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W E L T A L L + E R D E + M E N S C H Zufrieden ohne Weltraumflug Enthusiasmus für die Zukunft Erinnerungen an die Vergangenheit • Probleme für Mercury • Jobs aus der Raumfahrt 77 HEFT 77 AUSGABE 2/2013 Euro 4,50 US$ 6,00

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W E L T A L L + E R D E + M E N S C H

Zufrieden ohne Weltraumflug • Enthusiasmus für die ZukunftErinnerungen an die Vergangenheit • Probleme für Mercury • Jobs aus der Raumfahrt

77HEFT

77AUSGABE 2/2013

Euro 4,50US$ 6,00

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Unter einem Dach vereinigt die OHB AG führende Adressen der europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie:

Die OHB System AG als Spezialist für erdnahe und geostationäre Kleinsatelliten; die MT Aerospace AG mit ihren erfolg-

reichen Beiträgen zu den Ariane-Programmen; die Kayser-Threde GmbH mit Hightech-Kompetenzen für das Erfassen,

Nutzen und Verwalten von Informationen aus Forschung und Messtechnik weltweit und im All; und CGS S.p.A.,

LUXSPACE Sàrl, OHB Sweden AB und Antwerp Space N.V. als europäische Schwestern mit ausgewiesenem Know-how in

der Entwicklung und dem Bau von Micro- und Mini-Satellitensystemen, sowie Infrastrukturen für den Satellitenbetrieb.

Sie alle sind stark aufgestellt. Und das Ganze ist weit

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RC-topicPer Aspera ad AstraBy Hartmut E. SaengerThe author is showing by the example of his mother how difficult it has been for a women to become a respected spaceengineer. The article is reflecting on successful moments of Irene Saenger-Bredt but also on many problems.

RC-interviewHappy without Space FlightA talk with Irina B. SolovjovaTasillo Roemish had the opportunity to interview one of the veryfew women within the Soviet-Russian cosmos programme. The talk reveals how much hardship a women has to endure compared to her male colleagues.

RC-interviewDiversity and difference - key to successSimona Di Pippo is President of the international organisation"Women in Aerospace Europe". In this interview she is giving insights into the general situation of women in space industryand space organisations. She explains some reasons which triggered the development of the status quo we face today andshe is also giving some interesting advice what women can do to become respected professionals.

RC-private space flight Sonja Rohde – Braveness and Visions for a ticket to SpaceBy Uwe SchmalingSpace Tourism has become a dictum. But it is not as easy as itmight sound. People, interested in a private trip to space have tomanage some challenges. Sonja Rohde explains, that her com-mitment to a private space flight is more than just the idea ofholiday in space.

RC-private space flight ANTARES – launching into the new future of space flightBy Ralf and Yvonne HeckelLive and on-site - Our two authors could persue the success ofanother commercial space company engaged in NASA’s COTS programme. They are reporting about the enthusiasm theyencountered and about some interesting details they could learnfrom many talks with the experts.

RC-flying visitHeinz Mielke’s 90th birthdayBy Uwe SchmalingThis article describes an affecting meeting with Heinz Mielke, oneof the first generation of space authors in the GermanDemocratic Republic. Prof. Dieter B. Herrmann, one of Mielke’sformer col-leagues at the Archenhold Observatory in Berlin, isalso making some remarks in honour of Mielke’s anniversary.

RC-bad luck and mishapsAstronautics to be scared to Dead (part 4) By Eugen Reichl In this new part of our series, the author is reflecting on the US-American Mercury programme. This article gives an comprehensive overview on the content of the recently publishedbook “Project Mercury” by the same author.

SupplementMany different European enterprises and organisations are presenting their activities and company’s profile in our traditionally English special.

Further articles and columnsIn words and pictures (4;17), Gloss (5), Astronaut’s portrait (9),Opinion (26), Mission report ISS: EC 33/34 (27-28), Imprint (32).

INHALT/CONTENTS

6-7 RC-ThemaPer Aspera ad AstraVon Hartmut E. SängerAm Beispiel seiner Mutter berichtet der Autor über die Mühen und Unwegsamkeiten einer Frau als Raumfahrtingenieurin. Neben erfolgreichen Momenten widerspiegelt dieser Beitrag aber auch die vielen Problemedenen sich Irene Sänger-Bredt stellen musste.

7-8 RC-InterviewZufrieden ohne WeltraumflugEin Gespräch mit der Kosmonautin Irina B. SolowjowaTasillo Römisch hatte die Gelegenheit, eine der wenigen Frauen des sowjetisch-russischen Kosmonautenprogrammszu interviewen. Auch hier zeigt das Gespräch auf, wie vieleEntbehrungen eine Frau im Gegensatz zu ihren männlichenKollegen erdulden muss.

10-11 RC-InterviewVielfalt und Verschiedenheit - Schlüssel zum ErfolgSimona Di Pippo gibt Einblicke in die allgemeine Situation der Frauen in der Raumfahrtindustrie und den Raumfahrtorganisationen. Sie erklärt einige Hintergründe der Entwicklungen und gibt interessante Ratschläge was Frauen tun können, um sich professionell zu behaupten.

12-13 RC-Private RaumfahrtSonja Rohde – Mut und Visionen für ein Ticket ins AllVon Uwe SchmalingWeltraumtourismus ist ein geflügeltes Wort geworden. Doch so einfach wie es klingt, haben es die Personen nicht,die sich bei einem privaten Anbieter für einen Trip ins All bewerben. Sonja Rohde erläutert, dass dies für sie nicht diefixe Idee wie von einer Urlaubsreise ist.

14-16 RC-Private RaumfahrtANTARES - ein Start in die neue Zukunft der RaumfahrtVon Ralf und Yvonne HeckelLive vor Ort konnten unsere Autoren den Erfolg eines weiteren privaten Anbieters im COTS-Programm der NASAverfolgen. Sie berichten über den Enthusiasmus und manche Details, die sie in vielen Gesprächen erfahren haben.

18-19 RC-StippvisiteHeinz Mielke zum 90. Geburtstag Von Uwe SchmalingDer Artikel beschreibt eine bewegende Begegnung mit demUrgestein der DDR-Raumfahrtpublizistik, Heinz Mielke. Prof. Dieter B. Herrmann, ehemaliger Kollege an der Archenhold-Sternwarte, verfasste ebenfalls einige Gedanken zu Ehren des Jubilars.

20-23 RC-Pech und PannenRaumfahrt zum Fürchten (Teil 4)Von Eugen ReichlIn dieser neuen Folge dreht sich alles um das Mercury-Programm, zu dem der Autor auch kürzlich das Buch „Projekt Mercury“ im Motorbuchverlag Stuttgart publiziert hat.

BeilageIn unserem traditionellen englischsprachigen Specialpräsentieren verschiedene europäische Unternehmen ihre Aktivitäten bzw. ihr Profil.

Weitere Beiträge und RubrikenWort und Bild (4;17), Glosse (5), Raumfahrerporträt (9), Meinung (26), Missionsreport ISS: EC 33/34 (27-28), Impressum (32).

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Fortschritte bei derWellenreiter-Entwicklung(RC/HES) Am 1. Mai 2013 gelang esBoeing erstmals das VersuchsflugzeugX-51A nach Plan zu testen. Es war derinsgesamt vierte Anlauf. Auch dies-mal wurde das Versuchsgerät voneiner B-52H Stratofortress in 15 kmHöhe über dem Naval Air WarfareCenter Point Mugu ausgeklinkt, umdann von einem Feststoffboosterweiter auf Mach 4,8 beschleunigt zuwerden. Der eigene Antrieb arbeitetedann für dreieinhalb Minuten undbeschleunigte das Gefährt weiter aufMach 5,1, also Hyper schallge -schwindigkeit. Als Treibstoff dienteJP7, ein speziell für Hochge schwin -digkeitsanwendungen entwickeltesKerosin. Über die Art der Zündungund Regelung wurde nichts weitermitgeteilt. Die Besonderheit einesWellenreiterkonzepts ist die Verdich -tung und Verbrennung komplettunterhalb des Flugkörpers, also eine

Weiterentwicklung der Überschall-Staustrahlverbrennung. So will mankünftig einen besseren Wirkungsgradund damit eine größere Reichweiteerzielen. Zweieinhalb Minuten spätertauchte das Gerät dann planmäßig inden Pazifischen Ozean ein. Die Ent -

wicklung ist ein Projekt des Air ForceResearch Laboratory und der DefenseAdvanced Research Projects Agency.Ausführende Partner sind Boeing undPratt & Whitney Rocket dyne.

... und jetzt zum Marswetter(MPS/RC) Im Norden des rotenPlaneten treten Schneefälle mit großerVerlässlichkeit auf. Schnee schauer,die im eisigen Winter auf die Nord -halbkugel des Mars niedergehen,könnten sich mehrere Wochen imVoraus vorhersagen lassen. Zu diesemErgebnis kommen Forscher derTohoku Universität im japanischenSendai und des Max-Planck-Institutsfür Sonnensystemforschung (MPS) inKatlenburg-Lindau.Die Rechnungen zeigen erstmals, dassdiese Schneefälle mit einem besonde-ren Wetterphänomen auf dem Marszusammenhängen: Schwankungen inDruck, Temperatur, Windstärke und-rich tung, die sich auf der Nord -halbkugel im Winter wellenartig aus-breiten und sehr verlässlich auftreten.Für Marsmissionen, die diese Regio -nen mit Rovern erforschen wollen,böten solche Wettervorhersagen dieMöglichkeit, heftige Schneeschauerauf der Fahrtroute auszuschließen.Die Polarregionen des Mars sind eine

eisige Welt. Ähnlich wie die der Erdesind sie von geschlossenen Eiskappenbedeckt. Im Winter, wenn die Tempe -raturen unterhalb von -128 GradCelsius sinken, speist sich dieseEisschicht in erster Linie aus gefrore-nem Kohlendioxid, das sich aus derAtmosphäre niederschlägt. Die Eis -kappen erstrecken sich dann bis zueiner nördlichen Breite von etwa 70Grad. Nur im vergleichsweise warmenMarssommer sublimiert das Kohlen -dioxid und legt das „ewige Eis“ desPlaneten frei: eine deutlich kleinereKappe aus gefrorenem Wasser. „Das saisonale Eis des Mars, das nurim Winter auftritt, hat zwei Ur sprün -ge“, erklärt Dr. Paul Hartogh vomMPS. „Ein Teil des Kohlendioxids ausder Atmosphäre kondensiert direkt ander Oberfläche − ähnlich wie sich aufder Erde bei klarem, kalten Wettereine Frostschicht bildet. Ein anderergefriert in der Atmosphäre zu winzi-gen Eiskristallen, die Wolken bilden,und fällt als Schnee herunter“,ergänzt er.

Foto: U.S. Air Force

Im Winter bedeckt eine Schicht aus gefrorenemKohlendioxid den Nordpol des Mars, die zu etwa 50Prozent aus Kohlen dioxid-Schnee besteht, der ausEiswolken in der Atmosphäre auf die Oberfläche fällt.Die Aufnahme stammt von der NASA-Raumsonde MarsReconnaissance Orbiter aus dem Jahre 2006. Foto: NASA

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RC-Wort und Bild

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Gedanken an Walja

Vor nunmehr 50 Jahren flogst Du als erste Frau in denWeltraum. Davon hattest Du immer geträumt. Du hattestes in Deinem bisherigen Leben nicht leicht. Trotzdem hastDu Dich für die Kosmonautenschule beworben und end-lich wurdest Du 1962 aufgenommen.

Nein, Du warst nicht die Idealbesetzung für den Flug.Andere waren Piloten und Ingenieure. Du warst nur eineeinfache Textilarbeiterin, die an der Abendschule sichweitergebildet hatte. Das aber gefiel den Herrschern deines Landes. Die woll-ten Dich für ihre Propaganda. Wissenschaftliche Er -kenntnisse waren ihnen egal. Du solltest in den Weltraumfliegen und als strahlende Heldin zurückkommen.

Aber kehrtest Du am 19. Juni 1963 wirklich als strahlen-de Heldin zurück? Du bekamst während des Fluges die Raumkrankheit. Dirwar fürchterlich schlecht. Aber Dir war es verboten,krank zu sein. Du hattest ja die makellose kosmischeHeldin für die Propaganda darzustellen. Und so tatest Dudas, wovon Du der Meinung warst, es sei zwingend not-wendig. Du verschwiegst Dein wirkliches Befinden undhast nichts gegessen. Drei lange Tage lang. Dabei warstDu länger als ein amerikanischer Astronaut zuvor imWeltraum. In diesem Zustand ist Dir dann so mancherFehler unterlaufen. Aber Du hast eisern geschwiegen.Wusstest Du, dass nicht nur Dein Schicksal, sondern dasdes gesamten sowjetischen Frauen-Raumfahrt pro -grammes davon abhing?

Nach der Landung sieht man Dich auf den erstenFilmaufnahmen völlig erschöpft und fertig. War das einWunder nach diesem Flug? Die Filmaufnahmen sind ersteinmal von der Zensur kassiert worden und erst späterwieder aufgetaucht. Du wurdest als strahlende makello-se Heldin präsentiert. Dein Foto als junge, hübsche Fraumit dem Kosmonautenhelm ging um die Welt, in vielenZeitungen und auf unzähligen Briefmarken. Ob Du woll-test oder nicht. Viele Jahre lang.

Leider wird es auch wieder Menschen geben, die nurnach dem Skandal, dem Fehlverhalten und dem schiefgegangenen hinterherjagen. Andere werden sagen: Frauen haben im All prinzipiellnichts verloren. Dass das nicht stimmt, weiß ich.

Liebe Walja! Ärgere dich nicht darüber! Eins wird Dir kei-ner nehmen können: Du warst die Erste. Die erste Frauweltweit, die in den Kosmos geflogen ist. Andreas Weise

Essay an die Männer und alle, die es einmal werden wollen

Ich weiß, Ihr könnt es nicht lassen, Geheimnisse zu ha -ben, natürlich über uns Frauen.Aber manchmal verplaudert Ihr Euch, ganz wie eineschwatzhafte Diva, so geschehen am 13. April imRussischen Haus für Wissenschaft und Kultur. Mit derEntschiedenheit eines Dampfhammers wurde verkündet,dass erstens Frauen im All nichts zu suchen haben undzweitens die Männer die Frauen doch bitteschön (davor)beschützen sollten. Basta!Naja, die alten Herren, mag man denken.

Natürlich habt ihr nichts gegen uns, ihr begehrt und liebtuns, ihr könnt uns charmant anlächeln und mit uns end-los flirten. Aber bitteschön nicht im Job, da werden wirmeistens nur belächelt.

Woran mag das nur liegen? Stimmt, Männer haben dasgrößere Gehirn, aber im Verhältnis von Hirn- zuKörpermasse punkten wir Frauen. Deshalb sind wir imSchnitt intelligenter. Oder liegt es daran, dass Ihr ein größeres Herz habt?Stimmt auch wieder, aber unser Herz schlägt schnellerund das Hormon Östrogen schützt die Gefäße vor demVerstopfen. Darum erleiden Frauen nicht so häufigInfarkte wie Männer. Außerdem lässt dieses Hormon uns Frauen langsameraltern. Eine 50-Jährige hat vielleicht Falten, aber nochsatte 90% der Kraft, die sie mit 25 hatte – ein Mann hatdann nur noch 70% davon. Und was ist mit dieser Behauptung: Frauen haben keineOrientierung? Ein absolutes Klischee! Bereits in derSteinzeit orientierten sich unsere weiblichen Urahnenerfolgreich an kleinen Früchten, während die männlichenJäger nur Mammuts im Blick hatten. Aber, was bleibt denn nun noch für Euch Männer?Eija, Ihr seid stark und mutig, unerbittlich und weise.Jawohl, früher wart Ihr beispielsweise echte Pioniere,deren Wagemut man noch einen wissenschaftlichenWert beimessen konnte, später kamen die Abenteurer, dieeinfach nur einen besonderen Kick brauchten. EureVorbilder sind die vielen Heroes aus Amerika und vorallem ihre Sprache. Da wird aus dem englischen „Mann“durch nur zwei Buchstaben eine „Frau“.

Und wenn Ihr uns davor schützen wollt, dann ist dasOkay. Aber sonst lasst uns einfach zeigen, was wir kön-nen und darum auch ein Dank an den DeutschenBundestag, der im April eine Quotenfrau-Regelung abge-lehnt hat.In der Tat, eine sogenannte Quotenfrau wollen wir wirk-lich nicht sein, aber gleichberechtigt wollen wir behan-delt werden.Ute Habricht

RC-Glosse

RC 77 2/2013

Titel:Prominente Frauen aus der Raumfahrt undWeltraumforschung:Walentina Tereschkowa(großes Foto),RaumfahrtingenieurinIrene Sänger-Bredt, ESA-Astronautin SamanthaCristoforetti, die 2014 zur ISS fliegen wird sowieSonja Rohde (links vonunten nach oben). Fotos: Archiv RC, ArchivSänger, ESA, Sonja Rohde/Zero G

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Zum 50. Jahrestag des Raumfluges vonWalentina Wladimirowna Tereschkowa

Andreas Weise

Ute Habricht

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RC-Thema

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Die wenigen Frauen, die sichder Raumfahrt verschriebenhaben, mussten oft großeEntbehrungen auf sich neh-men und bekamen seltenAnerkennung. Trotzdem stan-den sie unerbittlich ihren„Mann“.

Der Wahlspruch der alten Hugenotten -familie fiel bei Irene Bredt auf fruchtba-ren Boden. 1911 in Bonn geboren, sahsie noch als Schülerin das RaketenautoOPEL-RAK-1 oder Fritz Langs Film „DieFrau im Mond“ und so wurde ihr In -teresse für Raketentechnik und Raum -fahrt geweckt. Das Studium in Bonnund Freiburg, unter anderem bei HansSpemann, bereitete aber erst einmal inder Tradition der alten Rhein ländischenFamilie, ein Onkel hatte gerade dieBredt’schen Wand glei chungen ent-wickelt, eine breite wissenschaftlicheGrundlage. 1936 promovierte sie dannüber „Die Röntgenspektren seltenerErden“. Das Spektrometer dazu hatte sieselbst gebaut.

Als es dann um eine Arbeitsstelle ging,lockte die wenig detaillierte Ausschrei -bung einer wissenschaftlichen Einrich -tung in der Lüneburger Heide. BeimVorstellungsgespräch überraschte sieihren späteren Chef Eugen Sänger mitden Worten: „Sie bauen Raketen“. IreneBredt begann ihre Forschungsarbeit als

Assistentin Eugen Sängers in derFlugzeugprüfstelle Trauen. Ihr Arbeits -gebiet wurde die Bearbeitung thermo-dynamischer und gaskinetischer Pro -bleme an Flüssigkeitsraketen. Ein Groß -teil des Arbeitspensums wurde dabei aneiner Sprossenrad-Rechenmaschine er -ledigt und so entstand unter anderemder heute typische flache Unterbodenaller modernen Hyperschall-Fluggeräte.

