Retrograde Nagelung am Humerus

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  • S292 Trauma und Berufskrankheit Supplement 2 2001

    Die Geschichte der Oberarmnagelungzeigt, dass der retrograde Zugang zumOberarm von Anbeginn an nicht nur alsAlternative zum spter zunchst favori-sierten antegraden Zugang gedacht war.Kntscher [7] hat in seiner Praxis derMarknagelung 1962 den Retrogradzu-gang przise so beschrieben, wie er auchheute noch mit fast denselben Instru-menten durchgefhrt wird. Die Gleich-wertigkeit der beiden Zugangswegewurde am besten in der Hackethal-Bn-delnagelung verwirklicht, weil sie erst-mals alle Optionen fr die verschiede-nen Frakturtypen zulie. Deshalb wardie Bndelnagelung vorbildhaft undMastab fr die weitere Entwicklungund deswegen hat sie auch bis heuteberlebt.

    Die Oberarmnagelung konnte sichaber aus 2 wesentlichen Grnden zu-nchst nicht weiter entwickeln:

    1. Bis heute gilt das Primat der konservati-ven Behandlung der Oberarmschaft-fraktur, wenn keine Kontraindikationdafr besteht. Die erfolgreiche, konser-vativ-funktionelle Therapie der Ober-armschaftfraktur ist eng mit den Na-men Sarmiento [17] und Specht [19]verbunden. Sie beruht im Wesentlichenauf der Tatsache, dass der muskulre Weichteilman-

    tel um die Fraktur untersttztdurch eine Manschette um denOberarm eine ideale und ausrei-chende Schienung darstellt,

    dass sich Achsenfehlstellungendurch den Tonus der Oberarmmus-kulatur weitgehend reponieren und

    dass verbliebene Achsenfehlerfunktionell unbedeutend sind.

    Sarmiento et al. [17] haben 2000 das Er-gebnis der konservativen Behandlungvon 465 geschlossenen und 155 offe-nen Oberarmschaftfrakturen, die sievon 19781990 behandelt haben, pu-bliziert. Nach einer durchschnittlichenKonsolidierungszeit von 11,5 Wochen(9,414,5 Wochen) war keine Infektionzu verzeichnen, die Pseudarthroseratebetrug bei geschlossenen Frakturen 2%und bei offenen Frakturen 6%.

    2. Der 2.wesentliche Grund, der die Weiter-entwicklung der Oberarmnagelung ne-gativ beeinflusste, war die AO, die beientsprechender Indikation die offeneReposition und interne Stabilisierungmittels Zugschraube und Platte propa-gierte. Dieses Verfahren gilt bis heuteweltweit als Therapie der Wahl. DerNachteil der weiten Freilegung derFraktur, des dadurch erhhten Infek-tionsrisikos und der Gefhrdung des N. radialis wurde durch die sofortigebungsstabilitt und eine niedrigePseudarthroserate kompensiert.Die 1991 verffentlichte AO-Sammel-studie [11] ergab allerdings, dass alsFolge der Plattenosteosynthese ein un-vertretbar hoher Anteil an postoperati-ven Radialisschden zu verzeichnen war.

    Trauma Berufskrankh2001 3 [Suppl 2]: S292S296 Springer-Verlag 2001 Therapeutische Alternativen

    Rupert BeickertBG-Unfallklinik Murnau

    Retrograde Nagelung am HumerusEine Alternative?

