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SWP-Studie Stiftung Wissenschaft und Politik Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit Anneli Ute Gabanyi Rumnien vor dem NATO-Beitritt S 32 September 2002 Berlin

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SWP-StudieStiftung Wissenschaft und PolitikDeutsches Institut für InternationalePolitik und Sicherheit

Anneli Ute Gabanyi

Rumänien vor demNATO-Beitritt

S 32September 2002Berlin

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Inhalt

Problemstellung und Empfehlungen 5

Die zweite Osterweiterungsdebatte der NATO 7Von Madrid nach Prag 7USA initiieren zweite Runde der Osterweiterung 8Neue geopolitische Gewichtung Südosteuropas nachdem 11. September 10Differenzierung durch Ratifizierung? 11

Die Beitrittspolitik Rumäniens 16Außenpolitik als De-facto-Alliierter des Bündnisses 16Die Reform der rumänischen Streitkräfte 17Zivil-militärische Beziehungen 18Verteidigungsausgaben 19Rüstungsproduktion und Rüstungsbeschaffung 19Verteidigungsplanung 20Grad der Interoperabilität 22Teilnahme an friedenserhaltenden Missionen 23Der NATO-Beitritt im Spiegel deröffentlichen Meinung 24Welche NATO für Rumänien? 24Nichtmilitärische Sicherheitsrisiken 25Reformrückstand 26Korruption 26Vergangenheitsbewältigung 27Informationsschutz 29

Neue Sicherheitsrisiken durch Regatta-Lösung? 30Rumänien, Rußland und die NATO 30Rumänien, die Republik Moldau und die NATO 31Rumänien, Ungarn und die NATO 32Rumänien, Bulgarien und die NATO 33

Schlußfolgerungen 34

Abkürzungen 35

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Problemstellung und Empfehlungen

Rumänien vor dem NATO-Beitritt

Wenige Monate vor ihrem für November 2002 inPrag geplanten Gipfeltreffen wird erwartet, daß dieNATO zum zweiten Mal nach dem Ende des KaltenKrieges eine Erweiterung des Bündnisses nach Ostenbeschließt. In der Folge der Terrorangriffe auf dasWorld Trade Center am 11. September 2001 hat sichdas Bündnis bereits auf eine Erweiterungslösung imStil eines »big bang« festgelegt, die Aufnahme also vonsieben Kandidatenstaaten: Bulgarien, Estland, Lett-land, Litauen, Rumänien, die Slowakei und Slowenien.In Kreisen der Mitgliedsländer wurden allerdingsÜberlegungen angestellt, ob konkret nicht dennochdifferenziert vorgegangen werden sollte. Das zur Dis-kussion gestellte »Regatta-Modell« sah vor, daß die Pro-zedur der Ratifizierung der NATO-Beitrittsverträge mitden im November einzuladenden sieben Staaten dazugenutzt werden soll, deren Beitritt entsprechend demStand ihrer Vorbereitungen zeitlich zu staffeln. Aufdem Treffen des Nordatlantikrates in Reykjavik im Mai2002 konnten sich die Befürworter des Regatta-Modells nicht durchsetzen. In ihrer Entscheidungsprachen sich die Außenminister der 19 NATO-Staatendafür aus, alle eingeladenen Staaten gleichzeitig bei-treten zu lassen � und dies vor dem nächsten Gipfel-treffen des Bündnisses. Aber eine Gefahr besteht inso-fern noch, als einzelne NATO-Mitglieder das bilateraleRatifizierungsverfahren bei einzelnen Kandidaten hin-auszögern könnten.

In dieser Studie sollen die möglichen Auswirkun-gen einer solchen Politik am Beispiel Rumäniens, demman neben Bulgarien vor dem Angriff auf das WorldTrade Center nur sehr geringe Beitrittschancen inPrag eingeräumt hatte, analysiert werden. Wenn dieErweiterung des westlichen Bündnisses dazu dienensoll, die Glaubwürdigkeit der Allianz zu betonen, dieSicherheit ihrer Mitglieder zu maximieren und in diebeitrittswilligen Staaten und deren regionales Umfeldzu projizieren, wäre eine Politik nach dem Regatta-Modell aus drei Gründen sachlich nicht gerechtfertigtund politisch kontraproduktiv:Vorsprung bei der Erfüllung militärischer Beitritts-kriterien: Rumänien als einer der Kandidaten derzweiten Runde der NATO-Osterweiterung ist erheblichbesser auf den Beitritt vorbereitet, als es die drei Kan-didaten der ersten Runde waren. Auch ist die NATOdurch das »Membership Action Plan«-Verfahren über

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Problemstellung und Empfehlungen

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den aktuellen Vorbereitungsstand der Kandidaten derzweiten Runde weit besser informiert als im Falle derdrei Erstrunden-Kandidaten. Rumäniens aktive Teil-nahme an zahlreichen friedenserhaltenden Maß-nahmen und � als einziger Kandidatenstaat � mitKampfverbänden am Afghanistan-Einsatz »EnduringFreedom« kann als ein Indiz dafür gewertet werden,daß Bukarest »seine Hausaufgaben« bei der Streitkräf-tereform tatsächlich gemacht hat.De-facto-Alliierter des Bündnisses: Trotz des Schocks,den die Zurückweisung seines Beitrittsgesuchs aufdem Madrider NATO-Gipfel auslöste, erwies Rumäniensich in der Kosovo-Krise und nach den Anschlägenauf das World Trade Center unabhängig von derpolitischen Färbung der jeweiligen Bukarester Regie-rung als loyaler De-facto-Alliierter des westlichenBündnisses.Vermeidung politischer Risiken für regionaleStabilität: Eine Beitrittsstrategie nach dem Musterder Differenzierung durch Ratifizierung würde zusätz-liche Risiken für die interne Sicherheit Rumäniens,aber auch für die Stabilität in der Region schaffen.Machtvakuen könnten entstehen, die dem mit derErweiterung angestrebten Sicherheitsgewinn derNATO nicht förderlich wären. Durch die gleichzeitigeMitgliedschaft aller Kandidaten könnten zudem Ver-suche Rußlands, aber auch einzelner NATO-Mitglieder� im Falle Rumäniens vor allem Ungarns � unter-bunden werden, den Prozeß der Ratifizierung desBeitrittsabkommens zur Begleichung historischerRechnungen zu nutzen. Auch Rivalitäten zwischenBeitrittskandidaten � im konkreten Falle zwischenRumänien und Bulgarien � würde bei gleichzeitigerErringung der Mitgliedschaft in der NATO dauerhaftder Boden entzogen.

Daher wird empfohlen, Rumänien und die anderenAnwärterstaaten ohne weitere taktische Verzögerun-gen in die NATO aufzunehmen. Im Falle Rumänienskönnten die zunehmend wahrgenommene geostrate-gische Bedeutung, die Leistungen der Streitkräfte-reform, das kooperative Krisenverhalten, die wach-sende Interoperabilität und die hohe Akzeptanz desNATO-Beitritts in der Bevölkerung dazu beitragen, daßder durch die NATO-Mitgliedschaft zu erwartendegesellschafts- und wirtschaftspolitische Stabilisie-rungseffekt rasch und nachhaltig zur Entfaltungkommt. Ein solcher Effekt würde sich auf die gesamteRegion und darüber hinaus positiv auswirken.

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Von Madrid nach Prag

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Die zweite Osterweiterungsdebatte der NATO

Von Madrid nach Prag

Im Unterschied zu der engagiert und mit großemöffentlichem Interesse geführten Erweiterungsdebatteam Vorabend der Madrider Gipfelkonferenz 1997findet eine solche Debatte vor dem Prager Gipfel-treffen praktisch nicht statt. Das Erweiterungsthematrat in zunehmendem Maße hinter Fragen nach Sinnund Ziel der NATO sowie dem künftigen Charakter dertransatlantischen Beziehungen zurück. Nach dem11. September stellte auch Rußland keine Belastungder Erweiterungsdiskussion mehr dar. Statt den Bei-tritt insbesondere der baltischen Staaten sowie Rumä-niens zu blockieren, den es langfristig sowieso nichtverhindern konnte, gelang es Rußland, selbst eineprivilegierte Beziehung mit dem westlichen Bündniszu etablieren.1

Für die zweite Runde der NATO-Osterweiterunggelten die gleichen formalen Kriterien, an denen dasBündnis die Beitrittsfähigkeit der Kandidaten derersten Runde gemessen sehen wollte.2 Unverändertgilt der Grundsatz, daß die Mitglieder der NATO wie1997 auch 2002 eine politische Entscheidung darüberfällen wollen, ob ein Beitrittskandidat diesen Kriterienentspricht oder nicht. Damit wollte � und will man �verhindern, daß der Beitritt von den Bewerber-ländern unter Hinweis auf die Erfüllung vorgegebenerLeistungskriterien eingefordert wird.

Anders als 1997 gab es praktisch keine Debatte überdas Erweiterungsthema in den Mitgliedstaaten desBündnisses. In der Bundesrepublik sprach die Opposi-tion sogar von einer »Tabuisierung des Themas«, dasder Bundesregierung durch die Warschauer Rede des

1 Nach Meinung von Experten hatte die russische Führungbereits 1996 erkannt, daß von der NATO-Erweiterung keineGefahr für Rußland ausgehe. Sie hatte ihre Strategie derWiedergewinnung der Moskauer Einflußsphäre in Mittel-und Osteuropa jedoch verteidigt. Siehe hierzu die Studie vonLars B. Wallin, NATO Enlargement in the Baltic Sea Area �Possible Consequences for Sweden, Stockholm: The TESLAGroup, Swedish Defence Research Agency, 4.6.2002, S. 11.2 Siehe hierzu ausführlich: Peter Schmidt, Die nächste Rundeder NATO-Erweiterung. Ziele, Kandidaten, Bedingungen,unveröffentlichte Studie, Berlin: Stiftung Wissenschaft undPolitik, Oktober 2001 (S 31/01).

amerikanischen Präsidenten Bush vom Juni 2001»quasi aufgezwungen« worden sei.3

Verändert haben sich im Vergleich zu 1997 dieThemen und ihre Gewichtung in der Erweiterungs-diskussion.4 Die Problematik der wirtschaftlichen Ent-wicklung in den Beitrittsländern und im Zusammen-hang damit die vor dem Madrider Gipfeltreffen soheftig umstrittene Frage der Höhe der Beitrittskostenentpuppte sich bereits unmittelbar nach diesemTreffen als künstlich hochgespieltes Scheinargumentgegen eine mehr als drei neue Mitglieder umfassendeErweiterung und spielt in der gegenwärtigen Debattekaum noch eine Rolle. Hingegen haben nach dem11. September geostrategische Erwägungen stark anBedeutung gewonnen, die insbesondere bei der NATO-Führungsmacht USA eine Aufwertung Rumäniens undBulgariens zur Folge hatten.

Anders als 1997 � damals gaben nicht der Stand dermilitärischen und planerischen Fähigkeiten der dreiBeitrittskandidaten und die Akzeptanz des Beitritts inder jeweiligen Bevölkerung den Ausschlag, sondernbündnispolitische Erwägungen � spielen »capabilities«und »commitment« bei den Kandidaten der zweitenErweiterungsrunde eine wichtigere Rolle. Und dasnicht ohne Grund. Vor dem Madrider NATO-Gipfelwurden Ausrüstung, Reform und Ausbildung derStreitkräfte in den drei neuen Mitgliedstaaten auspolitischen Erwägungen pauschal überbewertet. Auchdie Tatsache, daß mit Ausnahme Polens knapp dieHälfte der Bevölkerung in Ungarn und der Tschechi-schen Republik bei Umfragen einem NATO-Beitrittihres Landes negativ gegenüberstand und die Streit-kräfte in den betreffenden Staaten ein geringes An-sehen genossen, spielte keine entscheidende Rolle.»Die jetzt aufkommende Bestürzung ist auch daraufzurückzuführen, daß kritische Analysen so langekeine nennenswerte Resonanz hervorriefen, bis dieAufnahme beschlossene Sache war und die NATO-Staaten die Beitrittsprotokolle ratifiziert hatten«, resü-mierten die Autoren einer detaillierten Studie über

3 Eckart Lohse, In Erwartung einer großen Runde, in: Frank-furter Allgemeine Zeitung, 14.5.2002.4 James M. Goldgeier, Not When but Who, in: NATO Review,50 (2002) 1.

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Die zweite Osterweiterungsdebatte der NATO

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den Zustand der polnischen Armee nach dem Beitritt.5

Es ist schon bemerkenswert, daß gerade Vertreter derneuen Mitgliedstaaten wie der ungarische Außen-minister Laszlo Kovacs den Hinweis auf den mangel-haften Vorbereitungsstand und die ungenügendenLeistungen ihres eigenen Landes vor und nach demNATO-Beitritt als Argument nutzen, um für einebesonders strenge Auswahl der Kandidaten der nunanstehenden Erweiterungsrunde zu plädieren.6 »Wehave not modernized the military [...] we have not con-tinued its quality transformation, have not madeprocurement and economics transparent, and havenot fulfilled our commitments«, betonte der zwischen1995 und 2000 amtierende ungarische NATO-Botschaf-ter András Simonyi in einem Interview.7

Auch die Interessenlage der Mitgliedstaaten ist eineandere als vor der ersten Erweiterungsrunde. Rechtbald nach dem Washingtoner Gipfeltreffen war einKonsens darüber erkennbar, daß es eine Nulloption2002 nicht geben werde. Um glaubwürdig und attrak-tiv zu bleiben, will und muß das Bündnis zu seiner inArtikel 10 des Bündnisvertrags festgelegten und seit-her öffentlich proklamierten »open-door«-Politikstehen. Darüber hinaus wurde es im Laufe der Zeitimmer schwieriger, Regierung und Bevölkerung derKandidatenstaaten zu erklären, weshalb NATO-konformes Verhalten in Krisensituationen und auf-wendige Integrationsbemühungen keinerlei Einflußauf die Nominierung der künftigen Mitgliedstaatenhaben sollten. Last but not least sah sich die NATO inzunehmendem Maße in Konkurrenz zur EU, derenErweiterungsprozeß schneller voranschritt.8

Hinsichtlich der Auswahl der Beitrittskandidatenstellt sich die Lage jedoch wesentlich anders dar alsvor der ersten Erweiterungsrunde. 1997 in Madrid

5 Christoph Ulrich Vogel/Jan Wiktor Tkaczynski, Polen in derNATO. Anspruch und Wirklichkeit, in: Österreichische Mili-tärische Zeitschrift (Wien), 37 (November/Dezember 1999) 6,S. 703�708.6 Vgl. Bogdan Chirieac, Dl. Kovacs, un vecin neliniştit [HerrKovacs, ein unruhiger Nachbar], in: Adevărul (Bukarest),27.7.2002.7 Zitiert in: Neil Barnett, Between the First and Second Wave,in: 2002 Transitions Online (Prag), 14.6.2002. Siehe auch: JiriKominek, NATO Gives a Poor Rating to Czech Armed Forces, in:Jane�s Defence Weekly, 37 (23.1.2002) 4, S. 12.8 »Wenn die EU im Jahre 2004 zehn neue Mitglieder auf-nimmt, dann muß die NATO 2002 in Prag sieben Staaten auf-nehmen«, erklärte der Vorsitzende der US-Kommission für dieNATO, Bruce Jackson. Siehe: Constantin Corneanu, Speranţelerămân intacte [Die Hoffnungen bleiben intakt], in: Obser-vatorul Militar (Bukarest), (2002) 9, S. 3, <http://www.presamil.ro/OM/2002/09/ß3.htm>.

votierten die USA für eine Aufnahme von nur dreiStaaten (Polen, die Tschechische Republik undUngarn), im Sinne einer Initiative, die ursprünglichvon der deutschen Bundesregierung ausgegangen unddie von Frankreichs Einsatz zugunsten Rumäniensund Sloweniens zu keinem Zeitpunkt wirklich gefähr-det war.9 Mit Blick auf die zweite Runde der Osterwei-terung wurden sehr unterschiedliche Modelle disku-tiert. Die Szenarien reichten von der Aufnahme eineseinzigen Landes (Slowenien), zweier Staaten (Slowe-nien und der Slowakei) bis hin zu fünf Staaten (Slo-wenien, die Slowakei und die drei baltischen Staaten).Ein Beitritt Bulgariens und vor allem Rumäniens,noch auf dem Madrider Gipfel zusammen mit Slo-wenien als aussichtsreichster Kandidat für eine zweiteErweiterungsrunde gehandelt, stand lange Zeit nichtmehr zur Debatte.

USA initiierenzweite Runde der Osterweiterung

Anders als im Falle der ersten Erweiterungsrundeging der Anstoß für eine zweite Runde diesmal vonder US-Administration aus. Im Januar 2001 setzte derneue US-Präsident, George W. Bush, das Thema NATO-Erweiterung auf die Tagesordnung des Bündnisses. Diegroßen europäischen Bündnispartner versichertenden USA lediglich inoffiziell, daß sie sich einer dies-bezüglichen Initiative Washingtons nicht entgegen-stellen würden.10 Eine Vorentscheidung fiel auf demersten Treffen Bushs mit den Staats- und Regierungs-chefs der NATO-Staaten in Brüssel am 13. Juni 2001.Sie lautete: In Prag werde es keine Nullrunde geben.Bush legte die Alliierten auf eine prinzipielle undgroßzügige Erweiterungsoption fest. Die NATO solle»not calculate how little we can get away with, buthow much we can do to advance the cause offreedom«.11 Wie viele und vor allem welche Kandi-

9 Siehe hierzu: Anneli Ute Gabanyi, Rumäniens Beitritts-strategie zur NATO. Scheitern oder Chance?, in: Osteuropa, 47(1997) 9, S. 885�897; dies., Rumänien und die NATO, in: KarlG. Kick/Stefan Weingarz/Ulrich Bartosch (Hg.), Wandel durchBeständigkeit. Studien zur deutschen und internationalenPolitik. Jens Hacker zum 65. Geburtstag, Berlin 1998 (Beiträgezur Politischen Wissenschaft, Bd. 102), S. 261�286.10 Frederick Kempe, Like It or Not, NATO�s Expansion DebateIs Back, in: The Wall Street Journal, 21.2.2001.11 Zitiert nach Marc Grossman, Under Secretary for PoliticalAffairs, in seinem Bericht vor dem Militärausschuß desSenats, 28.2.2001, in: <http://www.state.gov/p/8568.htm>.

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USA initiieren zweite Runde der Osterweiterung

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daten zum Beitritt eingeladen würden, blieb aufdiesem informellen NATO-Gipfel offen.12

Viel deutlicher äußerte sich der Präsident wenigeTage später in Warschau in einer programmatischenRede, in der er sich für eine Erweiterung der NATO»um alle europäischen Demokratien vom Baltikum biszum Schwarzen Meer« einsetzte. Seine wichtigsteBotschaft: Mit der Aufnahme auch der letzten allerehemals kommunistischen europäischen Staaten solldas tatsächliche »Ende der Geschichte« des KaltenKrieges vollzogen, sollen die in Jalta beschlossenenwidernatürlichen und falschen Trennlinien ausradiertwerden. Die NATO als jene europäische Institution, dieden Kalten Krieg beendet habe, solle Europas Einheitin Freiheit »vom Baltikum bis zum Schwarzen Meer«vollenden.13 In Äußerungen wie diesen wird natürlichdie Absicht der Vereinigten Staaten erkennbar, ihrenEinfluß in diesem erweiterten Europa zu stärken. Jeweniger sie die militärische Unterstützung ihrerNATO-Verbündeten und der Partnerstaaten benötigen,um so schwerer wiegt deren politische Unterstützungfür das amerikanische Vorgehen überall in der Welt.14

Anders die wichtigen europäischen Verbündetender USA. Beobachter wie Lothar Rühl15 gingen davonaus, daß neben den USA vor allem Deutschland undFrankreich eine Rolle spielen würden. Großbritan-nien, so seine Einschätzung, würde sich im entschei-denden Augenblick wohl auf die Seite der USAschlagen.