Als 1942 das Reichsluftfahrt ministe -rium Eugen Sängers ausschließlich aufein in weiterer Zukunft liegendes Ra -ketenflugzeug ausgerichtete Arbeitenals unzeitgemäß ansah, wurde dieArbeits gruppe nach mehreren Mah -nungen an die Deutsche Forschungs -anstalt für Segelflug zwangsversetzt.Deren Chef und gleichzeitig verant-wortlicher Leiter des Reichsfor schungs -rats, Walter Georgii, wollte die Gruppewenigstens unter seiner persönlichenAufsicht behalten.

1945 wurden Eugen Sänger und seineMitarbeiter dann auf VermittlungWalter Georgiis nach Frankreich einge-laden. Irene Bredt durfte ihre Arbeit alsBerater am Arsénal de l’Aéronautique,Paris-Châtillon, als freier beratenderIngenieur bei MATRA, Paris-Billancourtsowie als externer Prüfungssteller amInstitute of Technology in Madras fort -setzen. Der Tagesablauf wurde weitervon der immer noch gleichen Spros sen -radrechenmaschine bestimmt.

Inzwischen koordinierte, noch lange vordem Flug eines ersten Satelliten, eineauf der ganzen Welt verstreute Ge -meinschaft im Geiste einen erstenRaumfahrtkongress in London undgründete zur Verwirklichung der Ideeneine Internationale AstronautischeFöderation sowie eine Akademie. MitErlaubnis der Französischen Re gierungwählten die Teilnehmer Sänger zuihrem ersten Präsidenten. Auf dem Wegzu diesem Kongress las Irene Bredt dannin einer Londoner Zeitung: „V2 girlcomes to visit London“. Sehr viel ange-nehmer waren die vielen Freund -schaften mit Gleichgesinnten, z. B. mitTheodor von Karman. Während einesder folgenden Kongresse entschlossman sich, mit Eugen Sänger am Steuerseines Cabriolets, zu einer kleinenAusfahrt in die Umgebung. Von Karmanwar inzwischen auf dem Rücksitz ein-genickt, als man in einer Kuhherde zumHalten kam. Eine Kuh leckte ihm überdas Gesicht und von Karman schrecktehoch „Oh Madame“.

Nach ihrer Heirat mit Eugen Sänger undder Geburt ihres Sohnes, kehrte sie 1954nach Deutschland zurück. Dort wurdesie stellvertretende Leiterin des For -schungsinstituts für Physik derStrahlantriebe, zu dessen Gründung alserstes europäisches Raumfahrtfor -schungsinstitut Eugen Sänger vonStuttgart aus eingeladen worden war.

Die Arbeit vervielfachte sich. Ein provi-sorisches Institut am Stuttgarter Flug -hafen, die Planung und der Aufbaueines neuen Instituts im StuttgarterPfaffenwald sowie den zugehörigenPrüfständen in Lampoldshausen, dieHerausgabe weltweit erster Bemes -sungstafeln für Raumfahrtantriebe,eines ersten Buches über Raumfahrt -geschichte sowie ein eigener Haushaltforderten das nur 1,58 m große Tempe -ramentbündel.

Nachdem ein erster Satellit flog und dasInstitut gleichzeitig erste internationaleErfolge aufweisen konnte, richtete dieBundesrepublik ein erstes Raumfahrt -budget ein. Das Institut, das oft nur mitder Unterstützung aus Sängers privatenHonoraren überleben konnte, wurdenun zum Objekt der Begierde der deut-

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Per Aspera ad AstraVon Hartmut E. Sänger

Irene Sänger-Bredt im Forschungsinstitut für Physik der Strahlantriebe am Stuttgarter Flughafen (etwa 1958). Foto: Archiv Hartmut E. Sänger

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RC-Thema/Interview

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schen Luftfahrtforschung. NachdemSänger eine Integration seiner Instituteablehnte, tauchten auf einmal Vor -würfe auf, für Ägypten Waffen zu ent-wickeln und für die Sowjetunion zuspionieren. Eugen Sänger kündigtesofort die ursprünglich vom Instituts -vorstand vermittelte Vorlesungstätig -keit in Ägypten, worauf sich eine ägyp-tische Tageszeitung beklagte, dass seineFrau, Irene Sänger-Bredt, ja Halbjüdinsei. Nichtsdestotrotz wurde Sänger ausseiner Tätigkeit entlassen und IreneSänger-Bredt, die nie in Ägypten gewe-sen war, durfte ebenfalls vom For -

schungs institut Abschied nehmen. Sänger wurde zwar zwei Jahre spätervon Bundespräsident Heinrich Lübkerehabilitiert, für seine Gesundheit wares aber zu spät. Er verstarb 1964 aneinem zweiten Herzinfarkt. IreneSänger-Bredt bekam im Anschluss wie-der die Leitung des Stuttgarter Institutsangedient. Alleine die Träume warenvergangen. Sie lehnte ab und arbeitetein freier Tätigkeit an einem zweitenBand ihrer Bemessungstafeln fürJunkers und Bölkow. Zahlreiche neueBücher und Manuskripte entstandenund nicht zuletzt einer der Buchtitel

„Die geopferte Intelligenz“ erinnertenan die gemachten Erfahrungen. Sie ver-starb 1983 an einer Blutkrankheit.

Als das 1985 gegründete, nach Sängerbenannte nationale Hyperschalltech -nologieprogramm, 1993 abgewickeltwerden sollte, musste zur Beschleu -nigung des Ablaufs der Name Sängernoch einmal herhalten und das EhepaarSänger wurde per Mundpropagandaund schließlich in Zeitungsartikeln alsNazis verrufen. Einen unwürdigerenNachruf hätte sich Deutschland kaummehr einfallen lassen können.

RC: Frau Solowjowa, hier ist die Ausgabeder Zeitschrift "Raumfahrt Concret", ausder Sie entnehmen können, dass ichschon die Ehre hatte, mit Ihrer KolleginFrau Ponomarjowa zu reden. Deshalbgestatten Sie bitte, dass ich auch Siezuerst frage, wie es kam, dass SieKosmonautin geworden sind.Irina B. Solowjowa: Nun, alles begannmit dem Fallschirmsport, mit dem ichmich sehr intensiv beschäftigte. In derUdSSR war das damals einfacher alsheute. Ich war also Mitglied einer Sport -gruppe und nach einem Wettkampf imJahre 1960 hat die Leitung mir vorge-

schlagen, mich einer Kommission zustellen. Ich hielt das zwar nicht unbe-dingt für notwendig, aber es war mirgleichzeitig unangenehm, abzusagen.So gingen meine Gedanken zu derspannenden Frage, ob die mich wohlakzeptieren würden. Gleichzeitig wollteich aber gar nicht gern Abschied vonmeiner Sportgruppe nehmen.Jedenfalls bestand ich vor dieser medi-zinischen Kommission und am Endeblieben aus allen Tests aus dem ganzenLand fünf Frauen übrig. Das waren:Tereschkowa, Ponomarjowa, Jerkina,Kusnetzowa und ich.

RC: Es gab schon die Gruppe der männli-chen Kosmonauten. Wie wurden Sie undIhre weiblichen Kolle ginnen empfangen?Irina B. Solowjowa: Zuerst einmal sahensie uns mit großem Interesse. UnsereAufgabenstellung war jedoch einenationale Angelegenheit: Den erstenRaumflug einer Frau auszuführen. Dasverstanden sie natürlich. Sie halfen unsfreundschaftlich. Nachdem jedochValentina Tereschkowa tatsächlichgeflogen war, akzeptierten sie unsFrauen vollständig.

RC: Aus der Biografie von Frau Pono mar -jowa entnehme ich, dass der Chef -konstrukteur Sergeij Koroljow ihr ver-sprochen hat, ebenfalls ins All zu fliegen.Ihnen auch?Irina B. Solowjowa: Nun, das war in derZeit nach dem Wostok-Programm. Wirbereiteten uns schon auf neue Auf -gaben vor. Aus meiner Sicht wäreWalentina (Ponomarjowa) wirklich dienächste gewesen, weil sie polytech-nisch ausgebildet war. Aber damals wardas alles sehr geheim. Nicht mal meineTochter wusste, was ich wirklichmache. Zur Vorbereitung der nächstenMissionen wurde eine staatlicheKommission gebildet, deren Mitgliederein außerordentlich hohes Ansehengenossen. Die beschlossen auch, dassman sich nach dem Fluge einer Vielzahlgesellschaftlicher Arbeit zu widmenhabe. Frau Tereschkowa war zum

Zufrieden ohne WeltraumflugEin Gespräch mit Irina B. Solowjowa

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Beispiel sehr aktiv im Komsomol tätigund genießt auch heute, fünfzig Jahrenach dem Flug, ein sehr hohes An sehen.Ich bin nicht davon überzeugt, dassman so eine Gesamtaufgabe (RaumflugPLUS gesellschaftliche Tätigkeit, d.A.) tat-sächlich auch für uns Doubles vorgese-hen hat.

RC: Sie haben die Kosmonau ten abteilungim Jahre 1969 verlassen. Hatte das etwasmit der erfolgreichen Mondlandung derAmerikaner zu tun? Haben Sie auch füreinen Mondflug trainiert?Irina B. Solowjowa: Nein, mit der Mond -landung hat das nichts zu tun. Ich wardie ganze Zeit bis 1969 in derKosmonautenabteilung und habe michauf drei Raumschifftypen vorbereitet,zuletzt auf die "Sojus". Das war damalsein sehr schwieriges Raumschiff. Auchdie Entwicklung und Konstruktionwaren sehr kompliziert. Denken Sie nuran den ersten bemannten Flug, der mitdem Tode Komarows endete. Ich glaub-te damals, dass Frauen noch lange Zeitetwas so schwieriges gar nicht meisternkönnen und die russische be mannteRaumfahrt wird wohl noch eine Weileohne Frauen weitergehen. Also bereite-te ich mich geistig bereits auf eine Zeitohne diese ständigen Vorbe reitungenauf kosmische Flüge vor. Auf meinnächstes Leben. Mir war einfach klar,dass die Zeit vergeht und ich eine ande-re Perspektive brauche. Vielleicht maltesich Frau Ponomarjowa eine solcheWeltall-Perspektive aus. Ich nicht. Dazukommt, dass die ganze Frauen gruppedamals zerfiel.

RC: In Ihrer Biografie steht, dass SiePsychologin sind. Haben Sie danach alsorichtig als Arzt praktiziert?Irina B. Solowjowa: Nein, ich bin derAusbildung nach Ingenieur, Luftfahrt-Ingenieur. Ich habe am SwerdlowskerPolytechnischen Institut studiert, da -nach an der Schukowski-Akademie.

1969 gab man uns die Möglichkeit, imKosmonauten-Ausbildungszentrumeiner wissenschaftlich-technischen Ab -teilung beizutreten. Ponomarjowa undich beschlossen, das zu machen. Und sohabe ich mich mit Ingenieur-Wissen -schaft und Ingenieur-Psychologie be -schäftigt. Genauer mit der Vorbe -reitung der Kosmonauten auf Extrem -situationen.

RC: ...und Sie waren deshalb in der Arktis? Irina B. Solowjowa: So wie Ihr Hobby dieRaumfahrt ist, habe ich auch Hobbys,und zwar gleich vier: Fallschirm -springen, Psychologie, Reisen (Arktis)und die Arbeit im Hause (aber das nurin geringerem Maße). Das sind imRussischen die vier Tätigkeiten, die mit"P" anfangen. Und so war ich etwazehn mal in der Arktis, gemeinsam mitjungen Frauen. Auf der Tschuktschen-Halbinsel, dem Franz-Joseph-Land,Tschuchotka, Alaska, am Pol... Dannwurde es immer schwieriger mit denFinanzen. Bei den ersten Reisen warenwir bis zu neun Expeditionsteilnehmer,zuletzt reichte das Geld nur noch fürfünf. So war ich 1995 das letzte Maldabei. Aber psychologisch gab es aufdiesen Reisen sehr interessante Er -kenntnisse.

RC: Eine meiner Standardfragen führt zuJuri Gagarin. Sie haben ihn kennen-gelernt. Was können Sie unseren Lesernüber ihn berichten?Irina B. Solowjowa: Er war naturverbun-den, viel Freude bringend, liebevoll, erachtete alle Menschen - ein sehr ange-nehmer Kollege, man fühlte sich ein-fach zu ihm hingezogen. Es war keinZufall, dass er als erster ausgewähltwurde. Ich glaube, gerade Sergeij

Koroljow hat sehr gut verstanden, wasGagarin für die ganze Menschheitbedeutet. Vielleicht kennen Sie dasBuch "Gagarin in Baikonur". Ich habe esin der Straßenbahn gelesen. Und dieLeute, die mit in das Buch reingeschauthaben, lächelten ebenfalls. Ist das nichttoll? Gagarins Lächeln ist ansteckend.

RC: Wie beurteilen Sie rückwirkend IhrLeben unter dem Aspekt, dass Sie nichtim Weltall waren?Irina B. Solowjowa: Da stimme ich nichtso ganz mit Valentina Ponomarjowaüberein. Sie fand es schlimm, dass sienicht im Kosmos war. Ich glaube dage-gen, wenn ich auch geflogen wäre,hätte mich das gleiche Schicksal wieunsere erste Kosmonautin ereilt. Ichwäre zwar viel gereist, hätte aber niewirklich meine eigenen Interessendurchsetzen können. Meine HobbysPsychologie und Arktis hätte ich nie-mals machen können. Heute wünscheich mir nicht, dass ich hätte fliegen sol-len. Ich hatte ein sehr interessantesLeben und war gewissermaßen nichteine "öffentlich Sache" wie FrauTereschkowa.

Zum Schluss möchte ich mich abernoch sehr herzlich bei Ihnen und IhrenLesern dafür bedanken, dass Sie derrussischen Raumfahrt so viel Aufmerk -samkeit zukommen lassen. Ich wünscheIhnen allen viel Erfolg für die Zukunft,ich darf sagen, für Ihren persönlichenFlug zu den Sternen.

RC: Ich werde es ausrichten. Vielen herz-lichen Dank für das Interview und nochviel Erfolg mit Ihren Hobbys!

Das Gespräch führte Tasillo Römisch in Moskau

RC-Interview

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Biografie Irina Bajanowna SolowjowaGeboren am 06.09.1937 in Kirejewsk, Region Tula/ Russland, verheiratet

(aber nicht den Namen ihres Mannes –Kiseljow- angenommen), ein Sohn Alexeij (geb. 1969), eine Tochter Jelena (geb. 1971)

1954 Abschluss der 10. Klasse in Swerowa (Swerdlowsker Gebiet)1954 – 1959 Studentin am Polytechnischen Institut Swerdlowsk1959 – 1962 Ingenieur im Projektbüro "Energomontasch" Swerdlowsk03.03.1962 Auswahl für die erste weibliche Kosmonautengruppe16.06.1963 Double für Valentina Tereschkowa (Wostok 6)Mai 1965 – Mai 1966 Vorbereitung (mit Valentina Ponomarjowa) auf eine reine

Frauenmission mit "Woschod 4"01.10.1969 Aus dem Kosmonautenkader ausgeschieden und Beginn

der Arbeit in einer Abteilung zur Vorbereitung der Kosmonauten in Swjosdny Gorodok

12.05.1991 Ausscheiden aus dem Arbeitsprozess, PensionärinOberst der Luftstreitkräfte im Ruhestand

Sportliche Höhepunkte: 1959 "Meister des Sports der UdSSR“ im Fallschirmsprung1992 letzter von über 2.300 Fallschirmsprüngen

Irina Solowjowa (rechts) und Walentina Ponomarjowa währendihrer Ausbildungszeit. Fotos: Archiv Tasillo Römisch

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Erste Frau im AllWalentina W.Tereschkowa06. März 1937: geboren in Maslenni -kowo, Oblast Jaroslawl,UdSSR16.06. - 19.06.1963: Erster Raumflug (Wostok 6).

Dr. Walentina W. Tereschkowa, NII ZPKInstrukteur-Testkosmonaut, General major imRuhestand der Luft streit kräfte, ist verwitwet undhat ein Kind. Sie ist der 10. Raumfahrer der Welt,der 6. Kosmonaut der UdSSR und erreichte beiihrem Raumflug eine Einsatzdauer von 2 Tagen,22 Stunden und 50 Mi nuten.

Erster weiblicher AußenbordeinsatzSwet lana J.Sawizkaja08. August 1948:geboren in Moskau, UdSSR19. - 27.08.1982: Erster Raumflug (Sojus T-7).17. - 29.07.1984:Zweiter Raumflug(Sojus T-12).

Dr. Swetlana J. Sawizkaja, NPOE Instrukteur-Testkosmonaut, ist verheiratet und hat ein Kind.Sie ist der 111. Raumfahrer der Welt, der 53. Kos -monaut der UdSSR, die 2. Raum fahrerin der Welt,die 2. Kosmonautin der UdSSR und erreichte beiihren zwei Raum flügen eine Einsatzdauer von 19Tagen, 17 Stunden und 7 Minuten.

Erste US-AmerikanerinSally K. Ride26. Mai 1951: geboren in Los Angeles,Bundesstaat California.USA.18. - 24.06.1983:Erster Raumflug (STS-7).

05. - 13.10.1984: Zweiter Raumflug (STS-41G).23.07.2012: verstorben in Los Angeles

Dr. Sally K. Ride, NASA-Astronaut, hinterließ ihreLebensgefährtin. Sie ist der 121. Raumfahrer derWelt, der 57. Astronaut der USA, die 3. Raum-fahrerin der Welt und erreichte bei ihren zweiRaumflügen eine Einsatzdauer von 14 Tagen, 7 Stun den, 47 Minuten und 32 Sekunden.

Erste BritinHelen P. Sharman30. Mai 1963: geboren in Sheffield,England, VereinigtesKönigreich vonGroßbritannien undNordirland.18. - 26.05.1991:Erster Raumflug (Sojus TM-12).

Dr. Helen P. Sharman, Forschungs kos monaut, istledig. Sie ist der 249. Raumfahrer der Welt, der 1.Astronaut Großbritanniens, die 15. Raumfahrerinder Welt und erreichte bei ihrem Raumflug eineEinsatzdauer von 7 Tagen, 21 Stunden, 13 Minuten und 54 Sekunden.

Erste KanadierinRoberta L. Bondar04. Dezember 1945:geboren in Sault SainteMarie, Provinz Ontario,Kanada.22. - 30.01.1992:Erster Raumflug (STS-42).

Dr. Roberta L. Bondar, CSA / ASC-Astronaut, istledig. Sie ist der 264. Raumfahrer der Welt, der 2.Astronaut Kanadas, die 18. Raumfahrerin derWelt und erreichte bei ihrem Raumflug eineEinsatzdauer von 8 Tagen, 1 Stunde, 14 Minutenund 44 Sekunden.

