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71 Kunststoffe 6/2019 www.kunststoffe.de Tribologie POLYACETALE [FAHRZEUGBAU] [MEDIZINTECHNIK] [VERPACKUNG] [ELEKTRO & ELEKTRONIK] [BAU] [KONSUMGÜTER] [FREIZEIT & SPORT] [OPTIK] F ür automatisierte Produktionen mit vielen bewegten Elementen sind sta- bile, langlebige und reibungsarme Kom- ponenten gefragt. Gleitadditivierte Poly- mere reduzieren gezielt Reibung sowie Verschleiß und bieten technische sowie finanzielle Vorteile. Als Additive dienen nicht nur zähviskose oder flüssige Zusatz- mittel, sondern auch Festkörperschmier- stoffe wie Polytetrafluorethylen (PTFE). Mit inkorporierten 2-Phasen-Schmierstoff- systemen sind Kontaminationen durch Schmiermittel, etwa in sensiblen Produk- tionsumgebungen, wie Verpackung oder Medizintechnik, ausgeschlossen. Die Hochschule Darmstadt untersuchte zu- sammen mit der Technischen Universität Chemnitz die Wirkmechanismen eines 2-Phasen-Schmierstoffsystems aus PTFE- modifiziertem Polyoxymethylen (POM). In den hier vorgestellten Ergebnissen wurden PTFE-Partikel zu 1 %, 5 % und 20 % in die POM-Matrix eincompoun- diert. Alle Untersuchungen wurden an spritzgegossenen Modellprüfkörpern durchgeführt. Neben der Bestimmung des tribologischen Verhaltens wurde der Einfluss der PTFE-Füllung auf die Festig- keit, Steifigkeit und Zähigkeit untersucht sowie Strukturveränderungen herausge- arbeitet. Zudem erfolgte eine Analyse der Verarbeitungsmöglichkeiten. Ziel war es, kostengünstige und funktionale Bauteile mit niedrigen Verschleiß- und Reibwerten zu entwickeln, wie sie etwa für Förderket- ten gebraucht werden. Reibungsloser Deckmantel Gleitmodifikation von POM mit PTFE-Mikropartikeln (Teil 2) In fördertechnischen Anlagen bieten Festkörperschmierstoffe wie PTFE Vorteile gegenüber Ölen, Fetten oder Silikonen. Für niedrige Reibung und geringen Verschleiß wurde an einem Schmierstoffsystem mit POM-Kern und PTFE-Randschicht geforscht. Im zweiten Teil dieser Betrachtung werden Einflussfaktoren, Werkstoffeigen- schaften und Verarbeitung einer solchen Kombination aufgezeigt. Bild 1. Sphärolithbildung am gefüllten POM mit 20 % PTFE. Die Kristallisationszeit betrug 600 s bei einer Temperatur von 152 °C. Die Aufnahmen aus der Scherkammer erfolgten unter polarisiertem Durchlicht (© TU Chemnitz) Bild 2. Lichtmikroskopiebilder in polarisiertem Licht: Nach einem reinen POM (a) zeigt sich eine gleichmäßige Verteilung von PTFE (dunkle Stellen) in der POM-Randschicht bei einem Anteil von 1 % (b), 5 % (c) und 20 % (d). (Alle: 6-mm-Platte, 400-fache Vergrößerung) (©TU Chemnitz) »

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Kunststoffe 6/2019 www.kunststoffe.de

Tribologie POLYACETALE

[FAHRZEUGBAU] [MEDIZINTECHNIK] [VERPACKUNG] [ELEKTRO & ELEKTRONIK] [BAU] [KONSUMGÜTER] [FREIZEIT & SPORT] [OPTIK]

Für automatisierte Produktionen mit vielen bewegten Elementen sind sta-

bile, langlebige und reibungsarme Kom-ponenten gefragt. Gleitadditivierte Poly-mere reduzieren gezielt Reibung sowie Verschleiß und bieten technische sowie finanzielle Vorteile. Als Additive dienen nicht nur zähviskose oder flüssige Zusatz-mittel, sondern auch Festkörperschmier-stoffe wie Polytetrafluorethylen (PTFE). Mit inkorporierten 2-Phasen-Schmierstoff -systemen sind Kontaminationen durch

Schmiermittel, etwa in sensiblen Produk -tionsumgebungen, wie Verpackung oder Medizintechnik, ausgeschlossen. Die Hochschule Darmstadt untersuchte zu-sammen mit der Technischen Universität Chemnitz die Wirkmechanismen eines 2-Phasen-Schmierstoffsystems aus PTFE-modifiziertem Polyoxymethylen (POM).