Die Bundesrepublik Deutschland, aufgrund ihrernationalen Sicherheitsinteressen die eigentliche Loko-motive der ersten Erweiterungsrunde, hatte mit derAufnahme Polens, der Tschechischen Republik undUngarns ihr strategisches Ziel erreicht und vermied es� nicht zuletzt aus Rücksicht auf die Belange Ruß-lands � längere Zeit, Stellung zu beziehen. Bei den imBundestag vertretenen politischen Parteien gab esunterschiedliche Auffassungen. Als erste Partei hattedie FDP zu einem frühen Zeitpunkt für einen großenzweiten Osterweiterungsschritt der NATO (unter Aus-

12 Grünes Licht für die neuen NATO-Mitglieder, in: NeueZürcher Zeitung, 14.6.2001.13 Die deutsche Version der Rede wurde veröffentlicht in:Internationale Politik, 57 (2002) 4, S. 81�85.14 »An enlarged NATO«, so der Botschafter eines nicht näherbezeichneten Mitgliedslandes, »will prove more useful to theUS�s new approach.« (Zit. von Judy Dempsey, An Alliance inSearch of a Role, in: The Financial Times, 10.4.2002.)15 Siehe Lothar Rühl, Pragmatische Osterweiterung derNATO? Interessendivergenzen zwischen den wichtigstenHauptverbündeten, in: Neue Zürcher Zeitung, 4.9.2001.

lassung Bulgariens) plädiert. Der außenpolitischeSprecher der Partei, Ulrich Irmer, betonte, »die Bei-trittswünsche anderer mittel- und osteuropäischerReformländer wie Slowenien, Rumänien, die Balti-schen Staaten, aber auch die Slowakei sind nichtminder legitim als die der neuen Partner.«16 DieCDU/CSU-Bundestagsfraktion plädierte im Januar 2002für eine NATO-Aufnahme der baltischen Staaten,Sloweniens, der Slowakei, Bulgariens und »nachMöglichkeit auch Rumäniens«. Nicht näher bezeich-nete Vorbehalte gegenüber einer Einladung an Ru-mänien hatte bereits ein Jahr früher der ehemaligeVerteidigungsminister Volker Rühe geäußert.17 DerAntrag der Regierungsparteien SPD und Bündnis 90/Die Grünen, der schließlich am 23. April 2002 imBundestag eingebracht wurde, empfahl der Bundes-regierung, einen Konsens für eine möglichst großeNATO-Erweiterungsrunde zu suchen, vermied jedocheine Festlegung auf bestimmte Staaten. In der Praxiswurde Rumänien in zunehmendem Maße deutscheUnterstützung zuteil: Neben dem seit einigen Jahrenim rumänischen Verteidigungsministerium beratendtätigen deutschen Offizier stellte die Bundesregierungvor kurzem auch dem rumänischen Außenministereinen hochrangigen deutschen Diplomaten als NATO-Berater zur Seite.

Für Frankreich, in der Madrid-Debatte von 1997noch an der Spitze einer südeuropäischen Staaten-gruppe der entschiedenste Verfechter einer AufnahmeRumäniens und Sloweniens in die NATO, hatte einNATO-Beitritt Rumäniens nun keine Priorität mehr.Der Grund: Im Vorfeld von Madrid hatte Frankreichdie Erweiterungsdebatte dazu benutzt, seinemDrängen nach Ausweitung der NATO-Militärstruk-turen im südlichen Europa und der damit verbun-denen Forderung nach einer »Europäisierung« des vonden USA beanspruchten Vorrangs in dieser RegionNachdruck zu verleihen. Nachdem Frankreichs Rück-kehr in die militärischen Strukturen der NATO nichtmehr zur Debatte stand, war von seinem Interesse aneinem NATO-Beitritt der südeuropäischen Kandidatenim allgemeinen und Rumäniens im besonderen nichtmehr viel zu spüren. So erklärte der damalige Premier-minister Lionel Jospin während eines Bukarestbesuchsim Februar 2002, Rumänien könne sich zwar aufFrankreich verlassen, habe aber letztlich keinen besse-

16 Pressemitteilung vom 112.3.1999, <http://develop.liberale.de/portal/?presse=1&id=25860&org>.17 Deutscher Bundestag, 14. Wahlperiode, Drucksache14/8100, 29.1.2002.

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Die zweite Osterweiterungsdebatte der NATO

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ren Anwalt als sich selbst.18 Zur Zeit gehört nebenGriechenland und der Türkei vor allem Italien zu denenergischen Befürwortern eines NATO-Beitritts Rumä-niens und Bulgariens.

Die drei neuen NATO-Mitglieder Polen, Tschechienund Ungarn verpflichteten sich auf dem NATO-Gipfel-treffen in Washington 1999 zwar, den Kandidaten-ländern Hilfe bei ihrem Bemühen um Aufnahme indie NATO zu leisten. Sie setzten sich aber zunächstvorwiegend für eine Aufnahme der baltischen Staatensowie der Slowakei und Sloweniens ein, und erst injüngster Zeit auch für jene Bulgariens und Rumä-niens.

Neue geopolitische GewichtungSüdosteuropas nach dem 11. September

Unter dem Eindruck der Anschläge auf das WorldTrade Center kam es bei der NATO zu einer Neubewer-tung der geopolitischen und geostrategischen Bedeu-tung nicht nur Südeuropas, sondern auch Südost-europas. Zwar hatte die Südflanke der NATO bereitsin den 1990er Jahren aus der Sicht des Bündnisses anBedeutung gewonnen, die Region wurde aber vor-wiegend unter dem Aspekt ihres »Potentials an Krisenund Konflikten« wahrgenommen. Man wollte dieRegion zwar pazifizieren, aber nicht integrieren.Bereits vor dem Washingtoner NATO-Gipfel von 1999hatte sich im Bündnis die Einsicht verfestigt, daß � soGeneral Klaus Reinhardt, damals Befehlshaber derAlliierten Landstreitkräfte Europa-Mitte � »der zen-trale Schwerpunkt des Bündnisses in den Südbereich(Mittelmeer, Balkan, Nahost, Nordafrika) verlegtwerden müsse«. Zugleich betonte Reinhardt aber, eineAufnahme Rumäniens in die NATO � von Bulgarienwar damals noch gar nicht die Rede � stehe in abseh-barer Zeit nicht zur Debatte.19 Die Konsolidierung derSüdflanke der NATO durch die Aufnahme Rumäniensund Bulgariens wurde erst nach dem 11. Septemberins Auge gefaßt: »Dazu gehört auch, bei der nächstenRunde der NATO-Erweiterung für die Aufnahme Bul-gariens und Rumäniens zu plädieren, um so eine

18 Trans-Atlantic Forum Report, Transatlantic ParliamentaryForum, Washington, 3.�4.12.2001, <http://nato.pa.int/publications/special/av013gen-tac.html>, und: Robert Graham,France�s Odd Couple, in: The Financial Times, 19.3.2002.19 Die neue NATO � ein deutscher General nennt die Risiken,in: Hamburger Abendblatt, 13.2.1999.

Landbrücke der NATO zur Türkei und zu den mög-lichen Fronten im Nahen Osten herzustellen.«20

Die geographischen Konstanten Rumäniens �größte Ausdehnung und Bevölkerung aller Kandi-datenstaaten, Lage im Schnittpunkt wichtiger euro-päischer Verkehrswege sowie der transkontinentalenErdöl- und Erdgas-Transportsysteme, Kontrolle desUnterlaufs der Donau und eines Teils (250 km) derSchwarzmeerküste, Ressourcenreichtum � wurdenerst nach dem 11. September von den NATO-Staatenunter dem Aspekt ihrer strategischen Bedeutung fürdas Bündnis wahrgenommen und für sicherheitsrele-vant befunden. Worin besteht nun, aus der Sicht desBündnisses, der geopolitische BedeutungszuwachsRumäniens für die NATO?Ausgangspunkt für militärische Operationenim Kampf gegen den weltweiten Terrorismus. Angesichts der Bereitschaft der Türkei, mehr Verant-wortung in Afghanistan, möglicherweise künftig auchim Irak zu übernehmen, könnte die Bedeutung derbeiden Schwarzmeeranrainer Rumänien und Bul-garien im Kontext von Aktionen zur Entlastung undUnterstützung des NATO-Partners am Bosporus nochwachsen: »Romania and Bulgaria have unexpectedlybeen catapulted into serious consideration formembership in NATO because of the post-September11 strategic importance of the Black Sea, which couldprovide a military platform for any widening of theU.S. war against terrorism.«21

Verstärkung der vorgeschobenen Position der NATObzw. der USA mit Blick auf den kaspischen sowie densüdostasiatischen (Wirtschafts-)Raum. Die Schwarz-meerregion ist seit dem Angriff auf das World TradeCenter zum Dreh- und Angelpunkt aller Bündnis-strategien mit Blick auf die rohstoffreichen Regionenim Kaukasus, im Mittleren und Fernen Osten avan-ciert. »Once it secures the Black Sea�s western rim �and cements the link with the southern, Turkish rim �NATO will be better positioned to reach out to Georgiaand Azerbeidjan and uphold a common set of inter-ests centered on regional security and internationaleconomics. The continuum, stretching from theBalkans to the eastern Caspian shore, also links NATOEurope with the U.S.-led forces stationed in Central

20 Der Einschätzungswandel ist abzulesen an zwei Aufsätzenvon Admiral a.D. Ulrich Weisser, NATO-Erweiterung � wohin?,in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.1.2001, und ders., DasBündnis richtet sich neu aus, in: Frankfurter AllgemeineZeitung, 15.4.2002.21 Peter Finn, Black Sea: New Focus of NATO Expansion, in:International Herald Tribune, 26.3.2002.

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Differenzierung durch Ratifizierung?

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Asia, and might also serve to do so with forces thatwould deploy for action in Iraq.«22

Regionale Stabilisierungsfunktion in Südosteuropa.»Today, many potential candidates are discussed ingeostrategic terms with Article 5 obligations in mind,for example: Slovakia and Slovenia, which provide aland bridge to the NATO island of Hungary, andRomania and Bulgaria, which �contain� Serbia and�stabilize� Macedonia while linking Hungary to Greece(and Turkey).«23 Dank beispielhafter Regelungen in dereigenen Minderheitenpolitik (durch die Verfassunggarantierte Vertretung aller nationalen Minderheitenim Abgeordnetenhaus) und gutes Management derinterethnischen Beziehungen auf seinem Territorium(Einbindung der ungarischen Minderheit in die Regie-rungsarbeit seit 1996, Strategie zur Verbesserung derLage der Roma) trägt Rumänien zur Entschärfungdes Konfliktpotentials in den Beziehungen zu seinenNachbarstaaten bei.Möglicher Stabilitätsexport in Richtung Ukraine.»On the Black Sea�s northern rim, Ukraine also pro-vides a crucial air corridor between Europe and theAsian theater of anti-terror operations. Romania�s andSlovakia�s accession to the alliance would sub-stantially extend Ukraine�s common borders withNATO.«24

Eventuelle Verteidigungsposition des Bündnisses.Der Beitritt Rumäniens und Bulgariens zur NATO, soder ehemalige Direktor für Südosteuropa im Natio-nalen Sicherheitsrat der USA, Mark Brezinski, undTom Walls, Mitarbeiter des Außenpolitischen Aus-schusses des US-Senats, »would also form a bulwarkagainst the Black Sea region, serving NATO�s tra-ditional strategic interests and the pressing securityneeds of the alliance«.25 Was von den beiden amerika-nischen Autoren mit dem Begriff des »Bollwerks«angedeutet wird, macht die Zeitung �La Stampa� deut-lich: Diese Strategie ist »mit einem Auge auch aufRußland gerichtet«.26

22 Vladimir Socor, Two NATO Aspirants Assume StrategicRoles, in: The Wall Street Journal, 23.8.2002.23 Jeffrey Simon, The Next Round of NATO Enlargement,in: Strategic Forum, (Oktober 2000) 176, S. 2.24 Vladimir Socor, Two NATO Aspirants Assume StrategicRoles, in: The Wall Street Journal, 23.8.2002.25 Mark Brezinski/Tom Walls, NATO�s Southern Dimension,in: The Financial Times, 26.3.2002.26 »Con un occhio anche alla Russia«. (La coda per l�allarga-mento. La NATO nelle terre sovietiche, in: La Stampa,27.3.2002).

Differenzierung durch Ratifizierung?

Im Vorfeld der Herbsttagung der NATO-Außenministeram 8. Dezember 2001 verdichteten sich die Anzeichendafür, daß auch die übrigen Bündnispartner auf dievon den USA favorisierte »robuste« Erweiterung nachOst- und Südosteuropa einschwenken würden.27 Eswäre jedoch falsch, wollte man aus der Vorentschei-dung für sieben neue Mitglieder darauf schließen, daßdamit alle bündnisinternen Erwägungen alternativerStrategien vom Tisch gefegt worden wären. Gesuchtwurde eine Lösung, die es ermöglichte, die Glaub-würdigkeit des in der Gründungsakte der NATO fest-gelegten Prinzips der »offenen Tür« hochzuhalten,ohne die Funktionsfähigkeit des Bündnisses zugefährden. Sie sollte weder das Recht der NATO-Staaten einschränken, in der Frage neuer Mitgliederpolitisch motivierte Entscheidungen zu treffen, nochihre Möglichkeiten der Einflußnahme auf den Reform-prozeß der Beitrittskandidaten beschneiden, sobalddiese der NATO beigetreten wären.

Eine Formel für diese Quadratur des Kreises glaubteman mit der Einführung der »Regatta«, einer gestaffel-ten Aufnahme in die NATO »nach dem Vorbild des EU-Erweiterungsmodus«28 gefunden zu haben. Einensolchen Vorschlag hatte Jeffrey Simon bereits vor denamerikanischen Präsidentschaftswahlen von 2000 ineiner Analyse über Perspektiven des NATO-Erweite-rungsprozesses der künftigen Administrationgeäußert. Demnach sollte neben der Auswahl der Bei-trittskandidaten zugleich auch über eine Probezeitentschieden werden, nach deren Ablauf bei Erfüllungtechnischer Kriterien der Beitritt stehen würde.29

Auch unter der neuen Administration von PräsidentGeorge W. Bush wurde in dieser Richtung weiter-gedacht. Im April 2001 meinte der amerikanischeNATO-Botschafter Alexander Vershbow: »We might optfor inviting a large number of new members butstretch out their accession over time, fast-trackingthose doing better in a regatta-like process«.30

27 R. Nicholas Burns, NATO Is Vital for the Challenges ofthe New Century, in: International Herald Tribune,10.�11.11.2001. Siehe auch: Horst Bacia, Die Runde derZwanzig, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.11.2001.28 Philip Gordon/James Steinberg, NATO Enlargement: MovingForward, in: Brookings Policy Brief, (Dezember 2001) 90, S. 5.29 Jeffrey Simon, The Next Round of NATO Enlargement,in: Strategic Forum, (Oktober 2000) 176, S. 4.30 James Morrison, Embassy Row, in: The Washington Times,18.4.2001.

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Nach dem 11. September verdichteten sich dieHinweise darauf, daß das Regatta-Modell eine wach-sende Anziehungskraft auf jene politischen Akteureausübte, die in ihm möglicherweise das einzigeVehikel sahen, auf die »big bang«-Entscheidung Ein-fluß zu nehmen und sie nachträglich zu korrigieren.Einem Pressebericht zufolge drängte vor allem Groß-britannien darauf, das Konzept umzusetzen: »The newidea is to issue invitations to all seven countries tostart membership negotiations and to admit them bystages after they have fulfilled stringent require-ments.« Der »britische Plan« sollte, so der Bericht, aufder Münchner Wehrkundetagung Anfang Februar2002 diskutiert und danach auf dem NATO-Außen-ministertreffen in Reykjavik abgesegnet werden. Zwarfiel die Diskussion in München wegen des Nicht-erscheinens wichtiger amerikanischer Politiker aus,der Autor des Berichts zeigte sich jedoch überzeugtdavon, daß: »nevertheless, the outcome is alreadyclear: seven new members, staggered over a period ofa few years.«31 Wesley K. Clark, der Alliierte Komman-deur in Europa während der Kosovo-Krise, äußertesich ähnlich: »Some applicant nations are ready now,others need additional time. But we should selectthem all now, stagger their admission dates and moveahead.«32

Noch am Vorabend des Außenministertreffensbrachte die International Herald Tribune erneut dieIdee einer zwei- bis dreijährigen Probezeit für ein-geladene Staaten ins Spiel, die bei Bedarf auch bis zumErlangen der Mitgliedschaft verlängert werdenkönnte.33 Bogdan Chirieac, der Sicherheitsexperte derrumänischen Tageszeitung �Adevărul�, will erfahrenhaben, daß sich insbesondere das NATO-MitgliedTschechische Republik im Zusammenwirken mit dendrei baltischen Kandidatenstaaten für das Regatta-Prinzip eingesetzt habe � allerdings ohne Erfolg.34

Mehrere Beitrittskandidaten und insbesondere Rumä-nien und Bulgarien zeigten sich vor dem Gipfeltreffenvon Reykjavik besorgt über die Möglichkeit, durchEinführung eines neuen Differenzierungsverfahrens

31 Damp Squib in Munich, in: Foreign Report (London),7.2.2002.32 Wesley K. Clark, Remember NATO? It�s the Alliance the U.S.Needs, in: International Herald Tribune, 2.2.2002.33 Zitiert von Romulus Căplescu, Şansele României � maimari decât oricând [Die Chancen Rumäniens � größer alsjemals zuvor], in: Adevărul, 14.5.2002.34 Bogdan Chirieac, La Reykjavik, extinderea NATO a intrat înlinie dreaptă [In Reykjavik ist die NATO-Erweiterung auf derZielgeraden angelangt], in: Adevărul, 15.5.2002.

auch bei der NATO-Integration auf ein Nebengleis ge-schoben zu werden. Sie befürchteten, daß eine solcheStrategie die »Vertagung der Mitgliedschaftsfrage aufden Sankt-Nimmerleinstag zur Folge haben würde.«35

Auch für die NATO-19 wäre eine solche Politik nichtideal, würde sie doch, so der Sicherheitsexperte Karl-Heinz Kamp weiter, »genau zu dem Zustand führen,den das Bündnis stets zu vermeiden suchte«: daß näm-lich künftige Bewerber aufgrund der formalen Erfül-lung der Beitrittskriterien auf Aufnahme pochenkönnten. Damit würde sich die NATO selbst »die Mög-lichkeit der politischen Entscheidung nehmen � einVerfahren, das für die Konsensfindung unter (19)gleichberechtigten Partnern unverzichtbar ist.«36

Aus rumänischer Sicht sei die Regatta-Lösung imFalle des anstehenden zweiten Erweiterungsschubsder NATO weit weniger gerechtfertigt als im Falle derersten Runde, wo es mit den drei neuen Mitgliedernkeinerlei Schwierigkeiten bei der Ratifizierung ihrerNATO-Verträge gegeben habe. Die »capabilities« deraktuellen Kandidaten lägen offen zutage, ihr »commit-ment« hätten sie im Kosovo und nach dem 11. Septem-ber unter Beweis gestellt: Während die NATO vor demMadrider Gipfeltreffen die wirtschaftlichen, politi-schen und militärischen Perspektiven und Potentialeder damaligen Kandidaten bestenfalls grob abschätzenkonnte, stütze sich die Evaluierung der aktuellen Bei-trittskandidaten dank der Membership Action Plansund der Nationalen Jahresprogramme zur Integra-tionsvorbereitung nun auf konkret quantifizierbareund somit vergleichbare Parameter. Hätten sie nichtbereits einen Teil des Weges in Richtung Streitkräfte-reform und Integration zurückgelegt, wären sie zuEinsätzen an der Seite des Bündnisses technisch nichtin der Lage gewesen. Hätte Rumänien, so Außen-minister Geoană, seine »Hausaufgaben« nicht ge-macht, wäre es nicht fähig, seinen konkreten militäri-schen Beitrag auf dem Balkan oder in Afghanistan zuleisten.37

Der Gedanke ist schwer nachzuvollziehen, daßRumänien, dessen NATO-Beitritt � anders als in denLändern der meisten anderen Kandidaten der laufen-den Erweiterungsrunde, Bulgarien eingeschlossen �über einen so langen Zeitraum und so konstant von

35 Karl-Heinz Kamp, Die Fortsetzung der NATO-Osterweite-rung: Politische Stabilitätsförderung zulasten militärischerHandlungsfähigkeit?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte,(2002) B24, S. 35.36 Ebd., S. 36.37 Zitiert bei: Ioan Mircea Paşcu, Bătălia pentru NATO[Die Schlacht für die NATO], in: Ziua, 11.5.2002.

