Saison 03/10

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Nachhaltigkeit als Zukunftsperspektive AN MORGEN DENKEN TOURISMUSMAGAZIN | AUSGABE 03/10 | SOMMER 2010 P.b.b. | VERLAGSORT: 6020 INNSBRUCK | 10Z038387M

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Tourismusmagazin, Sommer 2010 "An morgen denken"

Transcript of Saison 03/10

Nachhaltigkeit als Zukunftsperspektive

AN MORGENDENKEN

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3 saison

StiCHWort

„Der Touristiker ist ja nicht dumm, der wird sich diesen Rahmenbedingungen stellen, denn schließlich will er ja Gewinn machen und das steht ihm auch zu. Deshalb halte ich recht wenig von Appellen, sondern viel mehr von klaren Bedingungen, mit denen sich jeder Wirtschaftsteilnehmer ausrechnen kann, wie er am besten abschneidet.“Für FRANZ FISCHLER ist in sachen nachhaltigkeit zuerst die Politik gefordert.

NACHHALTIGKEIT, die

„Die Gemeinsamkeit aller Nachhaltigkeitsdefi ni-

tionen ist der Erhalt eines Systems bzw. bestimm-

ter Charakteristika eines Systems, sei es die Pro-

duktionskapazität des sozialen Systems oder des

lebenserhaltenden ökologischen Systems. Es soll

also immer etwas bewahrt werden zum Wohl der

zukünftigen Generationen.“

Bernd Klauer: „Was ist nachhaltigkeit?“, 1999

„Das in der Forstwirtschaft seit Jahrhunderten an-

gewandte Prinzip der Nachhaltigkeit ist unter dem

Aspekt der Ökonomik als Art des Wirtschaftens zu

bezeichnen, bei welcher derzeitige Bedürfnisse be-

friedigt werden, ohne zukünftigen Generationen die

Lebensgrundlagen zu entziehen (Sustainable Deve-

lopment). Kennzeichnung durch langfristig orien-

tiertes Denken und Handeln, um ein Fließgleichge-

wicht der natürlichen Ressourcen zu erreichen.“

Gabler Wirtschaftslexikon

sozialer aspektnachhaltigkeit beschränkt sich

nicht auf Ökologie. auch der so-

ziale aspekt spielt eine entschei-

dende Rolle. Etwa der Umgang

eines Unternehmers mit seinen

Mitarbeitern. „Wir kümmern uns

365 Tage im Jahr um das Wohl-

befi nden unserer Mitarbeiter. Der

Gast geht im Gegensatz dazu ein

paar Tage oder Wochen ein und

aus. Das ist eine andere Relation“,

sagt KARL C. REITER, Eigentümer

des Posthotels in achenkirch.

Die LoHassoziologen lieben die

Beschreibung von Le-

bensstilen. LoHas ist ein

akronym für LIFESTYLE OF HEALTH AND SUS TAI-NABILITY (Lebensstil für

Gesundheit und nach-

haltigkeit) und beschreibt

einen Konsumententyp,

der durch sein Konsum-

verhalten die Welt beein-

fl ussen will. Er zeichnet

sich häufi g durch ein

überdurchschnittliches

Einkommen aus, interes-

siert sich im touristischen

Bereich etwa für natur-

und outdoorurlaube.

1,6 Tonnen CO₂PKW-Jahresfahrleistung von 10.000 km

0,6 Tonnen CO₂Hin- und Rückfl ug innsbruck–London

1,2 Tonnen CO₂1 Woche strandurlaub auf Mallorca

Glücklicher siegerDer Happy Planet index, der die Lebenszufriedenheit

der Bürger eines Landes mit ihrem ökologischen Fuß-

abdruck kombiniert, reiht COSTA RICA auf Platz 1.

Megaprojektim schweizerischen

ANDERMATT soll ein

ganzes nachhaltiges

Feriendorf entstehen.

Mit 500 Wohnungen,

25 Villen und einem

18-Loch-Golfplatz.

Wie das gehen soll?

Zwei Drittel der 1,46

Quadratkilometer

Gesamtfl äche werden

erst gar nicht angetastet

(=ausgleichsfl ächen).

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BaumkillerDer richtige Umgang mit den Ressourcen ist keine

Herausforderung der Moderne. schätzungen zufolge

haben DIE UREINWOHNER DER OSTERINSEL mehr

als zehn Millionen Palmen gefällt, um ihren Holzbedarf

zu befriedigen. als die ersten Europäer auf die insel

kamen, war sie bereits komplett baumlos, was auf

Grund der Bodenerosion massive auswirkungen auf

das Leben der Menschen hatte.

Klimarechner

4

Das richtige Maß

Schön ist es, weise Maß zu halten“, formu-

lierte einst schon sophokles. angesichts

globaler wirtschaftlicher Verwerfungen

mit unerlässlichen Folgen für staaten

und Gesellschaften – wie etwa volatile Märkte, rigide

sparprogramme und sinkende Haushaltseinkommen

– liegen altbekannte Gedanken zu den Grenzen von

Wachstum wieder im Trend. Tatsächlich kann man

über die Maßlosigkeit unserer Zeit, die nicht zuletzt

die grenzenlose wirtschaftliche Gier und schlussend-

lich auch den Kollaps der Märkte sowie ganzer staaten

provozierte, in unterschiedlichsten Kategorien nach-

denken. Mediziner, Ethiker, Gesellschaftstheoretiker

haben in ihren Disziplinen die negativen Folgen von

„zu viel“ längst beschrieben – nun aber dreht sich

auch der Zeitgeist in der Betrachtung maßloser Wirt-

schaftssysteme. Wurde in oliver stones „Wall street“

der junge Gordon Gekko als skrupelloser Finanzhai

noch als Held stilisiert, so stellt der starregisseur in der

heuer präsentierten Fortsetzung Werte wie Loyalität

und familiären Zusammenhalt in der Vordergrund.

Realistische Ziele. nach den aktuellen auswüchsen

scheinen sich ganze Gesellschaften wieder mehr und

mehr nach Balance zu sehnen – nach einem richtigen

Maß in allen Bereichen. Für die Tourismuswirtschaft

bedeutet das: Realistische Ziele fokussieren, rascher

erfolgreiche Entwicklungen vor dem Hintergrund ge-

genwärtiger Trends analysieren und die Frage stellen: in

welchen Grenzen bewegen wir uns? Dabei in den Chor

eindimensionaler Wachstumsverweigerer einzustimmen,

wäre falsch. Erfolg einzig und allein an quantitativen

Messgrößen festzumachen, allerdings ebenso. Tirol hat

sich in vielen Jahrzehnten als erfolgreichstes alpines

Tourismusland positioniert, die Fakten sprechen eine

eindeutige sprache:  Über 43 Millionen nächtigungen

bei rund 300.000 Betten werden gezählt, statistisch

betrachtet betritt alle paar sekunden ein Gast Tirol und

nachweislich verlässt auch der überwiegende Teil der

Urlauber unser Land hochzufrieden. Diese Zahlen ins

Unermessliche steigern zu wollen, wäre der denkbar fal-

sche ansatz und zielte wohl auch eindeutig an aktuellen

Rahmenbedingungen vorbei. Wachstum hingegen künf-

tig noch viel stärker als bisher an qualitativen Parametern

wie langfristiger stabilität, Wertschöpfung und Harmonie

mit unseren regionalen Wurzeln zu orientieren – das ist

unser Tiroler Weg, den auch unsere Gäste goutieren. sie

suchen in unserem Land das Unverwechselbare in natur

und Kultur gepaart mit der einzigartigen Qualität in der

von Gastfreundschaft geprägten familiären Dienstleis-

tung – sie suchen sehnsuchtsbilder wie die einst von

Ludwig steub beschriebenen „schön gekämmten Berg-

wiesen“.  Der Genuss regionaler Produkte, unserer natur-

landschaft zählt hier eindeutig an vorderster stelle dazu.

Gerade auch deshalb blickt der Tourismus sorgenvoll auf

die Tiroler Landwirtschaft, die nicht zuletzt auch aufgrund

verfallender Milchpreise zunehmend wirtschaftlich unter

Druck gerät. so wollen wir dort, wo die Partnerschaft im

richtigen Maß sinnvoll weiter zusammenwachsen kann,

auch noch viel enger zusammenrücken. Weil wir damit

unsere identität und unsere anziehungskraft in der Welt

weiter stärken. Egal ob wir die almkäserei wieder beleben

oder aktuell 150 Tourismusbetriebe rund um die initiati-

ve „Bewusst Tirol“ zusammenrücken – wenn wir unsere

Wurzeln neu beleben, kurbeln wir auch nachhaltiges,

qualitativ geprägtes Wachstum an.

Am Ende stimmt nichts mehr. Welche Fal-

len rein quantitatives Wachstum haben kann, erlebt

übrigens gegenwärtig so manches Kreuzfahrtunter-

nehmen. Vom Erfolg getrieben wurden immer neue

Luxusschiff e geordert – Kapazitäten, die gefüllt werden

wollen. angesichts ausbleibender Gäste in der Wirt-

schaftskrise müssen auslastungen nun vermehrt über

Diskont-Preise erkauft werden. am Ende dieses We-

ges stimmt nichts mehr: nicht der Gästemix, nicht die

Marke, nicht das Urlaubsversprechen, nicht der Preis.

Zurück bleiben wirtschaftlich angeschlagene Unter-

nehmer, die über das „Zuviel“ an Kapazitäten stolpern,

und Gäste, die deshalb „zu wenig“ an Urlaubsfreude

erleben. Eben deshalb ist das richtige Maß essenziell

– auch und gerade am Tiroler Weg! ×

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5 saison

Editorial

Mediziner, Ethiker, Gesellschaftstheoretiker haben in ihren Disziplinen die negativen Folgen von „zu viel“

längst beschrieben – nun aber dreht sich auch der Zeit-geist in der Betrachtung maßloser Wirtschaftssysteme.

Nach den aktuellen Auswüchsen scheinen sich ganze Ge-sellschaften wieder mehr und mehr nach Balance zu sehnen – nach einem richtigen Maß in allen Bereichen. Für die Tou-

rismuswirtschaft bedeutet das: Realistische Ziele fokussieren, rascher erfolgreiche Entwicklungen vor dem Hintergrund

gegenwärtiger Trends analysieren und die Frage stellen: In welchen Grenzen bewegen wir uns?

Wachstum hingegen künftig noch viel stär-ker als bisher an qualitativen Parametern wie

langfristiger Stabilität, Wertschöpfung und Harmonie mit unseren regionalen Wurzeln

zu orientieren – das ist unser Tiroler Weg, den auch unsere Gäste goutieren.

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7 SAISON

INHALT

IMPRESSUMSAISON – Tourismusmagazin, Nr. 3/2010 (62. Jahrgang) SAISON-Abohotline: 0512/58 6020

HERAUSGEBER: Tirol Werbung, Maria-Theresien-Straße 55, 6020 Innsbruck • MEDIENINHABER UND VERLEGER: target group publishing GmbH – Zielgruppen Verlag, Karl-Kapferer-Straße 5, 6020 Innsbruck • CHEFREDAKTEUR: Matthias Krapf • REDAKTION: Ste� en Arora, Stefan Becker, Sarah Boyks, Dipl.Kulturw. Univ. Julia Brugger, Florian Gasser, Mag. Nina Heizer, Esther Pirchner, Dr. Michael Riedler, Mag. Barbara Wohlsein • AUTOREN: Ernst Molden, Alois Schöpf • FOTOGRAFEN: Gerhard Berger, Michael Rathmayr • ILLUSTRATIONEN: Philipp FrenzelPRODUKTION: NERO WerbeGmbH, www.nerografi k.net • LAYOUT: Philipp Frenzel • ANZEIGENVERKAUF: Thomas Pilgram, [email protected] • ANSCHRIFT VERLAG/PRODUKTION: Karl-Kapferer-Straße 5, 6020 Innsbruck, Tel. 0512/58 6020, Fax DW -20, [email protected] • GESCHÄFTSFÜHRUNG VERLAG: Mag. Andreas Eisendle, Michael Steinlechner • DRUCK: Niederösterreichisches Pressehaus, St. Pölten

THEMA: NACHHALTIGKEIT

8„Unsere Generation hat einiges versäumt“Franz Fischler im Interview zur Bedeutung von Nachhaltigkeit

12Nachhaltig in der PraxisNachhaltigkeit erö� net dem Tiroler Tourismus neue Perspektiven.

16Projekt O3Das neue Olympische Dorf in Inns-bruck – ein Großprojekt, das sich an Nachhaltigkeitskriterien orientiert

18Die ImpulsgeberTiroler Tourismusforum: Die Preisträger des Tirol Touristica

22„Nicht nur den Niedergang sehen“ Gerlind Weber, Professorin an der Universität für Boden-kultur Wien, im Interview

24Qualitatives WachstumInfografi k: Weniger Betten, aber mehr Nächtigungen

26Der ÖkoboomWas bedeutet nachhaltiges Verhalten von Konsumenten für den Tourismus?

30Blick über den TellerrandÜberall auf der Welt entstehen nachhaltige Tourismusprojekte. Beispiele aus benachbarten Ländern

34AbgestempeltÖkosiegel: Ein Überblick über CO₂-Abdruck, Ökobilanz & Co.

MAGAZIN

40Alleinstellungsmerkmal Tourismus Tirols Tourismus als „Fels in der Brandung der Wirtschaftskrise“

43„Fühl mich in den Bergen sauwohl“Schauspieler Daniel Brühl macht Werbung für Wandern in Tirol

44Fast alles auf Schiene Land Tirol und ÖBB forcie-ren das Radwandern.

46GruppendynamikReisegruppen eilt ein wenig schmei-chelhafter Ruf voraus. Zu Unrecht.

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48Ein Leben fürs HotelSeit sechs Generationen führt die Hotelier-Familie Seyrling das Fünf-Sterne-Haus Klosterbräu.

52Servus ChristlDie ehemalige „Servus“-Heraus-geberin Christl Horn im Interview

54 Adieu LitfaßsäuleNeue Lösung für Besucher-Infos

56Leben im Denkmal Ein Stück Hotelgeschichte erzählt das Hotel Berghof in Seefeld.

60 Alter Sto� – neues Kleid Schriftsteller Alois Schöpf im Interview

61Verspielte Tiroler Tirol ist ein Land der Schauspieler, was anhand der Au� ührungen im Sommer besonders deutlich wird.

65 Kommentare

66 Nachgefragt

„UNSERE GENERA-TION HAT EINIGES VERSÄUMT“

LEBEN IM DENKMAL

ALLEINSTELLUNGSMERKMAL TOURISMUSPROJEKT O3

DER ÖKOBOOM

„FÜHL MICH IN DEN BERGEN SAUWOHL“

8 saison

nachhaltigkeit

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S AISON: Herr Fischler, der Begriff Nachhaltigkeit ist allgegenwärtig, aber woher kommt er eigentlich? Franz

Fischler: Das Wort nachhaltigkeit hat

im laufe der zeit einen gewissen Wandel

durchgemacht. Ursprünglich stammt es aus

der Forstwirtschaft und war recht einfach

definiert. nachhaltigkeit hieß: man kann aus

einem Wald nur so viel holz herausnehmen

wie nachwächst, wenn der holzbestand

in summe derselbe bleiben soll. Das war

die erste Verwendung von nachhaltigkeit.

Bekannt geworden ist der Begriff dann 1987

durch den so genannten Brundtland-re-

port. Gro harlem Brundtland, eine frühere

norwegische ministerpräsidentin, leitete im

rahmen der Uno die Weltkommission für

Umwelt und entwicklung. in dem report

wird nachhaltigkeit als Gleichgewicht zwi-

schen Ökologie, Ökonomie und sozialer

Verantwortung definiert. naturressourcen

sollen also nur in einem ausmaß genutzt

werden, dass man damit nicht die chancen

für die künftigen Generationen zerstört.

heutzutage wird nachhaltigkeit oft über-

setzt mit zukunftsfähigkeit. nachhaltig ist

ein system, etwa ein Wirtschaftssystem,

dann, wenn es zukunftsfähig ist.

Nachhaltigkeit ist inzwischen fast ein Modewort. Ja, das ist leider ein Problem

geworden. Für alles und jedes wird dieses

Wort eingesetzt, zum teil auch falsch.

aber es ist nach wie vor die beste aus-

drucksweise für ein gutes system, mit dem

man auch in der zukunft reüssieren kann.

Nehmen wir einmal an, wir würden in einer nachhaltigen Welt leben. Wäre un-

sere heutige Lebensqualität beeinträch-tigt? Das ist eine große Frage. Die hängt

aber auch damit zusammen, dass man

zwischen Wohlstand und lebensqualität

unterscheiden muss. in Wirklichkeit ist es

so: Unser bisheriger Wohlstand ist sehr

stark auf Wirtschaftswachstum aufge-

baut. nur wenn die Wirtschaft wächst,

so sagt man, ist der Wohlstand gesichert.

aber gleichzeitig ist dieses Wirtschafts-

wachstum sehr stark an den Verbrauch

von ressourcen gebunden. Und nach-

dem die ressourcen nicht unbegrenzt

zur Verfügung stehen, gibt es zunehmend

Probleme. erstens: Je höher entwickelt

eine Wirtschaft ist, desto schwieriger

wird es, Wachstum zu erzeugen. eine

Wirtschaft wie china tut sich da natürlich

leichter und ein entwicklungsland erst

recht. aber in einer hoch entwickelten

Wirtschaft wie unserer noch zuzulegen,

wird immer schwieriger. in den 1960er-

und 1970er-Jahren war es auch in Ös-

terreich überhaupt kein Problem, jährlich

fünf Prozent Wirtschaftswachstum zu

haben. Wenn wir heute zwei Prozent hät-

ten, würden wir schon glauben, wir wären

ungeheuer gut. Das andere Problem ist:

Wirtschaftswachstum und damit mehr

Wohlstand bedeutet nicht automatisch

mehr lebensqualität. Und deswegen

ist eine große internationale Debatte

entstanden, ob man nicht zusätzliche

messgrößen einführen müsste, mit de-

nen man lebensqualität und qualitatives

Wachstum messen kann. mehr Freizeit

bedeutet mehr lebensqualität, lässt sich

aber nicht im Bruttoinlandsprodukt aus-

drücken. lebensqualität lässt sich nicht

nur mit Konsum und euro messen.

Was bedeutet Nachhaltigkeit für Tirol?

Gerade im Bereich der Planung und der

energieeffizienz ist hierzulande noch ei-

niges aufzuholen. eine energiebewusste

raumplanung und architektur rechnet

sich. außerdem ist tirol ein land mit

langen Wintern und gut isolierte häuser

zahlen sich aus. auch im Bereich der

Verwendung von Biomasse, vor allem

von holzabfällen für Wärmeenergiepro-

duktion, ist tirol durchaus noch entwick-

lungsfähig. Da sind andere länder wie die

steiermark weiter. Beim Verkehr hat sich

in letzter zeit durch zusätzliche angebote

zwar einiges getan, aber auch das ist noch

sehr ausbaufähig. Vor allem was zum Bei-

spiel „Park and ride“ betrifft.

Was bedeutet Nachhaltigkeit für den Ti-roler Tourismus? zum einen, dass es eine

wachsende nachfrage an Gästen gibt, die

Wert darauf legen, dass das Urlaubsange-

bot nachhaltig ist. es gibt eine wachsende

Gruppe von leuten, die sagen, „ich will

in meinem Urlaub nicht zusätzlich als

Umweltverschmutzer dastehen“. Das ist

allerdings ein relativ schmales segment

und nicht die große masse. auf der ande-

ren seite ist die Frage nach der energie-

effizienz eine sehr bedeutsame. Wie kann

man die Unterkünfte energieeffizienter

gestalten, etwa durch Wärmerückgewin-

nung und andere technische Dinge? Da

gibt es viele möglichkeiten. ich glaube

aber auch, dass die Gäste die Vorstellung

haben, dass in einem land wie tirol, das

sehr stark auf erholungstourismus setzt,

die angebote so gestaltet werden, dass es

nicht zu schäden in der natur kommt und

die landschaft nicht an Qualität verliert.

„Unsere Generation hat einiges versäumt“Was bedeutet Nachhaltigkeit für die Gesellschaft und den Tourismus und wie können wir uns dem Ideal annähern – der ehemalige EU-Kommissar Franz Fischler im Interview.

Da s IntervIew führte florIan G a sser .

10 saison

nachhaltigkeit

Ist das bei über 40 Millionen Nächtigun-gen möglich? Wir sind sicher ein sehr

tourismusintensives land, das ist schon

richtig. aber bei entsprechend intelligenten

lösungen und einsatz von Know-how ist

das sehr wohl möglich.

Was bedeutet das für einen Tiroler Touris-tiker? Wie würden Sie ihm das schmack-haft machen, nachhaltig zu arbeiten?

am ende des tages geht es nicht ums

schmackhaftmachen, das ist eine illusion.

missionare durch das land zu schicken, die

die hoteliers davon überzeugen sollen, dass

sie jetzt nachhaltig werden müssen, davon

halte ich ehrlich gesagt gar nichts. es kommt

auf etwas ganz anderes an. nämlich auf

die wirtschaftlichen rahmenbedingungen

und die steuergesetzgebung. Die sollten

so gestaltet werden, dass sich nachhaltiges

Verhalten auszahlt. es muss einfach so sein,

dass es für den touristiker interessanter ist,

eine Wärmerückgewinnung zu installieren,

als einfach beliebige mengen heizöl zu

verbrauchen. Das ist der Punkt.

Die Politik ist mehr gefordert als der Tourismus? absolut, ja. ich glaube, die

politischen rahmenbedingungen müssen

richtig gesetzt werden. Der touristiker ist

ja nicht dumm, der wird sich diesen rah-

menbedingungen stellen, denn schließlich

will er ja Gewinn machen und das steht ihm

auch zu. Deshalb halte ich recht wenig von

appellen, sondern vielmehr von klaren

ZUR PERSON Der am 23. september 1946 in absam gebore-ne Franz Fischler studierte landwirtschaft an der Wiener Universität für Bodenkultur und war dort bis 1979 als Universitätsassistent am institut für landwirtschaftliche Betriebswirtschaft tätig. an-schließend begann er seine politische Karriere in der tiroler landwirtschaftskammer, arbeitete dort als Direktionsassistent und stieg 1984 zum Direktor auf. 1989 wurde er landwirtschaftsmi-nister in der Großen Koalition unter Bundeskanz-ler Franz Vranitzky. Bei den eU-Beitrittsverhand-lungen in den frühen neunzigerjahren erlangte Fischler als versierter Verhandler europaweites ansehen. nach dem Beitritt 1994 wurde er als Kommissar für landwirtschaft und ländliche ent-wicklung in die Kommission von Jacques santer berufen. Vranitzky betitelte ihn ob seiner zahlrei-chen zurufe aus Brüssel als „Dauerkommentie-rer“. seit sich Fischler 2004 mit den Worten „es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut!“ aus Brüssel verabschiedete, arbeitet der „überzeugte anhänger des europäischen Gedankens“ von sei-nem heimatort absam aus. er ist einer der maß-geblichen Unterstützer der Global marshall Plan initiative, Vorsitzender des „Ökosozialen Forums“ und hält regelmäßig Vorträge.