    Dr. Rupert BeickertChirurgie/Unfallchirurgie,BG-Unfallklinik Murnau,Prof.-Kntscher-Strae 8, 82418 Murnau(E-Mail: [email protected],Fax: 08841-482109)

    Zusammenfassung

    Die Verriegelungsmarknagelung von Ober-armfrakturen und -pseudarthrosen hatgegenber der etablierten internen Osteo-synthese mit Schrauben und Platten Vor-und Nachteile. Die wesentlichen Vorteilesind: geringere Zugangsmorbiditt, biologi-sche Knochenbruchheilung und geringeresRisiko einer intraoperativen N.-radialis-Sch-digung. Nachteile sind: Zusatzfrakturen undhhere Pseudarthroserate. Die Mglichkeitder retrograden Oberarmnagelung ist seit > 50 Jahren bekannt, aber erst die neu ent-wickelten Verriegelungsmarkngel lassen, jenach Frakturlokalisation, eine Option beiderZugangswege zu. Als Alternative zur ante-graden Nagelung erweitert die Retrogradna-gelung das Indikationsspektrum auf weitproximale Frakturen, eine zugangsbedingteLsion der Schulter entfllt, weswegen diefunktionellen Ergebnisse insgesamt bessersind. Das Risiko einer Zusatzfraktur am Ein-trittspunkt betrgt 5%.

    Schlsselwrter

    Humerusfrakturen Retrograde Nagelung Komplikationen

  • Trauma und Berufskrankheit Supplement 2 2001 S293

    Je nach beteiligter Klinik betrug derenAnteil 026%, im Mittel etwa 11%.Auch wenn sich die postoperativen Ra-dialisschden in der Regel spontan zu-rckbildeten, gab die genannte StudieAnlass zur Rckbesinnung auf die intra-medullre Osteosynthese am Humerus-schaft, v. a. auch um die unverkennba-ren Vorzge der Marknagelung langerRhrenknochen (biologische Knochen-bruchheilung, minimalisierte Zugnge,frhzeitige Belastungsstabilitt) aucham Oberarm verwirklichen zu knnen.

    Der erste Humerusverriegelungsnagelwurde von Seidel konzipiert. Er wurdeber den antegraden Zugang an derGrenze zwischen Tuberculum majusund der Humeruskopfgelenkflche ein-gebracht.Die proximale Verriegelung er-folgte ber Schrauben, zur distalen Ver-riegelung diente eine Spreizschraube.Zahlreiche Erstanwender [12, 15] berich-teten ber eine sehr hohe Komplika-tionsrate (Pseudarthroserate bis 23%,Zusatzfrakturen bis 26%, Schulterfunk-tion schlecht bis 39%), sodass von demImplantat zugunsten der Plattenosteo-synthese abgeraten wurde. Anwender,die ber hohe Fallzahlen verfgten, ka-men allerdings zu wesentlich besserenErgebnissen mit einer zugangsbeding-ten Impingementrate von 7%, einerHufigkeit von Zusatzfrakturen von 7%und sehr guten funktionellen Ergebnis-sen in 68% der Flle [6, 18]. Neben derunsicheren distalen Verriegelung,die diePseudarthrosenentstehung begnstigt,schien v. a. der antegrade Zugangswegzum Humerusschaft fr die schlechtenfunktionellen Ergebnisse verantwortlichzu sein [1].

    Mit dem Russel-Taylor-Nagel lagein erstes Implantat vor, das aufgrundseines Durchmessers sowohl von ante-grad als auch von retrograd eingebrachtwerden konnte, die Verriegelung erfolg-te proximal und distal mit jeweils einerSchraube, wodurch die Rotationsstabi-litt gesichert war. Rommens et al. [13]berichteten nach Retrogradnagelungvon 39 Frakturen mit dem Russel-Tay-lor-Nagel ber Zusatzfrakturen ohneStrung der Frakturheilung in 7,8%, ei-ner verzgerten Bruchheilung in 5% undsehr guter Schulterfunktion nach Aus-heilung in 92,3% bei sehr guter Funktionam Ellbogen in 87% der Flle.

    Crates u.Whittle [2] hatten nach an-tegrader Russel-Taylor-Nagelung von

    73 Frakturen (36% offene Frakturen,4% Arterienverletzung, 16% primrerRadialisschaden) eine primre Fraktur-heilung in 94,5%, sie verzeichneten Zu-satzfrakturen in 2,7%, postoperative Ra-dialisschden in 2,7%, ein Schulterim-pingement in 4,1% und nach Ausheilungeine sehr gute Schulterfunktion in 90%bei sehr guter Funktion am Ellbogen in96% der Flle.