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einer überwältigenden Mehrheit der Bevölkerungund von allen im Parlament vertretenen politischenKräften gestützt wird, nach dem Beitritt weniger moti-viert sein sollte, den Vorgaben der NATO zu ent-sprechen, als vor dem Beitritt. Mehrere Gründesprechen für eine Fortsetzung der rumänischenAnstrengungen:! Zum einen hat Rumänien, indem es seine Streit-

kräfte weit unter das Niveau der KSE-Vorgabenreduziert und die Ziele seiner Armeereform an denErfordernissen der NATO-Strategie ausgerichtet hat,bereits seit Jahren auf ein nationales Konzept derLandesverteidigung verzichtet. Der Umbau seinerStreitkräfte, wie er entsprechend dem mit derNATO vereinbarten Membership Action Plan voran-getrieben werde, ist »weit fortgeschritten undirreversibel«.38

! Die für den NATO-Beitritt zu erbringenden Auf-wendungen aus dem Staatshaushalt sind fürRumänien zwar hoch, Berechnungen von Expertenhaben jedoch klargelegt, daß die Kosten für einenationale Verteidigungspolitik um ein Drittelhöher wären als jene für die angestrebteVerteidigung im NATO-Bündnis.

! Die Anstrengungen, die Rumänien zur Erfüllungder NATO-Beitrittskriterien unternimmt, ent-sprechen zugleich der Notwendigkeit und demWillen, die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit zureformieren. Zu dieser Politik gebe es keine Alter-native.39 Auch ohne das Ziel des NATO-Beitrittsmüsse Rumänien eine moderne, professionelle undmobile Armee aufbauen, die sowohl für die Landes-verteidigung als auch für die Teilnahme an Frie-densmissionen außerhalb des Landes gerüstet sei.

! Daher will Rumänien die politischen und wirt-schaftlichen Reformen ebenso fortführen wie dieModernisierung und Umstrukturierung seinerStreitkräfte mit dem Ziel eines späteren NATO-Beitritts, auch wenn es in Prag nicht zum Beitritteingeladen werde. Interne Kritiker dieser Politik deralternativlosen NATO-Orientierung hatten diegegenwärtige wie auch schon frühere Regierungengelegentlich davor gewarnt, sie riskiere, von der

38 Premierminister Adrian Năstase in seiner Rede aufdem Treffen des Nordatlantikrats mit Rumänien in Brüsselam 16.4.2002, <http://www.nato.int/pfp/romania/nastasenac1.htm>.39 »There is no other solution for Romania: we will pursueour reform, as this is the only way to turn Romania into astable democracy and to provide decent life standards for theentire Romanian people.« (Premierminister Năstase, ebd.)

NATO auch künftig im Stande eines De-facto-Alliierten gehalten zu werden, ohne de jure insBündnis aufgenommen zu werden.40 Dieses Risikowurde sowohl in der Kosovo-Krise als auch nachdem 11. September eingegangen.

! Auf dem Treffen der Außenminister der NATO-Staaten mit jenen der Kandidatenländer, das amRande des NATO-Außenministergipfels in Reykjavikstattfand, schlug Außenminister Mircea Geoanăvor, die in Prag neu aufgenommenen Staatensollten sich dazu verpflichten, sofort alle Pflichteneines NATO-Mitglieds zu übernehmen, ohne dieRatifizierung ihres Beitritts abzuwarten.41

Auf dem Treffen des Nordatlantikrates am 14. Mai2002 in Reykjavik kam das erwogene Differenzierungs-modell schließlich nicht zum Tragen. Einer Meldungder italienischen Tageszeitung �La Stampa� zufolgehätten sich bei diesem Treffen die Außenminister derUSA und Italiens gegen die Befürworter einer neuer-lichen Differenzierung durch Einführung einer»Probezeit« durchgesetzt.42 Zählte auch NATO-General-sekretär George Robertson zum Kreis dieser Befürwor-ter? Zumindest könnte der feine Unterschied, der imTon seiner Presseerklärung gegenüber derjenigen vonUS-Außenminister Colin Powell anklingt, darauf hin-deuten. Während Robertson darauf verwies, daß»those chosen as official candidates in Prague stillhave long negotiations to go through and conditionsto meet before being admitted to the world�s mostpowerful military alliance«,43 machte Powell ausseiner Ablehnung des Regatta-Modells kein Hehl:»Those [aspirant countries] who are selected for mem-bership, I think it is best to invite them all as a groupand then the ratification of the protocol will take itsnatural course. So I prefer to see it done that way, asopposed to other models that have been suggested,

40 Bereits 1998 hatte Bruce Jackson, Vorsitzender derUS-Kommission für die NATO-Erweiterung, Rumänien dazuermutigt, »wenigstens in militärischer Hinsicht ein De-facto-Mitglied der NATO zu werden, noch bevor ihm der Statuseines De-jure-Mitglieds der NATO verliehen werde.« (Zit. in:Petre Catalan, »România în NATO � poate spre 2004« [»Rumä-nien in die NATO � vielleicht um das Jahr 2004«], in: Azi[Bukarest], 17.12.1998.)41 Andreea Bratosin, România va propune eliminarea »stagia-turii« pentru viitorii membri NATO [Rumänien wird den Ver-zicht auf die »Probezeit« der künftigen NATO-Mitglieder vor-schlagen], in: Adevărul, 14.5.2002.42 Zitiert nach Adevărul, 16.5.2002.43 NATO Daily Enlargement Brief, 24.5.2002,<http://www.topica.com/lists/nato1...ml?mid=904359985522222&sort=d&start=342>.

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such as the Regatta, where you put them in queue insome way.« Und der US-Außenminister nannte auchdie Gründe für seine Ablehnung des Regatta-Modells:»They have all been working hard. They all filled outtheir membership application, they all have beendoing what we asked them to do, and if they meet thestandards that were put before them, if they meetthe test that we will apply to them in the course of thesummer as we get near Prague, then it seems to mewe should invite whatever number in all at the sametime.«44

Die versammelten Außenminister des Bündnissestrafen folgende Entscheidungen:Explizite Kriterien: Alle neun Anwärter auf einenNATO-Beitritt werden dazu ermuntert, die bisherentsprechend ihrem Membership Action Plangemachten Anstrengungen bis zum Prager Gipfeltref-fen und darüber hinaus zu intensivieren, um denBeitrittskriterien zu entsprechen. Es sind dies derEinsatz (commitment) für die Grundprinzipien undGrundwerte des Washingtoner Vertrags, die Fähigkeit(capability), zur kollektiven Verteidigung und zu demgesamten Spektrum der Missionen des Bündnissesbeizutragen.Kroatien soll als zehntes Kandidatenland auf demPrager Gipfeltreffen zur Teilnahme am MembershipAction Plan (MAP) eingeladen werden.Kontinuität: Das Bündnis verpflichtet sich, die Kon-tinuität des Erweiterungsprozesses zu sichern und denlaufenden 4. MAP-Zyklus für alle Beitrittskandidatenim Frühjahr 2003 zu schließen, ganz gleich, ob siezum Beitritt eingeladen werden oder nicht.Klare Zielsetzungen: Die NATO will auf der Grundlageder individuellen »Annual National Programs« klareReformziele ausarbeiten, um den Reformfortschrittder Kandidatenländer vor, aber auch nach demBeitritt zu gewährleisten.Unterzeichnung spätestens Frühjahr 2003: Dieindividuellen Beitrittsprotokolle der zum Beitrittaufgeforderten Staaten sollen spätestens auf demnächsten NATO-Außenministertreffen im Frühjahr2003 unterzeichnet werden.Keine Staffelung des Beitrittstermins: Das Procedereder zweiten Erweiterung soll nicht von dem der erstenBeitrittsrunde abweichen. Alle eingeladenen Staatensollen dem Bündnis vor dem nächsten Gipfeltreffengleichzeitig beitreten: »As in Madrid, our goal is that

44 Press Conference by US Secretary of State, Colin L. Powell,Following the Meeting of the North Atlantic Council,<http://www.nato.int/docu/speech/2002/s020514g.htm>.

all invitees should accede on a common date beforethe next summit.« Für die Dauer des Ratifizierungs-prozesses der einzelnen Beitrittsgesuche werdenjedoch keine klaren Fristen vorgegeben. Die beitreten-den Staaten, so heißt es im Kommuniqué, werden solange an weiteren MAP-Zyklen teilnehmen, bis derRatifizierungsprozeß abgeschlossen ist. Normaler-weise könnte das Verfahren analog zum Ratifizie-rungsprozeß der ersten Erweiterungsrunde spätestens2004 abgeschlossen sein. Die polnische Tageszeitung�Gazeta Wyborcza�45 nannte als Beitrittstermin denBeginn des Jahres 2004. Der rumänische Außen-minister Geoană äußerte nach dem Treffen inReykjavik die Einschätzung, daß der Ratifizierungs-prozeß zwischen ein- und eineinhalb Jahre dauernwerde, und errechnete seinerseits einen Beitritt imJahre 2004.46

Keine zusätzlichen Bedingungen für neue Mit-glieder: Der Nordatlantikrat wird angewiesen, biszum Prager Gipfeltreffen Vorkehrungen für die Vor-bereitung des Bündnisses auf seine geplante Erweite-rung zu treffen. Dabei dürfen aber keine neuen Vor-bedingungen für neue Mitglieder geschaffen werden.»This work will be conducted in keeping with politicalguidance provided by the council and will not createany preconditions or decisions on new members.«47

Rumänien und Bulgarien begrüßten diese Ent-scheidung. Außenminister Geoană zeigte sicherleichtert: »The ambiguity about enlargement andthe process post-Prague has been eliminated. Thatinvitations will be clear cut, with no conditions, isgreat news for us.«48 Und die bulgarische Nachrichten-agentur BTA unterstrich die Botschaft des amerikani-schen Außenministers: »Powell assured his counter-parts that the US and the majority of the memberstates held that the invitations in Prague would notcontain additional conditions or differentiate betweenthe invited countries.«49

Auch bei der Parlamentarischen Versammlung derNATO ist ein Gesinnungswandel eingetreten. Noch imDezember 2001 hatte der SPD-Abgeordnete Markus

45 Zitiert nach: Adevărul, 24.4.2002.46 Andreea Bratosin, România va propune eliminarea »stagia-turii« pentru viitorii membri NATO [Rumänien wird den Ver-zicht auf die »Probezeit« der künftigen NATO-Mitglieder vor-schlagen], in: Adevărul, 14.5.2002.47 <http://www.nato.int/docu/pr/2002/p02-059e.html>.48 Reuters, 5.5.2002, <http://www.topica.com/lists/nato1...ml?mid=904372155&sort=d&start=243>.49 BTA, 15.5.2002, <http://www.topica.com/lists/nato1...ml?mid=904372155&sort=d&start=243>.

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Differenzierung durch Ratifizierung?

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Meckel, Leiter der deutschen Delegation in der Parla-mentarischen Versammlung der NATO, in einem vonParlamentariern mehrerer Mitgliedstaaten des Trans-atlantischen Forums unterzeichneten Antrag derParlamentarischen Versammlung der NATO einenzweiten Erweiterungsschritt unter AusschlußRumäniens und Bulgariens empfohlen.50 Auf ihrer2002 in Sofia abgehaltenen Frühjahrstagung lobte dieParlamentarische Versammlung dann die von siebennamentlich angeführten Beitrittsanwärtern erzieltenErfolge und rief die vertretenen Parlamente dazu auf,der Ratifizierung der Beitrittsprotokolle mit diesenStaaten zuzustimmen. Allerdings warnte sie in ihrerErklärung, daß die nationalen Parlamente im Fallenachlassender Reformanstrengungen einzelner Bei-trittsstaaten die Ratifizierung der entsprechendenBeitrittsprotokolle sehr wohl hinausschieben odersogar zurückweisen könnten: »reminding each invitedcountry that if it should falter in its commitment toreform, the member parliaments of the Assemblymay decide to delay or even reject ratification of thetreaty protocol needed for that country to join theAlliance«.51 Die tatsächliche Ratifizierung der Beitritts-protokolle durch die Parlamente der 19 aktuellen Mit-gliedstaaten wird deren souveräne Entscheidung sein.Und dabei sind national motivierte Versuche einerDifferenzierung durch Ratifizierung nicht gänzlichauszuschließen.

Es ist davon auszugehen, daß der Ratifizierungdurch die Legislative der USA das größte Gewichtzukommt. Schließlich bleibt zu fragen, ob einzelneNATO-Staaten bereit sein werden, wegen möglicherDivergenzen über die Ratifizierung des einen oderanderen Beitrittsprotokolls eine Verschiebung desnächsten NATO-Gipfels zu riskieren.

50 Emil Hurezeanu, Suma jucătorilor nuli [Die Summeder Nullspieler], in der Zeitschrift 22 (Bukarest), 12(25.�31.12.2001) 52.51 <http://www.naa.be/plenary/02sofia/av-127.en.html>.

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Die Beitrittspolitik Rumäniens

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Die Beitrittspolitik Rumäniens

Mit Blick auf die in Prag anstehende Entscheidungund die anschließenden Ratifizierungsdebatten in dennationalen Parlamenten der 19 Bündnisstaaten ist zufragen: Was hat Rumänien getan, um sich für denBeitritt zur NATO zu qualifizieren und vorzubereiten?Wie hat sich Rumänien in Krisenzeiten außenpolitischverhalten? Wie ist der Stand der Streitkräftereform?Inwieweit ist Interoperabilität mit den Streitkräftender NATO-Staaten gewährleistet? Ist Rumänien fähigund willens, an friedenserhaltenden Maßnahmen derVereinten Nationen und der NATO teilzunehmen?Kann und will die Regierung die Kosten des Beitrittstragen? Wie geht sie mit nichtmilitärischen Risikenum? Wie ist der Stand der Akzeptanz des Beitritts inder Bevölkerung? Und � in welches Bündnis strebtRumänien?

Außenpolitik als De-facto-Alliierterdes Bündnisses

Obwohl Rumänien nicht zu den Staaten der erstenErweiterungsrunde der NATO gehörte, proklamiertedie Regierung bereits 1998 die grundsätzliche Absicht,sich trotz der Nichtaufnahme fortan wie ein tatsäch-licher (De-facto-)Bündnispartner zu verhalten.52 DieseGrundsatzentscheidung wurde seither von allen Regie-rungen, gleich welcher Couleur, beachtet. Währendder Kosovo-Krise 1999 öffneten Staatspräsident EmilConstantinescu und die aus Christdemokraten, Libe-ralen, Sozialdemokraten und dem Ungarnverbandgebildete Koalitionsregierung unter MinisterpräsidentRadu Vasile den rumänischen Luftraum für die NATO.Trotz bündniskonformen Verhaltens und daraus resul-tierender wirtschaftlicher Schäden verringerten sichin der Folge die Chancen Rumäniens zur Integrationin die NATO. Der Schock der Zurückweisung durch die

52 Staatspräsident Emil Constantinescu und Verteidigungs-minister Victor Babiuc in: Adevărul, 8.12.1998, und Dilema(Bukarest), 29.8.�4.9.1997. Damit entsprach Rumänien denErwartungen des Bündnisses, wie sie NATO-GeneralsekretärXavier Solana auf einer Tagung des Nordatlantikrates imOktober 1997 in Bukarest formuliert hatte. Jeder Kandidat, soSolana, müsse sich »bereits jetzt so verhalten, als sei er schonzum Beitritt eingeladen worden«.

NATO auf dem Madrider Gipfel 1997 trug nicht un-wesentlich zum Scheitern der Regierungskoalitionbei den Wahlen 2000 bei.

Dennoch reagierten Staatspräsident Ion Iliescu unddie neue sozialdemokratische Minderheitsregierungunter Ministerpräsident Adrian Năstase erneut wiefaktische Alliierte der NATO auf die terroristischenAngriffe gegen die USA vom 11. September 2001. AmAbend des 11. September berief Präsident Iliescu denObersten Rat für Landesverteidigung (ConsiliulSuprem de Apărare a Ţării, CSAT) ein, der einen Be-schluß über die Beteiligung Rumäniens am Kampfgegen den internationalen Terrorismus an der Seiteder NATO-Mitgliedstaaten faßte. Rumänien, so derPräsident, sei bereit, wie ein faktisches NATO-Mitgliedzu handeln.

Am 14. September wandte sich der Präsident ineinem Schreiben53 an beide Kammern des Parlamentsund forderte Abgeordnete und Senatoren auf, für dievom Landesverteidigungsrat beschlossenen Maß-nahmen zur Unterstützung der NATO zu votieren. Dasrumänische Angebot sah die Bereitstellung des gesam-ten Luft-, Land- und Seeraumes für eventuelle Anti-Terror-Operationen vor, die Koordinierung seiner Maß-nahmen mit anderen Verbündeten und Partnerstaatender NATO sowie, auf Anfrage der Allianz, die Bereit-stellung der vorgesehenen Streitkräfte für militärischeMaßnahmen außerhalb des rumänischen Territo-riums.54 Am 19. September votierte das Parlamentohne Gegenstimmen bei einer Enthaltung (des Ver-treters der serbischen Minderheit in der Abgeord-netenkammer) für die vorgeschlagenen Unterstüt-

53 Botschaft des Staatspräsidenten an die Abgeordnetenund Senatoren des rumänischen Parlaments, veröffentlichtin: Adevărul, 15.9.2001.54 Im einzelnen bot Rumänien den Alliierten die Nutzungseiner Flughäfen Kogălniceanu (bei Constanţa/Konstantza)und Giarmata (bei Timişoara/Temeswar) sowie die Militär-häfen in Konstantza und Mangalia am Schwarzen Meer an.Bei den für Einsätze außerhalb des rumänischen Territo-riums vorgesehenen Einheiten handelt es sich um ein Infan-teriebataillon, das zu der seit 1997 im Aufbau befindlichenSchnellen Eingreiftruppe gehört, vier Flugzeuge vom TypMIG 21 Lancer und eine Fregatte. Siehe Verteidigungs-minister Mircea Ioan Paşcu in der Zeitschrift: 22 (Bukarest),(25.9.�1.10.2001) 39.

