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Füchse breiten sich aus bis in Dörfer und Kleinstädte. Der Wildbiologe CHRISTOF JANKO hat untersucht, wie Reineke das anstellt und berichtet über sein Verhalten und die Bejagungsmöglichkeiten in diesen speziellen Lebensräumen. REINEKE IN DÖRFERN UND KLEINSTÄDTEN Ausgefuchste Nachbarn WILD, JAGD, JÄGER 32 WILD UND HUND 23/2008 032_037_Ausgefuchste_Nachbarn.in32 32 17.11.2008 16:29:26 Uhr

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Füchse breiten sich aus bis in Dörfer und Kleinstädte. Der Wildbiologe CHRISTOF JANKO

hat untersucht, wie Reineke das anstellt und berichtet über sein Verhalten und die

Bejagungsmöglichkeiten in diesen speziellen Lebensräumen.

R E I N E K E I N D Ö R F E R N U N D K L E I N S TÄ D T E N

Ausgefuchste Nachbarn

WILD, JAGD, JÄGER

32 WILD UND HUND 23/2008

032_037_Ausgefuchste_Nachbarn.in32 32 17.11.2008 16:29:26 Uhr

Die Lebensumstände für unsere Wild-tiere haben sich im Laufe der letzten Jahrzehnte verändert. Dass diese Ver-

änderungen je nach Wildart positive und ne-gative Effekte haben, kann jeder im hei-mischen Revier beobachten: Die Sauenbestän-de nehmen stetig zu. Feldhasen, Rebhuhn und Feldlerche z. B. haben es schwer – und der Fuchs?

Die Zunahme der Fuchsbesätze ist deutlich sichtbar. Die Gründe dafür liegen vor allem in der Tollwutimmunisierung und den Verände-rungen in der Kulturlandschaft. Sehr gut hat sich der Nahrungsopportunist an diese Ver-hältnisse angepasst. Mittlerweile streifen drei- bis viermal so viele Füchse durch unsere Landschaft wie noch vor 20 Jahren. Doch welche Auswirkungen hat das auf ihre Le-bensweise? Ein Effekt ist, dass Meister Reineke immer häufiger in unseren Gärten auftaucht.

Dieses Phänomen ist nicht gänzlich neu. Al-lerdings konnten Forscher aus der Schweiz be-legen, dass die Zunahme der Fuchsbesätze mit einer zunehmenden Besiedlung der Städte ver-bunden war. Gerade über den Rotfuchs ist wahrlich schon viel Papier beschrieben wor-den. Interessant ist allerdings, dass sich bishe-rige Studien entweder mit der Lebensweise von Füchsen in der offenen Kulturlandschaft, also in Wald und Flur beschäftigten, oder mit Stadt-füchsen.

Aus diesem Grund war das Ziel einer Studi-enreihe der TU München (Lehrstuhl für Tierö-kologie, AG Wildbiologie), das Fuchsverhalten im Übergangsbereich zwischen Stadt und Land zu charakterisieren. Ausschließlich Füchse, welche im Bereich von Dörfern und Kleinstäd-ten leben, wurden mit Halsbandsendern ausge-stattet und radiotelemetrisch überwacht. Ins-gesamt wurden in den Gemeinden Herrsching am Ammersee, Seefeld, Andechs und Oberam-mergau 30 Füchse gefangen. Die wichtigsten Fragen waren: 1. Wie groß sind die Fuchsreviere in diesem

Lebensraum, 2. wie intensiv nutzt der Fuchs menschliche

Siedlungsbereiche und 3. welche Nahrungsquellen sind attraktiv? Die Beantwortung dieser Fragen baut auf wei-teren Überlegungen auf und hat Auswirkungen auf den Jagdbetrieb. 4. Wie lassen sich diese Tiere effektiv bejagen? Oftmals wird nämlich der Jäger gerufen, wenn ein Fuchs „im befriedeten Bezirk“ Unruhe ge-stiftet bzw. „Stallhasen“ oder Hühner geholt hat. Welche Probleme treten auf und welche

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jagdlichen Möglichkeiten stehen zur Verfügung?