Erste JapanerinChiaki Mukai6. Mai 1952: geboren in Tatebayashi,Präfektur Gunma, Japan.08. - 23.07.1994:Erster Raumflug (STS-65).

29. 10. - 07. 11.1998: Zweiter Raumflug (STS-95).

Dr. Chiaki Mukai, JAXA-Astronaut, ist verheira-tet. Sie ist der 313. Raumfahrer der Welt, der 3.Astronaut Japans, die 25. Raumfahrerin der Weltund erreichte bei ihren zwei Raumflügen eineEinsatzdauer von 23 Tagen, 15 Stunden, 48Minuten und 57 Sekunden.

Erste FranzösinClaudie Haigneré13. Mai 1957: geboren in Le Creusot,Region Burgund,Frankreich.17.08. - 02.09. 1996:Erster Raumflug (Sojus TM-24).

21. - 31.10. 2001: Zweiter Raumflug (Sojus TM-33).

Dr. Claudie Haigneré, ESA-Astronaut, ist verhei-ratet und hat ein Kind. Sie ist der 352.Raumfahrer der Welt, der 7. SpationautFrankreichs, die 31. Raumfahrerin der Welt underreichte bei ihren zwei Raumflügen eineEinsatzdauer von 25 Tagen, 14 Stunden, 24 Minuten und 2 Sekunden.

Erste ISS-Kommandantin (ISS-16)Peggy A. Whitson09. Februar 1960: geboren in Mount Ayr,Bundesstaat Iowa, USA05.06. - 07.12.2002: Erster Raumflug (ISS-5).

10.10.2007-19.04.2008: Zweiter Raumflug (ISS-16).

Dr. Peggy A. Whitson, NASA-Astronaut, ist ver-heiratet. Sie ist der 419. Raumfahrer der Welt, der264. Astronaut der USA, die 38. Raumfahrerin derWelt, die 30. Astronautin der USA und erreichtebei ihren zwei Raumflügen eine Einsatzdauer von1 Jahr, 11 Tagen, 17 Stunden, 21 Minuten und 28Sekunden.

Erste SüdkoreanerinYi So-yeon27. April 1978: geboren in Gwangju,Provinz Süd-Cholla, Republik Korea.08. - 19.04.2008: Erster Raumflug (Sojus TMA-12).

Dr. Yi So-yeon, Raumflugteilnehmerin, ist ledig.Sie ist der 474. Raumfahrer der Welt, der 1. Astro -naut der Republik Korea, die 49. Raum fahrerinder Welt und erreichte bei ihrem Raumflug eineEinsatzdauer von 10 Tagen, 21 Stun den, 13 Mi nu -ten und 5 Sekunden.

Erste ChinesinLiú Yáng06. Oktober 1978:geboren in Linzhou,Provinz Hénán,Volksrepublik China.16. – 29.06.2012:Erster Raumflug(Shenzhou IX).

Liú Yáng, Kosmonaut, Major der Luftstreitkräfteder Volksrepublik China, ist verheiratet. Sie ist der525. Raumfahrer der Welt, die 56. Raumfahrerinder Welt, der 8. Yǔhángyuán Chinas und erreich-te bei ihrem Raumflug eine Einsatzdauer von 12Tagen, 15 Stunden, 25 Minuten, 24 Sekunden.

Zusammenstellung: Jürgen StarkFotos: NASA, Spacefacts, JAXA, CNES, Energija, Archiv

RC-Raumfahrerporträt

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DerClassic-Club

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Die Astrophysikerin Simona Di Pippo istdie Gründungspräsidentin der europäi-schen Sektion der internationalenVereinigung "Women in Aerospace –WIA Europe". Innerhalb ihrer berufli-chen Karriere hatte sie verschiedeneLeitungspositionen inne, die immer mitgroßen Herausforderungen einhergingen.

Sie war eine der ersten Frauen inEuropa die erkannten, dass Frauen -förderung nicht mit schönen Worten inschicken Broschüren abgetan ist, son-dern aktiven Handelns bedarf – und dasmöglichst von den betroffenen Akteu -ren selbst: den Frauen. In der Konse -quenz hat sie gemeinsam mit derUnternehmerin Claudia Kessler im Juni2009 die europäische Struktur einesNetzwerkes für Frauen in der Luft- undRaumfahrtbranche ins Leben gerufen.

RC: Frau Di Pippo, als Präsidentin derOrganisation “Women in AerospaceEurope” sind Sie aktiv in die Ver bes -serung der Position von Frauen imRaumfahrtsektor eingebunden. Wasgenau kann WIA Europe in dieserHinsicht tun? Ist WIA Europe mehr alsein Alibi, um über die männlicheDominanz zu jammern?

Simonetta Di Pippo: “Women inAerospace Europe wurde angesichtsder Notwendigkeit ins Leben gerufen,diejenigen Menschen in Europa –sowohl Frauen als auch Männer – zumobilisieren, die die gleichen An -schau ungen und die gleichen Werteteilen. Ziel ist es dabei, zusammeneine konkrete und positive Aktion inEuropa zu etablieren, die gleichzeitigeine starke Repräsentanz in derRaumfahrt auf globaler Ebene dar-stellt und ein konkretes friedlichesBeispiel gibt, wie sich Talente bei derGestaltung einer gemeinsamen, zu -ver sichtlichen Zukunft einbringenkönnen.“Mit diesen Worten leite ich dasVorwort für den brandneuen strategi-schen Plan 2013 von WIA Europe ein.Es ist der erste Strategieplan seit derEtablierung der Organisation im Jahr2009. Und mit den folgenden Wortenhabe ich das gleiche Vorwort beendet: „Der erste Strategieplan von WIAEurope ist nicht nur entscheidend fürdie Erreichung unseres Ziels, sondernwird uns auch dabei helfen, zuallererstein Netzwerk zu sein und in zweiterInstanz ein stärker werdendes Team.Unser erklärtes Ziel muss es sein, eine

Arbeitsumwelt und eine Gesellschaftzu schaffen, in der Verschiedenheitund Vielfalt als selbstverständlichbetrachtet werden.“ Unterm Strich: kein Jammern, einfachnur Fakten.

RC: Mit gerade mal einer Europäerin,die jemals innerhalb der ESA ins Weltallflog und mit gerade mal einer weitereneuropäischen Frau in der Wartepositionfür ihren ESA-Flug zur InternationalenRaumstation, ist Europa nicht geradeführend bei weiblichen Beiträgen zurRaumfahrt. Im Jahr 50 nach WalentinaTereschkowas historischem Flug, wiesieht Ihre Einschätzung der Situationvon Frauen im europäischen Raum -fahrtsektor aus? Was sind aus IhrerSicht die Gründe für diese Situation?Simonetta Di Pippo: Es ist nicht einfach,die wahren Hintergründe für diesenUmstand zu erhellen. Und bevor ichversuche zu erklären, warum wirgegenwärtig in Europa diese unaus-gewogene Situation haben, möchteich gern auf China und sein bemann-tes Raumfahrtprogramm verweisen.Warum das? Weil ich denke, dass dieMotivation im chinesischen Raum -fahrt programm für die Entsendungvon Frauen in den Weltraum genaudie ist, wie wir sie hier in Europahaben sollten. Die Teilnahme vonFrauen bei Weltraummissionen, istzweifelsohne, nach chinesischer An -sicht, hilfreich beim Training, verbes-sert die Mannschaftsausrüstung undwird das Wissen über die physiologi-schen und psychologischen Effek tedes Weltraums auf Frauen erweitern.Obendrein wird es den Einfluss derbemannten Raumfahrt auf die ge -samte Gesellschaft erhöhen, da insbe-sondere die ungefähr anderen 50%der Bevölkerung mit einbezogen wer-den. Da sind wir hier in Europa nochnicht und leider ist das nicht nur imBereich der Raumfahrt so, sondernauch auf anderen Gebieten in Inno -vation und Technik. Eine der Ziel -setzungen von Women in AerospaceEurope ist es, zu verstehen, wo dieWurzeln der momentanen Situationliegen und der jungen Generationdabei zu helfen, damit umzugehen,um letztendlich die Unausge wogen -heit zu überwinden.

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RC-Interview

Vielfalt und Verschiedenheit -Schlüssel zum ErfolgEin Gespräch mit Simonetta Di Pippo

Frau Simona Di Pippo gibt am 21. Mai in Brüssel während einer Podiumsdiskussion zum Thema”Cooperation vs. Competition in Space Activities“ einen umfassenden Überblick über Kooperationen in der bemannten Raumfahrt. Diese Veranstaltung wurde von Women in Aerospace gemeinsam mit derSecure World Foundation organisiert und wurde zu einer exzellenten Gelegenheit zum Netzwerken, nicht nur zwischen Frauen. Foto: Jacqueline MyrrheMehr Informationen zu dieser Veranstaltung: http://swfound.org/events/2013/brussels-space-policy-round-table-cooperation-vs-competition-in-space-activities/

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RC: Welche Schritte sollten unternom-men werden, um die Situation zu ver-bessern?Simonetta Di Pippo: An dieser Stelle nurein paar Dinge: Frauen müssen mehrSelbstvertrauen haben und davonüberzeugt sein, das „Yes, we can!“funktioniert. Ebenso sind Vorbilderwichtig und das ist ein weiterer Grundwarum wir Women in Aerospacegegründet haben, nämlich damit dieWeltraumkultur weiter verbreitetwird, nicht nur in der einen Hälfte derBevölkerung des Planeten Erde. Undzu guter Letzt: wir müssen dasberühmte Motto von Bill Shepherd,dem ersten Kommandanten der ISSauf der Expedition 1 „Der letzte ein-fache Tag war gestern.“ verinnerli-chen. Für uns Frauen ist dieser Spruchbesonders zutreffend wenn es um denVerlauf unserer Karriere geht, liegendoch die Schwierigkeiten häufig amBeginn der beruflichen Lauf bahn undwenn man die berühmte „Glaswand“nach oben erreicht, die zwar transpa-rent aber undurchdringlich ist undFrauen davon abhält, Spitzen posi -tionen einzunehmen. Wir solltendabei beachten, dass diese Limitie -rungen nicht die Fehler von anderensind, selbst wenn es von Vorteil wäre,ein paar Dinge in der Mentalität dermännlichen Seite unserer Gesellschaftzu ändern, sondern dass alles von unsselbst abhängt.

RC: Wenn Sie auf Ihre beruflicheKarriere und Ihre Erfahrung in verschie-denen Raumfahrtorganisationen zurück -blicken, was denken Sie: Brauchen wirspezielle Regularien um gleicheChancen für Frauen zu garantieren?Oder würde das eher kontraproduktivsein? Simonetta Di Pippo: Die meisten Orga -nisationen haben bereits ihre eigenenProzeduren, um die Bewerbung vonFrauen zu fördern und deren Positioninnerhalb der Belegschaft zu stärken.Wenn man bedenkt, dass derartigeProzeduren bereits seit einigen Jahrenin Kraft sind und dass der durch-schnittliche weibliche Anteil an derarbeitenden Bevölkerung im Aerospace-Sektor rund 15 % ist, muss man logi-scherweise davon ausgehen, dass diegegenwärtigen Maßnah men nichtausreichend sind. Viel mehr noch,

ohne eine präzise Verfahrens weise,einschließlich der Regeln und Quoten,wird der notwendige Prozess, dassFrauen andere Frauen fördern, nichtins Rollen kommen. Das ist wahr-scheinlich in allen Bereichen unsererGesellschaft der Fall und das ist aucheiner der Gründe, warum mehrereLänder Gesetze erlassen haben, dieQuoten bei der Auswahl von neuenVorstandsmitgliedern vorgeben. Aufdem Gebiet von For schung undInnovation sind wir von sowas abernoch weit entfernt, dabei wäre es hieraber am dringendsten, um denKooptations-Kreislauf, also die Mö -glichkeit der bewussten Aus wahl vonFrauen durch Frauen in die Gänge zubringen. Um es kurz zu fassen: Ich binkein Fan von Quoten, ich habe sie niegemocht, aber ich bin der Auf -fassung, dass sie notwendig sind, umFrauen den Einstieg zu ermöglichen.

RC: Wo sind Frauen schon in führendenPositionen? Und warum konnten sieerfolgreich sein, wo andere (dieMehrheit) sich nicht durchgesetzthaben? Simonetta Di Pippo: Ich bin mir nichtganz im Klaren, warum eine Minder -heit es schafft und eine Mehrheitnicht. Aber ich kann Ihnen sagen, wasich persönlich erfahren habe. Erstensdenke ich, dass Männer und Frauenverschieden sind und dass es in ersterLinie auf eine Kooperation der ver-schiedenen Herangehensweisen beiFührung und Management ankommt.Der Versuch von Frauen die männli-chen Methoden auszuprobieren, funk-tioniert absolut nicht. Es gibt nur eineAusnahme: der sogenannte „AlteHerren-Verein“. Je weniger Frauen inSpitzenpositionen der verschiedenenOrganisationen sind, desto wenigerkönnen sie Kooptation zur Erhöhungdes Anteils von Frauen nutzen, umletztendlich die Unausgewogenheitzu reduzieren. Kooptation ist dieKönigsmethode der Männerwelt. Da -rum, wenn es denn so ist, dann isthier die Notwendigkeit gegeben,Netzwerkgelegenheiten und die Netz -werkfähig keiten der weiblichen Berufs -tätigen zu verbessern. Das muss sehrfrüh in ihrer beruflichen Laufbahngeschehen. Außerdem, durch die An -wesen heit von Vorbildern wie uns im

System, durch unsere Bereitschaft alsMentoren für die Jüngsten zurVerfügung zu stehen, durch unsereUnterstützung auf oberstem NiveauKontakte zu knüpfen - das wird denAnteil von Frauen auf dem Gebiet derLuft- und Raumfahrt verbessern. Aufder anderen Seite müssen sich dieFrauen darüber bewusst sein, dass esnicht einfach ist, aber „wir tun dieseDinge nicht weil sie einfach sind, son-dern weil sie schwer sind.“ (Kennedy,Rice University, 1962).

RC: Was ist Ihre Vision für Frauen imRaumfahrtsektor, sagen wir, innerhalbder nächsten zehn Jahre? Simonetta Di Pippo: Ich bin davonüberzeugt, dass wir zuallererst einennachhaltigen Entwicklungsprozess inunserer Gesellschaft, basierend aufWissen und Innovation, anstoßen undverfolgen müssen. Das kann nurdurch eine größere und einflussrei-chere Rolle der weiblichen Kompo -nente unserer Gesellschaft erreichtwerden. Ich bin auch davon über-zeugt, dass wir unsere Vielfalt undVerschiedenheit erhalten müssen,weil darin unsere Stärke liegt. Die Raumfahrtwelt ist international,ohne Grenzen. Wenn wir das Sonnen -system erkunden und in ein paarJahrzenten vielleicht auch darinleben werden, werden wir es irgend-wann mit außerirdischen Arten zutun bekommen. Die Menschheit musslernen, mit der Verschiedenheit um -zugehen, wie wir gelernt haben,internationale Kooperation durchAutonomie zu managen. Ich hoffe,dass Europa bereits 2020 der Welteine neue Gesellschaft präsentierenwird, in der niemand mehr Gesetzefür Quoten braucht um eine ausge-wogene Vertretung beider Geschlech -ter zu erreichen. Und ich hoffe, dass um 2020 dieRaumfahrtwelt davor steht, im Son -nen system zu leben und nach ein,zwei weiteren Jahrzehnten, die Men -schen beginnen werden, zu anderenZielen zu streben. Ich erwarte, dass 50 %davon Frauen sein werden.

RC: Herzlichen Dank für das anregendeGespräch, Frau Di Pippo.

Das Interview führte Jacqueline Myrrhe

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„Das war 2005“, resümiert die Im -mobilienkauffrau aus Hagen. „Wennich von vornherein gewusst hätte,dass es mindestens noch acht Jahredauert, hätte ich vielleicht noch daseine oder andere Abenteuer dazwi-schen geschoben.“, sagt die angehen-de Astronautin augenzwinkernd.Unschwer zu erraten, was gemeintsein könnte, z. B. der Wunsch fastaller Frauen für ein trautes Fa -milienglück. Aber nun heißt es ebenwarten, warten und warten. „Aber ichweiß ja, dass sich das Warten amEnde lohnen wird.“Dabei ist Sonja Rohde weltweit eineder Ersten der 100 Founder, alsoGründer, die dem Projekt Starthilfegegeben haben.

Mit Stand April 2013 sollen es nachAngaben von Virgin Galactic mehr als

580 Buchungen sein, wobei man nurnoch 10.000 Dollar anzahlen muss.Kandidat Nr. 500 war im März 2012der Schauspieler Ashton Kutcher. Sonja Rohde ist eine der wenigen

Frauen, die den etwa zweistündigenTrip, bei dem sie dann einige MinutenSchwerelosigkeit und den einzigarti-gen Blick auf unseren Planeten genie-ßen kann, wagen will. Als einzige

RC-Private Raumfahrt

Sonja Rohde - Mut und Visionen für einTicket ins All Sie ist 36 Jahre jung, intelligent, attrak-

tiv, sportlich, also beste Voraus setzungenfür eine Karrierefrau in vielen Bereichen.Aber ihr größter Traum ist es, ins All zufliegen und für diesen Traum blätterte sie200.000 US-Dollar hin.Alles begann auf einer Safari in Afrika,wo sie den Multimilliardär Sir RichardBranson kennenlernte. Bei einem ge -meinsamen Abendessen kam die Rededann auf Virgin Galactic, Bransons pri -vates Raumfahrtunternehmen. „Ich dachte, mich trifft der Schlag, dassmein Kindheitstraum jetzt wahr wird.Diese Begegnung muss Schicksal gewe-sen sein. Ich habe sofort zugesagt, dassich auf jeden Fall mitfliegen will. Das wareine spontane Entscheidung, die vonHerzen kam.“

Von Uwe Schmaling

Sonja Rohde bei der Simulation des Raketenstarts in der Zentrifuge. Foto: Sonja Rohde

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RC-Private Raumfahrt

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Deutsche hat sie noch Kenntnis von jeeiner Kandidatin aus New York,Hongkong und Pakistan sowie derSchauspielerin Victoria Principal.

Doch wann wird es losgehen? Nachdem Burt Rutan mit seinem HighTech-Unternehmen Scaled Composites

das SpaceShipOne gebaut und 2004den Ansari X-Prize gewonnen hatte,stieß ein Jahr später Richard Bransondazu und gemeinsam gründeten sieVirgin Galactic und streben nun mitSpaceShipTwo den Einstieg in diekommerzielle Raumfahrt an. Dochwie in dieser Branche üblich mahlen

die Mühlen viel langsamer als ge -dacht, Rückschläge, überwiegendaufgrund technischer Probleme, blie-ben nicht aus. Ein schweres Unglückereignete sich 2007 bei dem dreiMitarbeiter getötet wurden, als eineRakete während eines Tests explo-dierte.