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Die Reform der rumänischen Streitkräfte

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zungsmaßnahmen. Die rumänische Regierung ver-pflichtete sich, die nötigen Finanzmittel bereit-zustellen.55

Rumänien war das erste ostmitteleuropäische Land,das den Vereinigten Staaten und den anderen Staatendes westlichen Bündnisses nach dem 11. September2001 seinen Verteidigungsraum zur Verfügungstellte.56 Das Verteidigungsministerium räumte denUS-Streitkräften unbegrenzte Überflug- und Lande-rechte auf seinem Territorium ein. Täglich erfolgtendurchschnittlich 20 US-Flüge.57

Als einziger NATO-Beitrittskandidat und als einzi-ges ehemals kommunistisches Land befand sichRumänien am 10. Januar 2002 unter den 19 Erstunter-zeichnern des Memorandums über die Aufstellung derInternational Security Assistance Force (ISAF).58 280Soldaten, einige von ihnen mit Erfahrung bei frühe-ren Einsätzen in Somalia, Angola und Albanien,wurden mit einem eigenen Transportflugzeug derrumänischen Luftwaffe vom Typ C-130 Herkules nachAfghanistan geflogen. Im Mai 2002 bewilligte dasrumänische Parlament zudem die Entsendung vonrund 500 Soldaten � 405 Mann eines Infanterie-Bataillons, 70 Mann einer Spezialeinheit für chemisch-bakteriologisch-nuklearen Einsatz sowie zehn Verbin-dungsoffiziere � zur Teilnahme an der Operation»Enduring Freedom« in Afghanistan. Die Soldatenwerden ebenfalls mit einem Herkules-Transport-flugzeug der rumänischen Luftwaffe nach Afghanistangebracht. Die Kosten für den Einsatz in Höhe von 20bis 30 Millionen Dollar bringt Rumänien aus einemSonderhaushalt auf.59

Zur Entlastung der NATO auf dem Balkan beschloßRumänien darüber hinaus, seine Beteiligung an KFORund SFOR aufzustocken. Das Kontingent für die frie-denserhaltenden UN-Einsätze in Afghanistan wurdeebenfalls aufgestockt. Künftig wird Rumänien 700 Sol-daten in Bereitschaft halten: neben den bisher verein-barten 131 Soldaten und 10 Beobachtern 500 Soldateneines Infanterie-Bataillons, ein Feldlazarett mit 126Ärzten und Pflegepersonal, 50 Beobachter und 11 Ge-neralstabsoffiziere für friedenserhaltende Einsätze.60

Nach dem 11. September 2001 wurden nicht nurdie Zielsetzungen und Maßnahmen des Membership

55 Adevărul, 20.9.2001.56 Bogdan Chirieac, O primă victorie a raţiunii [Ein erster Siegder Vernunft], in: Adevărul, 22.9.2001.57 România Liberă, 28.3.2002.58 <www.operations.mod.uk/fingal/index.htm>.59 Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien, 3.5.2002.60 Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien, 31.5.2002.

Action Plans aktualisiert, auch Rumäniens NationaleSicherheitsstrategie, die Militärstrategie sowie dasWeißbuch zur Nationalen Sicherheit und Verteidi-gung wurden den neuen, asymmetrischen Bedrohun-gen durch den internationalen Terrorismus angepaßt.Gesetze zum Daten- und Informationsmanagement,zur Sicherung der Landesgrenzen und der innerenSicherheit wurden erlassen, die von den VereintenNationen verabschiedeten Anti-Terror-Konventionenin nationales Recht umgesetzt.

Die Reform der rumänischen Streitkräfte

In Rumänien sieht man die Reform der Streitkräfteund die Vorbereitungen auf den NATO-Beitritt als Teileines Prozesses, der � neben der laufenden Anpassungan den acquis communautaire der EU � ein wichtigesInstrument zur Modernisierung der Wirtschaft, derInstitutionen und der gesamten Gesellschaft dar-stellt.61 Gegenüber Rumänien haben die drei bal-tischen Staaten oder Slowenien den »Vorteil«, daß sie �bedingt durch die Auflösung der Sowjetunion bzw.der Bundesrepublik Jugoslawien � über keine oderkeine nennenswerten Streitkräfte verfügen und imZuge ihrer NATO-Integration den Aufbau neuer,moderner Armeen ins Auge fassen können, währendRumänien � ebenso wie Bulgarien und Slowenien �den »Nachteil« hat, Streitkräfte aus der Zeit vor 1989zu besitzen, die in einem langwierigen, kostspieligenProzeß den Strukturen der NATO angepaßt, derenBewaffnung modernisiert und auf Interoperabilitätmit dem westlichen Bündnis ausgerichtet und derenPersonal in neuem Geiste ausgebildet werden muß.Andererseits sind nur Rumänien und Bulgarien im-stande, ihren Luftraum zu verteidigen.62 Einzig dieArmeen dieser Staaten bedeuten vom Augenblick ihresBeitritts einen Sicherheitsgewinn für die Region, derim Zuge der Verbesserung ihrer militärischen Fähig-keiten kontinuierlich wachsen wird.63

61 Staatssekretär im Verteidigungsministerium GeorgeCristian Maior in einer Ansprache zum Tag der Streitkräfte,24.10.2001.62 Thomas S. Szayna, Nato Enlargement 2000�2015. Deter-minants and Implications for Defense Planning and Shaping,Santa Monica: Rand Corporation, 2001, S. 134.63 Jane�s Defence Weekly, zitiert in: Numai România şiBulgaria contează militar în extinderea NATO [Nur Rumänienund Bulgarien zählen militärisch bei der NATO-Erweiterung],in: Adevărul, 25.5.2002.

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Die Beitrittspolitik Rumäniens

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Gerade wegen der für Bukarest enttäuschendenEntscheidung der NATO auf ihrem Madrider Gipfel-treffen befürwortete es die Einführung der neuenNATO-Partnerschaft, die dem Wunsch Rumäniensnach klaren Vorgaben und Zeitvorstellungen bezüg-lich der zu vollziehenden Maßnahmen zur Reformund Anpassung an NATO-Standards entgegenkam. Derperiodischen Evaluierung der Kandidaten und ihrersystematischen Unterstützung bei der Umsetzungeines individuell zugeschnittenen konkreten Anforde-rungskatalogs für den Beitritt diente seit 1999 derMembership Action Plan (MAP).64 Obwohl diese neueForm der Kooperation weder einen Zeitrahmen nocheine Garantie für eine künftige Aufnahme eines Kandi-datenstaates in die NATO vorsieht, wertete die Regie-rung in Bukarest sie als Chance, einen spezifisch ru-mänischen Beitrag zur Sicherheit des euro-atlanti-schen Bündnisses und der regionalen Stabilität zuleisten.65

Zivil-militärische Beziehungen

Mit der Verabschiedung der neuen rumänischenVerfassung und ihrer Bestätigung durch ein Referen-dum im Dezember 1991 wurden die zivil-militäri-schen Beziehungen früh auf eine neue Rechts-grundlage gestellt. Gemessen an den von JeffreySimon66 aufgestellten Kriterien für eine effektivedemokratische Kontrolle des Militärs durch diepolitische Führung und das gewählte Parlament istRumäniens Entwicklungsstand positiv zu bewerten.

Gemäß Verfassung ist der Staatspräsident in Ru-mänien der höchste militärische Befehlshaber undzugleich Vorsitzender des Obersten Landesverteidi-gungsrates. Verantwortlich für die Umsetzung der Ver-teidigungspolitik ist jedoch die Regierung. Der Gene-ralstab, dessen Reorganisation nach dem Vorbild west-licher Armeen 1998 abgeschlossen war, ist in dasVerteidigungsministerium integriert. Nur in Kriegs-zeiten geht die strategische Leitung für die Dauer desKrieges an ein Großes Hauptquartier (Marele Cartier

64 Fouzieh Melanie Alamir, Der Membership Action Plan �ein Schritt zur weiteren NATO-Öffnung?, in: ÖsterrreichischeMilitärische Zeitschrift, 37 (2000) 1, S. 69�75.65 Siehe hierzu den Appell der Vertreter beider Kammerndes rumänischen Parlaments an die Parlamente aller NATO-Mitgliedstaaten, in: Adevărul, 12.3.1999.66 Jeffrey Simon, NATO Enlargement & Central Europe:A Study in Civil-Military Relations, Washington, D.C. 1996.

General) über, das dem Obersten Landesverteidigungs-rat unterstellt ist.

Im Unterschied zu anderen NATO-Anwärterstaaten,deren Streitkräfte sich dem NATO-Prinzip zivilgeführter Verteidigungsministerien lange Zeit ver-weigerten, gab es solche Schwierigkeiten in Rumänienaus Gründen der unterschiedlichen historischen Ent-wicklung nicht.67 Nach der Wende hatten sich inRumänien die Streitkräfte an die Spitze der Reform-bestrebungen nach westlichem Muster gestellt.68 Daserklärt, weshalb bis 1994 ein Angehöriger der Streit-kräfte � General Nicolae Spiroiu � als Verteidigungs-minister agierte. Unter seiner Leitung wurden bereits1992 Maßnahmen beschlossen, um sowohl die Füh-rungsstrukturen des Ministeriums als auch den Gene-ralstab und die operativen Kommandos den »Stan-dards der Armeen mit einer langen demokratischenTradition« anzugleichen.69 Seit März 1994 stehen aus-nahmslos Zivilisten an der Spitze des rumänischenVerteidigungsministeriums.

Ein hoher Rang wird der Ausbildung ziviler Fach-leute aus Parlament und Verwaltung eingeräumt.Bereits 1991 wurde in Bukarest die Nationale Verteidi-gungsakademie (Colegiul Naţional de Apărare)gegründet, in der seither nach dem Muster der USNational Defense University ranghohe Militärsgemeinsam mit Parlamentariern, Politikern und Jour-nalisten ausgebildet werden.70 Aufbau und Funktio-nen werden zur Zeit nach dem amerikanischen Vor-bild verbessert.

Es waren die Streitkräfte selbst, die sich seit Beginnder Armeereform für die Kontrolle durch das Parla-ment einsetzten. Ihre parlamentarische Kontrolleerfolgt über die Verteidigungsausschüsse der beidenHäuser des Parlaments (Abgeordnetenkammer undSenat). Das Parlament stimmt über den Verteidigungs-

67 Larry L. Watts, Democratic Civil Control of the Military inRomania. An Assessment as of October 2001. Prepared for theWorkshop: »Democratic Control of the Military among theNATO Aspirants: A Progress Report«, Washington, D.C.,1.11.2001, S. 6.68 Vgl. London Directorate of Management and Consultancy Services,Review of Parliamentary Oversight of the Romanian Ministryof National Defense and the Democratic Control of Its ArmedForces, London 1997 (DMCS Study Nr. 46/1996), S. 44�45.69 Doina Bâscă, Guvernele se perindă, armata este perenă[Die Regierungen gehen, die Armee bleibt], in: Cotidianul(Bukarest), 12.7.1993.70 Zum Vergleich: Die Zrínyí-Nationale-Verteidigungs-universität in Ungarn bot 1997 erstmals Bildungsmöglich-keiten für zivile Experten an, das Baltic Defence Collegewurde 1998 gegründet.

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Die Reform der rumänischen Streitkräfte

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haushalt ab. Das Verfassungsgericht prüft die Verfas-sungsmäßigkeit aller gesetzlichen Regelungen in Ver-teidigungsfragen. Der Rechnungshof kontrolliert dieVerwendung der im Verteidigungshaushalt vorgesehe-nen Mittel durch die Streitkräfte.

Verteidigungsausgaben

Der Anteil der Verteidigungsausgaben hatte sich vonrund 4% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zwischen1989 und 1992 bei 2% eingependelt. Allein im Jahre1998, das durch ein rückläufiges Wirtschaftswachs-tum, eine steigende Inflationsrate und einen steilenAbfall des Lebensstandards der Bevölkerung gekenn-zeichnet war, sanken die Ausgaben für die Streitkräftenicht zuletzt auch unter dem Druck des Internatio-nalen Währungsfonds (IWF) auf 1,78% des BIP.71 DieRegierung von Ministerpräsident Adrian Năstasekonnte von der im Wahljahr 2000 wieder anspringen-den wirtschaftlichen Konjunktur profitieren, die demLande seither jährliche Wachstumsraten um die 5%bescherte. Die Verteidigungsausgaben für das Jahr2001 beliefen sich auf 2,59%, diejenigen für 2002 auf2,43% des BIP. Für Gehälter und sonstige Personal-kosten wurden 52,9% des Verteidigungshaushalts auf-gewendet, 37,3% für Anschaffungen von technischemGerät, 8,9% für Instandhaltung und 0,9% für Infra-strukturmaßnahmen.72 Unabhängig davon, ob Rumä-nien auf dem kommenden Gipfeltreffen in die NATOaufgenommen wird, hat sich die Regierung verpflich-tet, bis einschließlich 2005 einen Anteil von 2,38% desBIP für den Etat der Streitkräfte bereitstellen. Dieseverbindliche Zielvorgabe ist in den Richtlinien für denkünftigen Streitkräftehaushalt festgeschrieben undwird in das Weißbuch der Nationalen Sicherheit auf-genommen, das seinerseits vom Parlament bestätigtwird.73 Dieser Kurs findet auch die Unterstützung derBevölkerung: Laut einer Umfrage im Jahr 2001würden 63% der Befragten höhere Verteidigungs-

71 Adina Sădeanu, FMI este îngrijorat de creşterea cheltuie-lilor militare ale României [Der IWF ist besorgt über dasAnwachsen der Militärausgaben Rumäniens], in: Adevărul,19.6.1998.72 Ovidiu Cameliu Petrescu, The Role of the RomanianParliament in Approving the Defence Budget, in: NATO Parlia-mentary Assembly Speech, 29.1.2002, <http://nato-pa.int/publications/speeches/020129-petrescu.html>.73 Premierminister Adrian Năstase in seiner Rede aufdem Treffen des Nordatlantikrats mit Rumänien in Brüsselam 16.4.2002, <http://www.nato.int/pfp/romania/nastasenac1.htm>.

ausgaben auch dann unterstützen, wenn sie zuLasten anderer Haushaltstitel gingen.74

Rumänien wird zur Zeit von der Weltbank miteinem auf vier Jahre angelegten Kredit in Höhe von120 Millionen US-Dollar für die Überführung der über-schüssigen Angehörigen der Streitkräfte in zivileBeschäftigungsverhältnisse unterstützt. Aus den USAkommen unter dem laufenden MAP-Zyklus weitere11,5 Millionen US-Dollar für Truppenabbau, Planung,Personalmanagement und Kommunikation.75

Seit 1994 wird im Verteidigungsministerium mitUnterstützung aus den USA an der Aufstellung einesProgramming, Budgeting and Evaluation Systems(PBES) und an der Umsetzung der Richtlinien für eineintegrierte Verteidigungsplanung (PPBES) gearbeitet.Mit Hilfe der US Naval Postgraduate School in Monte-rey wurde 1998 in Braşov/Kronstadt ein RegionalesZentrum für das Management von Verteidigungs-ressourcen eingerichtet, das Fachleute für Planungs-aufgaben ausbildet. Auf der Grundlage des PPBES-Systems wird der Verteidigungshaushalt beginnendmit dem Jahr 2002 auf der Grundlage klar definierterund terminierter Planungsvorgaben ausgewiesen.

Rüstungsproduktion und Rüstungsbeschaffung

Entsprechend seiner autonomen Außen- und Sicher-heitspolitik hatte Rumänien vor der Wende eine eigen-ständige Rüstungsindustrie aufgebaut, die einen wich-tigen Produktions- und Exportzweig darstellte. In den1980er Jahren lieferte sie über 80% der Ausrüstung derrumänischen Streitkräfte � darunter auch Kampfflug-zeuge, gepanzerte Fahrzeuge, Raketenwerfer undHandfeuerwaffen �, die in Eigenlizenz sowie in Zusam-menarbeit mit sowjetischen und westlichen Firmenhergestellt wurden.76 Streitkräftereform, Wirtschafts-krise und rückläufige Rüstungsexporte trafen dieRüstungsindustrie nach der Wende besonders hart.Vor 1990 deckte das Verteidigungsministerium 70%

74 Larry L. Watts, Democratic Civil Control of the Militaryin Romania. An Assessment as of October 2001. Prepared forWorkshop »Democratic Control of the Military among theNATO Aspirants: A Progress Report«, Washington, D.C.,1.11.2001, S. 24.75 Radu Tudor, Bucharest�s Defence Industry Reorganisationto Cost $120m, in: Jane�s Defence Weekly, 37 (28.8.2002).76 Bernardo Mariani/Chrissie Hirst, Arms Production, Exportsand Decision-Making in Central and Eastern Europe, Safer-world Arms & Security Programme Report, June 2002,S. 141�158.

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Die Beitrittspolitik Rumäniens

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seiner Materialkäufe aus eigener Produktion, heutesind es nur noch 5%.77 Derzeit sind 35 Firmen mitrund 30 000 Angestellten im Rüstungssektor tätig.Jahrelang bemühte sich eine Interessenkoalition ausVertretern der Rüstungsindustrie, der Rüstungs-beschaffer des Verteidigungsministeriums und derGewerkschaften, die Rüstungsindustrie mit staat-lichen Subventionen am Leben zu erhalten. ImDezember 2001 faßte die Regierung den Beschluß,die Rüstungsindustrie radikal umzustrukturieren.

Rüstungsproduktion und -beschaffung der rumäni-schen Streitkräfte sind darauf ausgerichtet, Interope-rabilität mit NATO-Systemen herzustellen, Rüstungs-betriebe in Übereinstimmung mit europäischen Stan-dards und den Sicherheitsvorschriften der NATO zumodernisieren und NATO-Standards einzuführen. DieModernisierung der Ausrüstung der rumänischenStreitkräfte, die technische Verbesserung vorhande-nen Geräts gemäß NATO-Standards und die Anschaf-fung von neuem Gerät erfolgten in Kooperation mitwestlichen Rüstungsfirmen wie der europäischenEADS/DASA, der französischen Firma Matra, der ameri-kanischen Firma Jaffe Aircraft, Britten Norman ausGroßbritannien, Oerlikon Contraves AG aus derSchweiz und Elbit Systems aus Israel. Diese Koopera-tion wurde dadurch erleichtert, daß einige rumäni-sche Waffensysteme bereits vor 1989 westliche Tech-nologie inkorporiert hatten: Dies gilt für die von derrumänischen Luftwaffe eingesetzten Flugzeuge (Rolls-Royce-Motoren), Hubschrauber (Sud-Aviation undTurbo-Mec), gepanzerte Fahrzeuge (MAN-Lizenz) undPanzer (MTU-Motoren mit deutscher Lizenz, ähnlichdem Leopard-Panzer).78

Zu den Modernisierungsprioritäten gehören derAnkauf von weiteren C-130-Herkules-Transport-flugzeugen und von F-16-Jagdflugzeugen aus denVereinigten Staaten, die Produktion von Kampf-hubschraubern in Zusammenarbeit mit amerikani-schen und französischen Rüstungsfirmen sowie diesystemtechnische Optimierung des rumänischenKampfpanzers TR 125 in Kooperation mit der FirmaKrauss-Maffei-Wehrtechnik.79

77 Eugene Kogan, Romanian Aerospace Living on the Edge,in: Interavia, 57 (März 2002) 661, S. 13�15.78 Nicolae Spiroiu, Odată cu aderearea la NATO va creşte şiresponsabilitatea factorilor de decizie pentru respectareadrepturilor omului [Zugleich mit dem Beitritt zur NATOwird auch die Verantwortung der Entscheidungsträger fürdie Beachtung der Menschenrechte wachsen], in: Dimineaţa(Bukarest), 9.5.2002.79 Siehe hierzu: Florentin Popa, Procurement in the

Verteidigungsplanung

Die Verteidigungsplanung Rumäniens erfolgt auf derGrundlage der Nationalen Sicherheitsstrategie, die imJuni 1999, nach Anpassung an die neue NATO-Strate-gie, verabschiedet wurde. Die Nationale Sicherheits-strategie definiert keinen Staat als potentiellen Feind,sie sieht jedoch ein gewisses Potential für regionaleRisiken und Bedrohungen durch militärischesUngleichgewicht, terroristische Netzwerke, die Ver-breitung von Massenvernichtungswaffen, Waffen- undDrogenhandel, organisierte Kriminalität, illegale Ein-wanderung und Flüchtlingsmigration. Um eineweitere Anpassung der rumänischen Streitkräfte anNATO-Standards zu gewährleisten, prüft der Verteidi-gungsrat zur Zeit Entwürfe für ein neues Streitkräfte-gesetz.80 Die rumänische Verteidigungsstrategie wurdeim April 2000 veröffentlicht. Das darin dargelegteReformkonzept der Streitkräfte gründet in seinerjetzigen Form auf einer von den USA und Großbritan-nien im Jahre 1999 durchgeführten Analyse. DasReformziel besteht darin, Streitkräfte zu schaffen, diefähig sind, allein oder gemeinsam mit der NATO aufSicherheitsrisiken zu reagieren.