Bedingungen, mit denen sich jeder Wirt-

schaftsteilnehmer ausrechnen kann, wie er

am besten abschneidet.

Was wären solche Rahmenbedingungen?

Wenn man sich die österreichische steuer-

struktur anschaut und mit dem eU-Durch-

schnitt vergleicht, stellt man fest, dass wir

insgesamt eine sehr hohe steuerbelastung

haben, die im Übrigen durch die steuerre-

form nicht weniger geworden ist. zweitens

gehören wir zu den eU-ländern mit den

höchsten Belastungen der arbeit – lohn-

steuer, arbeitgeberanteile, sozialabgaben

und so weiter. Drittens sind wir aber bei den

Ökosteuern weit unter dem europäischen

Durchschnitt. tourismusunternehmen

sind in der regel aber sehr lohnintensiv.

es sollte also durch eine andere steuer-

struktur gelingen, die menschliche arbeit

zu entlasten, was eine entlastung für das

tourismusunternehmen ist, und die ener-

giesteuern höher anzusetzen. Das würde

bedeuten, dass es für mich als touristiker

wesentlich interessanter wird, in energie-

sparmaßnahmen zu investieren. eine sol-

che Umstrukturierung des steuersystems

wäre, aus meiner sicht, für den tourismus

eine interessante Geschichte.

Das kann nur der Bund machen. Was kann Tirol selbst leisten? tirol als land kann zum

Beispiel die raumplanung energieeffi zien-

ter gestalten. eine schlechte raumplanung

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ist gleichzeitig ein energiefresser. Das hängt

zum Beispiel mit unnötigen Verkehrswegen

und dergleichen zusammen. Da kann das

land eingreifen. Ähnliches gilt für die Bau-

vorschriften. eigentlich sollte kein neubau

mehr genehmigt werden, der nicht die

anforderungen eines Passivhauses erfüllt.

Das land kann aber auch durch anreize

eingreifen. etwa indem das isolieren von

häusern attraktiver gemacht und gefördert

wird. Das sollte nicht nur im rahmen der

Wohnbauförderung möglich sein, sondern

genauso für gewerbliche Bauten.

Nachhaltigkeit klingt immer sehr schön, aber ist das überhaupt ein erreichbares Ziel oder doch eher eine Utopie? natür-

lich steckt ein gewisses ideal dahinter und

in der regel ist die erreichung eines ideals

nicht zu hundert Prozent möglich. aber in

Wirklichkeit geht’s ja gar nicht um hundert

Prozent, sondern um eine annäherung

daran. möglichst nah dranzukommen, das

muss die eigentliche zielsetzung sein. Und

das ist möglich. man muss aber auch fai-

rerweise sagen, dass die junge Generation

hier viel weiter ist als die ältere.

Die Studie „Grenzen des Wachstums“ ist vor fast vierzig Jahren erschienen. Die Endlichkeit der Ressourcen ist auch kei-ne neue Entdeckung. Hat Ihre Generation nicht ziemlich viel versäumt? natürlich hat

unsere Generation viel versäumt.

Nämlich? erstens: man hat zu lange

zugeschaut und nicht frühzeitig da-

mit begonnen, die Wirtschaft und die

wirtschaftlichen ziele anders zu for-

mulieren. Und zweitens: man war viel

zu lax und ist viel zu wenig energisch

vorgegangen. Das hält nach wie vor an.

Wir tendieren in Österreich noch immer

dazu, dass wir zwar ambitionierte ziele

aufstellen, die wir aber dann nicht errei-

chen. anstatt jedoch die anstrengungen

zu verstärken, ein ziel doch noch zu

erreichen, machen wir neue ziele, die

weniger ambitioniert sind. so funktio-

niert das hierzulande.

Vielen Dank für das Gespräch. ×

Soziales

Öko-logie

Wirt-schaft

NACHHALTIG

KEIT

„Nachhaltigkeit – für alles und jedes wird dieses Wort eingesetzt, zum Teil auch falsch. Aber es ist nach wie vor die beste Ausdrucks-weise für ein gutes System, mit dem man auch in der Zukunft reüssieren kann.“

12 SAISON

NACHHALTIGKEIT

T irol steht noch am Anfang

von nachhaltigem Touris-

mus. Doch der Weg ist das

Ziel und die Ressourcen

für einen Strategiewechsel sind reichlich

vorhanden. So streben das Land Tirol und

die Tirol Werbung innerhalb der gegebe-

nen Möglichkeiten eine Vorreiterrolle im

internationalen Tourismus an. Und das mit

nachhaltiger Entwicklung.

Wer in Tirol nachhaltigen Tourismus

sucht, der wird auch fündig. Erste Hotels

der Spitzenklasse und regionale Projekte

bemühen sich um eine zukunftsfähige

Entwicklung, die den Menschen, der

Wirtschaft und der Umwelt guttut.

Nach einem Megaevent Müll einzu-

sammeln oder den Gästen einen Trans-

fer vom Flughafen anzubieten, ist noch

kein nachhaltiger Tourismus. Es umfasst

vielmehr eine weitreichende Umstruktu-

rierung und Neuorientierung im sozialen

Umgang, im wirtschaftlichen Handeln

sowie bei der Verwendung von Umwelt-

ressourcen. Dementsprechend ist es ein

Ding der Unmöglichkeit, sofort auf allen

Ebenen nachhaltig zu sein. Doch nicht zu-

letzt aus Wettbewerbsgründen strebt Tirol

dorthin. Genaue Kriterien und Indikatoren

werden in nächster Zeit erstellt, diskutiert

und vielleicht auch politisch verbindlich

gemacht. Im Folgenden einige nachhal-

tige Beispiele, die in Tirol bereits Schule

gemacht haben.

Im Kleinen ganz groß. Er ist die

kleinste Einheit im Tourismus: der Betrieb.

Hier gibt es in Tirol bereits erfolgreich nach-

haltig wirtschaftende Hotels, wie beispiels-

weise das Naturhotel Grafenast in Schwaz.

Seit Mitte der 80er-Jahre ist es ein Biohotel.

„Wir arbeiten in Richtung 100 Prozent Bio,

beim Essen, Trinken und bei Baumateriali-

en“, erläutert Juniorchef Peter Unterlechner.

Regionale, saisonale Lebensmittel haben

Priorität, auf artgeschützte oder ökologisch

sinnlose Lebensmittel wie Thunfi sch oder

Kaviar wird gerne verzichtet.

Nachhaltig in der Praxis„Nachhaltige Entwicklung“ ist ein gefl ügeltes Wort. In seiner ei-gentlichen Bedeutung erö� net es dem Tourismus in Tirol jedoch neue Perspektiven. Wohin die Reise gehen kann, zeigen folgende Beispiele.

VON JULIA BRUGG ER

Aus Vollholz und in harmonischer Form wurde die neu erö� nete Waldsauna im Biohotel Grafenast erbaut.

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Holz und Lehm sind die ökologischen

Bausto� e, mit denen im Grafenast vor-

nehmlich gebaut wurde und wird. Schon

in den 30er Jahren, als das Holz für den

Bau des Hotels geschlagen wurde, ach-

tete man auf den rechten Zeitpunkt und

holte das Holz aus den nahegelegenen

Bergwäldern. Die Hotelzimmern sind mit

Vollholz-Lärchenböden ausgelegt, Pols-

ter, Bettdecke sowie Matratze bestehen

aus hochwertigen Naturmaterialien.

In erneuerbare Energien hat die

Familie ebenso früh investiert: bereits in

den 1970er Jahren beheizte das Hotel

sein Schwimmbad mit Solarenergie. Vor

vier Jahren ließ die Familie ein Biomasse-

Für den Hang reicht die Entwicklung noch nicht. Doch immerhin über die Ebene zieht

der durch Photovoltaik betriebene Schlepp-lift in der Skiwelt Brixen im Thale.

Investitionen in die In-frastruktur ermöglichen

körperlich behinderten Menschen den barri-erefreien Zugang zu Wellnessangeboten.

SMALL IS BEAUTIFUL

SOZIALE ÖFFNUNGDer Tiroler Tourismus beginnt sich auch für sportliche Menschen mit körperlicher Einschränkung zu ö� nen. „Barrierefreies Tirol“ lautet hier die Devise. Die Hotels haben viel in eine adäquate Infrastruktur investiert. Beispielsweise das Hotel Weisseespitze im Kaunertal, das in dieser Hinsicht als Pionier gilt. In Tirol sind es mittlerweile 25 Hotels, die sich gezielt für Menschen mit Handicap zugänglich machen. Auf www.tirol.at fi nden sich ausführliche Informationen zum Urlaub „ohne Handicap“.

SONNENLIFT Die Skiwelt Brixen im Thale baute einen 205 Meter langen Schlepplift. Die dazugehörige Photo-voltaikanlage produziert 12.000 Kilowattstunden pro Jahr. Damit kommt man noch lange nicht den Hang hinauf, für die Überquerung der Ebene reicht es aber allemal.

SUNNALMDerzeit ist sie das höchstgelegene Passivhaus in den Alpen. Auf 2.300 Metern Seehöhe wird das Re-staurant im Pitztal mit Solar- und Erdwärmetechnik betrieben. Dadurch erspart sich der hoch gele-gene Betrieb 35.000–36.000 Liter Heizöl im Jahr. Der Passivhausstandard wird mehr und mehr in den Alpen umgesetzt. Er ist ökonomisch zunächst zwar etwas teurer, rechnet sich allerdings bald.

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Heizwerk errichten, das insgesamt sechs

Häuser mit Biowärme versorgt. Die zu-

sätzlichen Investitionen für einen nachhal-

tigen Hotelbetrieb rentieren sich für das

Hotel allemal: „Wir gehen mit allem viel

bewusster um, so haben wir bespielsweise

in der Küche gar nicht erst soviel Abfall“, so

Peter Unterlechner. Auch das Naturhotel

Waldklause in Längenfeld schlägt in diese

nachhaltige Kerbe auf gehobenem Niveau.

Gemeinsam stark sein. Respekt-

voller Führungsstil sowie o� ene Kom-

munikation über Betriebszahlen, Tages-

abläufe und Entwicklungen erhöhen die

Identifi kation der Mitarbeiter mit dem

Unternehmen. Betriebswohnungen in der

Nähe des Hotels sorgen für kurze Wege,

falls die Mitarbeiter nicht sowieso mit ihren

E s geht weder um ein Produkt noch um eine Strategie. In

erster Linie geht es um eine neue Denk- und Sichtweise.

Diese wird mit speziellen Strategien vermittelt und mit

Leben gefüllt“, erklärt Roger Aerni, oberster Hüter der Marke Tirol

und maßgeblicher Mitgestalter der Nachhaltigkeitsstrategie der

Tirol Werbung. „Studien kommen zu dem Schluss, dass Nach-

haltigkeit in Zukunft ein Kriterium bei der Destinationswahl sein

wird.“ Demnach führt nachhaltige Entwicklung auch zu einem

positiven Image des Bundeslandes, von Gemeinden und einzel-

nen Betrieben. In den vergangenen zwei Jahren wurde der Status

quo erhoben, nun soll die Aktionsphase beginnen.

Das Tirol HausGemäß dem Motto „tue Gutes und rede darüber“ möchte die Tirol

Werbung bei sich selber beginnen, das heißt im Tirol Haus. Der

Energiehaushalt des Gebäudes wird dabei ebenso unter die Lupe

genommen wie der Fuhrpark oder das Papier bei Werbemitteln

bis hin zur Geschlechtergleichstellung. Verbesserungsmaßnah-

men sollen bis Ende 2010 in die Wege geleitet werden.

Green EventsSie sind noch ein weißer Fleck in Tirol, doch sie bergen großes

Potenzial, gerade auch fi nanziell. Die Tirol Werbung tritt sowohl

als eigener Veranstalter auf als auch als Sponsor anderer Events.

„Unser Ziel ist es, dieses Jahr noch Nachhaltigkeit in den Kriteri-

en zu verankern, die als Voraussetzung für unser Sponsoring zu

erfüllen sind. Dabei geht es beispielsweise um Anreisemöglich-

keiten und Besucherlenkung oder die Verwendung regionaler

Produkte im Catering“, so Aerni.

Tirol QDas Qualitätszertifi kat soll um nachhaltige Aspekte erweitert

werden. So würde es dann von Bedeutung sein, ob ein Betrieb

Nachhaltigkeit in seinen Planungsunterlagen verankert hat oder

nicht.

KulinarikDie regionale Wertschöpfung und somit Produktion von Lebens-

mitteln fällt ebenso unter die Prioritäten der Tirol Werbung. ×

„Studien kommen zu dem Schluss,

dass Nachhaltigkeit in Zukunft ein

Kriterium bei der Destinationswahl

sein wird.“ROGER AERNI, TIROL WERBUNG

Nachhaltiger Tourismus in Tirol

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FÖRDERUNG FÜR NACHHALTIGKEIT• Nachhaltige Entwicklung im Tourismus rech-

net sich. Ökonomische Einsparungen und Ef-fi zienz steigernde Maßnahmen werden von kompetenter Stelle vermittelt.

• Die Wirtschaftskammer Tirol informiert über Energiesparmaßnahmen sowie über mögliche Förderungen. Ein kostenloser Energiecheck dauert zwei Stunden, eine Kurzberatung vier Stunden und umfasst eine Analyse der Däm-mung, des Heizsystems sowie des Verbrauchs von Energie für Lüftung, Klima und Kältetechnik.

• Entsprechende fi nanzielle Unterstützung im Bereich Energiee� zienz bieten zahlreiche Banken. „Wer sich für energiee� ziente Investi-tionen entscheidet, den unterstützen wir gerne mit maßgeschneiderten Finanzierungslösun-gen“, so Markus Hildmann, Bereichsleiter Fir-mengeschäftskunden in der Hypo Tirol Bank. Dazu steht 2010 ein Topf im Gesamtwert von rund 140 Millionen Euro zur Verfügung.

Weitere Infos unter: www.wko.at/tirol/wu

Familien im Dorf leben. Gerade die soziale

Nachhaltigkeit wird häufi g vernachlässigt,

wobei sie längerfristig eine wesentliche

Rolle spielt. Zufriedene Mitarbeiter tragen

viel zu einem Wohlfühl-Ambiente bei. Das

Posthotel in Achenkirch geht diesen Weg

seit vielen Jahren konsequent. Die eigenen

Mitarbeiter begegnen der Leitung und dem

Gast auf Augenhöhe. „Wir kümmern uns

365 Tage im Jahr um das Wohlbefi nden

unserer Mitarbeiter. Der Gast geht im Ge-

gensatz dazu ein paar Tage oder Wochen

ein und aus. Das ist eine andere Relation“,

so Karl C. Reiter, Eigentümer des Posthotels.

Wird ein Mitarbeiter respektlos behandelt,

kann er mit der Rückendeckung durch die

Geschäftsführung rechnen. So entsteht ein

fruchtbringender Kreislauf zwischen Leiter,

Mitarbeitern und Gästen.

15

S AISON: Herr Rauter, Sie sind maßgeblich an der Erstellung einer Nachhaltigkeitsstrategie

für Tirol beteiligt. Was bedeutet das?

FRANZ RAUTER: Nachhaltige Entwicklung

ist die Zukunftsstrategie schlechthin. Der

Begri� wurde in den letzten Jahrzehnten

leider häufi g falsch verwendet. Lange Zeit

war die Ökologie das einseitig bestim-

mende Paradigma. Das kann nicht sein.

Zukunftsfähige Entwicklung muss sowohl

die Frage nach Sozialem wie, sagen wir,

adäquater Kinderbetreuung einschließen

wie auch wirtschaftlichen Erfolg und eben

auch den schonenden Umgang mit unse-

ren natürlichen Ressourcen. Es geht um

Lebensqualität in der Gegenwart und eine

Perspektive für die Zukunft.

Wohin führt das im Tourismus? Es be-

deutet unter anderem eine behutsame

Inszenierung ohne Substanzverdrängung.

Das ist sowohl bei intensivem als auch bei

sanftem Tourismus möglich. Als Beispiel

fällt mir der Naturpark Kaunergrat und

genau gegenüberliegend das intensiv

genutzte Gebiet Serfaus-Fiss-Ladis ein.

Beides kann nebeneinander bestehen.

Es geht aber auch darum, dass man sich

gegenseitig respektiert und im Touris-

muskatalog bewirbt.

Gibt es in der Entwicklung also no limits?

Auf beschränktem Raum stoßen wir ganz

natürlich auf Grenzen, die wir respektie-

ren müssen. Und man darf auch nicht

den wirtschaftlichen Nutzen unberührter

Natur unterschätzen.

Ist ein Kinderpark im Skigebiet im Som-mer nachhaltig? Der Familie wird einer-

seits ein bewusstes Naturerlebnis geboten

und es wird zudem bereits erschlossenes

Gebiet weiter genutzt. Ja, es kann – gut

gemacht – nachhaltig sein. Grundsätzlich

ist es besser, einen bereits erschlossenen

Bereich auszuweiten, als neue Gebiete zu

erschließen. Ein alpines Disneyland ginge

am Ziel aber vorbei, weil es die gegebenen

Ressourcen zerstört.

„Es geht um Lebensqualität in der Gegen-wart und eine

Perspektive für unsere

Zukunft.“FRANZ RAUTER

LEITER DER ABTEILUNG RAUMPLANUNG IM AMT DER TIROLER LANDESREGIERUNG

Wer sind die zentralen Akteure für nach-haltige Entwicklung im Tourismus? Das

geht von der Unternehmerin über Touris-

musverbände, die Tirol Werbung bis hin zu

politischen Akteuren. Im Grunde betri� t

es jeden, der im Tourismus tätig ist.

Gibt es konkrete Kriterien, ab wann ein Betrieb oder eine Region sich nachhaltig nennen darf? Wir sind dabei, Indikatoren

zu entwickeln, die eine Art Leitfaden dar-

stellen können. In einem Jahr wissen wir

mehr dazu. Ob die einmal zu verbindli-

chen Kriterien werden, ist letztlich eine

Entscheidung der Politik.

Vielen Dank für das Gespräch. ×

„Wir stoßen auf natürliche Grenzen“Das Land Tirol arbeitet gemeinsam mit Stakeholdern eine Nachhal-tigkeitsstrategie aus. Der Tourismus spielt dabei eine wichtige Rolle. Sowohl der sanfte als auch der intensive.Ganze Regionen. Wie eine neue

Denkweise durchzieht Nachhaltigkeit ver-

schiedene Ebenen und beginnt beim ein-

zelnen Menschen. Durch entsprechende

Kooperationen kann ein Anstoß für eine

ganze Region erreicht werden. Derart

geschehen bei „Bergsteigerdörfern“, die

in ganz Österreich zu fi nden sind. In Ti-

rol gehören Vent im Ötztal und Ginzling

im Zillertal zu diesen speziellen Dörfern.

„Alpinismus im Einklang von Mensch und

Natur“ lautet das Motto. Beschrieben als

klarer Gegensatz zum event- und action-

orientierten Sölden, bietet Vent Ruhe und

Beschaulichkeit in den Alpen. Auf lärmende

Betriebe, Seilbahnen und Schlepplifte wird

verzichtet und die Straßen sind in erster Li-

nie für den ö� entlichen Verkehr geö� net.

Die Erhaltung eines intakten Naturraumes

als Ruhe-, Wander- und Skitourengebiet

oder als ökologischer Ausgleichs- bezie-

hungsweise Pu� erraum ist Sinn und Zweck.

Kennzeichnend für diese Gebiete:

Sanfter Tourismus in Schutzgebieten, in

denen die Häuser und Stadel nicht nur urig

alt aussehen, sondern auch wirklich noch

sind. Etliche Naturpark-Partnerbetriebe im

Zillertal bieten geführte Wanderungen im

Nationalpark an und führen in der Küche

mindestens vier Produkte aus der Region.

Bus und Pellet. Die Region Lech/Zürs,

wenn auch nicht mehr in Tirol gelegen,

so doch in allernächster Nähe, setzt

stark auf ökologische Nachhaltigkeit.

Damit erspart sich die Region zum einen

längerfristig Energiekosten und fördert

zudem die regionale Wertschöpfung.

Das gesteckte Ziel: zur energieautarken

Region werden. Pelletheizungen, Solar-

energie, geothermische Heizungen und

Biomasse-Heizwerke versorgen bereits

223 Betriebe in Lech. Das Hackgut und die

Rinde stammen zum Teil aus heimischen

Sägewerken, bei denen sie als Abfallpro-

dukt anfallen. Das Gebiet verfügt über ein

eigenes Umweltmanagementsystem, das

viel Energie und Geld einspart. Immerhin

werden alljährlich vier Millionen Liter

Heizöl ersetzt. In der Mobilität setzt das

Dorf auf die blaue Flotte, das heißt auf

ö� entliche Verkehrsmittel. Die Fahrt mit

dem Bus ist kostenlos, sobald man in Lech

übernachtet. ×

16 SAISON

NACHHALTIGKEIT

D ie Verglasung ist dreifach,

die Dämmung 30 Zentime-

ter dick. Das Warmwasser

wird mittels Solarzellen am

Dach aufbereitet und eine Pelletsheizung

sorgt in jedem der 13 Blöcke für einen

warmen Boden. Mit rund 8 Kilowattstunden

pro Quadratmeter setzt das neue Olympi-

sche Dorf, das 2012 bei den Olympischen

Jugendwinterspielen (YOG 2012) Athleten

und Betreuer beherbergen wird, im Heiz-

wärmebedarf europaweit neue Maßstäbe.

„Wir haben um vier Prozent höhere Baukos-

ten, dafür sind wir aber unabhängig von der

Pipeline aus Novosibirsk, nutzen regionale

Brennsto� e und ermöglichen Mietern wie

Käufern langfristig niedrigere Heizkosten“,

erklärt Klaus Lugger, Geschäftsführer der

Neuen Heimat Tirol, die der Bauträger des

Großprojektes ist. Das Teuerste seien die

Wartungskosten, sagt Lugger. Die Wert-

schöpfung bleibe dabei jedoch im regio-

nalen Wirtschaftskreislauf, da heimische

Unternehmen mit der Wartung betraut

würden. Die Heizkosten lägen zudem 30

Prozent unter denen eines Niedrigener-

giehauses. Damit ist der höchste Stand im

Passivhausbau erreicht.

Um derartige Erfolge zu erreichen,

benötigt es entsprechendes Know-how

vom Ausschreiber über den Bauleiter zum

Statiker, Elektro- und Installationsplaner

bis hin zur Baufi rma. Von Vorteil ist zudem,

dass Energiee� zienz auch von der Politik

forciert wird – um weniger CO₂ in die At-

mosphäre zu blasen und damit letztlich

auch Kosten zu sparen.