    Fr die Weiterentwicklung der Mark-nagelosteosynthese am Humerus warenalso magebend:

    ein dnnkalibriges und dennoch hoch-stabiles Implantat mita proximaler und distaler Verriege-

    lung durch Schrauben undb gleichwertiger Option fr ante-

    graden und retrograden Zugang.

    Fr die hufigen Schaftfrakturen immittleren Drittel bleibt der Zugangswegoffen, er soll im Folgenden diskutiertwerden.

    Antegrader Zugang bei Schaftfrakturen im mittleren Drittel

    Als klassischer Zugang zum Hu-merusschaft bietet der antegrade Zu-gang Vor- und Nachteile, die durch lang-jhrige Erfahrungen mit vielfltigen Im-plantaten belegt werden knnen. Unterder Annahme der Verwendung einesmodernen Verriegelungsnagels (Rus-sel-Taylor-Nagel, UHN, ICNH usw.), sol-len nicht die implantatspezifischen Pro-bleme diskutiert, sondern Vor- undNachteile angesprochen werden,die sichaus der Zugangswahl ergeben.

    Vorteile

    Der antegrade Zugang bietet folgendeVorteile:

    1. Er ist in der Regel minimalinvasiv, zurPrparation der Eintrittspforte fr denNagel ist eine Hautinzision von 1,52 cmerforderlich.

    2. Nach Erffnen der Kortikalis am ber-gang des Tuberculum majus zur Hu-merusgelenkflche und Vorprparationin die Spongiosa des Kopfs und derMetaphyse mit einem Pfriem ist eineungebohrte Nagelimplantation mglich.

    3. Der Eingriff erfolgt in Beach-chair-Lage-rung, wodurch

    R. Beickert

    Retrograde nailing of thehumerus. Is it an alternative?

    Abstract

    Humeral interlocking nailing has some ad-vantages over the established technique ofopen reduction and internal fixation forhumeral fractures and nonunions, but thereare also ways in which it is not so good.Thebenefits are the lower morbidity of the ap-proach used for interlocking nailing, biolog-ical fracture healing and a lower risk of in-traoperative inury to the radial nerve. Disad-vantages are additional fractures at the en-try point and a higher incidence ofnonunions after nailing of acute fractures.The possibility of retrograde humeral nailinghas well known for over 50 years, but thesuccessful use of the retrograde techniqueonly became an option with the availabilityof the the new implants. As an alternative toconventional antegrade nailing, the retro-grade approach adds proximal humeral frac-tures to the range of indications for nailing,lessens the postoperative shoulder prob-lems, and increases the proportion of goodand exceellent results.There is a 5% risk ofadditional fractures at the entry point whenthe fossa olecrani approach is used.

    Keywords

    Humeral fractures Retrograde nailing Complications

    Trauma Berufskrankh2001 3 [Suppl 2]: S292S296 Springer-Verlag 2001

  • die Akutversorgung polytraumati-sierter Patienten,

    die Versorgung von Kettenverlet-zungen des Arms,

    die Versorgung von Thorax- undSchdel-Hirn-Verletzten,

    die Versorgung von beidseitigenOberarmfrakturen und

    die Versorgung von Adipsen ermglicht oder erleichtert werden.

    4. Je nach Nageldesign knnen weit distalliegende Frakturen bis 2 cm oberhalbdes Endes der Humerusschaftmarkhh-le erreicht werden.

    Nachteile

    Der antegrade Zugang bietet folgendeNachteile:

    1. Das Nagelende darf die Kortikalis desTuberculum majus nicht berstehen.Bei mglicherweise notwendiger Dyna-misierung des Marknagelsystems oderbei Kompression muss der Nagel tief inden Eintrittskanal eingebracht werden.