Die Reviergrößen von Füchsen, die im Bereich von Dörfern und Kleinstädten leben, liegen im Durchschnitt bei 74 Hektar (ha). Innerhalb ihrer Streifgebiete pendeln die Räuber zwischen den Ort-schaften und den nahe gelegenen Wie-sen, Wäldern und Feldern. Interessanter-weise nutzt der Fuchs somit natürliche Strukturen, aber auch den Siedlungs-raum als Habitat.

Nachts wandern die Tiere regelmäßig in die Ortschaften und dringen zum Teil tief in diese vor. Hier durchstöbert der Fuchs im Laufe der Nacht zahlreiche Grundstücke. Oftmals werden ganze Straßenzüge abgeklappert. Die Tiere wandern stundenlang von Garten zu Garten. Durchschnittlich verbringt Rei-neke ein Viertel seiner Aktivität inner-halb der Ortschaften. Entscheidend ist, dass die besiedelten Bereiche nicht zufäl-lig, sondern gezielt aufgesucht werden. Viele der untersuchten Füchse bevor-zugten immer wieder dieselben Grund-stücke. Eine Analyse dieser Gärten ergab,

dass der Fuchs durch zahlreiche Nah-rungsquellen angelockt wird. Kompost-haufen erweisen sich als die reizvollste und wichtigste Nahrungsquelle. Das An-gebot ist hier besonders groß und reicht von Essensresten und Küchenabfällen über Obst, Früchte, Gemüse bis zu Nage-tieren, Regenwürmern und Insekten. Als Generalist profitiert der Fuchs von die-sem großen Nahrungsspektrum. Hinzu kommt, dass das Futterangebot auf Kom-posten weitgehend saisonal unabhängig ist, denn der Kompost wird das ganze Jahr über beschickt. Neben diesen Quel-len spielen Fallobst und Beeren eine Rol-le. Sie unterliegen allerdings saisonalen Einflüssen. Zusätzlich sind Tierfütte-rungen attraktiv, da sie hochwertige Nahrung darstellen. Dem Fuchs stehen innerhalb von Ortschaften somit zahl-reiche Nahrungsquellen zur Verfügung, die ihn anlocken und immer wieder ver-anlassen, die Nähe des Menschen aufzu-suchen.

Allerdings haben diese Füchse auch „eine wilde Seite“. Über die Hälfte ihrer Zeit verbringen sie in natürlichen Habi-taten. Wiesenflächen werden besonders

gerne aufgesucht, aber auch im Wald ist der Fuchs häufig unterwegs. Vor allem bei der Wahl der Tagesruheplätze kommt dem eine wichtige Bedeutung zu, denn größtenteils ruhen die Tiere in Wäldern. In unserer Grafik auf Seite 36 sind die Reviere eines zweijährigen Rüden (rot) und einer drei- bis vierjährigen Fähe (blau) dargestellt. Gebiete, in denen die Füchse besonders häufig anzutreffen wa-ren, stellen Orte höchster Aktivitätsdich-ten dar (gelb-orange-rote Flächen) und veranschaulichen, wie der Fuchs sein Streifgebiet nutzt. Das Revier des Rüden war 91 ha groß. Deutlich zu erkennen ist, dass das Tier vor allem in der Sied-lung aktiv war. Stattliche 77 Prozent der nächtlichen Aktivitätsphase verbrachte dieser Fuchs innerhalb der Ortschaft. Ta-gesruheplätze (rote Kreise) lagen inner-halb der Siedlung in einem verwilderten Grundstück und unter einer Garage, aber auch im Wald. Die Fähe nutzte eine Flä-che von 103 ha und war zu 60 Prozent im Wald aktiv. Tagsüber ruhte sie entwe-der im Wald oder in einer Schilffläche im nördlichen Teil des Reviers (orange

Auge in Auge – bei der Narkose wird ein Blasrohr verwendet, um den Stress der Tiere

möglichst gering zu halten.

Vorsichtig wird am betäubten

Fuchs das Sendehalsband

angebracht.

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Kreise). Die Fähe konzentrierte ihre Ak-tivitäten auf das Schloss Seefeld, den Schlosspark sowie den angrenzenden Wald.