Ökologisch bauen. Die Möglich-

keiten im nachhaltigen Bauen sind damit

jedoch noch lange nicht ausgeschöpft.

Dämmmaterialien aus nachwachsenden

Rohsto� en oder Holzbauten hätten einen

wesentlich geringeren ökologischen Fuß-

abdruck. Doch „die Entwicklung ist hier

noch nicht weit genug, denn mit Hanf

oder Flachs als Dämmung kommt man

einfach noch nicht auf die 8 Kilowattstun-

den Energieverbrauch pro Quadratmeter“,

erklärt Ralf Eck, Leiter des Architekturbü-

ros eck & reiter architekten und maßgeb-

lich verantwortlich für die Planung und

Ausführung des O3.

„Natürlich hätten nachwachsende

Bausto� e eine bessere CO₂-Bilanz und es

ist auch stark an der Zeit, dass ökologi-

sches Bauen weiter vorangetrieben wird,

aber momentan ist der Bau eines Holz-

hauses beispielsweise aus Brandschutz-

gründen auf eine bestimmte Geschoßan-

Projekt O3Gute Nahversorgung, günstige Energiekosten, ausreichend Grünfl ächen. Das neue Olympische Dorf in Innsbruck ist ein städtebauliches Großprojekt, das sich an Nachhaltigkeitskriterien orientiert.

VON JULIA BRUGG ER

17

zahl beschränkt“, so der Tiroler Architekt.

Eine derart große Anlage wie das O3 wäre

damit nicht umsetzbar gewesen. Der Stadt

als Verkäuferin des Grundstücks war je-

doch nicht nur der Passivhausstandard

wichtig. Das neue, eng verbaute Areal

sollte zudem so freundlich und wohlwol-

lend wie möglich gestaltet werden.

Soziale Durchmischung. Damit

ist nicht nur der Passivhausstandard von

Bedeutung. Das gemeinnützige Wohn-

bauprojekt, in das nach den YOG 2012

Innsbrucker Wohnungswerber einziehen

werden, sollte umfassendere Nachhaltig-

keitskriterien erfüllen. Soziale Wärme und

kollegialer Umgang unter den Mitbewoh-

nern kann jedoch nicht auf dem Reißbrett

entstehen. Ein paar Voraussetzungen da-

für konnten allerdings mit entsprechen-

den Maßnahmen gescha� en werden: ein

großzügiger und damit Kommunikation

fördernder Eingangsbereich, ein breites

Stiegenhaus und ein gemeinschaftlicher

Rasenbereich im Innenhof.

Im neuen Olympischen Dorf wird

Wohnraum für Jung und Alt, für Familien

und Singles zur Verfügung gestellt. „Wir

erwarten uns eine soziale Durchmischung.

Verbunden mit hoher Wohnqualität soll

ein gedeihliches Zusammenleben bewirkt

werden“, so Erika Schmeissner-Schmid,

Leiterin der Stadtplanung, Stadtentwick-

lung und -integration im Stadtmagistrat

Innsbruck. Deshalb wird es sowohl ge-

förderte Miet- als auch Eigentumswoh-

nungen geben. Die Innsbrucker Sozialen

Dienste werden betreutes Wohnen für

ältere Menschen anbieten, weshalb auch

auf barrierefreie Architektur Wert gelegt

wurde. Rollstuhlfahrer und gehbehinderte

Menschen können sich im O3 somit ohne

größere Hindernisse bewegen.

Hallo Nachbar. Je mehr Infrastruktur

in der umliegenden Nähe des Siedlungs-

gebietes, umso belebter wird die Gegend.

Was vor dreißig Jahren der Greißler ums

Eck an sozialem Tre� - und Austauschort

bot – das letzte Exemplar der aussterben-

den Tante-Emma-Läden befi ndet sich üb-

rigens in der Pestalozzistraße in Pradl –, ist

heute ein Supermarkt, eine Bäckereifi liale

oder in seltenen Fällen noch ein Metzger.

Auch wenn der Lebensmittelhandel auf-

grund seiner Größe und Anonymität nicht

mehr diese soziale Dynamik und diesen

Informationsumschlagplatz wie früher

bietet, wird der geplante, am Areal des

O3 gelegene MPreis-Markt dennoch zu

nachbarschaftlicher Begegnung und damit

dem einen oder anderen Gespräch über

den vollgepackten Einkaufswagen hinweg

beitragen. Kommunikation, gewisse Nähe

und nachbarschaftliche Hilfe soll mit dieser

Planung erleichtert werden. Schule und

Kindergärten befi nden sich ebenso in der

nächsten Umgebung des O3 wie Friseure

oder der kleine Wochenend-Bauernmarkt.

Kurze Wege. Auch wenn unter der

gesamten Anlage eine Garage mit 509

Parkplätzen gebaut wird, bietet das O3

auch eine günstige Anbindung an die

Stadt und den ö� entlichen Nahverkehr.

Bushaltestellen sind ebenso direkt vor

der Haustüre wie die Innpromenade für

Radfahrer und Fußgänger. ×

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DAS O3Der von der Arge reitter-eck & reiter geplante Gebäu-dekomplex besteht aus 13 Würfeln mit sechs bis acht Stockwerken. Platz fi nden dort 260 Miet-, 69 Eigentums- und 62 Mietkaufwohnungen (sowohl klassische als auch geförderte) sowie 53 von den Innsbrucker Sozialen Diensten (ISD) betreute Wohnungen. Integriert ist außer-dem eine Polizeistation.

YOUTH OLYMPIC GAMES INNSBRUCK 2012Vom 13. bis 22. Jänner 2012 werden jugendliche Athleten aus der ganzen Welt im neuen O3 in Pradl untergebracht. Durch die YOG wurde der Bau des O3 erheblich beschleunigt. Nach den Spielen werden die Wohnungen professio-nell gereinigt, neu ausgemalt von der Neuen Heimat vermietet oder verkauft. Eigentumswohnungen bleiben während der YOG zur Gänze ungenutzt.

www.innsbruck2012.com

Ralf Eck & Peter Reiter

HEIZWÄRMEBEDARF IM VERGLEICH• Konventioneller Bau ab 65 kWh/m²• Niedrigenergiehaus 15–50 kWh/m² • Passivhaus 10–15 kWh/m²• O3 8 kWh/m²

Voraussetzung für Wohnbauförderung in Tirol • seit 2010 Heizwärmebedarf unter 25 KWh/m²• ab 2012 Heizwärmebedarf unter 20 kWh/m²

„Wir haben um vier Prozent höhereBaukosten, dafür sind wir aber unabhängig von der Pipeline aus Novosibirsk, nutzen regionale Brennsto� e und ermöglichen Mietern wie Käufern langfristig niedrigere Heizkosten.“KLAUS LUGGER, GESCHÄFTSFÜHRER NEUE HEIMAT TIROL

18 SAISON

NACHHALTIGKEIT

Tirol-Touristica-Preisträger: Die ImpulsgeberDas Tiroler Tourismusforum hat sich als Muss-Treff punkt der Branche etabliert. Bei der Veranstaltung unter dem Motto „Nachhaltigkeit“ wurde auch der Tirol Touristica vergeben. Die Preisträger heuer: Hubert Klingan, „Urlaub am Bauernhof“, das Hotel STAY.inn, das Internationale Hahnenkammrennen und der WildeWasserPark Stubai.

VON MICHAEL RIEDLER

Der „Gigant der vier Jahreszeiten“ – die Plastik von Alois Schild ist die „Mutterfi gur“ für den Tirol Touristica.

KR Dr. Hubert Klingan wurde für sein touristi-sches Lebenswerk ausgezeichnet.

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T irols Tourismus hat die

letzten Monate trotz Wirt-

schaftskrise überdurch-

schnittlich gut bewältigt.

Verantwortlich dafür war der vergleichs-

weise hohe Qualitätsstandard der heimi-

schen Branche. Diesen zu stärken, war

auch immer Sinn und Zweck des Tiroler

Tourismusforums, das heuer unter dem

Generalthema „Nachhaltigkeit“ stand.

So reisten die Tirol Werber allesamt

mit dem Bus und nicht mit dem Auto nach

Igls. Die Einladungen zum Tourismusfo-

rum wurden auf umweltfreundlichem

Papier gedruckt, die Kuvertfolien konnten

über den Biomüll entsorgt werden und

das Buff et stellten Bauern aus den Natur-

parkregionen Tirols. Außerdem machte

die Tirol Werbung beim Tourismusforum

auf E-Bikes, E-Scooter, E-Golfcars und

Elektroautos aufmerksam.

Ein Höhepunkt des Forums mit Lan-

deshauptmann Günther Platter und Tirol

Werbung Geschäftsführer Josef Margrei-

ter war die Verleihung des „Tirol Touristica

2010“. Der Tiroler Künstler Alois Schild

gestaltete die verliehenen Setzlinge des

„Gigant der vier Jahreszeiten“. Die Aus-

zeichnung, gesponsert von der Hypo Tirol

Bank, wurde an herausragende Projekte

und beispielhafte Impulse im Tiroler Tou-

rismus vergeben. Geehrt wurden Hubert

Klingan für sein Lebenswerk, die Initiative

„Urlaub am Bauernhof“ für ihr Marketing,

das Hotel STAY.inn in Schwaz für sein in-

novatives Konzept, der WildeWasserPark

Stubai für die Angebotsentwicklung und

das Internationale Hahnenkammrennen

in der Kategorie Großveranstaltungen.

Einsatz für Hauptstadt der Alpen. Klingan war von 1988 bis 2009 ehren-

amtlich als geschäftsführender Obmann

des Tourismusverbands Innsbruck tätig.

Er hat die Großregionsstrategie für den

TVB Innsbruck und seine Feriendörfer

mit Konsequenz und Fairness umgesetzt.

Dabei blieb der ehemalige Chef der Ti-

roler Sparkasse immer seiner Linie als

Gegner von zentralistischen Stukturen

treu. Die von ihm installierten Ortsaus-

schüsse mit eigenständigen Ortsbudgets

waren Vorbild für Regelungen im Tiroler

Tourismusgesetz. Erfolgreich betrieb und

förderte er auch den Ausbau wichtiger

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Infrastrukturbauten wie der Patscherko-

felbahn, Muttereralmbahn, Innsbrucker

Nordkettenbahn, Bergisel. Golfplätze,

Reitanlagen und Schwimmbäder in den

Feriendörfern wurden weiterentwickelt.

Klingan nützte sein internationales

Netzwerk, um Innsbruck als Hauptstadt der

Alpen starkzumachen. Er war Initiator und

Mitbegründer des Innsbrucker Sommers

(Tanzsommer, Promenadenkonzerte, Fes-

tival der Träume, Innsbrucker Filmfestival)

und förderte neue Trends wie die Projekte

„Single Trail“, „Air & Style“ sowie Kunstraum,

Osterfestival und Klangspuren. Er war Be-

gründer der Hofkirchenkonzerte der Wilte-

ner Sängerknaben und des Hoffestes Kaiser

Maximilian I. in der Altstadt. Klingan gründete

die ARGE Museen und holte so zahlreiche

Sonderausstellungen nach Innsbruck. Und

auch die Innsbruck-Card und der Sight-

Seer-Bus tragen seine Handschrift.

UaB: Authentisch und nachhaltig. Die Initiative „Urlaub am Bauernhof“ (UaB)

erhielt den Tirol Touristica in der Kategorie

„Marketing“. Die Strategie der Initiative greift

nach wie vor: Mit einer durchschnittlichen

Jahresauslastung von 120 Vollbelegs-

tagen wird auf einem guten Preisniveau

ein beachtlich gutes Ergebnis erzielt. Die

Tiroler Bäuerinnen und Bauern verstehen

es exzellent, den Tiroler Urlaubsgästen

authentische Urlaubserlebnisse auf ihren

Bauernhöfen zu vermitteln, aber auch die

intakten Natur- und Kulturlandschaften Ti-

rols, die Bräuche und Traditionen im Land.

Eine regelmäßige Qualitätskontrolle sorgt

bei den Gästen für Sicherheit.

Das andere Hotel für Geschäfts-reisende. Ein Hotel der anderen Art ist

das STAY.inn Comfort Art Hotel Schwaz. Das

Haus mit 123 Betten hat sich in einer Wei-

se auf Geschäftsreisende spezialisiert, die

ungewöhnlich und impulsgebend ist. Dafür

gab es den Tirol Touristica in der Kategorie

Infrastruktur und Bauten. Seit Mitte 2009

ist das „beste Businesshotel Österreichs“

(Eigendefinition) in Betrieb.

Die Schwazer Unternehmer Martin

Winderl und Andreas Jenewein bieten hier

hohen Service- und Qualitätsstandard zu

einem optimalen Preis: Modernste Aus-

stattung und Technik, Businessservices

ohne Zusatzkosten, Komfort statt Luxus.

Feng-Shui und urbane Materialien sorgen

für die richtige Balance zwischen Wohl-

fühlen und modernem Lifestyle. Das Hotel

nützt die hauseigene Solaranlage sowie das

Energiespar-Know-how des IKB-Contrac-

ting. Die Initiative wurde nicht nur durch

die Klimaschutzstadt Schwaz, sondern

auch durch das Land Tirol entsprechend

gefördert. Das Hotelkonzept ist bereits auf

reges Interesse in der Branche gestoßen. Es

gibt bereits Anfragen und mögliche weitere

Standorte in Form einer Franchise-Kette.

Wilde Wasser im Stubai. Ein preis-

gekröntes Angebot ist der WildeWasser-

Park Stubai, der allen Wanderern die

unvergleichlichen Gewässerschönheiten

des Stubaitals zugänglich macht. Das Kern-

stück des Parks ist der WildeWasserWeg,

der bei Klaus Äuele beginnt und am Grawa-

Wasserfall vorbeiführt zur Sulzenauhütte

über Gletscher zur Dresdner Hütte, vorbei

am Mutterberger See zur Regensburger

Hütte mit Hochmoor und zurück nach

Klaus Äuele. Ein Highlight sind die beiden

Aussichtsplattformen am Grawawasserfall.

14 WildeWasserSchauplätze führen den

Wanderer zu Wasserfällen, Bergseen und

auf die Gipfelplattform Top of Tyrol. Beim

WildeWasserPark kooperieren der Touris-

musverband Stubai Tirol, die Stubaier Berg-

und Wanderführer, die Kinderbetreuer im

BIG Family Stubai, der österreichische und

der deutsche Alpenverein, die Hüttenwirte,

Bergbahnen, öffentliche Verkehrsunter-

nehmen und die Hoteliers miteinander.

Institution Hahnenkamm. Das

wohl heißeste Rennwochenende im al-

pinen Skizirkus findet immer in Kitzbühel

statt. Seit 1931 gibt es den Hahnenkamm-

Skirennklassiker (Abfahrt, Slalom, Alpi-

ne Kombination). Die „Streif“ und der

„Ganslernhang“ sind weltweit bekannte

Pisten. 100.000 Zuschauer, darunter 700

Journalisten und zahlreiche VIPs sorgen

dafür, dass Bilder aus Kitzbühel weltweit

ausgestrahlt werden – unbezahlbare Wer-

bung für den Tiroler Wintertourismus. Für

die Region Kitzbühel selbst bedeutet das

Hahnenkammwochenende viel. Die Wirt-

schaftskammer geht von einer Umweg-

rentabilität von rund 50 Millionen Euro aus.

Anerkennungsurkunden. Aus den

Einreichungen nominierte die Jury neben

den fünf Siegerprojekten auch noch einige

Projekte, die eine Anerkennungsurkunde

erhielten: die Kooperation „Alpine Gastge-

ber“, das Projekt „E-Bike-Region Kitzbühe-

ler Alpen“, die „Tiroler Familiennester“ mit

ihren Kinderprogrammen, die Alpbachtal

Seenland Card, die Kletterveranstaltung

„Challenge the Wall“ und der Wintersport-

bewerb „Der Weiße Rausch“ am Arlberg.

„Im touristischen Geschäft sind Im-

pulsgeber und innovative Köpfe wichtig.

Der Tiroler Tourismus kann auf beides zu-

rückgreifen und das ist auch der Schlüssel

zum Erfolg“, freut sich Josef Margreiter,

Geschäftsführer der Tirol Werbung, über

die Qualität der Einreichungen zum „Tirol

Touristica“: „Die Jury war hochkarätig

besetzt. Wir haben es uns nicht leicht

gemacht.“ ×

Künstler Alois Schild (Mitte) mit Josef Mar-

greiter (links) und Her-bert Waltl vom Spon-

sor Hypo Tirol Bank mit den Setzlingen, die beim Tourismusforum

überreicht wurden.

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Vor genau 60 Jahren verließ der erste VW Bus die Werkshallen. Er wirkte am wirtschaftlichen Aufschwung mit, leiste-

te seinen Beitrag, die 60er Jahre zu den „Goldenen“ zu machen, wurde zum Kultauto der Hippie-Bewegung und blieb

bis heute das, was er immer war: ein verlässlicher, langlebiger und sicherer Begleiter durch bewegte Zeiten. Jetzt fei-

ert er seinen 60. Geburtstag und hat nichts von seiner Beliebtheit verloren. In alter Gewohnheit nennt man ihn immer

noch VW Bus, obwohl er mittlerweile auf die Namen Transporter, Caravelle, Multivan und California hört. Höchste tech-

nische Kompetenz beweißt nun die jüngste Generation mit den neuen Common-Rail-Motoren und einer Vielzahl an

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22 SAISON

NACHHALTIGKEIT

S AISON: Frau Weber, was ist die „neue Interpretation“ von Schrumpfungsprozessen, die Sie fordern? GERLIND

WEBER: Wir glauben, in einem ständigen

wirtschaftlichen Wachstumsprozess zu

sein, der nie enden wird, und akzeptieren

rückläufi ge Entwicklungen einfach nicht.

Das ist aber eine völlige Fehlinterpreta tion,

weil ökonomische Wachstumsphasen,

historisch gesehen, immer schon durch

Schrumpfungsphasen abgelöst wurden.

Sie plädieren auch dafür, dass sich die Wirtschaft auf Schrumpfungsprozesse vorbereiten soll. Wie soll das funkti-onieren? Indem man nicht das ganze

Know-how auf Wachstum fokussiert.

Unser ganzes System ist auf Wachstum

ausgerichtet. Kommt es dann einmal

zu einem rückläufi gen Prozess, werden

alle Anstrengungen darauf gerichtet,

dieser Phase entgegenzuwirken und sie

zu überwinden, was nicht in jedem Fall

gelingen kann. Daher ist es besser, sich

auch ein Know-how zuzulegen, wie man

Schrumpfungsprozesse gestalten kann.

Wie kann eine Schrumpfung gestaltet werden? Da gibt es verschiedene Mög-

lichkeiten. Es gibt einige Regionen in Ös-

terreich, die seit Jahrzehnten schrumpfen

– etwa in der Steiermark, in Niederöster-

reich, aber auch in manchen Seitentälern

Tirols. Die Bewohner, die Arbeitsplätze

werden dort weniger und ebenso dünnt

die Nahversorgung aus. Alle Bemühun-

„ Nicht immer nur den Niedergang sehen“

Können Schrumpfungsphasen auch Chancen sein und wie kann man sich darauf vorbereiten? Gerlind Weber, Professorin an der Universität für Bodenkultur in Wien, im Interview.

DA S INTERVIEW FÜHRTE FLORIAN G A SSER .

gen gehen in die Richtung, dass es dort

wieder zu einem Wachstum kommt,

doch das passiert nicht. Gleichzeitig sind

diese Regionen aber überhaupt nicht auf

einen weiteren Rückgang vorbereitet.

Aber gerade für diese Räume müssen

wir uns Gedanken darüber machen, wie

wir Überkapazitäten geordnet abbauen,

die Lebensqualität vor Ort dennoch si-

cherstellen können, mit leer stehenden

Gebäuden verfahren et cetera.

Allein durch den Bevölkerungs-

rückgang werden in absehbarer Zeit die

schrumpfenden Gemeinden nicht we-

niger, sondern immer mehr. In struktur-

schwachen Räumen kann das nicht durch

Zuwanderung kompensiert werden. Dort

wird gerade auch vor dem Hintergrund

der Finanz- und Wirtschaftskrise sich die

Situation rasch verschlechtern und darauf

müssen wir uns einstellen.

Kann ein Rückgang auch Chancen in sich bergen? Ja, natürlich. Man darf

nicht immer nur den Niedergang sehen.

Schrumpfung soll vor allem als Keimzelle

für etwas Neues gesehen werden, das

zukunftsfähig ist. Es ist immer auch eine

Chance darin zu sehen, neue Antworten

zu suchen und die Kreativität einzusetzen.

Aber gerade in rückläufi gen Zeiten hat

meist die Angst ums wirtschaftliche

Überleben Priorität. Für kreative Antwor-

ten fehlen oft schlicht und einfach die

Kapazitäten. Zweifellos besteht die Gefahr,

gewissermaßen noch mehr Gas zu geben,

weil man glaubt, nur so den Schwierigkei-

ten begegnen zu können. Aber oft liegt

die Lösung eher im Entschleunigen, denn

Kreativität braucht Zeit, um sich entfalten

zu können.

Wie kann sich ein Unternehmer auf eine Schrumpfung vorbereiten? Indem er als

Unternehmensziel nicht das Wachstum,

sondern die „Gesundheit“ des Betriebes

in das Zentrum seiner Bemühungen stellt.

Letzteres bedingt mitunter auch, dass

bewusst auf Kapazitätsausweitungen

verzichtet oder das Angebot zurückge-

nommen wird.

Trotzdem möchte ich als Unternehmer am Ende des Tages Gewinn machen. Wie soll das bei rückläufi gen Entwicklungen funktionieren? Indem ich mich mit den

Megatrends auseinandersetze und frage,

was bedeuten diese für meine Region und

meinen Betrieb? Der Klimawandel ist bei-

spielsweise eines dieser großen Themen.

23

Dann informiere ich mich eben, welche

Klimaszenarien für meine Region existieren

und überlege mir, welche Konsequenzen

sich daraus für mein Unternehmen ab-

zeichnen, aber auch, wie ich mich einem

Gremium anschließen kann, das Strategien

für die Region zu diesem Thema ausarbei-

tet. Insgesamt gilt natürlich auch in diesen

Kontexten der Satz von Gorbatschow: „Wer

zu spät kommt, den bestraft das Leben.“

Wie kann der Tourismus Schrumpfungs-prozesse begleiten? Wie gesagt: Man muss

sich Gedanken darüber machen, wie man

Überkapazitäten abbauen oder umstruktu-

rieren kann und so auch für eine geringere

Nachfrage attraktiv bleibt. Denn natürlich: In

wirtschaftlich schwierigen Zeiten kann auch

die Nachfrageseite zurückgehen.

