäre einzig eine quotale Kürzung der Versiche-

rungsleistung in Frage gekommen. Ein darauf anschliessender Regress auf den Arbeit-

nehmer wäre bei dieser Konstellation ausgeblieben. Somit wäre es nicht korrekt, wenn

der Versicherer im einen Fall keine Schadenbelastung zu verzeichnen hätte, im anderen

hingegen schon.

Aus diesem Grunde wird auch hier – wie bereits SCHAER vorgeschlagen hat331 – ein

quotaler Regress favorisiert, indem dem Versicherer der Regress nur soweit zugestanden

wird, als dies der Kürzung im Sinne von Art. 14 Abs. 3 VVG bezüglich des Direktscha-

dens entsprochen hätte. Mit anderen Worten: Es darf nicht darauf ankommen, ob der

Versicherer dem Anspruchberechtigten gegenüber eine Grobfahrlässigkeitskürzung

vornimmt oder ob er vorab die Leistungen vollumfänglich erbringt und dann in einem

zweiten Schritt regressweise beim Schädiger wieder ausgleicht.

D. Regressprivileg und unmittelbares Forderungsrecht

Im Zusammenhang mit dem Regressprivileg stellt sich die Frage, ob der Haftpflichtver-

sicherer des privilegierten Schadenverursachers sich ebenfalls auf Art. 72 Abs. 3 VVG

berufen kann. Diese Frage ergibt sich aber nur dann, wenn dem Geschädigten ein direk-

tes Forderungsrecht gewährt wird, wie beispielsweise in Art. 65 Abs. 1 SVG, und dieses

direkte Forderungsrecht auf den leistenden Versicherer übergeht.

330 Gl.M. Schaer, Grundzüge, N 991. 331 Schaer, Grundzüge, N 991.

84

Es wurde erwähnt, dass die Subrogation auch das unmittelbare Forderungsrecht erfasst

und es sich dabei nicht um ein höchstpersönliches Recht handelt, sondern um ein mit der

Haftpflichtforderung verbundenes Vorzugsrecht.332 Die Rechtsprechung gewährt dem

Haftpflichtversicherer auch im Zusammenhang mit dem direkten Forderungsrecht die

Berufung auf das Regressprivileg.333 Das überzeugt vor allem deshalb, weil das direkte

Forderungsrecht dem Geschädigten die Durchsetzung seines Anspruches gegenüber dem

Haftpflichtversicherer erleichtern und nicht den subrogierenden Versicherer begünstigen

soll.

IV. Einbezug freiwillig erbrachter Leistungen des Schadensversicherers in den

Regress

1. Ausgangslage

Im Schadensfall kann es aus verschiedenen Gründen dazu kommen, dass der Versicherer

auch Leistungen erbringt, welche die vertragliche Pflicht übersteigen. Dies ist einerseits

möglich durch Nichterheben von Einreden, insbesondere von Kürzungsmöglichkeiten

gemäss Art. 14 Abs. 3 VVG. Die Frage, ob eine Subrogation erfolgen kann, stellt sich

zum Beispiel, wenn der Kaskoversicherer dem Halter eine ungekürzte Entschädigung

leistet, obwohl der berechtigte Lenker das kaskoversicherte Fahrzeug grobfahrlässig

beschädigt hat. Die gleiche Frage stellt sich, wenn der Eigenschadensversicherer Leis-

tungen erbringt, die vom Vertragsinhalt nicht abgedeckt sind.334

Diese Kulanz führt zur nicht einfachen Frage der Regressmöglichkeit einer solchen Leis-

tung, oder anders gefragt: Fallen auch solche Leistungen, die ohne vertragliche Pflicht

erbracht werden, unter die Subrogationsbestimmungen des VVG? Bei der Beurteilung

dieser Problematik gilt es zwischen dem Eigenschadens- und dem Haftpflichtversicherer

zu unterscheiden.

332 Vgl. vorne § 5 I. 333 Urteil des HGer des Kantons ZH vom 23. Juni 2003, in: ZR 103 (2004) Nr. 65, S. 258 f.; ferner BGE 127

III 583 wo jedoch das Haftungsprivileg in Frage stand. 334 Zu denken ist etwa an Schäden infolge fehlerhafter baulicher Konstruktion, welche von der Schadensver-

sicherungsdeckung ausgeschlossen sind.

85

2. Eigenschadensversicherung

A. Lehre und Rechtsprechung

In der Lehre besteht Einigkeit darüber, dass bei Leistungen, die ausserhalb des De-

ckungsbereiches liegen, keine Subrogation gemäss Art. 72 Abs. 1 VVG stattfindet.335

Hinsichtlich der dem Geschädigten nicht entgegengehaltenen Kürzungsmöglichkeiten im

Sinne von Art. 14 Abs. 3 VVG entschied das Bundesgericht, dass der Rechtsübergang

nach Art. 72 VVG auch dann eintritt, wenn die Versicherung aus reiner Kulanz bezahlt

hat.336 Diese Ansicht wurde bereits von der älteren Lehre vertreten, auf welche sich das

Bundesgericht auch abgestützt hat.337 Während ein Teil der neueren Doktrin die Auffas-

sung des Bundesgerichts teilt,338 verneint SCHAER den Rechtsübergang mit dem Argu-

ment, dass eine Nichtschuld bezahlt worden sei.339

B. Stellungnahme

Grundsätzlich ist der Auffassung beizupflichten, wonach auf erbrachte Leistungen, wel-

che ausserhalb des Deckungsbereiches liegen, die Subrogation nicht stattfindet. Es han-

delt sich somit um eine „echte Kulanzleistung“. Wenn eine solche Kulanzleistung vor-

liegt, der Versicherer also einen stichhaltigen Ausschlussgrund ins Feld führen könnte

und trotzdem leistet, so darf meines Erachtens eine Subrogation deshalb nicht erfolgen,

weil sonst dadurch ein Vertrag zulasten Dritter – nämlich zulasten des Haftpflichtigen –

geschlossen würde.340 Die Schwierigkeit der Durchsetzbarkeit der Forderung und der

Beweislasten erfordern in der Regel juristisches beziehungsweise fachliches Wissen und

finanzielle Mittel. Da der Schadensversicherer über diese Mittel verfügt, steht er in einer

günstigeren Position als ein geschädigter Laie. Da die Versicherungsgesellschaft in aller

Regel über weit grössere finanzielle Ressourcen verfügt als eine Privatperson, ist da-

durch das in jedem Zivilprozess inhärente Prozessrisiko ungleich verteilt. Ein privater

335 Schaer, Schadensversicherer, S. 111; ebenso auch VVG-Graber, Art. 72 N 35. 336 BGE 120 II 63. 337 Roelli/Jaeger, Art. 72 N 33. 338 VVG-Graber, Art. 72 N 35. 339 Schaer, Schadensversicherer, S. 110 f.; so wohl auch Honsell, Regress, S. 576, und Hausheer, Die privat-

rechtliche Rechtsprechung des BGer im Jahre 1994, in: ZBJV 1996, S. 396 ff., wobei der Rezensent die Frage am Ende offen lässt.

340 Im Ergebnis gleich: Keller, Haftpflicht II, S. 209 f. mit Verweis auf BGE 107 II 498.

86

Geschädigter würde eher von einem schwierigen und aufwendigen Prozess absehen als

ein Versicherer.

Durch das Erbringen einer echten freiwilligen Leistung, welche im Anschluss noch unter

die Subrogationsbestimmung von Art. 72 Abs. 1 VVG fiele, würde der Schadensversi-

cherer indirekt zu einer Art Rechtsschutzversicherung umfunktioniert. Bei beiden Versi-

cherungsarten würde das Kostenrisiko eines Zivilverfahrens durch einen Versicherer

übernommen. Dadurch könnten Bestimmungen der Verordnung über die Rechtsschutz-

versicherung341 tangiert und unter Umständen auch verletzt werden.

Aufgrund des auslegungsbedürftigen Wortlauts von AVB-Klauseln besteht für den Ver-

sicherer, der sich auf einen allfälligen Deckungseinwand beruft, stets die Ungewissheit

der Vertragsauslegung in dubio contra stipulatorem. Dieser Grundsatz ist in Art. 33

VVG verankert. Demgegenüber ist die Wahrscheinlichkeit eines durch den Verursacher

veranlassten Prozesses, welcher die Grobfahrlässigkeitskürzung anfechten möchte, we-

sentlich kleiner. Mit anderen Worten: Nicht jede Kulanzleistung hat de facto den glei-

chen Beweggrund. Der Versicherer kauft sich in gewissen Fällen eher das Risiko eines

allfällig drohenden Prozesses aus, als dass er kulant sein will. In diesem Fall liegt eine

„unechte Kulanzleistung“ vor. Bei einem derartigen Risikoauskauf wäre meines Erach-

tens die Subrogation zu bejahen. Dies gilt deshalb, weil der leistende Schadensversiche-

rer einwenden kann, dass der Haftpflichtige oder sein Versicherer ja ohnehin für den

Schaden aufkommen müssten. Dieses Argument ist betreffend Risikoauskauf richtig,

vermag aber für Leistungen ausserhalb des klaren Deckungsbereiches nicht zu überzeu-

gen.

3. Haftpflichtversicherung

A. Lehre und Rechtsprechung

Erbringt der Haftpflichtversicherer gegenüber dem Geschädigten eine Leistung, ohne

Bestehen einer Haftpflicht oder eines haftpflichtrechtlich relevanten Schadens, so wird in

der Lehre der Regressanspruch bzw. die Subrogation verneint.342 Die Kulanzleistung,

welche auf Nichterheben von Einreden wie Kürzungsgründe im Sinne von Art. 14 Abs. 2

341 SR 961.22; zu denken ist insb. an Art. 3 betreffend Kompositversicherer. Auf Haftpflichtversicherer ist gemäss Art. 2a diese Verordnung nicht anwendbar.

342 VVG-Graber, Art. 72 N 35.

87

und 3 VVG beruht, wird in der Lehre nicht erörtert. Die Rechtsprechung hatte sich mei-

nes Wissens mit dieser Konstellation bis dato nicht zu befassen.

B. Stellungnahme

Meines Erachtens können die beim Eigenschadensversicherer gemachten Überlegungen

nicht per se übernommen werden, zumal das Versicherungsvertragsverhältnis inter par-

tes und deren Nebenpflichten tangiert werden. Im Übrigen kann von einer freiwillig

erbrachten Leistung des Haftpflichtversicherers nur in Fällen gesprochen werden, in

welchen dem Geschädigten kein direktes Forderungsrecht gegenüber dem Versicherer

zusteht.

Im ersten Fall, bei welchem der Haftpflichtversicherer Leistungen erbringt, ohne dass

der Versicherungsnehmer haftpflichtig ist oder ohne dass ein haftpflichtrechtlicher Scha-

den vorhanden ist, begeht der Versicherer eine Schlechterfüllung des Versicherungsver-

trags. Anstelle eines Rückgriffes auf den Haftpflichtigen kann dieser, resultiert ihm dar-

aus ein Schaden, Haftungsansprüche gegenüber dem Versicherer geltend machen.

Im zweiten Fall, bei welchem der Versicherer die volle Leistung erbringt, obschon er

Kürzungsgründe geltend machen könnte, sind folgende Überlegungen anzustellen: Zu-

nächst kommt es nach meinem Dafürhalten nicht darauf an, ob es sich um einen Fall von

Art. 14 Abs. 2 oder von Abs. 3 VVG handelt, zumal Hilfspersonen als mitversicherte

Personen in der Haftpflichtversicherungspolice aufzufassen sind, soweit der Versiche-

rungsnehmer für ihre Handlungen einzustehen hat. Betrachtet man die Rechtslage rein

formaljuristisch, so ist das Ergebnis in beiden Fällen dasselbe: Der gegenüber dem Ge-

schädigten haftpflichtige Versicherungsnehmer schuldet den Schadenersatz X, egal, ob

die Kürzung zunächst einredeweise geltend gemacht wird oder nicht. Aus vor allem

taktischen Überlegungen kann man sich jedoch fragen, ob der Haftpflichtige nicht um

gewisse Chancen betreffend Verhandlungsgeschick und Prozesstaktik gebracht wird.

Diese Problematik ist mit der Frage der sog. „perte d’une chance“ vergleichbar,343 zumal

in einer Vergleichsvereinbarung zwischen dem Haftpflichtversicherer und dem Geschä-

digten ein Vertrag zulasten eines Dritten gesehen werden kann, was ein rechtswidriger

Eingriff in die geschützte Rechtsposition des Haftpflichtigen darstellt. Letzterer kann

343 Vgl. dazu etwa Roberto, Haftpflichtrecht, N 778 ff.; für eine vertiefte Auseinandersetzung: Müller Chris-toph, La Perte d’une chance, Diss. Neuenburg 2002; Müller Christoph, Schadenersatz für verlorene Chan-cen – Ei des Kolumbus oder Trojanisches Pferd?, in: AJP 2002, S. 389 ff.

88

geltend machen, dass er dadurch der Wahrscheinlichkeit einer hypothetisch günstigeren

Vermögensentwicklung verlustig gegangen sei: Unter Umständen hätte der Geschädigte

auf einen umständlichen und aufwendigen Prozess verzichtet oder der Haftpflichtige

hätte einfach den Prozess besser geführt. Überdies hat der Haftpflichtversicherer gegen-

über seinen Versicherungsnehmern gewisse aus der Rechtsschutzfunktion der Haft-

pflichtversicherung resultierende Treuepflichten zu beachten, welche nach meinem Da-

fürhalten gerade darin liegen, im konkreten Fall die günstigste Lösung für den haftpflich-

tigen Versicherungsnehmer zu erzielen. Aus diesen Gründen sollte im Falle freiwillig

erbrachter Leistungen dem Haftpflichtversicherer der Regress aufgrund „eventuell ver-

passter Kürzungsmöglichkeit“ gegen seine Versicherungsnehmer verwehrt sein.

§ 8. Ergebnis zweiter Teil

1. In § 5 wurde das Innenverhältnis, d.h. das Rechtsverhältnis zwischen mehreren Scha-

densausgleichspflichtigen, erörtert. Dieses Verhältnis wird hauptsächlich durch gesetzli-

che Rückgriffsrechte geregelt: einerseits durch das originäre Regressrecht gemäss Art.

51 Abs. 2 OR und andererseits durch den derivativen Regressanspruch gemäss Art. 72

Abs. 1 VVG oder Art. 72 ff. ATSG. Überdies ist auch ein vertraglich vereinbartes Rück-

griffsrecht denkbar.

2. Im Innenverhältnis gilt grundsätzlich keine Solidarität; als Ausnahme gilt die Bestim-

mung von Art. 72 Abs. 2 ATSG. Somit sind Kettenregresse ausgeschlossen.

3. In entstehungsgeschichtlicher Betrachtung konnte festgestellt werden, dass der Ge-

setzgeber von Art. 51 Abs. 2 OR den Eigenschadensversicherer – geleitet durch den

„Leiterhaken-Fall“ – in die mittlere Stufe der Regresskaskade von Art. 51 Abs. 2 OR

stellen wollte. Eine methodologische Auseinandersetzung brachte zum Vorschein, dass

der Sinn und Zweck dieser Bestimmung verfehlt wird, wenn der Schadensversicherer in

die Regresskaskade gestellt wird. Überdies sieht – bei entsprechender Auslegung – Art.

72 Abs. 1 VVG als lex specialis ein integrales Regressrecht vor.

4. Ebenso darf auch das VVG nicht einer rein historischen Auslegung unterzogen wer-

den, mit dem Resultat, dass der Begriff „unerlaubte Handlung“ nicht auf die Haftung

nach Verschulden reduziert werden darf. Diese Lösung entspricht auch der Rechtsstel-

lung des Versicherers nach deutschem, österreichischem oder fürstentum-

liechtensteinischem Versicherungsvertragsgesetz.

89

5. Im Sozialversicherungsrecht ist die Koordination der Rückgriffsansprüche dreigeteilt:

Gegenüber dem Haftpflichtigen besteht ein integrales Regressrecht gemäss Art. 72 Abs.

1 ATSG. Das Regressverhältnis zwischen mehreren Sozialversicherern wird im Sinne

einer Gesamtgläubigerschaft geregelt. Die Koordination zwischen Sozialversicherern

nach ATSG und solchen nach VVG ist hingegen gesetzlich nicht geregelt. Die von der

herrschenden Lehre verfochtene Proportionalmethode bewirkt die sachgerechteste Lö-

sung.

6. Ist eine Gefährdungshaftung beteiligt, bedarf es im Regressverhältnis einer besonde-

ren Berücksichtigung der Betriebsgefahr, welche zu berücksichtigen ist, bevor ein Aus-

gleich nach Art. 51 Abs. 2 OR erfolgt. Die Beurteilung danach, ob die Betriebsgefahr

sich überhaupt ausgewirkt hat, ist eine umstrittene Frage. In der vorliegenden Arbeit

wird vorgeschlagen, grundsätzlich die Betriebsgefahr über die Energieformel zu gewich-

ten. Das SVG sieht eigene Haftungskollisionsregeln vor. Dabei ist umstritten, ob die

endgültige Schadensaufteilung nach der Kompensationsmethode oder nach der sektoriel-

len Methode zu erfolgen hat, wobei sich eine Tendenz pro Kompensation abzeichnet.

7. Das Regressrecht findet gewisse Einschränkungen. Eine der wichtigsten resultiert aus

dem Quotenvorrecht. Dabei ist bis heute strittig, ob es auch ein sog. fiktives Quotenvor-

recht gibt. Im Zusammenhang mit dem Zeitwertzusatz in der Kaskoversicherung wurde

der Frage nachgegangen, ob auch hier das Quotenvorrecht bezüglich des Selbstbehaltes

tangiert wird. Das Ergebnis fällt zugunsten des Versicherungsnehmers aus. Auch im

Falle der Unterversicherung wird das Regressrecht des Eigenschadensversicherers einge-

schränkt, folgt man der hier favorisierten Lösung der Entflechtungsmethode. Als weitere

Regresseinschränkung gilt es, das Regressprivileg zu erwähnen. Diesbezüglich wirft

insbesondere die gestörte Solidargemeinschaft die schwierige Frage auf, zu wessen Las-

ten der Ausfall eines privilegierten Solidarschuldners zu erfolgen hat. Selbst unter der

Bestimmung von Art. 72 Abs. 2 ATSG bleibt die Rechtslage umstritten. Hinsichtlich der

Regressmöglichkeit freiwilliger Leistungen resultierte eine differenzierte Lösung, da

einerseits zwischen der Haftpflicht- und der Eigenschadensversicherung und andererseits

zwischen echten und unechten Kulanzleistungen unterschieden werden muss.

90

III. Teil: Regress des Privatversicherers

§ 9. Stellung des Privatversicherers in der Regressordnung

I. „Gini/Durlemann-Praxis“

1. Sachverhalt

In der Versicherungswirtschaft zählt der sog. Gini/Durlemann-Entscheid344 zu den ein-

schneidendsten und somit auch zu den prominentesten Urteilen der letzten Jahrzehnte.345

Da dieses Urteil für das Regress- und das Versicherungsrecht von hoher Bedeutung ist

und es auch heute noch – aufgrund der bundesgerichtlichen Rechtsprechung – Beachtung

geniesst, drängt sich eine vertiefte Auseinandersetzung auf, zumal in der vorliegenden

Arbeit darauf immer wieder Bezug genommen wird. Dem Urteil liegt der folgende

Sachverhalt zugrunde:

Gini war von Peroni beauftragt, eine Dépendance seiner Villa neu zu streichen. Gi-

nis Angestellter Durlemann hatte die Aufgabe, mittels einer Schweisslampe die

Aussenwand aus Holz von alter Farbe zu befreien. Bei einer Türe konnte das Feuer

ins Innere dringen, so dass das ganze Haus abbrannte. Der Sachversicherer wollte

auf Gini und Durlemann regressieren.

2. Erwägungen

A. Bezüglich Beauftragtem (Gini)

Der Sachversicherer liegt laut Bundesgericht mit der Ansicht falsch, eine versäumte oder

ungenügende Instruktion und Überwachung führe neben der Haftung von Art. 55 OR

auch zu einer solchen aus Art. 41 OR, weil diese Unterlassungen eine unerlaubte Hand-

lung darstellten. Die Haftungsvoraussetzungen von Art. 55 OR seien nicht mit dem Ver-

schulden im Sinne von Art. 41 OR gleichzusetzen. Im Übrigen seien sie vorliegend oh-

nehin nicht erfüllt, da es sich um Routinearbeiten handelte und Durlemann ein erfahrener

Arbeiter sei. Gini sei darüber hinaus kein persönliches Verschulden vorwerfbar, er hafte

344 BGE 80 II 247 ff. = Pra (44) 1955, Nr. 18. 345 Bestätigt in BGE 93 II 353.

91

nur über Art. 101 OR für das leichte Verschulden seines Arbeiters Durlemann bei der

Vertragsausführung, so das Bundesgericht. Damit bestehe bei Gini keine Deliktshaftung,

und Art. 101 OR führe zu einer vertraglichen Haftung.

Die vom Sachversicherer vorgelegte Zession über die Ansprüche von Peroni gegen Gini

und Durlemann ist nach Bundesgericht nicht beachtlich, da sie Art. 51 OR derogiert.346

Die gewichtigste Feststellung liegt in der folgenden Aussage: Der Sachversicherer und

der aus Vertrag Haftpflichtige stehen laut Bundesgericht, gestützt auf Art. 51 Abs. 2 OR,

grundsätzlich auf derselben Stufe, da beide aus Vertrag haften. Da für diesen Fall Art. 51

Abs. 2 OR keine Lösung vorsehe, wird Art. 51 Abs. 1 OR und damit Art. 50 Abs. 2 OR

herangezogen: Dadurch wird der Richter ermächtigt, den Regress und dessen Umfang

nach Ermessen zu bestimmen. Dabei gibt das Bundesgericht Folgendes zu bedenken:

Mit der Einführung von Art. 51 OR habe der Gesetzgeber dem Versicherer nicht eine

neue Regressmöglichkeit schaffen wollen, welche er nicht bereits mit Art. 72 VVG in-

negehabt hätte. Andererseits sei unter der alleinigen Regressregel von Art. 72 VVG die

Zedierung der Haftpflichtansprüche an den Sachversicherer möglich gewesen. Deshalb

soll mit Art. 51 Abs. 2 OR auch nicht jeder Regressanspruch des Sachversicherers auf

den vertraglich Haftenden ausgeschlossen sein. Allerdings rechtfertige es sich, diesen

Regress bezüglich der Vertragshaftung einzuschränken, und zwar für Fälle, bei welchen

die Vertragsverletzung grobfahrlässig erfolgte. Diese Lösung dränge sich auch im Lichte

von Art. 14 Abs. 4 VVG auf: Wenn der Sachversicherer bei leichtfahrlässiger Herbeifüh-

rung des Ereignisses nicht kürzen dürfe, sei es nicht ersichtlich, warum er regressieren

können soll, wenn diese leichte Fahrlässigkeit den Vertragspartner des Versicherungs-

nehmers treffe.

B. Bezüglich Hilfsperson (Durlemann)

Die Haftung von Durlemann wurde im Sinne von Art. 41 OR in kurzen Zügen bejaht

und die Fahrlässigkeit als leicht eingestuft. Durlemann wurde deshalb zur Leistung von

CHF 4000.- verurteilt.

Anmerkung: Dies erstaunt im Lichte der heutigen Brandschutzvorschriften. Meines Er-

achtens hat Durlemann mit seinem Handeln elementarste Vorsichtsgebote verletzt und

346 So bereits schon BGE 45 II 645.

92

damit grobfahrlässig gehandelt.347 Der zu leistende Schadenersatz wurde um 80% ge-

kürzt, was unter Berücksichtigung der finanziellen Verhältnisse des Durlemann erfolgte.

Die Kürzung erscheint auf den ersten Blick erheblich. Betrachtet man aber den im Jahre

1954 höchstversicherbaren Lohn in der Unfallversicherung, so zeigt sich, dass Durle-

mann mit der Schadenersatzzahlung erheblich belastet wurde.348

II. Analyse der „Gini/Durlemann-Praxis“

1. Auslegung

A. Methodische Interpretation

i. Sprachlich-grammatikalische Interpretation

Sowohl in Art. 51 Abs. 2 OR als auch in Art. 72 Abs. 1 VVG wird der Ausdruck „uner-

laubte Handlung“ verwendet. Es ist im Folgenden zu prüfen, ob mit diesem Ausdruck de

jure auch dasselbe gemeint ist:

Die Bestimmung von Art. 51 Abs. 2 OR lautet: „[...] durch unerlaubte Handlung ver-

schuldet [...].“ Durch diese Ausdrucksweise gibt der Gesetzgeber zu erkennen, dass mit

dem Ausdruck „unerlaubte Handlung“ nicht bereits klar ist, welche Haftung gemeint

war. Wenn „unerlaubte Handlung“ mit der „Haftung aus Verschulden“ gleichzusetzen

wäre, so würde es sich bei der obigen Bestimmung um einen Pleonasmus handeln.

Bezüglich des Art. 72 Abs. 1 VVG gilt es zu prüfen, ob unter den Begriff „unerlaubte

Handlung“ nicht auch Haftpflichtige aus Vertrag fallen. Mit dem aus dem Haftpflicht-

recht stammenden Ausdruck „unerlaubte Handlung“ sind zwar die Vertragshaftenden

nicht explizit mit eingeschlossen. Fallen jedoch unter diesen Ausdruck selbst gewöhnli-

che Kausalhaftpflichtige, so sind nach meinem Dafürhalten erst recht auch Haftende aus

Vertrag, welche in einer Sonderstellung zum Geschädigten stehen, mit einzubeziehen. Es

lässt sich sachlich nicht begründen, weshalb eine ausservertraglich haftpflichtige Person

ohne jede Sonderbindung349 vor einem Vertragspartner gegenüber einem Dritten einzu-

stehen hat. Wer sich nämlich vertraglich bindet, der schenkt dem Kontrahenten ein er-

347 Ebenfalls zweifelnd Oftinger, Bemerkungen, S. 171. 348 Höchstversicherbarer Lohn 1954: CHF 9'000.-.

Höchstversicherbarer Lohn 2004: CHF 106'800.-. 349 Vgl. dazu die neuere Doktrin zum gesetzlichen Schuldverhältnis; so etwa Wiegand, S. 85 ff.

93

höhtes Vertrauen. Wird dieses verletzt, so muss der dafür verantwortliche Vertragspart-

ner billigerweise auch für die Vertragsverletzung einstehen.

ii. Teleologische Interpretation

Im Versicherungsvertrag verspricht die Versicherungsgesellschaft Deckung für einen

Schaden für den Fall, dass sich das versicherte Risiko de facto verwirklichen sollte. Für

diese Leistung zahlt der Versicherungsnehmer eine entsprechende risikobezogene Prä-

mie, weshalb beim Versicherungsvertrag von einem synallagmatischen Vertrag gespro-

chen werden kann.350 Der Versicherungsnehmer schliesst eine Sachversicherung primär

deshalb ab, um im Schadensfall möglichst einfach an eine Ersatzleistung zu gelangen,

um nicht gegen allfällige Haftpflichtige rechtlich vorgehen zu müssen.351 Somit handelt

es sich bei der Versicherungsleistung nicht um eine Haftung, sondern um eine Vertrags-

erfüllung, welche der primären Leistungspflicht, in concreto der Risikodeckung, ent-

spricht und nichts mit dem Schadenersatz – auch sekundäre Leistung genannt – zu tun

hat. Eine Sekundärleistung liegt denn auch bei denjenigen Haftungssubjekten vor, wel-

che aus Vertrag haften.352 Daran ändert sich auch aufgrund der teilweise unpräzisen

Ausdrucksweise des Gesetzgebers im VVG nichts, wo zum Teil von einer Haftung des

Versicherers die Rede ist.353 Der Wortlaut eines Gesetzes ist grundsätzlich primärer

Anknüpfungspunkt bei dessen Auslegung. Was aber nach der heutigen Methodenlehre

vielmehr entscheidend ist, ist die Teleologie eines Gesetzes.354 Meines Erachtens ist die

Formulierung des VVG diesbezüglich unklar. Richtigerweise müsste in diesem Zusam-

menhang von einer Leistungspflicht gesprochen werden. Somit darf die Terminologie

nicht überbewertet werden, sie ist vielmehr als gesetzgeberisches Versehen einzustu-

fen.355

Der Vergleich des Bundesgerichts mit Art. 14 Abs. 4 VVG vermag ebenso wenig zu

überzeugen, da die ratio legis dieser Bestimmung darin liegt, den Versicherungsnehmer

350 Maurer, PVR, S. 211 m.w.H. 351 Daneben gibt es regelmässig den Vorteil der sog. Neuwertentschädigung. 352 Gl.M. Rumo-Jungo, Haftpflicht, N 1079; Rumo-Jungo, Zusammenspiel, S. 619; Roelli/Jaeger, Art. 72 N 3;

Honsell, Haftpflicht, § 24 N 8; a.M. wohl das BGer, BGE 63 II 150, wonach diese beiden Ansprüche iden-tisch seien; Brühlmann, S. 139.

353 So etwa in Art. 14 Abs. 1 VVG. 354 Statt vieler: Kramer, S. 152. 355 So mahnte bereits der römische Jurist Celsus daran, sich nicht an die Worte zu klammern, sondern sich

ihrer Kraft und Macht bewusst zu werden (Dig. 1, 3, 17).

94

bzw. den Prämienzahler nicht mit Schäden zu belasten, deren Risiko er gerade versi-

chern wollte. Somit betrifft dieser Kürzungsausschluss die Beziehung inter partes. Haft-

pflichtige Dritte stehen aber gerade nicht in einer solchen Beziehung, weshalb es auch

nicht nachvollziehbar ist, wenn Dritte von Art. 14 Abs. 4 VVG profitieren könnten.