Hier ist bereits erkennbar, wie unterschiedlich einzelne Füchse ihre Reviere nutzen. Sowohl die Habitataus-gestaltung innerhalb der Streifgebiete als auch die Nutzung sind sehr indivi-duell. Zusammengefasst: Alle Tiere le-ben nahe an den Ortschaften und ha-ben neben natürlichen Habitaten die Siedlung als festen Bestandteil in ihre Streifgebiete eingeschlossen.

Welche Bejagungsmöglichkeiten lassen sich daraus herleiten? Prinzipiell hat jeder Jäger die Möglichkeit, inner-halb des befriedeten Bezirks die Jagd auszuüben. Damit verbunden ist aller-dings ein jagdrechtlicher Hürdenlauf, um die Genehmigung für die Jagdaus-übung im befriedeten Bezirk zu be-kommen. Wird diese erteilt, hat man fast immer das Problem mit der Schuss-abgabe, die innerhalb von Siedlungen fast nie möglich ist. Die Sorgfaltspflicht

muss hier besonders hoch sein. Gerne bummelt der Fuchs von Garten zu Gar-ten. Feste Pässe finden sich vor allem an Gartenzäunen zwischen den Grund-stücken. Es wäre nötig, innerhalb pri-vater Grundstücke zu jagen, was nicht immer einfach ist.

Eine Lösung ist, die jagdlichen Ak-tivitäten in die Randbereiche der Sied-lungen zu verlagern. Hier ergeben sich gute Chancen, denn die angrenzenden Wiesen, Felder und Wälder sind fester Lebensraum der Füchse. Vor allem frisch gemähte Wiesen sind stets at-traktiv, und die Tiere sind zum Teil mehrere Stunden vor Ort, um Mäuse und Regenwürmer zu jagen. Zum Ein-wandern in den Siedlungsraum nutzt der Fuchs gern natürliche Strukturen, wie Wälder, Wiesenkanten oder He-cken. Außerdem wurde beobachtet, dass Füchse gerne über Feld- und Wan-derwege anwechseln. Dies erscheint im ersten Moment vielleicht überra-schend, denn hier ist die menschliche Aktivität durch Spaziergänger, Jogger

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oder Radfahrer hoch. Den Fuchs stört dies wenig. Er hat sich daran gewöhnt, dass es in diesen Strukturen immer men-schelt und verbindet damit keine Ge-fahr.

Wir haben die Erfahrungen bei der Radiotelemetrie gemacht, dass wenn beispielsweise der Fuchs den Weg ent-lang schnürt und ein nächtlicher Jogger entgegen kommt, der Räuber sich im angrenzenden Gebüsch verbirgt, den Jogger vorbeilässt und dann völlig ent-spannt auf dem Weg weiter passt. Para-doxerweise stellt der Mensch für den Fuchs kein Problem dar, für den Jäger in der jagdlichen Praxis aber schon. Ein guter Fuchssitz läge am Ortsrand, am Besten an einer Wiese mit angren-zendem Wald und möglichst mehreren sich kreuzenden Feld- oder Wanderwe-gen. Das ist die nackte Theorie. In der Praxis sieht es aber anders aus. Im Nah-bereich der Siedlungen herrscht eine re-ge Freizeitaktivität.

Vor allem in den jagdlich interes-santen Zeitphasen am Morgen und am Abend bewegen sich Jogger, Spaziergän-ger und Hunde durchs Revier. Dieses Verhalten ist ohne Zweifel eine Störung, die den Jäger stärker betrifft als den Fuchs. Vor allem die sichere Schussab-gabe wird erschwert. Davon abgesehen muss die Jagd in diesem Bereich von der Öffentlichkeit akzeptiert werden. Doch

genau an diesem Punkt wird es schwie-rig. Im Gegensatz zum ländlichen Raum wird die Jagd von Stadtbewohnern weit weniger akzeptiert und als notwenig er-achtet. Deshalb ist es nicht leicht, einen Kompromiss zwischen den Bedürfnissen der Naturliebhaber und der Jagd zu fin-den. Ich kann nur raten, in diesem Fall eine maßvolle Bejagung zu betreiben und die Öffentlichkeit, wann immer möglich, aufzuklären. Da der Bürger er-fahrungsgemäß keinen tieferen Einblick in die Jagd besitzt, liegt es an uns, die Jagd als sinnvolle Tätigkeit darzustellen.