Wie kann man darauf reagieren? Da gibt

es ganz unterschiedliche Ansätze. Etwa

eine neue Ausrichtung des Angebots, die

das Authentische, Regionale, Bescheidene

und aber qualitativ Hochstehende mehr

in den Vordergrund rückt. Man kann hier

Werfenweng in Salzburg nennen, wo die

sanfte Mobilität stark forciert wird. (Urlauber

in Werfenweng geben ihre Autoschlüssel

beim Tourismusverband ab und erhalten

dafür die Möglichkeit, vor Ort Fahrräder,

Elektrofahrzeuge aller Art, Pferdekutschen

etc. zu benützen, Anm.) Auf Nachhaltigkeit

zu setzen, hat natürlich auch mit Konsoli-

dierung zu tun, weil sich hier nur besondere

Gäste auf dieses Prinzip einlassen und man

sich in der betre� enden Gemeinde sagt:

Wir wollen nicht besonders viele Gäste,

sondern nur solche, die beispielsweise

ZUR PERSONGerlind Weber leitet das Institut für Raumplanung und Ländliche Neuord-nung an der Universität für Bodenkultur in Wien. Seit 1991 ist die Oberösterreiche-rin Professorin für Raumforschung und Raumordnung. Sie war Gastprofessorin unter anderem an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich und an der Kyoto University in Japan. Seit 2001 ist sie Vorstandsmitglied des „Ökosozialen Forums“. In Vorträgen und Publikationen weist Weber immer wieder auf die Chan-cen von Schrumpfungsprozessen hin und betont die Notwendigkeit, sich auf diese besser als bisher vorzubereiten.

klima- und energiebewusst in ihren Ferien

leben wollen.

Wie würden Sie einem Tourismusbetrieb empfehlen, sich auf eine Schrumpfung vorzubereiten? Es geht darum, das rech-

te Maß, eine Balance zu fi nden, zwischen

Ökologie, Ökonomie und gesellschaftsrele-

vanten Momenten. Das ist wahre Nachhal-

tigkeit. Was nützt das tollste Skihotel, wenn

durch den Klimawandel der Schnee vor der

Haustür wegschmilzt? Wir müssen sehen,

dass die Natur letztlich zurückschlägt,

wenn wir nur die Kapazitätsausweitung in

ökonomischer Hinsicht fokussieren. Und

es geht natürlich auch darum, dass nicht

immer das größere das bessere Hotel ist.

Meist macht es mehr Sinn, das Haus zuerst

mal ordentlich zu isolieren, bevor es weiter

ausgebaut wird.

Das gesamte Wirtschaftssystem ist auf Wachstum ausgerichtet. Warum soll ich mich auf Schrumpfungen vorberei-ten? Um krisensicherer zu sein, um mich

selbst aus dem Wachstumszwang zu be-

freien und damit einen neuen Blickwinkel

einnehmen zu können. Bei dem dann

nicht das Mehr, sondern „das Andere,

Zukunftsverträglichere“ im Vordergrund

steht. Der Klimaschutz, die Energiefrage,

die Wirtschaftskrise, die Alterung der Be-

völkerung und andere Dinge rufen schier

nach Veränderung.

Vielen Dank für das Gespräch. ×

„Unser ganzes System ist auf Wachstum ausgerichtet. Kommt es dann einmal zu einem rückläufi gen Prozess, werden alle Anstrengungen darauf gerichtet, dieser Phase entgegenzuwirken und sie zu überwinden, was nicht in jedem Fall gelingen kann.“

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24 SAISON

NACHHALTIGKEIT

Nachhaltiges Wachstum

ÜBERNACHTUNGEN STEIGEN,BETTENSTAND SINKTAnzahl der Übernachtungen und Bettenstand in den Wintersaisonen von 1989 bis 2009

Die Zahl der Betten ist in den letzten zwanzig Jahren gesunken, jene der Nächtigungen hingegen gestiegen. Überspitzt gesagt, schrumpft und wächst der Tiroler Tourismus zugleich. Und auch bei den Übernachtungen nach Kategorien lässt sich eine interessante Entwicklung ablesen.

QUELLE: T IROL WERBUNG

Wintersaison 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999Übernachtungen 20.954.921 20.266.707 21.490.136 22.377.182 22.911.322 22.173.234 21.393.240 20.771.251 20.180.186 20.714.438 21.680.068

Bettenstand 354.842 348.802 353.845 355.781 357.307 356.358 355.592 354.448 352.191 346.668 346.605

Wintersaison 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009Übernachtungen 22.400.614 23.503.160 23.870.576 24.345.343 24.648.277 25.047.404 24.767.245 24.062.672 25.612.058 25.579.556 + 22,1 %

Bettenstand 345.181 341.405 337.759 335.298 334.345 334.279 339.965 338.787 341.022 341.022 - 3,9 %

BettenstandÜbernachtungen

5.000.000

10.000.000

15.000.000

20.000.000

25.000.000

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1989 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009

310.000

320.000

330.000

340.000

350.000

360.000

+�22,1%

-�3,9%

25

QUALITÄTSTOURISMUSAUF DEM VORMARSCHAnzahl der Übernachtungen nach Kategorien in den Wintersaisonen von 1989 bis 2009

Wintersaison 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999*/**-Hotels 6.082.930 6.002.555 6.232.088 6.356.217 6.314.304 5.892.119 5.392.078 5.091.566 4.706.279 4.344.383 4.261.955

***-Hotels 4.569.087 4.410.915 4.596.245 4.801.211 4.696.222 4.486.025 4.375.008 4.207.816 4.078.195 4.260.228 4.538.282

****/*****-Hotels 3.400.632 3.318.400 3.431.778 3.738.390 4.004.747 4.079.530 4.175.020 4.241.407 4.419.188 4.793.954 5.076.229

Ferienwohnungen 2.104.785 2.144.704 2.509.518 2.756.324 3.143.871 3.323.632 3.401.672 3.497.164 3.503.839 3.970.027 4.456.769

Privatquartiere 3.973.035 3.600.605 3.819.464 3.821.839 3.786.332 3.450.136 3.138.103 2.859.913 2.636.268 2.506.077 2.512.746

Restl. Unterkünfte 824.452 789.528 901.043 903.201 965.846 941.792 911.359 873.385 836.417 839.769 834.087

Wintersaison 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009*/**-Hotels 4.066.261 4.001.991 3.889.891 3.769.192 3.586.846 3.471.121 3.369.171 3.066.680 3.204.060 3.104.722 - 49,0 %

***-Hotels 4.776.675 5.136.999 5.203.306 5.429.893 5.451.413 5.473.545 5.124.047 4.929.058 5.120.370 5.006.333 + 9,6 %

****/*****-Hotels 5.436.415 5.858.311 6.089.898 6.161.634 6.400.023 6.722.611 7.112.639 7.162.276 7.715.904 7.722.487 + 127,1 %

Ferienwohnungen 4.860.081 5.249.191 5.406.439 5.777.797 6.026.797 6.187.584 6.177.479 6.238.104 6.859.973 7.104.459 + 237,5 %

Privatquartiere 2.441.825 2.449.003 2.430.899 2.369.418 2.314.842 2.293.996 2.106.577 1.858.945 1.868.325 1.773.715 - 55,4 %

Restl. Unterkünfte 819.357 807.665 850.143 837.409 868.356 898.547 877.332 807.609 843.426 867.840 + 5,3 %

1.000.000

2.000.000

3.000.000

4.000.000

5.000.000

6.000.000

7.000.000

8.000.000

1.000.000

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5.000.000

6.000.000

7.000.000

8.000.000

1989 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009

*/**-Hotels ***-Hotels ****/*****-HotelsPrivatquartiere Restl. UnterkünfteFerienwohnungen

+ 127,1 %

+ 237,5 %

+ 9,6 %

- 49,0 %

- 55,4 %

+ 5,3 %

26 SAISON

NACHHALTIGKEIT

G erade am Anfang haben

uns schon viele den Vogel

gezeigt“, sagt Irene Auer.

Vor fünf Jahren erö� nete

sie mit ihrer Familie das Naturhotel Wald-

klause in Längenfeld, ein Haus mit hundert

Betten, mitten im Wald, das komplett aus

Holz gebaut wurde. „Als wir mit der Pla-

nung angefangen haben, war Nachhal-

tigkeit noch kein so großes Thema und

auch die Klimadiskussion war noch nicht

so präsent wie heute.“

Doch trotz der um rund vierzig

Prozent höheren Baukosten hat es sich

rentiert. Das Naturhotel Waldklause gilt

als Vorzeigebetrieb, wurde reihenweise

mit Auszeichnungen bedacht und von

der Zeitschrift „GEO Saison“ bereits zum

dritten Mal in Folge zu Europas schönstem

Ökohotel gekürt.

„Echter Aufwind“. Seit die Diskussion

um den Klimawandel auch den Stamm-

tisch erreicht hat, stellt sich die Frage nach

einem nachhaltigen Tourismus immer

stärker. „Jeder Fußballfan weiß heute, dass

er seine Bierfl asche nicht in die Natur wer-

Der ÖkoboomNachhaltiges Verhalten ist längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Auch am Tourismus geht die Entwicklung nicht spurlos vorüber.

VON FLORIAN G A SSER

27

fen soll“, sagt Karlheinz Wöhler, Professor

für empirische und angewandte Touris-

muswissenschaft an der Leuphana Univer-

sität Lüneburg. „Das Umweltbewusstsein

ist durchgesickert, sogar Lidl und Hofer

führen Bioprodukte und Fair Trade.“

Diese Änderung der Einstellung

schlägt sich auch im Tourismus nieder.

„Seit einigen Jahren ist ein konstanter

Aufwärtstrend in der Nachfrage nach

nachhaltigem Tourismus zu beobachten“,

sagt die Münchner Trend- und Freizeit-

forscherin Felizitas Romeiß-Stracke. Und

die heutige Nachfrage unterscheide sich

stark vom sanften Tourismus, der in den

1970er-Jahren einsetzte. „Diese erste Wel-

le war nicht durch eine Einsicht der Bürger

gestützt, sondern durch ein schlechtes

Gewissen, das einem gemacht wurde,

wenn man reiste.“ Heute sei das anders.

„Der Green Tourism hat einen echten

Aufwind, weil eine Einsicht dahinter ist.

Auch bei Leuten, die sich selbst vielleicht

gar nicht als ‚grün‘ bezeichnen würden.“

Spaß und Nachhaltigkeit. Grüner

Tourismus ist daher schon lange kein Ni-

Das Naturhotel Waldklause in Längenfeld wurde zum dritten Mal in Folge zu Europas schönstem Ökohotel gekürt.

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RIO

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28

schenprodukt mehr, dessen Anhänger mit

selbst gestrickten Pullovern und Juteruck-

säcken daherkommen. „Öko“ wurde zum

Lifestyle einer jungen, urbanen Schicht,

der sogenannten LOHAS, ein Akronym

für Lifestyle of Health and Sustainability

(Lebensstil für Gesundheit und Nachhal-

tigkeit). „Das sind oft sehr junge, kritisch

orientierte Gäste, die wahnsinnig viel

hinterfragen“, sagt Irene Auer vom Natur-

hotel Waldklause. „Sie wollen zwar wieder

zurück zum Ursprung und sind gerne in

einer Holzhütte, aber auch die muss

gestylt sein.“ Die Waldklause vermarktet

sich demnach auch nicht als Biohotel,

sondern als Lifestyle-Hotel. „Sonst hätten

wir sicher das klassische Ökopublikum mit

Birkenstock-Sandalen“, meint Auer.

In dieselbe Kerbe schlägt auch Frei-

zeitforscherin Felizitas Romeiß-Stracke:

„Früher durfte man ja keinen Spaß haben.

Heute ist das anders. Ich als Gast bezahle

für ein grünes Label und darf deshalb auch

ein gutes Gewissen haben.“ Spaß und

Nachhaltigkeit schließen sich nicht mehr

aus. Für immer mehr Menschen ist es eine

Selbstverständlichkeit, Ka� ee, Bananen

und anderes aus fairem Handel zu kaufen

und bei der Urlaubsreise darauf zu achten,

dass der Reiseveranstalter ein Corporate-

Social-Responsibility-Zertifi kat besitzt.

„Grün“ verkauft sich, wobei es inzwischen

oft schon schwierig sei, zwischen „green

und green-washing“ zu unterscheiden.

Urlaub am Bauernhof. Echtes Grün

möchte Klaus Loukota seinen Gästen an-

bieten. Trends hinterherzulaufen war noch

nie das Seine. „Landwirtschaft war immer

schon nachhaltig, das mussten wir nicht

bewusst predigen“, sagt der Geschäftsfüh-

rer von Urlaub am Bauernhof Tirol. 3200

Tiroler Bauern vermieten derzeit Privatzim-

mer oder Ferienwohnungen, 375 davon

sind Mitglied von Urlaub am Bauernhof und

erwirtschaften jährlich rund 60 Millionen

Euro Umsatz, bei 820.000 Nächtigungen.

„Die Gäste erwarten sich, dass nichts ver-

ändert wird. Sie wollen sich aktiv, in einer

möglichst unberührten Natur erholen“,

sagt Loukota. Das Klientel sei jünger als der

Durchschnittsgast und vor allem Ökotou-

risten seien ein Wachstumsmarkt, darunter

auch „die Alt-68er und auch deren Kinder“.

Doch der Trend ist nicht nur auf Mit-

teleuropa beschränkt. Nachhaltiger Touris-

mus hat längst auch die entlegensten Win-

kel der Erde erreicht. In Bangladesch kann

der Gast im Designhotel „Hôtel de la Paix“

in der Nähe der Tempelanlage von Ang-

kor Wat Urlaub machen und gleichzeitig

Entwicklungshilfe leisten: von der Schul-

beihilfe (15 US-Dollar) bis zum Hausbau-

projekt (1000 US-Dollar). Auch in Ostafrika

ist Nachhaltigkeit bereits ein Thema: Am

See Bunyonyi im Süden Ugandas kann der

Rucksacktourist im Resort Byoona Ama-

gara absteigen, mit einem Ruderboot statt

einem benzinfressenden Motorboot den

See erkunden und mit seinem Aufenthalt

noch die benachbarte Schule mitfi nanzie-

ren. Auch beim Flugverkehr, dem größten

Umweltverschmutzer im Urlaub, hat ein

Umdenken stattgefunden. Durch Spenden

können Fluggäste ihre CO₂-Emissionen

neutralisieren.

Nachhaltigkeit kann zum Erfolgs-

rezept werden, wie das Naturhotel Wald-

klause zeigt. Das in Holzmassivbauweise

mit Holzdübeln gebaute Haus hat eine

der besten Auslastungen des Ötztals. „Am

Anfang war es nicht leicht“, erzählt Irene

Auer. „Außer uns hat eigentlich niemand

an den Erfolg geglaubt und viele haben

uns sogar davon abgeraten.“ Doch das

Nachhaltige hat gewirkt. „Die Leute kom-

men genau deswegen zu uns.“ ×

„Gerade am Anfang haben uns schon viele den Vogel gezeigt.“IRENE AUERNATURHOTEL WALDKLAUSE

„Landwirt-schaft war immer schon nachhaltig, das mussten wir nicht bewusst predigen.“KLAUS LOUKOTAGF URLAUB AM BAUERNHOF „Ich als Gast

bezahle für ein grünes Label und darf des-halb auch ein gutes Gewis-sen haben.“FELIZITAS ROMEISS-STRACKEFREIZEITFORSCHERIN

29

S AISON: Woher kommt die erhöhte Nachfrage nach nachhaltigem Tou-rismus? CHRISTIAN BAUMGART-

NER: Ich glaube gar nicht, dass es die in

dieser Form gibt. Es werden wohl nur die

wenigsten Leute in Reisebüros gehen und

gezielt nach nachhaltigen Angeboten fra-

gen. Was aber schon nachgefragt wird, sind

die Inhalte: Umweltschutzmaßnahmen bei

Hotels etwa oder lokale Küche – das sind

Dinge, die von vielen schon als selbstver-

ständlich vorausgesetzt werden. Dass am

Frühstücksbu� et die Butter nicht portioniert

abgepackt, sondern o� en ist, am besten

noch mit einem Hinweis, von welchem

regionalen Bauer sie kommt.

Würden Sie mit Nachhaltigkeit werben?

Nein, eben nicht. Ich würde sehr wohl

nachhaltigen Tourismus betreiben, aber

nicht damit werben, sondern zum Beispiel

sagen: „Bei uns haben Sie ein authenti-

sches Erlebnis“ oder: „Mit einem Urlaub

bei uns helfen Sie, die Umwelt zu scho-

nen“. Das funktioniert und das wird auch

nachgefragt.

Rentiert sich Nachhaltigkeit? Bei Umwelt-

schutzmaßnahmen kann man relativ gut

argumentieren, weil die sich rasch rentieren.

Man kann bei Heiz- oder Abfallkosten ein-

fach schnell Geld sparen. Im Sozialbereich

tue ich mich schwerer, deshalb ist hier auch

weniger umgesetzt. Ich bin aber davon

überzeugt, dass man auch hier wirtschaft-

lich argumentieren kann. Wenn es den An-

gestellten gut geht und sie sich wohlfühlen,

dann bringt das sehr wohl etwas. Sie haben

weniger Krankheitstage, kommen auch in

der nächsten Saison wieder und so weiter.

Doch da ist die Branche noch weit hinten.

Ehrlicherweise muss man sagen, dass die

Arbeitssituation im Tourismus vielerorts

wenig prickelnd ist und in diese Richtung

auch noch eher wenig gemacht wird.

Wie kann nachhaltiger Tourismus geför-dert werden? Es gibt unglaublich viele tou-

ristische Förderungen und in einige davon

könnte man einfach Kriterien für Nachhaltig-

keit einbauen. Man könnte im Marketing die

guten Beispiele noch stärker herausheben.

Das deutsche Umweltministerium hat etwa

eine Broschüre mit dem Titel „Naturnahe

Tourismusangebote in Deutschland“ her-

ausgegeben. So etwas gibt es in Österreich

nicht. Es fehlt grundsätzlich eine über-

geordnete Strategie für Nachhaltigkeit im

österreichischen Tourismus.

Vielen Dank für das Gespräch. ×

DER GAST DER ZUKUNFTWie sieht der Urlaub 2015 aus? Fast Future Research führte dazu im ver-gangenen Jahr eine große Umfrage durch. 48 Prozent wollen ihre Rei-sen kürzer gestalten. 70 Prozent wollen es günstiger, 20 Prozent luxu-riöser. Die große Mehrheit, 80 Prozent, legt Wert auf Naturbelassenheit und sucht Orte mit sauberer Umwelt. Unter den europäischen Befragten können sich 66 Prozent vorstellen, im Jahr 2015 den Zug dem Flugzeug vorzuziehen – in den USA nur 19 Prozent.

TOURISTISCHER KLIMA-FUSSABDRUCKDer touristische Klima-Fußabdruck bei einem CO₂-Verbrauch von ...

1221 kg(entspricht circa einem einwöchigen Strandurlaub in Mallorca)

422 kg(entspricht circa einem einwöchigen Skiurlaub

in Österreich)

925 kg An- & Abreise 296 kg

148 kg Unterkunft 85 kg

91 kg Verpfl egung 32 kg

58 kg Aktivitäten vor Ort 10 kg

QUELLE: „DER TOURISTISCHE KLIMA-FUSSABDRUCK WWF-BERICHT ÜBER DIE UMWELTAUSWIRKUNGEN VON URLAUB UND REISEN“

„Es fehlt eine Strategie“Landschaftsökologe ChristianBaumgartner von respect: Institut für Integrativen Touris-mus & Entwicklung über den wirtschaftlichen Nutzen von Nachhaltigkeit.

„Es fehlt grundsätzlich eine überge-ordnete Strategie für Nachhaltigkeit im österreichischen Tourismus.“

CHRISTIAN BAUMGARTNER

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30 SAISON

NACHHALTIGKEIT

Blick über den Tellerrand

1

I n Andermatt, am Fuße des Gotthard-

massivs, entsteht derzeit ein neues

Feriendorf: 500 Wohnungen in 42

Häusern und 25 Luxusvillen, dazu noch

sechs neue Hotels im 4- und 5-Sterne-

Segment werden von der Andermatt Swiss

Alps AG auf 1,46 Quadratkilometern gebaut.

2013 soll erö� net werden. Andermatt Swiss

Alps AG ist eine Tochterfi rma von Orascom

Hotel and Development (OHD) des ägyp-

tischen Multimilliardärs Samih Sawiris.

Nachhaltigkeit war dem Unternehmen

von Beginn an wichtig und man zeigt sich

überzeugt davon, dass dies auch bei einem

Projekt in dieser Größe möglich ist.

„Am Beginn haben wir uns überlegt,

wie wir uns neben den ganzen anderen

bekannten Tourismusorten positionieren

können“, sagt Ursi Ineichen, Leiterin der

Kommunikation von Andermatt Swiss

Alps. „Was Andermatt als Ganzjahresde-

stination bietet, ist die Balance zwischen

hochklassiger Hotellerie, maßgeschnei-

derten Immobilien- und Freizeitangebo-

ten und einer guten Infrastruktur für Kultur

und Kongresse einerseits und anderseits

die raue, unberührte Natur in den Alpen.

Und genau das entspricht dem derzeiti-

gen Markttrend.“

Ökologische Ausgleichsfl ächen. Die gesamte Energieversorgung wird

CO₂-neutral sein. Strom kommt aus er-

neuerbaren Energiequellen und geheizt

wird mit Erdwärme. Alle Häuser werden

dem Minergi-Standard entsprechen, dem

Schweizer Standard für Niedrigenergie-

häuser. Auch der 18-Loch-Golfplatz soll

dem Aspekt der Nachhaltigkeit Genüge

tun. Zwei Drittel der 1,46 Millionen Qua-

dratmeter Fläche werden ökologische

Ausgleichsfl ächen sein, die völlig der

Natur überlassen werden. Um leer ste-

hende Häuser zu vermeiden, werden die

Wohneigentümer zudem motiviert, ihre

Wohnungen bei Nichtgebrauch vermieten

zu lassen. Fünfzig Prozent der verkauften

Einheiten sollen in diesen sogenannten

„key-pool“ aufgenommen werden.

Keine Schnäppchen. Für Andermatt

selbst könnte das Projekt neben der ökolo-

gischen und ökonomischen Nachhaltigkeit

auch einen großen gesellschaftlichen Nut-

zen darstellen: Hatte der 1200-Einwohner-

Ort vor einigen Jahren noch mit einer

starken Abwanderung zu kämpfen, so ist

heute bereits ein kleiner Aufwärtstrend bei

den Einwohnerzahlen festzustellen. Das sei

nicht zuletzt auf das Projekt Swiss Alps und

die damit verbundene Scha� ung von Ar-

beitsplätzen zurückzuführen, ist Ineichen

überzeugt.

