RINGVORLESUNG Genderaspekte der Sexualität und Reproduktion WS 07/08 MedUni Wien

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RINGVORLESUNG Genderaspekte der Sexualität und Reproduktion WS 07/08 MedUni Wien Heidelinde Hammer (Medizinische Universität Wien) Stefan Vater (Verband Österreichischer Volkshochschulen, Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz) Kontrollgesellschaften, Normregulierung und Reproduktion. Biomacht und Biopolitik bei Michel Foucault

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WS 07/08MedUni Wien

Heidelinde Hammer (Medizinische Universität Wien)

Stefan Vater (Verband Österreichischer Volkshochschulen, Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz)

Kontrollgesellschaften, Normregulierung und Reproduktion.

Biomacht und Biopolitik bei Michel Foucault

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Vorbemerkungen

Was ist Gesundheit? Was ein gesunder Körper?Was ist ein natürliches, gesundes Gleichgewicht?Was ist schön?Wie schlank ist schlank?

Und wie kommt es zu Vorstellungen darüber was gesund, schön, krank oder natürlich ist?

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Historische Schönheitsvorstellungen

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Michel Foucault(1926-1984)

Franz. Philosoph, Historiker, Ideengeschichtler

Werke: Die Ordnung der Dinge, Sexualität und Wahrheit, Archäologie des Wissens, Dispositive der Macht

„Unerträglich sind: die Gerichte, die Bullen, die Krankenhäuser, die Irrenanstalten, dieSchule, der Wehrdienst, die Presse, das Fernsehen, der Staat“ (nach: Eribon 1989).

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„Er [Der Sex] (...) gibt Anlass zu unendlich kleinlichen Überwachungen, zu Kontrollen aller Augenblicke, zu äußerst gewissenhaften Raumordnungen, zu endlosen medizinischen oder psychologischen Prüfungen: zu einer ganzen Mikro-Macht über den Körper.

Er gibt aber auch Anlass zu umfassenden Maßnahmen, zu statistischen Schätzungen, zu Eingriffen in ganze Gruppen oder in den gesamten Gesellschaftskörper.

Der Sex eröffnet den Zugang sowohl zum Leben des Körpers wie zum Leben der Gattung. Er dient als Matrix der Disziplinen und als Prinzip der Regulierungen.“

(Foucault, Der Wille zum Wissen / Dispositive der Macht)

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Machtanalytische Aspekte nach Foucault – Wie regieren, regeln Gesellschaften ihr Funktionieren?

Disziplinartechnologie 17Jh/18Jh – Aufkommen einer neuen Machttechnologie, die die räumliche Verteilung, Ausrichtung und Serialisierung der Körper organisiert (in Architekturen etc.) und sie so (dauerhaft) formt und ordnet.Formung/Disziplinierung der individuellen Körper (in Institutionen wie Schule etc.)

Karikatur von 1904: „Das Reformkleid ist vor allem hygienisch und erhält den Körper tüchtig für die Mutterpflichten.“

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Das panoptische Gefängnis

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Machtanalytische Aspekte nach Foucault – Wie regieren, regeln Gesellschaften ihr Funktionieren?

Ende des 18Jh – Biomacht/Biopolitik: Regulierung als (direkte) Macht über das Leben.

Richtet sich nicht auf die Formung individueller Körper – sondern ist: Bevölkerungspolitik (mittels statistische Erfassung etc) – regulierende/kontrollierende Körper-Technologie (u.a. Medizin, Gentechnik)

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Gesellschaftsanalytische Aspekte

Neue Formen der Normierung durch Biopolitik

Orientierung und Formung der Gesellschaft am statistischen Mittelmaß -- durchschnittliche Lebenserwartung, Idealgewicht, Durchschnittsverdienst,... als Orientierungsfolien der Normalität ()– nicht an naturgegebener Norm

Von der Disziplinar- zur Kontrollgesellschaften (Zwang vs. Kontrolle)

„ultraschnelle Kontrollformen mit freiheitlichem Aussehen“ ergänzen Disziplinierung zur Erhaltung der gesellschaftlichen Ordnung (Gilles Deleuze)

Reproduktion – als dynamische Wiederherstellung des gesellschaftlichen Status Quo

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Basierte die souveräne, disziplinierende Macht auf dem Recht „sterben zu machen und leben zu lassen“ (Foucault) und operierte über Zwang, Repression und Abschöpfung von Produkten, Gütern, Diensten, Arbeit und Blut, so kann die Biomacht als produktive Macht angesehen werden.

Sie richtet sich nicht auf Restriktion, sondern auf Bewahrung, Steigerung und Optimierung des Lebens. Geburtenrate, Sterblichkeitsrate, Gesundheitsniveau, Lebensdauer... werden Gegenstand regulierender Kontrolle und Verwaltung. (vgl. Marianne Pieper 218)

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Stichworte zur machtechnologischen Geschichte der Medizin

„Medicinische Polizey“ (La Mere 1705)leistet Hilfe und Zwang zur Gesundheitin ordnungspolitischer Funktion

Familie als Scharnier privater Ethik des gesunden Lebens und der Kontrolle der Hygiene

„Arzt als Berater bezüglich der Organisation des Staatskörpers“Medizin und Regierungstechnik

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Neoliberale Körpergefühle (Eva Kreisky)

Natürliches Körpererleben gibt es nicht! Ordnungen der Körper stets kulturell vermittelt.