Abgesehen von den bisher genann-ten Punkten steht uns noch eine weitere Möglichkeit zur Verfügung: die Fang-jagd. Da ich selbst alle meine Füchse mit der Kastenfalle gefangen habe, muss ich allerdings konstatieren, dass dies ein sehr

Ein Forschungsobjekt

ist am Sender! Der

bereits angelegte

Halsbandsender ist im

Winterbalg für den

Jäger schwer zu

erkennen.

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schwieriges und vor allem zeitaufwän-diges Unterfangen ist. Hinzu kommt, dass in der Siedlung die Beifangraten sehr hoch sind. Vor allem Katzen und Igel, aber auch Marder, Mäuse und Rat-ten sowie allerhand Vogelarten sitzen re-gelmäßig in den Fallen. Mit dieser Me-thode hohe Fangquoten innerhalb von Dörfern zu erreichen, ist schlichtweg un-möglich.

Zusammengefasst: Die Streifgebiete der untersuchten Füchse sind deutlich kleiner als Fuchsterritorien im Revier oh-ne Ortschaften. Im umgekehrten Fall sind sie wiederum größer als Lebensare-ale von reinen Stadtfüchsen (25 bis 65 ha). Auch in der Habitatnutzung zeigt sich ein wechselhaftes Bild, da die Tiere natürliche Habitate und den Siedlungs-raum nutzen. Klar ist, dass die Attraktivi-tät der Siedlung auf einem hohen Nah-rungsangebot beruht. Im Siedlungsraum ballen sich viele Gärten auf relativ gerin-ger Fläche. Diese Komponente, nämlich hohe Nahrungsverfügbarkeit auf kleiner Fläche, lässt optimale Ernährungsbedin-gungen für die Generalisten entstehen.

Im Bereich von Dörfern und Klein-städten zeigt der Fuchs somit ein inter-mediäres Verhalten, das in dieser Form noch nicht beschrieben wurde. Für die Jagd bedeutet dies, dass schwerpunktmä-ßig im Nahbereich der Ortschaften ge-jagt werden muss. Dies wiederum bringt

Zu erkennen

sind die

Streifgebiete

eines Rüden

(rotes Polygon)

und einer Fähe

(blaues

Polygon) sowie

deren Tages-

ruhe plätze

(rote bzw.

orange Kreise).

Die farbigen

Wolken geben

die Dichte-

verteilung der

Peilungen an

und zeigen,

welche

Gebiete vom

Fuchs

bevorzugt

genutzt werden.

für den Jäger einige Nachteile mit sich, welche in der jagdlichen Praxis stören und die Jagd zusätzlich erschweren. Ob-wohl festgestellt wurde, dass Füchse Dör-fer und Kleinstädte vorzugsweise nutzten, ist ein Aufbau von innerstäd-tischen Fuchspopulationen nicht zu be-obachten. Die Füchse sind zwar bereits an den Menschen gewöhnt, allerdings nicht in den Ausmaßen, wie dies bei Stadtfüchsen der Fall ist. Ausgehend von Stadtfuchsrevieren von rund 50 ha wäre es theoretisch möglich, dass sich Füchse in Dörfern etablieren.

In der Praxis ist dies aber nicht der Fall. Angenommen wird, dass die Wech-selwirkungen zwischen begrenztem Sied-lungsraum verbunden mit attraktivem Nahrungsangebot die innerartliche Kon-kurrenz verschärft, wodurch es einzelnen Individuen nicht möglich ist, sich in der Siedlung zu etablieren. Frei nach dem Motto, dass jeder ein Stück vom Kuchen abhaben möchte, wird die Ortschaft un-ter den Füchsen aufgeteilt.

Wieder einmal zeigt sich, dass theore-tische Annahmen nicht bedenkenlos in die Praxis übertragbar sind und dass der Fuchs sein individuelles und komplexes Verhalten nicht in eine menschliche Schablone pressen lässt. Unser hei-misches Wild ist immer für eine Überra-schung gut – und das ist auch gut so! e

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