    2. Das Impingementproblem muss miteiner Hufigkeit von 47% kalkuliertwerden.

    3. Bei lteren Patienten kann die Eintritts-inzision zur einer zustzlichen Schdi-gung der Rotatorenmanschette fhren.

    4. Die immer in Freihandtechnik zu be-werkstelligende, distale Verriegelung istschwierig.

    5. Gefhrdet sind der N. radialis (Verriegelung von

    distal-lateral), der N. medianus (Verriegelung

    von distal-volar) und der N. axillaris (Verriegelung ber

    Zielgert von proximal-lateral)[16].

    6. Abhngig vom Nageldesign knnenweit proximale Frakturen nicht sicherstabilisiert werden.

    Retrograder Zugang bei Schaftfrakturen im mittleren Drittel

    Als alternativer Zugang zum Hu-merusschaft ist der retrograde Zugangseit ber 50 Jahren bekannt [10].

    Abgesehen von der Bndelnagelungnach Hackethal und der Versorgung vonKindern und Jugendlichen mittels elas-tisch stabiler intramedullrer Nagelung(ESIN) nach Prevot sind die Erfahrun-gen mit den modernen Implantaten jung.

    Vorteile

    Der retrograde Zugang bietet folgendeVorteile:

    1. Ein operativer Zusatzschaden der Schul-ter entfllt.

    2. Es ist kein Nagelimpingement zu erwar-ten.

    3. Selbst beim lteren Patienten wird dieSchulterfunktion weit weniger kompro-mittiert.

    4. Proximale Frakturen, selbst ausgespro-chene Trmmerfrakturen und die sub-kapitale Fraktur, knnen ber den Re-trogradzugang gut stabilisiert werden.

    5. Im metaphysren Bereich reicht eineVerriegelungsschraube.

    6. Aufgrund der distalen Verriegelungber Zielgerte ist der N. radialis weitweniger gefhrdet.

    Nachteile

    Der retrograde Zugang bietet folgendeNachteile:

    1. Der Zugangsweg ist nicht minimalinva-siv. Es ist eine Hautinzision von 610 cmerforderlich. Der Eintrittspunkt mussfreiprpariert und mit Haken eingestelltwerden.

    2. Eine vllig ungebohrte Nagelung istmeist nicht mglich, das sehr enge dis-tale Ende der trompetenfrmig sichnach oben erweiternden Markhhlemuss meist durch Bohrer vergrertwerden. Dies birgt die Gefahr von Ein-tritts- und Zusatzfrakturen in sich.

    3. Der Eingriff erfolgt in Bauchlagerung,damit wird das Indikationsspektrumeingeschrnkt: Polytraumatisierte undVerletzte mit Schdel-Hirn-Trauma oderKettenverletzungen am Arm knnennicht akut versorgt werden.

    4. Die proximale Verriegelung, die immerin Freihandtechnik erfolgen muss, istbei Adipsen und bei weit proximalenFrakturen besonders schwierig.

    5. N. axillaris und N. musculocutaneusknnen durch die proximale Verriege-lung tangiert werden

    6. Ein wesentliches Problem der Retro-gradnagelung ist die Gefahr von Zu-satzfrakturen am Eintrittsportal kranialder Fossa olecrani. Biomechanische Ka-daverstudien [20] belegten eine Minde-rung der Torsionssteifigkeit des distalenHumerus nach Anlegen eines adqua-ten Zugangsportals von 2945% je

    nach Hhe. Je nher die Eintrittsff-nung an der Fossa olecrani liegt, umsohher ist die Gefahr zustzlicher Fraktu-ren. Eine zustzliche Gefhrdung liegtvor, wenn durch das Aufbohren des dis-talen Markraums die beugeseitige Kor-tikalis angefrst wird. Diese Gefahrscheint v. a. beim Aufbohren ber einenFhrungsdraht vorzuliegen.Zu unterscheiden sind harmlose, in-komplette Eintrittsfrakturen, die nur diedorsale Kortikalis betreffen und in derRegel keiner zustzlichen Stabilisierungbedrfen, von kompletten suprakondy-lren Frakturen, die nach den Regelnder AO mittels Plattenosteosyntheseversorgt werden mssen.Das Problem von Zusatzfrakturen istnicht unerheblich. Bei Zugrundelegungder bisherigen Publikationen [1, 3, 4, 5,8, 9, 14] einer Komplikationsanalyse er-gibt sich folgendes Bild: Zugangs- und Zusatzfrakturen

    4,013,5%, postoperativer Radialisschaden

    2,74,2%, Pseudarthrosen 7,49,0%.