Historische Aus-Formungen der Körpervorstellungen: Truppenkörper (soldatischer Männerkörper) vs. Gebärmaschine

Neukonfiguration von Körperlichkeiten und Gesundheitsvorstellungen im Neoliberalismus (Wende nach Innen: Hygiene vs. Immunstärkung)

Vorstellungen von der technischen Reproduzierbarkeit und Formbarkeit der Körper nach gesellschaftlichen Anforderungen (Körper-Maschine)

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Schön sein ist als überaus wirkungsvolles soziales Zeichen ein Muss für alle, die Erfolg haben wollen. Im Körperkult, dem Wettstreit um die tollsten Muskeln und den wohlgeformtesten Busen, wird körperliche Schönheit mit Glücks- und Heilserwartungen gleichgesetzt. (Kreisky)

Medizin die nicht aus „Gesundheitsgründen“ agiert – Status, Ästhetik, Luxus.

Ganz einfach gesund!Stern, 2002

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Schlankheitskult der Menschen- und StaatskörperKörperbilder und NatürlichkeitDe-thematisierung von Geschlecht der Staatskörper

Uniforme Tüchtigkeit der neoliberalen Körper

Neoliberale, unerreichbare Idealkörper und deren verordnete Askese (Modells, Manager, Actionhelden)

In welchem Körper würden Sie lieber leben?www.rossmann-rolfing.de / Naturheilkunde

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In entgrenzten und entfesselten Marktwelten existiert für "unvollkommene" Körper schwindende soziale Akzeptanz, erst recht versiegen soziale Abfederungen wie Garantien annehmbarer Lebens- wie Arbeitsräume für alle. Rücksichtslose Interventionen sozial in-sensibler Politiken sozialstaatlicher Deregulierung spitzen selektive wie elitäre Trends der Körperpolitiken des Neoliberalismus weiter zu. (Kreisky)Selbstverantwortete Gesundheit

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Körperdiktat und Modifikationen

Die durch den Neoliberalismus verheißene neue Welt individuellen Glücks ist eine von Jugend-, Schönheits- und Sportlichkeitskulten geschlechtsspezifisch geregelte Welt. Altes, Unschönes, Unsportliches verschwindet allmählich aus Lifestyle-Märkten wie öffentlichen Räumen.

Die Epoche des Neoliberalismus stellt auf radikale Weise die Frage nach "brauchbaren", "nützlichen" und vor allem "um/formbaren" Körpern.

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An der Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert scheint der Körper nun überhaupt in seiner Körperlichkeit zu "verschwinden". Im „Cyberspace“ wird der Körper „entmaterialisiert“ in „digitale Codes“ aufgelöst, ähnliches gilt für Vorstellungen der Gentechnik.

Der Körper wird nicht selten nur noch als Objekt "technischer" Verfügbarkeit angesprochen – CYBORG Metapher – technokörperliche Männerphantasien

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Der Begriff des "Cyborgs" ("cybernetic organism") wurde 1960 von australischen Wissenschaftern im Kontext eines NASA-Forschungsvorhabens geprägt, in dem es um die hypothetische Frage ging, wie der menschliche Körper "umgebaut" werden muß,welcher Implantate und Pharmaka er bedarf, um ihn an – für ihn im Grunde nicht lebbare – extreme Bedingungen im Weltraum "anzupassen".

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Die Wortschöpfung des "Cyborgs" wurde in der Folge zur "Metapher für den Neuen Menschen"

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Literatur

•Georges Canguilhem, Das Normale und das Pathologische, München 1974•Gilles Deleuze, Postskriptum über die Kontrollgesellschaften, in: derselbe, Unterhandlungen 1972-1990, Frankfurt 1993, S.254 -262. •Didier Eribon, Michel Foucault, Paris 1989.•Michel Foucault, Sexualität und Wahrheit 1, Der Wille zum Wissen, Frankfurt 1983.•Michel Foucault, Dispositive der Macht, Berlin 1978.•Donna Haraway, Die Neuerfindung der Natur, Frankfurt 1995.•Eva Kreisky, Neoliberale Körpergefühle. Vom neuen Staatskörper zu profitablen Körpermärkten, Wien 2003 (vgl. http://evakreisky.at/onlinetexte/koerpergefuehle_kreisky.pdf)•Marianne Pieper, Biopolitik – Die Umwendung eines Machtparadigmas, in: dieselbe (Hg.), Empire und die biopolitische Wende, Frankfurt-New York 2007, S. 215-244.•Stefan Vater, Nur nicht aus der Reihe tanzen. Normalität heisst sein wie andere, in: IWK Miteilungen 3-4/2006, S. 2-5.

Zu Haraway: vgl. http://soziologie.ch/users/shani/kommfem.htmlZu Foucault vgl.: http://www.foucaultsociety.org/resources/michel_foucault.asp

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Georges Canguilhem

1904-1995

Das Normale und das Pathologische, Paris 1972

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Donna Haraway

*1944

Biologin, Professorin für feministische Theorie und Technoscience

Verfasst 1983 ein „Manifest für Cyborgs“