Schnäppchen sind in dem neuen

Feriendorf keine zu fi nden. Wer sich hier

eine Ferienwohnung kaufen möchte, der

muss tief in die Tasche greifen. 11.000 Euro

kostet durchschnittlich ein Quadratmeter

Wohnfl äche. „Wir wollen mit unserem An-

gebot Leute ansprechen, die sich gerne et-

was Schönes leisten und gleichzeitig auch

etwas für ihre Gesundheit und die Umwelt

tun wollen“, sagt Ineichen, „und die aber

auf nichts verzichten möchten.“ ×

Feriendorf der ZukunftEs ist eines der ambitioniertesten nachhaltigen Tourismusprojekte: Andermatt Swiss Alps soll ein komplett nachhaltiges Feriendorf werden. 18-Loch-Golfplatz inklusive.

31

Die VorreiterLange bevor Nachhaltigkeit ein Begri� wurde, hat Zermatt be-reits auf eine autofreie Mobilität gesetzt.

M obilität ist einer der Knack-

punkte der ökologischen

Nachhaltigkeit. Flugzeuge

und Autos hinterlassen den größten Anteil

am ökologischen Fußabdruck im Urlaub.

Dass es zumindest im Urlaubsgebiet auch

ohne Auto geht, beweist neben Serfaus mit

seiner U-Bahn seit fast 80 Jahren Zermatt

im Kanton Wallis in der Schweiz. Seit 1931

sind die Straßen des 5700-Einwohner-Ortes

für Autos mit Verbrennungsmotor gesperrt.

Sie müssen am Eingang des Tals abgestellt

werden. Im Ort sorgen Elektrobusse und

Kutschen für die Mobilität der Gäste.

Die Fahrten sind während des Win-

ters (1. November bis 30. Mai) mit sämtli-

chen Tickets der Zermatter Bergbahnen

des Gebietes Süd (Matterhorn glacier pa-

radise) gratis. 2009 verzeichnete der Ort

zwei Millionen Nächtigungen. ×

2

Ob autofrei, energieautark oder sozial engagiert – Nachhaltigkeit rechnet sich, wie Beispiele in Tirol, aber auch anderswo zeigen. Vier Beispiele aus benachbarten Ländern.

VON FLORIAN G A SSER

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3

Wertschätzung auch bei kleinen DingenSoziale Nachhaltigkeit rechnet sich, wie das Beispiel Hotel Hochschober zeigt.

D ie Tourismusbranche gilt nicht

immer als rücksichtsvoller

Arbeitgeber. Doch im Hotel

Hochschober auf der Turacher Höhe an

der Grenze zwischen Kärnten und der

Steiermark trudeln über 200 Bewerbun-

gen ein, wann immer der Vier-Sterne-

Betrieb eine Lehrstelle ausschreibt. Das

Haus ist als Arbeitgeber begehrt und die

Leiterin, Karin Leeb, überzeugt davon,

dass sich auch soziale Nachhaltigkeit ren-

tiert: „Das kommt alles mehrfach zurück“,

sagt sie. Im Jänner dieses Jahres erhielt

das Hotel Hochschober als erstes Hotel

überhaupt den Knewledge-Sonderpreis

„Employer Branding“ vom Bundesminis-

terium für Wirtschaft, Familie und Jugend

für die Förderung der Mitarbeiter. „Wir

nennen es das goldene Dreieck: Mitar-

beiter, Unternehmerfamilie und dann

natürlich der Gast, der im Mittelpunkt

steht“, erklärt Leeb. „Alle müssen sich

wertgeschätzt fühlen und wenn auch die

Mitarbeiter merken, dass man ihnen mit

einer menschlichen Einstellung begegnet,

dann spürt das natürlich auch der Gast auf

eine positive Weise.“

Diese Wertschätzung beginnt bei

Hochschober mit kleinen Dingen. Etwa

damit, dass alle Mitarbeiter auf der Home-

page des Hotels mit Namen und Foto zu

fi nden sind. In der Küche wurde die Block-

arbeitszeit gestrichen und seit 2003 koor-

diniert eine eigene Mitarbeiterakademie

über hundert verschiedene Kurse, die den

Mitarbeitern als Weiterbildungsmöglich-

keiten zur Verfügung stehen.

Beste Bewerber. „Die Mitarbeiter sollen

sich bei uns wohlfühlen“, sagt Leeb und

dazu gehöre auch, dass der Betrieb auf

die Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Rücksicht nimmt. „Frauenfreundlichkeit

ist ein ganz heißes Eisen. Wir aber haben

Führungskräfte, die sich noch trauen, eine

Familie zu gründen“, sagt Leeb.

Durch den Ruf als guter Arbeitgeber

kann der Betrieb regelmäßig aus den bes-

ten Bewerbern auswählen. Die Mitarbeiter

bleiben im Durchschnitt länger als in ver-

gleichbaren Häusern. Leeb ist von ihrem

Weg überzeugt. Zwei bis drei Prozent des

Umsatzes gibt der Betrieb für die Weiterbil-

dung der Mitarbeiter aus. „Natürlich rech-

net sich das“, sagt Leeb. „Man muss sich nur

einmal die Mühe machen, sich hinzusetzen

und das alles zusammenzurechnen.“ ×

„Frauenfreundlichkeit ist ein ganz heißes Eisen. Wir aber haben Führungskräfte, die sich noch trauen, eine Familie zu gründen.“KARIN LEEB, HOTEL HOCHSCHOBER

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33

„Regulierungen machen nichts populärer“

Jonathan B. Tourtellot, Gründerund Direktor des Center for Sustain-able Destinations von National Geographic in Washington D.C., über internationale Regulierungen und fl iegende Ökotouristen.

S AISON: Sehen Sie Unterschiede zwi-schen den USA und Europa darin, wie weit der nachhaltige Tourismus bereits

entwickelt ist? JONATHAN B. TOURTELLOT:

Ja, es gibt schon ein paar. Europa tendiert eher

dazu, sein kulturelles Erbe und historische Reise-

ziele zu erhalten. Hier in Nordamerika wird mehr

darauf geachtet, die Natur zu konservieren. Bei

den Küstengebieten sind beide eher schlecht.

Welches Land verfolgt die beste Politik für nachhaltigen Tourismus? Norwegen ist

ziemlich gut, außer wenn es um Kreuzfahrt-

geschichten geht. Österreich ist laut unseren

Daten auch nicht schlecht. Aber am besten ist

vermutlich Bhutan.

Braucht es internationale Regulierungen, um nachhaltigen Tourismus zu fördern? Regulie-

rungen machen zwar nichts populärer, können

aber sehr wohl fi nanzielle Anreize scha� en. Es

sind die Tourismusunternehmen, die nach-

haltigen Tourismus populär machen müssen.

Erfolgreich sind hier internationale Projekte, die

sich auf die ganz herausragenden Besonderhei-

ten der jeweiligen Regionen beziehen. Projekte,

die allerdings nur darauf aus sind, immer größe-

re Resorts, mehr Villen und neue Golfplätze zu

scha� en, werden nicht erfolgreich nachhaltig

sein – auch wenn sie mit Solarenergie oder

sonst etwas betrieben werden.

Halten Sie Ökoabgaben auf Flug-, Bahn- und andere Tickets für sinnvoll? Bei Kreuzfahrt-

schi� en zum Beispiel schon. Die Höhe der

Abgabe sollte hier vielleicht auch daran ge-

koppelt werden, wie viele Häfen angelaufen

werden. Auch bei kurzen Strecken, die mit dem

Zug oder Bus zurückgelegt werden, können

solche Abgaben sinnvoll sein. Beim Fliegen

können sie aber nach hinten losgehen. Wenn

etwa die lokale Flora und Fauna auf Ökotou-

risten angewiesen ist, die mit dem Flugzeug

kommen. Wenn die nicht mehr kommen, wird

auch nichts mehr erhalten. Dasselbe gilt na-

türlich auch für historische Attraktionen und

Weltkulturerbe-Destinationen.

Vielen Dank für das Gespräch. ×

„Regulierungen machen nichts populärer“

Jonathan B. Tourtellot, Gründerund Direktor des Center for Sustain-

4Alpine PerlenZwanzig alpine Tourismusorte haben sich zusammen -geschlossen und wollen einen Urlaub ohne Auto ermöglichen.

A lpine Perlen“ nennen sich zwanzig

Tourismusdestinationen in den

Alpen, die es sich zum Ziel gesetzt

haben, ihren Gästen einen Urlaub ohne Auto zu

ermöglichen. Die Orte, die unter der Dachmar-

ke „Alpine Pearls“ versammelt sind, bieten ihren

Gästen eine Mobilitätsgarantie sowohl für die

An- und Abreise als auch vor Ort. Neben dem

ö� entlichen Nahverkehr sorgen Shuttle-Taxis,

Elektroautos und -fahrräder oder Pferdekut-

schen für umfassende Bewegungsfreiheit. Zu-

dem bieten die Orte sanft-mobile Pauschalen

und Zusatzleistungen wie Verbundkarten für

den Nahverkehr („Mobilcard“).

Alpine Pearls setzt sich für die Bewah-

rung der regionaltypischen, ästhetischen

Ortsbilder mit alpinem Charakter ein. Zu

den Hauptaufgaben des Vereins zählen die

fortlaufende Überprüfung der Kriterienein-

haltung, ein permanenter Erfahrungsaus-

tausch über die Staatsgrenzen hinweg und

die Organisation eines Marktauftrittes.

„Alpine Pearls“ wurde im Jänner

2006 von 17 Orten aus fünf Alpenstaaten

gegründet. 2007 bis 2009 wurden weitere

neue Mitglieder aufgenommen. Die zwan-

zig Orte befi nden sich in Frankreich, Italien,

Deutschland, der Schweiz, Slowenien und

Österreich, das mit vier Orten vertreten ist.

Einer davon ist Werfenweng im Pongau im

Salzburger Land. Der Ort konnte die Zahl der

Bahnanreisenden in den vergangenen acht

Jahren um 19 Prozent steigern. Jeder vierte

Gast reist inzwischen mit der Bahn an. ×

34 SAISON

NACHHALTIGKEIT

AbgestempeltIm Bereich Umweltschutz und Nachhaltigkeit schwirren die unterschiedlichsten Begri� e und Siegel durch den Sprachge-brauch. Ein Überblick über CO₂-Abdruck, Ökobilanz & Co.

VON BARBAR A WOHL SEIN

ÖKOBILANZEine Ökobilanz beschreibt die Umweltwirkung eines Produktes wäh-rend seiner gesamten „Lebensdauer“, also von seiner Entstehung über die Benutzung bis zur Entsorgung. Sie umfasst sowohl den Ver-brauch von Ressourcen als auch die Auswirkungen auf die Umwelt (durch Abfälle, Emissionen etc.) und kann als Vergleichsinstrument eingesetzt werden.

ÖKOLOGISCHER FUSSABDRUCKDarunter wird jener in Hektar gemessene Teil der Erdoberfl äche ver-standen, der notwendig ist, um den aktuellen Lebensstandard eines Menschen zu erhalten. Eingerechnet werden etwa die Produktion von Nahrung, Kleidung und Energie, aber auch der Abbau von Müll und das verursachte CO₂. Experten gehen davon aus, dass der Mensch derzeit im Schnitt 2,2 Hektar Land- und Wasserfl äche verbraucht, verfügbar sind allerdings nur 1,8 Hektar. Spitzenreiter beim ökologischen Fußab-druck sind die USA mit etwa 9,7 Hektar pro Einwohner.

CO₂-RUCKSACK BERECHNENDen eigenen CO₂-Rucksack pro Jahr kann man auf der Greenpeace-Website berechnen:http://greenpeace.klima-aktiv.com

NACHHALTIG UNTERWEGSWie viel CO₂ eine konkrete Flugreise oder das eigene Auto verursachen, kalkuliertwww.globe-climate.com

35

Happy Planet Index

Im Gegensatz zu anderen Indizes kombi-

niert der „Happy Planet Index“ bekannte

Messzahlen (Lebenserwartung und Zu-

friedenheit der Bevölkerung eines Landes)

mit dem ökologischen Aufwand, der zur

Erreichung dieses Lebensstandards not-

wendig ist. Errechnet wird der Index von

einem britischen Thinktank namens „The

New Economics Foundation“ auf der Basis

von UN-Daten. Nach dem ersten „Happy

Planet Index“ von 2007 wurde 2009 eine

aktualisierte Rangliste verö� entlicht. Auf

HAPPY PLANET INDEXAuf Platz eins liegt überraschenderweise Costa Rica, das eine verhält-nismäßig hohe Lebenszufriedenheit mit einem geringen ökologischen Fußabdruck pro Bewohner kombiniert. Das bestplatzierte europäische Land sind die Niederlande auf Rang 43, Österreich liegt an 57. Stelle. Die USA sind aufgrund ihrer schlechten Ökobilanz auf Platz 114 ge-reiht. Insgesamt sind die Studienautoren so unzufrieden mit dem Er-gebnis, dass sie ihren Report bereits in „The (Un)Happy Planet Index“ umbenannt haben.www.happyplanetindex.org

Happy Planet Index

Im Gegensatz zu anderen Indizes kombi-

niert der „Happy Planet Index“ bekannte

Messzahlen (Lebenserwartung und Zu-

friedenheit der Bevölkerung eines Landes)

mit dem ökologischen Aufwand, der zur

ÖKOLOGISCHER RUCKSACK Jene Menge an Ressourcen, die von der Herstellung bis zur Entsor-gung eines Produkts oder einer Dienstleistung benötigt wird, wird als ökologischer Rucksack bezeichnet. Verschiedene Sto� e besitzen verschiedene „Rucksack-Faktoren“, für ein Kilo Kunststo� werden beispielsweise fünf Kilo Ressourcen aufgewendet, bei Gold liegt der Faktor gar bei 550.000. Beim sogenannten CO₂-Rucksack, der vor allem bei weit transportierten Lebensmitteln berechnet wird, wird nur der verursachte Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid be-rücksichtigt.

Erreichung dieses Lebensstandards not-

wendig ist. Errechnet wird der Index von

einem britischen Thinktank namens „The

New Economics Foundation“ auf der Basis

von UN-Daten. Nach dem ersten „Happy

Planet Index“ von 2007 wurde 2009 eine

aktualisierte Rangliste verö� entlicht. Auf

CSR-TOURISMDas Gütesiegel „CSR-tourism-certifi ed“ wird seit 2009 an Reisever-anstalter verliehen und bewertet die Umwelt- und Sozialverträglich-keit von Urlaubsangeboten. Das Bewertungssystem umfasst zehn Kernindikatoren, darunter die CO₂-Emission pro Gast/Tag, die CO₂-Emission im Unternehmen und den Papierverbrauch pro Buchung. Alle CSR-zertifi zierten Unternehmen verpfl ichten sich, regelmäßig einen Nachhaltigkeitsbericht zu verö� entlichen und ihre Fortschritte in Sachen Nachhaltigkeit zu dokumentieren.

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SCHÖNESLEBEN

38MAGAZIN

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W andern und zugleich die Ein-

maligkeit der Landschaft des

Naturparks bewusst wahr-

nehmen – und dies unter größtmöglicher

Schonung der wertvollen Ressource Natur,

so lautete die Devise beim letztjährigen

Karwendelmarsch. Die verantwortlichen

Stellen, allen voran die Umweltschutz-

abteilung des Landes Tirol, zollten der

Veranstaltung großen Respekt und gaben

grünes Licht für die heurige Aufl age des

Karwendelmarschs am 28. August. „Uns ist

nach dem gelungenen Auftakt im vergan-

genen Herbst ein großer Stein vom Herzen

gefallen“, so die beiden Geschäftsführer

Markus Tschoner (Olympiaregion Seefeld)

und Martin Tschoner (Achensee Touris-

mus). „Durch den reibungslosen Ablauf der

Veranstaltung und die große Disziplin der

Teilnehmer konnten wir die verantwortli-

chen Stellen von der Nachhaltigkeit dieses

ganz besonderen Marschs in der ganz be-

sonderen Naturparkregion überzeugen.

Somit konnten wir bereits im letzten Herbst

mit den Vorbereitungen für die diesjährige

Veranstaltung starten, die inzwischen na-

türlich auf Hochtouren laufen.“

Bewusstseinsbildung. Neben dem

sportlichen Aspekt steht die Bewusstseins-

bildung für den Alpenpark Karwendel, der

übrigens seit diesem Jahr auch als Tiroler

Naturpark fi rmiert, im Mittelpunkt. Der Kar-

wendelmarsch mit Startpunkt in Scharnitz

führt über die Larchetalm, das Karwen-

delhaus, die Ladizalm, Falkenhütte, Eng,

Binsalm, den Gramai Hochleger, die Gra-

maialm und die Falzthurn bis nach Pertisau

am Achensee. Die Strecke mit insgesamt

52 km verläuft ausschließlich auf beste-

henden Wegen. Auch in diesem Jahr gibt

es wieder eine Teilnehmerbeschränkung

– 2.500 Wanderer und Läufer dürfen mit.

Als Partner sind Alpenpark Karwendel, der

Tiroler Sparkassenverband, Tiroler Steinöl

(stellt das Finisher-Paket) und BIO vom Berg

(Verpfl egungsstationen) mit an Bord. ×

www.karwendelmarsch.info

Die Legende lebtNach 19 Jahren Pause fi ndet heuer im August zum zweiten Mal wieder der Karwendelmarsch statt.

Sehnsuchtsort Alm oder vielmehr Ort des kargen Lebens und der harten Arbeit? Die Schriftstellerin und Journalistin Irene Prugger hat Almen besucht und mit Menschen ge-sprochen, für die Almen zu ihren vorrangigen Lebens- und Erlebenswelten geworden sind. Vom Almauftrieb im Frühsommer bis zum Almabtrieb im Herbst und zum winterlichen Ausfl ug auf die trendige Alm-Skihütte geht’s im Jahreskreis almauf, almab. Dabei erö� nen sich zahlreiche Geschichten über das Almleben und die „Alminger“, die – so unterschied-lich sie auch sind – alle eines gemeinsam haben: Sie fühlen sich auf ihrer Alm sehr nah am Himmel. Meistens jedenfalls. Denn auch von schlechten Zeiten, verregneten Sommern, verletzten Tieren oder unsinnigen EU-Verordnungen können die Almleute etwas erzählen.

BUCHTIPP

Nah am Himmel„Almgeschichten“ von Irene Prugger

IRENE PRUGGER: „Almgeschichten. Vom Leben nah am Himmel“, Loewen-zahn, 256 Seiten, 17,95 Euro

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FANFAREN VOR ORTMit den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik halten einmal mehr Renaissance- und Barockmu-sik Einzug in Innsbruck. Zu Opern und Konzerten im Landestheater und auf Schloss Ambras gesellt sich Musik an vielen ö� entlichen Orten der Stadt. 6. Juli bis 29. August 2010, Innsbruck

BLECH VORM MUNDDie Innsbrucker Promenadenkonzerte machen die Hofburg Innsbruck wieder zum festlichen Au� ührungsort für Bläsermusik und andere Klangereignisse unter freiem Himmel – ein immer schöner sommerlicher Konzertreigen. 7. Juli bis 1. August 2010, Hofburg Innsbruck

KRACH VORPROGRAMMIERTHier ist der Name Programm: „Lautstark“ sollen die Teilnehmer der von den Klangspuren initi-ierten Musizier- und Komponierwerkstatt für Kinder lernen, sich musikalisch auszudrücken. Der Imsterberg ist dazu der richtige Ort.14. bis 22. August 2010, Volksschule Imsterberg

WEITERE VERANSTALTUNGENTiroler Dramatikerfestival bis 2.7.2010, Tiroler Landestheater, Westbahnthe-ater, Innsbruck; TPZ Hallwww.landestheater.at, www.westbahntheater.at, www.tpz.atNordkette Wetterleuchten17. und 18.7.2010, Seegrube, Innsbruck www.wetterleuchten.atTiroler Volksschauspiele Telfs 22.7. bis 29.8.2010, www.volksschauspiele.atOlala –Internationales Straßentheaterfestival 27. bis 31.7.2010, ganztägig, Lienz, www.olala.at

KULTURTIPPSVON ES THER PIRCHNER

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BLAU-WEISSE GEWINNER. Über 100 Fotografen hatten am Fotowettbewerb von Hypo Tirol Bank und SAISON teilgenommen – Werner Pfeifer, Vorstandsspre-cher der Hypo Tirol Bank, über-reichte Mitte Mai den Gewinnern ihr Hypo-Sparbuch mit den Sie-gesprämien. Jasmin Duregger (3. Platz) freute sich über 200 Euro, Emiek van der Vijgh (2. Platz) über 300 Euro. Der 1. Platz und 1000 Euro gingen an Christian Auer (nicht im Bild).

Römisch Essen. Diesen Sommer werden auf Speisekarten

und Menüplänen zahlreicher Häuser entlang der Rad- und Fernwanderroute Via

Claudia Augusta wieder Gerichte wie zur Römerzeit zu fi nden sein. Das Culina-

rium Via Claudia Augusta ergänzt die reichen regionalen Küchen der Gegenwart

mit Speisen, wie sie vermutlich vor 2000 Jahren entlang der Route gekocht und

gegessen wurden. Die Via Claudia Augusta trägt damit noch besser den Trends zu

Aktivurlaub und authentischer Erfahrung Rechnung. Geschichte, Natur und Kultur

erradeln und erwandern – bis in den Gastbetrieb hinein. Möglich wurde das durch

das enge Zusammenwirken der ARGE Gastlichkeit an der Via Claudia Augusta mit

der Hotelfachschule Villa Blanka, Fachleuten der Universität Innsbruck und dem

Handelshaus Wedl. www.viaclaudia.org

Antiker Geschmack. In Gaststätten entlang der Via Claudia Au-gusta werden diesen Sommer Gerichte wie zur Römerzeit angeboten.

40 saison

magazin

Alleinstellungsmerkmal Tourismus„Der Tourismus war der Fels in der Brandung der Wirtschaftskrise“ – so kommentierte Landeshauptmann Günther Platter das Ergebnis der vergangenen Wintersaison. Wie stark ist er wirklich?

Von Michael RiedleR

41

D ie aussichten für den som-

mer sind gut: Die Hälfte

der Betriebe hält heuer bei

ähnlichem Buchungsstand

wie im Vorjahr, die positive Grundstim-

mung im Tourismus hat zugenommen.“

so fasst die Tirol Werbung die Zahlen der

Wintersaison 2009/10 zusammen – nicht

nur nächtigungszahlen (es war der dritt-

beste Winter in der Tiroler Tourismusge-

schichte), sondern auch die Daten einer

Umfrage unter 350 Tiroler Beherbergern.

Für Landeshauptmann und Tourismusre-

ferent Günther Platter war der Tourismus

„ein Fels in der Brandung der Wirtschafts-

krise, die Leistung des Tiroler Tourismus

stimmt, Tirol ist mit seinen Winterergeb-

nissen vorne“.

Doch nicht alle Experten teilen die-

se Einschätzung: „Dass der Tourismus ein

stabilisierender Faktor in der Wirtschafts-

krise war, stimmt ja gar nicht“, sagt etwa

Egon smeral, Tourismusexperte des Wirt-

schaftsforschungsinstituts Wifo. Mengen-

mäßig sehen die Zahlen zwar gut aus, die

nächtigungen liegen „auf dem niedrigen

niveau des Vorjahres“, aber das habe der

Tourismus eben nur mit massiven Preis-

zugeständnissen geschafft.