Zudem wirken sich diese entgangenen Regresseinnahmen wiederum bei der Prämien-

rechnung des Geschädigten aus.356

iii. Historische Interpretation

Wie bereits gezeigt,357 gründet diese Fehlentwicklung358 des schweizerischen Regress-

rechts im „Leiterhaken-Fall“359. Bei diesem Urteil haftete der Werkeigentümer – wie

heute – kausal, was als ungerecht, ja gar unbillig aufgefasst wurde. Dadurch stand die

Werkeigentümerhaftung in der Ausgestaltung einer Kausalhaftung in Frage. EUGEN

HUBER „rettete“ mit der Schaffung der Regresskaskade die Werkeigentümerhaftung in

der heutigen Form, wollte aber mit Art. 51 Abs. 2 OR keine starre Ordnung aufstellen,

sondern mit dem Ausdruck „in der Regel“ vielmehr eine Orientierungshilfe geben.360 Es

haben also gewisse Zufälligkeiten bei der Gesetzgebung dieser Regressbestimmung

mitgewirkt, welche es rechtfertigen, diese Norm extensiv, soweit überhaupt erforderlich,

auszulegen.361

Das Bundesgericht hat sich in BGE 63 II 155 f. bereits einmal ausführlich mit der Ent-

stehungsgeschichte des Art. 51 Abs. 2 OR auseinander gesetzt und ist dabei zum Schluss

gekommen, dass der Gesetzgeber dem aus Gesetz haftenden Werkeigentümer zwar einen

Regressanspruch gegen den Versicherer einräumen wollte. Es sei aber nicht entschei-

dend, was der Gesetzgeber bei Erlass der Bestimmung gewollt habe, sondern was dem

Gesetz im Lichte allgemeiner Rechtsanschauung zu entnehmen sei.362 Daraus folgerte

das Bundesgericht weiter, dass nicht einzusehen sei, wieso vom Versicherungsvertrag

des Geschädigten ein Dritter, nach Gesetz Haftender, profitieren sollte, ohne dafür Prä-

356 Ebenso Haller, S. 367 f. 357 Vgl. vorne § 6 I 2. 358 Schaer, Grundzüge, N 842, spricht sogar von einer fehlerhaften Wertungsanleitung. 359 BGE 35 II 238 ff. 360 Sten Bull NR 1909, S. 737. 361 Gl.M. Oftinger/Stark, I, § 10 N 73. 362 BGE 63 II 155 f. E. 7.

95

mien bezahlt zu haben.363 Im Ergebnis schützte somit das Bundesgericht den Regressan-

spruch des Personenversicherers gegen den aus Gesetz haftenden Werkeigentümer. Da-

durch wurde das integrale Regressrecht des Schadensversicherers im Sinne von Art. 72

VVG zu Recht bejaht. Weshalb dasselbe Gericht rund 17 Jahre später im „Gi-

ni/Durlemann-Entscheid“ zu einer anderen Auslegung gelangte, ist nicht nachvollzieh-

bar.

Der Einfluss von Art. 51 Abs. 2 OR auf Art. 72 VVG und der Zusammenhang der beiden

Artikel kann aufgrund des Resultats der historischen Auslegung kaum bezweifelt wer-

den. Dennoch drängt sich die Frage nach der derogatorischen Kraft des Spezialgesetzes

auf. Das Argument des Bundesgerichts im „Gini/Durlemann-Entscheid“364, wonach der

Gesetzgeber die Stellung des Versicherers durch die Schaffung von Art. 51 Abs. 2 OR

nicht habe verbessern wollen, mag durchaus dem gesetzgeberischen Willen entsprechen.

Das bedeutet aber nicht zugleich, dass der Gesetzgeber die Versicherungen im Regress-

verhältnis benachteiligen wollte.

iv. Systematische Interpretation

In systematischer Hinsicht fällt auf, dass das OR im zweiten Abschnitt den Begriff „un-

erlaubte Handlung“ als Entstehungsgrund einer Obligation im Titel aufführt. Unter die-

sem zweiten Abschnitt sind sodann sämtliche ausservertraglichen Haftungstatbestände,

also auch die Kausalhaftung wie die Tierhalter- oder die Werkeigentümerhaftpflicht, zu

finden. Wenn nun Art. 72 Abs. 1 VVG die Subrogation von Ersatzansprüchen aus „uner-

laubter Handlung“ vorsieht, ist meines Erachtens der Schluss legitim, dass dadurch auf

den Titel des zweiten Abschnittes des OR verwiesen wird und nicht bloss auf die Ver-

schuldenshaftung.365 Überdies existierten auch schon im aOR von 1881 gewisse Kausal-

haftungstatbestände. Hätte der Gesetzgeber die Subrogation für Kausalhaftungen aus-

schliessen wollen, hätte er anstelle des Begriffs „unerlaubte Handlung“ den Ausdruck

„Verschuldenshaftung“ gewählt.

Die Anwendung der Prioritätenregel lex posterior derogat legi priori kann hier nicht in

dem vom Bundesgericht verwendeten Sinne herangezogen werden. Überdies lässt sich

363 BGE 63 II 156 E. 7; so etwa auch Oftinger/Stark, I, § 11 N 65 ff.; a.M. wohl Oswald, S. 28. 364 BGE 80 II 255. 365 Gl.M. Rumo-Jungo, Zusammenspiel, S. 622.

96

dieser Grundsatz nicht ohne weiteres neben dem Grundsatz lex specialis derogat legi

generali anwenden.366 Die zeitliche Gesetzeskonkurrenz wirkt meines Erachtens viel-

mehr nur dort, wo gleichrangige Gesetze nebeneinander stehen. Das VVG ist aber – wie

bereits ausgeführt wurde – das Spezialgesetz zum OR und muss daher Letzterem vorge-

hen.367 Bei der Konkurrenz der beiden Rechtsgrundsätze kann damit der Ansicht VON

TUHRS368 gefolgt werden, wonach der Grundsatz lex posterior generalis non derogat

priori speciali gilt. Dadurch hätte das Bundesgericht in der Revision des OR keinen

Anlass sehen dürfen, den Willen des Gesetzgebers in die Richtung zu interpretieren,

dieser habe implizit auch das Spezialgesetz VVG ändern wollen. Mit der Revision eines

allgemeinen Gesetzes wird meines Erachtens per se kein Spezialgesetz tangiert. Wenn

man Änderungen auf solche Gesetze bewirken möchte, braucht es bekanntlich bei den

Schlussbestimmungen deren Nennung inkl. des neuen, geänderten Gesetzestextes. Dies

erfolgte jedoch bei der Revision des OR nicht.

Im Sinne der systematischen Interpretation ist die Rechtsordnung als „Einheit“ aufzufas-

sen, weshalb auch eine disziplinenübergreifende Berücksichtigung möglich ist.369 Der

Begriff „unerlaubte Handlung“ ist auch im Gesellschaftsrecht, in Art. 567 Abs. 3 OR

betreffend die Kollektivgesellschaft und in Art. 722 OR betreffend die Aktiengesell-

schaft, anzutreffen. In beiden Fällen haftet die Gesellschaft für den Schaden aus uner-

laubten Handlungen, die ein Gesellschafter in Ausübung seiner geschäftlichen Verrich-

tung begeht. Für die Auslegung von Art. 72 Abs. 1 VVG ist es demnach von gewissem

Interesse, welche Haftungsnormen im Gesellschaftsrecht unter diesen Begriff subsumiert

werden. Die Doktrin äussert sich nur teilweise zum Inhalt des Begriffs „unerlaubte

Handlung“, und wenn, dann nur nebenbei.370 Das gilt deshalb, weil offenbar im Gesell-

schaftsrecht dies nicht die gleiche Tragweite hat wie im Regressrecht. Das Bundesge-

richt erwähnt in BGE 124 III 299 zur „unerlaubten Handlung“ in Klammern den Art. 41

OR. Ob dadurch eine vertragliche Haftung ausgeschlossen wird, bleibt meines Erachtens

jedoch offen. Dennoch kann festgehalten werden, dass die überwiegende Lehre den

Begriff „unerlaubte Handlung“ im Gesellschaftsrecht extensiv auslegt. Somit fällt in

366 Dazu etwa Kramer, S. 101 f. m.w.H. 367 So schon von Tuhr, S. 234; Roelli/Jaeger, Art. 72 N 2; a.A. Hartmann, S. 108; Rütsche/Ducksch, S. 46.

Betreffend Regressregeln des SVG als Spezialgesetz vgl. etwa Hulliger, S. 68. 368 von Tuhr, S. 234. 369 Kramer, S. 78. 370 Extensive Interpretation etwa von ZK-Siegwart, Art. 567 N 6; Böckli, S. 1603; Meier-Hayoz/Forstmoser,

§ 2 N 21; Rumo-Jungo, Zusammenspiel, S. 622 Fn 56; offengelassen von ZK-Homburger, Art. 722 N 1185 ff.; Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, § 21 N 9 ff.; BK-Hartmann, Art. 567 N 7.

97

diesem Rechtsgebiet ebenso die vertragliche Haftung als auch die Kausalhaftung unter

den Begriff „unerlaubte Handlung“.371 Nach der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung

drängt sich dieselbe Interpretation für Art. 72 Abs. 1 VVG auf, zumal es keine sachli-

chen Gründe gibt, weshalb unter „unerlaubter Handlung“ je nachdem etwas anderes zu

verstehen wäre.

Hätte Gini selber gehandelt, so wäre er Peroni gegenüber – im Sinne der Anspruchskon-

kurrenz – sowohl aus Werkvertrag als auch aus Art. 41 OR haftbar gewesen. Im Sach-

versicherungsregress verhilft bei leichtfahrlässiger Handlung hingegen lediglich die

ausservertragliche Haftung zu einem Anspruch. Es ist nicht einleuchtend, dass bei glei-

cher Handlung, gleichem Verschulden und demselben Schaden ein unterschiedliches

Regressergebnis resultiert, je nachdem, welches Haftungssubjekt angesprochen wird.

Nach HALLER ist der Regress bei jeder Fahrlässigkeit zuzulassen, wodurch er sich nicht

gänzlich zum integralen Regressrecht bekennt.372

B. Aktuelle Rechtsprechung

Ein neuer Entscheid des Bundesgerichts lässt gewisse Hoffnungen aufkommen, dass eine

Änderung der Rechtsprechung im Gange ist, und zwar in Richtung integrales Regress-

recht. Im Mittelpunkt steht der bekannte BGE 126 III 521 ff., bei dem der Regress des

Arbeitgebers betreffend die vertraglich geschuldete Lohnfortzahlung aus regressrechtli-

cher Sicht zu beurteilen war. Bis zu diesem Urteil war die Einordnung des Rückgriffs

des Arbeitgebers bezüglich dieser Lohnfortzahlungsfälle umstritten, da er als Reflexge-

schädigter keine widerrechtliche Schädigung erlitten hatte.373

Das Bundesgericht macht folgende Ausführungen: „Da der Arbeitgeber seinen Vertrag

erfüllt und nicht aus Schlechterfüllung für den entstandenen Schaden haftet, kann die in

Art. 51 Abs. 2 OR vorgesehene Abstufung […] nicht auf die Lohnfortzahlung des Ar-

beitgebers übertragen werden.“374 Weiter führt das Bundesgericht aus, und dies ist nun

für die vorliegende Arbeit von grossem Interesse: „Der Arbeitgeber ist diesbezüglich den

subrogierenden Sozial- und Schadensversicherern gleichzustellen, auch wenn diese ihre

371 In diesem Sinne auch Rumo-Jungo, Zusammenspiel, S. 622. 372 Haller, S. 371. 373 Statt vieler: Roberto, Schadensrecht, S. 41 m.w.H. zum Stand der Doktrin vor dem BGE 126 III 521 ff. 374 BGE 127 III 523. So auch Roberto, Schadensrecht, S. 41.

98

Rechtsstellung bereits im Unfallzeitpunkt erlangt haben.“375 Somit steht fest, dass so-

wohl eine direkte als auch eine analoge Anwendung der Regresskaskade von Art. 51

Abs. 2 OR keine Anwendung auf Lohnfortzahlungsfälle finden kann. Der im Aussenver-

hältnis stehende Arbeitgeber wird als haftungsloser Leistungspflichtiger im Innenver-

hältnis aus der Solidargemeinschaft herausgenommen, und es wird ihm ein integrales

Regressrecht gewährt.376 Indem das Bundesgericht für diese Auslegung auf die Subroga-

tion des Sozial- und Schadensversicherers zurückgreift und diese beiden Versicherer

gleich behandelt, gesteht es Letzteren implizit ein integrales Regressrecht zu. Ob das

Bundesgericht damit eine Änderung der Rechtsprechung in Aussicht gestellt hat oder ob

es sich um ein Versehen handelt, ist zurzeit fraglich.

Es erstaunt, dass dieses Urteil in der Doktrin noch nicht die meines Erachtens adäquate

Aufmerksamkeit gefunden hat.377 HAUSHEER/JAUN interpretieren das Urteil im Ergebnis

als eine Praxisänderung. RUMO-JUNGO erwartet nun den gleichen Schritt auch für die

privaten Versicherungen. PORTMANN schliesst aus der höchstrichterlichen Aussage ein-

zig, dass damit „die Sozialversicherer gemeint sind, entgegen der Meinung des Bundes-

gerichts aber nicht die (privaten) Schadensversicherer“.

Auch nach der hier vertretenen Meinung ist die Leistungspflicht des Arbeitgebers durch-

aus mit jener des Schadensversicherers vergleichbar, handelt es sich doch bei beiden um

eine vertragliche Hauptleistungspflicht und nicht um eine sekundäre Pflicht bzw. um

einen Schadenersatz.378 Der einzig relevante Unterschied besteht darin, dass der Arbeit-

geber trotz seiner weiterdauernden Leistungspflicht keine Gegenleistung, welche in der

Arbeitsleistung seines Arbeitnehmers liegt, mehr erhält. Demgegenüber hat der Sachver-

sicherer für dieses Risiko eine Leistung in Form der Prämie erhalten. Diese Prämie steht

aber eben gerade in Relation mit den aus dieser Branche zu zahlenden Schäden. Aus

diesen und den bereits genannten Gründen besteht meines Erachtens begründete Hoff-

nung, dass die Gerichte das integrale Regressrecht des Eigenschadensversicherers künf-

tig anerkennen werden. Da es sich aber eben noch nicht um eine gefestigte Rechtspre-

chung handelt und damit eine Rückkehr zur „Gini/Durlemann-Praxis“ nicht ausgeschlos-

sen ist, ist die Darlegung der weiteren Konsequenzen des BGE 80 II 247 ff. berechtigt;

375 BGE 126 III 523 E. 2b. 376 Ebenso Weber/Schaetzle, S. 101 ff. 377 Vgl. dazu etwa Hausheer/Jaun, ZBJV 2001, S. 927 ff.; Weber/Schaetzle, S. 101 ff.; Rumo-Jungo, Zusam-

menspiel, S. 621; Portmann, ARV, S. 113. 378 Gl.M. BK-Brehm, Art. 41 N 31; Hausheer/Jaun, ZBJV 2001, S. 929.

99

dies gilt umso mehr, als zwischen den beteiligten Regressparteien alles andere als Kon-

sens in der Regressdogmatik herrscht.

2. Deckungsausschlussklauseln

A. Allgemeines

In der Versicherungspraxis hat sich über die Jahrzehnte ein äusserst feines System von

Deckungsausschlussklauseln entwickelt, um präventiv unliebsamen Aktiv- als auch

Passivregressen entgegenzuwirken, welche teilweise aus der ungünstigen „Gi-

ni/Durlemann-Praxis“ resultieren. Bestünde ein integrales Regressrecht für den Scha-

densversicherer, so wären solche Präventivmassnahmen weitgehend unnötig. Die AGB-

Kontrolle wird später in dieser Arbeit diskutiert.379

B. Ausschluss der „fehlerhaften baulichen Konstruktion“

In der Sachversicherung wird in den AVB praktisch ausnahmslos ein Deckungsaus-

schluss betreffend die fehlerhafte bauliche Konstruktion380 vorgesehen.381 Das heisst,

dass immer dann, wenn die Konstruktion als solche nicht normgerecht382, nicht

vorschriftsgemäss383 oder nicht den Regeln der Baukunst entsprechend bewerkstelligt

wurde, daraus resultierende Wasser- und auch Elementarschäden in der entsprechenden

Versicherungspolice nicht gedeckt sind. Zu einer solchen fehlerhaften Konstruktion kann

es sowohl infolge fehlerhafter Planung als auch infolge mangelhafter Ausführung kom-

men.

Die Wasserversicherung384 lehnt, gestützt auf diese Klausel, jegliche Leistungen ab,

zumal nicht beabsichtigt wird, den Versicherungsnehmer Prämien für „Dritte“ bezahlen

zu lassen. Vielmehr steht dem Geschädigten, meistens dem Bauherrn, ein Gewähr-

379 Vgl. hinten § 13. 380 Zwar fehlt in der Praxis eine klare Definition, was eine „fehlerhafte bauliche Konstruktion“ ist. Dennoch

ist in der Praxis folgende Umschreibung üblich: „Unter baulicher Konstruktion sind sowohl der planeri-sche als auch der ausführungstechnische Teil eines Werkes zu verstehen.“ Über den Begriff „Fehler“ wird vorliegend nicht eingegangen, um den Rahmen nicht zu sprengen.

381 Vgl. im Anhang die entsprechende AVB-Klausel. 382 So etwa nach den SIA-Normen oder einfach den Schweizer Normen (SN). 383 Anweisungen von Herstellern usw. 384 Mit dem Ausdruck Wasserversicherung wird eine private Sachversicherung bezeichnet, welche das Risiko

Wasser deckt.

100

leistungs- und Schadenersatzanspruch gegen den Verursacher bzw. den fehlbaren Unter-

nehmer zu, welchen es auch zu beanspruchen gilt. Würde nämlich der geschädigte Ver-

sicherungsnehmer ohne diesen Deckungsausschluss die Leistung aus seiner Sachversi-

cherungspolice geltend machen, fiele die Regressnahme des Sachversicherers unter die

ungünstige Regressordnung. Dies hätte wiederum Auswirkungen auf die Prämiengestal-

tung der Sachversicherung.

Zur Praxiserleichterung hat der SVV eine Empfehlung385 herausgegeben, nach welcher

Schadenfälle, die aus einer fehlerhaften baulichen Konstruktion resultieren, grundsätz-

lich zwischen Sach- und Betriebshaftpflichtversicherer hälftig zu teilen sind. Darunter

fallen lediglich Schäden, deren Zeitwert höchstens CHF 50 000.- beträgt. Ebenso genügt

eine adäquate Schadensverursachung, weshalb Exkulpationsbeweise ausgeschlossen

sind. Obschon diese Empfehlung eine Vereinfachung der Rechtslage sein sollte, gibt es

in der Praxis erhebliche Diskussionen über ihre Auslegung. Eine eingehende Auseinan-

dersetzung kann hier nicht erfolgen, jedoch werden die wichtigsten Diskussionspunkte

kurz genannt: Zunächst wird darüber diskutiert, was de jure eine fehlerhafte bauliche

Konstruktion ist; fällt etwa ein Produktemangel auch unter diesen Begriff? Betreffend

die Limite von CHF 50 000.- ist unklar, ob sie für den Gesamtschaden, welcher aus den

Schadenskategorien Gebäude, Fahrhabe und Betriebsunterbrechung bestehen kann, ku-

muliert oder für jede Kategorie einzeln gilt. Des Weiteren ist der Kreis der möglichen

Haftpflichtigen diskussionswürdig, zumal unklar ist, ob beispielsweise auch Planer und

Architekten zu diesem Kreis zählen. Aufgrund dieser Schwierigkeiten ist der SVV ge-

fordert, diese Empfehlung entweder zu revidieren oder ausser Kraft zu setzen.386

Aus dem gleichen Grunde wird heute in der Praxis vermehrt der geschädigte Kunde auch

bei Schäden infolge positiver Vertragsverletzung387 bereits vor der Leistungserbringung

auf die Regressschwierigkeiten hingewiesen. Dadurch kann der Geschädigte besser

entscheiden, ob er tatsächlich gewillt ist, auf allfällige Direktansprüche zu verzichten.

Der geschädigte Versicherungskunde wird für ein solches Vorgehen nur dann zu begeis-

tern sein, wenn der Zeitwert seines erlittenen Schadens etwa dem Neuwert388 entspricht,

zumal haftpflichtrechtlich lediglich der Schaden nach Zeitwert geschuldet ist. Dies ist

385 SVV-Empfehlung Nr. 2/1994; vgl. Anhang. 386 Zu diesem Problembereich existiert weder Literatur noch Judikatur. 387 Die pos. Vertragsverletzung bzw. die Schlechterfüllung ist nicht als "fehlerhafte bauliche Konstruktion" zu

qualifizieren, zumal lediglich etwas bereits Bestehendes bei der Vertragserfüllung beschädigt wird. 388 Die Mehrheit der Eigenschadensversicherer sieht eine sog. Neuwertdeckung vor.

101

nicht selten der Fall, da sich solche fehlerhaften Konstruktionen vor allem zu Beginn der

Inbetriebnahme manifestieren und damit regelmässig Neubauten betroffen sind.

3. Auswirkungen auf den verursachenden Arbeitnehmer

A. Ausgangslage

Als Kernpunkt der höchstrichterlichen Ausführungen im „Gini/Durlemann-Entscheid“

muss die Einstufung der Sachversicherung in die mittlere Stufe der haftpflichtrechtlich

geprägten Regresskaskade von Art. 51 Abs. 2 OR bezeichnet werden.389 Die zweite

wichtige Aussage besteht darin, dass dem Sachversicherer, obschon er auf der gleichen

Stufe wie der Werkvertragshaftende steht, lediglich gegen Letzteren ein Regressrecht

zugestanden wird, wenn die schadensverursachende Handlung als grobfahrlässig einzu-

stufen ist.390 Dadurch wird ein Regress des Sachversicherers im Falle von leichter Fahr-

lässigkeit nur gestützt auf Art. 41 OR möglich, da über die Werkvertragshaftung im

Sinne von Art. 368 i.V.m. Art. 101 OR in diesem Fall keine Regressmöglichkeit besteht.

Hinsichtlich Versicherungsschutz sehen die AVB der Versicherungen eine empfindliche

Unterscheidung vor:391 In der Haftpflichtversicherung wird zwischen den Regressan-

sprüchen gegenüber den Arbeitnehmern und gegenüber jenen Personen unterschieden,

die mit der Leitung oder der Beaufsichtigung des Betriebes betraut sind. Dies gilt in

Anlehnung an die Regelung von Art. 59 VVG, welche bei der Betriebshaftpflichtversi-

cherung den „gewöhnlichen“ Arbeitnehmer nicht mit einschliesst. Für diese Personen-

gruppe besteht ex lege keine Deckung für Direktansprüche des Geschädigten, zumal Art.

59 VVG lediglich für den Versicherungsnehmer selbst und seine Vertreter sowie für jene

Personengruppe, die mit der Leitung oder Beaufsichtigung des Betriebes betraut ist, also

für sog. Repräsentanten, wie sie in der Lehre392 auch genannt werden, Deckung vorsieht.

Praktisch sämtliche AVB der schweizerischen Versicherungsgesellschaften ziehen den

Personenkreis jedoch weiter und schliessen die Deckung für Haftpflichtansprüche gegen

die Arbeitnehmer zwar mit ein,393 sehen hingegen zugleich einen Regressausschluss

dieser Personengruppe vor. Im Kommentar der damaligen Unfalldirektorenkonferenz

389 BGE 80 II 250. 390 BGE 80 II 255 f. 391 Der genaue Wortlaut der Klauseln ist im nächsten Abschnitt B oder hinten im Anhang zu finden. 392 Koenig, PVR, S. 501. 393 Maurer, PVR, S. 538 f.

102

wird ausgeführt, dass dieser Regressausschluss aufgenommen worden sei, um vor allem

den immer häufiger werdenden Regressansprüchen der Sachversicherer und der SUVA

gegenüber Angestellten und Arbeitern zu begegnen.394

Etwas anderes gilt etwa dann, wenn der Arbeitnehmer zugleich dem Verwaltungsrat

derselben Firma angehört. Wird ein Arbeitnehmer in den Verwaltungsrat gewählt, so

gehört er aus versicherungsrechtlicher Sicht zu den oben angeführten Personen, welche

mit der Leitung des Betriebes betraut sind. Folglich sind Regressansprüche anderer Ver-

sicherer gegen diesen Arbeitnehmer, welcher auch Verwaltungsrat ist, grundsätzlich von

der Betriebshaftpflichtversicherung zu decken. Durch die Doppelstellung des Arbeit-

nehmers verschlechtert sich demnach die Stellung des Betriebshaftpflichtversicherers,

während jene des Arbeitnehmers letztlich verbessert wird.

Mit anderen Worten bedeutet dies, dass, wenn der Geschädigte gegen den Arbeitgeber

direkt vertragliche Haftungsansprüche geltend macht, der Arbeitnehmer für diese sog.

Direktansprüche durch die Betriebshaftpflichtpolice gedeckt ist. Hält sich hingegen der

Geschädigte vorab an seine Sachversicherung, da diese beispielsweise ihm den Neuwert

entschädigt, so beruft sich der Betriebshaftpflichtversicherer des Arbeitgebers im Re-

gress auf die AVB-Klausel „Regress und Ausgleichsansprüche Dritter“. Inwieweit ein

solcher Ausschluss überhaupt vor einer AGB-Auslegung standhält, insbesondere hin-

sichtlich einer allfällig analogen Anwendung von Art. 321e OR betreffend die gefahren-

geneigte Tätigkeit, ist höchst fraglich und wurde vom Bundesgericht bis dato nicht ex-

plizit entschieden.395 Trotzdem sieht der VE-Brehm die Beibehaltung des Art. 59 VVG

vor.

B. Wortlaut der Klausel

Aufgrund der Wichtigkeit dieser Klausel wird auch an dieser Stelle der allgemeine Wort-

laut wiedergegeben:

394 Kommentar der Unfalldirektorenkonferenz zu den AVB allgemeine Betriebshaftpflichtversicherung vom 22. März 1966.

395 An dieser Stelle sei jedoch auf das Gutachten von Th. Koller verwiesen, welches die SUVA in Auftrag gegeben hat; auszugsweise zu finden in: recht 1999, S. 43 ff.; bejahend Müller, S. 99; ebenso Gross, Haft-pflichtversicherung, S. 56 f. Diese beiden Autoren gehen von einer stillschweigenden Abmachung unter den Gesellschaften aus, in der Regel, aus sozialen Gründen, auf solche Arbeitnehmerregresse zu verzich-ten. Ein solches Entgegenkommen der Versicherer basiert auf reiner Kulanz und lässt sich in keiner Ver-einbarung des SVV finden; vgl. dazu auch hinten § 13.

103

„Versichert ist die Haftpflicht …

– des Versicherungsnehmers als Betriebsinhaber …

– des Vertreters des Versicherungsnehmers sowie der mit der Leitung oder Beauf-

sichtigung des Betriebes betrauten Personen …

– der Arbeitnehmer und übrigen Hilfspersonen des Versicherungsnehmers aus ihren

Verrichtungen für den versicherten Betrieb und aus ihrer Tätigkeit im Zusammen-

hang mit den versicherten Grundstücken, Gebäuden, Räumlichkeiten und Anlagen.

Nicht versichert sind Regress- und Ausgleichsansprüche Dritter für Leistungen, die

sie den Geschädigten ausgerichtet haben.“

C. BGE 128 III 76 ff.

i. Ausgangslage

Die vom Bundesgericht im Entscheid 128 III 80396 gemachten Ausführungen zur Organ-

haftung im Sinne von Art. 55 Abs. 2 ZGB gilt es im Folgenden genauer zu untersuchen,

zumal unter anderem SCHAER397aus dem Urteil den Schluss zieht, dass Art. 59 VVG

dadurch zur Makulatur werde. Dies hätte wiederum Auswirkungen auf die hier in Frage

stehende Regressausschlussklausel.

Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Bei der Reinigung eines vom kantonalen Landwirtschaftsinstitut des Kantons Jura

betriebenen Stalles wurde ein Landwirtschaftslehrling, welcher sich dazu auf einem

4 m hohen Rollgerüst befand, durch einen entweichenden jungen Stier herunterge-

stossen. Im Stall befanden sich zu diesem Zeitpunkt acht junge Stiere, die von einem

weiteren Lehrling mit einer Heugabel in einer Ecke hätten gehalten werden sollen.

Ein Stier konnte entweichen und das Rollgerüst so unglücklich berühren, dass der

Lehrling vom Gerüst stürzte, was zu schweren Verletzungen führte. Das Gerüst war

396 Pra (91) 2002, Nr. 56. Vgl. dazu die Urteilsbesprechung von Beck P., in: HAVE 2002, S. 215 ff. 397 CaseTex Nr. 4683 zu finden in: <http://www.legalnet/content.html> (besucht am 12. Dezember 2005).

104

nicht mit Bremsen versehen. Zudem hatte es der Betriebschef bzw. der dazu beauf-

tragte Mitarbeiter unterlassen, den Lehrling zu instruieren und zu überwachen.

ii. Erwägungen des Bundesgerichts

Das Bundesgericht hatte sich in erster Linie mit der in casu gültigen Rechtsgrundlage

bzw. mit dem Verhältnis zwischen kantonalem öffentlichem Staatshaftungsrecht und

dem UVG auseinander zu setzen. Darauf wird hier nicht näher eingegangen. In einem

weiteren Schritt geht das Bundesgericht – für die Prüfung des Regressprivilegs – auf die

Organhaftung des Art. 55 Abs. 2 ZGB ein. Das Bundesgericht argumentiert etwa dahin-

gehend, dass dann, wenn der Arbeitgeber wie im vorliegenden Fall eine juristischen

Person sei, ihm die Handlungen der Organe zuzurechnen seien. Übertrage der Betriebs-

leiter (in casu Organ) seine Befugnisse an seinen Mitarbeiter, werde dieser gestützt auf

diese Delegation ein Organ des Arbeitgebers.398 Genau diese Ausführungen könnten

unter Umständen für die Auslegung von Art. 59 VVG entscheidend sein, was es im

Folgenden zu untersuchen gilt.

iii. Stellungnahme

Der guten Ordnung halber wird vom Bundesgericht zunächst festgehalten, dass Hand-

lungen von Organen einer juristischen Person Letzterer auch zugerechnet werden. Viel

interessanter hingegen ist die Aussage über die Delegation von Organkompetenzen:

Wenn ein Organ seine Befugnisse an einen seiner Mitarbeiter überträgt, werde dieser,

gestützt auf diese Delegation, selbst zum Organ des Arbeitgebers bzw. der juristischen

Person. Jede andere rechtliche Konstruktion käme – laut Bundesgericht – der Aussage

gleich, dass eine hierarchische Struktur genüge, um die Haftung des Arbeitgebers abzu-

schwächen, was nicht annehmbar sei. Aufgrund dieser Feststellung des Bundesgerichts

drängen sich folgende Fragen auf: Wo liegt in haftpflichtrechtlicher Sicht noch der Un-

terschied zwischen einem Organ und einer Hilfsperson? Sind nicht am Ende sämtliche

Aufgaben, welche Arbeitnehmer ausführen, an sich „delegierte Aufgaben“?