In den hier vorgestellten Ergebnissen wurden PTFE-Partikel zu 1 %, 5 % und 20 % in die POM-Matrix eincompoun-diert. Alle Untersuchungen wurden an

spritzgegossenen Modellprüfkörpern durchgeführt. Neben der Bestimmung des tribologischen Verhaltens wurde der Einfluss der PTFE-Füllung auf die Festig-keit, Steifigkeit und Zähigkeit untersucht sowie Strukturveränderungen herausge-arbeitet. Zudem erfolgte eine Analyse der Verarbeitungsmöglichkeiten. Ziel war es, kostengünstige und funktionale Bauteile mit niedrigen Verschleiß- und Reibwerten zu entwickeln, wie sie etwa für Förderket-ten gebraucht werden.

Reibungsloser Deckmantel

Gleitmodifikation von POM mit PTFE-Mikropartikeln (Teil 2)

In fördertechnischen Anlagen bieten Festkörperschmierstoffe wie PTFE Vorteile gegenüber Ölen, Fetten oder

Silikonen. Für niedrige Reibung und geringen Verschleiß wurde an einem Schmierstoffsystem mit POM-Kern

und PTFE-Randschicht geforscht. Im zweiten Teil dieser Betrachtung werden Einflussfaktoren, Werkstoffeigen-

schaften und Verarbeitung einer solchen Kombination aufgezeigt.

Bild 1. Sphärolithbildung am gefüllten POM mit 20 % PTFE. Die Kristallisationszeit betrug 600 s bei einer Temperatur von 152 °C. Die Aufnahmen aus

der Scherkammer erfolgten unter polarisiertem Durchlicht (© TU Chemnitz)

Bild 2. Lichtmikroskopiebilder in polarisiertem Licht: Nach einem reinen POM (a) zeigt sich eine gleichmäßige Verteilung von PTFE (dunkle Stellen) in

der POM-Randschicht bei einem Anteil von 1 % (b), 5 % (c) und 20 % (d). (Alle: 6-mm-Platte, 400-fache Vergrößerung) (©TU Chemnitz)

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POLYACETALE Tribologie

dicke (4 bzw. 6 mm) bildet sich eine sehr dünne Spritzhaut aus, was positive Effek-te auf den Einlaufvorgang in der späteren tribologischen Paarung hat. Der PTFE- Anteil wirkt sich nicht auf die Höhe der Schwindung und die Ausbildung von Verzug aus.

Die Randschichten sind für das tribo-logische System die wesentlichen Zonen. Um niedrige Reibwerte zu erzielen, sollte hier ein möglichst hoher Anteil des PTFE zu finden sein. Die Lichtmikroskopiebil-der an Dünnschnitten unter polarisiertem Licht (Bild 2) zeigen, dass in den Rand -zonen ebenfalls PTFE-Partikel in einer gleichmäßigen Verteilung vorliegen und an der Oberfläche nur dünn mit einer Ma-trixschicht umschlossen sind. Mit zuneh-mendem Anteil an PTFE-Partikeln wird der Werkstoff spröder, aufgrund der in der Matrix als Fehlstelle wahrnehmbaren PTFE-Partikel. Mit steigendem PTFE-Parti-kelgehalt verringert sich die Kristallinität, während die Gefügeinhomogenität zu-

