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Begegnung an der Lagune: Wie sich ein herausforderndes Aufeinandertreffen zwischen Yogini und Schamanin zum Tanz zweier Schwestern wandelte TEXT n IRIS DISSE BILD n LIMBERT GONZALES oder Duell zwischen Schamanin und Yogini AYAHUASCA Neue Kolumne Neue Kolumne Iris Disse 18 Yoga Aktuell April | Mai 2018

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Begegnung an der

Lagune: Wie sich ein herausforderndes

Aufeinandertreffen zwischen Yogini und Schamanin zum Tanz zweier Schwestern

wandelte

TEXT n IRIS DISSEBILD n LIMBERT GONZALES

oder Duell zwischen Schamanin und Yogini

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Die Yogini

Ich bin – was weiß ich, eine Künstlerin, die Yoga

macht; eine, die auf Don Juans Pfaden das Nachtlaufen im Dun-kel der Berge übt; eine, die schon als Kind Angst vor Männern in Uniform und vor Irrenanstalten hatte; eine Yogini, für die das Leben Kunst ist; eine, die springt, wenn da ein Tor ist, das sie zu einem tieferen Verständnis der Realität führen könnte.

Peru. Am Abend im Dschungelhotel an der La-gune notiere ich:

„Vier Uhr morgens losgeflogen gerade angekommen nicht geschlafen rosa Delfin gesehen Schamanin kontaktiert Jetzt in der Dämmerung kommen die Mücken.“

Ein laut krakelender Spanier, groß, Schnurrbart, um die 40, setzt sich mit seinem Freund an den

Nachbartisch. Er ist voll zugedröhnt. Immer wieder pöbelt er laut, alle wenden sich ab, und als sein Freund zur Toilette geht, brüllt er hinterher: „Que quieres, cabrón, espera me ...“ Das kann man überset-zen mit: „Was willst du, Arschloch? Warte auf mich!“ „Oh je“, denke ich und gehe schlafen.

Geist der Lagune

Am nächsten Morgen bin ich schon früh auf einem kleinen Boot, der Amazonas, und wir

fahren auf der Lagune Yarinacocha zur Schamanin Doña Elisa.

Neben mir taucht ein Delfin auf und schnaubt. Ein grauer Rücken, der auftaucht und die grüngrau bewegte Oberfläche der Lagune durchbricht. Da vorne noch einer ... und noch einer. Oh, so schön! „Der Geist der Lagune grüßt dich“, sagt Lalo, der Bootsführer. „Das ist gut.“ Die Amazonas tuckert ruhig vor sich hin, und der weite Himmel mit den atemberaubenden Wolkenformationen über mir macht die Sonne erträglich.

„Ein Himmel wie ein Eselsbauch – es wird nicht regnen. Heute Nacht sehen wir keine Sterne“,

sagt Lalo, und er behält recht. Die Wolken wölben

sich nach unten, dunkel und grau, Blitze zucken. Es regnet

nicht. So sieht man nachts den Mond nur ab und zu verschleiert hinter bauchig runden Wolkenbergen hervorschauen.

Die Schamanin

Doña Elisas Haus steht bei der großen Lagune. Sie ist eine gutaussehende, selbstbewusste Frau

um die 50, in traditionell bestickter, frischgrüner Bluse, und wir reden in ihrer großen Küche mit angrenzendem Essraum, wo Hilfesuchende sich stärken können. Kinder und Kindeskinder kommen und gehen, ihr Mann begrüßt mich:

„Ich habe mich in Elisa verliebt, weil sie so gut tanzt. Ihre Leben und ihre Rituale sind genauso – ein Tanz“, sagt er und holt uns Wasser.

Bei Sonnenuntergang gehe ich allein in die Ma-loca, die Ritualhütte. Ich meditiere, grüße die Geistwesen, singe mein Mantra Om dum Durga jai namaha – es ist immer gut, eine starke Göttin bei sich zu haben, wenn man durch diese Tore tritt – und räuchere den Raum. Auf dem Weg zur Toilette stehen bunte Kindertöpfchen; die braucht es wohl, wenn man sich übergeben muss.

Meine Absicht: Ich möchte wissen, wie ich so leben kann, dass ich mich mit Energie

und Freude mit meinem Tod vereinige, wenn die Zeit gekommen ist ... Macht, Power, Verspieltheit, Weisheit. Ein Diamant taucht auf, als mein Anker und Symbol für die Reise.

Ich lasse den Diamanten durch die Chakras wandern, nehme wahr, dass das dritte Chakra schwach ist – der Diamant bleibt stecken. Eine kleine goldene Schlange taucht auf, die ein Krön-lein trägt. Darin passt sich mein Diamant ein, und sie schlängelt meinen Diamanten die Wirbelsäule hoch und setzt Licht frei. Bilder wie im Märchen.