Zunächst gilt es zu überlegen, weshalb denn nicht einfach Art. 55 OR angewendet und

stattdessen der Weg über die Organhaftung eingeschlagen wurde? Nach meinem Dafür-

halten wäre die ausservertragliche Hilfspersonenhaftung gemäss Art. 55 OR ohne weite-

398 BGE 128 III 80.

105

res als Haftungsgrundlage zur Verfügung gestanden, hätte jedoch in concreto nicht wei-

tergeholfen, da das Privileg des Arbeitgebers den Regress verhindert hätte.399 Da die

Handlung des beauftragten Mitarbeiters sogar als grobfahrlässig eingestuft wurde und

damit das Regressprivileg an sich nicht in Betracht gekommen wäre, musste eine Haf-

tungsnorm herangezogen werden, bei welcher ein persönliches Verschulden dem Arbeit-

geber zugerechnet werden konnte: Dafür eignete sich eben lediglich die Organhaftung

im Sinne von Art. 55 ZGB, welche dann vom Bundesgericht auch bemüht wurde. Eine

extensive Anwendung – etwa auf Hilfspersonen – von Art. 55 Abs. 2 ZGB wird jedoch

von der Doktrin teilweise abgelehnt.400 So werde jemand, welcher lediglich als Vertreter

oder Hilfsperson für die juristische Peron tätig werde, nicht Organ, sondern unselbstän-

diger Weisungsempfänger.401

Des Weiteren drängt sich die Frage auf, weshalb denn nicht die Arbeitgeberhaftung auf

Art. 101 i.V.m. Art. 328 OR abgestützt wurde, da meines Erachtens bei einem Lehrling

kaum an der Hilfspersonenqualität gezweifelt werden kann. Die Antwort liegt nicht

direkt auf der Hand. Der Kreis muss über die Haftung hinaus erweitert werden, und zwar

zur Deckung der Haftpflichtversicherung. Wie noch an anderer Stelle zu zeigen sein

wird,402 fällt die Zurechnungsnorm von Art. 101 OR unter das Kürzungsregime von Art.

14 Abs. 2 VVG, im Gegensatz zur Geschäftsherrenhaftung gemäss Art. 55 OR, welche

unter Art. 14 Abs. 3 VVG subsumiert wird. Bei letzterer Kürzungsbestimmung wird für

eine Leistungsherabsetzung des Versicherers vorausgesetzt, dass die Hilfsperson grob-

fahrlässig gehandelt und der Anspruchsberechtigte bzw. der Arbeitgeber in der Beauf-

sichtigung, in der Anstellung oder durch die Aufnahme der Hilfsperson elementarste

Vorsichtsgebote missachtet hat. Dies wurde im vorliegenden Bundesgerichtsentscheid

stillschweigend verneint, während die Haftung nach Art. 101 i.V.m. Art. 328 OR über

Art. 14 Abs. 2 VVG zu einer Leistungskürzung bzw. zu einem Leistungsausschluss

geführt hätte und dadurch der Geschädigte der Bonität der Organe ausgesetzt gewesen

wäre. Die Vermutung liegt nahe, dass deshalb die Lösung über die vertragliche Haftung

nicht in Betracht kam und somit die Organhaftung herangezogen werden musste.

399 Das schuldhafte Verhalten der Hilfsperson im Sinne von Art. 41 OR hätte meines Erachtens mit keiner juristischen Konstruktion auf den Arbeitgeber projiziert werden können, auch wenn man von der Alterna-tivität zwischen Art. 55 und Art. 41 OR ausgeht. Zum Regressprivileg vgl. vorne § 7 III.

400 Vgl. dazu Oftinger/Stark, II/1, § 20 N 19; ZGB-Huguenin, Art. 54/55 N 17 m.w.H. 401 ZGB-Huguenin, Art. 54/55 N 17. 402 Vgl. hinten § 10 IV.

106

Im Weiteren fragt sich, ob durch diese doch auf einen weiten Personenkreis angewendete

Organhaftung nicht eine unwillkommene Vermischung zwischen Organ- und Hilfsper-

sonenhaftung erfolgt ist. Die vom Bundesgericht angesprochenen, delegierten Aufgaben

werden in der Urteilsbegründung nicht weiter umschrieben, weshalb davon ausgegangen

werden muss, dass sämtliche Aufgaben, welche an Arbeitnehmer delegiert werden, dem

Grundsatze nach Arbeitgeberaufgaben sind, da Letzterer sich sowohl vertraglich ver-

pflichtet als auch ausservertraglich für seine Hilfspersonen im Rahmen des sog. funktio-

nellen Zusammenhangs gegenüber Dritten einstehen muss. Bis dato unterschied die

Doktrin jedoch Art. 55 Abs. 2 ZGB von Art. 55 OR gerade mithilfe des Begriffs des

Organs der juristischen Person und dem Begriff der Hilfsperson.403 Zudem wird davon

ausgegangen, dass sich die Eigenschaften eines Organs und einer Hilfsperson ausschlies-

sen.404 Als vertretungsrechtliche Organe werden jene Funktionäre einer juristischen

Person bezeichnet, die nach Gesetz, nach Statuten oder gemäss einem von diesen abge-

leiteten Reglement zur Erfüllung gewisser Aufgaben bestimmt sind, oder auch jene, die

de facto solche Aufgaben in erkennbarer Weise selbständig erfüllen405 – ein sog. fakti-

sches Organ bzw. ein sog. faktischer Verwaltungsrat.

Angewendet auf das hier zur Diskussion stehende Urteil bedeutet dies eine Ausdehnung

der Hilfspersonenhaftung im Sinne von Art. 55 OR auf all jene Fälle, bei welchen das

Verschulden bewiesen werden kann. Ob diese Konsequenz de jure vom Bundesgericht

so gewollt war, ist meines Erachtens zurzeit fraglich, und es bleibt abzuwarten, ob dieses

Urteil bestätigt wird. Jedenfalls sollte nicht vorschnell der Schluss gezogen werden, dass

dadurch Art. 59 VVG zur Makulatur werde, obschon – wie aus den bereits erfolgten

Ausführungen mehrfach resultiert – ein solches Ergebnis an sich wünschenswert wäre.

Nichtsdestoweniger darf dennoch davon ausgegangen werden, dass das Bundesgericht

durchaus gewillt ist, gewünschte Ergebnisse auch in den Gesetzen de lege lata zu kon-

struieren, obschon an sich andere Haftungsnormen zur Auswahl ständen, aber in casu zu

keiner oder zu keiner befriedigenden Geldleistung geführt hätten.

403 Statt vieler: Oftinger/Stark, II/1, § 20 N 14. 404 Oftinger/Stark, II/1, § 20 N 14; Rey, N 971. 405 Oftinger/Stark, II/1, § 20 N 15 mit weitergehenden Ausführungen.

107

4. Sog. Umkehrregress

A. Ausgangslage

In der Versicherungswirtschaft versteht man unter dem sog. Umkehrregress zweierlei:

Weil der Versicherer wegen des „Gini/Durlemann-Urteils“ auf die Stufe der aus Vertrag

Haftenden gesetzt worden war, kam die Idee auf, diese Einstufung müsse per se gelten,

sodass einerseits bei Vorliegen einer leichten Fahrlässigkeit des Unternehmers oder

seiner Hilfspersonen stets der Sachversicherungsvertrag zu belasten sei, selbst dann,

wenn dessen Betriebshaftpflichtversicherer den Schaden zuerst reguliert hat. Diese An-

sicht figuriert unter dem Begriff des sog. umgekehrten Gini/Durlemann. Andererseits

führt eine extensive Auslegung des „Gini/Durlemann-Entscheides“ teilweise zur Über-

zeugung, dass der Kausalhaftpflichtige oder sein Haftpflichtversicherer auf den Sachver-

sicherer regressieren könne und dies auch entgegen dem Willen des geschädigten Versi-

cherungsnehmers. Dies entspricht dem sog. Umkehrregress.

Die folgenden Sachverhalte sollen die beiden Konstellationen verdeutlichen:

1. Regress des Tierhalters auf den Kaskoversicherer oder die private Krankenversi-

cherung: Das Tier des Halters X verletzt das Kind Y schwer. Vorausgesetzt, es kommt

Art. 41 OR alternativ zu Art. 56 OR nicht in Betracht, versucht der in Anspruch genom-

mene Haftpflichtversicherer Regress auf die private Krankenkasse zu nehmen.

2. Regress des Werkeigentümers auf den Kaskoversicherer: In einem Autobahntun-

nel fällt plötzlich eine Beleuchtung auf das Fahrzeug des X. Der aufgrund von Art. 58

OR leistende Betriebshaftpflichtversicherer versucht, den Schaden regressweise auf die

Kaskoversicherung abzuwälzen.

3. Regress des Produktehaftpflichtversicherers auf die Feuerversicherung: Infolge eines

technischen Defekts eines neuen Fernsehgeräts kommt es zu einem Brandschaden an

Gebäude und Fahrhabe des Geräteeigentümers. Die Produktehaftpflichtversicherung des

Herstellers hält den Geschädigten im Rahmen des Zeitwertes schadlos und versucht nun,

die erbrachten Leistungen regressweise bei der Gebäude- bzw. bei der Fahrhabeversiche-

rung geltend zu machen.

4. Regress des Betriebshaftpflichtversicherers auf die Wasserversicherung: Der

Handwerker Z bohrt versehentlich in eine Wasserleitung. Die Betriebshaftpflichtversi-

108

cherung des Arbeitgebers des Z will – gestützt auf den „Gini/Durlemann-Entscheid“ –

Regress auf die Wasserversicherung des Gebäudeeigentümers nehmen mit dem Argu-

ment, wenn Letztere als Erste geleistet hätte, ihr der Regress bei leichter Fahrlässigkeit ja

auch nicht zugestanden hätte.

B. Rechtliche Auseinandersetzung

i. Allgemeines

Die obigen Beispiele haben alle zwei Gemeinsamkeiten: Zum einen trägt letztlich immer

der Geschädigte selbst, zwar über seine Versicherungspolice, den erlittenen Schaden,

und zum andern anerbietet sich eine Regressmöglichkeit nur bei Vorhandensein einer

Eigenschadensversicherung seitens des Geschädigten. Die Beispiele zeigen die heutigen

Missstände im privatrechtlichen Regresssystem deutlich auf. Es ergibt nämlich keinen

Sinn, die Regressmöglichkeit von der Zufälligkeit abhängig zu machen, ob der Geschä-

digte selbst gegen den Schaden versichert ist oder nicht. Der Geschädigte schloss mit an

Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit seine Eigenschadensversicherung nicht für

Ereignisse ab, bei denen er einen Haftpflichtigen belangen könnte, sondern für jene

Risiken, die sich ohne haftpflichtbegründeten Dritteinfluss verwirklicht haben. Zu den-

ken ist namentlich an Schäden infolge von Elementarereignissen, aufgrund defekter

Gebäudeteile oder leichten Selbstverschuldens.

Der Gedanke des Bundesgerichts, durch haftpflichtige Dritte verursachte Schäden seien

bei der Prämienkalkulation mit berücksichtigt, greift zu kurz, zumal die Prämie der Preis

dafür ist, dass der Versicherer als Gegenleistung die Gewährung des Versicherungs-

schutzes eines bestimmten Risikos übernimmt.406 Die Prämie wird dabei nach den Ge-

setzen der Statistik berechnet, unter Berücksichtigung der Gesamtheit der in einem Risi-

kokollektiv versicherten Personen. Diese Personengruppe bringt durch Leistung ihrer

Prämien das Kapital für Schäden auf, welche durch das beschriebene Risiko entstanden

sind. Aus diesen Grundsätzen ist unzweifelhaft die Relation zwischen der Prämienhöhe

und der Anzahl der eingetretenen Schäden ersichtlich.407 Werden somit noch Schäden,

welche durch haftpflichtige Dritte verursacht wurden, gedeckt, so gibt es eine ungewollte

Verschiebung von der Haftpflichtversicherungs- auf die Sachversicherungsseite, welche

406 Vgl. etwa Maurer, PVR, S. 288 ff. 407 Gl.M. war auch das BGer im BGE 63 II 156.

109

letztlich nicht von den Versicherern, sondern von den Versicherungsnehmern zu tragen

ist.408 Indem nun eindeutige Haftpflichttatbestände über eine Eigenschadensversicherung

endgültig reguliert werden, müssen mehr und grössere Risiken gezeichnet werden. Da-

durch steigt die Prämienbelastung der einzelnen Versicherungsnehmer an – oder der

Versicherungsnehmer geht gar eines Schadenfreiheitsrabatts verlustig. Dies ist letztlich

ein Zirkelschluss: Kausalhaftpflichtfälle und leichtfahrlässig verursachte Schäden wer-

den dadurch auf die Eigentümer bzw. die Besteller abgewälzt. Dieses Resultat entbehrt

meines Erachtens jeglicher Gerechtigkeit, und ebenso fehlt die Logik. Dies entspricht

kaum dem Willen des Gesetzgebers.409 Zudem erhält der Haftpflichtversicherer auch

eine Prämie für die Risikoabdeckung von Vermögenseinbussen seines Versicherungs-

nehmers infolge verursachter Schäden.

ii. Zum „umgekehrten Gini/Durlemann“

Das Hauptargument, welches hier von den Befürwortern ins Feld geführt wird, liegt

darin, dass der Sachversicherer, hätte er als Erster geleistet, bei Vorliegen einer leicht-

fahrlässigen Handlung der Hilfsperson ja auch nicht hätte regressieren können.

Da – wie bereits an anderer Stelle aufgeführt410 – der Versicherer nur schlecht in die

Regressordnung von Art. 51 Abs. 2 OR hineinpasst und der gesetzgeberische Wille

aufgrund der veränderten Sozialversicherungssysteme sich nicht mehr so eindeutig für

die heutige Zeit interpretieren lässt, wäre es nicht einzusehen, dass man den Regress des

Betriebshaftpflichtversicherers des leichtfahrlässig handelnden Handwerkers auf den

Sachversicherer zuliesse; dies – notabene – alles gestützt auf den „Gini/Durlemann-

Entscheid“.

Im Übrigen wird in diesem Zusammenhang übersehen, dass sich die Hilfsperson selbst

haftpflichtig im Sinne von Art. 41 OR gemacht hat. Dass der Werkvertrag i.V.m. Art.

101 OR überhaupt bemüht werden muss, gründet, wie bereits ausgeführt, darin, dass

Regress- und Ausgleichsansprüche Dritter nicht zugelassen werden. Gerade schon in der

begründeten Verschuldenshaftung des Verursachers ist der Widerspruch zur Theorie des

„umgekehrten Gini/Durlemann“ ersichtlich und einleuchtend.

408 So auch Oftinger/Stark, I, § 11 N 74, Fn 81. 409 Aus Sicht der Sozialversicherung (SUVA) so auch Läubli, Deckungsausschlüsse, S. 30. 410 Vg. Vorne § 9.

110

iii. Zum Umkehrregress

Vorab kann festgehalten werden, dass in all jenen Fällen, in welchen der kausalhaft-

pflichtige Verursacher ein zusätzliches Verschulden411 zu vertreten hat, ein Regress des

Kausalhaftpflichtigen nicht in Frage kommt, vorausgesetzt, man vertritt, wie in der vor-

liegenden Arbeit favorisiert, das Prinzip der Alternativität.

Diese Ansichten über die Rechtsstellung des Privatversicherers im Regress sind bekannt-

lich kontrovers, und die obige, extensive Auslegung des „Gini/Durlemann-Entscheides“

steht auch im Widerspruch zur allgemeinen, sich verstärkenden ablehnenden Haltung

gegenüber diesem Urteil und ebenso gegenüber der Regresskaskade von Art. 51 Abs. 2

OR. Der Sachversicherer wird sodann – wie noch zu zeigen sein wird – als ursachenloser

Ersatzpflichtiger betrachtet, weil lediglich eine Leistungs-, jedoch keine Haftpflicht

besteht.412

Das Bundesgericht äusserte sich im BGE 114 II 345 zur vorliegenden Problematik in

dem Sinne, dass es den Regress des aus Vertrag Haftpflichtigen auf den Versicherer

grundsätzlich zuliesse. Diese Äusserung darf aber nicht ohne Berücksichtigung des Kon-

textes gelesen werden, handelt es sich doch beim vorliegenden Urteil um einen Spezial-

fall. Der Vermieter hat nämlich den Kaskoversicherungsvertrag zugunsten des Mieters

abgeschlossen, was sich im Übrigen auch darin zeigt, dass der Mieter für die Prämien

aufzukommen hat. Auch das vor wenigen Jahren ergangene Urteil BGE 126 III 521 ff.

zeigt deutlich, dass vertraglich Leistungspflichtige – in casu der Arbeitgeber – zwar im

Aussenverhältnis als mögliche Schuldner ins Recht gefasst werden können, aber im

Innenverhältnis nicht in die Kaskadenordnung von Art. 51 Abs. 2 OR subsumiert werden

dürfen. Dieses Urteil lässt den Analogieschluss zum Versicherungsvertrag ohne weiteres

zu mit dem Resultat, dass auch der Sachversicherer als ursachenloser Leistungspflichti-

ger keine Solidargemeinschaft im Sinne des OR bildet.413

Ebenso darf nach meinem Dafürhalten der Wille des Geschädigten nicht umgangen oder

gar missachtet werden: Wenn der Geschädigte sich für den beschwerlicheren Weg der

Durchsetzung des Haftpflichtanspruches entscheidet, wäre es unbillig oder rechtsmiss-

bräuchlich im Sinne von Art. 2 ZGB, wenn der belangte Haftpflichtversicherer den Ge-

schädigten in einem zweiten Schritt wieder via Eigenschadensversicherung „belangen“

411 Vgl. dazu vorne § 1 I. 412 Vgl. dazu § 9 III 2. 413 Vgl. hinten § 9 III 2.

111

könnte. Ein solcher Umkehrregress käme einer Schadloshaltung des Haftenden zulasten

der freiwilligen Vorsorgeabsicherung des Geschädigten gleich.

iv. Aktiv- und Passivlegitimation beim Umkehrregress

Im Folgenden gilt es zu prüfen, ob der Sachversicherer im Regressprozess des subrogie-

renden Haftpflichtversicherers passivlegitimiert ist, also bezüglich des strittigen Rechts

überhaupt beklagt werden kann. Oder anders gefragt: Ist der Haftpflichtversicherer für

den Regressprozess aktivlegitimiert?

Die Prüfung der Legitimation erfolgt frei und von Amtes wegen.414 Die Passivlegitimati-

on ist dann zu bejahen, wenn die klagende Partei einen Anspruch direkt gegenüber dem

Beklagten hat. Ob im Fall des BGE 114 II 342 ff. de jure eine Subrogation stattgefunden

hat oder ob vielmehr dem Mieter ein eigener Versicherungsanspruch zugestanden wurde,

resultiert nicht schlüssig aus der Urteilsbegründung. Somit kann festgehalten werden,

dass mit BGE 114 II 342 ff. der Regress auf den Kaskoversicherer zugelassen worden

wäre, die Frage nach der Passivlegitimation jedoch nicht explizit bejaht wurde.

Der Tribunal Cantonal JU nimmt zu einem Schadenversicherungsregress gegen einen

aus Art. 58 SVG Haftpflichtigen im Urteil vom 29. September 1989415 wie folgt Stel-

lung: „Il ne s’agit pas à proprement parler d’un problème de qualité pour défendre, mais

d’une répartition interne des responsablilités.“ Aus dem Kontext dieser Aussage könnte

gefolgert werden, dass Streitigkeiten im Innenverhältnis nie mit einer Passivlegitimation

zu tun haben. Meines Erachtens darf jedoch dieser Satz nicht für den umgekehrten Fall

verwendet werden: den Regress des Kausalhaftpflichtigen auf den Versicherungsvertrag.

Das Gericht spricht auch nicht von einer Allgemeingültigkeit.

Der Geschädigte, welcher auf die Geltendmachung der Sachversicherungsleistungen

„verzichtet“ und stattdessen den Haftpflichtigen in Anspruch nimmt, gibt dadurch min-

destens konkludent zum Ausdruck, dass er das Rendement seiner Versicherungspolice

nicht belasten möchte. Dies ist für alle Beteiligten nach Treu und Glauben ohne weiteres

ersichtlich, weshalb es dem Vertrauensgrundsatz widerspräche, wenn man den Umkehr-

regress oder den „umgekehrten Gini/Durlemann“ zulassen würde. Nach meinem Dafür-

414 BGE 126 III 63. 415 Tribunal Cantonal JU, Entscheid vom 29. September 1989, in: SGW 1989, Nr. 56, S. 4 f.

112

halten ist der Sachversicherer sogar aus dem Versicherungsvertragsverhältnis – im Sinne

der Nebenpflichten (Sorgfalts- und Treuepflichten) – gehalten, den Willen des Versiche-

rungsnehmers zu respektieren. Wird dennoch gegen dessen Willen gehandelt, läge unter

Umständen gar eine Vertragsverletzung gemäss Art. 97 OR vor. Zudem bestünde bei

Bejahung des Umkehrregresses für den Geschädigten die Ungewissheit, inwieweit der

Selbstbehalt, welcher durch die Zahlung des Sachversicherers ausgelöst würde, unter das

Quotenvorrecht fiele.416

C. Ergebnis

Wie aus den obigen Darlegungen resultiert, sind sich die Lehre und auch die Rechtspre-

chung zum Umkehrregress nicht schlüssig. Aufgrund des neuesten Urteils BGE 126 III

521 ff. kann jedoch gefolgert werden, dass analog zum Arbeitgeber der Sachversicherer

im Aussenverhältnis zwar wie ein Solidarschuldner mit einzubeziehen ist, im Innenver-

hältnis hingegen nicht mehr belangt werden kann. Umgekehrt kann der aus dem Versi-

cherungsvertrag belangte Versicherer jedoch ohne weiteres Ansprüche gegen andere

Haftpflichtige regressweise geltend machen. Ebenso dürfte in einem Regressprozess die

Passivlegitimation des Sachversicherers grundsätzlich nicht gegeben sein. Eine Ausnah-

me besteht etwa dann, wenn der leichtfahrlässig handelnde Haftpflichtige die Prämien

mindestens mitbezahlt hat.

Zusammenfassend werden im Folgenden „Pro und Contra“ des Umkehrregresses zu-

sammengestellt:

Contra Umkehrregress:

a) Der Sachversicherer ist neutraler Leistungspflichtiger und nicht Haftpflichtiger im

Sinne des Haftpflichtrechts, weshalb eine Zuteilung auf die Stufe Vertrag im Sinne von

Art. 51 Abs. 2 OR nicht sachgerecht ist. Eine extensive Auslegung von BGE 80 II 247

ff. ist weder gerechtfertigt noch je vom Bundesgericht so interpretiert worden. Im Ge-

genteil: Das Bundesgericht hat in BGE 63 II 156 einen Regress des Eigenschadensversi-

cherers auf den aus Art. 58 OR Haftpflichtigen explizit bejaht.

416 Diese Frage wird vorne in § 7 I 5 erörtert.

113

b) Das Bundesgericht lässt in analogen Situationen für vertraglich Leistungspflichtige

das integrale Regressrecht zu.

c) Der Wille des Geschädigten ist zu respektieren und darf nicht über das Regressrecht

umgangen werden.

d) Der vertragliche Anspruch des Geschädigten gegenüber seinem Versicherer aus der

Versicherungspolice subrogiert nicht. Der Haftpflichtversicherer tritt vielmehr in die

Position seines Versicherungsnehmers als alter ego.

Pro Umkehrregress:

a) Das VVG selbst spricht im Zusammenhang mit den Leistungen des Schadensversiche-

rers von Haftpflicht.

b) Durch die Einstufung des Schadensversicherers in Art. 51 Abs. 2 OR resultiert ein

Ausgleichsanspruch im Innenverhältnis.

III. Kritik an der geltenden Praxis

1. Allgemeines

Aus der obigen Darlegung und Auseinandersetzung geht eindeutig hervor, dass die heu-

tige Regresspraxis nicht zu befriedigen vermag, obschon durch den BGE 126 III 521 ff.

durchaus Hoffnung auf eine Praxisänderung besteht. Sowohl der Eigenschadensversiche-

rer bzw. der Versicherungsnehmer als auch der Arbeitnehmer werden erheblich benach-

teiligt. Das Nebeneinander von einer allgemeinen Regressregel und einer spezialgesetz-

lichen Subrogationsnorm verhindert de facto eine sachgerechte Lösung, was aber de jure

nicht so sein müsste. Der Gesetzgeber ist gefordert, das Regressrecht im Bereich des

Privatrechts zu koordinieren.417 Aufgrund der erfolgten Analyse können die folgenden

zwei Thesen aufgestellt werden:

417 Ebenso OR-Schnyder, Art. 51 N 23.

114

2. Schadensversicherer als haftungsloser Leistungspflichtiger

In systematischer Sicht steht die Regresskaskade von Art. 51 Abs. 2 OR unter dem Titel

„unerlaubte Handlung“. Diese Gesetzesbestimmung regelt die Regressordnung bzw. das

Innenverhältnis unter den Haftpflichtigen, welche den Schaden verursacht haben. Der

Eigenschadensversicherer ist für den Schaden haftpflichtrechtlich nicht verantwortlich,

sondern hat vielmehr die Übernahme eines genau umschriebenen Risikos versprochen,

was der vertraglichen Leistungspflicht des Versicherers entspricht. Oft wird hingegen

fälschlicherweise davon gesprochen, der Versicherer hafte gegenüber dem Geschädig-

ten.418 Richtigerweise spricht SCHAER hinsichtlich des Schadensversicherers auch vom

neutralen Ersatzpflichtigen.419 Auch der Sozialversicherer wird in der Doktrin als neutra-

ler Ersatzpflichtiger bezeichnet.420

Meines Erachtens ist dieser Begriff von SCHAER im Resultat zwar richtig, aber nicht

ganz korrekt. Dies gilt deshalb, weil der Versicherer nicht ersatzpflichtig ist. Ein Ersatz-

pflichtiger leistet entweder im Rahmen des Deliktrechts, also ausservertraglich, oder er

erbringt eine vertragliche Sekundärleistung. Der Eigenschadensversicherer erbringt bei

Realisierung des übernommenen Risikos eine Vertragsleistung, die sog. Primärleis-

tung.421 Deshalb ist nach meinem Dafürhalten dem Begriff „haftungsloser oder neutraler

Leistungspflichtiger“ den Vorzug zu geben.

Auf jeden Fall steht fest, dass solche Vertragspflichtige nicht in die Regresskaskade

unter die Haftpflichtigen subsumiert werden können, wozu denn auch kein Anlass be-

stünde, sieht doch das Spezialgesetz in Art. 72 VVG den Rückgriff des Schadensversi-

cherers vor.

3. Integrales Regressrecht für den Eigenschadensversicherer

Die bisherigen Ausführungen zeigen zweierlei: Zum einen kann festgehalten werden,

dass die Auslegung des derzeitigen Regressrechts hinsichtlich des Eigenschadensversi-

cherers nicht sachgerecht ist. Zum anderen ist ein integrales Regressrecht bereits de lege

418 So etwa Stein, S. 708. 419 Schaer, Grundzüge, N 477 ff. 420 Läubli, Koordination, S. 172.; ferner auch Rumo-Jungo, Haftpflicht, N 1085. 421 Die gesetzliche Ersatzpflicht des Sozialversicherers ist wohl ebenfalls als Leistungspflicht aufzufassen.

Hier spielt die Unterscheidung im Ergebnis keine Rolle, da das integrale Regressrecht in Art. 72 ATSG statuiert ist.

115

lata mittels entsprechender Auslegung von Art. 72 Abs. 1 VVG denkbar, analog der

Rechtsstellung des Sozialversicherers gemäss Art. 72 ff. ATSG. Die Subrogation hat

hingegen – im Gegensatz zur Stellung des Sozialversicherers – nicht bereits zum Zeit-

punkt des Ereignisses zu erfolgen, sondern mit Erbringung der Leistung. Dies ist der eine

Weg für ein integrales Rückgriffsrecht de lege lata, welcher unter Umständen auch vom

Bundesgericht beschritten wird.

Einen anderen Weg gehen OFTINGER/STARK mit der sektoriellen Verteilung, wonach

alle rechtlich relevanten Ursachen zusammen in einem Kreis berücksichtigt werden und

jeder Ursache, nach Massgabe des Einflusses auf den Schaden, ein Sektor zugeteilt

wird.422 Dabei werden die Schadensversicherer im Innenverhältnis aus diesem Kreis

herausgenommen, und es wird ihnen ein Regressrecht gegen sämtliche Haftpflichtigen

zugestanden.423 Dieser Weg entspricht im Ergebnis dem integralen Regressrecht.