Kristallisation, Strukturanalyse, Mikroskopie

POM als teilkristalliner Thermoplast ent-wickelt seine typische, sphärolithische Struktur beim Abkühlen unter die Kristal-litschmelztemperatur von 152 °C. Die in die Matrix eingebrachten PTFE-Partikel beeinflussen das Kristallisationsverhalten. Die PTFE-Partikel wirken als Keimbildner, die Sphärolithgröße ändert sich. In deren Folge nimmt die Verformbarkeit des Werkstoffes (Dehnung) ab. Die Untersu-chung des Kristallisationsverhaltens mit-tels Scherkammer unter lichtmikrosko -pischer Betrachtung (Polarisationsoptik) von POM mit 0 %, 1 % und 20 % (Bild 1) PTFE zeigt, dass die Kristallisationszeit mit steigendem Füllgrad zunimmt. Aufgrund der als Keimbildner wirkenden PTFE-Par-tikel werden die Sphärolithe kleiner. Au-ßerdem entstehen bei höherem Füllgrad schneller Sphärolithe, jedoch dauert die Kristallisation insgesamt länger. Für die Verarbeitung ist demnach mit steigen-dem Füllgrad von einer längeren Kühlzeit auszugehen.

Insgesamt sind eine Gleichverteilung und damit ein homogenes Gefüge der PTFE-Partikel gegeben. Aufgrund der Er-gebnisse der Strukturanalyse lässt sich auf Basis der bereits definierten PTFE-Ver -teilungsanalyse (Teil 1, siehe Infokasten) eine Struktur ableiten, welche primär für mechanische Eigenschaften vorteilhaft ist. Für die Tribologie ist die homogene PTFE-Partikelverteilung eher suboptimal. Gerade in den Randzonen ist eine hohe PTFE-Konzentration nur bedingt gege-ben. Die Partikel im Probeninneren haben hingegen keinen Einfluss auf Reibung, Verschleiß und Schmiereigenschaften. Unabhängig von Füllgrad und Platten -

nimmt. Im Ergebnis des Kurzzeit-Zugver-suchs sinken demnach Zugfestigkeit und Dehnung jeweils maximal um etwa 25 % und der Elastizitätsmodul maximal um circa 10 % (Bild 3). Mit steigendem PTFE-Anteil sinken die mechanischen Kenn-werte, ohne jedoch im untersuchten Be-reich auf ein Maximum oder Optimum an Füllstoffen schließen zu können.

Mit zunehmendem Füllstoffanteil fällt bereits bei geringen Füllgraden von 1 % PTFE ebenfalls die Schlagzähigkeit deut-lich ab. Die im „Inneren“ der Polymermor-phologie befindlichen PTFE-Partikel ver-halten sich als eine Art „Stör- oder Fehl-stelle“, da sie wie Mikrokerbstellen die mechanischen Eigenschaften reduzieren und an den Randschichten hohe Span-nungskonzentrationen bedingen. Diese hohen Spannungskonzentrationen wir-ken bei einer von außen aufgebrachten Kraft als Spannungsrissinitiatoren. Daraus entsteht eine Art Dominoeffekt, d. h. ein zügig fortschreitendes Mikrorisswachs-tum von einer „Fehlstelle“ zur anderen „Fehlstelle“ im Bauteil bzw. Probekörper.

Insgesamt verschlechtern sich die mechanischen Kennwerte durch die Zu-gabe der PTFE-Partikel im Vergleich zu ei-ner ungefüllten POM-Matrix. Für die an-gestrebte Gleitpaarung mit Polyethylen ultra-high-molecular weight (PE-UHMW) in fördertechnischen Anlagen stehen je-doch ein niedriger Reibungskoeffizient und geringe Verschleißraten im Vorder-grund. Inwiefern die aufgeführten Festig-keits- und Verformungskennwerte dafür relevant sind, muss jeweils in Abhängig-keit des konkreten Einsatzfalles entschie-den werden.

Bild 3. Veränderungen von Festigkeit, E-Modul und Steifigkeit in Abhängigkeit des PTFE-Anteils.