„Massive Preiszugeständnisse“. smeral gibt zu, dass dieses Urteil vor allem

für die stadthotellerie gilt. „Wenn man einen

hohen anteil an Geschäftsreisenden hat,

spürt man die Wirtschaftskrise sehr unmit-

telbar.“ Für die Ferienhotellerie gelte das we-

niger. smeral rechnet auch für den sommer

mit leichten Rückgängen und im nächsten

Jahr vielleicht mit einer stagnation.

„Tourismus als Fels in der Brandung der Wirtschaftskrise“ – etwa wie jener bei Peggy’s Cove, Nova Scotia, Kanada?

42

smerals Einschätzung wird freilich

von vielen nicht geteilt: Hubert siller,

Leiter des Tourismusstudiums am Ma-

nagement Center innsbruck (MCi), sieht

den Tourismus in einer deutlich besseren

situation, als das vielfach am Beginn der

Krise befürchtet wurde: „Der Tourismus

hat keine schweren Einbrüche erlitten.

Das ist Gott sei Dank ausgeblieben.“ Die

Betriebe hätten aber bis zu 20 Prozent

weniger Ertrag. Die Gäste seien in ihrem

Konsumverhalten zurückhaltend gewe-

sen. „aber das alles kann man bei Weitem

nicht vergleichen mit den Einbrüchen, die

es in den industriebranchen gegeben hat“,

resümiert siller. Reisen seien das Letzte,

was die Leute streichen.

Tirol hat sich dennoch sehr gut gehal-

ten. Denn in anderen Tourismusregionen,

etwa spanien, gab es massive Einbrüche:

„Wir haben als naherholungsland profi tiert,

das über kurze Wege erreichbar ist und re-

lativ hohe stabilität in jeder Hinsicht hat.“

„Das muss verkraftbar sein“. „Wir

waren eigentlich alle überrascht, wie gut

sich der Tourismus in der Wirtschaftskrise

gehalten hat. niemand hätte sich getraut,

dieses Ergebnis vorherzusagen. Dass die

Preise nicht gehalten haben, ist ein Faktor,

aber ein Rückgang der Umsätze um zwei

bis vier Prozent nach Jahren der steige-

rung muss verkraftbar sein“, bestätigt auch

Tourismusberater Manfred Kohl.

sicher: Die stadthotellerie hat um 17

bis 20 Prozent weniger Umsatz gemacht.

aber: „Viele unserer Kunden haben 2009

das beste Betriebsergebnis seit Jahren“, sagt

Kohl: „Weil sie von vorneherein mit zehn

Prozent weniger gerechnet und vorsorglich

die Kosten gesenkt haben. Diese Befürch-

tungen sind dann nicht eingetroff en.“

Die Tiroler Tourismusunternehmer

haben in der Krise ihre Kosten angepasst

und zudem von der geringen Zinsbelas-

tung profi tiert. „Der Tourismus fi nanziert

sich jetzt auf einem niveau, wie es die

letzten zehn, 20 Jahre nicht möglich

war. Für die Tiroler Wirtschaft war der

Tourismus in den letzten Monaten sicher

stabilisierend“, berichtet Markus Hörmann

von der Volksbank Tirol.

Tirols Hotellerie-sprecher Harald

Ultsch (schwarzer adler, innsbruck) sieht

die aktuelle Lage aus der sicht des stadtho-

teliers: „Die Wintersaison war ein Riesen-

erfolg.“ aber: Die Vertriebskosten steigen,

das Buchungsverhalten wird immer noch

kurzfristiger. „Wer da die nerven wegwirft

und im Preis nachgibt, verspielt viele Chan-

cen“, meint Ultsch.

Der Preisdruck war in städtischen

Destinationen natürlich besonders stark:

„Es gibt einfach keine schmerzgrenze nach

unten mehr“, resümiert Ultsch. Die Grün-

de: Es wurden in den letzten Jahren riesige

Kapazitäten aufgebaut, vor allem für den

sommertourismus im Mittelmeerraum,

aber auch für den Winter. Dazu kommt die

aktuelle Geiz-ist-geil-Mentalität. „Der Gast

will Qualität zum möglichst günstigen

Preis.“ Und das alles im internet-Zeitalter

mit seiner vollen Preistransparenz („Wir

können unsere Preise nicht mehr nach

Märkten diff erenzieren“).

„Extreme Gefahr“. neue Vertriebs-

wege (Hofer, Lidl, Ebay) und einzelne

Preisdrücker-Hotels führen dann die

ganze Branche in den Preiskampf. Ultsch:

„Das ist eine extreme Gefahr, das Geld

fehlt dann für investitionen.“ Fünf Prozent

des Tiroler Wirtschaftsprodukts könnten

laut Ultsch wegbrechen, wenn alle Preis-

dämme brechen sollten.

Martina Entner, Hotelierin und neue

Vizepräsidentin der Tiroler Wirtschafts-

kammer, sieht für die Ferienhotellerie

die situation noch nicht so dramatisch:

„Man sollte den Preisdruck nicht unter-

schätzen, trotzdem sehe ich das nicht

so kritisch wie andere: Wenn niedrige

Preise helfen, die auslastung zu erhöhen,

kann das durchaus auch sinn machen.

Der Erfolg ist nächtigung mal Preis. Der

empfehlenswerte Weg ist aber sicher,

Zusatzleistungen anzubieten und den

Preis zu halten.“ Betriebe, die vor der Krise

schon gute Preise hatten, würden sich hier

leichter tun. Der Tourismus hat sich also

in der Krise tatsächlich besser gehalten als

befürchtet. Freilich hat die Krise manche

Tourismusmärkte, wie die stadthotellerie,

besonders hart getroff en. Und sie trennt

zunehmend die spreu vom Weizen, das

heißt die Betriebe, die vor der Krise schon

gut dastanden, von denen, die vorher

schon wackelten.

Wie geht es weiter? Der Tourismus

hinkt konjunkturell immer sechs bis acht

Monate der investitionsgüterbranche hin-

terher, meint Manfred Kohl. Er legt also

auch im aufschwung nicht so fulminant

zu. Das bedeutet immerhin: Er ist insge-

samt ein Faktor der stabilisierung. Warum?

Kohl: „Weil die Tourismuswirtschaft nicht

auf Lager produzieren und vom Lager

dann verkaufen kann“ (was bei den Zu-

lieferbranchen dann zu massiven Einbrü-

chen führt). Und was passiert, wenn die

Zinsen heuer wieder zu steigen beginnen?

„Wir berechnen bei allen Wirtschaftlich-

keitsberechnungen mit einem Zinssatz

von fünf Prozent, auch wenn es jetzt nur

drei Prozent sind“, empfi ehlt Kohl schon

jetzt Vorsicht in strategie und Kalkulation.

Man sollte immer eine Reserve von drei bis

vier Prozent für investitionen haben.

Überraschend krisenfest. Der Tou-

rismus scheint für diese Phasen durchaus

auch gerüstet: Er hat, und das bleibt als

Resümee, unter dem strich die Wirtschafts-

krise bisher vergleichsweise gut bewältigt:

„Der Tourismus hat sich als überraschend

krisenfest erwiesen, die befürchteten Ein-

brüche sind nicht eingetroff en, fasst Prof.

Peter Zellmann vom institut für Freizeit

und Tourismusforschung (iFT) in Wien

zusammen. „Das angebot an sich stimmt,

die Menschen kommen gerne nach Öster-

reich.“ Dass manche Tourismusbetriebe „in

vorauseilendem Gehorsam“ mit den Prei-

sen heruntergingen, habe nichts mit dem

Gästeaufkommen zu tun, meint Zellmann:

„Die Gäste sind nicht deshalb gekommen,

weil wir billiger waren.“ Und er appelliert:

„Wenn wir für den Tourismus mehr täten

und das Tourismusbewusstsein stärker

wäre und die volkswirtschaftliche Bedeu-

tung realistischer gesehen würde, auch die

Rolle als Jobmotor und Produktionsfaktor,

wären wir noch krisenfester. Wir haben

für das alleinstellungsmerkmal Tourismus

keine alternative in Österreich. Die Jobs in

diesem Bereich sind nicht in Billiglohnländer

auslagerbar, es ist eine standortgebundene

Branche. Das müsste man noch viel stärker

in den Vordergrund stellen. Die Krise hat

gezeigt, dass es sich auszahlt, an diese

Botschaft zu glauben.“ ×

„Die Wintersaison war ein Riesenerfolg. Aber: Die Vertriebskosten steigen, das Buchungsverhalten wird immer noch kurz-fristiger. Wer da die Nerven wegwirft und im Preis nachgibt, verspielt viele Chancen.“HaRaLD ULTsCH, TiRoLER HoTELLERiEsPRECHER

43 SAISON

MAGAZIN

W ir wollten einen Botschaf-

ter, der den Zeitgeist der

Jugend tri� t: dynamisch,

sympathisch, mit interkultureller Erfah-

rung und kritisch-o� ener Geisteshaltung“,

erklärt Anita Heubacher, Leiterin des

PR&Medien-Teams der Tirol Werbung.

„Mit Daniel Brühl schlägt die Kampagne

genau in diese Kerbe“, ergänzt sie mit

berechtigtem Stolz. Schließlich wirbt ein

Filmstar nicht alle Tage für die Bergwelt,

schon gar nicht mit derart echter emoti-

onaler Verbundenheit.

Der 31-jährige Deutsch-Spanier

mit Wurzeln in Barcelona und wohnhaft

in Berlin machte in den vergangenen

Jahren eine bemerkenswerte Karriere als

Schauspieler. Mit Filmen wie „Das weiße

Rauschen“ (2001), „Die fetten Jahre sind

vorbei“ (2004) sowie dem im Herbst in

den Kinos anlaufenden „Die kommenden

Tage“ (2009) lernte Daniel Brühl die Tiroler

Bergwelt als Drehort kennen und lieben.

„Es ist eine herrliche Natur und ich tre� e

auf o� ene, gastfreundliche Menschen“,

meint der Schauspieler.

Bereits bei den Dreharbeiten am

Achensee zu „Die fetten Jahre sind vor-

bei“ sind Daniel Brühl die Berge ans Herz

gewachsen. „Sie sind schon etwas ganz

Besonderes. In Berlin gibt es das einfach

nicht. Und wenn ich wieder mal ein paar

Tage zwischen meinen Drehs Zeit habe,

komme ich auch gerne mit Freunden nach

Tirol zum Wandern“, sagt Brühl zur Freu-

de der Tirolwerber, die darauf ho� en, mit

dem bekannten Botschafter die Generati-

on der 20- bis 35-Jährigen zum Wandern

und zu gemütlichen Hüttenabenden nach

Tirol zu bringen.

Barfuß über Almwiesen. In einer

Zeit, in der Jugendliche bei meditativen

Sportarten wie Yoga, Surfen oder Klettern

einen Ausgleich suchen, könnte auch

Wandern einen neuen Aufschwung er-

leben. Der Schauspieler gibt schließlich

auch o� en zu, dass er lieber barfuß über

Almwiesen zur Hütte läuft statt in einem

überfüllten Yogastudio zu schwitzen. „Ich

fühle mich in den Bergen einfach sauwohl.

Für mich ist Wandern besser als Yoga.“ Die

Werbepartnerschaft ist damit eine gelun-

gene Verbindung mit einem aufsteigenden

Star, der mit den Füßen fest am Boden ge-

blieben ist. Im September kommt Daniel

Brühl wieder nach Tirol und wandert mit

Fans über den Adlerweg. ×

„Ich fühl mich in den Bergen sauwohl“ Zuletzt war er an der Seite von Brad Pitt im Kino zu sehen. Diesen Sommer wandert der spanisch-deutsche Filmstar Daniel Brühl über den Adlerweg. Die Tirol Werbung hat damit einen Werbecoup gelandet, der Authentizität ausstrahlt.

VON JULIA BRUGG ER

TIROLS BOTSCHAFTERDaniel Brühl ist diesen Sommer Botschafter der Tiroler Bergwelt. Zuletzt mimte er an der Seite von Brad Pitt und Till Schweiger einen deutschen Soldaten in Quentin Tarantinos Streifen „Inglou-rious Basterds“. Für die Sommer-Werbekampa-gne der Tirol Werbung drehte er an zwei Tagen im Wilden Kaiser sowie in der Wildschönau, gab Interviews und stand Modell für Fotoshootings. „Wir haben als Ort bewusst den Tiroler Adlerweg ausgewählt. Er ist der drittbekannteste Wander-weg in Europa“, so Anita Heubacher von der Tirol Werbung.

MEDIALE VERBREITUNG DER KAMPAGNE Im deutschsprachigen Raum:PRINT: Süddeutsche Zeitung, Cosmopolitan, Gala, Woman, Wienerin Gesamtaufl age: 2,8 Millionen RADIO: Deutschlandfunk, Klassik Radio, Ö3TV: ORF, ARD, ZDF, RTL, Servus TV, Schweizer Fernsehen

WANDERN MIT DANIEL BRÜHLIm September kommt Daniel wieder nach Tirol.Seine Fans haben dann die Chance, mit dem Schauspieler gemeinsam den Tiroler Adlerweg zu erkunden. Die Tirol Werbung verlost über die Homepage www.mitdanielbruehlintirol.at ein exklusives alpines Meet & Greet mit dem Star in den Bergen.

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44 SAISON

MAGAZIN

D er Inntalradweg. Er führt

fast lückenlos von der

Schweiz kommend über

Landeck und Kufstein bis

nach Passau. Dabei passieren die Genuss-

Radler auf den 517 Kilometern viele kultu-

relle Schönheiten – oft ohne es zu wissen.

Doch das war gestern. Diesen Sommer

starten Land und ÖBB Tirol eine O� ensive

mit anfangs drei neuen Radrouten rund

um den etwas müden Klassiker. Zwar gebe

es den Inntal-Radweg mittlerweile seit 20

Jahren, doch sei er ein wenig aus dem Fo-

kus der Freizeit-Aktivitäten geraten, sagt

Ekkehard Allinger-Csollich.

Der Mobilitätskoordinator des

Landes verfolgt mit der Initiative gleich

mehrere Ziele: „Wir wollen ein interes-

santes Freizeitangebot für die Tiroler

entwickeln und dies mit dem Gedanken

der Nachhaltigkeit verbinden, und dazu

zählt das Reisen mit der Bahn“, sagt der

Mann mit dem Faible fürs Fahrrad. Sein

Fazit auf einem ersten kleinen Symposi-

um im Landhaus: Wenn die Tiroler ihren

Inntalradweg wieder für sich entdecken,

dann ziehen die Touristen mit. Denn ver-

meintlich bekannte Dinge oder Orte für

die Einheimischen sind defi nitiv interes-

sante Hotspots für Gäste.

Da auch die Radler über einen

zünftigen Einkehrschwung verfügen,

wie das gleichnamige Kaltgetränk nahe-

legt, haben die Tirol Werbung und der

Verein der Tiroler Wirtshauskultur ein

kulinarisches Angebot für die Genuss-

Radler kreiert. Auf diese Weise kann jeder

ganz entspannt die Tiroler Blockbuster

erkunden, wie den grünen Riesen der

Swarowski Kristallwelten in Wattens oder

das Abenteuer-Eldorado namens Area 47

im Ötztal. Tourinfos für die fünf Etappen

mit Einkehrtipps können kostenlos von

www.tirol.at heruntergeladen werden.

Die Tour infos und die Rezeptesammlung

sowie einen Speisen-Gutschein erhält

man um 15 Euro im Tirol Shop.

Ein weiteres Beispiel ist die Tour von

Hall nach Kufstein, über Schwaz und Rat-

tenberg. Sie erzählt die Geschichte von Ti-

rols erster Blüte im späten Mittelalter, als via

Bergbau und Schi� fahrt das Silber aus den

Schwazer Gruben nach Augsburg gelangte,

weil Kaiser Maximilian I. bei den Fuggern im-

mer in der Kreide stand. In Hall fl orierte der

Salzhandel, die dortige Münzprägestätte

setzte mit dem Guldiner neue europäische

Standards und an den Kais machten die

Lastkähne fest. Wem der Weg dann doch zu

weit ist bis zum nächsten großen Halt, kann

die Tour nach Wunsch via Bahn abkürzen:

Rein in den Regional-Express und mit dem

Rad auf der Schiene pausieren.

Von A nach B. Dazu seien die Nahver-

kehrszüge namens Talent wie gescha� en,

sagt Alexander Jug von den ÖBB. Er leitet

in Tirol den Personenverkehr und ho� t,

dass das „Einfach-Raus-Ticket“ dem Aus-

fl ug mit dem Rad neue Impulse geben

wird (siehe Interview rechts). Denn oft

scheitere die Idee von der Fahrt ins Grüne

allein an den Vorstellungen vom Wesen

der Radtour, sagt Allinger-Csollich. „Für

viele bedeutet Radtour, mit dem Rad

von A nach B zu fahren und wieder re-

tour nach A. In Verbindung mit der Bahn

aber muss sich das niemand antun, ganz

im Gegenteil.“ Was besonders Familien

entgegenkommt, die nicht länger ihre

„Der Radtourismus ist für uns sehr wichtig, denn über den Inntal-Radweg gelangen viele Gäste zu uns und besuchen die größte Altstadt in Westösterreich. Auf dem Weg werden dann gerne noch andere Ziele mitgenommen wie die Kristallwelten in Wattens. Da bietet sich die Tour 2 mit dem Fokus auf das Mittelalter optimal an und ergänzt sich gut mit den bestehenden touristischen Angeboten.“

MARTIN FRIEDE, MARKETING-LEITER TVB REGION HALL-WATTENS

„Unser Gasthaus liegt direkt am Inntal-Radwander-weg und so leben wir sehr von den Radfahrern. 90 Prozent unserer Besucher sind Einheimische, sie schätzen das kulinarische Angebot der Tiroler Wirts-hauskultur und natürlich die erfrischende Lage am Wasser. Wenn im Sommer durch die Bewerbung des Inntal-Radweges noch mehr Radler bei uns einkeh-ren, so sind sie herzlich willkommen.“

THERESIA MAIR, GASTHAUS SCHLOSS MITTERHART

Fast alles auf SchieneMit den Radrouten rund um den Inntal-Radweg forcieren Land Tirol und die ÖBB das Radwandern in Kombination mit dem Bahnverkehr.

VON S TEFAN BECKER

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„Hauptattraktionist bis dato die Kombination Rad und Bahn zwischen Lienz und Innichen mit rund 115.000 Fahrradfahrern pro Saison, das sind bis zu 4000 Fahrradfah-rer pro Tag.“ALEXANDER JUGLEITER DES ÖBB PERSONEN-VERKEHRS TIROL

Standardtour abstrampeln, sondern

etwas Neues erleben wollen. „Etliche

Oberländer wissen relativ wenig über das

Unterland und umgekehrt, das wollen wir

ändern“, sagt Rainer Krismer von max2.

Damit die Strecken eine möglichst große

Vielfalt an spannenden Stätten bieten, sind

die Scouts der Tourismus-Agentur stän-

dig auf Achse und komponieren aus den

sogenannten „Points of Interest“ illustre

Routen rund um den Inntal-Radweg.

Wie auf der Schlösser- und Burgen-

Tour von Volders nach Rattenberg. Da

wechseln sich schmucke Schatzkisten

ab mit rauen Ruinen, fast jeder Fels am

Wegesrand posiert mit einem Häuschen

für Burgfräuleins und Ritter: Schloss

Friedberg, ö� entlich-gastlich, Schloss

Aschach, privat, Ruine Rettenberg, öf-

fentlich, Schloss Siegmundslust, privat,

Schloss Mitterhart, ö� entlich-gastlich und

es folgen noch weitere neun Abstecher zu

prächtigen Anwesen.

Eine weitere Tour führt rund um Imst

und widmet sich dem Wasser. Denn davon

gibt es reichlich, weshalb Imst auch die

meisten Brunnen im ganzen Land zählt.

Und wo sich viel Wasser seinen Weg über

die Jahrtausende gebahnt hat, dort gibt

es auch viele Schluchten, allen voran den

Zammer Lochputz – kurz und knackig der

Steig durch die Klamm, brachial der Was-

serfall, mystisch die Höhle mit Glocken-

klang. Retour geht es dann auf Wunsch mit

der Bahn, und das im 15-Minuten-Takt. ×

S AISON: Wird das neue Angebot an das „Einfach-Raus-Ticket“ der ÖBB gekoppelt? ALEXANDER JUG: Das

„Einfach-Raus-Radticket“ um 35 Euro für

fünf Personen ist eine Option, die ins-

besondere für Gäste sehr interessant ist.

Daneben gilt auch der Tiroler Familienpass

(VorteilsCard Familie) plus VVT-Fahrradta-

geskarte für Tiroler Familien.

Gilt das Angebot auch für die Ziller-talbahn und die Achenseebahn? Das

„Einfach-Raus-Ticket“ gilt nur in den

Nah- und Regionalverkehrszügen der

ÖBB-Personenverkehr AG.

Wie groß ist der Rad-Wander-Tourismus aktuell in Tirol, können Sie die Zahl di� e-renzieren nach Einheimischen und Gäs-ten? Hauptattraktion ist bis dato die Kom-

bination Rad und Bahn zwischen Lienz und

Innichen mit rund 115.000 Fahrradfahrern

pro Saison, das sind bis zu 4000 Fahrrad-

fahrer pro Tag. Der überwiegende Teil sind

dabei italienische Gäste, im Mai und Juni

auch viele Kärntner. Dieser Fahrradverkehr

ist in Sachen Nachfrage und Angebot

österreichweit einzigartig. Dabei nutzt

ungefähr die Hälfte der Radler ein Leihrad.

Wenn wir 20 Prozent davon im Inntal errei-

chen könnten, wäre das ein Riesenerfolg.

Für Nordtirol habe ich leider keine Zahlen

vorliegen, wobei in den letzten Jahren

auf einzelnen Strecken eine deutliche

Zunahme erkennbar ist, zum Beispiel die

Mountainbiker auf der Brennerstrecke und

der Karwendelbahn.

Erhalten die Züge noch extra Waggons für den Transport der Fahrräder? Wir

starten mit den bestehenden Kapazitä-

ten, das heißt primär mit den im Inntal

im Einsatz befi ndlichen hochmodernen

Talentgarnituren, die insbesondere einen

komfortablen, niveaugleichen Einstieg

mit dem Fahrrad ermöglichen.

Vielen Dank für das Gespräch. ×

„Deutliche Zunahme“Alexander Jug, Leiter des ÖBB Personenverkehrs Tirol, im Interview

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S onja Klosterhuber kennt die Vor-

urteile, die die Tourismusbranche

gegenüber ihren in Gruppen rei-

senden Gästen hegt. „Aber das stimmt doch

alles nicht!“, nimmt die Chefi n des Karlinger-

hofes in Achenkirch ihre Klientel in Schutz.