In ähnlicher Weise plädiert RUMO-JUNGO für ein integrales Regressrecht, indem die

Autorin den Wortlaut von Art. 51 Abs. 2 OR als Hinweis für eine verhältnismässige

Verteilung des Schadens und nicht als ausschliessliche Zuteilungsnorm versteht.424

BREHM macht den Lösungsvorschlag, den Regress beim entgeltlichen Vertrag grundsätz-

lich zuzulassen, wobei er für eine gleichmässige Teilung zwischen dem nicht schuldigen

Vertragspartner des Geschädigten und dem Versicherer plädiert. Kein Regressrecht soll

hingegen beim unentgeltlichen Vertrag gewährt werden.425 Dieser Vorschlag ist ein

Fortschritt gegenüber der heutigen Praxis, lässt aber im Ergebnis den Verursacher trotz-

dem von einer Versicherungsleistung profitieren, deren Prämien er nicht mitfinanziert

hat.426

STEIN legt zunächst den heutigen Stand der Lehre bezüglich der Regressmöglichkeit des

Schadensversicherers dar427 und begrüsst im Ergebnis seiner Abhandlung die im VE

HPG vorgeschlagene Regressbestimmung.428

422 Oftinger/Stark, I, § 9 N 12 ff. 423 Oftinger/Stark, I, § 11 N 74 f.; vgl. dazu auch vorne § 6 IV. 424 Rumo-Jungo, Zusammenspiel, S. 617; Rumo-Jungo, Haftpflicht, N 1087. 425 BK-Brehm, Art. 51 N 124 ff. 426 Ablehnend auch Stein, S. 710 m.w.H. 427 Stein, S. 710. 428 Stein, 715 f.

116

Um Klarheit zu schaffen, ist eine Modifizierung der Regressbestimmungen des VVG

erforderlich.

§ 10. Regress des Sachversicherers

I. Allgemeines

Als Schadensversicherer fällt der Sachversicherer unter die Regressbestimmung von Art.

72 Abs. 1 VVG. Der Sachversicherer ist Eigenschadensversicherer. Im Zusammenhang

mit Fahrzeugen spricht man diesbezüglich von der Kaskoversicherung.429

Die Regressproblematik des Eigenschadensversicherers wurde bereits ausführlich darge-

legt.430 Im Folgenden werden spezielle Regress- bzw. Versicherungsvertragskonstellati-

onen aufgezeigt, und es wird nach einer Lösung gesucht.

II. Regress des Gebäudeversicherers auf Mieter

1. Ausgangslage

Eine spezielle Regresskonstellation zwischen Gebäudeversicherern und Mietern ergibt

sich dann, wenn der Mieter die ihm durch Mietvertrag anvertraute Sache infolge einer

fahrlässigen Handlung beschädigt und dadurch die mietvertraglichen Sorgfaltspflichten

verletzt. Für gewisse Schäden, insbesondere Brand- und Wasserschäden, besteht De-

ckung bei einer Gebäudeversicherung, welche durch den vermietenden Eigentümer ab-

geschlossen wurde. Das Besondere daran ist, dass sich der Mieter realiter regelmässig

über den Mietzins – bewusst oder unbewusst – an dieser Sachversicherung bezüglich des

gemieteten Objekts finanziell beteiligt, zumal kein wirtschaftlich handelnder Eigentümer

und Vermieter diesen Aufwand nicht in den Mietzins mit einbezieht.431 Soweit die Ab-

wälzung über den Mietzins erfolgt, ist in mietrechtlicher Sicht dagegen nichts einzuwen-

den, zumal die Versicherungsprämien als Betriebskosten des Vermieters gelten, die

zusammen mit weiteren Liegenschaftskosten durch den Mietzins auf die Mieterschaft

429 Maurer, PVR, S. 519. 430 Vgl. vorne § 5 ff. 431 So auch KGer SG, Entscheid vom 25. Oktober 2004 (BZ.2004.7).

117

überwälzt werden können;432 einzig über die Nebenkosten dürfen die Gebäudeversiche-

rungsprämien dem Mieter nicht belastet werden.433

Durch diese Mitfinanzierung der Versicherungsprämie ist der Mieter nicht irgendein

Dritter in Bezug zum Eigentümer und zu dessen Versicherer, sondern steht in einem

Vertragsverhältnis. Beschädigt der Mieter fahrlässig die gemietete Sache, so stellt sich

die Frage, inwieweit sich diese Art Sonderbeziehung auf die Haftpflicht und den Regress

auswirkt.434

2. Aus Sicht der Privatversicherer

A. Lehre und Rechtsprechung bezüglich leichtfahrlässiger Verursachung

Bis Ende März 2005 existierte eine Empfehlung des SVV, wonach der Sachversicherer

keine Regresse auf den schadenverursachenden Mieter durchführt, soweit eine leicht-

fahrlässige Schadensverursachung in Frage steht.435 Diese Praxis basiert auf der obge-

nannten Überlegung, dass der Mieter regelmässig mit dem Mietzins die Prämie der Ge-

bäudeversicherung seines Vermieters mitfinanziert. Dadurch wird der Gebäudeversiche-

rungsvertrag de facto zu einem Vertrag zugunsten Dritter436, bzw. der Mieter ist analog

zum Versicherungsnehmer bzw. zum Eigentümer im Sinne von Art. 14 VVG zu behan-

deln. Auch wenn diese Empfehlung heute nicht mehr in Kraft ist, so darf davon ausge-

gangen werden, dass die meisten Privatversicherer auch weiterhin dieselbe Praxis wie

vor der Aufhebung verfolgen werden.

Das Bundesgericht hat in BGE 65 II 262 den bis heute geltenden unbestrittenen Grund-

satz im Schadensausgleichsrecht festgelegt, wonach ein ermächtigter Besitzer einer

Sache, welcher die Prämien für die Schadensversicherung selbst bezahlt, durch diesen

eigenfinanzierten Versicherungsschutz so weit von der Haftung befreit wird, als die

Versicherung für den Schaden aufkommen muss. Das Bundesgericht hat diese Praxis in

432 Lachat/Stoll/Brunner, S. 298. 433 Statt vieler: Lachat/Stoll/Brunner, S. 214 f. 434 Wenn im Folgenden die Rede von Schäden am Mietobjekt ist, so sind nur jene gemeint, welche unter die

Deckung der Gebäudeversicherung fallen. 435 Vgl. Empfehlung Nr. 17/1999 im Anhang. 436 Vgl. Art. 112 OR.

118

BGE 114 II 342 ff.437 bestätigt, wenn auch etwas verschlüsselt. Diesem Entscheid liegt

der folgende Sachverhalt zugrunde:

Die X SA vermietet Y ein Auto, wobei eine Kaskoversicherung abgeschlossen wur-

de. Y verursacht schuldhaft einen Schaden am gemieteten Fahrzeug. Die X SA wei-

gert sich, den Schaden über die Kaskoversicherung zu regulieren und macht Y di-

rekt haftbar.

Das Bundesgericht hiess den Schadenersatzanspruch gegen Y gut, bejahte jedoch grund-

sätzlich den Regressanspruch des Mieters gegen den Kaskoversicherer. Dies rechtfertige

sich umso mehr, als im Mietzins nach allgemeiner Lebenserfahrung die Kaskoversiche-

rungsprämien mit berücksichtigt seien. Dieser Entscheid kann im Grundsatz per Analo-

gieschluss auch auf andere Mietverhältnisse – insbesondere auf Wohnungsmieten –

angewendet werden.438

In der Lehre wird der Regress auf einen haftpflichtigen Dritten, welcher die Versiche-

rungsprämie bezahlt hat, ebenfalls mehrheitlich abgelehnt, soweit der Schaden auf einer

leichtfahrlässigen Handlung basiert: So wird regelmässig von einem stillschweigenden

Regressverzicht ausgegangen. Ein Regress des Sachversicherers wäre nach OFTIN-

GER/STARK sogar rechtsmissbräuchlich.439 Gemäss SCHAER ist es gar „eine Selbstver-

ständlichkeit und bedarf keiner weiteren Rechtfertigungsgründe“, dass dem Mieter, wel-

cher die Prämien für die Schadensversicherung bezahlt, die vom Schadensversicherer

erbrachten Leistungen an eine allfällige Haftpflichtforderung anzurechnen sind.440 Eben-

so ist es für HONSELL mit der geltenden Rechtsordnung unvereinbar, „denjenigen mit der

Regressforderung zu belasten, der die Prämie bezahlt hat“.441

437 Pra (79) 1990, Nr. 168. 438 A.M. KGer SG, Entscheid vom 25. Oktober 2004 (BZ.2004.7). 439 Oftinger/Stark, I, § 11 N 58. Sich an diese Auffassung anlehnend auch BK-Brehm, Art. 51 N 82a. 440 Schaer, Schadensversicherer, S. 106. 441 Honsell, Regress, S. 577.

119

B. Lehre und Rechtsprechung bezüglich grobfahrlässiger Verursachung

Verursacht der Mieter den Schaden am Mietobjekt grobfahrlässig, so ist grundsätzlich

unbestritten, dass aufgrund der Subrogation ein Regress des leistenden Eigenschadens-

versicherers möglich ist. Fraglich ist einzig, in welchem Umfang der Rückgriff zu erfol-

gen hat.

Bei konsequenter Anwendung des obigen Analogieschlusses zwischen Mieter und Ei-

gentümer drängt sich überdies die Frage auf, ob sich die Haftung tatsächlich auf die

ganze erbrachte Leistung nach Zeitwert oder ob sich der Regress nicht vielmehr lediglich

auf den Umfang der Kürzungsmöglichkeit nach Art. 14 Abs. 2 VVG erstreckt.442 Ist der

Mieter haftpflichtversichert, wird der Versicherer überdies, im Sinne von Art. 14 Abs. 2

VVG und gestützt auf die AVB, mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Grobfahrlässigkeits-

kürzung anbringen.

C. Stellungnahme

i. Vorbemerkungen

Nach meinem Dafürhalten beschränkt sich die vorliegende Diskussion auf jene gemiete-

ten Objekte und Räume, welche auch de jure im Besitz bzw. in der Sachherrschaft des

Mieters sind. Nur hier finanziert der Mieter die Gebäudeversicherungsprämie mit. Somit

kommen etwa in Frage: die Mietwohnung und die in einem Mehrfamilienhaus gemein-

schaftlich genutzten Räume; nicht aber Wohnungen Dritter innerhalb desselben Gebäu-

des.

ii. Ad leichter Fahrlässigkeit

Die ehemalige Regelung des SVV überzeugt und hält auch – wie dargelegt – einer teleo-

logischen Auslegung und entsprechend analogen Anwendung von Art. 14 VVG stand,

zumal unter anderem Sinn und Zweck dieser Bestimmung ist, den leichtfahrlässig han-

delnden Versicherungsnehmer nicht mit Kürzungen zu belasten. Zudem begründet mei-

nes Erachtens die vertragliche Sonderbeziehung zwischen Mieter und Eigentümer ein

442 So etwa Schaer, Schadensversicherer, S. 104, 110, wo von „virtueller Grobfahrlässigkeitskürzung“ die Rede ist.

120

Regressprivileg gemäss Art. 72 Abs. 3 VVG, da der Eigentümer für die Handlungen des

Mieters, im Sinne der Hilfspersonenhaftung von Art. 101 OR, einzustehen hat.443 Des-

halb korrespondiert Art. 72 Abs. 3 VVG mit der Bestimmung von Art. 14 Abs. 3 und 4

VVG. Es verändert die Stellung des Schadensversicherers ja nicht, ob nun der Versiche-

rungsnehmer selbst oder ein berechtigter Dritter den Schaden leichtfahrlässig angerichtet

hat. Würde man diesen Regress auf den Mieter zulassen, so hätte dies eine Risikover-

minderung zur Folge, jedoch bei gleich bleibender Prämie. Bewohnt der Eigentümer das

Mietobjekt nicht selbst, so kämen alle Risiken, welche vom Benutzer ausgehen, nicht

mehr in Betracht. Somit würde der Versicherer alleine von der Tatsache der Vermietung

des Objektes profitieren, ohne dass dadurch der Versicherungsnehmer eine Prämienre-

duktion erfahren würde.444

Wird ein Mieter bei der Nutzung seines Mietobjektes gestört, so steht ihm grundsätzlich

eine Klage aus Besitzesstörung gemäss Art. 928 ZGB zu. Er wird in aller Regel diesen

Rechtsbehelf der Verantwortlichkeitsklage im Sinne von Art. 679 ZGB vorziehen, da

einige Kantone für den Besitzesschutzprozess ein summarisches Verfahren vorsehen.445

Dennoch ist für die vorliegende Problematik von Interesse, dass bezüglich Art. 679 ff.

ZGB, indem vom Nachbarn oder vom Eigentümer die Rede ist, der Nachbarbegriff weit

gefasst wird.446 So wird die Aktiv- und die Passivlegitimation neben dem Grundeigen-

tümer ebenso auf jene Personen ausgedehnt, welche ein beschränktes dingliches oder ein

obligatorisches Recht an der Immissionsquelle haben.447 Würde man streng der gramma-

tikalischen Auslegung folgen, wären Mieter nicht legitimiert. Was jedoch im ZGB als

gefestigtes Recht gilt, wird in anderen Rechtsgebieten noch bestritten, dies, obschon die

beiden Sachverhalte vergleichbar sind.

Somit kann festgehalten werden, dass es sachgerecht ist, den Mieter, welcher leichtfahr-

lässig das gemietete Objekt beschädigt, bezüglich der Regresse des Sachversicherers

analog dem Eigentümer des Objektes zu behandeln.

443 Gl.M. VVG-Graber, Art. 72 N 60. Das Privileg basiert nicht auf einer häuslichen Gemeinschaft, was vom KGer SG, Entscheid vom 25. Oktober 2004 (BZ.2004.7), zu Recht abgelehnt wird.

444 So auch Honsell, Regress, S. 577 f., wonach Art. 72 VVG eben einer interessengerechten Interpretation unterzogen werden müsse.

445 Schmid/Hürlimann-Kaup, N 250. 446 So etwa Schmid/Hürlimann-Kaup, N 958 ff. 447 Für die Passivlegitimation vgl. BGE 104 II 19 ff. Für die Aktivlegitimation vgl. BGE 109 II 304;

Schmid/Hürlimann-Kaup, N 959.

121

iii. Ad grober Fahrlässigkeit

Hat der Mieter grobfahrlässig das Mietobjekt beschädigt, so kommt das Regressprivileg

von Art. 72 Abs. 3 VVG nicht zur Anwendung. Damit ist aber nicht gesagt, wie weit die

Subrogation des Eigenschadensversicherers reicht. Aus den obigen Darlegungen resul-

tiert unter anderem, dass der Eigenschadensversicherer am Ende weder besser noch

schlechter gestellt werden darf, egal ob der Schaden durch den Versicherungsnehmer

selbst oder durch seinen Mieter verursacht wurde. Bei konsequenter Anwendung des

obigen Analogieschlusses bedeutet dies, dass die Höhe der Haftpflicht des Mieters der

Kürzungsquote von Art. 14 Abs. 2 VVG entspricht, so wie sie bestanden hätte, wenn der

Versicherungsnehmer selbst gehandelt hätte. Dies entspricht demnach auch der Regress-

quote des Eigenschadensversicherers.448

Ist der Mieter haftpflichtversichert, so wird seine Versicherung den Regress des Gebäu-

deversicherers wiederum gemäss Art. 14 Abs. 2 VVG und gestützt auf die zugrunde

liegenden AVB kürzen. Diesen gekürzten Teil wird die Gebäudeversicherung direkt

beim Mieter regressweise einfordern müssen. Diese Lösung ist auch deshalb gerecht, da

der Mieter bei einer grobfahrlässigen Handlung eine Quote des Schadens tragen soll, in

Konsequenz der analogen Behandlung des Versicherungsnehmers.

3. Aus Sicht der monopolisierten kantonalen Gebäudeversicherer

A. Das Monopol

In gewissen Kantonen sind die obligatorischen Gebäudeversicherungen für Feuer- und

Elementarschäden monopolisiert.449 Nur nebenbei sei erwähnt, dass das Bundesgericht

die Verhältnismässigkeit kantonaler Gebäudeversicherungsmonopole erst kürzlich wie-

der bestätigt hat.450 Hat das Faktum eines solchen Monopols eine Auswirkung auf die

anwendbaren Regressnormen? Die Frage ist mit „ja – aber“ zu beantworten. Die Gründe

werden im Folgenden dargestellt:

448 Vgl. dazu auch die Regelung des sankt-gallischen Gebäudeversicherungsgesetzes, Art. 33 Abs. 2, wonach gegenüber dem Versicherungsnehmer eine Kürzung infolge grobfahrlässiger Herbeiführung des Schadens von höchstens 50% vorgesehen ist.

449 Nicht monopolisiert in den Kantonen: AI, GE, OW, SZ, TI, UR, VS. Hier wird über die Privatassekuranz versichert.

450 BGE 124 I 25 ff.

122

Aufgrund von Art. 103 Abs. 2 VVG ist das VVG nicht auf die monopolisierten kantona-

len Gebäudeversicherungen anwendbar. In diesen Kantonen sind in den Gebäudeversi-

cherungsgesetzen eigene Regressbestimmungen statuiert worden. Es ist aber kein Zufall,

dass die Bestimmungen der Regelung von Art. 51 Abs. 2 OR sehr ähnlich sind. Denn

nach Lehre und Rechtsprechung dürfen die kantonalen Regressbestimmungen betreffend

Gebäudeassekuranzen die Rechtsstellung der Haftpflichtigen nicht schwächen und wären

andernfalls bundesrechtswidrig, zumal die Regresskaskade von Art. 51 Abs. 2 OR zwin-

gendes Recht ist.451 Danach kann das Rückgriffsrecht einer kantonalen Gebäudeversiche-

rungsanstalt gegen den Schädiger nicht durch kantonale Subrogationsbestimmungen

ausgedehnt bzw. erweitert werden.452 So entspricht zum Beispiel Art. 51 Gesetz über die

Gebäudeversicherung des Kantons St. Gallen453 jener Regressordnung von Art. 72 VVG,

wenn man – wohl unkorrekterweise, aber der Rechtsprechung folgend – den Begriff

„unerlaubte Handlung“ mit Verschulden gleichsetzt. Die Regelung des Kantons Aargau

sieht hingegen eine umfassendere Regressmöglichkeit vor, indem in § 51 GebVG454

uneingeschränkt von fehlbaren Dritten die Rede ist. Die meisten übrigen kantonalen

Gesetze über die Gebäudeversicherung verweisen einfach auf die Bestimmungen des

OR.455

B. Lehre und Rechtsprechung

Bezüglich Mieterregresse stellt sich die Frage, ob die oben dargelegte Praxis zwischen

den Privatversicherern auch auf die monopolisierten kantonalen Gebäudeversicherer

angewendet werden kann. Dies ist zurzeit heftig umstritten.456 Dabei geht es zunächst um

451 GVP 1972, Nr. 11, S. 36 ff.; GVP 1989, Nr. 30. S. 63; OR-Schnyder, Art. 51 N 4; VVG-Graber, Art. 72 N 14; Gauch/Aepli/Stöckli, Art. 50-51 N 2.

452 BGE 103 II 337 = Pra (67) 1978, Nr. 89.; 96 II 175; gegen diese Einstufung plädieren Schaer/Duc/Keller, Bossard/Daxelhoffer/Jaeger, S. 303 f.

453 Gesetz über die Gebäudeversicherung vom 26. Dezember 1960, sGS 873.1. 454 Gesetz über die Gebäudeversicherung vom 15. Januar 1934, SAR 673.100. 455 So etwa die Gesetze der folgenden Kantone: AR, Art. 33 Gesetz über die Gebäude- und Grundstückversi-

cherung vom 30. April 1995, 862.1; BE, Art. 42 Gesetz über die Gebäudeversicherung vom 6. Juni 1971, 873.11; BL, § 50 Gesetz über die Versicherung von Gebäuden und Grundstücken vom 12. Januar 1981, SGS 350; BS, § 26 Gebäudeversicherungsgesetz vom 22. März 1973, 695.100; GL, Art. 43 Sachversiche-rungsgesetz vom 2. Mai 1993, V D/1; LU, § 36 Gebäudeversicherungsgesetz vom 29. Juni 1976, SLR 750; NW, Art. 86 Sachversicherungsgesetz vom 27. April 1986, 867.1; SH, Art. 32 Gebäudeversicherungsge-setz vom 8. Dezember 2003, SHR 960.100; SO, § 56 Gesetz über die Gebäudeversicherung, Brandverhü-tung, Feuerwehr und Elementarschadenhilfe vom 24. September 1972, 618.111; TG, § 40 Gesetz über die Gebäudeversicherung vom 23. August 1976, 956.1; ZG, § 41 Gesetz über die Gebäudeversicherung vom 20. Dezember 1979, 722.11; ZH, § 72 Gesetz über die Gebäudeversicherung vom 2. März 1975, 862.1.

456 Dazu sind einige Prozesse hängig.

123

die Frage, ob das VVG bei Bedarf analog herangezogen werden kann, und wenn ja,

welcher Auslegungsmethode der Vorzug gegeben wird. Im reinen Wortlaut der meisten

kantonalen Gebäudeversicherungsgesetze wird der Mieter nirgends explizit erwähnt.

Dadurch wäre der Regress an sich möglich. Fragt man hingegen nach der Teleologie der

betreffenden Bestimmungen, so kann das Resultat, um es vorwegzunehmen, nicht anders

als bei den Privatversicherern lauten. Dies bedarf im Folgenden einer genaueren Erörte-

rung:

Das Kantonsgericht St. Gallen hatte sich im Jahre 2004 mit dieser Thematik zu befas-

sen.457 Der zu beurteilenden Regressforderung der GVA St. Gallen lag folgender Sach-

verhalt zugrunde: Eine 79-jährige Nutzniesserin einer Wohnung vergass das aufgesetzte

Teewasser in der Küche, als sie zwischendurch die Post holen ging und dabei in ein

Gespräch mit dem Hausmeister kam. Es entstand ein Wohnungsbrand mit grossem Sach-

schaden, welcher von der GVA St. Gallen reguliert wurde. Bei der Beurteilung der Re-

gressforderung der GVA St. Gallen gegen die Mieterin wird die Auslegung nach dem

Wortlaut in den Vordergrund gestellt. Das Gericht führt dazu aus, dass nach Art. 11 Abs.

1 und Art. 21 Abs. 3 des Gebäudeversicherungsgesetzes des Kantons St. Gallen der

Eigentümer sowohl einziger Versicherungsnehmer als auch einziger Versicherter sein

kann, obschon es einräumt, dass ohne weiteres davon auszugehen sei, dass die Verursa-

cherin wirtschaftlich für die Prämien aufkomme. Für das Wohnrecht ergibt sich das

bereits aus Art. 778 ZGB, wonach der Berechtigte die Lasten des gewöhnlichen Unter-

haltes trägt. Weshalb nicht nach dem Sinn und Zweck ausgelegt wird, bleibt in der Be-

gründung leider offen. Zudem setzt sich das Gericht einzig mit der Lehrmeinung von

HONSELL auseinander und blendet offenbar die oben dargelegte Doktrin aus. Da im zu

beurteilenden Fall die Wohnberechtigte den Gebäudebrand grobfahrlässig verursacht

hatte, wurde die Regressforderung der Gebäudeversicherung St. Gallen schon deshalb

gutgeheissen.

Das Obergericht des Kantons Thurgau hatte sich kürzlich ebenfalls mit dieser Problema-

tik auseinanderzusetzen.458 Das vom Mieter zu vertretende Verhalten gründet darin, dass

er eine Matratze beim Verlassen des Zimmers direkt am Elektrospeicherofen liegen liess,

was zu einem Hitzestau und in der Folge zum Brandausbruch führte. Zunächst lässt das

Gericht das Argument nicht gelten, dass die Mieterregresse zu einer Prämiensenkung

führten, zumal die Gebäudeversicherung Thurgau keinen einzigen Zahlungseingang

457 KGer SG, Entscheid vom 25. Oktober 2004 (BZ.2004.7). 458 OGer TG, Entscheid vom 20. April 2004 (ZBO.2003.7).

124

eines Mieterregresses ausweisen konnte. Das Obergericht sieht hingegen für eine analo-

ge Anwendung des VVG in concreto keinen Raum. Zwar wird im Urteil die dazu gängi-

ge Doktrin dargelegt; eine diesbezügliche Auseinandersetzung findet hingegen nicht

statt, indem am Ende kurzum festgestellt wird, dass das VVG auf den Gebäudeversiche-

rungsvertrag keine Anwendung finde. Die Auslegung des kantonalen Gebäudeversiche-

rungsgesetzes erfolgt somit nach rein grammatikalischer Methode. Im Ergebnis wird

auch hier die Regressforderung gegen den Mieter geschützt.

Der Gerichtskreis VIII Bern-Laupen befasste sich im Entscheid vom 10. Juni 2005459

ebenfalls mit dem Regressanspruch des kantonalen Gebäudeversicherers gegen einen

Mieter. Zu beurteilen war ein leichtfahrlässiges Verhalten des Mieters. Im Gegensatz zu

den beiden vorhergehenden Urteilen wird hier die Klage des Gebäudeversicherers abge-

wiesen. Das Gericht folgt dabei vollumfänglich der vorne bezüglich Privatversicherer

dargelegten Argumentation.460

C. Rechtsvergleichende Betrachtung

i. Deutschland

Vergleicht man Lehre und Rechtsprechung in Deutschland, so fällt auf, dass die vorlie-

gende Thematik weit stärker Eingang in eine vertiefte Auseinandersetzung gefunden hat

als bei uns. In Deutschland wird nach neuester Rechtsprechung der Mieter, der leicht-

fahrlässig den Versicherungsfall herbeiführt, vor Regressansprüchen des Versicherers

geschützt. Damit wurde die nicht unbestrittene Lösung über einen allfälligen Haftungs-

verzicht des Vermieters aufgegeben.461 Der deutsche Bundesgerichtshof bekennt sich

neuerdings zur Lösung des konkludenten Regressverzichts.462 Vorausgesetzt, der Scha-

den ist leichtfahrlässig durch den Mieter verursacht worden, wird zunächst eine Ver-

tragslücke in den AVB gesucht, die in einem nächsten Schritt durch den konkludenten

Regressverzicht geschlossen wird.463 In Deutschland existiert zudem ein Regressver-

459 Z 04 5007 HOJ. 460 Vgl. vorne III B. 461 Weitergehend etwa Armbrüster, Zur Haftung des Mieters für Sachschäden bei bestehender Sachversiche-

rung des Vermieters, in: NJW 1997, S. 177 ff.; Armbrüster, Zum vertraglichen und gesetzlichen Schutz des Haftpflichtigen vor einem Regress des Sachversicherers, in: VersR 1994, S. 893.

462 BGH, Urteil vom 14. Februar 2001 (VIII ZR 292/98). 463 Vgl. dazu Plassmann, S. 87, wo die Lehre über eine konkludente Vereinbarung des Regressverzichts

dargelegt wird; ebenso Oftinger/Stark, I, § 11 N 58.

125

zichtsabkommen der Feuerversicherungen, unter das auch die Mieter fallen und so da-

von profitieren.464 Im Zusammenhang mit einem Regress des Gebäudeversicherers auf

einen Stockwerkeigentümer, welcher Sondereigentum leichtfahrlässig beschädigt hatte,

kam ihm der Bundesgerichtshof mit der Konstruktion des sog. Sachersatzinteresses zu

Hilfe, welches mitversichert sei.465 Somit kann festgehalten werden, dass die Rechtslage

in Deutschland – neben einer klaren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – durch ein

Abkommen geklärt ist. Weshalb, wie das Kantonsgericht St. Gallen ausführt, der

Rechtsvergleich in casu unbrauchbar sein soll, wird bedauerlicherweise ebenfalls nicht

erläutert.466

ii. Österreich

Auch der österreichische Oberste Gerichtshof hatte sich mit einer Regressforderung des

Gebäudeversicherers gegen einen Mieter auseinanderzusetzen.467 Speziell bei diesem

Sachverhalt ist die in den AVB vereinbarte Klausel, Art. 12 Abs. 1 AWB 1986: Darin

wird ein Regressverzicht auf den leichtfahrlässig handelnden Wohnungsmieter festgehal-

ten, welcher ganz oder teilweise die Prämie für das versicherte Wohngebäude trägt. Der

Gerichtshof hiess dennoch die Regressklage gut, und zwar deshalb, weil es sich im vor-

liegenden Fall um eine Geschäftsraummiete handelte. Meines Erachtens hätte die Klage

vielmehr deshalb geschützt werden können, weil der beschädigte Raum zum Nachbarob-

jekt zählte, für welches der haftpflichtige Mieter gerade keine Prämien bezahlt hatte. Aus

dieser Ausgangslage kann vor allem die Erkenntnis geschöpft werden, dass der Regress

auf den Mieter eben nicht einfach ein Regress auf irgendeinen Dritten ist, weshalb denn

auch sogar die Versicherungsbedingungen diesbezüglich einen Regressverzicht vorse-

hen. Weshalb die Einschränkung auf Wohnungsmieter gemacht wird, ist bei genauerer

Betrachtung nicht nachvollziehbar.

464 Plassmann, S. 89. 465 BGH, Urteil vom 28. März 2001 (IV ZR 163/99); vgl. dazu die Abhandlung von Armbrüster, Sachersatz-

interesse im Gebäudeversicherungsvertrag, in: ZMR, 2001, S. 717 ff. 466 KGer SG, Entscheid vom 25. Oktober 2004 (BZ.2004.7). 467 OGH, Entscheid vom 7. April 2000 (7Ob34/99x).

126

III. Regress des Kaskoversicherers auf berechtigte Lenker

1. Ausgangslage

Ein analoges Schicksal zu dem des Mieters trifft auch den berechtigten Lenker, welcher

das ausgeliehene Fahrzeug infolge einer fahrlässigen Handlung beschädigt. Während der

Halter gegenüber Dritten aus Art. 58 Abs. 4 SVG haftpflichtig wird, hat der fehlbare

Lenker den Schaden, gestützt auf Art. 41 OR, zu übernehmen. Hat der Lenker das Fahr-

zeug gemietet, so gelten die vorhergehenden Ausführungen in Kapitel II sinngemäss. Im

vorliegenden Kapitel geht es um die unentgeltliche, leihweise Überlassung eines Fahr-

zeuges an einen Dritten, welcher nicht zwingend unter das Regressprivileg von Art. 72

Abs. 3 VVG zu fallen hat.