Ermittelt im Kurzzeit-Zugversuch nach DIN EN ISO 527 an spritzgegossenen Zugstab-Prüfkörpern

(Quelle: TU Chemnitz)

PTFE-Anteil

100

90

80

70

60

50

40

30

20

10

0

3000

MPa

2400

2100

1800

1500

1200

900

600

300

00

Deh

nung

[%],

Zugf

estig

keit

[MPa

]

E-M

odul

5 10 15 20 % 25

ZugfestigkeitDehnungE-Modul

Bild 4. Reibungskoef-

fizient in Abhängig-

keit von der Flächen-

pressung bei einer

Gleitgeschwindigkeit

von 0,25 m/s. Ermit-

telt mit einem Stift-

Scheibe-Tribometer

und einer Paarung

aus POM-Scheibe

mit PTFE-Anteilen

und PE-UHMW-Stift

(Quelle: TU Chemnitz) PTFE-Anteil

0,40

0,35

0,30

0,25

0,20

0,15

0,10

0,05

00

Reib

ungs

koeffi

zien

t µ

5 10 15 20 % 25

p = 0,25 N/mm2

p = 0,50 N/mm2

p = 0,75 N/mm2

p = 1 N/mm2

© Kunststoffe

© Kunststoffe

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Tribologie POLYACETALE

Reibungskoeffizienten nimmt bei 5 % Füllgrad ein Minimum ein, unabhängig von der Flächenlast. Die weichen PTFE-Partikel werden durch die Deformati-ons- und Überrollvorgänge in der Gleit-

fläche in die Vakanzen der Oberflächen-rauigkeitsspitzen getrieben und füllen diese letztlich aus. Dadurch wird die Gleitfläche geglättet, weitere PTFE-Par-tikel lagern sich schieferartig auf der Gleitfläche ab und bilden somit eine Art Festkörperschmierstoffschicht aus. Die-se Festkörperschmierstoffschicht aus PTFE-Partikel hat bei etwa 5 % Additiv-anteil ein Maximum, die Schmierstoff -inseln aus PTFE verbinden sich zu einer Gleitschicht. Mehr PTFE-Additiv senkt daher die Reibungskoeffizienten nicht mehr, unabhängig von der Flächenlast (Bild 4 und 5).

Der Vorteil der PTFE-Füllung liegt eindeutig bei Anwendung mit höheren Reibgeschwindigkeiten und größeren Flächenlasten. Füllgrade unter 5 % sen-ken dabei den Reibungskoeffizient nur wenig. Mehr als 5 % PTFE verbessert hingegen den Reibungskoeffizient

Tribologisches Verhalten

Für die Untersuchungen des tribologi-schen Verhaltens wurde eine in förder-technischen Anwendungen übliche Ma-terialpaarung ausgewählt, bestehend aus den POM-PTFE-Mischungen und einem PE-UHMW. Die Untersuchungen fanden praxisnah am Stift-Scheibe-Tribometer statt. Dabei wurden die POM-PTFE-Mi-schungen als rotierende Scheibe (Dicke 6 mm, Durchmesser 150 mm, spritzge-gossen, spanend nachbearbeitet, ent-sprechende Füllstoffanteile an PTFE) und das PE-UHMW als fest stehender Stift (Durchmesser 5 mm) unter Variation der Gleitgeschwindigkeit im Bereich 0,15 bis 0,3 m/s und der Flächenpressung im Be-reich von 0,25 bis 1 N/mm² verwendet.

Der Reibungskoeffizient verändert sich in Abhängigkeit von Geschwindig-keit und Flächenpressung. Unabhängig vom Füllgrad werden mit zunehmender Flächenpressung niedrigere Reibungs -koeffizienten erreicht. Mit zunehmender Geschwindigkeit erhöhen sich tenden-ziell die Reibungskoeffizienten. Im Ge-samtverhalten werden die niedrigsten Reibwerte bei einem Füllgrad von 5 % PTFE erreicht. Um den Effekt der niedri -geren Reibungskoeffizienten zu verdeut-lichen, sind für eine Gleitgeschwindigkeit von 0,25 m/s noch einmal die Reibungs-koeffizienten in Abhängigkeit des Füllgra-des separat verglichen worden (Bild 3). Der Reibungskoeffizient fällt zunächst bis zu einem Füllgrad von 5 % ab, steigt bei darüber hinaus gehenden PTFE-Anteilen wieder an.