Seit 1965 führt die Familie Klosterhuber ih-

ren Betrieb als sogenanntes Gruppen- oder

Selbstversorgerhaus. Das Zielpublikum des

Karlingerhofes lässt herkömmlichen Ho-

teliers die Haare zu Berge stehen: Vereine,

Schüler- oder Jugendgruppen und Famili-

enverbände, mehrheitlich bundesdeutscher

Herkunft, steigen gerne im Familienbetrieb

am Achensee ab.

Doch von Unannehmlichkeiten kei-

ne Spur, versichert die Chefi n: „Auch wenn

das Haus voller Jugendlicher ist, gibt es

kaum einmal einen Schaden. Alle unsere

Gäste, durch die Bank, verhalten sich wäh-

rend ihres Urlaubes sehr rücksichtsvoll.“

Die Spezialisierung auf Reisegruppen, die

sich selbst verköstigen, kann Hausherrin

Sonja Klosterhuber nur weiterempfehlen:

„Weil es eine sehr angenehme Form des

Vermietens ist.“

Den Stress, der in herkömmlichen

Hotels meist herrscht, kennen die Kloster-

hubers nur vom Hörensagen: „Diese Ni-

sche mit den Reisegruppen passt uns ganz

gut so, wir wollten auch nie ein richtiges

Hotel werden.“ Denn gerade aus Sicht des

Unternehmers bringe diese Spielart der

Zimmervermietung zahlreiche Vorteile mit

sich: „Wir brauchen nur sehr wenige An-

gestellte, was die Kosten niedrig hält. Wir

haben zum Beispiel nur zwei Damen, die

Putzarbeiten erledigen. Um den Rest küm-

mern sich mein Mann und ich selbst.“ Bei

insgesamt 23 Zimmern, die gut 60 Gästen

Platz bieten, sowie den Zusatzeinrichtun-

gen wie Kletter- und Mehrzweckhalle

beachtlich wenig Personalaufwand. Und

der größte Vorteil, so Klosterhuber: „Wir

haben viel mehr Freizeit als herkömmliche

Hoteliers.“

Der gut etablierte Karlingerhof lebt

heute vor allem von seinen zahlreichen

Stammgästegruppen: Vom Kegelverein,

der seit Jahren am idyllischen Achensee

urlaubt, über die Wandergruppen, die in

immer neuer Konstellation wiederkom-

men. Bis hin zum Gospelchor, der die

neue Kletterhalle als idealen Proberaum

für sich entdeckt hat. „Und das Beste da-

ran: Wir müssen kaum Werbung machen,

weil die Mundpropaganda unter den

Vereinen derart gut funktioniert“, erklärt

Sonja Klosterhuber. Einzige Werbemaß-

nahme des Karlingerhofes: eine gut eta-

Gruppendynamik: Das Geschäft mit der MasseSie sind laut, nervig und sparsam. Reisegruppen eilt ein wenig schmeichelhafter Ruf voraus. Zu Unrecht. Denn ohne die touristischen Herden würde in der heimischen Tourismusbilanz ein riesiges Loch kla� en.

VON S TEFFEN AROR A

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blierte Homepage. „Und zu guter Letzt“,

streicht die Chefi n des Gruppenhotels

am Achensee noch einen Vorteil ihres

Konzeptes heraus, „sind wir nicht auf

Reisebüros angewiesen.“ Während sich

herkömmliche Hotels Saison für Saison

mit den Preisdrückern aus der Reisebüro-

branche herumschlagen müssen, lehnen

sich die Klosterhubers entspannt zurück

und vertrauen auf ihre Stammkundschaft.

Fußballklubs & Städtetourismus. Die Vorzüge von Reisegruppen haben

sich längst auch in der Spitzenhotellerie

herumgesprochen. Spätestens seit dem

EM-Jahr 2008 ist etwa das Stubaital in

Sachen Fußballtourismus ein Begri� .

Hier nächtigten die späteren spanischen

Europameister während des Turniers.

Doch schon vorher haben internationa-

le Fußballklubs das Tal für sich entdeckt.

So urlaubt etwa der italienische Erstligist

Genoa CFC seit 2005 jährlich hier. Dane-

ben haben die niederländischen Kicker

von Feyernoord Rotterdam, jene vom

belgischen RSC Anderlecht und auch die

Mannen von Spartak Moskau die Vorzüge

des Trainingsurlaubes in Tirol entdeckt.

Zuletzt begrüßte man die Nationalelf

Südkoreas für ihre fast zweiwöchige

WM-Vorbereitung im exklusiven Fünf-

Sterne-Haus Jagdhof in Neustift. Für die

Hoteliers eine willkommene Einnahme-

quelle, die nebenbei einen beachtlichen

Werbee� ekt für das Haus und die Region

abwirft.

Gruppen ganz anderer Art sind im

Städtetourismus längst zur fi xen Größe

avanciert: Überseegäste. US-Amerikaner

und Japaner, die in Bussen europäische

Städte abklappern, sind für urbane Ge-

biete wie Innsbruck zur Überlebensfrage

geworden. Sie reisen zu gut 90 Prozent im

Rahmen organisierter Bustouren. Gerade

die Vier-Stern-Hotellerie in Tirols Landes-

hauptstadt wäre ohne die Reisegruppen

aus Fernost und Nordamerika nicht über-

lebensfähig. Das bestätigt eine Studie des

Innsbrucker Tourismusexperten Günther

Lehar von der Fachhochschule MCI.

„Schon in den 1990er-Jahren waren ein

Drittel der Nächtigungen in Innsbruck

Busnächtigungen“, erklärt Lehar. Doch

Bustouristen haftet das hartnäckige „Bil-

lig-Image“ an. Zu Unrecht, wie der Experte

weiter ausführt: „Die Wertschöpfung dar-

aus machte im Vier-Sterne-Bereich schon

damals gut 40 Prozent aus.“

Diese Zahl, so der Experte, dürfte

seither sogar noch angestiegen sein. An-

ders als die Bustouristen aus Übersee, deren

Ansprüche mindestens Vier-Sterne-Hotels

zur Unterbringung voraussetzen, machen

Individualtouristen im Städtebereich nur

einen kleineren Teil des Umsatzes aus. „Die

gehen nämlich auch in Drei-Stern-Betriebe

oder Pensionen“, so Lehar.

Publikum wird jünger. Neben der

Hotellerie sind es die Busunternehmen

selbst, die von Reisegruppen profi tieren.

Oliver Lair, Leiter der Marketing- und

Incoming-Abteilung bei Dietrich Touristik

in Telfs, spricht von einem „Markt im Kom-

men“. Derzeit bringt die Incomingschiene

von Dietrich gut 30.000 Nächtigungen

oder knapp 6000 Gäste pro Jahr nach

Tirol. Das Zielpublikum werde immer

jünger und anspruchsvoller. Gefragt seien

vor allem qualitativ hochwertige Kurz-

oder Rundreisen durch ganz Europa. Mit

einem Pauschalpreis von rund 2100 Euro

pro Person hat etwa die Nordkap-Fahrt

im Angebot von Dietrich nichts mit Bil-

ligtourismus zu tun. „Wir haben uns eine

kleine, aber feine Nische gescha� en“, so

Lair. Gefahren wird dabei in luxuriösen

Bussen mit Bordservice und ausgesuch-

ter Bordunterhaltung, genächtigt wird in

ebenso hochwertigen Hotels. Letztere,

so Lair, hätten mittlerweile ihre Scheu

vor Busreisegruppen abgelegt und deren

Wert erkannt.

Dass die Branche noch immer un-

ter einem Imageproblem leidet, bestätigt

auch der Innsbrucker Busunternehmer

Franz Rindfl eisch: „Daran hat sich leider

noch nicht viel geändert. Dabei geben un-

sere Gäste sehr viel Geld aus.“ Rindfl eisch

und Lair beklagen, dass Busunternehmen

gerade gegenüber Fluglinien benachteiligt

würden, weil diese steuerliche Begüns-

tigungen beim Treibsto� kauf genießen,

während die Busunternehmer seit Jahren

unter den massiven Spritpreiserhöhungen

leiden. Zudem, so Oliver Lair von Dietrich

Touristik, fehle es nach wie vor an Verständ-

nis für die Branche: „Wir haben jahrelang

darum kämpfen müssen, damit wir zu-

mindest Aus- und Zustiegsmöglichkeiten

im Stadtzentrum von Innsbruck erhalten.“

Vor zwei Monaten wurden nach

endlosen Querelen in der Heiliggeist-

straße entsprechende Haltestellen für

Busunternehmen gescha� en. Angesichts

der oben beschriebenen Wertschöpfung

eine unverständlich lange Wartezeit.

Oliver Lair ho� t, dass in Zukunft seiner

Branche mehr Verständnis entgegenge-

bracht wird: „Denn im Prinzip bedarf es

nur sehr einfacher Maßnahmen, etwa der

Miteinbeziehung von Branchen- oder

Interessensvertretern, um deutliche Ver-

besserungen zu erzielen.“

Die Praxis zeigt also, dass kein Grund

zur Panik besteht, wenn vor dem Hotel

ein Reisebus anhält. Im Gegenteil: Egal

ob Pension oder Fünf-Sterne-Tempel –

Touristengruppen bringen allen was. ×

GRUPPENREISEN IN ZAHLENWie viele Reisegruppen beziehungsweise Bustouristen pro Jahr in Inns-bruck urlauben, ist nicht bekannt, da der Tourismusverband keine Statisti-ken dazu führt. Die Studie von Günther Lehar zu diesem Thema kam jedoch zum Schluss, dass in Städten wie Innsbruck oder Salzburg Gruppenreisende rund 40 Prozent der Gäste in der Vier-Sterne-Hotellerie ausmachen. Ins-gesamt, so Lehar, machen Bustouristen gut ein Drittel der Nächtigungen in der Landeshauptstadt aus. Ihr Anteil am Bruttoproduktionswert und der Wertschöpfung liegt bei rund 36 Prozent. Diese Zahlen stammen aus den 1990er-Jahren und dürften, so der Experte, mittlerweile noch angestiegen sein. Es sind in erster Linie „Überseegäste“, also US-Amerikaner und Japa-ner, die per Bus die europäischen Städte besuchen. Maßgeblichen Anteil an der Bedeutung der Reisegruppen für die Bran-che haben die heimischen Busunternehmen. Dietrich Touristik aus Telfs zum Beispiel beschäftigt allein in Tirol knapp 40 Mitarbeiter. Mit insgesamt 20 Reisebussen bringt der Reiseveranstalter über seine Incoming-Schiene mehr als 30.000 Nächtigungen nach Tirol – das entspricht rund 6000 Gästen.

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DIE GESCHICHTE DES HOTELS KLOSTERBRÄU1516 | Kaiser Maximilian I., der „letzte Ritter und erste Kanonier“, stiftet das Seefelder Kloster, um Reisende und Pilger zu bewirten. Fast 100 Jahre wird gebaut.1604-1620 | Ausbau und Vollendung des Klosters. Augustinermönche bie-ten Reisenden und Pilgern Bewirtung und Unterkunft an. Die Mönche betrei-ben die Seefelder Fischerei und brauen Bier – daher der Name „Klosterbräu“.1620 | Erbauung des „Fürstenhauses mit Kaisersaal“ durch Erzherzog Leo-pold, Landesfürst von Tirol.1647-1648 | Ausmalung des Klosters durch den Innsbrucker Hofmaler Hans Schar. (Die Originalfresken sind gut er-halten im 1. Stock des Hotels zu sehen und erzählen die Geschichte des Hos-tienwunders).1785 | Aufhebung des Klosters durch Kaiser Josef I.1807 | Die bayerische Regierung hebt das Kloster endgültig auf (Säkularisie-rung). Die letzten 15 Mönche gehen ins Kloster nach Stams (45 km von Seefeld entfernt). Die Tradition der Gastwirtefamilie Seyrling nimmt hier ihren Anfang …1809 | Die bayerische Regierung ver-kauft das säkularisierte Kloster an An-ton Härting, Posthalter zu Seefeld, und Nikolaus Seiler, Metzger zu See-feld, anlässlich einer Versteigerung für 23.000 Gulden. Sigmund Seyrling, Angehöriger eines alten Seefelder Ge-schlechtes, welches schon 1530 er-wähnt wird, heiratet die Witwe Anna Härting.1889 | Seit einigen Jahren ist Seefeld Fremdenverkehrsort und wird vor al-lem von den Innsbruckern gerne als Sommerfrische frequentiert. Ab 1890 kommen die ersten deutschen, dann auch die ersten englischen Sommer-gäste nach Seefeld.1943 | Nach einem schweren Luftan-gri� auf Innsbruck wird das inzwischen zu einem modernen Hotel ausgebau-te Klosterbräu von der Medizinischen Universitätsklinik Innsbruck bezogen.1953 | Am 1. März 1953 wird die Klinik nach Innsbruck zurückverlegt. Sig-mund Seyrling und sein Sohn Alois („Bubi“) restaurieren und modernisie-ren die alten Gebäude und scha� en ein Hotel, welches mit 30 Zimmern und einem Etagenbad seinen Anfang nimmt.1964-1999 | Olympische Winterspiele. Seit dieser Zeit ist das Hotel weit über die Landesgrenzen hinaus ein Begri� für Entertainment und Gastlichkeit. In den 70er-Jahren war das Klosterbräu durch seinen Nachtclub „Kanne“ berühmt.2005 | Die 6. Generation, Alois Seyr-ling, übernimmt den Betrieb der Vor-fahren und führt das Hotel mit seiner Mutter Cristina Seyrling unter Mithilfe seiner Schwestern Laura und Linda.

Mit 26 Jahren über-nahm Alois Seyrling die Leitung des Seefelder Luxushotels mit 26.000 Nächtigungen im Jahr.

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Ein Leben fürs HotelAlois Seyrling übernahm nach dem plötzlichen Tod seines Vaters mit 26 Jahren das renommierte Hotel Klosterbräu in Seefeld. Seit sechs Generationen führt die Hoteliersfamilie das Fünf-Sterne-Haus. Der junge Chef erzählt von den Herausforderungen seiner Zeit und einem Familienleben für das Hotel.

VON NINA HEIZER

J ung, fesch, dynamisch sitzt der

30-jährige Chef in der kalten

Bar seines Hotels Klosterbräu.

Momentan ist Frühlingspause,

überall wird gehämmert, renoviert, die

mehrere Jahrhunderte alten Fresken wer-

den überarbeitet und Pläne geschmiedet.

Davon hat Alois Seyrling viele. Im Interview

verrät er allerdings noch nichts darüber.

„Mehr dazu im September“, grinst er. Das

Hotelierdasein wurde ihm vermutlich in

die Wiege gelegt. Seit 200 Jahren und

sechs Generationen dreht sich bei den

Seyrlings alles ums Hotel Klosterbräu. Im

17. Jahrhundert brachte es die Ur-ur-ur-

Großmutter in die zweite Ehe mit Sigmund

Seyrling mit. Seither steht es im Mittelpunkt

der Familie.

„Bei uns gibt es nur wenige Ge-

spräche außerhalb des Hotels“, sagt

Alois Seyrling. Er führt das Haus seit dem

frühen Tod seines Vaters, unterstützt von

seiner Mutter Cristina und seinen beiden

Schwestern Laura und Linda. Abwech-

selnd werden die ältesten Söhne, die das

Hotel weiterführen, auf die Namen der

Großväter, Sigmund oder Alois, getauft.

Traditionsbewusst wird auch die 500

Jahre alte Geschichte des Klosterbräus

einmal pro Woche im Get-together mit

Gästen im Kellergewölbe beim Aperitif nur

von Familienmitgliedern erzählt. Dafür in

verschiedenen Sprachen.

Das Zehn-Jahres-Projekt. Mit 26

Jahren, „zehn Jahre früher, als normal wäre“,

musste Alois in die Fußstapfen seines plötz-

lich verstorbenen Vaters treten. Er war noch

mitten in seiner fün� ährigen Ausbildung in

einer Hotelfachschule in Luzern. „Die Kluft

zwischen Theorie und Praxis ist schon sehr

groß“, weiß der junge Hotelchef jetzt. Ein

Bekannter erklärte ihm damals, dass es zehn

Jahre dauern würde, bis ein Betrieb so laufe,

wie man es sich wünsche. „Anfangs dachte

ich, das könne schneller gehen, aber den

Zeitraum wird es ziemlich genau brauchen.

Die Prognose ist sehr tre� end“, sagt Seyr-

ling, „ein paar Jahre bleiben mir ja noch, bis

die zehn Jahre voll sind.“

Unter anderem arbeitet er daran, die

Zwischensaison von früher fünf Monaten

auf nur noch eineinhalb zu verkürzen.

Sein Ziel ist, Jahresangestellte beschäfti-

gen zu können, die zwar die Qualität der

100 Mitarbeiter heben, denen man aber

eine Fünf-Tages-Woche bieten müsse.

„Mit einer langen Pause von mehreren

Monaten sind solche Anstellungen nicht

fi nanzierbar.“ Daneben warten weitere

Umbauten. Seyrling steckt gerade mitten

in einer weiteren Planung. Die Konferenz-

räume und der Eingangsbereich wurden

schon unter seiner Führung neu gestaltet.

26.000 Nächtigungen pro Jahr. Es

gibt immer was zu tun auf 17.000 Quad-

ratmetern Nutzfl äche, in 77 Zimmern und

20 Suiten. „Inzwischen haben wir 15 Kate-

gorien von Zimmern, weil alles in Etappen

umgebaut wurde und jede Epoche ihren

eigenen Stil hat“, sagt Alois Seyrling. Rund

26.000 Gäste übernachten pro Jahr in den

ehemals heiligen Hallen. Die Besucher

kommen hauptsächlich aus Deutschland,

Italien, Holland, Belgien und der Schweiz.

5,5 Millionen Euro Umsatz macht das

Hotel jährlich. 20 Prozent davon setzt das

Hotel Klosterbräu im Seminar-, Tagungs-

und Incentive-Geschäft um. 50 Veran-

staltungen im Jahr organisiert Seyrlings

Freundin, die mit ihm im Hotel wohnt. Er

hat sie natürlich im Haus kennen gelernt.

„Sie war mit einer Gruppe bei uns zu Gast.

Hat also Umsatz gebracht und war daher

gleich sympathisch“, sagt er lachend. Auch

die Freunde seiner Schwestern arbeiten

mit. „Es wäre vermutlich schwierig, einen

Partner zu haben, der nicht mit im Betrieb

arbeitet“, meint Alois Seyrling.

Das war bei den Seyrlings schon

immer so. Der Opa war zum Beispiel der

Mann im Hintergrund, der sich um die

Finanzen, die Umbauten und die politi-

schen Entscheidungen gekümmert hat.

Die Oma repräsentierte als „Grand Dame“

das Haus. Sie lebt auch heute noch im und

mit dem Hotel. „Sie hilft mir mit Ratschlä-

gen“, sagt der Enkel.

Die Olympia-Lorbeeren. Alois Sey r-ling beneidet seinen Großvater, weil dieser

noch nicht zu Meetings musste und alles

dreimal wöchentlich am Stammtisch be-

sprechen konnte: „Da sind sie alle zusam-

mengekommen, haben Karten gespielt

und niemand musste zu Sitzungen gehen.“

Heute ist er selbst im Tourismusverband

tätig und versucht, die Zukunft der Ge-

meinde Seefeld mitzugestalten. Er ho� t,

dass sie in einigen Jahren wieder dort sein

„Vor 20 Jahren war der Standort Seefeld das Nonplusultra, dort musste man hin. Die junge Generation fragt heute, wo dieser Ort überhaupt ist.“

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kann, wo sie vor 20 Jahren war. „Damals

war der Standort Seefeld das Nonplusultra,

dort musste man hin. Die junge Generation

fragt heute, wo dieser Ort überhaupt ist.“

Seyrling hat große Ho� nungen auf

den Bürgermeister und den Tourismus-

verband, dass sie gemeinsam ausbügeln

können, dass man sich zu viel auf den

„Olympia-Lorbeeren“ ausgeruht hat. Der

Bürgermeister unterstütze die Unterneh-

men sehr und der TVB sei jung und ge-

meindepolitisch gut. „Früher konnten wir

uns das Marketing sparen, weil der Ort für

sich sprach. Heute müssen wir als Hotel

die Leute anziehen, die Infrastruktur von

Seefeld sehen die Gäste dann als Extra an.“

Alois Seyrling ist trotz oder vielleicht

gerade wegen lebenslanger Tourismus-

Beschallung von allen Seiten durch und

durch Gastronom und Touristiker. Er passt

in seinem lässigen, rustikalen Look auch

gut in sein Haus. „Wenn ich das Klosterbräu

nicht hätte, wäre ich trotzdem im Gastge-

werbe tätig“, sagt er. Er brauche Menschen

um sich, die Arbeit sei jeden Tag anders, er

müsse immer kreativ denken – die Arbeit

im Hotel sei perfekt für ihn. „Außerdem

habe ich nicht gerne viel Freizeit. Ich weiß

nicht, was ich damit tun sollte.“

Irgendwann will Alois Seyrling sich in

einen Bauerhof zurückziehen. Sein ältester

Sohn Sigmund wird das Hotel übernehmen

und er kann seinen Lebensabend genießen.

Im Bewusstsein, dass er alle seine Ziele er-

reicht hat. Das heißt, dass das Klosterbräu

mit Gästen und Mitarbeitern gefüllt ist, die

sich freuen, dort zu sein. Und es eine nächs-

te Generation Seyrlings gibt, die das Haus

übernehmen und weiterführen kann. ×

Mit Mutter Cristina und seinen beiden Schwes-tern Laura und Linda repräsentiert Alois heute die Familie Seyrling, die seit 200 Jahren das Hotel Klosterbräu führt.

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magazin

Zur PersonVor 30 Jahren hat die Kitzbü-helerin Christl Horn „servus“ während eines Jamaika-Ur-laubs gemeinsam mit ihrem Mann Michael ins Leben geru-fen und damit die erste Gäs-tezeitung Tirols gegründet. sie ist Mutter von drei Kindern und inzwischen fünffache oma. Mit Michael ist sie seit 44 Jahren verheiratet. in sei-ner Zeit als Platzsprecher beim Hahnenkamm-Rennen war sie seine assistentin und verant-wortlich für die Ranglisten und abfahrtszeiten. Das Zeitungs-wesen liegt in der Familie: ihr Großvater war Gründer des Kitzbüheler anzeigers, welcher nun das „servus“ übernahm.

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servus ChristlChristl Horn hat 30 Jahre die Kitzbüheler Gästezeitung „Servus“ herausgegeben. Vor Kurzem verkaufte sie das Magazin an den Kitzbühler Anzeiger. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge.