Dem für den Eigenschaden aufkommenden Kaskoversicherer des Halters stellt sich die

Frage, ob er entweder gegenüber dem Halter eine Kürzungsmöglichkeit hat oder ob er

sonst im Sinne von Art. 72 Abs. 1 VVG auf den fehlbaren Lenker regressieren kann.

2. Rechtslage und Praxis

A. Bei leichter Fahrlässigkeit

Es ist vorwegzunehmen, dass die Versicherer in der Schweiz praktisch nie auf einen

leichtfahrlässig handelnden Lenker Rückgriff nehmen, obschon in den meisten AVB ein

entsprechender Regressverzicht fehlt. Ebenso wird regelmässig in den Privathaftpflicht-

policen, welche Schäden beim Lenken fremder Fahrzeuge mitversichern, der Regress

des Kaskoversicherers ausgeschlossen oder mit einer Subsidiärklausel versehen. Es sei

angemerkt, dass eine Kürzung gegenüber dem Halter im Sinne von Art. 14 Abs. 3 VVG

nicht möglich ist, da der Lenker nicht grobfahrlässig handelte. Somit fehlt auch eine

gesetzliche Regelung.

In der Lehre wurde diese Frage meines Wissens einzig von SCHAER468 eingehend erör-

tert. Er versucht, die Lösung unter verschiedenen juristischen Theorien bzw. Konstrukti-

onen zu finden. Dabei greift er unter anderem rechtsvergleichend auf den in Deutschland

bestehenden Rechtsstreit „Sacherhaltungs- contra Sachersatztheorie“ zurück, welcher

jedoch durch eine entsprechende AVB-Regelung gelöst wurde, und zwar in der Weise,

468 Schaer, Schadensversicherer, S. 99 ff.; vgl. dazu auch die diesbezügliche Rezension von Nigg, S. 880.

127

dass der Versicherer auf die berechtigten Benutzer nur im Falle der vorsätzlichen oder

grobfahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles regressieren kann. Die Kon-

struktion der stillschweigenden Übernahme eines solchen Regressverzichtes, beim Feh-

len einer expliziten Klausel, hängt gemäss SCHAER vom gesunden Menschenverstand ab.

Hilfskonstruktionen über die Fremd- oder Mitversicherung helfen im Ergebnis – so auch

seine Ausführungen – auch nicht direkt weiter. Dasselbe ergibt sich aufgrund der sog.

Repräsentantentheorie, wonach der Mieter – berechtigt durch seinen Mietvertrag – in

Bezug auf das versicherte Risiko an die Stelle des Versicherungsnehmers tritt. Ein Re-

gressausschluss auf der Grundlage eines stillschweigend vereinbarten Haftungsverzich-

tes zwischen Halter und Lenker scheitert an Art. 72 Abs. 2 VVG, wonach der An-

spruchsberechtigte das Rückgriffsrecht des Versicherers nicht schmälern darf.

Finanziert der ermächtigte Lenker oder der Besitzer die Prämien für die Kaskoversiche-

rung, so führen dieselben Überlegungen wie beim Mieter einer Liegenschaft oder Woh-

nung zum Regressausschluss bei leichter Fahrlässigkeit. Dies wird jedoch bei einer altru-

istischen Überlassung kaum je zutreffen. Aber auch bei der gewöhnlichen Gebrauchslei-

he, bei welcher der Lenker sachimmanenterweise die Prämienfinanzierung nicht trägt,

sollte das Ergebnis nicht anders lauten.469

B. Bei grober Fahrlässigkeit

Verursachte der Lenker den Unfall infolge schweren Verschuldens, so steht dem Kasko-

versicherer grundsätzlich ein Regressrecht gegenüber dem Lenker, welcher aus Art. 41

OR haftpflichtig ist, ohne weiteres zu. Eine Kürzungsmöglichkeit direkt gegenüber dem

anspruchsberechtigten Versicherungsnehmer ist lediglich im Rahmen von Art. 14 Abs. 3

VVG möglich. Sind dessen Voraussetzungen nicht erfüllt, so kann der Halter die volle

Entschädigung beanspruchen. In diesem Fall stellt sich die Frage der Regressquote ge-

genüber dem fehlbaren Lenker. Sind indes die Voraussetzungen für eine Kürzung erfüllt,

wird diese jedoch gegenüber dem Versicherungsnehmer nicht einredeweise entgegen-

gehalten, so liegt eine freiwillig erbrachte Leistung vor. Ob sich in diesem Fall der Ver-

sicherer auf die Subrogation berufen kann, wird in einem eigenen Kapitel behandelt.470

469 Vgl. dazu unten die Stellungnahmen in Ziff 3. 470 Vgl. vorne § 7 IV.

128

Das Kantonsgericht Wallis471 hiess einen Regress auf den grobfahrlässig handelnden

Lenker in der Höhe von 30% gut. Dabei stützt sich das kantonale Gericht auf Art. 72

Abs. 1 VVG und nicht etwa auf Art. 14 Abs. 2 VVG. Das Obergericht Zürich472 lässt den

Regress des leistenden Kaskoversicherers auf den Sohn des Halters – in Anlehnung an

Art. 14 Abs. 2 VVG und gestützt auf Art. 72 Abs. 1 VVG – zu, und zwar in der Höhe

von 20%. Der Umstand, dass der Sohn ein relativ neues Luxusfahrzeug auf einer öffent-

lichen Strasse in Mailand längere Zeit unbeaufsichtigt stehen gelassen hatte, wurde als

grobfahrlässig gewertet. Das Bundesgericht473 schliesslich schützt den Regress des Kas-

koversicherers auf ein Organ, welches grobfahrlässig mit dem Firmenfahrzeug einen

Unfall verursacht hat. Dabei wird eine Quote von 25% gutgeheissen. Das Gericht führt

dabei aus, dass der Versicherer bei voller Entschädigung auf den Schädiger zurückgrei-

fen könne, wie das der Versicherungsnehmer selber gekonnt hätte, da das Organ gemäss

Art. 55 Abs. 3 ZGB für sein Verschulden persönlich verantwortlich sei.474

3. Stellungnahme

Für die Regressbeurteilung sind meines Erachtens folgende Überlegungen anzubringen:

Artikel 58 Abs. 4 SVG statuiert ein kausales Einstehenmüssen des Halters für fremdes

Verhalten. Diese Bestimmung ist eine Haftung für Hilfspersonen im Sinne des Regress-

privilegs von Art. 72 Abs. 2 VVG. Danach sind unter anderem Personen privilegiert,

„für deren Handlungen der Anspruchsberechtigte einstehen muss“. Unter diesen Perso-

nenkreis ist auch der Lenker zu subsumieren, wonach sich schon daraus das Rückgriffs-

verbot auf den leichtfahrlässig handelnden Lenker ergibt.475 Somit kommt es nicht darauf

an, ob der Lenker mit dem Halter in häuslicher Gemeinschaft lebt. Weshalb diese Kon-

struktion Art. 72 Abs. 3 VVG i.V.m. Art. 58 Abs. 4 SVG nicht auch in der Rechtspre-

chung als Grundlage heranzog, ist nicht nachvollziehbar.

Aufgrund dieses Regressprivilegs kommt ein Regress auf den berechtigten Lenker ledig-

lich bei grobfahrlässigem Verhalten in Betracht. Betreffend die Quote sind dieselben

471 KGer VS, Entscheid vom 6. Juni 1984, in: SVA XV Nr. 88. 472 OGer ZH, Entscheid vom 1. Juni 1993, in: SGW 1993 Nr. 23. 473 BGE 120 II 58 ff., 64. 474 A.M. Honsell, Regress, S. 576. Der Autor betrachtet das Organ nicht als Dritten, sondern als Repräsentan-

ten der AG, weshalb der Anspruch der AG gemäss Art. 14 Abs. 2 hätte gekürzt werden müssen. 475 Gl.M. Oftinger/Stark, I, § 11 Fn 72; VVG-Graber, Art. 72 N 60; offenbar a.A. BGE 91 II 234 betreffend

Auslegung von Art. 14 Abs. 3 VVG.

129

Grundsätze heranzuziehen, die beim Regress auf den Mieter erörtert wurden. Somit

richtet sich die Rückgriffsquote nach dem Verschulden des Lenkers, weshalb sich, in

Anlehnung an Art. 14 Abs. 2 VVG, eine Quote in der Höhe der Kürzungsmöglichkeit

ergibt.476 Diese Auffassung dürfte auch jener in den oben aufgeführten Urteilen entspre-

chen.

IV. Regress auf Arbeitnehmer bzw. Hilfsperson

A. Allgemeines

Hinsichtlich des Arbeitnehmerregresses wurden die diesbezüglichen Schwierigkeiten

bereits erörtert.477 Aufgrund von Deckungslücken in der Betriebshaftpflichtversicherung

können aus sozialpolitischer Sicht ungewollte Härtefälle entstehen.478

Im vorliegenden Abschnitt wird die Regressmöglichkeit des Unfallversicherers im über-

obligatorischen Bereich bei Arbeitsunfällen abgehandelt.

B. Verletzung eines Mitarbeiters

i. Ausgangslage

In Bezug auf die Arbeitsunfälle stellt sich immer wieder die heikle Frage des Regress-

rechtes des privaten Unfallversicherers auf den schuldhaft handelnden Arbeitnehmer

bzw. dessen Arbeitgeber.479 Für die anschliessende Auseinandersetzung soll der folgende

Sachverhalt die Grundlage bilden:

Während der Verrichtung der Arbeit verletzt ein Arbeitnehmer seinen Arbeitskolle-

gen durch eine grobfahrlässige Handlung. Beide arbeiten im Unternehmen X. Der

private Unfallversicherer erbringt Leistungen, welche er auf dem Regresswege vom

Betriebshaftpflichtversicherer des Unternehmens X wieder hereinholen möchte.

476 So auch Schaer, Schadensversicherer, S. 104 ff. 477 Vgl. dazu vorne § 9 II 2. 478 Vgl. dazu vorne § 9 II. 479 Auf das integrale Regressrecht im Sinne des ATSG wird – wie einleitend bemerkt – nicht eingegangen.

130

Vorweg sei angemerkt, dass bei leichtfahrlässiger Verursachung und auch bei einer

Haftung aus Art. 55 OR das Regressprivileg gemäss Art. 72 Abs. 3 VVG tangiert würde,

weshalb sich die Problematik einzig auf die Grobfahrlässigkeit beschränkt.480

ii. Rechtslage

Der private Unfallversicherer erbringt seine vertraglich geschuldete Leistung. Die un-

günstige Regressordnung im Sinne der „Gini/Durlemann-Praxis“ spielt hier keine Rolle,

da die Handlung grobfahrlässig war, weshalb der Arbeitgeber im Sinne von Art. 101 OR

für seine Arbeitnehmer einstehen muss. Wenn also ein Arbeitnehmer einen seiner Be-

triebskollegen grobfahrlässig schädigt, hat der Geschädigte oder der subrogierende Un-

fallversicherer grundsätzlich einen vertraglichen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis

gegenüber seinem Arbeitgeber, welcher sich aus den Arbeitgeberpflichten im Sinne von

Art. 328 OR ergibt. Für diesen Schaden wird die Betriebshaftpflichtversicherung grund-

sätzlich einstehen müssen, liegen doch keine Deckungseinwände vor. Damit ist aber

noch nicht gesagt, in welcher Höhe die Leistung auszufallen hat. Es stellt sich mit ande-

ren Worten die folgende Frage: Kann der Haftpflichtversicherer eine Kürzung infolge

Grobfahrlässigkeit im Sinne von Art. 14 VVG vornehmen und den Personenversicherer

für den Restbetrag auf das Unternehmen direkt verweisen?

Eine Kürzung kommt entweder aufgrund von Art. 14 Abs. 2 VVG oder im Sinne von

Art. 14 Abs. 3 VVG in Betracht. Letztere Bestimmung berechtigt den Versicherer zur

Leistungskürzung, wenn der Versicherungsfall durch eine Person herbeigeführt wurde,

die selbst nicht Versicherungsnehmer ist, zu diesem Zeitpunkt aber in einer engen fakti-

schen oder rechtlichen Beziehung zum Versicherungsnehmer stand.481 Das Gesetz fasst

den Personenkreis in zwei Personengruppen, nämlich in jene der Hausgenossen und in

jene der Personen, für deren Handlungen der Versicherte einzustehen hat. Diese Aufzäh-

lung ist abschliessend.482 In casu kommt nur die zweite Gruppe in Frage. Aufgrund des

Wortlauts wird für eine Leistungskürzung kumulativ ein schweres Verschulden der

Hilfsperson und des Versicherungsnehmers vorausgesetzt: bei der Hilfsperson in Bezug

auf die Verursachung des Schadens und beim Anspruchsberechtigten hinsichtlich der

Aufnahme, Anstellung oder Beaufsichtigung der Hilfsperson. Demgegenüber hält Art.

480 Auf das Regressprivileg wird ausführlich in § 7 III eingegangen. 481 Vgl. etwa VVG-Hönger/Süsskind, Art. 14 N 24. 482 VVG-Hönger/Süsskind, Art. 14 N 24.

131

14 Abs. 2 VVG eine Leistungskürzungsmöglichkeit für Fälle bereit, in denen der Versi-

cherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte selbst das Ereignis grobfahrlässig her-

beigeführt haben. In der hier zur Diskussion stehenden Ausgangslage handelte aber eine

Hilfsperson des Versicherungsnehmers bzw. Arbeitgebers. Die Handlungen der Hilfs-

person werden gemäss Art. 101 OR dem Arbeitgeber zugerechnet. Herrschende Lehre

und Rechtsprechung gehen davon aus, dass Art. 101 OR eine „blosse“ Zurechnungsnorm

ist und nicht etwa eine eigene Haftungsgrundlage bildet, weshalb das Verhalten des

Gehilfen dem Geschäftsherrn zuzurechnen ist. Dies entspricht der hypothetischen Vor-

werfbarkeit.483

Als Zwischenfazit kann somit festgehalten werden, dass Art. 14 Abs. 2 VVG Handlun-

gen des Versicherungsnehmers oder ihm zugerechnete Handlungen sanktioniert und mit

Art. 14 Abs. 3 VVG Handlungen von Hilfsperson gemeint sind. Aus diesem Grunde ist

die zentrale Frage hier, welche Art von Haftung für Hilfspersonen damit gemeint ist.

Fällt nämlich der Erfüllungsgehilfe gemäss Art. 101 OR nicht unter Art. 14 Abs. 3 VVG,

so muss der Arbeitgeber im Sinne von Art. 14 Abs. 2 VVG eine Kürzung hinnehmen,

wie wenn er die Handlung selbst ausgeführt hätte. Die gleiche Frage stellt sich bei der

juristischen Person, die für das Verhalten ihrer Organe im Sinne von Art. 55 Abs. 2 ZGB

einzustehen hat.

Somit unterscheidet sich Art. 101 OR ganz deutlich von der ausservertraglichen Hilfs-

personenhaftung gemäss Art. 55 OR, welche eine eigene Haftungsnorm ist. Während die

Botschaft des Bundesrates zum VVG484 und die ältere Lehre485 noch Art. 101 OR und

Art. 55 OR unter Art. 14 Abs. 3 VVG subsumierten, plädieren die jüngere Lehre486 und

implizit auch die Rechtsprechung487 dafür, lediglich die ausservertragliche Hilfsperso-

nenhaftung darunter zu zählen und somit die vertragliche Hilfspersonenhaftung unter das

Regime von Art. 14 Abs. 2 VVG zu stellen.

Da in der Regel beide Bestimmungen, also Art. 101 und Art. 55 OR erfüllt sein werden,

kann der Betriebshaftpflichtversicherer einen Grobfahrlässigkeitsabzug durchaus geltend

machen, und zwar unabhängig davon, ob dem Geschäftsherrn selbst betreffend die Auf-

483 Vgl. dazu OR-Wiegand, Art. 101 N 11 ff.; Gauch/Aepli/Stöckli, Art. 101 N 6; Guhl/Koller, § 31 N 33 ff.; Schwenzer, N 23.10; BGE 92 II 19; 113 II 426; 117 II 67; 119 II 338.

484 BBl 1904 I 287. 485 So etwa Roelli/Keller, S. 244 f. 486 Koenig, PVR, S. 297; Keller, Hilfsperson, S. 4, beide m.w.H. hinsichtlich der historischen und teleologi-

schen Auslegung. So aber auch schon Ostertag, Art. 14 N 9. 487 BGE 91 II 234.

132

nahme, die Anstellung oder die Beaufsichtigung der Hilfsperson grobfahrlässiges Han-

deln vorgeworfen werden kann. Es genügt, wenn der Angestellte selbst die elementarsten

Vorsichtsgebote missachtet und dadurch Schaden verursacht hat. Das heisst aber nicht,

dass der Arbeitgeber die Kürzungsfolgen, welche darin liegen, dass er vom Geschädigten

oder von dessen Versicherer für die Differenz in Anspruch genommen wird, selbst tra-

gen muss. Ihm steht vielmehr ein Anspruch aus Art. 321e OR gegenüber dem fehlbaren

Arbeitnehmer zu.

C. Verletzung eines Dritten

Wird durch einen Arbeitnehmer bei der Vertragserfüllung ein Dritter oder gar der Ver-

tragspartner verletzt, so kommt das Regressprivileg nicht zur Anwendung. Vielmehr

liegt hier ein gewöhnliches Haftungsverhältnis vor. So richtet sich auch der Regress des

Unfallversicherers nach den Prinzipien von Art. 72 VVG und Art. 51 Abs. 2 OR.

2. Revision VVG

Im VE-Brehm wird vorgeschlagen, Art. 72 Abs. 1 VVG zu streichen und den Sachversi-

cherer generell der Regresskaskade von Art. 51 Abs. 2 OR unterzuordnen. Dies ist je-

doch lediglich dem Kommentar zum VE-Brehm, jedoch nicht dem Gesetzesentwurf

selbst zu entnehmen.488 Aufgrund der vorhergehenden Ausführungen in dieser Arbeit ist

diese Regelung nicht sachgerecht. Im Übrigen würde dieser Lösung wiederum die Ein-

maligkeit bzw. Einzigartigkeit anhaften, zumal mindestens in den Nachbarländern dem

Schadensversicherer ein integrales Regressrecht zugestanden wird.

Dieser Entwurf entspricht nicht der heute herrschenden Doktrin und Praxis, da an sich

weitgehend Einigkeit darüber besteht, dass die Regresskaskade von Art. 51 Abs. 2 OR

nicht mehr zeitgemäss ist und in keiner Art und Weise der heutigen Rechtsauffassung

entspricht. Weshalb der Geschädigte eine Versicherung für haftpflichtige Dritte ab-

schliessen soll, ist unersichtlich.

488 Brehm, Entwurf, S. 313.

133

§ 11. Regress des Haftpflichtversicherers

I. Allgemeines

Das VVG hält für den Haftpflichtversicherer keine direktanwendbare Regressbestim-

mung bereit. Die herrschende Lehre und das Bundesgericht wenden jedoch die Subroga-

tionsbestimmung von Art. 72 VVG analog an. Dies erlaubt denn auch die „Alter-ego-

Praxis“489, die dem Haftpflichtversicherer dieselbe Regressposition zugesteht, wie sie

seinem Versicherungsnehmer vor der Leistungserbringung zugestanden hat.

Da das VVG dem Geschädigten kein direktes Forderungsrecht gegenüber dem Haft-

pflichtversicherer gewährt, können allfällige Einreden aus dem Versicherungsverhältnis

und eventuelle Grobfahrlässigkeitsabzüge im Sinne von Art. 14 Abs. 2 und 3 VVG di-

rekt dem Geschädigten entgegengehalten werden. Dies lässt viele Regressfälle erst gar

nicht entstehen, es sei denn, der Haftpflichtversicherer erbringe den vollen, ungekürzten

Schadenersatz und beabsichtige, die Differenz, die sich infolge des Abzugs gemäss Art.

14 VVG ergibt, beim Versicherungsnehmer bzw. bei seiner Hilfsperson einzuverlan-

gen.490 Etwas anderes gilt im Falle des direkten Forderungsrechts.491

II. Regress des Motorfahrzeughaftpflicht-Versicherers

1. Ausgangslage

Aufgrund des unmittelbaren Forderungsrechtes des Geschädigten gegenüber dem Motor-

fahrzeugversicherer gemäss Art. 65 Abs. 1 SVG kann der leistende Versicherer allfällige

Kürzungsgründe nicht einredeweise geltend machen. Der Ausgleich wird in einem zwei-

ten Schritt durch das in Art. 65 Abs. 3 SVG eingeräumte Regressrecht geschaffen. Da-

nach hat der Versicherer ein Rückgriffsrecht gegen den Versicherungsnehmer oder den

Versicherten in der Weise, als er zur Ablehnung oder Kürzung seiner Leistung im Sinne

des VVG befugt wäre. Dadurch ist die Bestimmung von Art. 14 VVG angesprochen.

Nach Art. 63 Abs. 2 SVG deckt die Versicherung „die Haftpflicht des Halters und der

Personen, für die er nach diesem Gesetz verantwortlich ist“. Die Verantwortung des

489 Vgl. dazu vorne § 6 II 2 C. 490 Dies ist eine Frage der Regressmöglichkeit freiwillig erbrachter Leistungen, welche bereits vorne in § 7 IV

behandelt wurde. 491 Vgl. etwa Art. 65 Abs. 1 SVG.

134

Halters für den Lenker ergibt sich aus Art. 58 Abs. 4 SVG. Somit ist der Lenker auch

anspruchsberechtigt im Sinne von Art. 14 VVG. Indem in der Motorfahrzeughaftpflicht-

Versicherung neben dem Halter auch die mitwirkenden Hilfspersonen von Gesetzes

wegen mitversichert sind, wird teilweise davon ausgegangen, dass es sich dabei um zwei

Versicherungsverhältnisse handle, wie wenn die Halter- und die Lenkerversicherung in

verschiedenen Verträgen geregelt wären.492 In einem nächsten Schritt werden dann der

Halter und der Lenker in eine Solidargemeinschaft gestellt. Beide, sowohl Halter als

auch Lenker, seien anspruchsberechtigt.493 Somit ist der Lenker zwar nicht Versiche-

rungsnehmer, aber mitversicherte Person und damit Versicherter.494

Hat der Halter den Unfall verursacht, steht dem leistenden Haftpflichtversicherer gemäss

Art. 65 Abs. 3 SVG i.V.m. Art. 14 Abs. 2 VVG ein Rückgriff in der Höhe des Kürzungs-

rechts zu. War hingegen ein berechtigter Dritter Lenker und Unfallverursacher, stellt sich

für den Haftpflichtversicherer die Frage, ob er neben dem Lenker, welcher aus Art. 41

OR haftet, auch auf den Halter, gestützt auf Art. 58 Abs. 4 SVG und Art. 65 Abs. 3

SVG, Regress nehmen kann. Dabei gilt es zwischen grober und leichter Fahrlässigkeit zu

unterscheiden.

2. Lehre und Rechtsprechung

A. Bei grober Fahrlässigkeit

Gemäss Art. 58 Abs. 4 SVG haftet der Halter nicht nur für sein eigenes, sondern auch für

fremdes Verhalten. Darunter ist sowohl das Verhalten des berechtigten Lenkers, der

Hilfsperson als auch jenes des Strolches495 zu zählen. Hier ist einzig die Konstellation

bezüglich des berechtigten Lenkers von Interesse. In diesem Zusammenhang ist nun in

der Doktrin umstritten, ob der Halter auch für das grobfahrlässige Verhalten des berech-

tigten Lenkers regressweise in Anspruch genommen werden kann.

Das Bundesgericht hat mit dem Entscheid BGE 91 II 233 f. der Diskussion an sich ein

Ende gesetzt, indem es den Regress auf den Halter nur zulässt, wenn ihm ein eigenes

492 Vgl. hierzu Maurer, PVR, S. 364; BGE 91 II 233. 493 Vgl. dazu Keller, Hilfsperson, S. 8. 494 Statt vieler: Maurer, PVR, S. 173 f.; VVG-Hönger/Süsskind, Art. 14 N 31, sprechen von einer Doppelstel-

lung des Lenkers. 495 Gemäss Art. 75 SVG. Danach haftet der Halter zwar mit dem Strolch solidarisch. Der Versicherer darf

aber den Halter finanziell nicht belasten, wenn letzteren an der Entwendung keine Schuld trifft (Abs. 3).

135

kausales oder hinsichtlich Auswahl, Instruktion oder Überwachung des Lenkers grob-

fahrlässiges Verschulden vorgeworfen werden muss. Diese Lösung wird von der Lehre

mehrheitlich vertreten.496 Ausgegangen wird dabei von der Annahme des unterschiedli-

chen Versicherungsverhältnisses von Halter und Lenker: „[…] die eine deckt die Haft-

pflicht des Halters und schützt diesen gegen den ihm drohenden Eingriff in sein Vermö-

gen, während die andere die persönliche Pflicht der in Art. 63 Abs. 2 genannten Perso-

nen deckt und in entsprechendem Sinn ihrem Schutze dient.“497 Die stärkste Kritik gegen

diese Argumentation liefert KELLER498. In seiner Analyse zu Art. 14 VVG – wonach

Haftung und Versicherungsdeckung eine funktionelle, strukturelle und auch inhaltliche

Einheit bilden sollen – kommt der Autor zum Schluss, dass es sachgerecht sei, wenn der

Haftpflichtversicherer sowohl gegen den Lenker als auch gegen den Halter die Kür-

zungsgründe regressweise geltend machen könne.499

B. Bei leichter Fahrlässigkeit

Die Ausführungen betreffend Kaskoversicherer können nicht einfach analog herangezo-

gen werden, da bei der Haftpflichtversicherung der Lenker versicherte Person ist. Auf-

grund dessen ist es dem Haftpflichtversicherer im Sinne der zwingenden Bestimmung

von Art. 14 Abs. 4 VVG verwehrt, gegen den Halter als Versicherungsnehmer und eben-

so auf den berechtigten Lenker zu regressieren. Dies gilt selbstverständlich nicht für den

Strolchenfahrer, gegen den in Art. 75 Abs. 2 SVG ein Regressrecht zugunsten des Hal-

ters und seines Haftpflichtversicherers statuiert ist.

3. Stellungnahme

Betrachtet man den Wortlaut von Art. 14 Abs. 1 oder 2 VVG, so entsteht der Eindruck,

der Versicherer könne unabhängig davon, ob der Versicherungsnehmer oder der An-

spruchsberechtigte den Schaden verursacht hat, kürzen. Dies gilt meines Erachtens indes

nur dann, wenn der Anspruchsberechtigte zum Personenkreis von Art. 14 Abs. 3 VVG

496 Oftinger/Stark, II/2, § 26 N 226 f.; Maurer, PVR, S. 364 f.; VVG-Hönger/Süsskind, Art. 14 N 33 m.H. auf die in diesem Sinne anschliessende kantonale Rechtsprechung; a.M. Keller, Hilfsperson, S. 8 ff.; Giger, Art. 58 Ziff. IV.

497 BGE 91 II 233. 498 Keller, Hilfsperson, S. 1 ff., S. 8 ff. 499 Gl.M. etwa Giger, Art. 58 Ziff. IV m.w.H.

136

zählt, zumal die beiden Absätze 1 und 2 gegenüber Abs. 3 lediglich subsidiären Charak-

ter aufweisen. In der Doktrin wird dieser Umstand übersehen, indem beispielsweise

ausgeführt wird, dass Art. 14 Abs. 3 VVG dann zur Anwendung komme, wenn nicht der

Versicherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte, sondern eine Drittperson das be-

fürchtete Ereignis schuldhaft herbeigeführt habe.500 In Abs. 3 wird jedoch nicht von

irgendeinem Dritten gesprochen, sondern ebenfalls vom Anspruchsberechtigten. Dies

lässt den Schluss zu, dass erst dann, wenn die persönlichen Voraussetzungen des An-

spruchsberechtigten im Sinne der Spezialbestimmung von Abs. 3 nicht vorliegen, die

allgemeine Kürzungsbestimmung gemäss Abs. 1 oder 2 angerufen werden kann.

Im Sinne des Vorranges von Art. 14 Abs. 3 VVG verdient die vom Bundesgericht ver-

folgte Lösung eindeutig den Vorzug. Der Haftpflichtversicherer übernimmt das Risiko,

welches aus der Betriebsgefahr eines Motorfahrzeuges und eines allfälligen schuldhaften

Verhaltens des Lenkenden resultiert. Ist dem Lenker eine grobfahrlässige Handlung

vorwerfbar, so steht der Haftpflichtversicherer nicht schlechter da, als wenn der Halter

das Fahrzeug gelenkt hätte, da der aus Art. 41 OR haftende Lenker Regressschuldner

wird. Etwas anderes gilt hingegen dann, wenn der Halter von der regelmässig grobfahr-

lässigen Fahrweise oder der Angetrunkenheit des Lenkers Kenntnis hat und ihm trotz-

dem sein Fahrzeug anvertraut. Diesfalls ist es gerechtfertigt, den Halter mit dem Verhal-

ten des Lenkers regressweise zu belasten. Die Gegenargumente von KELLER sind wenig

überzeugend und basieren im Übrigen auf einer „ergänzenden Auslegung“501, weshalb

sein vorgeschlagenes Ergebnis nicht direkt auf Art. 14 Abs. 3 VVG basiert. Insbesondere

übersieht der Autor, wenn er den Schutz des Versicherers in den Mittelpunkt stellt, dass

der Versicherer nicht schlechter gestellt wird, wenn ihm lediglich ein Regressanspruch

gegen den Lenker zugestanden wird. Vielmehr würde der Haftpflichtversicherer besser

gestellt, wenn anstelle des Halters der Lenker gehandelt hätte, da er diesfalls zwei

Regressaten in Anspruch nehmen könnte. Zudem ist die Verknüpfung der beiden De-

ckungen bezüglich Halter und Lenker unzulässig, was zu einer Vermischung von Versi-

cherungsnehmer und Anspruchsberechtigtem führt. Anspruchsberechtigt ist, wer aus der

Versicherungspolice legitimiert ist, den daraus resultierenden Anspruch durchzuset-

zen.502 Dies ist in aller Regel der Versicherungsnehmer als Vertragspartei.