Rumänien teilt mit den drei neuen NATO-Mitglie-dern die Probleme, die sich aus der Notwendigkeit derReduzierung, Neuordnung und Modernisierung einergroßen, schwerfälligen, schwer bewaffneten Armeeund ihrer Anpassung an die Standards und Erforder-nisse der NATO ergeben. Seit Beginn der Streitkräfte-reform wurde die rumänische Truppenstärke erheb-lich reduziert: Die unter dem KSE-Vertrag für Rumä-nien festgelegten personellen und materiellen Ober-grenzen waren bereits Ende 1995 erreicht oder sogarunterschritten. Bis zum Jahre 2003 sollen die rumä-nischen Streitkräfte auf einen Endbestand (ProgramForce 2003) von 112 000 Mann in Friedenszeiten und230 000 in Kriegszeiten reduziert werden. (Zum 1. Sep-tember 2001 zählten sie nur noch 102 027 Mann.) 120Bataillone wurden aufgelöst oder neu organisiert,weitere 200 werden bis zum Ende des Jahres 2003folgen. Bis zum Jahre 2003 genießt die Reform derStreitkräftestruktur Vorrang vor Ausrüstungsanstren-gungen: Vor 2004 werden keine neuen großen Aus-rüstungsprogramme gestartet.

Romanian Armed Forces, Updating with a View to Inter-operability, in: NATO�s Sixteen Nations, Special Issue1996 (November 1996).80 Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien, 19.7.2002.

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Neue Planungen, die unter dem Stichwort »Objec-tive Force« laufen, sehen für den Fall geänderterSicherheitsbedingungen eine weitere Reduzierungund Flexibilisierung der Streitkräfte vor.81 Bereits jetztsind die Aufwendungen für ein Mitglied der gut aus-gebildeten und mobilen sogenannten »aktiven Kräfte«dreimal so hoch wie jene für die Territorial- oderReservekräfte. Bis Ende 2003 sollen 50�60% der rumä-nischen Streitkräfte aus aktiven Kräften bestehen, diebei Peacekeeping-Missionen der NATO eingesetztwerden können.82

Das Offizierskorps weist das für ehemalige Ost-block-Armeen typische Merkmal eines Überhangs imBereich der oberen Ränge und von Fehlziffern imBereich der Unteroffiziere auf. Zur Zeit beträgt dasVerhältnis von Offizieren zu Unteroffizieren in denrumänischen Streitkräften 1 zu 1,4, das Ziel ist eineausgewogene Personalstruktur nach dem Muster west-licher Streitkräfte (1 Offizier zu 2,4 Unteroffizieren).Um das Ungleichgewicht zu korrigieren, wurdenallein im Jahre 1998 11 000 Offiziere und Unter-offiziere aus dem aktiven Dienst entlassen, von denen75% über 40 Jahre alt waren.83

2001 wurde mit einer neuen Vorschrift für dieMilitärische Laufbahn nach westlichem Vorbild einprimär leistungsorientiertes Beförderungssystemeingerichtet. Vor allem die Zahl der Generalsstellenin den neuen Streitkräftestrukturen wird drastischreduziert: von bisher vorhandenen 446 auf 140Stellen. Hinzu kommen jene Obristen, die zur Zeitnoch an Ausbildungsstätten der NATO studieren undderen Beförderung zum General bevorsteht.84 Es kannalso davon ausgegangen werden, daß derzeit an der

81 Ministry of Defence, Directorate for Euro-Atlantic Integration andInternational Military Relations, Romania. An Overall Perspectiveof the Internal Reform and NATO Integration, Bukarest,6.4.2002, S. 17.82 Eugen Tomiuc, Romania: Bucharest Steps Up NATO Mili-tary Reforms, but Political Reforms Are Just As Crucial, in:RFE/RL, 15.4.2002, <http://www.rfel.org/nca/features/2002/01/18012002091338.asp>.83 Bis 2003 muß das 30 000 Mann starke Offizierskorps nocheinmal halbiert werden: Die Zahl der Obristen muß von 2300auf 630 zurückgeführt werden, die der Oberstleutnants von5618 auf 1800, der Majore von 7800 auf 2200 und der Haupt-leute von 9908 auf 4050. Zugleich wird die Zahl der Ober-leutnants von 3051 auf 3750 und die der Leutnants von 2218auf 2400 angehoben. Siehe: Jeffrey Simon, Transforming theArmed Forces of Central and East Europe, in: Strategic Forum,(Juni 2000) 172, S. 2�3.84 Romania, Ministry of National Defence, Department for Euro-Atlantic Integration and Defence Policy (Hg.), Romanian MilitaryReform, Bukarest 2001, S. 4.

Spitze der Streitkräfte praktisch keine Generale ausder Vor-Wende-Zeit mehr im aktiven Dienst zu findensind. Um die Unteroffiziersausbildung entsprechendNATO-Standards zu beschleunigen, wurde in Piteştiein entsprechendes Zentrum gegründet und das dortpraktizierte Ausbildungsmodell in die Lehrpläne allerLehranstalten für Berufssoldaten übernommen. ZurZeit befinden sich 2800 junge Unteroffiziere in einersolchen Ausbildung.

Die Einstellung zivilen Personals erfolgt � mit Aus-nahme der Minister- und Staatssekretärsebene � aufder Grundlage des 1999 verabschiedeten Gesetzes fürden Öffentlichen Dienst. Damit � so Larry Watts �habe Rumänien ein Problem gelöst, das einigen neuenNATO-Mitgliedern, etwa der Tschechischen Republik,noch immer Schwierigkeiten bereite.85

Hinsichtlich der englischen Sprachkenntnisse derrumänischen Offiziere und Unteroffiziere ergab sichEnde Juni 2001 folgendes Bild:! 4036 Offiziere, davon gemäß NATO-Standards

1812 Stufe 1 (Grundkenntnisse)1498 Stufe 2 (ausreichende Kenntnisse für

Kommandopositionen)726 Stufe 3 (Kenntnisstand, der zum Einsatz

in NATO-Stäben befähigt)! 964 Unteroffiziere, davon

429 Stufe 1 (Grundkenntnisse)335 Stufe 2 (ausreichende Kenntnisse für

Kommandopositionen)200 Stufe 3 (Kenntnisstand, der zum Einsatz

in NATO-Stäben befähigt)Eingedenk der Schwierigkeiten, mit denen die drei

neuen NATO-Mitglieder bei der Besetzung der ihnenzustehenden Positionen im Rahmen der alliiertenStrukturen und beim NATO-Hauptquartier konfron-tiert waren, bemüht man sich in Rumänien, beizeitenverwendungsfähige Kräfte auszubilden. Beim Verteidi-gungsministerium wurden drei Zielgruppen benannt.Eine erste Zielgruppe (142 Offiziere und 14 Unter-offiziere) steht zur sofortigen Verwendung in den alli-ierten Stäben bereit, eine zweite Zielgruppe (125 Offi-ziere und 22 Unteroffiziere) ist für Positionen in deneinsatzbereiten Einheiten auf dem Territorium Rumä-niens vorbereitet, während eine dritte Zielgruppe (161

85 Larry L. Watts, Democratic Civil Control of the Military inRomania. An Assessment as of October 2001. Prepared forWorkshop: »Democratic Control of the Military among theNATO Aspirants: A Progress Report«, Washington, D.C.,1.11.2001, S. 20.

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Die Beitrittspolitik Rumäniens

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Offiziere und 62 Unteroffiziere) als Personalreserve fürdie beiden ersten Zielgruppen fungiert.86

Der Entwurf eines neuen Gesetzes sieht neben demzur Zeit obligatorischen Wehrdienst einen alter-nativen Zivildienst für Verweigerer aus Gewissens-gründen vor. Zudem ist geplant, den allgemeinenWehrdienst von derzeit zwölf auf acht und im Falleder Hochschulabsolventen von sechs auf vier Monatezu verkürzen. Für den geplanten Übergang zu einerBerufsarmee werden um rund 50% höhere Kosten an-gesetzt, die angesichts mangelnder Ressourcen vorerstwohl nicht aufgebracht werden können.87

Grad der Interoperabilität

Interoperabilität mit den Streitkräften der NATO zuerreichen ist für alle ehemaligen Warschauer-Pakt-Armeen eine kostenintensive Langzeitaufgabe. Trotzbegrenzter Finanzmittel hat Rumänien eine wichtigeEtappe auf diesem Weg bereits zurückgelegt: 80% derGeräte der Luftwaffe, 70% der Marine und 70% derAusrüstung der vier Infanteriebataillone, die fürPfP-Einsätze vorgesehen sind, verfügen über NATO-kompatible Kommunikationssysteme. Das Kommu-nikationssystem der rumänischen Streitkräfte(Romanian Armed Forces Communications SystemSTAR) soll 2007 voll funktionsfähig sein. Die Luft-überwachungssysteme Rumäniens und Bulgarienswurden miteinander verbunden.

In Rumänien ist man sich der Tatsache bewußt,daß die Bedeutung des Beitrags der eigenen Streit-kräfte zu den »capabilities« der NATO nicht in ihrerzahlenmäßigen Stärke liegt, sondern in ihrer Speziali-sierung und ihrer Flexibilität und Mobilität. Dies giltübrigens für alle neuen NATO-Mitglieder und für alleKandidatenstaaten: »None of the former communistcountries is likely to be a major contributor to NATO�sair operations in the near or mid term, but all canplay a meaningful role (even in air operations)depending on the contingency. Especially in cases of�coalitions of the willing�, their specific strengths inniche areas may make them disproportionately

86 Romania, Ministry of National Defence, Department for Euro-Atlantic Integration and Defence Policy (Hg.), Romanian MilitaryReform, Bukarest 2001, S. 10.87 Armata are 15 600 de soldaţi angajaţi cu contract [DieArmee verfügt über 15 600 Zeitsoldaten], in: Capital (Buka-rest), (28.3.2002) 13. Siehe auch: Allgemeine Deutsche Zeitungfür Rumänien, 12.2.2002 und 19.7.2002.

valuable to the operation.«88 Spezielle Fähigkeitenbieten unter anderem Einheiten der Gebirgsjäger,Kampfschwimmer, Militärpolizei, militärisches Nach-richtenwesen, Psychologische Operationen (PSYOP)und natürlich die strategische Airlift-Kapazität derrumänischen Streitkräfte. Gestützt auf deren umfang-reiche Erfahrung bei Auslandseinsätzen konnte zu-dem das neue logistische Konzept des NationalenUnterstützungselements entwickelt werden. Diesesflexible Konzept � es kommt bereits bei den Einsätzenin Afghanistan zum Tragen � sieht eine zentrale Koor-dinationszelle sowie Transport-, Verpflegungs-,Medizin- und Dienstleistungskapazitäten vor, die denunterschiedlichen Einsätzen angepaßt werden. Für dieVerbringung der Truppen an ihre Einsatzorte sorgenvier Herkules-C-130-Transportflugzeuge, von denenzur Zeit allerdings nur zwei voll einsatzfähig sind.

Auf rumänischer Seite gibt es keinerlei verfassungs-mäßige oder gesetzliche Bestimmungen, die einer Auf-nahme in die NATO entgegenstünden. Der Statusder US-Streitkräfte in Rumänien wurde vertraglichgeregelt.89 Seit Mai 2002 dienen der rumänischeSchwarzmeerhafen Konstantza-Süd und der nahe-gelegene Flughafen Kogălniceanu den US-Streitkräftenin Europa (EUCOM) für den Austausch der amerikani-schen Kontingente im Kosovo sowie für Material-lagerung und Transporte militärischer Ausrüstungaus dem Kosovo. Künftig kann der Hafen auch für dieVerschiffung von Truppen und Militärtechnik derNATO zu anderen Einsatzorten genutzt werden.90

Rumänien erklärte sich zudem bereit, der NATO seinTerritorium und seinen Luftraum auch für eventuelleMilitäraktionen gegen den Irak zur Verfügung zustellen. Ein Movement Control Center zur Unterstüt-zung alliierter Truppen für den Transit in die Balkanstaaten wurde eingerichtet. Vier Flughäfen � Kogălni-ceanu/Konstantza, Giarmata/Temeswar, Otopeni undFeteşti � sowie zwei Übungsplätze werden moderni-siert, um von der NATO genutzt werden zu können.

88 Szayna, Nato Enlargement 2000�2015, S. 145.89 Agreement between Romania and the United Statesof America Regarding the Status of United States Forces inRomania, Washington, D.C., 30.10.2001.90 George Cristian Maior, Staatssekretär im rumänischenVerteidigungsministerium, Interview in: Adevărul, 9.2.2002;Carmen Chihaia, 400 de militari americani la Constanţa [400amerikanische Militärs in Konstantza], in: Adevărul, 9.5.2002.

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Teilnahme an friedenserhaltenden Missionen

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Tabelle 1

Streitkräftekapazitäten, die Rumänien für Missionen zur kollektiven Verteidigung bereitstellt

Kategorie 2001 2002 2003

Landstreitkräfte 1 Bataillon Infanterie 1 Bataillon Infanterie

1 Kompanie Gebirgsjäger

1 Kompanie

Fallschirmspringer

1 mechanisierte Brigade

1 Bataillon Gebirgsjäger

1 Kompanie

Fallschirmspringer

Luftwaffe 4 Jagdbomber MiG 21

Lancer

6 Jagdbomber MiG 21

Lancer

8 Jagdbomber MiG 21

Lancer

4 Kampfhubschrauber

IAR 330 SOCAT

Marine 1 Fregatte

2 gepanzerte

Flußschiffe

1 Tauchergruppe

EOD/SEAL

1 Fregatte

3 gepanzerte

Flußschiffe

1 Tauchergruppe

EOD/SEAL

1 Fregatte

4 gepanzerte

Flußschiffe

1 Tauchergruppe

EOD/SEAL

Teilnahme an friedenserhaltenden Missionen

Rumänien stellt für Missionen im Rahmen der kollek-tiven Verteidigung Streitkräftekapazitäten zur Verfü-gung, die in Tabelle 1 aufgelistet sind. Für multi-nationale Einsätze hält das Land ein Infanterie-bataillon und eine Pionierkompanie im Rahmen derMultinational Peace Force in South-Eastern Europe(MPFSEE) bereit sowie eine Kompanie Infanterie imRahmen der multinationalen Stand-By High ReadinessBrigade der UNO (SHIRBRIG). Für das rumänisch-ungarische Bataillon ist ein rumänisches Modul von449 Soldaten vorgesehen und einsatzbereit. Ein Schiffnimmt an regelmäßigen Übungen der Black Sea NavalCooperation Task Group (BLACKSEAFOR) teil. An derMultinational Engineer Battalion Between Slovakia,Hungary, Romania and Ukraine (des »TISA«-Bataillons)ist Rumänien mit einer Pioniereinheit beteiligt. Diedafür vorgesehene rumänische Kompanie ist zu 90%einsatzfähig. Zum 1. September 2003 wird das Kom-mandozentrum der South Eastern Europe Brigade(SEEBRIG) für vier Jahren nach Konstantza verlegt.Seit 1999 existiert in Bukarest auch das als NATO/PfP-Trainingszentrum akkreditierte Romanian RegionalTraining Center.91

Seit 1990 haben mehr als 8000 Angehörige derrumänischen Streitkräfte an folgenden friedenserhalten-den Missionen teilgenommen:! Golfkrieg 1991;! Beobachtermission in der Republik Moldau 1992;

91 Romanian NATO/PfP Regional Training Center,<www.nato.int/pfp/romania/pfptraining.htm>.

! UN-Mission in Somalia (UNOSOM II) 1993�1994;! UN-Mission in Ruanda (UNAMIR) 1994;! UN-Kontrollmission in Angola (UNAVEM III)

1997�1998;! Multinationale Schutztruppe für Albanien (ALBA)

1997;! NATO-Missionen IFOR und SFOR in Bosnien-Herze-

gowina 1996�1998;! UN-Beobachtermission in Irak und Kuwait

(UNIKOM) seit 1991;! NATO-Mission post-SFOR seit 1998

(zur Zeit 122 Soldaten);! UN-Verwaltung in Kosovo (UNMIK);! Schutztruppe im Kosovo (KFOR)

(zur Zeit 221 Soldaten);! Enduring Freedom in Afghanistan

(zur Zeit 475 Soldaten).Insgesamt steht Rumänien mit seinen Verteidi-

gungsanstrengungen im internationalen Vergleichgut da, wie der im Dezember 2001 im RUSI Journalveröffentlichte »RUSI Martial Potency Index« beweist.Er beruht auf einer komplexen vergleichenden Unter-suchung, bei der quantitative Indikatoren wie Vertei-digungsausgaben und Truppenstärke in Beziehunggesetzt werden zum sogenannten »Defence Commit-ment Quotient« (der Akzeptanz von Verteidigungs-ausgaben durch Regierung und Bevölkerung, Pro-Kopf-Ausgaben und Anteil der Verteidigungsausgaben amStaatshaushalt) und zum »Proactivity Quotient«(der Fähigkeit, Truppen außerhalb der Grenzen zubringen). Weitere Faktoren wie Regierungstyp, Teil-nahme an Bündnissen, Kampferfahrung und innere

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Die Beitrittspolitik Rumäniens

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Sicherheit werden zusätzlich einbezogen. Die Skalareicht von 1 bis 10.