Durch die Versuchsergebnisse lässt sich die Theorie der „Absättigung“ mit PTFE als Schmiermittel bestätigen. Die

Bild 5. Verlauf des Reibungskoeffizienten im 24 h-Dauerversuch an POM mit 20 % PTFE bei einer

Gleitgeschwindigkeit von 0,3 m/s und einer Flächenpressung von 1 N/mm². Ebenfalls gemessen

auf einem Stift-Scheibe-Tribometer mit der Paarung aus POM-Scheibe 20 % PTFE und einem

PE-UHMW-Stift (Quelle: TU Chemnitz)

Zeit [h]

0,30

0,25

0,20

0,15

0,10

0,05

0

00:0

0:00

00:5

0:00

01:4

0:00

02:3

0:00

03:2

0:00

04:1

0:00

05:0

0:00

05:5

0:00

06:4

0:00

07:3

0:00

08:2

0:00

09:1

0:00

10:0

0:00

10:5

0:00

11:4

0:00

12:3

0:00

13:2

0:00

14:1

0:00

15:0

0:00

15:5

0:00

16:4

0:00

17:3

0:00

18:2

0:00

19:1

0:00

20:0

0:00

20:5

0:00

21:4

0:00

22:3

0:00

23:2

0:00

00:1

0:00

01:0

0:00

Reib

ungs

koeffi

zien

t µ

Bild 7. Lichtmikrosko-

pische Aufnahme

(Polarisationsoptik)

der Grenzfläche

zwischen dem

ungefüllten POM-

Kernmaterial unten

und der Gleitschicht

mit POM und 20 %

PTFE oben. Die

Materialien verbin-

den sich fast voll-

ständig (© TU Chemnitz)

Bild 6. Oberflächenanalyse mit Perthometer von POM mit 5 % PTFE vor (links) und nach (rechts)

Test im Stift-Scheibe-Tribometer [1]. Beim Einlaufen werden die dunkelroten PTFE-Partikel frei -

gelegt und auf der Oberfläche verteilt (© TU Chemnitz)

© Kunststoffe

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POLYACETALE Tribologie

nicht, wie sich herausgestellt hat. Auf-grund des vergleichsweise teuren Hochleistungskunststoffs PTFE ist ein höherer Anteil auch wirtschaftlich sorg-fältig abzuwägen.

Beeinflussung der Oberflächen durch tribologische Belastung

Die Verschleißrate in den Untersuchun-gen lag unterhalb der ermittelbaren Grenze, sodass eine Oberflächenanalyse mittels Perthometers hinzugezogen wurde. Deutlich ist die Freilegung der PTFE-Partikel nach dem Einlaufvorgang zu erkennen (Bild 6, rechts), d. h. die Spritzhaut wird in den ersten Minuten nach Versuchsbeginn reduziert. Aufnah-men unter polarisiertem Durchlicht an Dünnschnitten zeigen eine zerklüftete Oberfläche mit Freilegung der PTFE-Par-tikel nach dem Versuch. Eine Verletzung der Struktur in tieferen Schichten durch die tribologischen Beanspruchungen konnte nicht festgestellt werden, sodass für eine Schmierwirkung eine PTFE-ge-füllte Oberfläche ausreichend ist. Um die Wirkungsdauer der freigelegten PTFE-Partikel und somit der Schmierung ab-zuschätzen, sind weitere Untersuchun-gen erforderlich.

Verarbeitung im Monosandwichverfahren

Offen bleibt noch ein Ansatz für die Um-setzung der Ergebnisse in einem Her-stellungsverfahren für tribologisch be-anspruchte Bauteile. Ein Vorschlag, um eine hochgefüllte Randschicht zu erzeu-gen, ist das Monosandwichverfahren, welches bereits durch die Firma Mila-cron in den 90er-Jahren entwickelt wur-de. Dabei wird mithilfe einer Spritzgieß-maschine und eines Nebenextruders in wahlweise vertikaler oder horizontaler Anordnung zuerst die Kernkomponente im Spritzaggregat plastifiziert. Im An-schluss dosiert der Nebenextruder die Hautkomponente in den Schnecken -vorraum der Spritzeinheit. Die Schmelze strömt durch die Düse aus dem Neben-extruder vor die geschlossene Rück -strömsperre der Spritzeinheit und drückt die bereits plastifizierte Kernschmelze und die Schnecke gegen einen einstell-baren Staudruck zurück. Dabei werden die im Zylinder befindlichen Materialien nicht vermischt, sie lagern räumlich hin-

tereinander im Schneckenvorraum. Beim Einspritzen fließen so die beiden Materialien zwangsläufig nacheinander in die Kavität, was zur Folge hat, dass sich zuerst die einfließende Schmelze wie eine Haut an die Außenwand legt, während die nachfolgende zweite Kom-ponente dann den Kern des Formteils bildet.