Seit vergangenem Jahr aber breitetsich Optimismus bei Virgin Galacticaus und 2013 könnte der entschei-dende Durchbruch erfolgen. Immer -hin fand am 30. März der 27. erfolg-reiche Triebwerkstest statt. Am 3. Aprilabsolvierte das Vehikel einen weite-ren Gleittest und am 29. April wurdeerstmals das Triebwerk von Space -ShipTwo (SS2) im Flug erprobt.Der Testflug begann mit ChefpilotDave Mackay im TrägerflugzeugWhiteKnight 2 vom Mojave Air andSpaceport (Kalifornien) aus. Eine drei-viertel Stunde später erfolgte die Stu -fen trennung, in 14 km Höhe. DerPilot des SS2, Mark Stucky, zündetedarauf das neuentwickelte Hybrid -trieb werk für 16 Sekunden. SS2erreichte so Mach 1,2 und eine Gipfel -höhe von knapp 17 km. Die Landungerfolgte 10 min später wieder inMojave. Der wie geplant ablaufendeVersuch bestätigte damit erstmal dievollständige Integration des künfti-gen Raumfahr zeugs. Eine Reihe weiterer Testflüge sollnoch 2013 zu einem vollständigenRaumflug, also in 100 km Höhe führen.Somit könnte Sir Richard Branson mitseiner Virgin Group und Abu DhabisInvestmentgesellschaft AABAR nochin diesem Jahr den kommerziellenBetrieb beginnen. Aber für Sonja Rohde könnte esbereits 2014 ernst werden, denn,wenn der Countdown läuft, wird sieeine der ersten sein. 13

Technische Daten SpaceShipTwo WhiteKnightTwo

Besatzung: 2 2Passagiere: bis zu 6 -Länge: 18,29 m 23,77 mSpannweite: 8,23 m 42,67 mHöhe: 4,57 m 7,62 mLänge der Kabine: 3,70 mHöchstgeschwindigkeit: 4.200 km/hGipfelhöhe: 110 km (bei weniger Passagieren 140 km)

Das Start- und Landeareal des neuen Spaceport America in New Mexico, unweit von White Sands.Deutlich zu erkennen das Terminal- und Hangargebäude, das von Richard Branson imOktober 2011 eingeweiht wurde. Foto: Virgin Galactic

Sonja Rohde vor dem Trägerflugzeug bei Scaled Composites am Mojave Air and Spaceport, Kalifornien.Foto: Sonja Rohde

Erprobung des Triebwerkes von SS2, am 29. April 2013.Foto: Mike Mackay

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Die Privatisierung der ameri-kanischen Raumfahrt schreitetvoran. Nach SpaceX hat nunder nächste Anbieter einenErfolg zu verzeichnen. Live vorOrt konnten unsere Autorenerste Eindrücke sammeln.

Wenn man in diesen Tagen die NASA-Zentren in Washington, WallopsIsland, Huntsville und am CapeCanaveral aufsucht, dann fällt eineentscheidende Neuigkeit auf: Die pri-vate Raumfahrt ist angekommen undwird mit offenen Armen empfangen.Sie ist kein Stiefkind und keine belä-chelte Sektion, sie ist Teil der Familie"Raumfahrt". Alle freuen sich aufderen Innovationsschübe und diedamit verbundenen Entlastungeneigener Ressourcen. Das COTS-Programm (CommercialOrbital Transportation Service) ist seitseiner Auflegung im Jahre 2005 eineErfolgsstory und auch ein idealesSozialprogramm für die seit derEinstellung des Space Shuttle-Pro -grammes freigewordenen Personal -ressourcen.

Dennoch muss man unterscheidenzwischen "privatisierter Raumfahrt"wie die des COTS-Programmes undangeblich "privater Weltraumflüge"wie aus den derzeit populärenPublikationen um Scaled Composites,Axe und Co. Letzteres ist "extremeLuftfahrt" aber bei weitem nochkeine "Raumfahrt". Dass wir davonnoch weit entfernt sind, zeigt vorallem der nicht erreichte GoogleLunar X-Preis. Der Schritt über priva-

tisierende Ausgründungen bestehen-der Abteilungen im großen Getriebestaatlicher Raumfahrtbehörden istbasisorientierter.

Wallops Island, erster Startversucham 17. April 2013Mr. Garmin führt uns an ein Werktor:„MARS: Mid-Atlantic Regional Space -port“. Da sind wir also. Da ist einWelt raumbahnhof inmitten einesUrlauberparadieses. Es ist die Erfül -lung aller in der Jugend gelesenerScience Fiction Romane. Nun beginntdas Abenteuer. NASA-Leute aus demHeadquarter statteten uns mit einpaar geheimen Ortsangaben aus, dieunser Navi nicht kennt. Wir fahren insUngewisse und landen am Ende einesFeldweges, der Arbuckle Road. Hier istder Austern-See mit einer MengeSchlick und Muscheln rundherum.Das Watt produziert seinen eigenenGeruch. Das alles aber ist Nebensache,denn vor uns richtet sich nur knappzwei Kilometer entfernt die weißeAntares-Rakete in den Himmel. Sieglänzt in der Nach mittags-Sonne undwird nur noch von einem riesigenWasserturm überragt. Es hat sichbereits jetzt alle Anstrengung ge -lohnt.Wir sind vier Stunden zu früh, den-noch sitzen bereits eine indische

ANTARES ein Start in die neue Zukunft der RaumfahrtVon Ralf und Yvonne Heckel

Die Antares-Rakete hebt ab. An der Spitze die Nutzlast -attrappe Cygnus. Die Nutzlastverkleidung ist 9,9 m langund hat, wie die gesamte Rakete, 3,9 m Durchmesser. Foto: OSC.

Spontanes Public Viewing der OSC-Fans am Austern-Seeauf Wallops Island, 17. April 2013. Foto: Ralf Heckel.

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Familie mit Stühlen am Ufer und einMann in weißem Jeep. Es ist DarrellGheen, der Startplatz-Manager. Wirkommen ins Gespräch und stellenschnell fest, dass wir gemeinsameBekannte am Cape Canaveral haben.Er war 33 Jahre Ingenieur im Shuttle-Programm. Das könnte nun eine end-lose Konversation werden. Aber dieKinder quengeln. Ich hatte ihneneinen Strand versprochen. Von diesemhier sind sie enttäuscht. Also fahrenwir zunächst erst einmal noch zumriesigen weißen Sandstrand an denAtlantik. Aber nach 30 Minuten wirdes dort ungemütlich. Es kommt einstarker Wind auf. Die Wellen peit-schen hoch und es wird kühl –obwohl unentwegt die Sonne scheint.Wir entschließen uns wieder zurRückkehr an den ruhigeren Austern-See.

Der ist nun rappelvoll. Die Auto -schlan ge reicht über den ganzenFeldweg. Überall sind Campingstühle,Fotostative und Menschen mitPicknick-Körben. Das sind die Eisen -bahn-Fans der USA. Hier guckt maneben Raketenstarts. Viele reisen vonweit her an. Ebenso sind Familien -angehörige der Ingenieure am Start -platz. Es sind Frauen, Kinder und dieGroßeltern. Sie alle fiebern dem Startentgegen und drücken die Daumen.

Um die Versorgung mit neuestenInfos mache ich mir keine Sorgen.Jeder zweite hat ein Handy oderWalkie-Talkie mit Kontakt zu irgend-jemandem dort drüben an den Schalt -hebeln. Wir breiten die Picknick- Deckeaus, stellen die Stative auf und schonspielen die Kinder mit anderen Kin -dern Fangen.

Ich halte mich an Darrell, denStartplatzmanager und alten Hasenaus dem Shuttleprogramm. Er kommtaus Titusville am Cape Canaveral. Seinganzes Leben hat er die Spannungenzwischen Vorbereitungsstress, Erfolgs -druck und Versagensangst eines klei-nen Teiles an der komplexen Ma -schine bewältigt – und während derShuttlekatastrophen auch schwereZeiten durchlebt. Darrell ist heute dieRuhe selbst. Aufregung ist nicht zuspüren. Sein sonnengebräuntes Ge -sicht hat ein breites Lächeln. Er ist das

ganze Gegenteil von allen anderenBesuchern an diesem kleinen, jetzthektischen Ufer.

Der meiste Schweiß perlt von derStirn des Sheriffs. So etwas hat ernoch nie erlebt. Seine heile Ferien -insel war mal verschlafen und fastvergessen. Er kennt jeden hier beimNamen und dessen Geschichte. Nundrängt sich binnen 2 Stunden diehalbe Welt auf diesen Acker undschaut gespannt auf die weiße Raketeam anderen Ufer des Sees. Niemandnimmt ihn ernst. Auch mit ihmkomme ich ins Gespräch. Knöllchenverteilen? Zwecklos. Er ist froh wenndas alles hier wieder vorbei ist. Dannfährt er mit seinem breiten Hut undherausgelehntem Ellenbogen denFeldweg auf und ab, um wenigstenseine Art Rettungsweg freizuhalten.Rechts und links wird wild geparkt.

Die Spannung steigt. Weiße Wolkensteigen entlang der Rakete auf. Eswird betankt. Der superkalte Sauer -stoff verdampft an den Anschluss -stellen die zur Rakete führen. Es istT -22. Die Kameras sind eingerichtet.Es werden letzte Porträts mit Raketeim Hintergrund gemacht. Die Span -nung steigt weiter. Es wird nun kon-zentriert ruhig auf dem Feld.

Bei T -12 entweicht lautlos eine großeweiße Wolke etwas links abseits derRakete. Sie steigt schnell auf umdann vom Wind langgezogen zu wer-

den. Ein großes „Ohhhh“ raunt durchdie Zuschauer. Die ersten drehen sichbereits um und gehen. Eine Nachrichtvon einem abgerissenen Schlauchmacht schnell die Runde und in 15 Mi -nuten ist das Feld wieder leer. Es ver-bleiben nur ganz wenige auf ihrenDecken, sowie Darrell und wir.

Was war geschehen?

Die Rakete wird wie in den 50erJahren über eine „Nabelschnur“ mitder Außenwelt verbunden. Das ist einDatenkabel welches die Verbindungzum Steuerungscomputer herstellt.Dieses Kabel wird 3 Sekunden vordem Abheben gekappt und damit dieSteuerung an den eigenen Rechnerder Rakete übergeben. Durch denstarken Wind, den auch wir mit einemMale zu spüren bekamen, löste sicheines dieser Kabel zu früh. Die Gefahreines Fehlers bestand und deshalbwurde der Countdown abgebrochen.Es sind Sicherheitsprogramme, die insolchen Fällen alle Systeme in einervorgezeichneten Reihenfolge auf „NoGo“ herunterfahren.

Darrell ist nach wie vor die Ruhe inPerson. Ich spreche noch einmal mitihm und wir sind uns nach mehrerenerlebten Shuttlestarts einig, dass die-ses Problem ein Mückenstich gegen-über dem Bibbern vor einem SpaceShuttle-Start ist. Man wird es lösen.Wir verabschieden uns. Beim 3. Startversuch, am 21. April

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Die Cygnus-Attrappe kurz nach der Abtrennung von der Oberstufe der Antares im vorgesehen Orbit. Foto OSC

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2013, gelang dann ein fehlerloserBilderbuchstart mit dem erfolgrei-chen Aussetzen der Payload im vor-bestimmten Orbit. Es war der ersteStart und ein Erfolg auf ganzer Linie.

Die Integrität der Privatraumfahrtbei NASAIm Nachgang des plötzlichen Todesdes deutschen RaumfahrtingenieursProf. Dr. Jesco von Puttkamer und dernun angelaufenen Würdigung seinesLebenswerkes, stellte uns NASA eineumfangreiche VIP-Tour zusammen.

Wir trafen ehemalige Shuttle-Ingenieure an vielen Stellen wieder,zufrieden mit sich selbst, stolz aufihre neuen Projekte und vollerErfahrungen aus den "alten Zeiten". Die Privatraumfahrt wächst vonInnen heraus und ist das Baby aller,voll mit personellen Kompetenzenvon NASA. Die ist weit entfernt vondem was man sich hierzulande gernmit "Männer in fliegenden Büchsen"karikiert. Dass da auf der Visitenkartenun neue Namen stehen, hält vomGefühl der Zusammengehörigkeitnicht ab. Und das haben wir in denletzten vier Wochen USA-Raumfahrt-Exkursion als Erfolgsrezept stetsgespürt.Kompetente Führungen im MarshallSpaceflight Center und am KennedySpace Center gehörten dazu. Überall

wird gebaut. So werden im SpaceCamp in Huntsville neue Module auchvom Zeichenbrett der Firmen SpaceXfür die Vorbereitung der Zukunftintegriert und Kooperationen bei derschulischen Ausbildung fokussiert.

Am Cape Canaveral arbeitet man der-zeit die komplette Infrastruktur zwi-schen VAB (Vertical Assembly Building), LCC (Launch Control Complex) undLC-39 (den Apollo- und Shuttle-Startplätzen) auf. Baumaschinenerneuern den seit knapp 50 Jahrenliegenden Asphalt. Schottersiebe ste-hen auf dem Crawlerweg und mannivelliert den Zugang zu denStartplätzen. Eine neue Startplatt -form ragt neben dem VAB bereits indie Höhe. Eine neue Generation vonIngenieuren freut sich bereits heuteauf das Jahr 2017, wenn der ersteDEMO-Flug des neuen SLS-Systemsstattfinden soll. Es werden dann wie-der Raketen starten, die sogar größerals die Saturn V aus den späten 60erJahren sind. Man plant einen Aste -roiden zu versetzen und mit einerbemannten Mission Proben zu ent-nehmen, bevor es wieder auf denMond zurückgeht.

Ralf und Yvonne Heckel leiten das InternationalSpace Education Institute, Leipzig

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RC-Private Raumfahrt

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Gespräch mit Mike Laidley, Stell -vertretender Director, Antares,Orbital Science Corporation.

RC: Wie sehen die Pläne von OSC inden nächsten Jahren in Zusammen -arbeit mit der NASA aus? Mike Laidley: Orbital steht unterVertrag, Fracht zur InternationalSpace Station zu transportieren, alsTeil des Cargo Resupply-Dienstleis -tungs vertrages. Insgesamt sind mo -mentan acht Flüge zur ISS geplant.Außerdem haben wir eine zusätzli-che Mission für den Spät sommervorgesehen. 2-3 Missionen werdenvon Wallops aus gestartet, dieanderen von Cape Canaveral. Aller -dings wollen wir noch ein paar Testsan den Triebwerken vornehmen.Außer dem möchte auch ein japani-scher Frachter seinen Erstflug an dieISS unternehmen. Dies alles ver-schiebt unseren nächsten Startetwas nach hinten. Wir hoffen da -rauf, den Vertrag weiter verlängernzu können und die Cargo DeliveryServices so lange fortzuführen, wiedie ISS in Betrieb ist. Wir stehenauch in enger Zu sam menarbeit mitder NASA, zur Vermarktung der

Antares, um Satel litenstarts imSinne der Wissen schaft zu unter-stützen.

RC: Werden auch Kooperationen mitEuropa oder Russland angestrebt? Mike Laidley: Antares ist ein Nutz -fahrzeug, welches Satellitenstartsvon Kunden, darunter auch Europaund Russland, unterstützen soll.Derzeit sind aber keine Aufträgegeplant, aber das könnte sich nochändern.

RC: Existieren darüber hinaus eigeneIdeen für die bemannte Raumfahrtoder auch bezüglich Mond, Mars bzw.Asteroiden?Mike Laidley: Orbital fokussiert der-zeit die Entwicklung der Antares alsZulieferer für die ISS und den kom-merziellen Satellitenmarkt. Momen -tan arbeitet Orbital nicht aktiv anbemannten Vehikeln. Dies trifftauch für den sogenannten Welt -raum touris mus zu.

Das Gespräch führte Ralf Heckel.Übersetzung: Nadin Rößler (geförderteSchülerin des International Space EducationInstitute, 2. Platz beim NASA MoonbuggyRace 2013).

Peter J. Chitko (Technical Integration Manager, NASA) und Ralf Heckel (ISEI) freuen sich nach einer ausgiebigen Tour auf die neuen Zeiten ab 2017 im LCC (Launch Control Complex am Kennedy SpaceCenter), Foto: Yvonne Heckel.

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RC-Wort und BildRC 77 2/2013

Crowdfunding in der Raumfahrt(sg) Das neue „Spiel“ aus Amerika istnun auch in der Raumfahrt angekom-men. Erstmals will die PlanetaryResources mit einer über das Internetlaufenden sog. Schwarmfinanzierungein Teleskop bauen, das das Auf -spüren von wertvollen Rohstoffen aufAsteroiden ermöglichen soll.Das als Kickstarter-Kampagne be -zeichnete Unterfangen soll innerhalbvon 33 Tagen 1 Million US-Dollar zu -sammenbringen. Für eine Spende von

25 US-Dollar kann man ein persönli-ches Foto zum Teleskop hochladen,das dann wieder mit dem All alsHintergrund zurückgesendet wird.Wer 99 Dollar berappen will, kannsich damit 5 min Beobachtungszeitan Bord des Arkyd genannten Teles -kopraumschiffes (Foto) erkaufen. Für150 Dollar kann man ein beliebigesHimmelsobjekt porträtieren lassen.Für professionelle Einrichtungen gibtes auch umfangreiche Servicepaketeab 1.750 Dollar.Foto: Planetary Resources

Kälteresistentestes Bakterium auf der Erde entdeckt(grenzwissenschaft-aktuell) Im Perma- frost auf Ellesmere Island in der kana-dischen Hocharktis wurde das auf denNamen "Planococcus halocryophilusOR1" getaufte Bakterium entdeckt(Foto). In dieser Region herrschtPermafrost mit dauerhaft bis zuminus 16 Grad Celsius. Damit ist eshier nahezu so kalt wie auf dem Mars.Wie das Team aus Forschern um Pro -fessor Lyle Whyte und Nadia Mykytczukvon der McGill University berichtetlebt dieses Bakterium in feinen Adernaus sehr salzigem Wasser innerhalbdes Permafrostbodens.

Anhand einer Genomanalyse konntendie Wissenschaftler auch zeigen, dassdas Bakterium durch Modifikationenseiner Zellstruktur- und -funktiondiese extremen Bedingungen über-steht, indem es die Anzahl von anKälte angepassten Proteinen erhöht.Hierzu gehören Veränderungen derZellmembran, die das Bakteriumselbst umhüllt und so vor der feindli-chen Umwelt schützt."Von dieser Mikrobe", so Whyte,"können wir vielleicht auch lernen,wie mikrobisches Leben auch ananderen Orten im Sonnensystem -etwa sogar heute noch auf dem Mars- aussehen und existieren könnte".