Das Ergebnis: Rumänien nimmt auf einer Liste von162 Staaten Platz 43 ein. Von den neuen NATO-Staatenrangiert nur Polen vor Rumänien auf Platz 25 (dieTschechische Republik auf Rang 55, Ungarn auf Rang71). Die anderen Kandidatenländer nehmen folgendeRänge ein: Bulgarien Platz 67, die Slowakei 81, Litauen82, Slowenien 92, Lettland 114 und Estland 120.92

Der NATO-Beitritt im Spiegel deröffentlichen Meinung

Die Einbindung Rumäniens in die euro-atlantischenStrukturen genießt allerhöchste außenpolitischePriorität und wird von einem breiten Konsens allerpolitischen Kräfte des Landes getragen. Im Jahre 1994wurde zur Vorbereitung auf den angestrebten NATO-und EU-Beitritt ein Nationaler Konsultativrat für dieEuropäische und Atlantische Integration ins Lebengerufen, dem Vertreter aller Parlamentsparteien sowievon mehreren Nichtregierungsorganisationen an-gehören. Im Juni 1996 und im April 1997 richtete dasrumänische Parlament einstimmig Appelle an die Par-lamente aller NATO-Staaten, in denen es unter Verweisauf den allgemeinen Konsens über diese außenpoliti-sche Option um Unterstützung für den Beitritt Rumä-niens zur NATO bat. Im März 2001 brachten sowohlalle im Parlament vertretenen Parteien als auch dieVertreter der Zivilgesellschaft (Kirchen, Gewerkschaf-ten, Nichtregierungsorganisationen) ihre Unterstüt-zung für die angestrebte NATO-Mitgliedschaft Rumä-niens zum Ausdruck.

Bei allen Umfragen, die im Verlauf der 1990er Jahredie Akzeptanz des NATO-Beitritts in den NATO-Bei-trittsstaaten zu ermitteln suchten, stand Rumänienneben Polen konstant am oberen Ende der Skala. Lagder Anteil der Befürworter im Jahre 1996 noch bei95%, ging er � bedingt durch die NichtaufnahmeRumäniens 1997 und die Kosovo-Krise 1999 � zunächstauf etwa 75% zurück, liegt aber zur Zeit wieder bei85%. Auch in den Streitkräften ist die Akzeptanz desNATO-Beitritts sehr hoch.

Das zur Zeit vollständigste Bild der öffentlichenMeinung zum NATO-Beitritt Rumäniens liefert eineUmfrage, die das führende rumänische Meinungs-

92 Michael Codner, The RUSI Martial Potency Index, in:The RUSI Journal, 146 (Dezember 2001), S. 25�31.

forschungsinstitut IMAS im Auftrag des rumänischenVerteidigungsministeriums 1999 durchführte.93

! Auf die Frage: »Sind Sie mit der Integration Rumä-niens in die NATO einverstanden?« antworteten75,5% der Befragten mit »ja«, 15,3% mit »nein«,9,2% zeigten sich unschlüssig.

! 17,1% haben eine »sehr gute Meinung« von derNATO, 56,1% eine »gute Meinung«, 11,6% eine»schlechte Meinung«, 3,9% eine »sehr schlechteMeinung«, 11,2% sind unentschlossen.Die Frage nach den erwarteten Auswirkungen des

NATO-Beitritts, bei der mehrfache Antworten möglichwaren, ergab folgendes Bild:! Zwischen 40 und 50% der Befragten erhoffen sich

vom Beitritt Rumäniens zur NATO eine »höhereGlaubwürdigkeit bei westlichen Investoren« und»bei internationalen Verhandlungen«;

! 43% der Befragten erwarten vom Beitritt eineModernisierung der Streitkräfte, die allerdings nurmit Hilfe der von 45% der Befragten erwartetenSteigerung der Ausgaben für die Streitkräfte mög-lich sein wird;

! 40,5% erhoffen sich »zusätzliche Garantien für dienationale Sicherheit«, 19,2% einen »besseren Zu-gang zu den kulturellen Ressourcen und Wertender westlichen Staaten«;

! 16,9% gehen von einer »Unterordnung der Streit-kräfte unter ausländische Kommandeure« aus, abernur 6,4% befürchten den Verlust der nationalenUnabhängigkeit;

! 31,2% der Befragten sind mit einer Stationierungvon NATO-Truppen auf rumänischem Territoriumeinverstanden, 55% (annähernd der gleiche Prozent-satz wie in Polen, der Tschechischen Republik undUngarn)94 sprachen sich dagegen aus.

Welche NATO für Rumänien?

Welche Hoffnungen und Erwartungen knüpfen diepolitisch Verantwortlichen in Rumänien an denNATO-Beitritt? Wie soll aus ihrer Sicht das Bündnisbeschaffen sein bzw. weiterentwickelt werden?! Für Rumänien ist die NATO das wichtigste Verteidi-

gungsbündnis der Geschichte. Sie habe sich, so derAußen- und der Premierminister im April 2002, als

93 România şi NATO. Sondaj comandat de MinisterulApărării Naţionale [Rumänien und die NATO. Meinungs-umfrage im Auftrag des Ministeriums für Nationale Verteidi-gung], <http://domino.kappa.ro/imas/home.nsf/Sondaje>.94 <http://www.ceorg-europe.org/research/2000_02.html>.

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Nichtmilitärische Sicherheitsrisiken

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Wertegemeinschaft bewährt und sich den neuenHerausforderungen und Risiken flexibel und dyna-misch angepaßt.95 Rumänien betont die Notwendig-keit einer starken transatlantischen Verbindung imBündnis, unterstützt aber zugleich auch den Aus-bau der Europäischen Sicherheits- und Verteidi-gungspolitik als eines starken europäischen Pfeilersin der NATO. Das schließt die Beteiligung Rumä-niens an der Europäischen Schnellen Eingreif-truppe ein.

! Die NATO muß eine effiziente militärische Organi-sation bleiben � »strongly anchored around theArticle 5 commitments«, »with an enhanced politi-cal role but with operational strengths«,96 »havingat its core the transatlantic link«.97 Die NATO dürfejedoch nicht zu einer neuen OSZE werden:»The OSCE, which Romania chaired last year, hasproved its value but is aware of its limitations«.98

Das Beispiel Mazedonien habe gezeigt, daß dieOSZE nur in Zusammenarbeit mit NATO und EUerfolgreich war, »because each organisation didwhat it does best and did it together.«99

! NATO und EU werden als »mutually reinforcingprocesses«100 gesehen. Die Sicherung der Grenzenentsprechend EU-Standards, die zum 1. Januar 2002zur Aufhebung der Visumpflicht für rumänischeBürger im Schengen-Raum geführt haben, würdeim Falle einer NATO-Aufnahme Rumäniens aucheinen Sicherheitsgewinn für die NATO bedeuten.Der Beitritt zu NATO und EU wäre für Rumänieneine einmalige historische Gelegenheit � »the firstreal opportunity in decades of entering a mutuallyreinforcing virtuous circle of dual membership ofthe EU and NATO«.101

! Einem starken Bündnis beizutreten und anzugehö-ren liege im ureigensten Sicherheitsinteresse desLandes. Die NATO sollte durch den Beitritt Rumä-niens gestärkt und nicht geschwächt werden. Dahermarkiere die Aufnahme in die NATO auf demGipfeltreffen in Prag nicht den Endpunkt der Inte-

95 Außenminister Mircea Geoană in einer Rede an der Yale-Universität, 4.4.2002, in: <http://www.nato.int/pfp/romania/geoanayale.htm>, und: Premierminister Adrian Năstase inseiner Rede auf dem Treffen des Nordatlantikrats mit Rumä-nien in Brüssel am 16.4.2002, in: <http://www.nato.int/pfp/romania/nastasenac1.htm>.96 Geoană, ebd.97 Năstase, ebd.98 Geoană, ebd.99 Ebd.100 Ebd.101 Ebd.

grationsbemühungen, sondern die Schwelle zueiner Phase verstärkten Engagements: »Accessionto NATO is not our end goal but rather a furtherstep on our road to sharing the responsibility forbringing about a deeper security in Europe.«102

Überzeugt von der Gemeinsamkeit der euro-atlanti-schen Sicherheitsinteressen werde Rumänien sich �unabhängig von der Beitrittsentscheidung in Prag �auch weiterhin uneingeschränkt an den Einsätzen»zur Verteidigung der von der Allianz gewährleiste-ten Sicherheit der europäischen Zivilisation« sowieam Kampf gegen den Terrorismus beteiligen.103

Vom Beitritt Rumäniens zur NATO erhofft sich dieRegierung in Bukarest, wie erwähnt, nicht zuletztauch Unterstützung für den laufenden Prozeß derinstitutionellen Modernisierung und der wirtschaft-lichen Reformen sowie letzten Endes auch die An-hebung des Lebensstandards der Bevölkerung.104 DieseErwartung deckt sich mit Einschätzungen westlicherWirtschaftsvertreter, die davon ausgehen, daß derNATO-Beitritt zu einer »dramatischen« Zunahme aus-ländischer Investitionen in Rumänien führen wird.105

Nichtmilitärische Sicherheitsrisiken

Neben den »harten« sicherheitspolitischen und mili-tärtechnischen Kriterien rückte bereits vor dem11. September die Frage der »weichen«, nichtmili-tärischen Gefährdungen der inneren und äußerenSicherheit der Kandidatenländer im Zuge der Erweite-rungsdiskussion in den Vordergrund. Themen, dieunter den Aspekt der »Wertedimension« der NATOsubsumiert werden � Refomrückstand und schlechteWirtschaftsdaten, Korruption, Nichtbeachtung vonUmweltvorschriften, fehlende Unabhängigkeit derJustiz, mangelnde Informationssicherheit, Schwierig-keiten bei der Vergangenheitsbewältigung, aber auchMinderheitenprobleme und soziale Fragen �, stelltenzwar keine unmittelbaren Sicherheitsgefährdungenfür die Kandidatenstaaten dar. Sie lassen aber klare

102 Ebd.103 Staatssekretär im Verteidigungsministerium GeorgeCristian Maior in einem Interview mit der Zeitung Adevărul,9.2.2002.104 Staatspräsident Ion Iliescu in einer Rede vor Mitgliederndes Centre for European Policy Studies (CEPS), Brüssel,10.7.2001.105 Obie L. Moore, Vorsitzender der Amerikanischen Han-delskammer in Rumänien, in einem Interview mit der Tages-zeitung Adevărul, 4.7.2002.

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Die Beitrittspolitik Rumäniens

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Rückschlüsse zu auf mangelnde Regierungskompe-tenz, ungenügend ausgebildete Krisenbewältigungs-mechanismen und fehlendes Rechtsbewußtsein indiesen Gesellschaften.106 Zwar erwarte das Bündnisnicht, so Außenminister Mircea Geoană, daß die Bei-trittskandidaten alle auf der sogenannten »laundrylist«107 der NATO vermerkten Aufgaben vor ihrem Bei-tritt lösten, sie müßten aber den Willen zur Lösungglaubhaft machen und überzeugende Lösungs-vorschläge präsentieren.108 Im Falle Rumäniens stehenWirtschaftsfragen, Korruption, der Kult um den vonden Alliierten des Zweiten Weltkriegs als Kriegs-verbrecher verurteilten Staatschef Marschall IonAntonescu, Informationssicherheit und das Problemder Heimkinder ganz oben auf der Agenda. Es steht zuerwarten, daß gerade die Frage der »weichen« Sicher-heitsrisiken im Verlauf der parlamentarischen Debat-ten in den NATO-Staaten anläßlich der Ratifizierungder Beitrittsverträge mit den Kandidatenstaatenweiter in den Vordergrund rücken wird.

Reformrückstand

Rumäniens größtes Problem sind die begrenzten wirt-schaftlichen Ressourcen und die zu spät und zu zöger-lich eingeleiteten Reformen. Zwar trat Rumänien alserstes osteuropäisches Land 1972 dem InternationalenWährungsfonds und der Weltbank bei und schloß1980 ein umfassendes Kooperationsabkommen mitder EG ab. Infolge der Erdölkrisen der 1970er Jahrekonnte Rumänien jedoch seine Devisenschulden imWesten nicht mehr bedienen und wurde 1982 fürzahlungsunfähig erklärt. Um sein Ziel der beschleu-nigten Schuldentilgung zu erreichen, hatte derDiktator Nicolae Ceauşescu eine Politik der radikalenEinsparungen und des gnadenlosen Sozialabbausbetrieben, die sich verheerend auf den Lebensstandardder Bevölkerung und auf die Wettbewerbsfähigkeitder Wirtschaft auswirkten.

Am Vorabend der Wende war Rumänien zwarschuldenfrei, aber technologisch rückständig und vonden globalen Handels- und Finanzströmen abgekop-

106 Chris Donnelly, Umdenken im Sicherheitsbereich, in:NATO Brief, (Winter 2000�2001), S. 32�34.107 Mircea Marian, România construieşte o Casă a NATO[Rumänien baut ein Haus der NATO], in: Adevărul, 25.8.2001.108 Außenminister Mircea Geoană in Interviews mit derWochenzeitung 22, 13 (22.�28.1.2002) 4, sowie mit demSender Radio Freies Europa am 4.3.2002, in: <http://www.rfel.org/nca/features/2002/03/04032002092652.asp>.

pelt. Privatwirtschaftliche Erfahrung und Kompetenzfehlten weitgehend. Und nach der Wende steuertendie neuen Politiker keinen durchgehend markt-wirtschaftlichen Kurs. Die hohe Steuerlast schrecktenicht nur ausländische Investoren, sie veranlaßteauch immer mehr inländische Klein- und Mittel-betriebe, in den Bereich der Schattenwirtschaft ab-zudriften. Zwischen 1997 und 1999 verstärkten sichdie krisenhaften Entwicklungen in der Wirtschaft.Das rumänische Bruttoinlandsprodukt, das 1998 7,3%betragen hatte und 1997 3,9%, sank 1999 um real3,2%. Die Inflationsrate lag im Jahresdurchschnitt1999 bei 45,8%, die rumänische Währung Leu verlor1999 rund die Hälfte ihres Wertes.

Erst in den letzten drei Jahren konnte der Teufels-kreis aus sinkendem Wachstum und hoher Inflationdurchbrochen werden. Seit 2000 wächst die rumäni-sche Wirtschaft kontinuierlich (um 5,3% im Jahre2001), ebenso die Industrieproduktion und der Export.Ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum ist die Grund-voraussetzung dafür, daß der Anteil der Verteidi-gungsausgaben am Staatshaushalt bis zum Jahre 2005auf dem vereinbarten Niveau von über 2% BIPgehalten werden kann.

Die Inflationsrate ist, obwohl mit 30,3% (2001)immer noch relativ hoch, im Sinken begriffen. DieArbeitslosenquote war mit 8,6% im Jahre 2001 ver-gleichsweise gering, was aber auch den � im Vergleichzu anderen Transformationsstaaten � niedrigen Priva-tisierungsgrad der Großindustrie widerspiegelt. ZurZeit generiert der private Sektor 64,5% des BIP. Das imJahre 2001 verabschiedete Gesetz über die Rückgabeprivaten Eigentums wirkt sich stabilisierend auf dieWirtschaft aus, aber auch positiv auf den sozialen undethnischen Frieden im Lande.

Die soziale Lage in Rumänien ist nach wie vor be-drückend. Die von der Regierung eingesetzte Kommis-sion für Armutsbekämpfung stufte in ihrem Berichtfür das Jahr 2001 6,6 Millionen der (insgesamt rund22,4 Millionen) Bewohner Rumäniens als arm ein, 2,6Millionen von ihnen leben in »extremer« Armut.109

Korruption

Wie überall in den Übergangsstaaten Osteuropasbildete auch in Rumänien die politische und wirt-schaftliche Transformation den Rahmen für dieUmwandlung von politischem in ökonomisches

109 Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien, 22.5.2002.

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Kapital. Mit der Entstehung einer neuen Oligarchieaus der alten Nomenklatura bildete sich ein »Systemvon Beziehungen, Begünstigungen und gegenseitigenAbhängigkeiten« zwischen den Mitgliedern einer»kleinen Gruppe von Wirtschaftsführern, Regierungs-mitgliedern und hohen Staatsbeamten«110 aus der Zeitvor und nach der Wende � ein idealer Nährboden fürKorruption und Kriminalität.111 In Rumänien hat sichfür dieses Netzwerk aus Vertretern der Wirtschaft,Verwaltung und Politik der Begriff der »Direktokratie«eingebürgert.112

Meinungsumfragen sowie ein Blick in die Presse desLandes lassen erkennen, daß das Thema Korruption inder rumänischen Öffentlichkeit eine eminent wichtigeRolle spielt. In dem von Transparency Internationalerstellten Index der Korruptionswahrnehmung (Cor-ruption Perception Index) besetzte Rumänien im Jahre2000 Platz 69 von insgesamt 91 Staaten.113 Am weite-sten verbreitet ist sie � dieser öffentlichen Wahr-nehmung zufolge � bei den Zollbehörden und imJustizwesen, im (ehemaligen) Staatlichen Privatisie-rungsfonds, im Parlament und im Gesundheitswesen.

Mit besonderer Besorgnis wird der Grad der Ver-flechtung von Politik und Wirtschaft registriert. DerOberste Verteidigungsrat des Landes bezeichnete Kor-ruption und organisierte Kriminalität als »echte Risi-kofaktoren für die gesellschaftliche Ordnung undsogar für die nationale Sicherheit.«114 Korruption undinsbesondere ihre politische Spielart ist in Rumänienmöglicherweise nicht weiter verbreitet als in anderenStaaten, aber, so der Publizist Alexandru Lăzescu, ihreAuswirkungen sei »in einem Land mit einer Wirt-schaft, die in weiten Teilen noch vom Staat abhängt,und mit einer noch nicht reformierten Verwaltung«weit gefährlicher als in den demokratischen Staatendes Westens.115

110 Christiane Hoffmann, Wettbewerb um Privilegien. DieVerflechtung von Wirtschaftsmacht und politischen Befug-nissen in Rußland, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung,21.7.1997.111 Siehe hierzu detailliert: Anneli Ute Gabanyi, Neue Wirt-schaftseliten in Rumänien: Von der Nomenklatura zurOligarchie, in: Südosteuropa, 48 (1999) 1�2, S. 75�97.112 Andrei Cornea, Lichidarea directocraţiei [Das Ausmerzender Direktokratie], in: 22 (Bukarest), 12 (19.�25.8.1997) 33.113 <www.transparency.ro>.114 Auf seiner Sitzung am 17.8.2001. Siehe hierzu: RomulusGeorgescu, Corupţia şi crima organizată au fost în atenţia CSAT[Die Korruption und das organisierte Verbrechen im Visierdes Obersten Landesrats für Verteidigung], in: RomâniaLiberă, 27.9.2001.115 Alexandru Lăzescu, Joaca de-a instituţiile [Das Institu-

Die im November 2000 neu gewählte sozialdemo-kratische Minderheitsregierung plant, auf Empfeh-lung der EU eine landesweite Anti-Korruptions-Staats-anwaltschaft ins Leben zu rufen. Das Justizministeri-um präsentierte im Oktober 2001 zwei Anti-Korrup-tions-Programme, die Reformen im Bereich der Regie-rungsstrukturen, der Justiz und der Verwaltungvorsehen.116 Mit Hilfe neuer Technologien sollen dieVoraussetzungen für mehr Transparenz bei der Priva-tisierung und der Vergabe öffentlicher Aufträgegeschaffen werden. Eine Verfassungsreform soll derpolitischen Korruption den Nährboden entziehen: DieFinanzierung der politischen Parteien und der Modusder Parlamentswahlen sollen neu geregelt, die Zahlder Parlamentarier reduziert, die Immunitätsregelnverändert werden.117

Nach dem 11. September wurde das Aufgabengebietdes in Bukarest eingerichteten SECI-Zentrums fürregionale Zusammenarbeit im Kampf gegen grenz-überschreitende Kriminalität auf die Bekämpfung vonterroristischen Aktivitäten, Geldwäsche, illegalerMigration und Steuerhinterziehung ausgeweitet. Esmuß aber davon ausgegangen werden, daß die Gefahr,die vom organisierten Verbrechen in einer Region aus-geht, in der sich bevorzugte Durchgangsrouten fürillegale Migration, Schmuggel, Waffen- und Menschen-handel befinden, trotz größter Anstrengungen nur imZusammenwirken mit den Partnern aus EU und NATOeingedämmt werden kann.