Das Monosandwichverfahren ist mit seinen zwei Dosierwegen für die Kern- und Hautkomponente überzeugend ein-fach. Diese beiden Dosierwege machen in den Einstellungen den einzigen Unter-schied gegenüber einer Standard-Spritz-gießmaschine. Als Grundvoraussetzung gilt in der Regel ein Werkzeug mit Kalt -kanaltechnik. Die polarisationsoptischen Aufnahmen an Dünnschnitten in Bild 7 fokussieren die Grenzschicht zwischen Kernmaterial POM und der gefüllten Randschicht (POM mit 20 % PTFE). Beide Materialien verbinden sich ausreichend fest, mit nur minimalen Strukturunter-schieden (Bild 7).

Fazit

Im Rahmen der Forschungsarbeit konnte aufgezeigt werden, dass die Modifizie-rung einer POM-Matrix mit PTFE-Mikro -partikeln die mechanischen Eigenschaf-ten reduziert. Der Reibungskoeffizient verringert sich bei einem Füllgrad von 5 % am stärksten, unabhängig von der Gleit-geschwindigkeit und der Flächenpres-sung. Die optimale Menge an Füllstoffen ist immer abhängig vom späteren An-wendungsfeld und dessen technischen sowie wirtschaftlichen Randbedingun-gen. Die Gleichverteilung hinsichtlich Ab-stand und Größe der PTFE-Partikel in der POM-Matrix wurde unabhängig von der Wandstärke an spritzgegossenen Proben nachgewiesen. Die PTFE-Partikel wirken als Kristallisationskeime und lassen eine hohe Anzahl an kleinen Sphärolithen ent-stehen.

Erste Erkenntnisse aus 2-phasig auf-gebauten Proben mit einem Kern aus un-gefülltem POM und einer hochgefüllten Randschicht zeigen einen festen Verbund aus beiden Komponenten. Sie lassen Rückschlüsse auf die Fertigung derartiger Bauteile im Monosandwichverfahren zu. Aufgrund der Erkenntnisse hat sich das im ersten Teil des Beitrags (Teil 1, siehe Infokasten) aufgestellte 2-Phasen-Würfel-modell bestätigt. W

Die AutorenDr.-Ing. Brit Clauß ist wissenschaftliche

Mitarbeiterin an der Professur für Kunst-

stoffe der Fakultät Maschinenbau an der

Technischen Universität Chemnitz;

[email protected]

Prof. Dr.-Ing. Michael Gehde ist Inhaber

der Professur für Kunststoffe der Fakultät

Maschinenbau an der Technischen Univer-

sität Chemnitz;

[email protected]

Prof. Dr.-Ing. Karsten Faust ist im Fach-

bereich Maschinenbau und Kunststoff-

technik an der Hochschule Darmstadt tätig;

[email protected]

Vorangehende UntersuchungenTeil 1 dieses Beitrags ist unter dem Titel

„Ein aufreibendes Rendevouz“ in der

Kunststoffe-Ausgabe 11/2017, ab S. 79,

erschienen. Er zeigte Wirkmechanismen

und Einsparpotenziale eines POM-Kerns

mit hochgefüllten PTFE-Randschichten

auf. Dafür wurde ein 2-Phasen-Würfel -

modell von den Autoren entwickelt und

vorgeschlagen.

DankDie Autoren danken KEP und Röchling Engi-

neering Plastics SE für die freundliche Bereit-

stellung der Kunststoff-Ausgangsmateriali -

en sowie den wissenschaftlichen und tech-

nischen Mitarbeitern der Professur Kunst-

stoffe der Technischen Universität Chemnitz.

Literatur & DigitalversionB Das Literaturverzeichnis und ein PDF

des Artikels finden Sie unter www.kunststoffe.de/2019–06

English VersionB Read the English version of the article in

our magazine Kunststoffe interntional or at www.kunststoffe-international.com