JA, DAS WAR EIN NEUER GESANG, EIN GESANG VON ZWEI KULTUREN

UNSERES PLANETEN, DIE MITEINANDER TANZEN,

OHNE DASS EINE DIE ANDERE DOMINIERT. ENDLICH.

Schamanismus a Yogini und Schamanin

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Der Dschungel schreit

Nacht. Wir sind in der runden Ritualhütte, der Maloca, was man mit „Haus des Universums“ übersetzen kann.

Man ist hier symbolisch im Bauch der Erde. Doña Elisa, ihr Mann und ein portugiesischer Psycho-

loge, der seit sechs Jahren regelmäßig kommt, um mit Doña Elisa zu arbeiten, sind versammelt. Doña Elisa bietet jedem aus einer kleinen Tontasse das bitter schmeckende Ayahausca an. Es löst einen Brechreiz aus, aber ich kann ihn kontrollieren. Wir liegen dann auf einer Decke, däm-mern vor uns hin. „Liane des Todes“ bedeutet das Wort Ayahuasca, und ich öffne mich, meinem Tod zu begegnen. Der Dschungel schreit.

Tanz der Schamanin

Ja, Doña Elisa tanzt ihr Ritual. Sie liegt auf dem Bauch, wie ein junges Mäd-

chen hat sie den Kopf in die Hände gestützt und singt mit hoher, fremd-melodischer Stimme die Icaros, die Trancelieder. Sie wirkt unschuldig und ver-spielt, ist lockend, sanft, fordernd. Ihre Stimme eröffnet die Trance, die kommt in bunten, sich schlängelnden Mustern, die mit ihrem hohen, jetzt fast vogelpiepsigen Gesang tan-zen: neongrün, neonrosa, neongelb ... ein Walt-Dis-ney-Traum, und ich will das nicht. Stopp.

Jetzt eine grüne Riesen-boa zu meiner Linken, so echt, dass ich erst nach ei-ner Weile merke, dass sie Teil meiner inneren Reise ist. Ich liege da, fühle mich schlapp, will schlafen. Nicht mehr da sein. Vergehen. Plötzlich ist Durga’s Tiger da, reißt sein Maul auf. Ich bekomme Angst, und dann das beklemmende Gefühl, mich auf einen Akt des Kräftemessens, einen Schamanenkampf, eingelassen zu haben.

Das Duell

Doña Elisa hatte mich ausgefragt, vorhin in der Kü-che; ich hatte von Schamanen aus Ecuador erzählt,

Geschichten der Shuar-Schamanen, die darauf aus sind, Lebenskraft zu rauben, bei den Ayahuasca-Ritualen den Hilfesuchenden nicht heilen, sondern entleeren.

In der Trance weiß ich jetzt: Damit habe ich sie provo-ziert, ich habe unbewusst dahergeplappert, aber symbo-lisch einen Kampf angekündigt.

Wie gesagt, das weiß ich einfach in diesem Moment. Logik hat es keine, und überprüfbar ist es auch nicht.

Kleine Diskussion mit der inneren „Stimme der Vernunft“: „Hey, das bildest du dir ein. Das gibt es nicht. Entspann dich. Schlaf einfach.“

Dann: „Egal – es ist, wie es ist; ich fühle mich heraus-herausgefordert, und ich werde darauf reagieren. So zu tun, als wär’ nichts, das ist wirklich blöd.“

Ich zwinge mich hoch, setze mich in den halben Lotus, atme, schüttele die Würgeschlange ab. Doña Elisas Stimme will mich penetrieren, öffnen; ich darf das nicht zulassen. Sie ist stark. Jetzt kommt die Angst: „Worauf hast du dich da eingelassen? Idiotin!“, beschimpfe ich mich, dann – plötzlich – Ruhe.

Die Macht der Mantras

Ich atme bewusst, nehme meine Angst und ihr Geplapper wahr, ohne zu urtei-len, beobachte sie nur, so schmilzt sie.

Dann singe ich leise Mantras: Sie material isieren meinen Schutzraum, ich kann ihn körperlich fühlen. Durga

manifestiert sich in der Mitte der Maloca mit all ihren Waffen, sitzt jetzt auf ih-rem Tiger, abwartend,

lauernd, lächelnd. Aham Devi, ich bin Durga, spüre meine Kraft, Euphorie steigt auf. Jetzt will ich losschla-gen, angreifen, vernichten. Ein Gedanke bricht durch: „Stopp: Du hast dich in diesem Leben für die

Liebe entschieden“, und dann greife ich nicht an, was mich viel Kraft kostet, schütze mich nur, singe leise

für mich, webe einen Sound-panzer um mich herum. Durga und

Elisa kämpfen jetzt tanzend, mit Leich-tigkeit. Ich kontrolliere meine Gedanken

und weigere mich, sie zu verurteilen; danke Elisa für die Herausforderung.