500 So etwa Maurer, PVR, S. 361. 501 Keller, Hilfsperson, S. 7. 502 Maurer, PVR, S. 175.

137

III. Regelung de lege ferenda

Der VE-Brehm sieht in Art. 53 Abs. 2 vor, dass der Haftpflichtversicherer im Rahmen

seiner Leistungen in die Rechte des Versicherten gegen allfällige Mithaftpflichtige ein-

tritt. Dies entspricht – wie dargelegt – der heutigen, mehrheitlich unangefochtenen

Rechtsprechung des Bundesgerichts. Es wäre bestimmt zu begrüssen, wenn die heutige

„Alter-ego-Praxis“ des Haftpflichtversicherers eine gesetzliche Verankerung erfahren

würde.

§ 12. Besonderheiten des Privatversicherungsregresses

I. Koordinationsklauseln

1. Ausgangslage

Immer wieder wurde der Versuch unternommen, die gesetzliche, als starr empfundene

Regressordnung mittels vertraglicher Koordinationsregeln, häufig kombiniert mit einer

vertraglichen Zession, zu modifizieren. Unter Zuhilfenahme von Subsidiaritäts-, Kom-

plementär- oder Regressausschlussklauseln sollte unter Umständen ein Rückgriff gänz-

lich ausgeschlossen werden. Dabei wird teilweise nicht nur über das Ziel hinausgeschos-

sen, sondern gegen die geltende, teilweise zwingende Rechtsordnung verstossen. Über-

dies können dadurch empfindliche Deckungslücken entstehen.

2. Zession

Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass die gesetzliche Regressordnung immer

dann durch eine vertraglich vereinbarte Zession geändert werden kann, wenn es sich

dabei nicht um zwingendes Recht handelt, welches dadurch umgangen wird.503 Dabei

gilt es jedoch zu bedenken, dass eine Abtretung ex post ins Leere läuft, nachdem der

Anspruchsberechtigte bereits befriedigt wurde, zumal dadurch – zum Zeitpunkt der Leis-

tung – sein Anspruch untergegangen ist.504 Eine Regressvereinbarung ist nach einem Teil

der Lehre nur dann zulässig, wenn die Abmachung zwischen den verschiedenen Ersatz-

503 So schon Oswald, S. 13; Roelli/Jaeger, Art. 72 N 69. 504 Gl.M. Schaer, Grundzüge, N 961.

138

pflichtigen sich auf diese selbst bezieht, nicht aber dann, wenn die Abmachung zwischen

dem Geschädigten und einem Ersatzpflichtigen getroffen wird.505 Dies ist meines Erach-

tens einleuchtend, wäre doch Letzteres ein Vertrag zulasten Dritter im Sinne von Art.

111 OR.

Das Bundesgericht hat im „Gini/Durlemann-Entscheid“ bereits festgehalten, dass die

Regresskaskade von Art. 51 Abs. 2 OR nicht durch eine Abtretung abgeändert oder

umgangen werden könne.506 Dasselbe gilt für Art. 72 Abs. 1 VVG, bei welchem es nicht

zulässig ist, die Subrogation zugunsten des Versicherers auf andere Haftpflichtige aus-

zudehnen.507 Im Sinne der in dieser Arbeit vertretenen Ansicht wäre dies auch nicht

nötig, spricht doch das Spezialgesetz VVG von „unerlaubter Handlung“ und nicht von

einer Verschuldenshaftung.

Damit der Bauwesenversicherer508 nicht als Haftpflichtiger in die mittlere Stufe von Art.

51 Abs. 2 OR subsumiert werden kann, behilft man sich mit folgendem Passus in den

AVB: „Die Bauwesenversicherung hat nicht für Schäden aufzukommen, welche durch

den Haftpflichtversicherer eines am Bau des Werkes Beteiligten getragen werden müs-

sen. Sie leistet jedoch einen Kostenvorschuss. Der Bauherr ist im Umfang des geleisteten

Vorschusses verpflichtet, seine Forderung gegen den Haftpflichtigen abzutreten.“ Das

Kantonsgericht Neuenburg509 hat eine Abtretung im Sinne dieser Klausel gutgeheissen.

In einem nicht publizierten Entscheid hat das Bundesgericht eine gegen dieses Urteil

gerichtete Berufung abgewiesen.510 Diese Zession, welche nach Art. 164 OR gültig zu-

stande gekommen war, hatte jedoch nur deshalb Bestand, weil die vereinbarte Versiche-

rungsleistung nicht als definitive, sondern als vorübergehende Leistung ausgestaltet war.

Somit fehlte es für die unechte Solidarität an der erforderlichen Voraussetzung der Leis-

tungsidentität.

Nach überwiegender Lehre ist die Abtretung des Befreiungsanspruches des Versicherten

an den Geschädigten, welcher ihm aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag zusteht,

505 Oftinger/Stark, I, § 10 N 92. 506 BGE 80 II 252 f.; bestätigt in BGE 119 II 131 f.; so schon BGE 45 II 645. 507 A.M. Rumo-Jungo, Zusammenspiel, S. 622. 508 Gegenstand der Bauwesenversicherung ist die Versicherung von Bauleistungen gegen das Risiko der sog.

Bauunfälle und des Diebstahls neuer Bauteile, die mit dem Bauwerk fest verbunden sind. 509 So im Entscheid des KGer NE, Entschied vom 29. September 1997, in: RJN 1998, S. 76 ff. Vgl. dazu den

Kommentar von Koller, Solidarität, S. 2 ff. 510 Koller, Solidarität, S. 2.

139

nicht ausgeschlossen.511 Das Bundesgericht lässt die Zession des aus der Haftpflichtver-

sicherungspolice garantierten Befreiungsanspruches im Sinne von Art. 164 Abs. 1 OR

zu, auch wenn die Haftpflicht noch nicht rechtskräftig feststeht.512 Im Rahmen der

Rechtsprechung513, wonach auch die Abtretbarkeit künftiger Forderungen bejaht wird,

selbst dann, wenn das Grundverhältnis zum Zeitpunkt der Abtretung noch nicht besteht,

ist meines Erachtens dieser Befreiungsanspruch ohne weiteres abtretbar.

Aufgrund der oben dargelegten Doktrin und Rechtsprechung bleibt nach meinem Dafür-

halten nur ein kleiner Anwendungsbereich für eine rechtsgültige Zession innerhalb des

Regressverhältnisses, zumal gerade die gesetzlich verankerte Regresskaskade nicht um-

gangen werden kann. Eine Abtretung der Ansprüche ist dann sinnvoll, wenn der Versi-

cherer lediglich seine Leistung im Rahmen eines Kostenvorschusses oder im Sinne einer

Kreditfunktion erbringt oder seine Leistung ohne vertragliche bzw. gesetzliche Pflicht

erfolgte. Bei all diesen Fällen kommen – mangels Leistungsidentität – die Subrogations-

und Regressbestimmungen nicht zur Anwendung. Deshalb hat der Versicherer ohne eine

rechtsgültige Abtretungserklärung, welche natürlich den Formvorschriften von Art. 165

Abs. 2 OR unterliegt, keinerlei Regressmöglichkeiten.

3. Subsidiaritäts- und Komplementärklauseln

Von einer Subsidiärdeckung ist immer dann die Rede, wenn eine Versicherungsleistung

lediglich in untergeordneter Weise bestehen soll, also nur dann, wenn nicht noch durch

eine andere Versicherungspolice die gleiche Gefahr bzw. das gleiche Interesse versichert

ist.514 Soll die Leistung einer Versicherungspolice nur eine andere Versicherungsleistung

ergänzen, so spricht man von einer Zusatz- oder Komplementärdeckung.

In den AVB sind häufig Klauseln anzutreffen, die eine Leistungspflicht bzw. die Scha-

densdeckung immer dann ausschliessen, wenn der Versicherte anderweitig Leistungen

erhalten kann. Das BPV steht den Subsidiärklauseln zurückhaltend gegenüber, während

511 Abtretbarkeit bejahend etwa Maurer, PVR, S. 380, 541 f.; a.M. Roelli/Jaeger, Art. 59 N 24. 512 BGE 115 II 264 ff., 266 f. mit Hinweisen auf die kantonale Rechtsprechung, die in dieser Frage nicht

einheitlich ist. 513 BGE 41 II 135; 84 II 363. 514 Maurer, PVR, S. 372 ff., wo auch eine eingehende Auseinandersetzung mit diesen Klauseln erfolgt. Dies

wird in dieser Arbeit nicht aufgegriffen, um nicht den Rahmen zu sprengen.

140

es die Komplementärklauseln grundsätzlich gutheisst.515 Das Bundesgericht bejahte

hingegen unter der Geltung des KUVG die Zulässigkeit von Subsidiärklauseln mit Zes-

sionspflicht.516 Gerade hinsichtlich sog. Assistance-Versicherungen bestehen regelmäs-

sig solche Klauseln, weil in dieser Versicherungsbranche sehr oft Doppelversicherungs-

verhältnisse517 bestehen, welche an sich nach Art. 53 VVG bzw. Art. 71 VVG zu regeln

wären.518 Die AVB verlangen, dass Leistungen nur erbracht werden, wenn der Unfall der

eigenen Notrufzentrale gemeldet wurde und diese die Hilfeleistung auch geregelt hat. Ist

eine solche Praxis haltbar? Gerichtlich wurde diese Angelegenheit bis dato nicht beur-

teilt, weshalb auch diese AVB-Klauseln einer AVB-Kontrolle zu unterziehen sind.519

4. Regressausschlussklausel

Die härteste Art, allfällige Regresse abzuweisen, ist die Deckungsausschlussklausel520.

Die Ausschlussklausel betreffend Regress- und Ausgleichsansprüche wurde bezüglich

der Betriebshaftpflichtversicherung bereits eingehend erörtert.521 Neuerdings sind jedoch

auch vollumfängliche Regressausschlussklauseln in Privathaftpflichtversicherungs-AVB

zu finden, was zu unliebsamen Überraschungen für die Versicherungsnehmer führen

kann, welche sich hinsichtlich sämtlicher möglicher Haftungsansprüche abgesichert

wähnen.522

515 Aus einer nicht veröffentlichten Stellungnahme des BPV vom 12. Januar 1998 geht hervor, dass das Bundesamt den Subsidiärklauseln grundsätzlich ablehnend gegenübersteht, sich jedoch bewusst ist, dass regelmässig AVB solche Klauseln enthalten, da viele Versicherungsprodukte nicht mehr genehmigungs-pflichtig sind. Gegen Komplementärklauseln hat das BPV nichts einzuwenden; vgl. zum Ganzen Maurer, PVR, S. 376 f.

516 Urteil des EVG vom 15. August 1988, in: SGW1988 Nr. 44, S. 4. 517 Vgl. dazu auch vorne § 12 II. 518 Die Doppelversicherungsverhältnisse entstehen in dieser Branche oft deshalb, weil der Versicherungs-

nehmer regelmässig einerseits über die Krankenkasse und andererseits über eine Personen-Assistance oder Rechtsschutzversicherung versichert ist. Dadurch entstehen zwangsläufig Überschneidungen.

519 Vgl. dazu hinten § 13. 520 Vgl. beispielsweise in der Sachversicherung den wohl prominentesten Deckungsausschluss, "fehlerhafte

bauliche Konstruktion". 521 Vgl. vorne § 9 II 3. 522 Auszug einer AVB einer Privatversicherung: „Von der Versicherung ausgeschlossen sind: [...] sämtliche

Regress- und Ausschlussansprüche Dritter, wie insb. von anderen Haftpflichtigen, Versicherern, Arbeitge-bern, Verbänden, Clubs, Stiftungen, Kassen usw. für Leistungen, die sie den Geschädigten ausgerichtet haben [...]“.

141

Aufgrund der nicht unerheblichen Relevanz in der Praxis und der Tatsache, dass bereits

im VE-Brehm die Beibehaltung von Art. 59 VVG propagiert wird,523 drängt sich eine

AGB-Kontrolle dieser Bestimmung geradezu auf. Die Argumentation im VE-Brehm

überzeugt aufgrund der in dieser Arbeit vorgebrachten Erläuterungen in keiner Weise.

Der Sachversicherer soll und darf nach der hier vertretenen Auffassung nur dann belastet

werden, wenn kein haftpflichtiger Dritter belangt werden kann. Im Übrigen übersieht der

VE-Brehm bei der Aussage, die Versicherer würden in der Regel auf leichtfahrlässig

handelnde Arbeitnehmer nicht regressieren, dass dies einzig und alleine von der Politik

und der Kulanz der jeweiligen Gesellschaft abhängig ist. Auch aus einer sehr einschnei-

denden Kürzung des Schadenersatzanspruches können äusserst harte, wenn nicht gar

unbillige Ergebnisse resultieren.

Ohne das Ergebnis der noch folgenden AGB-Kontrolle vorwegnehmen zu wollen, kann

bemerkt werden, dass eine vollumfängliche Regressausschlussklausel gegen Treu und

Glauben verstossen könnte. Zudem kann deren Durchsetzung im Sinne von Art. 2 Abs. 2

ZGB unter Umständen rechtsmissbräuchlich sein.524 Die Klausel richtet sich primär

gegen die Unfallversicherungen, insbesondere gegen die SUVA525, wodurch im Ergebnis

sämtliche Regresse aus Personenschäden abgeblockt werden sollten, dies, obschon eine

Haftpflicht besteht. Darüber hinaus darf der Versicherungsnehmer, wohl zu Recht, davon

ausgehen, dass er durch seine Haftpflichtversicherung auch für solche Risiken Deckung

geniesst. Gerade hinsichtlich der Personenschäden, bei welchen die Unfallversicherer

eine gesetzlich verankerte Vorleistungspflicht trifft, diese im Gegenzug aber per Unfall-

zeitpunkt ein integrales Regressrecht eingeräumt erhalten, wird durch eine solche Aus-

schlussklausel die Haftpflichtversicherung obsolet. Die Praxis zeigt, dass insbesondere

Personenschäden immense Kosten generieren. Ein solcher Regressausschluss ist für

einen Schädiger existenzgefährdend. Dass eine Gerichtspraxis dazu fehlt, liegt einzig

und alleine in der Kulanz der Unfallversicherer, welche nämlich mit nicht unerheblichen

Prozesschancen einen Regressanspruch gegen den Verursacher gerichtlich durchsetzen

könnten.

523 Brehm, Entwurf, S. 310 f. 524 In diesem Sinne auch Läubli, Deckungsausschlüsse, S. 30. 525 Solche und ähnliche Klauseln werden deshalb auch SUVA-Klauseln genannt.

142

II. Mehrfachversicherung

1. Ausgangslage

Unter Doppelversicherung ist gemäss Art. 53 Abs. 1 VVG die Versicherung des glei-

chen Gegenstandes, gegen die gleiche Gefahr, für die gleiche Zeit, oder bei zwei oder

mehreren Versicherern zu verstehen, wobei das Total der Versicherungssummen höher

als der Versicherungswert ist.526 Es müssen also zwei oder mehrere Vollwertversiche-

rungen bestehen, damit von einer Doppelversicherung gesprochen wird. Liegen zwei

Versicherungsverträge auf erstes Risiko vor, so wird von einer sog. uneigentlichen Dop-

pelversicherung oder auch von einer Mehrfachversicherung gesprochen, wobei nach

einem Teil der Doktrin auch diesfalls von einer analogen Anwendung der VVG-Regeln

ausgegangen wird.527 Unter den Versicherern wird bei Beteiligung einer Teilwertversi-

cherung von Mehrfachversicherung und nicht von Doppelversicherung gesprochen.528

Die Mehrfachversicherung ist gesetzlich nicht geregelt. Damit hat sich eine Lösung inter

partes aufgedrängt, was denn unter den SVV-Gesellschaften auch geschehen ist, indem

der SVV Empfehlungen herausgegeben hat.

Liegt eine Doppelversicherung vor, so besteht implizit nach dem Wortlaut von Art. 71

Abs. 1 VVG zwischen den Versicherern keine Solidarität, denn sie schulden aus Vertrag

nur anteilsmässig. Somit ist der reine Doppelversicherungsfall nach VVG streng ge-

nommen gar kein regressrechtliches Thema, da bei der anteilsmässigen Deckung theore-

tisch keine Regresskonstellation entstehen kann. In der Praxis ist es jedoch aus Gründen

der Praktikabilität häufig so, dass der eine Versicherer den Fall reguliert und den nach

Art. 71 VVG übersteigenden Teil vom anderen Versicherer zurückfordert. Der Anspruch

wird sich dabei auf die ungerechtfertigte Bereicherung gemäss Art. 62 ff. OR abstützen.

Des Weiteren gilt es noch zwischen Aussen- und Fremdversicherung zu unterscheiden:

Unter Aussenversicherung versteht man die Deckung für Schäden am Eigentum, welche

ausserhalb des Standortes gemäss Police entstehen. Die Aussendeckung ist regelmässig

als Teilwertversicherung ausgestaltet. Bei der Fremdversicherung werden fremde Perso-

526 Maurer, PVR, S. 403; Koenig, PVR, S. 322. 527 VVG-Boll, Art. 71 N 9; Roelli/Jaeger, Art. 71 N 3. 528 In der Literatur werden teilweise die Begriffe unterschiedlich definiert, so etwa: Hauswirth/Suter, S. 117 f.

143

nen, fremdes Vermögen oder Dritteigentum mit eingeschlossen,529 welche sich in der

Obhut des Versicherungsnehmers der Standortversicherung befinden.

Hat der eine Versicherer mit oder ohne Kenntnis eines Mehrfach- bzw. Doppelversiche-

rungsverhältnisses geleistet, so entsteht unter Umständen ein Rückgriffsverhältnis, wel-

ches jedoch, wie erwähnt, einer gesetzlichen Grundlage entbehrt. Gerade aufgrund der

unterschiedlichen Terminologie und der lediglich rudimentären gesetzlichen Regelung

kann in der Praxis – trotz gewisser Empfehlungen usw. – keine Auffassung als die herr-

schende bezeichnet werden. Die Regeln von Art. 53 und Art. 71 Abs. 1 VVG sind nach

Art. 97 Abs. 1 VVG zwingendes Recht, womit festgehalten werden kann, dass reine

Doppelversicherungsverhältnisse der Vertragsautonomie entzogen sind.

2. Doppelversicherung im Sinne des Gesetzes

Bei der reinen Doppelversicherung wird der Schaden im Sinne der nach Art. 97 Abs. 1

VVG für zwingend erklärten Bestimmung von Art. 71 Abs. 1 VVG im Verhältnis der

Versicherungssummen geteilt. Auch hier gilt das Prinzip des Überentschädigungsver-

bots, wonach selbst bei gutgläubiger Doppelversicherung nicht mehr als der entstandene

Sachschaden vergütet werden soll.530 Die Bestimmung von Art. 71 Abs. 1 VVG ist auf

die Sachversicherung zugeschnitten, weshalb diese lediglich sinngemäss auf die Haft-

pflichtversicherung angewendet werden kann.531

Damit eine Doppelversicherung de jure vorliegt, müssen kumulativ folgende Vorausset-

zungen erfüllt sein: 1. Die Versicherungssummen beider Versicherer zusammen müssen

den Versicherungswert übersteigen. 2. Es muss das gleiche Interesse bzw. das gleiche

Objekt betroffen sein. 3. Die Deckung muss sich auf dieselbe Gefahr beziehen. 4. In

zeitlicher Hinsicht müssen beide Versicherungen während des Schadendatums laufen.

Liegen sämtliche Voraussetzungen vor, so bestimmt das VVG, dass eine „Pro-rata-

Deckung“ erfolgt; d.h., jeder Versicherer leistet in dem Verhältnis für den Schaden, in

dem seine Versicherungssumme zur gesamten Versicherungssumme beider Versiche-

rungen steht. Jeder Versicherer leistet demnach seine Quote an den Geschädigten und

nicht etwa das Ganze und nimmt für die auf den anderen Versicherer entfallende Quote

529 Maurer, PVR, S. 313. 530 Koenig, PVR, S. 326. In diesem Zusammenhang unterscheidet der Autor zwischen bösgläubiger und

gutgläubiger Doppelversicherung. In der vorliegenden Arbeit wird auf diese Unterscheidung verzichtet. 531 Maurer, PVR, S. 407.

144

Regress. Dies ist deshalb so, weil nach schweizerischem Recht nach Art. 71 VVG kein

Regressrecht unter den Versicherern besteht.532 Bestehen zwei Versicherungsverträge für

denselben Haftpflichtfall, so wird nicht auf die Versicherungssumme im Sinne von Art.

71 VVG abgestellt, sondern auf die Leistung, die der Haftpflichtversicherer im Versiche-

rungsfall zu erbringen hätte, wenn keine andere Haftpflichtversicherung daneben beste-

hen würde.533 Dies führe zur hälftigen Teilung des Schadens.534

Diese Lösung ist nicht kundenfreundlich, muss der Geschädigte doch bei zwei Versiche-

rern um Leistung ersuchen. Zudem besteht dadurch eher das Risiko der Überentschädi-

gung. Um dies zu verhindern, müssen sich die beiden Versicherungsgesellschaften oh-

nehin absprechen, zumal in der Praxis die Schadensberechnung meistens nicht mathema-

tisch exakt erfolgen kann (Amortisation, Neuwert usw.). Reguliert eine Gesellschaft den

Schaden vorab, kommt lediglich ein originäres Regressrecht in Frage, ist doch die Le-

galzession im Spezialgesetz nirgends erwähnt. Damit ist aber auch konkludent gesagt,

dass der Anspruch des Versicherungsnehmers gegenüber der nicht leistenden Versiche-

rung nicht auf die leistende Versicherung übergeht. Für die Konstruktion eines Regress-

anspruches käme unter anderem die Anwendung der Art. 143 ff. OR in Frage. Gegen

diese Anwendung spricht primär, dass die beiden Versicherer nicht solidarisch haften,

sondern dass beide unabhängig voneinander eine vertragliche Leistungspflicht inneha-

ben. Somit scheidet eine direkte Anwendung aus. Aber aufgrund der ratio legis der Be-

stimmungen der Art. 143 ff. OR, die nämlich darin besteht, allgemeine Regeln betref-

fend „gemeinsames Zusammenstehen für eine Schuld“ aufzustellen, ist es meines Erach-

tens legitim, diese Regeln per analogiam trotzdem heranzuziehen, zumal durch Art. 71

VVG eben ein besonderes Verhältnis unter den Versicherern geschaffen wird.535 Ge-

stützt auf diese Auslegung wäre Art. 148 OR heranzuziehen, wo das Rechtsverhältnis

unter den Solidarschuldnern geregelt wird. Diesfalls käme nicht eine hälftige Teilung in

Betracht, sondern die Aufteilung aus dem Rechtsverhältnis im Sinne von Art. 71 VVG.

Für den geleisteten Mehrbetrag gewährt Art. 148 Abs. 2 OR ein Rückgriffsrecht. Diese

dargelegte Lösung ist meines Erachtens sachlich gerechtfertigt und entspricht auch der

Teleologie der Doppelversicherung, welche ja in keiner Art und Weise von einer Tren-

nung der beteiligten Versicherungen spricht und auch keine solche beabsichtigt.

532 Koenig, PVR, S. 327; vgl. auch vorne § 12 II 1. 533 Maurer, PVR, S. 407; Schiedsgericht H. Oswald vom 13. Januar 1981, in: SGW 1981 Nr. 1, S. 24 f. 534 Schiedsgericht H. Oswald vom 13. Januar 1981, in: SGW 1981 Nr. 1, S. 25. 535 Einer analogen Auslegung von Art. 71 Abs. 1 VVG widerspricht meines Erachtens auch nicht der zwin-

gende Charakter dieser Bestimmung, da im Ergebnis nicht von der gesetzgeberischen Lösung abgewichen wird; ähnlich auch VVG-Graber, Art. 72 N 17.

145

Eine Frage gilt es jedoch so oder anders zu klären, und zwar jene der Selbstbehalte.

Beide Versicherer vereinbaren regelmässig einen Selbstbehalt. Würden nun beide Versi-

cherer unabhängig voneinander ihren vertraglich vereinbarten Selbstbehalt dem Kunden

gegenüber in Abzug bringen, so würde der geschädigte Versicherungsnehmer schlechter

gestellt, als wenn er keine Doppelversicherung abgeschlossen hätte. Es fällt bei der

Durchsicht der Literatur auf, dass dieses Problem bis dato nicht erörtert wurde. Umso

mehr drängt sich hier eine Darstellung bzw. ein Lösungsvorschlag auf. Der Versiche-

rungsnehmer bezahlt eine doppelte Prämie zur Abdeckung eines bestimmten Risikos.

Tritt dieses versicherte Risiko ein, so profitieren die beteiligten Versicherer, welche nur

anteilsmässig ihre Leistungen erbringen müssen, obschon sie Prämien für den Fall einer

vollen Leistung erhalten haben. Dies gilt es grundsätzlich zu akzeptieren, zumal die

Regelung des VVG diesen Vorteil konkludent billigt. Aufgrund dieses Resultats ist es

aber richtig, den Versicherungsnehmer wenigstens im Rahmen des Selbstbehaltes profi-

tieren zu lassen, und zwar so, dass er in einem Doppelversicherungsfall keine Selbstbe-

halte zu tragen hat. Den Ausfall des vereinbarten Selbstbehaltes hat jede Gesellschaft,

unabhängig von der anderen, selbst zu übernehmen.

3. Mehrfachversicherung im Sinne des SVV

A. Mehrfachversicherung

i. Allgemeines

Bevor die Regelungen des SVV erörtert werden, gilt es nochmals daran zu erinnern, dass

ein Handlungsspielraum lediglich ausserhalb der eigentlichen Doppelversicherungen

besteht. Also dann, wenn mindestens eine Teilwertversicherung beteiligt ist.

Ist ein Versicherungsnehmer am Mehrfachversicherungsverhältnis beteiligt, so kommt

die Empfehlung des SVV Nr. 2.02.02 zur Anwendung. Sind mehrere Versicherungs-

nehmer involviert, so wird die Empfehlung des SVV Nr. 2.02.01 tangiert. Dies gilt es im

Folgenden zu analysieren.

146

ii. Gleiches Rechtssubjekt

Nach der Empfehlung Nr. 2.02.02536 ist der Schaden wie folgt aufzuteilen: „Jeder Versi-

cherer bezahlt vorweg die Hälfte des Betrages, den er ohne Vorhandensein einer mehrfa-

chen Versicherung zu leisten hätte. Der ungedeckt bleibende Restbetrag wird anschlies-

send von den beteiligten Versicherern zu gleichen Teilen übernommen.“537 Dabei wird

stillschweigend davon ausgegangen, dass der Teilwertversicherer nicht mehr leisten

muss, als er vertraglich zugesichert hat. Denn liegt der Schaden etwas höher als der im

Beispiel der SVV-Empfehlung aufgeführte, so wird der versicherte Teilwert leicht über-

stiegen. Diesfalls wird meines Erachtens keine den versicherten Teilwert übersteigende

Leistung verlangt werden dürfen, auch wenn die Empfehlung sich dazu in keiner Weise

äussert.

Betreffend den Selbstbehalt fällt die Entlastung des Versicherungsnehmers auf, indem er

im Ergebnis keinen solchen zu tragen hat. Dies ist aus denselben Gründen wie bei der

Doppelversicherung sachgerecht, zahlt doch der Versicherungsnehmer zu viel Prämie.

Davon sollen nicht nur die Versicherer profitieren.

iii. Ungleiches Rechtssubjekt

Folgendes Beispiel soll der Verdeutlichung dienen:

Ein Hotelgast G übernachtet bei Hotelier H. G ist bei der X hausratversichert, und H

hat bei der Betriebsversicherung, welche er bei Y abgeschlossen hat, auch Gästeef-

fekte in die Deckung miteingeschlossen. Während des Aufenthaltes von G wird in

sein Zimmer eingebrochen. Dabei wird ihm eine Fotokamera gestohlen. Welche

Versicherungsgesellschaft muss den Schaden übernehmen?

Sind zwei Rechtssubjekte im Spiel, kommt die SVV-Empfehlung Fremd- vor Aussen-

versicherung538 zur Anwendung. Nach den Ausführungen des SVV gilt dies jedoch nur

536 SVV-Empfehlung Nr. 2.02.02 vom 1. Januar 1997. 537 Vgl. dazu das Beispiel in der Empfehlung 2.02.02 im Anhang. 538 SVV-Empfehlung Nr. 2.02.01 vom 1. Januar 1997.

147

dann, wenn es sich um eine Doppelversicherung handelt, also zwei Vollwertversiche-

rungen tangiert werden. Diese Einschränkung auf Vollwertversicherungen kann nicht

gewollt sein, zumal dies contra legem wäre, ist doch Art. 71 Abs. 1 VVG gemäss Art. 97

Abs. 1 VVG zwingender Natur. Vielmehr ist die Anwendung dieser Empfehlung auf

Teilwertversicherungen beschränkt.

Kommt die Empfehlung Nr. 2.02.01 zur Anwendung, so gilt die Regel, dass zulasten der

Standortpolice zu 100% zu entschädigen ist, d.h. mit anderen Worten, dass die Fremd-

versicherung grundsätzlich zu belasten ist. Eine Einschränkung gilt dann, wenn die rest-

liche Versicherungssumme der Standortpolice noch genügend Deckung aufweist. Die

ratio legis liegt darin, dass diese Regel nicht zu einer Benachteiligung des Fremdversi-

cherungsnehmers (H) führen soll. Sofern also die Ansprüche der Dritteigentümer (G)

zunächst über deren Aussenversicherungsdeckung abgewickelt werden, da sie ja grund-

sätzlich einen Deckungsanspruch aus ihrer eigenen Police besitzen, so hat der Standort-

versicherer die volle Deckung zu übernehmen. Auf das obige Beispiel angewendet be-

deutet dies, dass G den Schaden über die Y abwickeln kann, sofern die versicherte

Summe für den Gesamtschaden ausreicht.