Fand das Planck-Teleskop Beweisefür Paralleluniversen?(grenzwissenschaft-aktuell) Im Ge gen -satz zur Vorstellung eines einzigenUniversums, geht die Theorie einessogenannten "Multiversums" davonaus, dass jenes Gebilde, welches wirals Uni-Versum betrachten, nur einesvon vielen, wahrscheinlich blasenför-migen Universen im Innern einesMulti-Versums ist und sich dieseBlasen auch berühren und miteinan-der interagieren können. Schon 2007 beschrieben die Forscherum Laura Mersini-Houghton von derUniversity of North Carolina undRichard Holman von der CarnegieMellon University im Fachmagazin"New Scientist" ihre auf der String-Theorie (Elementarteilchen wie Quarksund Elektronen sind durch winzige

Fäden in einem zehndimensionalenRaum verbunden) basierende Idee(Foto). Demnach soll unser bekanntesUni versum kurz nach dem Urknalldurch Quantenprozesse mit anderenUni versen (Paralleluniversen) verbun-den worden sein, bis diese durch diege waltige Ausdehnung unseres Uni -versums in nach menschlich-kosmi-schen Maßstäben unendliche Ferneverdrängt wurden.Das Team glaubt nun diese Beweiseauch anhand der erst kürzlich vomESA-Weltraumteleskop Max Planckerstellten Himmelskarte der kosmi-schen Hintergrundstrahlung gefundenzu haben (siehe auch RC-74/75).Die vom Teleskop entdeckten Ano -malien, wie der „Kalte Fleck“, werdendurch andere Universen erzeugt, diedurch ihre Anziehungskraft bei derEntstehung unseres Universums durch

den Urknall an diesen regelrecht zie-hen", so die Wissenschaftlerin. Eshandele sich um die ersten belastba-ren Beweise für die Existenz andererUniversen.

Wor

t und

Bild

Foto: Nadia C S Mykytczuk et al, 2012

Foto: Archiv

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RC-Stippvisite

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Die frühe DDR-Raumfahrtpublizistikkennt vier große Namen: HorstHoffmann († 2005), Peter Stache (†2010), Karl-Heinz Eyermann († 2011)und last but not least Heinz Mielke.Heinz Mielke ist also der letzte nochlebende Grandseigneur aus diesemQuartett. Oft sind wir gefragt worden: “Wasmacht eigentlich Heinz Mielke?“. Aberniemand hatte eine Antwort. Viele,die ihn kannten, wussten, dass dergebürtige Randberliner nach derWende von Eichwalde nach Malentein Schleswig-Holstein gezogen war.Aber heute? Da ernteten wir Achselzucken unddies war noch bis Ende 2012 so.

Wie so oft im Leben spielte dann eingroßer Zufall die entscheidende Rolle.Eine Familie aus Malente, die mitHeinz Mielke befreundet ist, kanntewiederum den Vorsitzenden derWeltraum-Philatelie e.V. und RC-Leser Reiner Brosi im Baden-Württembergischen Weissach. Derfragte bei uns an, ob wir Interesse aneinem Gespräch mit Heinz Mielkehätten, der am 6. April seinen 90.Geburtstag feiern würde.

Nun ging alles sehr schnell. MielkesNeffe Orlando Körner stellte den

Kontakt her und wir machten uns aufden Weg nach Berlin-Friedrichshain,wo Heinz Mielke in einem Senioren -heim lebt. Ein Heim der gehobenerenKlasse, sauber und hell, malerischgelegen an der Spree, unweit vondem Ort, wo Heinz Mielke viele Jahregearbeitet hat: Die Archenhold-Stern -warte.

Heinz Mielke empfing uns am 13.April 2013, fast auf den Tag genau 52Jahre nach dem legendären Flug JuriGagarins. Denn zu seinem Freund Jurihatte Mielke als einer der wenigenDeutschen ein besonderes Verhältnis.1962 reiste er im Auftrag des DDR-Fernsehens nach Moskau, um JuriGagarin zu interviewen. Aber die rus-sischen Kollegen machten ihm keinegroßen Hoffnungen, denn Gagaringalt als „schwierig“.Zur Überraschung aller geschah aberetwas völlig Unerwartetes. Heinz Mielke erinnert sich: „Gagarinkam mit einem Strahlen auf mich zu,begrüßte mich brüderlich und redetein russisch auf mich ein.“Der Grund der überschwänglichenBegrüßung war, wie sich späterherausstellte, dass Gagarin MielkesAusführungen über die Raumfahrtkannte. Diese enge Beziehung setze sich auchin den Folgejahren fort und führte1963 für Heinz Mielke zu einemschicksalhaften Ereignis.Juri Gagarin besuchte die DDR undwurde von den Größen der damali-gen Partei- und Staatsführung emp-fangen. Auch Heinz Mielke durfte alsJournalist dabei sein.Schließlich erschien der Kosmonautund erspähte sofort Heinz Mielke.„Mielke, alter Freund“ rief Gagarindurch den Saal. Augenblicklichherrschte Totenstille. Das pikante

daran war, dass sich auch der damali-ge Chef der Staatssicherheit ErichMielke unter den Gästen befand. Aberdiesen meinte Gagarin nicht. Der Publizist Heinz Mielke hatte allendie Show gestohlen.Dieses Vorkommnis war sicher derAuslöser für ein übles Gerücht, dasfortan wie ein Fluch auf Heinz Mielkelastete: Er sei der Neffe von Stasi-Mielke und hätte deshalb überallVorteile und gute Beziehungen.Man sieht es dem 90-jährigen Mielkedeutlich an. Er ist heute noch verbit-tert, ja sogar wütend darüber. Denndieses Gerücht hat ihm nicht genützt,wie man glaube könnte, sonderngeschadet, betont Mielke immer wie-der mit Nachdruck.

Er hat auch einen Verdacht. Gemeintsind zwei seiner damaligen Kollegen.„Aber über Tote soll man ja nichtsSchlechtes sagen“, grient Mielke dannsüffisant.Gemocht haben sich die vier Großennie, wohl auch deshalb, weil in derDDR um alles und jeden gebuhltwurde. Lediglich Peter Stache schnei-det bei Mielke etwas günstiger ab.

Die andere Deutsche Raumfahrt (Teil 7)

Es gibt nur einen Mielke!DDR-Raumfahrtpublizist Heinz Mielke wurde 90Von Ute Habricht und Uwe Schmaling

Bernd Ruttmann zu Besuch bei Heinz Mielke.

Heinz Mielke in seiner Bibliothek in den 80er Jahren.

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Heinz Mielke hat 18 deutschsprachigeBücher verfasst, die in einer Gesamt -auflage von 400.000 Stück erschie-nen waren. Manch einer wird sicherinnern oder findet die Titel in seinerBibliothek, beispielsweise "Unterneh -men Luna" (1961), "Zu neuen Hori -zonten" (1967), "Der Weg zum Mond"(1969), "Lexikon Raumfahrt" (1970)„Sonnengott und Sternenfeuer“ (1975),"Raumflugtechnik" (1974), „Raum fahrtheute“ (1984) u.a.Ferner erschienen diverse Bücher inungarischer und russischer Sprache.Sehr populär sind auch die dreiSammelbände "Weltraum und Erde", wo Heinz Mielke als Herausgeber fungierte.

Als wir uns verabschieden, spüren wirdeutlich, dass Heinz Mielke die Raum -fahrt und die Gespräche darüber ver-misst. In dem Heim gibt es keinegeeigneten Gesprächspartner.

Wir gehen mit den besten Wünschenund dem Versprechen, wenn es seineGesundheit zulässt, ihn zu den 29.Neubrandenburger Tagen der Raum -fahrt einzuladen.

RC-StippvisiteRC 77 2/2013

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Der langjährige Direktor derArchenhold-Sternwarte und bis 2012Präsident der Leibnitz Sozietät Prof. Dr. Dieter B. Herrmann erinnert sich:

Vor mir liegt das erste Buch, das HeinzMielke 1956, am Vorabend desWeltraumfluges geschrieben hat: „Der

Weg ins All“. Als das Buch erschien, war Mielke Mitarbeiter derArchenhold-Sternwarte und mir be reits seit Jahren bekannt. In unzähligen Diskussionen, aber auch beim praktischenArbeiten an den Fernrohren leitete und förderte er meine erstenSchritte in die Astronomie. Seine große Liebe galt schon damalsder Raumfahrt, die noch gar nicht begonnen hatte.

Doch Heinz Mielke war bestens gerüstet für alles, was dann bin-nen kurzer Zeit geschah, denn schon als 17-Jähriger hatte er diedamals noch skeptisch betrachtete Raumfahrt-Vision zu seinemSteckenpferd erkoren. So brachte er die besten Voraussetzungenmit, nach 1957 zu einem der erfolgreichsten Raum fahrt- Autoren der DDR aufzusteigen. In Vorträgen, aber auch imRundfunk und Fernsehen entfaltete er eine umfangreicheTätigkeit. Seine profunden Bücher, vor allem das in zahlreichenAuflagen erschienene Lexikon „Raumfahrt-Weltraum for -schung“, galten als Standardwerke schlechthin, in denen mansich stets aktuellen Rat über alle Gebiete der Raumfahrt ein-schließlich der Raumflugtechnik holen konnte. Bis heute sind diese kompetent geschriebenen Werke mit ihrerFülle präziser Informationen unentbehrliche Nachschlagewerkeauch zu historischen Fragen. In seinen spannenden Büchern fürdie jüngere Generation vermochte er dank oftmals raffinierteingesetzter Stilmittel zwischen Information und ScienceFiction bei seinen Lesern echte Begeisterung für Wissenschaftund Technik auszulösen.

Ich traf Heinz Mielke später bei vielen Gelegenheiten wieder,und es ergaben sich zahlreiche Möglichkeiten zur Zu -sammenarbeit: in der zentralen Sektion Astronomie des Urania-Präsidiums, im Präsidium der Gesell schaft für Weltraum -

forschung und Raumfahrt der DDR , aber auch bei Tagungen,auf Foren und Kongressen. Obwohl längst nicht mehrMitarbeiter der Sternwarte, war Mielke besonders seit meinerAmtsübernahme oft bei Veranstaltungen zugegen und trat auchwieder mit Vorträgen auf.

Zuletzt besuchte er das Raumfahrt historische Kolloquium in derArchen hold-Sternwarte im Mai 2006, auf dem ich über seinBuch „Der Weg zum Mond“ von 1969 sprach. Es war die ersteBuchpublikation der DDR unmittelbar nach der Landung US-amerikanischer Astronauten auf dem Mond. Inmitten desKalten Krieges tobten wahre Propaganda-Schlach ten, geradeauch auf dem Feld des Raumfahrtjournalismus. Ich war selbstgespannt, wie sich Mielkes Mondbuch mit den Augen von heutewohl lesen würde. Das Ergebnis war erstaunlich:Die Bewertung der amerikanischen Leistung erfolgte äußerstsachlich und weitab jeden propagandistischen Lärms. Ganzzurecht hob Mielke hervor, dass letztlich „fast alle Disziplinenvon Wissenschaft und Technik in ihrer langen und weltweitengeschichtlichen Entwicklung ... auch zu 'Apollo 11' ihre Beiträgegeleistet“ hätten (S. 242).

In diesem Sinne ist es meines Erach tens auch bis heute vollgerechtfertigt, wenn Mielke weiter schreibt: „Eine hervorragen-de Rolle spielten dabei die zahlreichen vorangegangenenMondflugunternehmen der So wjet union - von 'Luna 1' im Jahre1959 bis zu 'Sonde 5' und 'Sonde 6' Anfang 1969 -, die nichtnur als Wegbereiter Maßstäbe setzten, sondern auch eineumfangreiche Infor mationsgrundlage für die Arbeiten in denUSA lieferten“ (Ebd.). So hätten schließlich Armstrong und Aldrin „bei ihrem kühnenAusstieg nicht nur als erste Menschen auf der Oberfläche einesfremden Himmels körpers“ gestanden, „sondern zu gleich auf derSpitze einer Pyramide von wissenschaftlichen und technischenVorausleistungen der gesamten Menschheit“ (Ebd.) Eine schöne,zutreffende und im Umfeld damaliger aufgeregterZeitungspropaganda in Ost und West fast schon abgeklärteWürdigung.

Foto: Archiv Dieter B. Herrmann

Seine Reisen führten ihn häufig nach Moskau, wo er

immer ein begehrter Gesprächspartner war,

wie auf diesem Foto von 1998.

Fotos: Archiv Mielke

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In dieser Folge berichten wir überStartversager, die sich im Verlaufdes Projektes Mercury ereigne-ten, das erste bemannte Raum -fahrtprogramm der USA (Dezem -ber 1958 bis Juni 1963).

Im Rahmen dieses Vorhabens wurdeninsgesamt 26 Starts mit vier verschie-denen Typen von Trägerraketen durch-geführt. Sechs dieser Starts scheitertenaus den unterschiedlichsten Gründen.Zwei weitere Flüge kann man als Teil -erfolge einstufen. Alle sechs bemann-ten Flüge des Projektes waren dagegenerfolgreich. Keiner der Astronauten undauch keiner der vier eingesetzten Pri -maten (zwei Rhesusaffen und zweiSchim pansen) kamen zu Schaden. Dochdiese Betriebssicherheit zu erreichenwar ein langer und steiniger Weg.

Das Hauptaugenmerk bezüglich derBetriebssicherheit der Raketen lagnatur gemäß auf der Redstone und derAtlas, die bemannt geflogen werdensollten. Im August 1959 gab McDonnell(der Hersteller der Mercury-Kapsel) dieGesamt-Wahrscheinlichkeit, das Mis -sions ziel bei einer suborbitalen Red stone-Mission zu erreichen, mit 77,8 Prozentan. Die Wahrscheinlichkeit für denPiloten, einen Redstone-Flug zu überle-ben, bewertete man mit 99,1 Prozent.

Bei einem von 100 Flügen mit dem Toddes Astronauten zu rechnen wäre heut-zutage ein völlig unakzeptabler Wert.Damals wurde diese Zahl aber als so gutbetrachtet, dass man von weiterenVerbesserungen an der Mercury-Red -stone-Kombination absah. Man nahmbei diesen 99,1 Prozent an, dass etwajeder fünfte Start zwar scheitern wür -de, aber der sogenannte Fluchtturm(eine feststoffbetriebene Zusatzrakete,welche über der Kabine montiert war)im Falle einer Explosion des Trägersdanach den Astronauten in seinerMercury in den meisten Fällen inSicherheit bringen konnte.

Bei der Atlas sah die Sache nicht so gutaus. Die hatte im August 1959 erstwenige Testmissionen absolviert undetwa jede zweite endete als Fehlschlag.

Im November 1959 informierte dieLuftwaffe als Betreiber der Atlas dieNASA, dass sie für etwa Mitte 1961 –für diesen Zeitpunkt plante man damalsden Beginn der bemannten Orbitflüge -eine Zuverlässigkeitsquote von zirka 75Prozent erwartete, sicher sei das aller-dings nicht.

Erfolg und Fehlschlag für "Big Joe"Die Überlegungen zur Zuverlässigkeitder Atlas waren nur zu berechtigt. Am14. April 1959 hatte die Luftwaffe ihrerstes D-Modell gestartet. Nur 30Sekunden nach dem Verlassen derStartrampe war sie explodiert. Von denvier nachfolgenden Atlas D scheitertenzwei Flüge komplett, die beiden ande-ren konnte man nur mit viel Opti -mismus als "Teilerfolg" werten. Im Juliund im August hatten aber dann dieSeriennummer 9 und 11, beides D-Modelle, tadellose Starts hingelegt undauch die beiden letzten C-Modellewaren problemlos geflogen.

Der 9. September 1959 war sowohl fürdas Atlas-Programm als auch für dasMercury-Projekt ein entscheidendesDatum. An diesem Tag, zeitlich nurzwölf Stunden voneinander getrennt,fand sowohl der erste bedeutendeFlugtest des Mercury-Programms, alsauch die abschließende Qualifizierungder Atlas als Interkontinentalraketestatt. Während die NASA in CapeCanaveral ihre Aufmerksamkeit auf denAtlas-Booster mit der Seriennummer10D richtete, der von der Startrampe 14aus seine Reise südostwärts über die

Atlantic Missile Range antreten sollte,startete die Atlas Nummer 12D von derLuftwaffenbasis Vandenberg in Kalifor -nien südwestwärts über die PacificMissile Range.

Bei der Mercury-Kapsel an der Spitzeder 10D handelte es sich um eine„Boilerplate“, eine fast leere Hülle mitMessgeräten, in Gewicht und Schwer -punktverteilung aber einer "richtigen"Mercury entsprechend. Vor allem aber,und darauf kam es an, war sie miteinem Hitzeschild ausgerüstet, dem pri-mären Testgegenstand der Mission.

Atlas 10D sollte bald nach dem Abhe -ben eine flache Bahnparabel einschla-gen, deren Scheitelpunkt in einer Höhevon gut 160 Kilometern lag. Noch inder Beschleunigungsphase sollte sie inden absteigenden Ast der Parabel ein-fliegen und dann, bei einer Geschwin -digkeit von etwa 25.000 Kilometern proStunde, die Boilerplate-Mercury freige-ben. Danach sollte die Kapsel ihre Lage -regelungstriebwerke feuern, sich um180 Grad drehen und den Wieder eintrittin die Erdatmosphäre durchführen. Der Countdown in der Nacht vom 8. aufden 9. September 1959 verlief ruhigund ohne Probleme. Um 3:19 Uhr zün-deten die beiden äußeren Triebwerkedes Booster-Blocks und das zentraleSustainer-Triebwerk und die Atlas hobab. Es war ein wunderschöner Start. DerFlammenstrahl der Atlas erhellte denNachthimmel und das Breward Countyerbebte vom Brüllen der Rocketdyne-Triebwerke. Alle waren begeistert. Aller -dings nur die beiden ersten Minuten.Dann deutete die plötzlich flacher wer-dende Kurve des Flugbahnplottersdarauf hin, dass die beiden Booster-Triebwerke und der Schubrahmen derAtlas nicht abgeworfen worden waren. Offensichtlich funktionierten in derKapsel aber alle Systeme normal. Aller -dings konnten die Testingenieure dievorgesehene 180 Grad-Wende nichtverzeichnen. Dabei deutete alles daraufhin, dass die Lagekontrolltriebwerke derMercury einwandfrei funktionierten.Das zusätzliche Gewicht der an derAtlas verbliebenen Booster-Triebwerkeverminderte die Geschwindigkeit umgut 1.000 Kilometer pro Stunde, unddie Bahnverfolgungscomputer am Capeberechneten einen neuen Einschlag -punkt: Er lag 800 Kilometer kürzer alsgeplant.