    Die Risiken werden durch ein durchweggutes funktionelles Ergebnis nach Aus-heilung aufgewogen:

    Schulterfunktion frei 84100% Ellbogenfunktion frei 8696%

    Eigene Erfahrungen

    Von Juni 1993Dezember 1999 wurdenan der Unfallklinik Murnau 78 Markna-gelosteosynthesen am Oberarm durch-gefhrt. Nachverfolgt werden konntenbis dato 65 (83%). Der Eingriff erfolgtebei 38 frischen Frakturen, 25 Pseudar-throsen und 2 Knochenmetastasen.31 Eingriffe (47,6%) erfolgten nach Vor-liegen geeigneter Implantate (UHN,ICNH) in den letzten beiden Jahren(1998, 1999).

    Frakturversorgung

    Die Indikation zur Marknagelosteosyn-these frischer Frakturen zeigt Tabelle 1.Monoverletzungen des Oberarms sindunterreprsentiert, die groe Mehrheitgibt das weite Spektrum der Indikationzur Osteosynthese am Oberarm wie-der.

    Von 38 Frakturen lagen 25 (66%) immittleren Drittel, beim Zugangsweg hal-

    S294 Trauma und Berufskrankheit Supplement 2 2001

    Therapeutische Alternativen

  • ten sich antegrader und retrograder Zu-gang aktuell die Waage (jeweils 19).

    Zusatzfrakturen ereigneten sich beider Frakturversorgung nicht, es tratauch keine postoperative Radialislh-mung auf. Einmal ergab sich ein Schul-terimpingement durch einen zu langenNagel bei antegradem Zugangsweg, ein-mal verblieb ein sensibler Ausfall imAusbreitungsgebiet des N. musculocuta-neus wahrscheinlich durch eine Ver-riegelungsschraube. Das sekundre Ab-kippen einer zustzlichen Kopffraktur,die durch den retrograd eingebrachtenNagel aufgefdelt, aber nicht sicher ver-riegelt worden war, machte eine ergn-zende Osteosynthese mittels Spickdrh-ten erforderlich. Nach einer drittgradigoffenen Fraktur mit Gef- und Nerven-schaden war sekundr eine Oberarm-amputation notwendig. Nach Retro-gradnagelung kam es 2-mal innerhalbvon 8 Monaten nicht zur knchernenKonsolidierung,sodass ein Folgeeingriffmit Marknagelwechsel, Aufbohren undEinbringen eines komprimierbarenMarknagels notwendig wurde, wodurchdie Pseudarthrosen konsolidierten, ein-mal wurde bei verzgerter Bruchheilungnach 6 Monaten ein primr statisch ver-riegelter Bruch dynamisch kompri-miert. Die Pseudarthroserate nach Frak-turversorgung betrug also 7,9%.

    9 polytraumatisierte Patienten mitOberarmschaftfraktur wurden im Durch-schnitt nach 3,3 Tagen (09 Tage) mittelsMarknagel versorgt,4-mal war vorab einFixateur extern angelegt worden. Derantegrade Zugang wurde 6-mal, der re-trograde 3-mal gewhlt.

    Pseudarthrosenversorgung

    Von den 25 durch Marknagel versorgtenOberarmpseudarthrosen waren 4 nachkonservativer und 21 nach operativerFrakturversorgung aufgetreten. 14-malwaren 1 Eingriff, 4-mal 2 Eingriffe, 2-mal3 Eingriffe und 1-mal 4 Eingriffe voraus-gegangen. Bei den Voroperationen wa-ren 4-mal primr eine Plattenosteosyn-these, 7-mal eine Bndelnagelung und10-mal eine Marknagelosteosynthesedurchgefhrt worden. Bei Letzteren wa-ren alle gngigen Marknageltypen ver-treten.