Ich bin Du, Du bist ichIch bin Elisa, spüre ihre Wut, ihren Groll gegen die Wei-

ßen. Schmerz. Betrug. Ihre Stimme erzählt all das. Wenn sie dann flüsternd durch meinen Körper wandert, kann ich mich nicht entziehen, ist es unheimlich und stark. Ich halte meinen Diamanten vor mich, lasse die immer wieder aufflackernde Angst fallen, öffne mein Herz, sende Freude und Freundschaft aus. Hermandad, Schwesternschaft. Bleibe bei meiner Wirklichkeit.

Dann sehe ich: Sie geht zu ihrem Mann, der auch im Raum ist und sie begleitet – wie um Kraft zu holen für eine neue Attacke. So rufe ich durch Zeit und Raum hindurch meinen Mann und meinen Sohn um Hilfe. Die Menschen,

WIR VERBINDEN UNS, SIND EINS, BILDEN NEUE MUSTER.

WIR SINGEN ZUSAMMEN, ZWEI SCHWESTERN.

WIR BEGINNEN ZU FLIEGEN. ICH FRAGE „WER BIST

DU?“, SPÜRE, WIE SIE SICH WIEDER VERSCHLIESST,

ABER DANN LÄDT SIE MICH EIN, MIT IHR AUF

IHREM ADLER ZU FLIEGEN. UND WIEDER REISEN WIR

ZUSAMMEN.

Schamanismus a Yogini und Schamanin

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die ich liebe, sind ein Schutz, auch die Eltern, Mama, die Gemeinschaft der Freunde. Die Zeit … Es scheint, wir umkreisen uns eine Ewigkeit. Plötzlich ändert sich etwas.

Nada-Brahma, ich bin Klang

Die Töne füllen mich ganz aus, ich bin der Ton, und ich sende Wellen von Energie durch den Gesang.

Irgendwann sind wir in Harmonie, wir verschmelzen ... Es ist ein neuer Tanz. Ich begreife jetzt mit jeder Zelle, wie Mantras funktionieren. Ich löse mich auf, bin reine Schwingung. Wir verbinden uns, sind eins, bilden neue Muster. Wir singen zusammen, zwei Schwestern.

Wir beginnen zu fliegen. Ich frage „Wer bist du?“, spüre, wie sie sich wieder verschließt, aber dann lädt sie mich ein, mit ihr auf ihrem Adler zu fliegen. Und wieder reisen wir zusammen.

Yoga ist starke Medizin

Draußen geht die Sonne auf. Die Wasservögel sitzen still auf Stangen unten in der Lagune. Von weit tönt

laute Musik, schnulzige Schlager und Reggaeton.Doña Elisa sagt: „Dein Yoga muss eine mächtige Me-

dizin sein. Du bist stark. Ich werde mit dir zusammen-arbeiten. Ich komme nach Ecuador und lerne von dir, und du von mir.“

Ich erinnere mich an die großen Schlangen, die Far-ben, die Muster, die ich jetzt in den traditionellen Sticke-reien von Doña Elisa wiedererkenne. Ich bin gespannt auf unsere Zusammenarbeit in meiner Durga’s Tiger School in Ecuador.

Später, auf dem Boot, spricht mich der portugiesische Psychologe an, der auch an dem Ritual teilgenommen

hatte. „Es hat mich angerührt, die Töne des Dschungels und eure Stimmen in der Nacht. Ja, das war ein neuer Gesang, ein Gesang von zwei Kulturen unseres Plane-ten, die miteinander tanzen, ohne dass eine die andere dominiert. Endlich.“

Iris Disse ist Filme-, Theater- und Radiomacherin; Autorin und Dozentin für Kommunikation auf Fes-tivals und an Universitäten. Seit 1994 pendelt sie zwischen Europa und Ecuador. Ihre sozialen Hörspiele und Filme wurden mehrfach prämiert. Sie arbeitet viel mit Indigenen aus Lateinamerika zusammen.

In ihrem internationalen Yoga- und Kulturzentrum in Ecuador, der „Durga’s Tiger School for Tantra – Yoga – Shamanism”, kann man sich zum zertifizierten Yogalehrer ausbilden lassen. 2018 auch in Europa: 20.4. – 13.5.18 am Meer bei Tarifa/Spanien28.6. – 22.7.18 im ZEGG bei Berlin vom

Infos unter www.durgas-tiger-school.com

Kontakt zur Schamanin Elisa Vargas, Peru: http://www.sankennete.org

Limbert Gonzales: https://es-la.facebook.com/limbert.gonzales

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