RC-Pech und Pannen

RC 77 2/2013

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Raumfahrt zum Fürchten (Teil 4)

Von Eugen Reichl

Little Joe

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RC-Pech und PannenRC 77 2/2013

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Dann verschwanden Atlas und Mercuryim Funk-Blackout und eine nervenzeh-rende Wartezeit begann. Das Schicksalder Mission war ungewiss und manwürde nur dann mehr erfahren können,wenn es gelang, die Kapsel zu bergenund die Bandaufzeichnung an Bord derKapsel auszulesen. Als Ende Oktober der Schlussbericht desBig Joe-Versuches vorlag, zeigten sichdie Leute von der NASA rundum zufrie-den. Die Big-Joe-Mission mit der Atlas10D wurde von der Raumfahrtbehördeals hundertprozentiger Erfolg gewertet.Viel weniger begeistert dagegen warendie Leute von Convair und von derLuftwaffe. Booster 10D hatte bei derStufentrennung versagt und deswegenwurde die Mission von der Air-Force alsvollständiger Fehlschlag eingestuft.Glücklicherweise hatte auf der anderenSeite des Landes, in Vandenberg, nurStunden später Atlas 12D bei ihremFlug über 9.000 Kilometer in denSüdpazifik perfekt funktioniert und dieEinsatzqualifikation bestanden.

Solo I für den FluchtturmZweieinhalb Wochen vor dem Start derBig Joe war die Stimmung im ProjektMercury noch erheblich schlechtergewesen. Beim allerersten geplantenEinsatz einer Trägerrakete im gesamtenMercury Programm hatte sich eineäußerst rätselhafte "Anomalie" ereig-net, und nur durch großes Glück warniemand zu Schaden gekommen. Am Morgen des 21. August 1959, einemFreitag, saß die erste Little Joe mit derBezeichnung LJ 1 auf ihrem nach Ostenzum Meer hin geneigten Startpylon. Anihrer Spitze eine Mercury-Boilerplateohne Fallschirmsystem, jedoch miteinem aktiven Fluchtturm. Aufgabe dieser ersten Mission war es,die Rettungsrakete unter einer Belas -tung zu testen, wie sie als Maximum füreinen Mercury-Atlas-Start errechnetworden war. 35 Minuten vor der Zün -dung begann die Evakuierung desStart geländes. Gerade wurden dieBatterien für den Programmgeber derFlugsequenz und das Selbstzerstö -rungssystem geladen, als es urplötzlicheinen grellen Blitz gab, gefolgt voneinem mächtigen Aufbrüllen. Fotogra -fen und Techniker hechteten in Deckungund schon war der Spuk vorbei.

Als die verdutzten Beobachter wiederdie Köpfe hoben, sahen sie, dass sichTower und Kapsel selbstständig ge -macht hatten. Sie waren einfach ge -startet und zwar ohne ihre Träger -rakete. Die Little Joe stand völlig intaktim Startpylon. Ein Blick nach obenzeigte, was weiter geschah, denn inzwi-schen hatte die Kapsel in einer Höhevon etwa 650 Metern das Apogäumihrer parabelförmigen Bahn erreicht. Indiesem Moment gab der Spannring denFluchtturm frei, eine kleine Feststoff -rakete trennte ihn von der Boilerplateund 20 Sekunden nach dem unfreiwilli-gen Abschuss krachte die Kapsel vordem Strand ins Wasser.

Als Ursache für den befremdlichenVorfall wurde eine Wicklung ausge-macht, die man erst nachträglich in dieKapsel eingebaut hatte. Sie war als"positive" Redundanz eingeführt wor-den, um das Leben der Versuchstierebesser zu schützen, die man bei denkommenden Flügen einzusetzen ge -dachte. Dieser zusätzliche Schaltwegsollte genau das verhindern, was pas-siert war, nämlich das unbeabsichtigteAbfeuern des Fluchtturms.

Mitte 1960 deuteten alle Zeichendarauf hin, dass man sich langsam deroperationellen Phase des Mercury-Programms näherte. Doch noch war derDurchbruch im Programm keineswegsgeschafft. Das lag vor allem an denTrägern, die weiterhin nicht für denbemannten Betrieb zugelassen waren. Der 29. Juli 1960, bei dem die Ein -satzqualifikation für die Atlas stattfin-

den sollte, war einer der schwärzestenTage des Programms.

Primärziel der Mission MA-1 war es, diestrukturelle Integrität der Kapsel unterden härtesten möglichen Wiederein -trittsbedingungen zu testen, die beieiner Mercury-Mission vorkommenkonnten. Dazu musste die Trägerraketeeine Geschwindigkeit von knapp 21.000Kilometern pro Stunde erreichen. DerScheitelpunkt der suborbitalen Bahn -parabel sollte bei knapp unter 160 Kilo -metern liegen, die Flugstrecke 2.500Kilometer lang sein und die höchsteAndruckbelastung bei 16,3 g liegen. DieFlugdauer war auf 16 Mi nuten veran-schlagt. Alles in allem war die Missionrecht ähnlich wie beim Big Joe-Flug,nur führte man ihn diesmal mit einerEinsatzkapsel durch.In den frühmorgendlichen Nachtstun -den des 29. Juli prasselte der Regen aufdas Cape, verzog sich aber im Laufe desbeginnenden Tages allmählich. Wäh -rend der letzten 35 Minuten im Count -down kam es zu Verzögerungen voninsgesamt 48 Minuten wegen des Wet -ters, wegen Verzögerungen in derBetankung und wegen Schwierigkeitenmit den Telemetrie-Empfängern. ImBlockhaus, nur wenige hundert Metervon der Startrampe entfernt, fiebertenneben den Startmannschaften derNASA, der Luftwaffe und von Convairauch NASA-Administrator Robert Gilruthdem Liftoff entgegen. Um 9:13 Uhr wares soweit. Die beiden Steuertriebwerke derAtlas erwachten zum Leben, nur Sekun -den später gefolgt von den drei Rocket -dyne-Haupttriebwerken des Boosters

Urplötzlich war Little Joe ihre Mercury-Kapsel los... …denn die hatte sich alleine aus dem Staub gemacht.

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und des Sustainers. Der Lärm war erstverhalten, nahm aber rapide zu undschließlich stemmte sich die Atlas brül-lend auf ihrem Flammenstrahl gegendie Schwerkraft in die Höhe.

Sekunden später brach die Raketedurch die Wolken und war außer Sicht,aber man konnte das Röhren undKnattern ihrer Triebwerke gut hören.Alles schien normal zu verlaufen, dochdann war das Desaster von einemMoment zum anderen da. Eine Minutenach dem Liftoff war der Kontakt zurRakete plötzlich weg. Die Telemetrieverschwand fast schlagartig, meldeteaber in den Sekundenbruchteilen davornoch, dass die Druckdifferenz zwischenSauerstoff- und Oxidatortank auf „null“gesunken war.

Der Fehlschlag ereignete sich genau amkritischsten Punkt des Starts, im Mo -ment der maximalen dynamischen Be -lastung, 58,5 Sekunden nach demVerlassen der Startrampe in einer Höhevon etwa 10 Kilometern und einerGeschwindigkeit von 1.500 Kilometernpro Stunde. Die Telemetrie der Mercuryfunktionierte bis zum Moment desEinschlags auf dem Wasser. Der Aufprallerfolgte elf Kilometer vor der Küste vonCape Canaveral. Das Wasser an derStelle war nur 10 Meter tief, und sokonnten die zerschmetterten Reste derKapsel geborgen werden.

Der Fehler konnte nie mit letzterSicherheit identifiziert werden. DieSuche war durch den Umstand er -schwert, dass es wegen der geschlosse-nen Wolkendecke keine optischenBeobach tungsdaten gab, auf die mansich zusätzlich zur empfangenen Tele -

metrie stützen konnte. Mit einigerWahrscheinlichkeit lag der unmittelba-re Grund aber im Bruch der Leitung, diezum Druckregelventil des Flüssig -sauerstofftanks führte. Die Leitung wargebrochen, weil die Verbin dungs struk -tur zwischen dem Träger und der Kapselnicht gehalten hatte und kollabiert war.

Solo II für den FluchtturmDem ersten bemannten Mercury-Redstone-Flug, MR-3, sollten die unbe-mannten Testmissionen MR-1 und MR-2 vorausgehen. Flugdirektor ChristopherKraft kam mit dem Startteam unterKurt Debus überein, die Kapsel für dieMR-1-Testmission mit dem Sicherheits -system im „open loop“-Modus zu flie-gen. Das bedeutete, dass die Kapselzwar über Telemetrie melden würde,wenn sie während der angetriebenenPhase des Trägers einen Flugabbruch

plante, dass sie diesen Flugabbruchdann aber nicht durchführen würde.Die Angst war groß, einen sogenannten„nuisance abort“ zu verursachen, alsoeinen unnötigen Flugabbruch, weilmöglicherweise die Toleranzen zu engeingestellt waren. Die Qualifikation desTrägers galt bei dieser Mission als daswichtigere Gut. Dennoch sollte der Fluchtturm gefeuertwerden, allerdings erst nach demBrenn schluss der Redstone. Das warsein normaler Betriebsmodus bei einernominalen Mission, bei der er nicht alsRettungsgerät eingesetzt wurde. Dannmusste er nach Brennschluss der Raketeentsorgt werden, was dadurch geschah,dass er einfach ohne die Kapsel abge-feuert wurde. Am 21. November 1960 erreichte derCountdown für Mercury Redstone 1exakt um 9:00 Uhr vormittags denZeitpunkt Null. Die Spannung imbrandneuen Kontrollzentrum, das beidieser Mission seinen ersten Einsatzerlebte, war zum Bersten.

Was danach passierte ging in dieHistorie des Mercury-Programms als„Der Tag, an dem wir den Fluchtturmstarteten“ ein. Zunächst erwachte derRaketenmotor der Redstone tosendzum Leben. Der Träger hob einigeZentimeter ab, dann erlosch dasRocketdyne A-7-Triebwerk unvermit-telt wieder, die Rakete setzte sich aufihre vier Flossen zurück und standdanach wie betrunken schlingernd wie-der auf dem Starttisch. Alles wartete inatemloser Stille auf das, was nununausweichlich kommen musste: DieDetonation der Rakete, gefolgt voneinem flammenden Inferno.

Doch als wäre die Situation nicht schonbizarr genug, kam es völlig unerwartetnicht zur Explosion. Stattdessen don-nerte der Fluchtturm – und nur er allei-ne und ohne die Kapsel – davon, stiegbis auf eine Höhe von 1.300 Meternund krachte 400 Meter von der Raketeentfernt auf den Strand. Drei Sekundennachdem sich der Fluchtturm aus demStaub gemacht hatte, poppte derStabilisierungsfallschirm aus der Naseder Mercury gefolgt vom Hauptschirmund dieser wiederum gefolgt vomReserveschirm. Alle drei Fallschirmelegten sich elegant um den Rumpf derimmer noch leicht schwankenden Red -stone.

Mercury-Atlas 1 startete ohne Fluchtturm. Das sollte sich rächen…

…denn die Kapsel wurde in diesem Zustand geborgen.

Bei Mercury-Atlas kollabierte die Verbindungsstrukturzwischen Trägerrakete und Kapsel, das ist der schwarze,zylindrische Teil, der bis zum roten Spannring an derBasis der Kapsel reicht.

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Die Situation war in einem solchenAusmaß absurd, dass für Minuten keinLaut die Stille im Kontrollraum durch-brach. Ausnahmslos jeder der Zeugenwar der Meinung, in einem Albtraumgefangen zu sein. Und doch war allesreal. Die bizarre Mission der Mercury-Redstone 1 war der peinlichste Fehl -schlag des gesamten Mercury-Pro -gramms und seine Kritiker suhlten sichmit Begeisterung in diesem Vorfall.

Einen vollen Tag lang wagte sich nie-mand an das Projektil heran. DieRedstone war nach wie vor „scharf“.Alle pyrotechnischen Vorrichtungen,unter anderem die Selbstvernich tungs -anlage waren geladen und standenunter Strom. Die Rakete war nichtgeerdet und bis zur Halskrause voll mitTreibstoff. Dazu kam, dass alle dreiFallschirme am Rumpf herunterhingen,und die Rakete frei auf der Rampestand, ohne einen Startturm, der alsWindfang hätte dienen können. Es warjederzeit möglich, dass eine Böe in dieFallschirme blies und die Rakete umleg-te. In dieser extrem gefährlichen Situ -ation meldete sich der McDonnell-Techniker Walter Burke zusammen miteinigen Kollegen freiwillig, um die„Pyros“ zu entschärfen und die Raketewieder mit den Versorgungsleitungenzu verbinden. Was hatte zu diesem eigenartigenVorfall geführt? Die Untersuchung warschwierig aber erfolgreich. Der Auslöserfür den fatalen Brennschluss desRedstone-Triebwerks gleich nach seinerZündung war durch zwei Stecker verur-sacht worden, die sich in der falschenReihenfolge von der Rakete getrennt

hatten. Einer der beiden Stecker gehör-te zu einem Kontrollkabel, über das vordem Start Aktivierungssignale an dieRakete übermittelt wurden. Der andereStecker gehörte zum Stromkabel undzur Erdungsleitung. Beide Steckerwaren am unteren Ende einer derHeckflossen befestigt. Beim Abhebensollten beide herausgezogen werdenund zwar zunächst der Kontrollkabel-Stecker, danach der Stromstecker. Fürdiesen Start hatte man allerdings nurein Kontrollkabel zur Verfügung, wie esin der militärischen Redstone Anwen -dung fand. Für die Mercury-Redstone,mit ihrer geringeren Beschleunigung alsdie militärische Rakete, hätte man einkürzeres Kabel benötigt, um die richti-ge Trennfolge der Stecker einzuhalten.Dieses Problem war vor dem Start kor-rekt erkannt worden, und man hattedeshalb das Kontroll-Kabel mit einerKlemme verkürzt. Als die Redstone star-tete, löste sich diese Klammer jedochund das Kabel hatte nun wieder seineursprüngliche Länge. Dies führte dazu,dass die Trennung des Kontroll -kabelsteckers erst 29 Millisekundennach der Trennung des Stromkabelserfolgte und damit die ordnungsgemä-ße Trennfolge umgekehrt war. Dieses winzige Zeitintervall genügte,dass aufgrund der kurzzeitig fehlendenErdung ein Stromimpuls durch einRelais lief, dessen Aufgabe es war, dasTriebwerk nach Erreichen der nomina-len Missionsgeschwindigkeit abzu-schalten. Nachdem die Rakete dasSignal zum Abschalten des Triebwerkserhalten hatte, sandte sie gleichzeitigdas Signal „Normaler Brennschluss“ andie Kapsel. Mit dieser Information löste

die Kapsel zwei Aktionen aus, die demnormalen Missionsablauf entsprachen:Den Fluchtturm abtrennen, der nunnicht länger gebraucht wurde und sichselbst von der vermeintlich ausge-brannten Redstone trennen.Im Falle von MR-1 trennte sich derFluchtturm von der Kapsel exakt so, wiees sein Programm vorsah. Die Kapselverblieb aber auf der Rakete, denn siewar darauf programmiert, die Trennungso lange hinauszuzögern, bis dieBeschleunigung der Rakete den WertNull erreicht hatte. Sinn dieser Warte -frist war es zu verhindern, dass eineschon abgetrennte Kapsel möglicher-weise noch von der mit Restschubarbeitenden Rakete eingeholt undgetroffen werden könnte. Einen Be -schleunigungswert von Null würde dieRakete erst dann erreichen, wenn siesich im freien Fall befand. MR-1 aberwar nicht im freien Fall sondern saßnoch auf dem Boden. Die Beschleuni -gungssensoren der Kapsel bemerktenfolgerichtig, dass eine konstante Be -schleunigung von einem „g“ vorlag, wasbedeutete, dass sie die Kapsel nichtfreigeben durften. Die Zündung des Fluchtturms aktiviertedas Fallschirmsystem der Kapsel. Nach -dem die Luftdrucksensoren feststellten,dass die „Flughöhe“ der Kapsel beiweniger als 3.000 Metern lag, wurdedie beschleunigte Abfolge der norma-len Fallschirmsequenz durchgeführt.Zunächst wurde der Stabilisierungs -schirm ausgeworfen, gleich daraufgefolgt vom Hauptfallschirm. Ein wei-terer Sensor stellte fest, dass derHauptschirm kein Gewicht trug, nahmdaher an, dass er sich nicht geöffnethatte und warf auch noch den Reserve -schirm aus. Und weil das automatische Flugab -bruchsystem der Redstone im “openloop”-Modus lief, löste die Triebwerks -abschaltung auch nicht den Rettungs -fall aus. Das System meldete aber, wieim „open loop“ vorgesehen, eine Ab -bruchsituation und speicherte dies kor-rekt auf Magnetband ab. Die Redstone war leicht beschädigtworden, hätte aber durchaus nochrepa riert werden können. Eine Zeitlangwurde sie als Reserve-Fluggerät einge-lagert. Sie wurde aber nie geflogen undist heute ein Ausstellungsobjekt imMarshall Space Flight Center.

Vorhergehende Beiträge in RC 51; 68 und 69/70

Kurz vor dem Start von MR-1 war die Welt noch inOrdnung…

…bis sich der Fluchtturm alleine auf den Weg machte. Fotos: Archiv Autor

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Aus dem Weltraum: Eintausend Arbeits -plätze durch das Gründungs-ProgrammAm 24. April 2013 wurde am Standortdes ESA Business Incubation Centre(BIC) Bavaria in Süddeutschland gefei-ert. Anlass dafür war die Schaf fung vontausend neuen Arbeitsplätzen aus dervon der Anwendungszentrum GmbHOberpfaffenhofen (AZO) betreutenGründerzentren in den letzten neunJahren. Das Zentrum und die dazu ge -hörenden Jungunternehmen sind be -deutende Motoren der regionalen Wirt -schaft und des wachsenden Arbeits -platzangebotes.66 neue Unternehmen sind seit derGründung des ESA BIC Bavaria 2009dort entstanden sowie ca. tausend neueArbeitsplätze.An der Zeremonie anlässlich dieser Zah lennahmen ESA-Generaldirektor Jean-Jacques Dordain, Bayerns Wirtschafts -minister Martin Zeil, DLR-Vorstands mit -glied Dr. Gerd Gruppe und der Ge schäfts- führer des AZO Thorsten Rudolph teil.

Herr Dordain sagte dazu: "Techno -logietransfer und die damit verbunde-nen Aktivitäten zur Unternehmens -gründung liegen der ESA sehr amHerzen. Die Unterstützung von Jung -unternehmen bei der Nutzung vonRaumfahrttechnologie für innovativeAnwendungen ist die beste Möglichkeitaufzuzeigen, wie die Raumfahrt unserAlltagsleben durch Wachstum undWettbewerbsfähigkeit verbessern kann.Die Schaffung neuer Arbeitsplätze inder Hochtechnologiebranche in Europaist jederzeit eine gute Investition. DieESA unterstützt die wichtige Grund -steinlegung und unsere Gründungs -initiative ist eine der größten in derWelt."