    Der Zugangsweg richtete sich in derRegel nach dem Voreingriff, 10-mal wur-de der antegrade, 15-mal der retrogradeZugang gewhlt.

    An ergnzenden Manahmen wur-den 7-mal bei atrophen oder hypotro-phen Pseudarthrosen Spongiosaplasti-ken durchgefhrt, 18-mal wurden als al-leinige Manahme ein Aufbohren derMarkhhle vorgenommen und auf ei-nen komprimierbaren Nagel gewechselt.

    Eine Infektion war nicht zu ver-zeichnen. Zu Zusatzfrakturen am retro-graden Eintrittspunkt kam es 3-mal, zueiner monokortikalen Absprengungdorsal, die keiner weiteren Versorgungbedurfte, 2-mal, 1-mal trat bei vorbeste-hende Schultersteife nach Einbringendes Nagels beim Drehen des Arms zurproximalen Zweitverriegelung eine su-prakondylre Fraktur ein, die mittelsDoppelplattenosteosynthese stabilisiertwurde.

    Eine komplette, postoperative Radia-lislhmung wurde nach Entfernung ei-ner dorsal angelegten Platte trotz kunst-gerechter Freiprparation des Nervs,der ber der Platte gelegen war, ver-zeichnet. Zum Nachuntersuchungszeit-punkt 12 Monate postoperativ war nochkeine Remission eingetreten.

    Innerhalb von 812 Monaten nachdem Eingriff wurden 4 von 25 Pseud-arthrosen (16%) nicht fest. In allen Fl-len erfolgten bei liegendem Nagel einePseudarthrosenresektion und die sekun-dre Spongiosaanlagerung, wodurch esin den folgenden 68 Monaten zur Kon-solidierung kam.

    Resmee

    Die retrograde Humerusnagelung ist Al-ternative und Ergnzung in der operati-ven Versorgung von Humerusschaft-

    frakturen und -pseudarthrosen.Sie wirddurch spezielle Implantate ermglicht,deren Design den anatomischen Be-sonderheiten der Markhhle des Ober-arms gerecht wird. Die Mglichkeit derKompression einer Pseudarthrose oderbestimmter Frakturformen erweist sichan der unbelasteten oberen Extremittals gnstig, ein direkter Vergleich mitder Druckplattenosteosynthese stehtaber noch aus.

    Der Retrogradzugang hat Vor- undNachteile. Er erweitert das Spektrum aufdie Versorgung auch proximaler Hu-merusfrakturen und -pseudarthrosen,und er vermeidet die beim Antegradzu-gang hufigen postoperativen Schulter-probleme, ist aber mit der Gefahr vonZusatzfrakturen am Eintrittspunkt be-lastet. Durch das zum Einbringen desNagels notwendige 2,51-cm-Portaloberhalb der Fossa olecrani wird dieTorsionssteifigkeit des Humerus herab-gesetzt. Das Risiko einer Zusatzfrakturbetrgt etwa 5%.

    Unabhngig vom Zugangsweg be-trgt das Risiko einer Pseudarthrose beider Nagelung von Oberarmfrakturen bis10%.

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    Trauma und Berufskrankheit Supplement 2 2001 S295

    Tabelle 1Indikation zur Operation (Mehr-fachnennungen mglich)

    Indikation Anzahl

    Monoverletzung 9Polytrauma 9Thoraxtrauma 5Offene Fraktur 4Mehretagenfraktur 3Radialislhmung 3Becken-/LWS-Verletzung 2Plexusschaden 2Kettenverletzung 2Adipositas 2Demenz 1Schwangerschaft 1

  • S296 Trauma und Berufskrankheit Supplement 2 2001

    Therapeutische Alternativen

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