Eine Ausnahme wird lediglich bei Motorfahrzeugen gemacht, bei welchen die Aussen-

deckung – welche bei der Teilkasko enthalten ist – der Fremdversicherung vorgeht. Ein

solcher Fall kann sich beispielsweise bei einem Fahrzeug ereignen, das, während es in

der Obhut des Garagisten ist, aus dessen Räumlichkeiten gestohlen wird. Diesfalls hat

also die Teilkaskoversicherung den Diebstahlsschaden letztlich zu übernehmen. Weshalb

bei Motorfahrzeugen gerade die umgekehrte Regelung gewählt wurde, bleibt ungeklärt

und lässt sich offenbar auch nicht beantworten. Die Teilkaskoversicherung kann versu-

chen, auf den Garagisten gemäss Art. 72 Abs. 1 VVG zu regressieren, wenn es gelingt,

Letzterem eine vertragliche Sorgfaltspflichtverletzung zu beweisen.

In der Praxis wird intensiv darüber diskutiert, was unter dem Begriff „Standortversiche-

rer“ zu verstehen ist: Entgegen einer gelegentlich vertretenen Ansicht ist im Rahmen der

Fremdversicherung unter Standortversicherung auch die Aussendeckung zu subsumie-

ren. Das Ergebnis ist sehr entscheidend, denn bei der gegenteiligen Auffassung liegt eine

gewöhnliche Mehrfach- oder Doppelversicherung vor, welche nach der Empfehlung Nr.

2.02.02 oder nach Art. 71 Abs. 1 VVG zu teilen wäre, während sonst die Empfehlung

Nr. 2.02.01 zur Anwendung gelangt, mit dem Resultat einer 100%igen Leistungspflicht

der Fremdversicherung. Meines Erachtens darf der Ausdruck „Standortversicherer“ nicht

alleine gemäss dem Wortlaut ausgelegt werden, vielmehr ist nach der Teleologie zu

148

fragen. Sinn und Zweck der primären Regulierung über den Fremdversicherer liegen

darin, dass der Versicherungsnehmer seine Police beanspruchen soll, welche den Sach-

gewahrsam innehat und den Nutzen der Sache realisieren kann. Somit ist der Begriff

„Standortversicherer“ extensiv auszulegen, so dass auch die Aussendeckung darunter

fällt. Zudem wäre es nicht korrekt, wenn die Empfehlung Nr. 2.02.02 auch bei Beteili-

gung zweier Rechtssubjekte zur Anwendung käme, mit dem Ergebnis, dass beide Versi-

cherungsnehmer keinen Selbstbehalt zu tragen hätten.

4. Stellungnahme

Wie aus den vorhergehenden Darlegungen resultiert, sind die Doppel- bzw. die Mehr-

fachversicherungsverhältnisse sehr komplex und verwirrend. Viele Diskussionen könn-

ten im Keim erstickt werden, würde man sämtliche Mehrfachversicherungsverhältnisse,

unabhängig einer Voll- oder Teilwertversicherung, unter einer Bestimmung regeln.

Dabei wäre die Lösung des heutigen Art. 71 VVG an sich richtig, wenn in der Praxis

auch etwas schwerfällig zu handhaben. Um jedoch extreme Missverhältnisse zu vermei-

den, welche durch unterschiedliche Versicherungssummen entstehen könnten, ist an der

quotalen Aufteilung auch de lege ferenda festzuhalten. In einem zweiten Teil ist hinge-

gen ein Regressrecht für jene Versicherung zu gewähren, welche den Schaden vorab

reguliert und dabei im Ergebnis zu viel geleistet hat. Die vertraglich vorgesehenen

Selbstbehalte sind meines Erachtens bei sämtlichen Mehrfachversicherungskonstellatio-

nen ausser Acht zu lassen, zumal der Versicherungsnehmer durch die mehrfache Versi-

cherung ja auch weit mehr Prämien bezahlt hat, als an sich für die Abdeckung seiner

Risikos nötig gewesen wäre. Der Versicherer leistet somit im Ergebnis seine proportio-

nale Quote, welche aufgrund der beiden Versicherungssummen bestimmt wird, aber

ohne Abzug des Selbstbehaltes.

III. Verjährung von Regressforderungen

1. Ausgangslage

Das vor allem im Versicherungsregress resultierende Nebeneinander von subrogierter

Forderung, im Sinne von Art. 72 Abs. 1 VVG, und dem Ausgleichsanspruch im Sinne

von Art. 51 Abs. 2 OR wurde vorne aufgezeigt. Die Wirkungen und die zum Teil

149

nachteiligen Konsequenzen dieser komplexen Regresssystematik de lege lata schlagen

sich auch im Verjährungsrecht nieder. Diese Problematik ist Gegenstand des vorliegen-

den Abschnitts.

Beim Regress auf der Grundlage der Subrogation ist die Rechtslage unbestritten: Die

subrogierende Forderung des Geschädigten gegenüber dem Schädiger trägt dasselbe

Schicksal wie der Direktanspruch, von welchem sie abgeleitet wird, weshalb im Zeit-

punkt der Legalzession die Verjährungsfrist bereits schon zu laufen begonnen hat.539

Demgegenüber kann beim originären Ausgleichsanspruch die Frist erst dann zu laufen

beginnen, wenn die Forderung überhaupt entstanden ist. Dennoch gilt es festzuhalten,

dass das geltende Recht die Verjährung des Ausgleichsanspruches nicht durch eine all-

gemeine Bestimmung regelt. Deshalb wäre eine starre Übernahme dieser Ausgangslage

etwas gewagt, und die Gefahr von ungerechten Härtefällen wäre gross, zumal sich Haft-

pflichtige dadurch noch nach Jahren über die eigene Verjährungsfrist hinaus mit Aus-

gleichsansprüchen konfrontiert sähen.

Eine Lösung ist in den Spezialgesetzen Art. 83 Abs. 3 SVG und Art. 39 Abs. 3 RLG

vorgesehen. Danach verjährt der Rückgriff innert zwei Jahren ab dem Tag, an dem die

Leistung voll erbracht wurde und die haftpflichtige Person bekannt war.

2. Lehre und Rechtsprechung

A. Subrogation im Sinne von Art. 149 Abs. 1 OR

Der Fristenlauf des subrogierten Anspruches des Geschädigten beginnt nach den Regeln

des Art. 60 OR, also mit Erlangung der Kenntnis über Schaden und Schädiger, wenn es

sich um einen ausservertraglichen Anspruch handelt. Dabei ist auch die unter Umständen

längere strafrechtliche Verjährungsfrist auf die subrogierende Forderung anwendbar. Ist

der Anspruch vertraglicher Natur, so richtet sich die Verjährung nach den allgemeinen

Verjährungsregeln des OR.

539 Statt vieler: Roberto, Haftpflichtrecht, N 575; Oftinger/Stark, I, § 11 N 161; a.M. offenbar Rumo-Jungo, Haftpflicht, N 957; Rumo-Jungo, Subrogation, S. 416 f., wonach die Verjährung erst bei erfolgter Subro-gation zu laufen beginne. Leider ist nicht ersichtlich, worauf sich die Autorin tatsächlich abstützt, zumal der Verweis auf Oftinger/Stark, I, § 11 N 161, nicht korrekt ist.

150

B. Ausgleichsanspruch im Sinne von Art. 51 Abs. 2 OR

Hier beginnt die Verjährungsfrist zu dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Rückgriffsbe-

rechtigte seine Leistung an den Geschädigten erbringt,540 da erst dadurch ein Ausgleich

unter den Solidarschuldnern erforderlich wird. Dabei wird von einem Teil der Lehre die

Verjährung des Bereicherungsrechts analog herangezogen, also Art. 67 OR. Dies führt

zu einer relativen Frist von einem Jahr und einer absoluten Frist von zehn Jahren.541 Ein

anderer Teil der Lehre verficht die Ansicht, dass sich die Dauer der Verjährung nach

dem Anspruch richtet, den der Geschädigte gegen den haftpflichtigen Dritten besass.542

Eine herrschende Lehre hat sich bis dato nicht abgezeichnet.

Das Bundesgericht jedoch hat entschieden, dass das Rückgriffsrecht erst zu dem Zeit-

punkt entsteht, in dem die haftpflichtige Person das Opfer entschädigt hat.543 Somit ist es

grundsätzlich möglich, dass ein Solidarschuldner zwar im Aussenverhältnis vom Ge-

schädigten nicht mehr belangt werden kann, aber im Innenverhältnis durchaus noch mit

einer Regressforderung zu rechnen hat. Obschon das Bundesgericht diesen originären

Ausgleichsanspruch als selbständiges Recht anerkennt und somit der Fristenlauf an sich

erst mit der Zahlung der Ersatzpflicht an den Geschädigten beginnt, versagt es dem Re-

gressberechtigten unter gewissen Umständen die Durchsetzung eines solchen Aus-

gleichsanspruches. Dies gilt dann, wenn der Regressberechtigte von der Möglichkeit auf

einen anderen Haftpflichtigen zurückzugreifen, was mittels Streitverkündung möglich

wäre, rechtzeitig Kenntnis erhalten, aber dennoch nichts unternommen hat.544

Somit übernimmt das Bundesgericht den von der Lehre vorgeschlagenen Analogie-

schluss, baut hingegen zugleich eine Rechtsmissbrauchsschranke im Sinne von Art. 2

Abs. 2 ZGB ein, indem es das zu lange Zuwarten mit der Erhebung eines Anspruches als

eine rechtsmissbräuchliche Verzögerung betrachtet. Voraussetzung ist, dass der Re-

gressberechtigte von der Möglichkeit, auf einen anderen Haftpflichtigen zurückzugrei-

fen, rechtzeitig Kenntnis erhält, aber dennoch untätig bleibt und dadurch die Position des

anderen Haftpflichtigen grundlos verschlechtert. Das Bundesgericht schlägt als geeignete

Massnahme etwa die Streitverkündung vor. Dadurch erhält der Regressat die Möglich-

540 Siehe dazu BK-Brehm, Art. 51 N 141. 541 Vgl. etwa BK-Brehm, Art. 51 N 143; kritisch zur analogen Anwendung Rey, N 1723. 542 Oswald, S. 12; Oftinger/Stark, II/1, § 16 N 389. 543 BGE 115 II 48 ff. 544 BGE 115 II 49; bestätigt in BGE 127 III 266 f. Zum letzteren Entscheid vgl. auch Fellmann, Verjährung,

S. 113. ff. Vgl. dazu auch die Ausführungen im Kap. IV.

151

keit, beispielsweise als Nebenintervenient, oder gar als Hauptpartei, in den Prozess ein-

zutreten, um so seine Interessen und Rechte umfassend zu wahren.

Im gleichen Entscheid wurde hingegen die nicht unerhebliche Frage offen gelassen, wie

die Rechtslage aussieht, wenn der Regressberechtigte vor der Verjährung konkurrieren-

der Forderungen des Geschädigten gegen andere Mitschuldner keinerlei Veranlassung

hatte, seinen Ausgleichsanspruch zu erheben, weil er von der Rückgriffsmöglichkeit

keine Kenntnis erlangt hat. Immerhin verrät das Bundesgericht de fine so viel, dass dies-

falls kein treuwidriges Verhalten vorgehalten werden könne. Ob daraus geschlossen

werden kann, dass die Verjährungseinrede diesfalls nicht gehört würde, ist meines Er-

achtens fraglich.545

IV. Verrechnung von Regressforderungen

1. Ausgangslage

Unter den Versicherungsgesellschaften kommt die Frage der Verrechnungsmöglichkeit

von gegenseitigen Regressforderungen im Sinne von Art. 120 ff. OR auf. Dadurch könn-

te unter Umständen „elegant“ eine eigene Schuld durch Preisgabe einer gleichartigen

Gegenforderung kompensiert werden.546

Damit eine Forderung verrechnet werden kann, müssen kumulativ folgende Vorausset-

zungen erfüllt sein: 1. Gegenseitigkeit der Forderung, 2. Durchsetzbarkeit (Fälligkeit und

Klagbarkeit) der Verrechnungsforderung, 3. Erfüllbarkeit der Hauptforderung und 4.

Gleichartigkeit der Leistungen. Ohne in dieser Arbeit auf Einzelheiten eingehen zu kön-

nen, kann hier festgehalten werden, dass gerade betreffend Regressforderungen die Vor-

raussetzungen regelmässig erfüllt sein dürften, zumal es sich stets um Geldforderungen

handelt, welche praktisch immer erfüllbar und ebenso auch gegenseitig und gleichartig

sind. Die Konnexität ist nach herrschender Lehre und Rechtsprechung kein Erfordernis

der Verrechnung.547

545 So jedoch Fellmann, Verjährung, S. 119. 546 Grundlegend zur Verrechnung vgl. etwa Bucher, S. 428 ff. 547 Statt vieler: Guhl/Koller, § 37 N 15; Schwenzer, N 77.11; BGE 91 II 213 ff.; 63 II 133.

152

2. Versicherungsrechtliche Sicht

An sich wäre auch unter den Versicherern die gegenseitige Verrechnung von Forderun-

gen möglich. Nun existiert unter den dem SVV angeschlossenen Gesellschaften ein

Regresskodex548. Darunter zählt unter anderem auch ein Verrechnungsverbot, das be-

stimmt, dass jeder „Einzelfall individuell beurteilt und erledigt“ wird. Dieses Verbot

basiert auf der Überlegung, dass ohne dieses Verbot der Willkür jedes Bearbeiters Tür

und Tor geöffnet wäre, zumal ja auch strittige Forderungen verrechnet werden könnten.

Das Verrechnungsrecht ist gemäss Art. 126 OR dispositives Recht, weshalb ein solches

Verrechnungsverbot durch Parteivereinbarung durchaus möglich ist. Ebenso hat es sich

auch in der Praxis bewährt.

3. Stellungnahme

Das Verrechnungsverbot unter den SVV-Gesellschaften hat unbestreitbar den Vorteil der

Einzelfalllösung. Dennoch darf nicht übersehen werden, dass in der Praxis dieses Ver-

rechnungsverbot in gewisser Weise auch missbraucht werden kann, indem es der

Regressat ausnützt und zudem damit rechnet, dass die andere Versicherungsgesellschaft

nicht vorschnell gegen ihn Klage beim Gericht erhebt. Auf die Nichtklageerhebung kann

teilweise vertraut werden, da es Usanz ist, vorab in Vergleichsverhandlungen549, bei

welchen mehrere strittige Fälle zusammengenommen werden, eine Lösung zu finden.

Erst wenn auch dieser Vergleichsversuch gescheitert ist, steht gewissermassen der Weg

ans Gericht offen. Diese Umstände verhindern oftmals eine sachliche und effiziente

Regressbearbeitung.

Dennoch ist meines Erachtens am Verrechnungsverbot grundsätzlich festzuhalten, um

eben nicht der Willkür freien Lauf zu gewähren. Eine Ausnahme könnte man etwa dann

vorsehen, wenn eine Forderung durch eine Hinhaltetaktik des Regressaten, welche gegen

Art. 2 ZGB verstösst, verjährt ist, aber eben im Sinne von Art. 120 Abs. 3 OR noch mit

einer Gegenforderung verrechenbar wäre.

548 Vgl. Anhang. 549 Sog. Direktionsregressbesprechungen.

153

§ 13. Gültigkeit von Versicherungsklauseln

I. Allgemeines

Es wurde bereits mehrfach auf die in der Versicherungswirtschaft verwendete umfang-

reiche AVB-Praxis hingewiesen.550 Versicherungsverträge wären ohne Standardisierung

kaum denkbar. Die Versicherer sind zum einen darauf angewiesen, das zu übernehmende

Risiko möglichst eingrenzen und auch kalkulieren zu können. Zum anderen drängt sich

aus ökonomischen Gesichtspunkten auf, diesen doch komplexen Vertragsinhalt zu stan-

dardisieren. Es darf aber nicht übersehen werden, dass durch den Beizug von AVB eine

Risikoverlagerung bewirkt werden kann.551 Überdies versteht sich von selbst, dass die

einzelnen Policen nicht ausgehandelt werden können und damit der Deckungsumfang

grundsätzlich nicht zur Disposition steht. Über die Jahre sind indes nicht nur komplexe

und teilweise schwer verständliche AVB-Werke entwickelt worden, sondern es haben

sich in gewissen Bereichen auch Deckungslücken und heikle Ausschlüsse eingeschli-

chen.552

Für das Versicherungsvertragsrecht sieht Art. 33 VVG eine Unklarheitsregel vor. Nach

überwiegender Auffassung bezieht sich diese Norm ausschliesslich auf die Anwendung

von gefahrenbeschränkenden Abreden, also auf Ausschlussbestimmungen.553 Im allge-

meinen AGB-Recht hat die Rechtsprechung aus dem Vertrauensprinzip eine allgemein-

gültige Unklarheitsregel abgeleitet554 und auch auf Versicherungsverträge angewendet,

weshalb die Unterscheidung zur Makulatur wird.555 Im Gegensatz zu den meisten euro-

päischen Ländern verfügt die Schweiz bis heute über kein eigenes AGB-Gesetz. Einzig

in Art. 8 UWG wird eine entsprechende Lösung für die Inhaltskontrolle bereitgehalten.

Wie noch zu zeigen sein wird, handelt es sich dabei um eine nicht griffige Bestimmung.

Im Folgenden geht es darum, die allgemeinen, von Lehre und Rechtsprechung entwi-

ckelten Grundsätze der allgemeinen AGB-Kontrolle darzulegen. Da es nicht primär ein

Regressproblem darstellt, wird lediglich summarisch darauf eingegangen.556 In einem

550 Vgl. vorne § 9 II 2; § 12 I. 551 Zum Ganzen statt vieler: VVG-Fuhrer, Art. 33 N 1 ff. m.H. auf die historische Entwicklung. 552 Vgl. vorne § 12 I. 553 Roelli/Keller, S. 457; Koenig, PVR, S. 169 554 So etwa BGE 115 II 268 ff. 555 Gl.M. etwa VVG-Fuhrer, Art. 33 N 19 ff. 556 Für eine vertiefte Auseinandersetzung hinsichtlich dieser Problematik, auf Versicherungsverträge bezogen,

vgl. insb. VVG-Fuhrer, Art. 33 N 1 ff.

154

zweiten Schritt werden die vorne behandelten AVB-Klauseln dieser Kontrolle unterzo-

gen.

II. Umfang der AVB-Kontrolle

1. Allgemeines

A. Vorab: Genehmigungspflicht gemäss VAG

Die AVB unterstehen der Genehmigungspflicht des BPV. Dies ergibt sich aus dem

Zweck des VAG, insbesondere aus Art. 17 VAG, wonach das BPV die Geschäftstätig-

keit hinsichtlich Beachtung des schweizerischen Rechts überwacht.557 Artikel 9 VAG ist

so zu verstehen, dass die Genehmigung nur dann versagt werden kann, wenn die AVB

gegen zwingendes Recht verstossen. Die einmal erfolgte Genehmigung der AVB bedeu-

tet jedoch nicht, dass diese in einem Zivilprozess nicht anfechtbar bzw. mittels einer

AGB-Kontrolle überprüfbar wäre.

B. Geltungskontrolle

Mit der Geltungskontrolle wird der Vertragsinhalt ermittelt. Dabei wird zweistufig vor-

gegangen: In einer ersten Stufe wird geprüft, ob die AVB als Ganzes rechtsgültiger Be-

standteil des Einzelvertrages wurden. Ist dies zu bejahen, wird in einer zweiten Stufe

abgeklärt, ob die einzelnen Klauseln der AVB Gültigkeit erlangen.

AVB werden, aufgrund des regelmässig vorliegenden faktischen Machtgefälles zwischen

den Parteien, meistens global übernommen und vorab vom Versicherungsnehmer nicht

gelesen. Für die Konsensbildung ist auf jeden Fall wichtig, vor oder bei Vertragsschluss

explizit auf den Beizug der AVB hinzuweisen. Dies entspricht der Globalübernahme.558

Diese stillschweigende Übernahme von AGB wird – unter Berücksichtigung des Ver-

557 Koenig, PVR, S. 26. 558 BGE 108 II 418 E. 1b. Von der Globalübernahme wird die sog. Vollübernahme unterschieden, bei welcher

die Vertragspartner die AGB in voller Kenntnis über Inhalt und Tragweite übernehmen. Insbesondere bei Versicherungsverträgen bildet die Globalübernahme die Regel, da der Versicherungsnehmer in der Regel die AVB beim ersten Durchlesen kaum vollumfänglich verstehen kann. Im Schadensfall wird er kein Inte-resse daran haben, mit einem Dissens den Vertrag zu Fall zu bringen und überhaupt keine Deckung zu ge-niessen; vgl. dazu auch VVG-Fuhrer, Art. 33 N 47.

155

trauensprinzips – von Lehre und Rechtsprechung zugelassen.559 Somit wird auch Unge-

lesenes in einem Vertrag grundsätzlich vom normativen Konsens erfasst.

Ist festgestellt, dass die AVB integrierender Bestandteil des vorliegenden Versiche-

rungsvertrages bilden, sind die einzelnen Klauseln danach zu prüfen, ob sie dem Ver-

trauensprinzip Genüge tun. Dies erfolgt anhand der vom Bundesgericht entwickelten

Ungewöhnlichkeitsregel. Diese besagt, dass alle ungewöhnlichen Klauseln von der glo-

balen Zustimmung zu AGB herauszunehmen sind, auf deren Vorhandensein die schwä-

chere oder weniger geschäftserfahrene Partei nicht besonders aufmerksam gemacht wor-

den ist.560 Dies hat in der Praxis dazu geführt, dass potenziell kritische oder in ihrer

Auswirkung einschneidende Klauseln mittels Fettschrift hervorgehoben werden. Damit

erübrigt sich häufig die Auseinandersetzung darüber, ob nun die Klausel ungewöhnlich

ist, denn durch die Hervorhebung ist die fragliche Bestimmung ohne weiteres zunächst

einmal Vertragsinhalt geworden.

C. Auslegungskontrolle

Da der Globalübernahme regelmässig bloss ein normativer Konsens zugrunde liegt, ist

damit noch nicht gesagt, dass sich die Parteien über den Inhalt der Klausel einig sind

bzw. diesen auch so gewollt haben. Dazu sind die AVB-Bestimmungen zunächst nach

den Grundsätzen der allgemeinen Vertragsauslegung zu prüfen, wodurch der wirkliche

Parteiwille erforscht wird.561 In Zweifelsfällen wird, und zwar in subsidiärer Weise, die

Unklarheitsregel (in dubio contra stipulatorem) zur Anwendung gebracht. Danach gehen

Unklarheiten zulasten des Aufstellers von AGB.562 Das Bundesgericht präzisiert diese

Regel dahin, dass die Unklarheitsregel erst dann Platz greife, wenn nach umfassender

Auslegung, unter Berücksichtigung von Treu und Glauben, die Unklarheit noch immer

besteht.563 Die Unklarheitsregel von Art. 33 VVG findet – wie erwähnt – lediglich auf

Ausschlussbestimmungen Anwendung. Da aber die allgemein geltende Unklarheitsregel

auch für Versicherungsverträge Geltung hat, spielt diese Einschränkung kaum eine Rol-

le.

559 Guhl/Koller, § 13 N 50. 560 BGE 109 II 452 ff.; 119 II 443 ff. 561 BGE 122 III 121. 562 BGE 115 II 264 ff. 563 BGE 122 III 118.

156

Im Zusammenhang mit der Auslegungskontrolle wird sodann das Restriktionsprinzip

erwähnt, wonach Klauseln, die einen schützenswerten Vertragspartner schlechter stellen,

eng auszulegen seien.564 Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung sind Risikoein-

schränkungen zuungunsten des Versicherers auszulegen, womit es das Restriktionsprin-

zip, ohne es so zu benennen, zur Anwendung bringt.565 Zudem verlange das Aushöh-

lungsverbot – so SCHAER im unveröffentlichten Gutachten566 –, dass Formulierungen in

den AVB nicht den Zweck einer Versicherungsdeckung gefährden dürfen.

Diese beiden Prinzipien lassen sich meines Erachtens ohne weiteres unter Art. 2 ZGB

subsumieren. Ob jedoch das Restriktionsprinzip nicht bereits in der Unklarheitsregel

enthalten ist, bleibt fraglich.

D. Inhaltskontrolle

Mit der Inhaltskontrolle soll der Konsument vor unangemessenen, gegen Treu und Glau-

ben verstossenden Klauseln geschützt werden, auch wenn die AGB rechtsgültig in den

Vertrag einbezogen wurden und ihr Inhalt auch vor der Auslegungskontrolle standhält.567

Als Grundlage für eine Inhaltskontrolle kann Art. 8 UWG genannt werden. Da dieser

Artikel, neben der Voraussetzung der erheblichen Abweichung, das Zusatzerfordernis

der Irreführung vorsieht, hat er praktisch kaum Bedeutung, zumal die erheblichen Män-

gel der AVB in irreführender Weise verschleiert werden müssen.568 Überdies ist der

Beweis der Irreführung äusserst schwierig zu erbringen. Dadurch wurden dem an sich

richtigen Kontrollinstrument „die Zähne“ gezogen.569 Dennoch wurde im BGE 119 II

443 ff., in einem obiter dictum, die Irreführung und damit die Voraussetzung von Art. 8

UWG bejaht. Eine AVB-Regel kann hingegen im Sinne der Generalklausel von Art. 2

UWG unlauter sein.570

564 So etwa VVG-Fuhrer, Art. 33 N 178 ff., m.w.H. auf die spärliche Kasuistik. Der Autor versagt das Re-striktionsprinzip zwar nicht, misst ihm indes neben der Unklarheitsregel keine eigenständige Bedeutung zu; Läubli, Deckungsausschlüsse, S. 27, mit Verweis auf ein unveröffentlichtes Gutachten von R. Schaer im Auftrage der SUVA vom 12. März 2000.

565 BGE 110 II 403 ff. 566 Gutachten im Auftrage der SUVA vom 12. März 2000. 567 VVG-Fuhrer, Art. 33 N 185. 568 Huguenin, S. 86 und 87 f., mit einem Plädoyer für eine offene Inhaltskontrolle; Pedrazzini/ Pedrazzini, N

12.13; ebenso noch von Büren/Marbach, N 1072 in der ersten Aufl. 569 Guhl/Koller, § 14 N 53, wo von einer stumpfen Waffe gesprochen wird. 570 von Büren/Marbach, N 951.

157

Nach der Privatautonomie gäbe es an sich keine Inhaltskontrolle, denn es gilt der Grund-

satz pacta sunt servanda. Heute wird indes von einem Teil der Doktrin verlangt, bei

AGB weitgehend auch der Vertragsgerechtigkeit Rechnung zu tragen.571 Die Lehre for-

dert mehrheitlich eine offene Inhaltskontrolle, wonach in Konsumentenverträge bzw.

deren AGB eingegriffen werden kann, obschon ihr Wortlaut und Inhalt eindeutig fest-

stellbar ist.572 Nach überwiegender Meinung ist als Rechtsgrundlage de lege lata Art. 19

Abs. 2 OR heranzuziehen.573 Hingegen lässt das Bundesgericht lediglich eine verdeckte

Inhaltskontrolle zu, was sich in der Geltungs- und Auslegungskontrolle niederschlägt,

aber kein eigentliches zusätzliches Kontrollinstrument darstellt.574

2. Einzelne Klauseln

A. Deckungsausschluss in der Betriebshaftpflichtversicherung betreffend Re-

gressansprüche gegen Arbeitnehmer und Hilfspersonen

i. Geltungskontrolle

Diese Klausel lässt sich ausnahmslos in sämtlichen AVB der Betriebshaftpflichtversiche-

rer finden und ist ebenso ausschliesslich mit Fettdruck oder anderen grafischen Darstel-

lungen besonders hervorgehoben. Aus diesem Grunde kann festgehalten werden, dass

diese Klausel, auch wenn sie und ihre Folgen für den Leser ungewöhnlich anmuten,

mittels Globalübernahme rechtsgültig zum Vertragsinhalt wird. Die Geltungskontrolle

wird somit die Klausel mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zu Fall bringen.

ii. Auslegungskontrolle

Die in Frage stehende Klausel ist – auch wenn der Wortlaut etwas schwer leserlich bzw.

verständlich ist – grundsätzlich nicht unklar. Der Versicherer dehnt die in Art. 59 VVG

vorgeschriebene Haftung im persönlichen Geltungsbereich aus, indem auch Hilfsperso-

571 Vgl. etwa Huguenin, S. 87 f. m.w.H. 572 In diesem Zusammenhang sei auf das AGB-Gesetz von Deutschland hingewiesen, wonach eine umfassen-

de Inhaltskontrolle möglich gemacht wird. Obschon in der Schweiz mehrfach Bestrebungen in diese Rich-tung unternommen wurden, konnte bis heute kein Durchbruch für ein AGB-Gesetz verzeichnet werden.

573 VVG-Fuhrer, Art. 188 ff., wo die verschiedenen Lehrmeinungen und Rechtsgrundlagen dargelegt werden. 574 BGE 109 II 452 ff.; 119 II 443 ff.; BGE 115 II 268; Guhl/Koller, § 14 N 53; Huguenin, S. 86 ff. m.w.H.

158

nen des Versicherungsnehmers grundsätzlich versichert werden; dies allerdings unter der

Einschränkung auf Direktansprüche. Fraglich könnte dennoch sein, wer unter den Beg-

riff „mit der Leitung oder Beaufsichtigung des Betriebes betraute Person“ zu subsumie-

ren ist. Die Versicherer ziehen den Personenkreis derer, welche zu dieser Kategorie zu

zählen sind, sehr eng. Diese Auslegung deckt sich sodann mit der Doktrin und der Pra-

xis575 zum Art. 3 lit. d ArG i.V.m. Art. 9 ArGV1. Danach übt eine solche höhere leitende

Tätigkeit aus, „wer aufgrund seiner Stellung und Verantwortung sowie in Abhängigkeit

von der Grösse des Betriebes über weitreichende Entscheidungsbefugnisse verfügt oder

Entscheide von grosser Tragweite massgeblich beeinflussen und dadurch auf die Struk-

tur, den Geschäftsgang und die Entwicklung eines Betriebes oder Betriebsteils einen

nachhaltigen Einfluss nehmen kann“576.