Vergangenheitsbewältigung

In der öffentlichen Wahrnehmung der Bevölkerungsowie in der Presse nehmen die Aufarbeitung der kom-munistischen Vergangenheit und die Aufklärung derbeim revolutionären Staatsstreich begangenen Gewalt-verbrechen einen breiten Raum ein. Und die juristi-sche Aufarbeitung der kommunistischen Vergan-genheit hat in Rumänien aus Gründen, die mit denBesonderheiten beim Sturz des Ceauşescu-Regimeszusammenhängen, einen höheren Stellenwert als inden anderen Transformationsstaaten. Für den Zugangder Bürger zu ihren Geheimdienstakten und die Ent-tarnung der Securitate als politische Polizei wurde

tionenspiel], in der Zeitschrift: 22 (Bukarest), 12 (25.12.�31.12.2001) 52.116 Robert Morar, Prevenirea corupţiei [Korruptionsverhü-tung], in: Tribuna Economică, (19.�26.12.2001) 51�52.117 Premierminister Adrian Năstase in einem Interview mitder Tageszeitung Adevărul, 18.2.2002.

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Die Beitrittspolitik Rumäniens

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allerdings erst 2001 eine institutionelle Lösung gefun-den. Trotz fortdauernder logistischer Schwierigkeitenund administrativer Halbherzigkeiten leistet dierumänische Behörde zur Erforschung der Archive derehemaligen Geheimpolizei Securitate einen wichtigenBeitrag zur öffentlichen Debatte über individuelleSchuld und Verstrickung zu Zeiten der kommunisti-schen Diktatur.

Wichtiger als die Aufarbeitung ihrer kommunisti-schen Vergangenheit erscheint jedoch mit Blick aufden NATO-Beitritt die Frage, wie die Kandidaten-staaten mit den Phänomenen Antisemitismus undHolocaust umgehen: »Für die osteuropäischen NATO-Kandidaten könnte die Aufarbeitung ihrer Verwick-lung in den Holocaust zum entscheidenden Beitritts-kriterium werden«, bemerkte die �Financial TimesDeutschland�: »Vor allem die USA drängen die Kandi-daten massiv dazu, die Beteiligung einheimischerHelfer an der Ermordung der Juden im Zweiten Welt-krieg anzuerkennen und ihre Bevölkerung aufzuklä-ren, sagten die Diplomaten am Rande des Gipfel-treffens der NATO-Kandidaten am Wochenende imlettischen Riga.«118 Während die drei baltischenStaaten offenbar im Zentrum der Kritik amerikanisch-jüdischer Organisationen standen,119 war aus den USAauch Kritik am Umgang Rumäniens mit seiner jünge-ren Geschichte zu hören. Im Fokus dieser Kritik stehtseit Jahren Marschall Ion Antonescu (geb. 1882),zwischen 1940 und 1944 rumänischer Staatschef, am23. August 1944 durch einen von König Mihai mit-getragenen Staatsstreich abgesetzt, im Jahre 1946 zumTode verurteilt und hingerichtet. Während Antonescuvon den Alliierten des Zweiten Weltkriegs als Kriegs-verbrecher eingestuft wurde, weil er Rumänien 1941an der Seite Hitlerdeutschlands in den Krieg gegen dieSowjetunion geführt hatte, wurden seine Person undseine Politik nach der Wende in Rumänien nicht ein-deutig und nicht ausschließlich negativ bewertet.

In Rumänien steckt die wissenschaftliche Bewer-tung des Marschalls, die erst nach dem Zusammen-bruch des kommunistischen Systems möglich wurde,noch in den Anfängen. In der Geschichtsschreibung,aber auch in der Öffentlichkeit gibt es neben Ansätzen

118 Hubert Wetzel, Nazi-Kollaboration wird Hürde für NATO-Kandidaten, in: Financial Times Deutschland, 9.7.2002.119 »Other Jewish organizations have been raising concernsabout the level of anti-Semitism and Holocaust recognitionin some aspirant countries, particularly Latvia, Lithuaniaand Estonia.« (Matthew E. Berger, Groups Back NATO Hopefuls,in: Cleveland Jewish News.com, 31.7.2002, <http://www.clevelandjewishnews...2002/July/31-691-wnato0731.txt>.)

einer differenzierten Bewertung auch Tendenzen zukultischer Überhöhung. In mehreren Städten wurdenStraßen und ein Friedhof nach Antonescu benanntund Büsten von ihm aufgestellt. Seit Beginn der1990er Jahre gab es deswegen Kritik aus den USA.Nach dem Regierungswechsel von 1996 verstärktesich der Druck auf die neu gewählte bürgerlicheRegierung, der Antonescu-Verehrung ein Ende zusetzen. Zwar wurde Generalstabschef Chelaru im Jahre1999 seines Postens enthoben, weil er an der Aufstel-lung einer Antonescu-Büste in einer Bukarester Kircheteilgenommen hatte, weitergehende Maßnahmenunterblieben aber.120

Rasch und entschieden reagierte die nach denWahlen vom November 2000 gebildete sozialdemo-kratische Minderheitsregierung von PremierministerAdrian Năstase auf die Kritik am Umgang mit Anto-nescu. Während seines Staatsbesuchs in den USA imNovember 2001 kündigte Năstase gesetzliche Maß-nahmen an, um künftig Ehrungen von Personen zuunterbinden, die als Kriegsverbrecher angeklagt sind.Im März 2002 erließ die Regierung dann ein Eilverord-nung, die alle faschistischen, rassistischen und frem-denfeindlichen Organisationen sowie den Kult vonPersonen, die wegen Verbrechen gegen den Friedenoder gegen die Menschlichkeit verurteilt wurden,unter Verbot stellte. Auf die öffentliche Leugnung desHolocaust steht eine Gefängnisstrafe.121 Den Kommu-nen empfahl die Regierung, nach Kriegsverbrechernbenannte Straßen und Plätze umzubenennen undderen Statuen oder Büsten zu entfernen, was in denmeisten Fällen sehr schnell geschehen ist.122 Rumä-nien setzte zudem auf symbolische Gesten. So lud derrumänische Staatspräsident Ion Iliescu zum Treffender NATO-Kandidatenstaaten im März 2002 inBukarest auch die Vertreter der jüdischen Gemein-schaften dieser Staaten ein.

120 Helsinki Commission Releases U.S. Statement on To-lerance and Non-Discrimination at OSCE Human DimensionImplementation Meeting, 20.9.1998,<www.csce.gov/press_csce>, und Roxana Ristache u.a., Bume-rangul Antonescu [Der Antonescu-Bumerang], in: Cotidianul(Bukarest), 5.11.2001.121 Zeitschrift 22 (Bukarest), 13 (2.�8.4.2002) 14.122 Der Verbleib einiger weniger Büsten und PorträtsAntonescus wurde jüngst von der US Helsinki Commissionangemahnt, der auch Senatorin Hilary Clinton angehört.Siehe hierzu Romania: Ethnic Diversity Briefs, (13.7.2002) 15,<www.romnews.com/communit>.

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Nichtmilitärische Sicherheitsrisiken

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Informationsschutz

Der Schutz als geheim eingestufter Informationenwird von der NATO ebenfalls als wichtige Vorbedin-gung für den Beitritt postuliert. Gesetze allein, wie siedas rumänische Parlament im April 2002 verabschie-dete, reichen offenbar nicht aus, auch nicht, daß dieRegierung ein Nationales Register der Staatsgeheim-nisse schuf.123 Inoffiziell drängten einige NATO-Staaten Rumänien offenbar, die Mitarbeiter seinerneuen Nachrichtendienste auf ihre eventuelle Zugehö-rigkeit zum alten Geheimdienst Securitate hin zudurchleuchten und gegebenenfalls zu entlassen:»Though no one at NATO publicly called for any spiesto be fired, the U.S. and some other allies wantRomania to thoroughly screen all former Securitateagents to make sure that people with murky historiesaren�t allowed to handle NATO secrets«, schreibt das�Wall Street Journal�. Der Zeitung zufolge ist man sichaber auch in NATO-Kreisen der Problematik solcherForderungen bewußt � zum einen, weil beim Bündnisoffenbar keine Hemmschwelle im Umgang mit demrussischen Präsidenten und ehemaligen KGB-AgentenVladimir Putin besteht, zum anderen, weil man dieinnere Sicherheit Rumäniens mit überzogenen Forde-rungen nicht gefährden dürfe.124

In westlichen sowie rumänischen Presseorganenkursieren Namen einzelner Vertreter der rumänischenIntelligence Community, gegen die es Bedenken gebenkönnte. Ein anonymer Internet-Bericht stellte dieNamen von 1600 ehemaligen Mitarbeitern der Securi-tate ins Netz, die noch in Bereichen des öffentlichenLebens tätig sein sollen.125 Unabhängig von ihrer Zahlkann man jedoch davon ausgehen, daß es sich dabeieher nicht � wie im Falle der anderen Warschauer-Pakt-Staaten � um Agenten mit engen institutionellenVerbindungen zu den sowjetischen Geheimdienstenhandelt. Auch dürfte man im Bündnis recht guteInformationen über den rumänischen Geheimdienstder Vor-Wende-Zeit besitzen, denn gerade aus Rumä-

123 Adrian Ursu, Demnitarii români şi ar prinde urechile înfiltrul NATO [Die rumänischen Politiker könnten in denMaschen des NATO-Filters hängenbleiben], in: Adevărul,26.2.2002, und Mircea Marian, Lista NATO cu aceia care nuvor acea acces la informaţiile secrete [Die NATO-Liste mit denNamen derer, die keinen Zugang zu geheimen Informationenhaben werden], in: Adevărul, 9.4.2002.124 Philip Shishkin, NATO Insists Romania Screen Ex-Agentsof Old Secret Police, in: The Wall Street Journal, 30.4.2002.125 S. R. Ica, SRI şi Armagedon 7 [Der Rumänische Nachrich-tendienst und Armageddon 7], in: România Liberă, 6.4.2002.

nien hatten sich � darin wohl nur Polen vergleichbar �ranghohe Überläufer, darunter auch der ehemaligestellvertretende Chef der rumänischen Auslands-spionage, General Ion Pacepa, in den Westen abgesetztund ihre Kenntnisse westlichen Diensten zugänglichgemacht.

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Neue Sicherheitsrisiken durch Regatta-Lösung?

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Neue Sicherheitsrisiken durch Regatta-Lösung?

Einem verzögerten Beitritt nach dem Muster der»Regatta-Lösung« sollte auf dem Prager Gipfeltreffeneine Absage erteilt werden, da er weder einen Gewinnfür die innere Sicherheit der Kandidatenstaaten nochfür die regionale Sicherheit bedeuten würde. Ineinzelnen europäischen Regionen � dem Baltikumoder Südosteuropa � könnte im Gegenteil sogar einMachtvakuum entstehen, das auch den Sicherheits-interessen der NATO nicht förderlich wäre. Am wahr-scheinlichsten sind drei Szenarien mit folgendenSchwerpunkten: die künftige Rolle Rußlands in derRegion »vom Baltikum bis zum Schwarzen Meer«, dieBeziehungen zwischen den Beitrittskandidaten undden 1999 in die NATO aufgenommenen neuen Mit-gliedstaaten und nicht zuletzt die Beziehungen derBeitrittskandidaten untereinander. Diese drei Sze-narien sollen, soweit sie Rumänien betreffen, imfolgenden näher beleuchtet werden.Beitrittskandidaten � Rußland. Sollten souveräneNATO-Mitglieder eine Möglichkeit sehen, den Prozeßder Ratifizierung der Beitrittsverträge einzelner Kandi-daten über einen längeren Zeitraum hinauszuziehen,könnte Rußland versucht sein, Einfluß auf den NATO-Integrationsprozeß zu nehmen, um daraus maxi-malen politischen, wirtschaftlichen oder militäri-schen Profit zu ziehen. Interessenkonflikte der NATOmit ihrem seit dem 11. September 2001 kontinuierlichaufgewerteten strategischen Partner Rußland wärenprogrammiert. So war im Mai 2002 aus Moskauerdiplomatischen Quellen zu erfahren, daß Rußland aufindividuellen Entscheidungen über den Beitritt neuerNATO-Mitglieder in den NATO�Rußland-Rat bestehenwolle. In der Gründungsvereinbarung, so das Argu-ment, sei kein Mechanismus für die Aufnahme neuerMitglieder vorgesehen. Die Einzelfallentscheidung seibesonders wichtig, wenn es um die Aufnahme der bal-tischen Staaten gehe.126

Beitrittskandidaten � neue NATO-Mitglieder. DieTatsache, daß NATO-Mitglieder der ersten Erweite-rungsrunde über die Aufnahme der Kandidaten derzweiten Erweiterungsrunde abstimmen und über dasRatifizierungsverfahren zusätzlich Einfluß auf denBeitrittsprozeß erhalten, könnte im Verlauf dieses

126 Interfax, 15.5.2002.

Verfahrens zu einer Zunahme regionaler Spannungenund damit zu einer Reduzierung des angestrebtenSicherheitsgewinns führen. Durch die gleichzeitigeRatifizierung der Beitrittsverträge aller Kandidaten-staaten könnten Versuche verhindert werden, im bila-teralen Bereich angesiedelte Ansprüche und Forderun-gen an benachbarte Kandidatenländer mit dem Ratifi-zierungsprozeß zu koppeln.Die Beitrittskandidaten untereinander. Nicht zuletztwürde durch einen gleichzeitigen Beitritt allen Rivali-täten zwischen Beitrittskandidaten der Boden ent-zogen. Die lang andauernden Spekulationen darüber,welche Kandidaten zum Beitritt in einer zweitenErweiterungsrunde eingeladen würden, haben bereitsdazu geführt, daß sich diese Staaten zunehmend alsRivalen in einem Rennen begriffen, in dem nicht Ko-operation, sondern Konkurrenz zum Erfolg zu führenscheint. Rumänische Regierungsvertreter plädierendaher prinzipiell für ein Ende der Rivalitäten zwi-schen den Anwärterstaaten, von denen jeder seinenspezifischen, unverwechselbaren Beitrag zur Bünd-nissicherheit leiste.127 Solidarität und Zusammen-arbeit als Grundprinzipien der Allianz müßten dieBeitrittskandidaten bereits im Vorfeld des Beitrittsüben.128

Rumänien, Rußland und die NATO

Rumäniens Beziehungen zu Rußland waren seit derWende entscheidend von den Versuchen Moskausgeprägt, den rumänischen NATO-Beitritt zu torpedie-ren. Moskau agierte zum einen bilateral durch dieVerhandlungen über den � immer noch nicht unter-zeichneten � Grundlagenvertrag zwischen Rumänienund der Sowjetunion bzw. der Rußländischen Födera-tion, zum anderen, indem es Einfluß auf NATO-Ent-scheidungen in der Erweiterungsfrage zu nehmenversuchte.

127 Şanse pentru NATO în 2002 [Chancen für die NATOim Jahre 2002], in: 22 (Bukarest), (6.�11.6.2001) 23.128 Rumäniens NATO-Botschafter Bogdan Mazuru,General Comments Regarding the Process of Romania�sAccession to NATO, <http://www.nato.int/pfp/romania/ambcomments.htm>.

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Rumänien, die Republik Moldau und die NATO

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Während die Sowjetunion und nach ihr die Ruß-ländische Föderation im Falle Polens, Ungarns und derTschechoslowakei (aber auch Bulgariens) schließlichbereit war, in den bilateralen Grundlagenverträgenauf die »Kwizinskij-Formel«129 zu verzichten, die diekünftige Bündnisfreiheit dieser Staaten eingeschränkthätte, bestand Moskau im Falle Rumäniens bis zumHerbst 2001 darauf, einen entsprechenden Para-graphen in den bilateralen Grundlagenvertrag auf-zunehmen.130 Zugleich hatte Rußland Rumänien � wieübrigens auch den baltischen Staaten � für einenVerzicht auf einen NATO-Beitritt Sicherheitsgarantienund Energielieferungen zu günstigen Konditionenangeboten, worauf sich Bukarest jedoch nicht ein-ließ.131 Mit dem Erlahmen des russischen Widerstandsgegen einen NATO-Beitritt der baltischen Staatenzeichnete sich schließlich die Chance einer Unter-zeichnung des rumänisch-russischen Grundlagen-vertrags ab.132

Die 1997 in Madrid getroffene Entscheidung, Rumä-nien noch nicht in die NATO aufzunehmen, war ganzoffenkundig auch das Ergebnis eines Interessen-ausgleichs zwischen der NATO und Rußland: Manunterschied zwischen den als »strategisch wichtig«erachteten Anwärtern auf eine erste Erweiterungs-runde und den Staaten »auf dem Balkan oder im Balti-kum«, in denen »die meisten NATO-Staaten keinevitalen Interessen« verfolgen.133 Und das waren genaudie Regionen, für die Rußland seinen nicht verhan-delbaren Anspruch (das Baltikum) oder sein über-geordnetes sicherheitspolitisches Interesse (dieSchwarzmeerregion) angemeldet hatte.134 Spätestens

129 Siehe hierzu: László Poti/Kathrin Sitzler, Ungarns Nach-barschafts- und Ostpolitik, 1989�1999, in: Klaus Ziemer (Hg.),Schwierige Nachbarschaften. Die Ostpolitik der StaatenOstmitteleuropas seit 1989, Marburg 2001, S. 149.130 Siehe auch: Anneli Ute Gabanyi, Systemwechsel inRumänien. Von der Revolution zur Transformation, München1998, S. 182�188.131 In der Presse war von einem sogenannten Non-Paperdieses Inhalts die Rede. Siehe Bogdan Chirieac, Oferta rusească[Das russische Angebot], in: Adevărul, 26.3.1998.132 Siehe hierzu das Interview von Außenminister MirceaGeoană in der Zeitschrift: 22 (Bukarest), (22.�28.1.2002) 4.133 Ronald D. Asmus und F. Stephen Larrabee, Wird die NATOdurch die Erweiterung nach Osten ein kraftloser Riese?, in:Die Welt, 1.12.1996. Siehe auch: Terry Swartzberg, Next Up forNATO, in: International Herald Tribune, 28.10.1997.134 Emil Hurezeanu, Codicilul de atârnare [Der Abhängig-keitszusatz], in: Curentul (Bukarest), 16.3.1998; Vasile Şandru,Interesele de securitate ale Moscovei în viziunea analiştilorruşi [Die Sicherheitsinteressen Moskaus aus der Sicht russi-scher Wissenschaftler], in: Curentul (Bukarest), 22.5.1998.

seit dem 11. September 2001 setzt die NATO anderegeostrategische Prioritäten.

Durch einen baldigen NATO-Beitritt Rumäniensbesteht nun, da Moskau sich mit ihm abgefunden hat,eine reale Chance für eine Verbesserung der bilatera-len Beziehungen auf allen relevanten Gebieten.135 DieEntwicklung des russisch-polnischen Verhältnissesnach dem NATO-Beitritt Polens hat überzeugendbewiesen, daß eine solche Entscheidung positive Aus-wirkungen auf die Sicherheitslage in der gesamtenRegion haben kann.