Herr Zeil fügte hinzu: "Der beständigeEinsatz des Freistaates Bayern hat überdie Jahre einen effektiven Beitrag beider Verwertung des Potenzials derRaum fahrttechnologie durch neu ge -gründete Unternehmen leisten könnenund die Zeit bis zum marktfähigenProdukt verkürzt. Dies hat zur Ent -stehung von hochqualitativen Arbeits -plätzen geführt und die Hochtech -nologieindustrie in Bayern gestärkt.Das ist ein großartiger Erfolg und zeigt

sehr deutlich, dass unsere Technolo -giepolitik die Hochtechnologieindustriein Bayern beständig verbessert."Herr Dordain und Thorsten Rudolph,Geschäftsführer der Anwendungszen -trum GmbH Oberpfaffenhofen (AZO),welche das bayrische Zentrum imAuftrag der ESA betreibt, unterzeichne-ten eine Vereinbarung zur Erweiterungder Gründungsbestrebungen. Damitsollen die Selektion neuer Unterneh -mensideen und ein garantiertes Wirt -schaftswachstum in der Region ermög-licht werden. Insgesamt soll dies dieUnterstützung von bis zu 90 neuenGründungen bis 2019 ermöglichen.Der Leiter des ESA-Büros für dasTechnologietransferprogramm, FrankSalzgeber, stellte fest: "In ganz Europasind mehr als 180 neue Unternehmenals direktes Ergebnis der ESA-Initiativezur Unternehmensgründung an densieben Zentren in Deutschland, denNiederlanden, Großbritannien, Italienund Belgien entstanden. Jedes Jahrunterstützen wir mehr als 60 neueJungunternehmen.

Die sieben Unternehmensgrün dungs -zentren in Europa fördern die Ver -wendung von Raumfahrttech nologie,Systemen und Wissen für Anwen -dungen abseits der Raumfahrt. Poten -

zielle neue Firmen erhalten finanzielleund technische Unterstützung währendder ersten zwei Jahre ihrer Grün- dungsphase, welche schließlich zurEntstehung einer neuen Firma, einesneuen Produktes und neuer Arbeits -plätze in der Region führen.Diese Zentren sind ein probates Mittel,um die unterschiedlichen Regionen zuerreichen und echte Werte in Form vonneuen Märkten und damit einherge-hend innovativer Spitzentech nologiezu schaffen, welche Europas Wettbe -werbs fähigkeit in der globalen Markt -wirt schaft stärken.Um die Unternehmen auch nach derGründungsphase zu unterstützen, hatdie ESA einen 100 Millionen € OpenSky Technology Fund (OSTF) ins Lebengerufen, an welchem sie als beschränkthaftender Partner beteiligt ist.Das ESA Business Incubation Centre(BIC) Bavaria befindet sich in Gilchingin der Nähe von München. Es wurde2009 als ESA BIC Oberpfaffenhofengegründet und 2011 in BIC Bavariaumbenannt nachdem es um zweizusätzliche Re gio nalstellen in Nürnbergund im Berch tes gadener Land erweitertwurde.Zur Bereicherung der wissenschaftli-chen Kompetenzen gehören zum Ent -wicklungsnetzwerk überdies der be -

Raumfahrt = Innovation + Technologietransfer (Folge 6)

ESA-Generaldirektor Jean-Jacques Dordain unterzeichnet die neue Vereinbarung. Rechts daneben ThorstenRudolph. Hinten links Frank Salzgeber und Adriana Lucas (ESA-Contractor). Foto: AnwendungszentrumGmbH Oberpfaffenhofen

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nachbarte Standort des DeutschenZentrums für Luft- und Raumfahrt(DLR), das Fraunhofer-Institut fürIntegrierte Schaltungen (IIS) sowie die WirtschaftsförderungsgesellschaftBerchtesgadener Land mbH. Ziel desESA Büros für Technolo gie transfer -programme ist es, neue Ge schäfts -

möglichkeiten für Unterneh men derRaumfahrtbranche zu identifizieren,um damit die europäische Industrie zustärken. Dabei spielt es bei der Stärkungder Kompetenzen und der Wettbe -werbsfähigkeit Europas, der Er weite -rung der Geschäftshorizonte so wie derSchaffung von Arbeitsplätzen in Europa

eine bedeutende Rolle.Zu den vier Geschäftsfeldern gehörendie Gründungszentren, ein Netzwerkvon Technologievermittlern, das Ver -mö gen an Geisteseigentum der ESAsowie der Open Sky Technology Fonds.

IPAYMO: Raumfahrt für die FinanzenDas digitale Zeitalter hat neue Mög -lichkeiten hervorgebracht und dieSchaffung personalisierter Finanz -dienst leistungen mit vielen Vorteilenfür die Kunden ermöglicht. Einher-gehend mit diesen Verbesserungenrücken die Wahrung persönlicher Kun -dendaten sowie die Sicherheit derUnternehmen immer mehr in denFokus. Der Schaden der gestiegenen IT-Kriminalität wird auf etwa 400 Mrd.US-Dollar geschätzt.Von IPAYMO, einer Firma aus einemUnternehmensgründungszentrum(Business Incubation Centre, BIC) derESA, kommt dazu eine praktischeLösung. Dafür hat sie sich auf elektro-nische Identitätsverifizierung und digi-tale Zugangskontrolle spezialisiert.Durch die Einführung von Technologiezur kontextbezogenen Identitäts- undZugangsverwaltung, verknüpft IPAYMOStandortdaten mit Informationen überdie unmittelbare Umgebung. Die Stand -ortdaten stammen von Satelliten kon -stellationen globaler Navigations dien -ste wie GPS oder zukünftig Galileo undfür die Umgebungsinformationen be -dient man sich verschiedener Sensorenwelche sich bereits in jedem Smart -phone befinden.Dies geschieht mit einem am ESA BIC inDarmstadt erdachten Produkt. Fragt einKunde nach Zugangsfreigabe, wirdseine Authentifizierung durch Algori th -men und patentierte Methoden be -wertet. Zugleich wird die Richtigkeiteiner solchen Transaktion festgestellt,wodurch es dem Finanzdienstleistermöglich wird, Betrugsversuchen vorzu-beugen, statt wie bisher solche Aktivi -täten erst nach deren Durchführung zuerkennen.

Marc Hemmerling, Leiter der AbteilungFinanz- und Transaktionstechnologiender Luxemburger BankenvereinigungABBL, sagt dazu: "Grundbedingung füreine erfolgreiche Entwicklung undNutzung mobiler Systeme zur elektro-nischen Bezahlung ist Vertrauen. DieKombinierung innovativer Dienste, wel-che auf fortschrittlichen und bewähr-ten Technologien basieren, ist einmalig.Den Bezahlenden soll so ermöglichtwerden, ihre Identität zu schützen unddie Nutzung ihrer mobil getätigtenTransaktionen zu kontrollieren.“IPAYMO wurde durch das Technologie-und Transferprogramm der ESA sowiedurch das luxemburgische Ministeriumfür Hochschulwesen und Forschunggefördert. Seine zwei Jahre währendeUnternehmensgründungsphase am ESA-BIC in Darmstadt hat es Ende 2011erfolgreich abgeschlossen.

Kürzlich wurde IPAYMO mit demAccenture Innovationspreis für Finanz -dienstleistungen 2013 ausgezeichnet.Pascal Denis, Verwaltungsdirektor vonAccenture Luxemburg, und Carlo Thill,leitender Geschäftsdirektor der BGL-BNP-Parisbas´-Gruppe, überreichtenden Preis während einer am 12.03.2013stattfindenden Feier an Robert Carter(Foto) von IPAYMO.

Über die ESA-BICsAn den sieben BICs der ESA in denNiederlanden, Italien, Deutschland,Groß britannien und Belgien werdenjedes Jahr etwa 60 Unterneh mens -neugründungen wie IPAYMO gefördert,

insgesamt gründeten sich bis heutemehr als 180 Unternehmen.Die BICs wurden als Teil des ESA-Programms für Technologietransfergeschaffen um Weltraumtechnologie inAnwendungsgebiete abseits der Raum -

fahrt einzuführen und damit neueeuropäische Unternehmen zu fördern,deren Produkte auf Forschung undEntwicklung der europäischen Raum -fahrt basieren.

Das Start-up verwendet Satellitendaten zur zeitlichen und geographischen Verifikation finanzieller Transaktionen. Fotos: ESA/IPAYMO

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Eine Million Euro Preisgelder im diesjährigen Wettbewerb für An -wen dungen der Satellitennavigation Zum 10. Mal sucht der European Satel -lite Navigation Competition (ESNC)nach Produkten, Services und Inno -vationen, die Satellitennavigation imtäglichen Leben nutzbar machen. Ein -zelpersonen und Teams aus Industrie,Forschung oder Universitäten profitie-ren bei der weiteren Umsetzung ihrerGeschäftsmodelle von der engen Zu -sammenarbeit mit Partnerregionenweltweit. Das Marktvolumen für satellitenbasier-te Services – beispielsweise in denBereichen Mobilität, Gesundheit, oderSicherheit – liegt derzeit bei 165 Mil -liarden h und wird bis 2020 aufvoraussichtlich 244 Milliarden h an -wachsen. Mit Unterstützung seinesweltweiten Netzwerks fördert der ESNCdie Teilnehmer bei der Realisierungihrer Anwendungen und Geschäfts -modelle in technischen, wirtschaftli-chen und rechtlichen Aspekten. “80%der bisher prämierten Anwendungenwurden realisiert und ein Drittel derGewinner haben eine Firma gegründet.Diese Zahlen zeigen die Fähigkeit desWettbewerbs, Innovationen aufzuspü-ren und die Gründung neuer Firmen imaufstrebenden Marktsegment Satel -liten navigation voranzutreiben“, soThorsten Rudolph, Geschäftsführer derAnwendungszentrum GmbH Oberpfaf -fenhofen (AZO), dem Organisator desWettbewerbs. “In den letzten Jahren hat der ESNC

erfolgreich sein Potenzial bewiesen,Mehrwerte für Technologien im BereichSatellitennavigation sowohl in Bayernals auch auf globaler Ebene zu schaf-fen. Es ist mir eine Freude zum 10-jäh-rigen Jubiläum des Wettbewerbs auch2013 wieder die Schirmherrschaft zuübernehmen.” erklärt Bayerns Wirt -schafts minister Martin Zeil.

Insgesamt beteiligen sich 25 Länderbzw. Regionen. Als neue Partner län -der/-Regionen begrüßt der ESNC 2013Flandern/Belgien, Japan, Mexiko, dieNiederlande, Nordrhein-Westfalen undNorwegen.Folgende Partner schreiben in diesemJahr themenspezifische Spezialpreiseaus: Die Europäische Weltraum orga -nisation (ESA), das Deutsche Zentrumfür Luft- und Raumfahrt (DLR), dieEuropäische GNSS Agentur (GSA) sowieerstmals das Europäische Patentamt(EPO) und die Metaio GmbH. Darüberhinaus können Studenten und wissen-schaftliche Mitarbeiter ihre Ideen fürdie ESNC University Challenge einreichen. Der Preispool des ESNC beinhaltetneben Geldpreisen zusätzliche Leis -tungen, wie Gründungsunterstützung,Patentberatung, technische Unter stüt -zung bei der Proto typenent wick lung,Marketingberatung, Zugang zu Kundenund Anwendern sowie vor allem media-le Aufmerksamkeit.

Für die Wettbewerbsrunde 2013 hat dieEuropäische Kommission ihre finanziel-le Unterstützung für die europäischenPartnerregionen und Sponsoren des

ESNC verlängert. Diese wird in Form derPreise direkt an die jeweiligen Gewinnerweitergegeben. “Europäische Unter -neh mer, KMUs und die Industrie profi-tieren von dem umfangreichen Netz -werk des ESNC, sowohl bei derWeiterentwicklung ihrer Geschäfts mo -delle als auch dabei, ihre auf Satel -litennavigation basierenden Prod ukteauf diesem Wachstumsmarkt zu etab-lieren.” erklärt Antonio Tajani, Vize prä -sident der Europäischen Kommis sion.

Die Einreichungsphase des diesjährigenESNC läuft noch bis zum 30. Juni 2013.Unter www.galileo-masters.eu findenInteressierte alle Informationen zuPreisen und Partnern, die Teilnahme -bedingungen sowie den Zugang zurDatenbankregistrierung. Alle Gewinnerwerden am 5. November 2013 bei einerfeierlichen Preisverleihung in Münchenausgezeichnet.

Zum Beitrag „Ballistische Rakete oderSatellitenträger?“ in Heft 76, Seite 12f.

Ich muss 2 Dinge kritisieren:1. die verschwommene und falsche Ver -wendung physikalischer Begriffe (vorallem in der 2. Spalte der Seite 12). EineKraft, hier die Gravitation, kann nichtdurch Energie kompensiert werden.Außerdem ist die Energie eine skalareGröße und kann demzufolge nicht„nach vorn gerichtet“ sein.2. sachlich falsche Aussagen über him-melsmechanische Grundlagen. a) Wenn die Geschwindigkeit propor-tional zur Anziehungskraft der Erdewäre, würde die Geschwindigkeit mit

1/r2 abnehmen. Sie nimmt aber wenigerstark ab, nämlich mit 1/√r .b) Dass eine ballistische Rakete nichtauf eine Umlaufbahn kommt, liegtnicht an der Atmosphäre. Sofern nichtdie Fluchtgeschwindigkeit erreicht oderüberschritten wird, würde die Ellipsen -bahn auch bei fehlender Lufthülle stetszur Erde zurückführen. Bei Abschusssenkrecht nach oben erfolgt der Ein -schlag fatalerweise am Startort. Je klei-ner der Winkel zwischen der Abschuss -richtung und der Horizontalebene,desto entfernter liegt der Einschlagsort.Eine geschlossene Bahn in Form einesKreises würde sich erst für den Ab -schusswinkel Null ergeben, wenn man

gleich zeitig dafür sorgt, dass Berüh -rungen mit Bodenerhebungen und derOberfläche des nicht ideal kugelförmi-gen Erdkörpers vermieden werden. Dasläuft darauf hinaus, die Rakete voneinem erhöhten Standort aus zu star-ten. Man kommt auf diese Weise auto-matisch zu dem für Satellitenstartsüblichen Verfahren.Dr. G. H., Pritzwalk

Anmerkung der Redaktion: Durch einVersehen wurde die Rohfassung derÜbersetzung verwendet. Dadurch ent-standen schwammige Ausdrucksformenund noch nicht verifizierte Fach for -mulierungen.

Das Galileo-System, Foto: ESA/P. Carril.

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Missionsreport ISS

Expeditionscrews 33/34Von Uwe Rätsch

BESATZUNGCrew EC-33(16. September bis 18. November 2012)

Sunita L. WILLIAMS – USA, 46Jahre, Sojus-Bordingenieurin undISS-Kommandantin, 2. Raumflug,vorher STS-116-117/ISS-14/15Juri I. MALENTSCHENKO –Russland, 50 Jahre, Sojus-Kommandant und ISS-Flugingenieur, 5. Raumflug, vorherSojus TM-19/Mir, STS-106, SojusTMA-2/ISS-7, Sojus TMA-11/ISS-16Akihiko HOSHIDE – Japan, 43Jahre, Sojus-Bordingenieur undISS-Flugingenieur, 2. Raumflug,vorher STS-124Start:15. Juli 2012, 02:40 Uhr UTC, Sojus TMA-05M, 7K-STMA-Z Nr. 706,Baikonur, Startrampe PU-5,Trägerrakete Sojus-FG

Landung:16. März 2013, 03:06 Uhr UTC,Sojus TMA-06M / 7K-STMA-Z Nr. 707, 64 km nordöstlich vonArkalyk, Kasachstan, bei 50,76 GradNord, 67,34 Grad OstFlugdauer:143 Tage, 16 Stunden, 15 Minuten

Crew EC-34(18. November 2012 bis 15. März 2013)

Kevin A. FORD – USA, Sojus-Bordingenieur und ISS-Kommandant, alle anderenDaten siehe unter Crew EC-33Oleg W. NOWIZKI – Russland,Daten siehe unter Crew EC-33Jewgeni I. TARELKIN – Russland,Daten siehe unter Crew EC-33

Landung:19. November 2012, 01:53 Uhr UTC,Sojus TMA-05M / 7K-STMA-Z Nr. 706,85 km nordöstlich von Arkalyk,Kasachstan, bei 51,05 Grad Nord,67,14 Grad OstFlugdauer:126 Tage, 23 Stunden, 13 Minuten

Oleg W. NOWIZKI – Russland,40/41 Jahre, Sojus-Kommandantund ISS-Flugingenieur, 1. RaumflugJewgeni I. TARELKIN – Russland,37 Jahre, Sojus-Bordingenieur undISS-Flugingenieur, 1. RaumflugKevin A. FORD – USA, 52 Jahre,Sojus-Bordingenieur und ISS-Flugingenieur, 2. Raumflug, vorher STS-128Start:23. Oktober 2012, 10:51 Uhr UTC,Sojus TMA-06M / 7K-STMA-Z Nr. 707,Baikonur, Startrampe PU-6,Trägerrakete Sojus-FG

Die Besatzung: Kevin Ford (vorn, links),

daneben Chris Hadfield. Hintere Reihe, von links: Oleg Nowizki, Jewgeni Tarelkin,Roman Romanenko und Tom Marshburn.

Foto: NASA

Backup-CrewRoman J. Romanenko(Russland) für Juri MalentschenkoChris A. Hadfield (Kanada) für Sunita WilliamsThomas H. Marshburn (USA) für Akihiko HoshidePawel W. Winogradow(Russland) für Oleg NowizkiAlexander A. Missurkin(Russland) für Jewgeni TarelkinChristopher J. Cassidy (USA) für Kevin FordFjodor N. Jurtschichin(Russland) für Roman RomanenkoLuca Parmitano (Italien) für Chris HadfieldKaren L. Nyberg (USA) fürThomas Marshburn

Roman J. ROMANENKO –Russland, 41 Jahre, Sojus-Kommandant und ISS-Flugingenieur, 2. Raumflug, vorher Sojus TMA-15/ISS-20/21Thomas H. MARSHBURN – USA,52 Jahre, Sojus-Bordingenieur undISS-Flugingenieur, 2. Raumflug,vorher STS-127Chris A. HADFIELD – Kanada, 53 Jahre, Sojus-Bordingenieur undISS-Flugingenieur, 3. Raumflug,vorher STS-74, STS-100Start:19. Dezember 2012, 12:12 Uhr UTC,Sojus TMA-07M / 7K-STMA-Z Nr. 708,Baikonur, Startrampe PU-5,Trägerrakete Sojus-FGLandung:14. Mai 2013, 02:31 Uhr UTC, SojusTMA-07M / 7K-STMA-Z Nr. 708,Region Dsheskasgan, KasachstanFlugdauer:145 Tage, 14 Stunden, 19 Minuten

VERSORGUNGSFLÜGEDragon CRS-1Start: 08. Oktober 2012, 00:35 Uhr UTC, Cape Canaveral,Startrampe LC-40, Trägerrakete Falcon 9, Wasserung: 28. Oktober 2012, 19:22 Uhr UTC, Frachtmenge zur ISS 905 kg, zur Erde 979 kg

Dragon CRS-2Start: 01. März 2013, 15:10 Uhr UTC, Cape Canaveral,Startrampe LC-40, Trägerrakete Falcon 9, Wasserung: 26. März 2012, 16:36 Uhr UTC,Frachtmenge zur ISS ca. 900–1.000 kg, zur Erde ca. 1.200 kg

Progress M-17M / 7K-TGM Nr. 417 (ISS-Flug 49P)Start: 31. Oktober 2012, 07:41 Uhr UTC, Baikonur,Startrampe PU-5, Trägerrakete Sojus-U, Frachtmenge 2.397 kg

Progress M-18M / 7K-TGM Nr. 418 (ISS-Flug 50P)Start: 11. Februar 2013, 14:42 Uhr UTC, Baikonur,Startrampe PU-5, Trägerrakete Sojus-U, Frachtmenge ca. 2.500 kg

An Rasswet:17. Juli bis 18. November 2012– Sojus TMA-05Mab 21. Dezember 2012 – Sojus TMA-07M

An Harmony/Nadir:10. bis 28. Oktober 2012 –Dragon CRS-103. bis 26. März 2013 – Dragon CRS-2

Angedockte RaumfahrzeugeAm Swesda-Heck:bis 28. September 2012 – ATV-3Edoardo Amaldiab 31. Oktober 2012 – Progress M-17MAn Pirs:bis 09. Februar 2013 – Progress M-16Mab 11. Februar – Progress M-18M

An Poisk:25. Oktober 2012 bis 15. März 2013 – Sojus TMA-06M

27Mehrere Kleinsatelliten nach ihrem Aussetzen mittels des am japanischen Robotarm angebrachten Small Satellite Orbital Deployer ausdem Kibo-Labor (4.10.2012, Expedition 33).