Im Sinne des ArG und der ArGV dürfte diese Klausel auch der Unklarheitsregel Genüge

tun.

iii. Inhaltskontrolle

Im Sinne einer offenen Inhaltskontrolle wird im Folgenden versucht, einen Ausweg aus

der für den Arbeitnehmer ausweglosen Situation577 zu finden, unter der Annahme, dass

der bereits besprochene BGE 128 III 76 ff. nicht als gefestigte Praxis betrachtet werden

darf bzw. kann und dass eine offene Inhaltskontrolle überhaupt justiziabel ist.

Die Idee des Auswegs aus diesem Dilemma liegt im Freistellungsanspruch des Arbeit-

nehmers gegenüber dem Arbeitgeber. Wird der Arbeitnehmer vom Geschädigten direkt

belangt, was Letzterem denn auch freigestellt ist zu tun, so soll der Arbeitnehmer grund-

sätzlich einen solchen Freistellungsanspruch geltend machen können. Er kann mit ande-

ren Worten vom Arbeitgeber beanspruchen, von diesen Ersatzansprüchen befreit zu

werden. Leistet der Arbeitnehmer selbst, so wandelt sich nach derselben Lehre dieser

Anspruch in einen Anspruch auf Ersatzleistung. Obwohl eine solche Regelung im Gesetz

575 Vgl. etwa BGE 126 III 337 ff. 576 Art. 9 ArGV1. 577 Die Situation entsteht durch die Regressnahme der Sachversicherung auf den Arbeitnehmer, der keine

entsprechende Deckung in einer Haftpflichtversicherung geniesst.

159

nirgends Niederschlag gefunden hat, wird dieser Anspruch von einem gewichtigen Teil

der Lehre bejaht.578

Dieser Freistellungsanspruch gründet in der ratio legis von Art. 321e OR, wonach sich

das Mass der Sorgfalt, für die ein Arbeitnehmer einzustehen hat, nach dem konkreten

Arbeitsverhältnis richtet, unter Berücksichtigung des Bildungsgrades und des Berufsrisi-

kos. Daraus hat die Doktrin die schadensgeneigte Arbeit abgeleitet.579 Dieses Betriebsri-

siko – im Rahmen der leichten Fahrlässigkeit – hat letztlich der Arbeitgeber und nicht

der Arbeitnehmer zu tragen.580 Dabei gilt es stets die Schwere der Sorgfaltspflichtverlet-

zung zu beachten. Während ein Teil der Lehre und die ältere Rechtsprechung581 noch

von einem dreigeteilten Fahrlässigkeitsbegriff ausgehen, wird heute weitgehend dessen

Unterteilung, mit Verweis auf das Gesetz, auf leichte und grobe Fahrlässigkeit be-

schränkt.582 Dies ist meines Erachtens auch sachgerecht, fällt doch in der Praxis bereits

die Unterscheidung in leichte und grobe Fahrlässigkeit in Einzelfällen nicht leicht.583 Für

die Problematik in concreto genügt denn auch diese Unterscheidungsfeinheit, zumal ein

Freistellungsanspruch lediglich bei leichter Fahrlässigkeit besteht und im Übrigen bei

Grobfahrlässigkeit der Arbeitgeber bzw. der Unternehmer über die Betriebshaftpflicht-

versicherung grundsätzlich Deckung geniesst.584

Mit anderen Worten kann festgehalten werden, dass der Arbeitgeber letztlich für den

durch seinen Angestellten leichtfahrlässig verursachten Schaden einzustehen hat, und

zwar unbesehen davon, ob er über seine Betriebshaftpflichtpolice Deckung beanspru-

chen kann. Aus dieser Warte betrachtet, stellt man jedoch fest, dass das Ergebnis immer

noch nicht stimmen kann, denn der Arbeitgeber hat eine Vermögensversicherung abge-

schlossen, welche nun die Leistung verweigert, bloss weil die Forderung auf dem Re-

gresswege und nicht als Direktanspruch gestellt wird. Dieser Freistellungsanspruch

578 Roberto, Arbeitnehmerhaftung, S. 94 f.; BK-Rehbinder, Art. 321e N 27; Rehbinder, Arbeitsrecht, § 8 N 150; Schaer, Schadensversicherer, S. 101 f.; Vaverka, S. 248.

579 Vgl. dazu OR-Rehbinder/Portmann, Art. 321e N 5; Roberto, Arbeitnehmerhaftung, S. 95 ff. m.w.H. auf die deutsche Lehre und Rechtsprechung. In diesem Zusammenhang plädiert der Autor für eine Ausweitung der Haftungsbeschränkung betreffend schadensgeneigter Arbeit.

580 So auch OR-Rehbinder/Portmann, Art. 321e N 5. 581 BGE 100 II 338; OR-Rehbinder/Portmann, Art. 321e N 5. 582 Vgl. statt vieler: Roberto, Arbeitnehmerhaftung, S. 104 f. 583 Auf weitere Ausführungen wird in dieser Arbeit verzichtet, zumal es für die vorliegende Problematik

kaum Relevanz hat. 584 Die Deckung kann jedoch unter Umständen im Sinne von Art. 14 Abs. 3 VVG gekürzt werden. Sodann

geniesst der grobfahrlässig handelnde Arbeitnehmer das Regressprivileg von Art. 72 Abs. 3 VVG nicht mehr, weshalb ein Arbeitnehmerregress nicht ausgeschlossen wäre, wenn er auch in der Praxis selten durchgeführt wird.

160

schlägt sich in der Bilanz des Unternehmers auf der Passivseite nieder, und für dies hat

die Haftpflichtversicherung die Deckung vertraglich übernommen und auch Prämien

erhalten.

Auch aufgrund des Aushöhlungsverbots darf der Arbeitgeber als Versicherungsnehmer

darauf vertrauen, dass er auch für Regressansprüche gegen seine Arbeitnehmer, welche

am Ende in seiner Bilanz zu Buche schlagen könnten, Deckung geniesst. Unlauter im

Sinne der Generalklausel von Art. 2 UWG dürfte dieser Deckungsausschluss nicht sein,

und zwar deshalb, weil die Betriebshaftpflichtversicherer dennoch über die gesetzlich

geforderte Deckung (Art. 59 VVG) hinausgehen.

iv. Ergebnis

So gesehen handelt es sich meines Erachtens bei dieser fraglichen Deckungsausschluss-

klausel um einen „Papiertiger“, welcher bis dato leider noch nie angefochten wurde.

Dies mag hauptsächlich daran liegen, dass die SUVA und die Sachversicherer mehrheit-

lich aus sozialen Gründen in der Praxis auf Arbeitnehmerregresse verzichten. Zudem ist

auf beiden Seiten der Respekt vor einem für sie ungünstigen Präzedenzfall nicht zu über-

sehen, was die Verhandlungs- und Vergleichsbereitschaft nicht unwesentlich steigert.

Dennoch dürfte – aufgrund des BGE 128 II 76 ff. – in nächster Zeit mit einem solchen

Prozess zu rechnen sein, bei welchem diese fragliche Klausel angefochten wird. Ebenso

ist es nur schwer vorstellbar, dass ein Gericht den leichtfahrlässig handelnden Arbeit-

nehmer heute noch zu einer Schadenersatzforderung verurteilen würde, welche ihn unter

Umständen in existenzielle Schwierigkeiten bringen könnte. Dennoch sei nochmals

daran erinnert, dass das Bundesgericht im „Gini/Durlemann-Entscheid“ diesen schwer-

wiegenden Schritt getan hat. Man kann jedoch heute davon ausgehen, dass sich die sozi-

alpolitischen Wertanschauungen gewandelt haben, so dass Hoffnung auf eine gewisse

Milde des Gerichts besteht.585

585 So etwa die Basler Gerichtspraxis, BJM 1974, S. 253, welche bei leichter Fahrlässigkeit die "Faustregel" entwickelt hat, dass der Arbeitnehmer nicht mehr als einen Monatslohn für den Schaden leisten soll; vgl. dazu Roberto, Arbeitnehmerhaftung, S. 98 f.

161

B. Deckungsausschluss in der Privathaftpflichtversicherung betreffend sämtli-

che Regressansprüche

i. Geltungskontrolle

Seit wenigen Jahren wird von einer Privathaftpflichtversicherung versucht, sämtliche

Regress- und Ausgleichsansprüche von der Deckung auszuschliessen.586 Aufgrund der

Globalübernahme werden solche Klauseln vorerst einmal – meist stillschweigend – zum

Vertragsinhalt. Der Versicherungsnehmer, welcher jedoch mit dem Versicherungsver-

tragsabschluss das Risiko sämtlicher Vermögensschäden, welche aus einem von ihm zu

vertretenden Haftpflichtfall resultieren, abdecken möchte, muss nicht mit einer derartig

einschneidenden Deckungseinschränkung rechnen. Gerade gegenüber den Regressan-

sprüchen der Sozialversicherer, welchen von Gesetzes wegen eine Vorleistungspflicht

auferlegt ist, geniesst er in concreto keine Deckung.

Da der Versicherungsnehmer nach Art. 2 ZGB darauf vertrauen darf, dass seine Police

den üblichen Deckungsumfang gewährt, so wie ansonsten bei allen anderen Versiche-

rungsgesellschaften, kommt hier die Ungewöhnlichkeitsregel zur Anwendung. Somit

bedarf es für die Gültigkeit dieser Klausel einer besonderen Hervorhebung. Dieser Vor-

aussetzung werden aber die besagten AVB in keiner Art und Weise gerecht. Somit schei-

tert dieser Regressausschluss bereits an der Geltungskontrolle. Da eine grafische Ände-

rung für künftige Policen jedoch leicht zu bewerkstelligen ist, ist es angezeigt, auch die

weiteren Kontrollinstrumente näher zu prüfen.

ii. Auslegungskontrolle

So wie bereits der Regressausschluss bei der Betriebshaftpflichtversicherung ist die

Klausel nicht als unklar oder schwer leserlich zu qualifizieren, es wird sogar noch eine

nicht abschliessende Aufzählung der ausgeschlossenen Regressanten aufgeführt. Somit

vermag die Auslegungskontrolle die Klausel nicht zu Fall zu bringen.

586 Vgl. dazu auch Läubli, Deckungsausschlüsse, S. 29 f. Der Wortlaut ist in Fn 522 wiedergegeben.

162

iii. Inhaltskontrolle

Im Rahmen der Inhaltskontrolle erkennt man bald, dass die vorliegende Klausel realiter

den Konsumenten bzw. den Versicherungsnehmer nur sehr lückenhaft vor Vermögens-

schäden infolge Haftpflichtfälle schützt. Da der Versicherungsnehmer jedoch nach Treu

und Glauben auf einen umfassenden Versicherungsschutz, welcher der Versicherungsu-

sanz entspricht, vertrauen darf, stellt sich die Frage, ob eine solche Verwendung unlauter

im Sinne des UWG ist. Da der gravierende Deckungsausschluss nicht verschleiert wird,

ist die Voraussetzung der Irreführung gemäss Art. 8 UWG nicht erfüllt. Durch die bereits

erwähnte Verletzung von Treu und Glauben wird hingegen die Generalklausel von Art. 2

UWG tangiert. Gestützt auf diese Bestimmung stehen die Prozesschancen nicht schlecht,

dass ein Gericht die Klausel für nichtig erklärt, obschon es an die bis dato fehlende offe-

ne Inhaltskontrolle zu erinnern gilt.

In prozessualer Hinsicht ist es aus heutiger Sicht kaum vorstellbar, dass ein Gericht den

versicherten Haftpflichtigen einfach so den Regressansprüchen des Geschädigten ausge-

setzt sein lässt. Der Haftpflichtige, welcher beispielsweise von einer regressierenden

Unfallversicherung gerichtlich belangt wird, geniesst nicht einmal die Deckung „Abwehr

unberechtigter Ansprüche“ bei der Haftpflichtversicherung, welche sämtliche Regress-

ansprüche nicht deckt. Somit ist der beklagte Haftpflichtige gut beraten, wenn er der

Haftpflichtversicherung zusätzlich den Streit verkündet. Spätestens in einem Zweitpro-

zess, je nach kantonaler Prozessordnung auch bereits früher, könnte dann die entspre-

chende AVB-Kontrolle erfolgen.

iv. Ergebnis

Aus der AVB-Kontrolle resultiert, dass ein genereller Regressausschluss in der Privat-

haftpflichtversicherung unlauter und damit kaum durchsetzbar ist. Es bleibt abzuwarten,

ob die dafür verantwortliche Haftpflichtversicherungsgesellschaft an einer solchen Klau-

sel tatsächlich festhalten oder gar diesbezüglich einen Prozess in Kauf nehmen will.

163

C. Assistance-Klausel

i. Geltungskontrolle

Im Sinne der Schadensminderungspflicht, welche aus Art. 61 VVG resultiert, dürfte eine

solche Klausel587 kaum als ungewöhnlich zu qualifizieren sein, ist doch der Versiche-

rungsnehmer dazu angehalten, das Schadensausmass möglichst gering zu halten.

Dennoch wäre es für den Versicherer ratsam, will er die Klausel mit Sicherheit im Ver-

tragsinhalt wissen, mittels besonderer Hervorhebung auf diese Klausel hinzuweisen.

Dies wird jedoch in der Praxis unterschiedlich gehandhabt.

ii. Auslegungskontrolle

Die in Frage stehende Klausel ist meines Erachtens, dem Wortlaut nach betrachtet, nicht

unklar. Auch der Sinn und Zweck geht unzweideutig aus der Bestimmung hervor, wird

doch eine klare Bedingung für die Leistungserbringung vorausgesetzt. Somit dürfte der

Bestimmung von Art. 33 VVG rechtsgenüglich Folge geleistet worden sein.

iii. Inhaltskontrolle

Auch hier wird die Inhaltskontrolle im Sinne einer offenen gehandhabt. Vorab gilt es

noch der Frage nachzugehen, ob denn in concreto eine Subsidiärklausel vorliegt. Be-

trachtet man die konkrete Formulierung, so lässt sich erkennen, dass dadurch vielmehr

eine Bedingung (condicio) gesetzt wird, welche für eine Leistungserbringung erfüllt sein

muss. Somit erübrigt sich meines Erachtens die Frage, ob das BPV, welches Subsidiari-

tätsklauseln mit grösster Zurückhaltung bewilligt,588 im vorliegenden Fall eine solche

Bestimmung gutheissen würde. An Bedingungen geknüpfte Leistungen verstossen im

Privatversicherungswesen meines Erachtens kaum gegen zwingendes Recht.

Bei den Assistance-Klauseln hat alleine der Zufall, welche Notrufnummer dem Versiche-

rungsnehmer zuerst in den Sinn gekommen ist bzw. welche er zuerst vorliegen gehabt

hatte, gewirkt. Aus diesem Grunde drängt sich die Frage auf, ob nicht mit einer hypothe-

587 Vgl. auch vorne § 12 I 3. 588 Maurer, PVR, S. 373, N 962.

164

tischen Einwilligung, welche aus dem Behandlungsvertrag zwischen Arzt bzw. Spital

und Patient bekannt ist, argumentiert werden könnte. Mit dieser Konstruktion der hypo-

thetischen Einwilligung des Patienten kann der infolge nicht rechtsgenüglicher Aufklä-

rung erfolgte und damit rechtswidrige Eingriff gerechtfertigt werden. Auf die vorliegen-

de Problematik bezogen, bedeutet dies Folgendes: Hätte die vom Versicherungsnehmer

avisierte Versicherungsgesellschaft nämlich Kenntnis über eine Doppelversicherung

gehabt, so wäre die Einholung der Einwilligung bzw. eine Koordination erfolgt. Dies-

falls müsste ein Regress durchsetzbar sein. Für den Fall der Unkenntnis über die andere

Versicherung könnte argumentiert werden, dass diese ohnehin eingewilligt hätte, weil sie

aus Vertrag dazu verpflichtet gewesen wäre. Dies entspricht meines Erachtens einer

hypothetischen Einwilligung.

Zum gleichen Ergebnis führt eine analoge Anwendung der Regelung über die Geschäfts-

führung ohne Auftrag gemäss Art. 419 ff. OR. In diesem Sinne ist die organisierende

Versicherung der Geschäftsführer und die passive Notfallzentrale der Geschäftsherr.

Gemäss Art. 422 OR steht diesfalls ein sog. Verwendungsersatzanspruch zu, wonach der

Geschäftsführer alle Aufwände, die notwendig, nützlich und den Verhältnissen angemes-

sen waren, ersetzt erhält.

iv. Ergebnis

Lässt man die offene Inhaltskontrolle zu und zieht diesfalls das dispositive Recht zu

Rate, gelangt man mit entsprechender Auslegung zum Ergebnis, dass die Assistance-

Klausel ungültig und damit anfechtbar ist. Es bleibt abzuwarten, ob die Versicherer diese

Ungereimtheit bereinigen werden.

§ 14. Ergebnis dritter Teil

1. In § 9 stand die „Gini/Durlemann-Praxis“ im Zentrum, da dadurch die Stellung des

Privatversicherers nachhaltig bestimmt wird. Die Analyse dieser Praxis zeigte nicht

unerhebliche Auswirkungen für den haftpflichtigen Arbeitnehmer auf, zumal dieser bei

leichtfahrlässig verursachten Schäden den Regressansprüchen schutzlos gegenübersteht.

Aufgrund einer methodologischen Interpretation der beiden Regressbestimmungen von

Art. 51 Abs. 2 OR und Art. 72 Abs. 1 VVG konnte festgestellt werden, dass die „Gi-

ni/Durlemann-Praxis“ systemfremd ist und auf einer falschen Auslegung des Begriffs

165

„unerlaubte Handlung“ basiert. Es besteht Hoffnung, dass dies nun auch das Bundesge-

richt erkannt hat, was sich aus BGE 126 III 521 ff. ableiten lässt. Damit würden auch die

Diskussionen um den sog. Umkehrregress obsolet.

2. Als Hauptergebnis dieses dritten Abschnittes gilt die Feststellung, dass den Interessen

der Eigenschadensversicherer und ihrer Versicherungsnehmer einzig ein integrales Re-

gressrecht gerecht wird. Es konnten aber auf der anderen Seite auch Grenzen des Re-

gresses von Schadensversicherern aufgezeigt werden: so etwa der Regress des Gebäude-

versicherers auf den leichtfahrlässig handelnden Mieter oder der Regress des Kaskover-

sicherers auf den leichtfahrlässig handelnden Lenker. Analoge Überlegungen galt es

auch betreffend den Motorfahrzeughaftpflichtversicherer anzustellen. Ob auch der Halter

für grobfahrlässiges Verhalten des berechtigten Lenkers einzustehen hat, wurde hier im

Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung beantwortet: Der Halter kann nur dann

regressweise belangt werden, wenn das Anvertrauen seines Fahrzeuges als grobfahrläs-

sig zu betrachten ist.

3. Unter besonderer Beachtung des Privatversicherungsregresses wurde der Frage der

Koordinationsklauseln nachgegangen. Dabei tritt eine der Deckungsausschlussklauseln

in den Vordergrund. Es ist der Deckungsausschluss betreffend Hilfspersonen in der

Betriebshaftpflichtversicherung. Die AGB-Kontrolle zeigt, dass dieser Klausel vor allem

mit einer Inhaltskontrolle begegnet werden kann. Als weitere Besonderheiten gelten

etwa die Mehrfachversicherung, die Verjährung und die Verrechnung. Gerade bei den

letzten beiden Rechtsinstituten zeigte sich unter anderem, wie revisionsbedürftig die

schweizerische Regressordnung ist.

166

IV. Teil: Schlussbetrachtung

§ 15. Zusammenfassung und Reformvorschläge

I. Konsolidierung VVG und OR

In dieser Arbeit ist unter anderem zum Ausdruck gekommen, dass die Vermischung von

versicherungsrechtlichen Teilen mit jenen des allgemeinen Haftpflichtrechtes in der

Vergangenheit als nicht geglückt eingestuft werden muss. Dies liegt nicht primär an

einer verfehlten Gesetzgebung als solcher, sondern die Crux gründet in der Rechtsan-

wendung, wo vom Grundsatz der lex specialis abgewichen wurde.

An der Lex-specialis-Lösung im Sinne von Art. 72 VVG ist meines Erachtens zwingend

festzuhalten. Eine Trennung des Sachversicherungs- und des Haftpflichtversicherungs-

regresses drängt sich de lege ferenda auf.

Da die Revision des Haftpflichtrechts nicht mehr weiter verfolgt wird, werden in dieser

Arbeit lediglich Revisionsvorschläge hinsichtlich der hängigen VVG-Revision unterbrei-

tet. Wie aus den erfolgten Erörterungen resultiert, wäre eine Beibehaltung der heutigen

Regressregelung gemäss Art. 50 f. OR nicht zwingend negativ, liesse deren Auslegung

aufgrund des Ausdrucks „in der Regel“ genügend Spielraum für eine gerechte Lösung.

II. Stellung des Eigenschadensversicherers

1. Bemerkungen

Das im VVG zu regelnde Regressrecht des Eigenschadensversicherers sollte – aufgrund

der obigen Überlegungen – mit einem möglichst einfachen und umfassenden Rückgriffs-

recht gelöst werden, um künftig allen Parteien ein sachgerechtes und rechtssicheres

System bieten zu können. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass der Schadensversicherer

ein Leistungspflichtiger aus Vertrag und kein Haftpflichtiger ist.

Diesem Anspruch kann nur ein integrales Regressrecht, analog demjenigen der Sozial-

versicherer gemäss ATSG, gerecht werden. Ausnahmen, wie der Zeitpunkt der Subroga-

tion usw., bleiben natürlich vorbehalten. Das aufgezeigte Ziel besteht darin, das Risiko

bzw. dessen finanzielle Belastung dem Verursacher und nicht dem Geschädigten aufzu-

bürden. Dabei spräche einiges dafür, auch im VVG die Solidarität der Haftpflichtigen im

Innenverhältnis zu stipulieren.

167

Es wurde gezeigt, dass den Versicherern bereits mit dem heute geltenden Recht ein inte-

grales Regressrecht durch entsprechende Auslegung von Art. 51 Abs. 2 OR und Art. 72

Abs. 1 VVG zugestanden werden könnte: entweder über eine teleologische und systema-

tische Auslegung dieser Bestimmungen oder über die sektorielle Verteilung, wie sie

OFTINGER/STARK vorschlagen.

2. Revisionsvorschlag

Es wird vorgeschlagen, den heute gültigen Art. 72 VVG wie folgt zu ändern:

Art. 72: Rückgriff des Eigenschadensversicherers

Abs. 1:

Variante 1: Der Versicherer tritt im Zeitpunkt des versicherten Ereignisses

bis auf die Höhe der vertraglich geschuldeten Leistung in sämtliche Scha-

densausgleichsansprüche des Anspruchsberechtigten ein.

Variante 2: Auf den Versicherer geht insoweit, als er Entschädigung geleistet

hat, der Ersatzanspruch über, der dem Versicherungsnehmer gegenüber Haft-

pflichtigen, sowohl ausservertraglich als auch vertraglich, zusteht.

Abs. 2:

lit. a: Ein Rückgriffsrecht gegen Personen, die mit dem Anspruchsberechtig-

ten in häuslicher Gemeinschaft leben, in enger Beziehung zum Versiche-

rungsnehmer stehen wie namentlich Entlehner, Mieter, Pächter, Leasingneh-

mer, oder gegen dessen Arbeitgeber, steht dem Versicherer nur zu, wenn sie

den Schaden absichtlich, vorsätzlich oder grobfahrlässig verursacht haben.

lit. b: Hat der Haftpflichtige die Versicherungsprämie mitfinanziert, so be-

schränkt sich der Regress bei grobfahrlässiger Handlung auf die Kürzungs-

quote, wie sie sich aus Art. 14 Abs. 2 VVG ergibt. Liegt eine vorsätzliche

Handlung vor, so besteht ein voller Regressanspruch.

168

Abs. 3:

Auf die übergegangenen Ansprüche bleiben die ihrer Natur entsprechenden

Verjährungsfristen anwendbar. Für den Regressanspruch des Versicherers

beginnen jedoch die relativen Fristen erst mit dessen Kenntnis seiner Leistun-

gen und der Person des Ersatzpflichtigen zu laufen.

Abs. 4:

Mehrere Haftpflichtige haften für Rückgriffsansprüche des Eigenschadens-

versicherers solidarisch.

Abs. 5:

Die Subrogation erfasst auch ein direktes Forderungsrecht der geschädigten

Person gegenüber dem Haftpflichtversicherer. Einreden aus dem Versiche-

rungsvertrag, die der geschädigten Person nicht entgegengehalten werden

dürfen, können auch gegenüber dem Regressanspruch des Versicherers nicht

vorgebracht werden.

III. Stellung des Haftpflichtversicherers

1. Bemerkungen

In dieser Arbeit wurde festgestellt, dass die heutige, von Lehre und Rechtsprechung

entwickelte „Alter-ego-Praxis“ rechtsgenüglich ist und grundsätzlich zu sachgerechten

Lösungen führt. De lege ferenda ist jedoch eine explizite Rückgriffsregelung im VVG

hinsichtlich des Haftpflichtversicherers zu erlassen, damit von der heutigen analogen

Anwendung Abstand genommen werden kann.

2. Revisionsvorschlag

Es wird vorgeschlagen, die Regressordnung des VVG mit einem separaten Artikel

betreffend Rückgriff des Haftpflichtversicherers zu ergänzen:

169

Art. 72a: Rückgriff des Haftpflichtversicherers

Abs. 1:

Der Haftpflichtversicherer tritt insoweit, als er Entschädigung an den Ge-

schädigten geleistet hat, an die Stelle seines Versicherungsnehmers, welche

dieser innerhalb der Solidargemeinschaft eingenommen hat.

Abs. 2:

Deckungsausschlüsse betreffend Regressansprüche sind insoweit ausge-

schlossen, als für Direktansprüche Deckung besteht.

Art. 72b: Rückgriff auf Haftpflichtige in einer Sonderstellung mit dem Geschädig-

ten

Abs. 1:

Das Gericht kann den Umfang des Rückgriffs einschränken, wenn beson-

dere Umstände, namentlich enge Beziehungen zwischen dem Haftpflichti-

gen und dem Geschädigten, es rechtfertigen. Eine solche enge Beziehung

besteht namentlich bei Miet- und Pachtverhältnissen und gilt auch gegen-

über öffentlich-rechtlichen Anstalten.

Abs. 2:

Handelte der in einer Sonderbeziehung stehende Haftpflichtige leichtfahrläs-

sig, so entfällt das Rückgriffsrecht vollständig.

Abs. 3:

Allfällige Direktansprüche des Geschädigten werden von Abs. 1 und 2 nicht

betroffen.

170

IV. Kein Deckungsausschluss in der Betriebshaftpflichtversicherung zulasten

von Arbeitnehmern

1. Bemerkungen

Der Deckungsausschluss in den Betriebshaftpflicht-AVB bezüglich der Arbeitnehmer

und Hilfspersonen ist aufgrund der aufgezeigten Gründe fallen zu lassen. Die erfolgte

Analyse hat zum Vorschein gebracht, dass eine solche Klausel nicht sozialverträglich ist

und zudem auch gegen Treu und Glauben verstösst. Solange weder der Gesetzgeber

noch das Bundesgericht dieser Praxis Einhalt gewähren, wäre der SVV gefordert, dies-

bezüglich eine einheitliche Regelung zu erlassen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil diese

Klausel in Kombination mit der „Gini/Durlemann-Praxis“ zu endlosen Diskussionen

führt, wer nun den Schaden de facto verursacht hat.

2. Revisionsvorschlag

Es wird vorgeschlagen, den heute gültigen Art. 59 VVG wie folgt zu ändern und in Art.

97 VVG unter die zwingenden Bestimmungen aufzunehmen:

Hat sich der Haftpflichtversicherer gegen die Folgen der mit einem gewerbli-

chen Betriebe verbundenen gesetzlichen Haftpflicht versichert, so erstreckt

sich die Versicherungsdeckung insbesondere auf die Haftpflicht der Vertreter,

der Arbeitnehmer und der Hilfspersonen des Versicherungsnehmers; mit ein-

geschlossen sind die daraus resultierenden Regressansprüche.

V. Zeitlicher Deckungsbereich in der Haftpflichtversicherung

1. Bemerkungen

Im Zusammenhang mit der Verjährung von Ausgleichsansprüchen wurde festgestellt,

dass im zeitlichen Deckungsbereich Handlungsbedarf besteht, um ungewollte Deckungs-

lücken zu schliessen. Dabei stellt die subrogierte Forderung keine Schwierigkeiten dar.

171

2. Revisionsvorschlag

Es wird vorgeschlagen, folgende Bestimmung – im Sinne der Verursachungstheorie –

ins VVG aufzunehmen:

Die Deckung des Haftpflichtversicherers erstreckt sich in zeitlicher Hinsicht

auf sämtliche Schäden, die während der in der Police vereinbarten Versiche-

rungsdauer verursacht wurden.

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Anhang:

Allgemeine Versicherungsbedingungen

1 AVB MobiCasa Multirisk, Ausgabe Mai 2004

2 AVB MobiPro Multirisk, Ausgabe November 2004

Empfehlungen des SVV

1 Regresskodex für alle Gesellschaften des SVV

2 Empfehlung der Schadenleiterkommission des SVV Nr. 17/1999, Anspruchs-

konkurrenz

3 Empfehlung der Schadenleiterkommission des SVV Nr. 2/1994, Fehlerhafte

bauliche Konstruktion als Ausschlussgrund in der Wasserversicherung

4 Empfehlung der Kommission Schaden- und Rechtsdienst des SVV Nr. 2.02.01,

Abgrenzung; Fremd- und Aussenversicherung

5 Empfehlung der Kommission Schaden- und Rechtsdienst des SVV Nr. 2.02.02,

Abgrenzung; Aufteilung der Entschädigung bei mehrfacher Versicherung; inkl.

Ergänzung zur Empfehlung SRD Nr. 2.02.02.

6 Empfehlung der Schadenleiterkommission des SVV Nr. 2/2001, Kaskoversiche-

rung mit Zeitwertzusatz