Rumänien, die Republik Moldauund die NATO

Gerade die Fernwirkungen eines Beitritts sind wichtig,wenn man die � parallel zum Torpedieren des NATO-Beitritts unternommenen � Versuche Moskaus inBetracht zieht, das in den Beziehungen zwischenRumänien und der benachbarten Republik Moldauangelegte indirekte Störpotential des rumänischenNATO-Beitritts zu instrumentalisieren.

Die Beziehungen zur ehemaligen moldauischenSowjetrepublik, die sich 1991 für unabhängig erklärte,stellen das heikelste Nachbarschaftsproblem Rumä-niens dar.136 Bukarest wurde lange Zeit unterstellt,gegenüber der Republik Moldau eine revisionistischePolitik zu verfolgen � und dies, obwohl Rumänien imSeptember 1991 als weltweit erstes Land die Unabhän-gigkeit der Republik Moldau anerkannte. RumänischeUnterstützung wurde der Nachbarrepublik auch beiihrer Aufnahme in den Stabilitätspakt für Südost-europa und in die Welthandelsorganisation zuteil.Keine rumänische Regierung hat jemals Ansprücheauf moldauisches Territorium angemeldet, die Ver-fassung enthält kein Wiedervereinigungsgebot.137 Esbesteht auch nicht die Gefahr, daß Rumänien in dem

135 I. M. Ioniţă, Nu avem dreptul să nu valorificăm posibilită-ţile de colaborare cu Rusia [Wir haben nicht das Recht, dieMöglichkeiten zur Zusammenarbeit mit Rußland zu ignorie-ren], in: Adevărul, 22.10.2001.136 Siehe auch: Justin Keay, Anti-Terror Fight Draws Romaniainto Western Security Structures, in: Jane�s IntelligenceReview, 14 (Januar 2002) 1, S. 23�25.137 Siehe hierzu: Anneli Ute Gabanyi, Die Moldaurepublikzwischen Wende und Rückwendung, in: Südosteuropa, 42(1993) 3�4, S. 163�207, und dies., Die Moldaurepublik zwi-schen Rußland, Rumänien und der Ukraine, in: Karl Kaiser/Hans-Peter Schwarz (Hg.), Die Außenpolitik der neuen Repu-bliken im östlichen Europa. Rußland und die Nachfolgestaa-ten der Sowjetunion in Europa, Bonn 1994, S. 131�156.

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Neue Sicherheitsrisiken durch Regatta-Lösung?

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Fall seinen »Landsleuten« (co-ethnics) in der RepublikMoldau zu Hilfe eilen könnte, daß diese zu einem»failed state« werden würde. Nicht zuletzt wird dar-über spekuliert, daß ein stärkeres Engagement Rumä-niens in der Republik Moldau angesichts des mit russi-scher Unterstützung am Leben gehaltenen Konfliktsum die abtrünnige Provinz Transnistrien zu einerBelastung der rumänisch-russischen Beziehungenwerden könnte.138

Exakt zu dem Zeitpunkt, als sich nach dem 11. Sep-tember die Chancen für eine »robuste« NATO-Erweite-rungslösung unter Einschluß Rumäniens abzuzeich-nen begannen, brach die moldauische Regierungeinen Streit mit Rumänien vom Zaun. Der moldaui-sche Justizminister Ion Morei bezichtigte Rumänienin einer Rede vor dem Europarat in Straßburg des»Expansionismus«, Staatspräsident WladimirWoronin, dessen kommunistische Partei 2001 dieParlamentswahlen gewonnen und die RepublikMoldau außenpolitisch eng an Rußland herangeführthatte, warf der rumänischen Staatsführung vor,Protestdemonstrationen in der moldauischen Haupt-stadt angezettelt zu haben. Der rumänische Militär-attaché wurde ausgewiesen. An dieser Stelle trat dierussische Staatsduma auf den Plan: Einstimmig verab-schiedete sie am 22. Februar 2002 eine Erklärung,worin sie die rumänische Führung der Einmischungin die inneren Angelegenheit, der Mißachtung souve-räner Rechte und der versuchten Destabilisierung derLage in der Republik Moldau beschuldigte. Dies warganz offensichtlich ein Versuch, die NATO-AufnahmeRumäniens auf indirektem Wege � über eine Verwick-lung in die Konfliktsituation in der Republik Moldau �zu torpedieren und den Eindruck zu vermitteln, daßRumänien »ein europäisches Sicherheitsproblem« dar-stelle und »schwere, unlösbare Probleme mit einemseiner Nachbarstaaten habe, die es durch seine Ein-mischung in die inneren Angelegenheiten des Nach-barstaates selbst verursacht habe.«139

Tatsächlich kam das Thema der Republik Moldaubei Gesprächen mit NATO-Vertretern dann auch zurSprache. Am Ende wurde der rumänischen Regierung,

138 Szayna, Nato Enlargement 2000�2015, S. 79.139 So in der Erklärung vom 22.2.2002, zit. in: Interfax,22.2.2002. Siehe hierzu auch: Ilie Şerbănescu, Drumul spreNATO continuă să treacă prin Est? [Führt der Weg in dieNATO immer noch über den Osten?], in der Zeitschrift: 22(Bukarest), (2.�8.4.2002) 14, und Bogdan Chirieac, Basarabia �o problemă mai grea decât Tezaurul [Bessarabien � einschwierigeres Problem als das des Staatsschatzes], in: Adevă-rul, 23.2.2002.

die sich von den Angriffen Rußlands und Moldausnicht provozieren ließ, bescheinigt, sich in diesemKonflikt »sehr verantwortungsvoll« verhalten zuhaben.140

Rumänien, Ungarn und die NATO

Im Falle Rumäniens könnte das neue NATO-MitgliedUngarn versucht sein, im Zuge des Ratifizierungs-prozesses Druck auf den Nachbarstaat auszuüben.Kommt es zu einer Auseinandersetzung, hat der Kan-didatenstaat (und nicht das neue Mitglied) nach-zuweisen, daß er an ihrem Ausbruch unschuldig ist.Als Beitrittskandidat muß Rumänien jeden Eindruckvermeiden, es könnte Minderheiten- und Nachbar-schaftskonflikte in das Bündnis »importieren«. Inihrem 1996 abgeschlossenen Grundlagenvertraghatten sich Rumänien und Ungarn gegenseitig Unter-stützung bei ihren Bestrebungen um Integration inNATO und EU zugesichert. Darüber hinaus sicherteUngarn gemeinsam mit den beiden anderen neuenNATO-Mitgliedern den Kandidatenstaaten auf demWashingtoner Gipfel im März 1999 ihre Unter-stützung für den Beitritt zu.141

Seit Jahren hatten jedoch rumänische Regierungs-vertreter darauf hingewiesen, daß für Rumänien dieNATO-Aufnahme Ungarns ein sicherheitspolitischesDefizit mit sich bringen könnte. Der im Verlauf desJahres 2001 ausgetragene ungarisch-rumänischeDisputs um das ungarische »Statusgesetz« hat Staats-präsident Ion Iliescu in seiner Meinung bestätigt, daßdie Aufnahme nur eines der beiden Nachbarstaatenin die NATO ein Fehler war, weil dadurch ein zusätz-liches Spannungsmoment in der Region geschaffenworden sei.142 Tatsächlich hatten Vertreter der unga-rischen Regierung im Verlauf dieser Debatte gewarnt,Ungarn könne seine Unterstützung für den NATO- und

140 Interview mit dem Botschafter der USA in Rumänien,Michael Guest, in: Adevărul, 4.4.2002.141 Ruxandra Negrea, Vecini cu NATO [Nachbarn der NATO],in: Adevărul, 15.3.1999.142 Siehe hierzu: B(ogdan) C(hirieac), Ungaria cere socotealăRomâniei în legatură cu declaraţiile preşedintelui Iliescu [Un-garn fordert Rechenschaft bezüglich der Erklärungen desPräsidenten], in: Adevărul, 22.9.2001, und Silviu Achim, PetreRoman: Statutul maghiarilor, o lege în contradicie cu spirituleuropean [Petre Roman: Der Status der Ungarn, ein Gesetzim Widerspruch zum europäischen Geist], in: Adevărul,18.8.2001.

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Rumänien, Bulgarien und die NATO

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EU-Beitritt Rumäniens vom Verhalten Bukarests in derStatusfrage abhängig machen.143

Innenpolitisch wollte Bukarest weder anti-ungari-schen Ressentiments Auftrieb geben noch das guteVerhältnis der regierenden SozialdemokratischenPartei zum Demokratischen Verband der UngarnRumäniens belasten, das für die Stabilität der sozial-demokratischen Minderheitsregierung von entschei-dender Bedeutung ist. Es gelang der rumänischenRegierung, diesen Konflikt durch Verlagerung der Ent-scheidungsfindung auf die Ebene des Europarats zuentschärfen.144 Die definitive Einbindung beiderStaaten in die euro-atlantischen Strukturen dürftemit Sicherheit zu einer nachhaltigen Verbesserungder gegenseitigen politischen Beziehungen führen.145

Rumänien, Bulgarien und die NATO

Das Verhältnis zwischen Rumänien und Bulgarien, diebeide trotz ihrer Unterstützung für die NATO währendder Kosovo-Krise und im Kampf gegen den Terroris-mus lange Zeit um ihren NATO-Beitritt fürchtenmußten, war zeitweilig von Spannungen geprägt. DerVorschlag des rumänischen Premierministers AdrianNăstase an Sofia, angesichts der gleichen außenpoliti-schen Ziele »im Tandem« zusammenzuarbeiten, wurdeanfangs von der bulgarischen Führung zurückgewie-sen. Ungarns Botschafter in Sofia warnte Bulgarienöffentlich vor einer solchen Zusammenarbeit, und diestellvertretende bulgarische Außenministerin MelenaKuneva betonte, Bulgarien setze auf den Alleingangjedes einzelnen Bewerberlandes.146 Erst der Rumänien-besuch des bulgarischen Ministerpräsidenten SimeonSakskoburggotski, der nicht nur mit dem rumä-nischen Staatspräsidenten, sondern auch mit demehemaligen rumänischen König Mihai I. zusammen-

143 Status der Auslandsungarn gegen NATO-Unterstützung?,in: Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien, 4.5.2001;Jeder Staat soll seine Minderheiten schützen, ebd.,31.10.2001.144 William Pfaff, International Herald Tribune, zitiert in:Adevărul, 20.3.2002.145 Analog zum rumänisch-ungarischen Verhältnis stelltThomas S. Szayna eine ähnlich positive Prognose für daskünftige Verhältnis zwichen Ungarn und der Slowakei:»Die slowakisch-ungarischen Beziehungen werden sich wahr-scheinlich als Folge der Tatsache, daß beide Staaten in dieNATO integriert sind, verbessern« (Szayna, Nato Enlargement2000�2015, S. 79).146 Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien, 16. und22.8.2001.

traf, führte dazu, daß Bulgarien einer Politik der part-nerschaftlichen Solidarität der NATO-Kandidaten-länder seine Unterstützung zusagte.147 Derzeit istRumänien dem Nachbarland bei der Vernichtung dersowjetischen SS-23-Raketen behilflich, die elf Jahrenach dem Zerfall des Warschauer Pakts noch immerauf bulgarischem Territorium lagern, vor dem PragerNATO-Gipfel aber entsorgt werden müssen.148

147 Rumänien und Bulgarien für gemeinsamen NATO-Beitritt, in: Neue Zürcher Zeitung, 11.3.2002; Parteneriatromâno-bulgar în cursa pentru integrare [Rumänisch-bulgari-sche Partnerschaft im Rennen um Integration], in: Adevărul,11.3.2002.148 Vernichtung der SS-23 ist Schlüssel zur NATO, in: Bulga-risches Wirtschaftsblatt (Sofia), 8 (August 2002), und: Rache-tele bulgare vor fi annihilate în România [Die bulgarischenRaketen werden in Rumänien vernichtet], in: Adevărul,14.8.2002.

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Schlußfolgerungen

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Schlußfolgerungen

Die baldige NATO-Mitgliedschaft aller sieben Kandi-datenstaaten würde Demokratie und Stabilität inEuropa stärken. Insbesondere in Südosteuropa, wonach dem Wendejahr 1989 schwere Konflikte undkriegerische Auseinandersetzungen Interventionenmit militärischen Mitteln � auch der NATO � zur Folgehatten, können die durch eine baldige Mitgliedschafterzielten Stabilisierungseffekte in Rumänien undBulgarien auf benachbarte Staaten ausstrahlen.

Die Bemühungen um eine beschleunigte Umset-zung gesamtgesellschaftlicher Reformen würdenzweifellos Auftrieb erhalten. Wie im Falle der dreineuen NATO-Staaten würde sich die um Rumänienerweiterte Integrationsregion zu einem Investitions-raum für westliche Direktanleger entwickeln: »NATOenlargement has stabilised the economic environmentin the new member states and created opportunitiesfor European and US companies. South-East Europeis ripe for the same NATO-driven growth, which couldhelp all nations of the often war-ravaged region, in-cluding the Balkans.«149 Als Folge einer wirtschaft-lichen Stabilisierung könnte durch einen stufen-weisen Abbau des Wohlstandsgefälles zwischenRumänien und dem Westen Europas im Endeffektauch der Migrationsdruck gedämpft werden.

Die Mitgliedschaft in der NATO würde auch undgerade in Rumänien, wo die Bevölkerung sowohlvor als auch nach der Wende besonders schwerenBelastungen ausgesetzt war, innergesellschaftlicheund soziale Spannungen abbauen helfen. Von einemsolchen Schritt erwarten die Menschen dort auchinternational mehr politische Respektabilität undwirtschaftliche Attraktivität, einen Modernisierungs-schub und eine Stärkung der inneren und äußerenSicherheit.

Der Zusammenhalt der NATO � das hat der Vorlaufzur zweiten Runde der NATO-Osterweiterung gezeigt �wird durch die Entscheidung über den zweiten Erwei-

149 Mark Brezinski/Tom Walls, NATO�s Southern Dimension,in: The Financial Times, 26.3.2002. Siehe auch: Gary Guertner,Bush, Putin şi geopolitica lărgirii NATO [Bush, Putin und dieGeopolitik der NATO-Erweiterung], in: Securitate şi Cooperare(Bukarest), 2 (2002) 1, S. 3; Daniel Daianu, Is Romania Turningthe Corner?, in: The Stockholm Report on Transition, 12(25.5.2002) 1, S. 8.

terungsschritt nach Osten weniger belastet als durchdie erste Aufnahmerunde. Zur Zeit besteht eher dieGefahr, daß sich Spannungen zwischen den zugleichin der EU organisierten europäischen NATO-Partnernund den USA negativ auf den Erweiterungsprozeß aus-wirken.150 Rumänien ist davon in zwei Fällen direktbetroffen � in der Frage der Adoption von Heim-kindern und im Streit um den Internationalen Straf-gerichtshof (ICC). Im Falle der Heimkinder hatte dierumänische Regierung auf Druck der EuropäischenKommission unter Hinweis auf seinen angestrebtenEU-Beitritt alle internationalen Adoptionen beginnendmit dem 1. Oktober 2001 für ein Jahr ausgesetzt.Daraufhin hatten Vertreter der USA erklärt, das vonder EU verordnete Adoptionsverbot könnte Rumä-niens NATO-Beitritt gefährden.151 Als weltweit ersterStaat hat Rumänien ein bilaterales Abkommen mitden USA unterzeichnet, das Amerikaner, die sich inRumänien aufhalten, vor ICC-Prozessen schützen soll.Das führte wiederum zu kritischen Reaktionen seitensder EU, die Rumänien in dieser Frage mangelnde Ab-stimmung mit den europäischen Gremien vorwarf.152

Beitrittsprozeß einschließlich Ratifizierungsproze-dur sollten gleichzeitig mit allen Beitrittsstaaten ab-geschlossen werden. Staaten, deren Politik daraufabzielt, den NATO-Beitritt des einen oder anderen Bei-trittskandidaten zu torpedieren, hätten dafür künftigkeinen Ansatzpunkt mehr.153 Es sollte vermiedenwerden, daß Ratifizierungsverfahren genutzt werden,

150 Siehe hierzu; Ilya Prizel, NATO after September 11: NewPurpose or Accelerated Atrophy?, Washington: EES, Januar2002 (East European Studies, EES Meeting Report Nr. 243),<http://wwics.si.edu/ees/reports/2002/243pri.htm>.151 Phelim McAleer/Brendan Hightower, Romania�s UnwantedBabies Threaten Its NATO Bid, in: Financial Times, 5.4.2002;Eugen Tomiuc, Romania: Adoption Issue May CloudNATO Plans, in: RFE/RL, 15.4.2002, <http://www.rfel.org/nca/features/2001/04/150422200210244355.asp>.152 Herbert Winkler, EU und USA im Streit um Strafgerichts-hof erneut auf Kollisionskurs, in: Kölner Stadt-Anzeiger,15.8.2002.153 Lars B. Wallin, NATO Enlargement in the Baltic Sea Area �Possible Consequences for Sweden, The TESLA Group, Swe-dish Defence Research Agency, 4.6.2002, S. 6: »It also meansthat any state or interest group intent on preventing the oneor other candidate from achieving membership might have,however small, a chance of blocking the process...«

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Abkürzungen

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um tradierte Rivalitäten und Konflikte mit Beitritts-kandidaten quasi mit anderen Mitteln fortzuführen.154

Vor diesem Hintergrund wäre es sinnvoll, auf demPrager Gipfeltreffen bereits einen genauen und mög-lichst baldigen Termin für den nächsten NATO-Gipfelfestzulegen. Durch Begrenzung des Spielraums, dendie Außenminister des Bündnisses in Reykjavik für dieDauer der nationalen Ratifizierungsprozesse festgelegthaben, würde der Beitritt der voraussichtlich siebenStaaten zu einem berechenbaren, transparenten undhoffentlich konfliktfreien Vorgang.

154 Stephan Martens, L�allemagne et l�est européen. Le défid�une configuration intégrative de l�Europe, in: Revued�études comparatives Est-Ouest, 32 (2001) 3, S. 37: »Cepen-dant, le processus d�élargissement de l�OTAN et de l�UE peutaboutir à des conflits entre les candidats de la première vagueet les exclus...«.

Abkürzungen

BIP BruttoinlandsproduktBLACKSEAFOR Black Sea Naval Cooperation Task GroupCEPS Centre for European Policy StudiesCSAT Consiliul Suprem de Apărare a Ţării

(Oberster Rat für Landesverteidigung)EU Europäische UnionEUCOM United States European CommandICC International Criminal CourtISAF International Security Assistance ForceIWF Internationaler WährungsfondsKFOR Kosovo ForceKSE (Verhandlungen über) Konventionelle

Streitkräfte in EuropaMAP Membership Action PlanMPFSEE Multinational Peace Force in

South-Eastern EuropeNGO Non-Governmental OrganizationOSCE Organization for Security and Cooperation

in EuropeOSZE Organisation für Sicherheit und

Zusammenarbeit in EuropaPBES Programming, Budgeting and Evaluation SystemPfP Partnership for PeacePPBES Planning, Programming, Budgeting and

Evaluation SystemPSYOP Psychological OperationsRFE/RL Radio Free Europe/Radio LibertyRUSI Royal United Services Institute for

Defence StudiesSECI Southeast European Cooperation InitiativeSEEBRIG South Eastern Europe BrigadeSFOR Stabilization ForceSHIRBRIG Stand-By High Readiness BrigadeUNAMIR United Nations Assistance Mission for RwandaUNAVEM United Nations Angola Verification MissionUNIKOM United Nations Iraq-Kuwait Observation MissionUNOSOM United Nations Operation in Somalia