Alien an Bord: Der von einem Crew-Mitglied der Expedition 34-Mannschaft aufgenommenehumanoide Roboter Robonaut 2 (1.2.2013).Fotos: NASA

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tisch gesteuert am Pirs-Modul an. Es war dieletzte Probe dieses verkürzten Anflugverfahrens,bevor es ab Ende März des Jahres auch beibemannten Sojus-Kapseln angewendet wird.Ein fast totaler Kommunikationsausfall zwischenISS und Erde sorgte am 19. Februar für ein wenigAufregung, wenngleich der Vorfall trotz derUnterbrechung der Nachrichtenkanäle keinewirklich gravierende Gefahr für die Mannschaftdarstellte. Gekommen war es zu dem Ausfall beiSoftwareaktualisierungen für die Bordrechnerder ISS, wobei die Verbindung zum Kontroll -zentrum in Houston zusammenbrach. Nur überrussische Datenkanäle war danach noch Kom -munikation möglich. Erst nach rund drei Stundenhatte man das Problem schließlich so weit imGriff, dass die Verbindung nach Houston wieder-hergestellt werden konnte. Bereits drei Tage spä-ter stand erstmals ein großer Video-Livechat zwi-schen Raumfahrtinteressierten aus aller Welt unddem amerikanisch-kanadischen Teil der Crew aufder Tagesordnung, bei dem dann keineKommunikationsprobleme mehr zu verzeichnenwaren.Am 01. März startete das dritte Frachtschiff derFirma SpaceX, Dragon CRS-2 zur Raumstation.Anfangs stand die Mission aufgrund technischerProbleme mit drei der vier Steuertrieb werks -gruppen ziemlich auf der Kippe, doch mit bemer-kenswerter Professionalität konnte SpaceX dasProblem lösen, woraufhin sich Dragon am 03.März der Station näherte und nach demEinfangen mit dem SSRMS-Arm am Nadirstutzendes Harmony-Knotens verankert wurde. DemUmladen der Fracht im Gesamtgewicht von fasteiner Tonne, darunter u.a. Nahrungsmittel,Bekleidung und neues Experimentiermaterial,stand somit nichts mehr im Wege.Kevin Ford hatte das Kommando auf derRaumstation bereits an seinen Nachfolger ChrisHadfield übergeben, als sich die Rückkehr vonFord, Nowizki und Tarelkin aufgrund extremschlechten Wetters in der geplanten Landezonenochmals um einen Tag verzögerte. Am frühenMorgen des 16. März 2013 kehrten die drei abernach knapp 144 Tagen Weltraumaufenthalt mitSojus TMA-06M wohlbehalten zur Erde zurück.Trotz tiefhängender Wolken, schlechter Sicht undnasskalter Witterung waren auch die Hub -schrauber mit den Bergungskräften recht schnellzur Stelle.Bis zur Ankunft des nächsten Sojus-Schiffs übtendie mit Sojus TMA-07M ins All gelangtenAstronauten den weiteren Dienst auf der Raum -station als erster Teil der bereits 35. ISS-Expedition zunächst zu dritt aus.

für die wissenschaftliche Arbeit bleibt.Nur einen halben Tag vor einem geplantenAußenbordeinsatz von Sunita Williams undAkihiko Hoshide musste die ISS am 31. Oktobernoch ein Ausweichmanöver vollführen, dennansonsten wäre ein Trümmerteil des SatellitenIridium 33 in deutlich zu geringem Abstand ander Station vorbeigezogen. Mit einer siebenmi-nütigen Zündung des Antriebssystems des an derPirs-Schleuse verankerten Frachtschiffs ProgressM-16M wurde aber ein sicherer Abstand zu demTrümmerteil gewahrt, sodass die EVA ohneVerzögerung durchgeführt werden konnte.Nach weiteren drei Wochen waren Mal -entschenko, Williams und Hoshide am Ende ihrer127-tägigen Mission angekommen und machtensich auf den Rückweg zur Erde. Die Sojus TMA-05M-Kapsel mit den Dreien erreichte am 19.November 2012 frühmorgens, noch in völligerDunkelheit, sicher die vorgesehene Landezone.Zunächst setzte die Rumpfcrew der nunmehrigenExpedition 34 unter Kommandant Kevin Ford dieArbeit an Bord zu dritt fort, denn bis zur Ankunfteines weiteren Raumfahrertrios sollten noch fastfünf Wochen ins Land gehen.Am 21. Dezember war es dann aber soweit: MitSojus TMA-07M erreichten die RaumfahrerRoman Romanenko (Russland), Thomas Marsh -burn (USA) und Chris Hadfield (Kanada) denErdaußenposten, und die Expeditionscrew 34 warkomplett. Jetzt verteilte sich die Arbeit an Bordwieder auf viele Schultern.Bei medizinischen Versuchen ging es in der fol-genden Zeit unter anderem darum, mit einemmehrfarbigen Lasersystem Zellen und Moleküleim Blutstrom erkennen und zählen zu können,während bei einem biologischen Experiment dieVeränderungen von Skelett- und Muskelaufbaubei halbdurchsichtigen Fischen der GattungMedaka untersucht wurden. Erneut standen auchExperimente mit dem Robonaut 2 – einem men-schenähnlichen Roboter – auf dem Programm.Das sind nur einige Beispiele aus der Vielzahl derdurchgeführten Experimente der Expedition 34.Im Zeitraum vom 14. bis zum 25. Januar 2013 liefauf der Außenseite der ISS ein technologischerVersuch ab: Bei dem Robitic Refueling Mission(RRM) genannten Experiment wurde mit der amStationsarm SSRMS angebrachten ErweiterungDextre das ferngesteuerte Nachtanken vonSatelliten im Erdorbit simuliert. Sämtliche Hand -griffe wurden mit Dextre unter Zuhilfe nahmeeines Multifunktionswerkzeuges ausgeführt. DieKommandos für das Experiment kamen alle vonder Erde, sodass dafür von Seiten der ISS-Crewkeine Aktivitäten notwendig waren. Zunächstgab es zwar ein kleines Software problem, dochnachdem das behoben war, lief der Versuch fastwie am Schnürchen ab und erbrachte diegewünschten Ergebnisse.Am 11. Februar erreichte eine weitere Nach -schub lieferung die ISS: Progress M-18M dockteerneut nach nur sechsstündigem Anflug automa-

MISSIONSABLAUFNachdem drei Raumfahrer der 32. ISS-Stamm -crew die Raumstation verlassen hatten, nahm dieneue Expedition Nummer 33 am 16. September2012 offiziell die Arbeit auf. Das Kommandohatte nunmehr die US-Astronautin SunitaWilliams, außerdem gehörten die beiden Flug -ingenieure Juri Malentschenko (Russland) undAkihiko Hoshide (Japan) zur Crew. Alle dreibefanden sich bereits seit dem 17. Juli des Jahresan Bord der Station.Gleich zu Beginn des neuen Expeditionszykluswurde am 28. September der RaumtransporterATV-3 Edoardo Amaldi – exakt ein halbes Jahrnach dem Docking – wieder von der Raumstationgetrennt und vier Tage darauf kontrolliert zumAbsturz gebracht. Eigentlich hätte das Abkop -peln bereits zwei Tage früher erfolgen sollen,doch ATV-3 reagierte zunächst nicht auf denentsprechenden Befehl, offenbar weil man beidem per Funk übermittelten Kommando verse-hentlich eine falsche Raumfahrzeugnummer ein-gegeben hatte. Mit der korrekten Raumschiff -nummer klappte es dann aber.Am 04. Oktober entließ die Mannschaft mit Hilfedes in der Schleuse des japanischen JEM-Modulsbefindlichen Small Satellite Deployer fünf kleineCubsats auf eigene Umlaufbahnen. Schließlichwurde am 10. Oktober das Versorgungsraum -schiff Dragon CRS-1 der Firma SpaceX mittelsRoboterarm SSRMS eingefangen und nadirseitigam Harmony-Knoten angedockt. Inklusive Ver -packungsmaterial hatte Dragon 905 kg Fracht anBord; sicher nicht gerade viel im Vergleich zu denanderen Transportschiffen der Serien ATV, HTVund Progress. Dafür hat man mit den Dragon-Kapseln aber erstmals seit dem Ende der Shuttle-Flüge die Möglichkeit, nennenswerte Material -mengen zurück zur Erde zu schicken, was mit denanderen Frachtern nicht geht. Davon wurde nunauch ausgiebig Gebrauch gemacht: Bei derWasserung am 28. Oktober 2012 war die Dragon-Kapsel mit insgesamt 979 kg Rückkehrfrachtbeladen, wozu neben gefrorenen Blut- und Urin -proben und anderen Experimentergebnissen auchausgediente Ausrüstungsgegenstände zählten.Weiterer Nachschub gelangte am 31. Oktober mitProgress M-17M zur ISS. Zum zweiten Mal wurdedabei mit einer Progress-Kapsel das nur sechs-stündige, verkürzte Anflugverfahren zur Raum -station erprobt.Fünf Wochen nach dem Beginn der ExpeditionEC-33 traf am 25. Oktober 2012 mit Sojus TMA-06M Verstärkung auf der Raumstation ein. Siebestand aus den beiden Russen Oleg Nowizki undJewgeni Tarelkin sowie aus Kevin Ford (USA). Fürknapp vier Wochen hatte die Mannschaft damitihre Sollstärke erreicht und man konnte sich wie-der verstärkt der wissenschaftlichen Forschungwidmen. Immerhin sind ja durchschnittlich 2,5Arbeitskräfte zur permanenten Wartung undInstandhaltung der Stationssysteme vonnöten,weshalb einer Dreipersonencrew nur wenig Zeit

RC-Bemannte Raumfahrt

AUSSENBORDAKTIVITÄTENEC-33 – eine, EC-34 – keine

EC-33 – EVA 1Datum: 01. November 2012, 13:10 Uhr bis 19:48 Uhr UTCDauer: 6 Stunden 38 MinutenSchleuse/Skaphander: Quest / EMURaumfahrer: Sunita Williams und Akihiko Hoshide

Ablauf: Hauptaufgabe der EVA war eineReparatur am Kühlmittelkreislauf des Truss P6 derISS, um die Ursache für einen langsamen, aberstetigen Ammoniakverlust in dem System zubeseitigen. Als erstes wurde der große Radiatordes Truss P6 vom Kühlkreislauf getrennt und ein-gefahren. Sodann schloss das Aussteigerduo einenReserveradiator (den TTCR) an das System an undnahm diesen in Betrieb. Später musste man aber

feststellen, dass der Kühlmittelverlust durch dieseMaßnahme nicht gestoppt werden konnte, wes-halb weiter nach der Ursache geforscht werdenmusste. Nach den Arbeiten am Kühlsystem kon-trollierte und reinigte Sunita Williams noch dasSARJ-Drehgelenk der backbordseitigen P-Mast -struktur, mit dem die korrekte Ausrichtung derSolarmodule zur Sonne vorgenommen wird.

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RC-Aktuell

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DAS NEUE RAUMSCHIFF VON ENERGIJABEMANNTES TRANSPORTRAUMSCHIFF

DER NEUEN GENERATION

TECHNISCHE DATEN:Startmasse (t)BesatzungGestartete und rückgeführteFrachtmasse (t)Kabinenvolumen (m3)Einsatzdauer in gekoppeltemZustand (Tage)Nominale Gravitationskonstantebeim Wiedereintritt (g)Max. Landepunktabweichung (km)

TECHNISCHE DATEN:Startmasse (t)BesatzungGestartete und rückgeführteFrachtmasse (t)Kabinenvolumen (m3)Einsatzdauer in gekoppeltemZustand (Tage)Nominale Gravitationskonstantebeim Wiedereintritt (g)Max. Landepunktabweichung (km)

ISS-VARIANTE

MONDFLUG-VARIANTE

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Impressum©2013/ Herausgeber: Initiative 2000 plus e.V. Raumfahrt Concret erscheint im Verlag Iniplu 2000im Jahr 2013 mit 5 Ausgaben (mindestens 36 Seiten)Verlagsleiter: Jacqueline MyrrheAnschrift des Verlages:Verlag Iniplu 2000c/o Initiative 2000 plus e.V.Lindenstraße 63 (TIG), 17033 NeubrandenburgEinzelverkaufspreis*:E 4,50US$ 6,50

Jahresabonnement:(inkl. Versand) Deutschland: E 20,00

Europa: E 23,00Anzeigenpreisliste auf Anforderung.Zur Zeit gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 5 vom 1.1.2009Bei Lieferverzug in Form von höherer Gewalt besteht keinRechtsanspruch gegenüber dem Verlag. Ko pien zum kommerziellenVertrieb oder Nachdruck, auch aus zug sweise, nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung des Heraus gebers. Die Redaktion behält sichvor, Beiträge redaktionell zu bearbeiten. Namentlich gekennzeichneteArtikel stellen nicht unmittelbar die Meinung des Herausgebers dar.

Redaktionskollegium: Uwe Schmaling (Chefredakteur, V.i.S.d.P.), Hartmut E. Sänger (Stellvertretender Chefredakteur), Dietmar Röttler,Prof. Dr. Karl-Heinz Marek, Dr. Achim Zickler, Tasillo Römisch.Eugen Reichl, Axel Kopsch, Horst Jelitte, Bernd Ruttmann.

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Associate editorsChina: Chen LanUSA: Dr. Dwayne A. Day

Korrespondenten Russland: Prof. Anatoli SotowWesteuropa: Jacqueline Myrrhe

Ständige MitarbeiterMars Society: Jürgen Herholz, Andreas KonietznyGrafiken/Lektorat: Dietmar RöttlerTitel/Grafik/Layout: Jörg HinzInternet: Eberhard RödelDruck: Hoffmann-Druck GmbH, Wolgast

Anschrift der RedaktionRaumfahrt ConcretPF 10 12 39D-17019 NeubrandenburgTelefon: 0395 - 582 33 66Fax: 03222 242 192 3E-Mail: [email protected]: www.raumfahrt-concret.de

RC ist Hauszeitschrift folgender Vereine:

Verein zur Förderung der Raumfahrt e.V. Postfach 801966, 81619 München, www.vfr.de Fax: +49 (0)89 - 450 08 99 - 7375 Kontakt: Ulla Hodapp E-Mail: [email protected]

Deutsche Raumfahrt Gesellschaft e.V. Greta-Bünichmann-Straße 3, 48155 Münster, www.drg-gss.orgTel.: (0251) 394 48 63, Fax: (0251) 394 48 64 Kontakt: Michael StenneckenE-Mail: [email protected]

Raketenmodellsportverein 82 e.V.Kontakt: Markus RehbergerBerngauer Weg 25 92353 Postbauer-HengE-Mail: [email protected]

Bankverbindung: Deutsche BankKonto Nr. 406666806, BLZ 130 700 24Gerichtsstand: Amtsgericht NeubrandenburgRedaktionsschluss: 31.05.2013

RC-ISS/Impressum

RC 77 2/2013IS

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Internationaler Förderkreis für Raumfahrt Hermann Oberth - Wernher von Braun (IFR) e.V.Kontakt: Dipl.-Ing. Axel H.Kopsch E-Mail: [email protected].: (07551) 94808 88, Fax: (07551) 94808 89

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ISS-Sichtbarkeit

Liebe Leser, liebe Leserinnen,Die inzwischen vielfach größere Raumstation verursacht einewesentlich größere Reibung mit den Resten der oberen Atmosphäreund muss mindestens einmal im Monat deutlich angehoben werden.Damit ist eine Vorhersagbarkeit zur Sichtbarkeit über Monate hin-weg mit unseren bescheidenen Mitteln nicht mehr mit einem ver-hältnismäßigen Aufwand berechenbar. Darum bitten wir umVerständnis, dass wir diesen Service in RC einstellen. Eine Alternative ist das kostenlose Angebot der NASA auf: www.spotthestation.nasa.gov Hier kann man sich für eine beliebige Position auf dem Globusanmelden um dann die entsprechenden Benach rich tigungen viaSMS oder E-Mail zu empfangen. RC kann dies aus eigener Erfahrungnur empfehlen.

Mit dem Film GRAVITY rollt am 3. Ok -tober 2013 eine 80 Millionen Dollarteure Hollywood-Produktion auf unszu. Die Szenerie ist im Erdorbit bei ISS,Shuttle, Sojus und Hubble-Teleskopangelegt. Durch einen schweren Unfalltreiben zwei Astronauten in den unend-

lichen Weiten des Alls. Keine geringerenals Sandra Bullock und George Clooneyspielen die Hauptrollen. Ob das derStory einen entsprechenden Schubgeben wird, bleibt abzuwarten.Der veröffentlichte Trailer lässt gran-dioses erwarten, zumindest was die

Bilder angeht. Die Produktion wird auchin IMAX und 3D zu bestaunen sein unddort bestimmt die Faszination derBilder voll ausspielen.Schaut man sich ein wenig die Ent -stehungsgeschichte des Kinostreifensan, so stellt man fest, dass dieser Filmbei der Produktion viele Höhen undTiefen erlebt hat. Regisseur und Drehbuchautor AlfonsoCuaron hatte dabei nicht nur mit demWechsel der Produktionsfirma zu kämp fen,auch die Besetzung war lange Zeitunklar. Insofern kann man ge spanntsein, was für ein Ergebnis dabei heraus-gekommen ist.

Trailer auf: http://www.youtube.com/watch?v=n_cGc5bmyVs

Andreas Weise

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