DA S INTERVIEW FÜHRTE NINA HEIZER .

s AISON: Vor 30 Jahren grün-deten Sie gemeinsam mit Ihrem Mann Michael das „Servus“. Warum? CHRisTL

HoRn: „servus“ wurde während unseres

Urlaubs auf Jamaika im april 1980 gebo-

ren. Damals gab es noch kein internet oder

große globale Fernsehstationen. Damit

wir auf der insel etwas vom Weltgesche-

hen mitbekamen, wurden nachrichten

auf Din-a4-Zettel gedruckt und verteilt.

auf unserer nächsten station in new york

kamen wir das erste Mal mit einer Gäste-

zeitung in Kontakt, da war uns klar, dass

das auch etwas für Kitzbühel wäre. Und

so gründeten wir die erste Gästezeitung

in ganz Tirol.

Wie wurde die Idee in Kitzbühel aufge-nommen? sehr gut. 55 Prozent unserer

anzeigenkunden vom anfang waren bis

zum schluss treue Kunden. Das „servus“

wird in alle Welt verschickt. eltern senden

es an ihre Kinder im ausland. Manche

Hoteliers verwenden es als Weihnachts-

karte für ihre stammkunden. Die Zeitung

erscheint fünfmal im Jahr, dreimal im Win-

ter und zweimal im sommer. Wir haben

eine aufl age zwischen 10.000 und 15.000

stück, je nach saison.

Worauf haben Sie Wert gelegt, was war Ihnen wichtig? ich wollte nie Politik in

die Zeitung bringen. obwohl mein Mann

extrem-ÖVPler ist (lacht). ich habe immer

darauf geachtet, dass wir keine streitereien

abdrucken. Das will der Gast nicht, Prob-

leme hat er daheim. Das interessiert ihn

im Urlaub nicht. er soll nach der Lektüre

des Buches wissen, wo er hinwill, was er

sich anschauen möchte. Wo er Tiroler

Küche fi ndet und wo es sushi gibt. Wobei

die Besucher die Tiroler Küche schon be-

vorzugen. Der Trend geht wieder zurück

zur natur. aber in „servus“ fi ndet er auch,

wo er sein Glas Milch und ein Bauern-

Butterbrot bekommt.

Warum jetzt der Abschied? 30 Jahre sind

genug. es war eine tolle und schöne Zeit,

aber alles ist schnelllebiger geworden

und wir älter. Wenn wir ein Foto von der

in-Disco „Take Five“ machen wollten,

müssten wir uns zuerst schlafen legen

und uns einen Wecker für mitten in der

nacht stellen. ich freue mich auf einen

wohlverdienten Ruhestand. Und das „ser-

vus“ ist beim Kitzbüheler anzeiger in sehr

guten Händen. Mein Großvater war ja ein

Gründer der Zeitung. Uns war schon vor

20 Jahren klar, dass das ein Weg für unser

„servus“ sein kann. Die Verhandlungen

haben zwar eine Zeitlang gedauert, aber

wir sind mit dem ergebnis sehr zufrieden.

Und unsere inserenten auch.

Was hat sich im Tourismus in den letzten 30 Jahren verändert? Der Gast selber hat

sich verändert. er beschäftigt sich nicht

mehr von alleine, sondern erwartet eine

Rund-um-animation. er weiß nicht mehr

wirklich, was er mit sich selbst anfangen

soll. Daher sind die Club-Urlaube auch

so beliebt geworden, da steht ständig

ein animationsprogramm bereit. Der in-

dividuelle Gast ist auch anspruchsvoller

geworden. Mit einem Frühstück aus sem-

mel und Marmelade geht nichts mehr. er

muss wesentlich mehr arbeiten, damit er

sich den Urlaub leisten kann. Dann will er

auch alle Viere von sich strecken können

und Unterhaltungsmöglichkeiten serviert

bekommen. Wenige unternehmen aus

eigeninitiative eine Wanderung.

Was raten Sie dem Tiroler Tourismus? Wohin soll die Reise gehen? Wir sollten

uns wieder mehr auf die Bodenständigkeit

und das Tirolerische konzentrieren. Wir

müssen acht geben, dass unsere Kultur

nicht verloren geht. nicht „Tschüss“, son-

dern „Grüß Gott“ und „auf Wiedersehen“.

Bei uns ist alles lockerer als zum Beispiel

in nord-Deutschland. Unter anderem

deswegen macht der Gast ja Urlaub bei

uns. sonst könnte er daheim in Balkonien

bleiben. Der Gast will die einheimischen

sehen und unsere Bräuche kennen lernen.

Wir müssen ihn vermehrt einbeziehen

und am Leben teilhaben lassen. Und auf

Freundlichkeit müssen wir setzen. au-

ßerdem sollte jeder Mitarbeiter oder an-

gestellte das „servus“ seines ortes lesen,

damit er auskünfte geben kann und weiß,

was in seinem Umfeld los ist.

Was machen Sie nun mit so viel Freizeit?

ach, es gibt noch viel zum aufarbeiten. Bis

alles abgeschlossen ist, die letzten Kunden

gezahlt haben, wir die steuer erledigt ha-

ben. Und als fünff ache Großmutter fi nde

ich sicher immer etwas zu tun. es war eine

wunderbare Zeit mit „servus“. ich war für

alle die Christl. Gäste sprachen mich auf

der straße an und begrüßten mich, weil sie

mich als Herausgeberin wiedererkannten.

aber jetzt war Zeit zu gehen.

Vielen Dank für das Gespräch. ×

„Wir sollten uns wieder mehr auf die Bodenständigkeit

und das Tirolerische konzen-trieren. Wir müssen Acht

geben, dass unsere Kultur nicht verloren geht. Nicht

‚Tschüss‘, sondern ‚Grüß Gott‘ und ‚Auf Wiedersehen‘.“

54 SAISON

MAGAZIN

K ommunikation – ein großes

Wort und weil jeder etwas an-

deres darunter versteht, bleibt

selbige oft auf der Strecke. Man denke

nur an die mittlerweile mittelalterlich

anmutende Hotelinfo-Blinkbarrikade am

Straßenrand oder monumentale Stadt-

pläne in Litfaßsäulen meist in den Herzen

der Gemeinden. Brixlegg wagt jetzt etwas

Neues und stellt eine multifunktionale

Infostele mit multimedialen Inhalten auf

den multikulturellen Marktplatz . Mit der

sogenannten „Gomonikation“: Als handle

es sich um zwei überdimensional große

und übereinander stehende iPhones, zei-

gen die Touchscreens den Interessierten

auf Druck jede Art von gewünschter Infor-

mation. Ob Wetterbericht oder Zimmer-

belegung, ob Speisekarten oder Spielplä-

ne. Auf Wunsch lassen sich die Daten via

Bluetooth auch gleich aufs Telefon laden.

Neue Lösung alter Probleme. „Wir

bieten den Kunden komplette Lösungen,

das ist unsere Philosophie, wir möchten mit

unseren Geräten die Welt für den Einzel-

nen etwas einfacher machen“, sagt Klaus

Markart. Der Geschäftsführer des kleinen

Unternehmens reist rund um die Welt und

wo er anklopft, wird ihm aufgetan – of-

fensichtlich besteht ein dringender Bedarf

an neuen Lösungen für alte Probleme. Ob

Brixlegg oder Bremen, auf den ersten Blick

seien alle Bürgermeister begeistert, sagt

Markart, dann folge manchmal ein wenig

Skepsis: „Wer pfl egt die Daten, bedarf es

dafür extra Personal?“ „Über Schnittstellen

lassen sich alle Inhalte problemlos syn-

chronisieren und so kommt es zu keinem

zusätzlichen Aufwand für die Betreiber,

egal ob Hotel oder Gemeinde.“

Thema Sicherheit. Bleibt die Sicher-

heit, die der Stele wie auch die der virtuel-

len Inhalte. Das System sei hacker-sicher,

sagen die Hersteller und auch das Glas der

Scheibe widerstehe so mancher Attacke.

„Sollte es an der Sollbruchstelle doch kna-

cken, so wird die Scheibe einfach ausge-

tauscht, Monitor und Prozessor sind sepa-

rat geschützt und bleiben unbeschädigt“,

sagt Oskar Kern. Der Techniker akkumuliert

mit seinem Team die Komponenten, kons-

truiert die Geräte und gemeinsam mit dem

Kunden wird die Tiefe der Informationen

abgestimmt. „Weggehen gibt’s nicht. Wenn

wir ein Projekt beginnen, betreuen wir den

Kunden die ganze Zeit, denn das Potenzial

von Gomo besteht gerade in dem perma-

nenten Prozess, aktuelle Inhalte optimal

anbieten zu können“, sagt Markart. ×

Adieu LitfaßsäuleEin kleines Salzburger Unternehmen bietet eine innovativeLösung für Besucher-Infos.

VON S TEFAN BECKER

„GOMONIKATION“ IN AKTION

• Drei Infostelen im Salzburger Einkaufszen-trum Europapark erleichtern den Kunden das Finden von Geschäften und Restaurants, auf Wunsch präsentiert der Touchscreen die Neuigkeiten des Hauses oder informiert über das Kulturprogramm.

• Zwei von Porsche-Design gestaltete Gondeln der Schmittenhöhebahn AG bieten das erste Seilbahn-TV der Welt, bei jeder Einfahrt in die Stationen erhalten die Multimedia-Daten ein Update.

• Ein Netz von Elektro-Tankstellen betreibt die Salzburg AG in der Mozartstadt und neben den Steckdosen liefert Gomo dazu die Dis-play-Technik mit allen Infos über Tanktarife, Leihstationen und Konditionen.

• Start: Brixlegg leistet sich eine erste Infostele und bedient Bewohner wie Besucher so mit den aktuellsten Infos, seien diese touristischer Natur oder direkt aus dem Rathaus.

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55

GF Klaus Markart vor einer Infostele

56 SAISON

MAGAZIN

M anch andere 80-Jäh-

rigen würden sich

freu en, so viel Moder-

nität und Frische aus-

zustrahlen: Das Hotel Berghof ist nicht

nur einer der bedeutendsten Hotelbauten

der klassischen Moderne in Tirol, sondern

auch einer der ganz wenigen, die weitge-

hend so erhalten geblieben sind, wie es

ihr Architekt erdacht hat. Das liegt zum

einen daran, dass das Haus seit 1986 unter

Denkmalschutz steht, vor allem aber an

der liebevollen Pfl ege des Baus durch die

Eigentümerfamilie Woldrich.

1930 war Seefeld ein aufstrebender

Urlaubsort für Gäste, die ihre Sommer-

frische hier verbrachten oder dem noch

recht jungen Wintersport des Skifahrens

frönten. Die Ansprüche des auch damals

schon internationalen Publikums fan-

den direkt Eingang in die Architektur des

Berghofes: Mitten in einer grünen Wiese,

mit vorgelagerter Terrasse, Balkonen bei

(fast) allen Zimmern und weitem Ausblick

auf die Berge, reagiert der Bau auf seine

ländliche Umgebung, ohne dass jedoch auf

die Vorzüge der damals aktuellen urbanen

Architektur mit ihren klaren Linien und ihrer

Großzügigkeit verzichtet werden musste.

Hotelleben. Wer in den 1920er- und

1930er-Jahren auf Reisen ging, suchte

nicht nur eine Übernachtungsmöglich-

keit, sondern lebte in dem Hotel, in dem

er abstieg. Davon, dass man in den Beher-

bergungsbetrieben der damaligen Zeit alle

Mahlzeiten einnahm, sich Jahr für Jahr mit

anderen Gästen aus aller Welt traf und die

Abende gemeinsam verbrachte, anstatt

wie heute im Zimmer (vor dem Fernse-

her), zeugen im Berghof noch etliche

Räume und Einrichtungsgegenstände:

der Speisesaal, ein großer Holzherd in der

Küche, auf dem bis vor wenigen Jahren

noch gekocht wurde, und vor allem die

geräumige Hotelhalle.

Parkett, „Pitchpine“-Furniere – ein

inzwischen kaum mehr zu fi ndendes Ma-

terial aus amerikanischer Kiefer –, niedri-

ge Tische, in kräftigen Farben bezogene

Fauteuils und nicht zuletzt der Ausblick ins

Stilvoller Aufenthalt: Damals wie heute schätzen Gäste des Berghofs die Architek-tur des Hauses.

57

Leben im DenkmalEin Stück Hotelgeschichte erzählt das Hotel Berghof in Seefeld, das 1929/30 nach Plänen des Architekten Siegfried Mazagg errichtet wurde. Das Ambiente des unter Denkmalschutz stehenden Baues ist noch (fast) dasselbe wie vor 80 Jahren.

VON ES THER PIRCHNER

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58

Grüne durch große Fenster an drei Seiten

des Raumes – das alles geht auf die Pläne

Mazaggs zurück, der damit nicht nur ein

Bauwerk, sondern ein umfassendes Hotel-

konzept umsetzte. Dabei war der Berghof

ursprünglich wesentlich größer – für etwa

60 Gäste – konzipiert gewesen und muss-

te, da die Mittel des Bauherrn Ferdinand

Woldrich sen. begrenzt waren, während

des Baus zu einem Haus mit etwas mehr

als 40 Betten umgewandelt werden.

Lazarett und Pferdestall. Dem heuti-

gen Hotel sieht man diese späte Änderung

der Grundrisse nicht an – es wirkt wie aus

einem Guss –, auch nicht, dass es in den

Kriegsjahren seiner Funktion enthoben

wurde und als Lazarett diente, in den Nach-

kriegsjahren die amerikanische und franzö-

sische Besatzungsmacht beherbergte und

unter anderem als Pferdestall genutzt wur-

de. Seit den 1950er-Jahren von der Familie

Woldrich wieder als Hotelbetrieb geführt

und in der Folge nur wenig verändert, wurde

das Haus 1986 unter Denkmalschutz ge-

stellt – für die Hoteliers eine nicht immer

einfache Vorgabe, wenn es darum ging, den

Betrieb am Laufen zu halten.

Denn längst haben sich die Ansprü-

che der Gäste an „ihr“ Hotel verändert.

Kaum jemand könnte sich fi nanziell – und

zeitlich – noch monatelange Aufenthalte

zur Sommerfrische leisten. Auch genießt

man nicht mehr die Abende in großer

Runde, sondern bleibt lieber unter sich,

sozusagen „en famille“.

Eine Erweiterung um ein Café im

Erdgeschoß und einige Zimmer in den da-

rüberliegenden Stockwerken war aufgrund

des Denkmalschutzes nicht möglich, auch

scheinbar kleine Umstellungen wie die

Montage einer Satelliten-Antenne auf dem

Dach des Hauses können nur in Absprache

mit dem Denkmalamt durchgeführt werden.

BEGEISTERTE ZEITGENOSSEN„Wie schmuck nimmt sich schon die äußere Gestalt des Hotels aus … Auch sämtliche Innenräume [sind] von dem künstlerischen Geist des jun-gen Architekten gestaltet und erfüllt. … Schon in den ersten Tagen haben sich zahlreiche Ka� eegäste in der Halle des Berghofes eingefunden und ihre Bewunderung über die erstklas-sige, künstlerisch vornehme Ausfüh-rung des Hotelbaues geäußert. Auch viele Seefelder haben ihre Neugierde befriedigt und den Eindruck gewon-nen, dass da wirklich etwas geschaf-fen worden ist, das nicht nur den ei-genen Interessen des Besitzers dient, sondern ganz Seefeld als Fremden-verkehrsplatz zur Ehre gereicht.“

Innsbrucker Nachrichten, 24. Dezember 1930

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Bis vor wenigen Jahren lenkte Ingrid Woldrich die Geschicke des Berghofs.

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Stolze Gäste. Den sich wandelnden tou-

ristischen Anforderungen wurde im Berghof

aber auf andere Weise Rechnung getragen,

mit der Umstellung zuerst auf Halbpension

und schließlich – seit der Übergabe des

Hauses an die nächste Generation vor weni-

gen Jahren – auf die Führung als Frühstück-

spension und Appartement-Haus. Während

im ersten Stock noch Doppel- und Einzel-

zimmer mit den von Mazagg entworfenen

Möbeln erhalten geblieben sind, wurden

in den Geschoßen darüber jeweils drei bis

vier Zimmer zu großzügigen Appartements

zusammengelegt und diese mit neuen Bä-

dern ausgestattet. Die Möblierung wurde,

wo nötig, ergänzt.

Dabei wurde besonders darauf ge-

achtet, möglichst nahe an den Ideen des

ursprünglichen Entwurfs zu bleiben: Die

schöne Schlichtheit der Zimmer, ihre Hellig-

keit und die klaren Linien wurden scheinbar

mühelos auf die Appartements übertragen.

Dazu kommt, dass überall im Haus Verbin-

dungen zur Geschichte des Hauses und

Hinweise auf die Architektur zu fi nden sind:

Gemälde von Ferdinand Woldrich sen. und

Siegfried Mazagg sowie Entwurfsskizzen

des Architekten zieren die Wände, in der

Hotelhalle liegt der Bildband von Joachim

Moroder und Benno Peter zur Hotelarchi-

tektur der 1920er- und 1930er-Jahre auf.

Bleibt nur die Frage, ob die Gäste

des Hauses auch zu würdigen wissen, in

welcher besonderen Umgebung sie ab-

gestiegen sind. „Wenn sie es nicht ohnehin

schon vorher gelesen haben und man

sie vorsichtig heranführt“, erzählt Ingrid

Woldrich, die das Haus bis vor wenigen

Jahren geführt hat, „beginnen sie es zu

sehen und nehmen es wahr. Die meisten

sind dann auch interessiert und sogar ein

bisschen stolz, dass sie hier wohnen.“ ×

SIEGFRIED MAZAGG (1902–1932)Trotz seines frühen Todes zählt der Architekt Siegfried Mazagg – neben Lois Welzenbacher und Franz Baumann – zu den bedeutendsten Vertretern der klassischen Moderne in Tirol. Auf ihn gehen Industrieanlagen, Wohnhäuser und Hotelbetriebe zurück, darunter das Achensee-Kraftwerk in Jenbach und das auf der Innsbru-cker Hungerburg gelegene Hotel Mariabrunn, das nach einer Revitalisierung heute als Mehrfa-milienwohnhaus genutzt wird.

PUBLIKATION ZUM THEMAJoachim Moroder, Benno Peter (Hg.): Hotel-architektur. Bauten und Projekte für den Tou-rismus im alpinen Raum 1920–1940, Haymon Verlag, 1993.

60 SAISON

MAGAZIN

Alter Sto� – neues KleidBei den Tiroler Festspielen Erl dirigiert der künstlerische Leiter Gustav Kuhn die Urau� ührung des Operneinakters „Die Hochzeit“ von Alois Schöpf und Ernst Ludwig Leitner. Esther Pirchner sprach mit dem Librettisten und SAISON-Kolumnisten Schöpf über sein drittes Opernprojekt.

S AISON: Herr Schöpf, nach der „Sennenpuppe“ und „Hofers Nacht“ ist „Die Hochzeit“ Ihre

dritte Oper, die zweite mit dem Kompo-nisten Ernst Ludwig Leitner. Haben Sie das Metier des Musiktheaters für sich ent-deckt? ALOIS SCHÖPF: Ich habe einfach viel

Oper gehört, das kommt mir beim Schrei-

ben zugute. Und es ist eine Freude, nach so

langer Beschäftigung mit Musik auf diesem

Gebiet selbst etwas zu machen. Aber natür-

lich hängt es auch von den Aufträgen ab. Es

wäre ja sinnlos, eine Oper für die Schublade

zu schreiben. Die Zusammenarbeit mit Ernst

Ludwig Leitner – auch mit Florian Bramböck,

mit dem ich „Hofers Nacht“ gemacht habe

– ist sehr unkompliziert. Wir haben einen

ähnlichen Zugang zu Musik und Kunst, wir

schätzen einander sehr, da muss nicht viel

geredet werden.

Worin unterscheidet sich das Schreiben eines Librettos von dem eines Prosa-textes? Wenn ich für die Oper schreibe,

singe ich die Texte innerlich mit. Leider

fehlt mir die Fähigkeit, das, was ich denke,

in Notentext umzusetzen, und ich beneide

Leute, die das können, maßlos.

Haben Sie bestimmte Vorstellungen davon, welche Melodie zu einem Text passt? Von der Melodie nicht, aber die

Rhythmik denke ich immer mit – und

daran hält sich Leitner, ohne dass ich ihn

je dazu aufgefordert hätte. Die Taktart ist

immer dem Sprachrhythmus angepasst

und es gibt viele Rhythmuswechsel.

Wie „Die Sennenpuppe“ basiert auch „Die Hochzeit“ auf einer alten Sage. Was interessiert Sie daran? Hinter diesen alten

Sto� en stehen nicht nur oft moderne The-

men, sie haben auch eine ungebrochene

Emotionalität. Bei der „Sennenpuppe“ ging

es um das Begehren, bei der „Hochzeit“

geht es um die Frage: Verpasse ich das Le-

ben, wenn ich nach dem Absoluten suche?

Wie kann ich meine Rolle als Ehemann/

Ehefrau, als Familienvater/Mutter und so

weiter wahrnehmen, wenn ich gleichzei-

tig Künstler oder Wissenschaftler bin? Das

Beeindruckende an Leitners Komposition

ist, dass auch sie Altes und Aktuelles in sich

vereint. Er verarbeitet zum Beispiel Bach-

Choräle und scha� t trotzdem heutige

Musik. Er ist wirklich ein Fuchs!

Das klingt danach, als würden Sie auch weiterhin gerne zusammenarbeiten.

Ja, wir haben auch schon ein neues Pro-

jekt – Orpheus kehrt zurück –, aber dafür

suchen wir noch einen Auftraggeber.

Vielen Dank für das Gespräch. ×

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„Ich beneide Leute, die Sprache in Notentext umsetzen können, maßlos.“ALOIS SCHÖPF

BERÜHMTE OPERNEINAKTER• Igor Strawinsky: The Rake’s Progress• Giacchomo Puccini: Gianni Schicchi• Béla Bartók: Herzog Blaubarts Burg• Leoš Janáček: Tagebuch eines Verschollenen

Gustav Kuhn wird „Die Hochzeit“ voraussichtlich gemeinsam mit „Gianni Schicchi“ auch an ande-ren Orten au� ühren.

INFOErnst Ludwig Leitner, Alois Schöpf: Die Hochzeit (UA)Freitag, 30. Juli 2010, 20.00 UhrTiroler Festspiele Erlwww.tiroler-festspiele.at

61 SAISON

MAGAZIN

E in Blick in den Kalender des The-

ater Verbandes Tirol beweist: In

jedem Tal, in jeder Stadt und in

etlichen Dörfern wird Theater gespielt,

was das Zeug hält. In Rum feiert man das

20-jährige Bestehen des Theatervereins

mit der Au� ührung von „Campiello“ von

Peter Turrini nach Carlo Goldoni, für

die Schlossbergspiele in Rattenberg hat

Regisseur und Autor Manfred Schild die

Geschichte des „Kanzlers Bienner“ neu

geschrieben und inszeniert, im Gasthof

Sonne in Imst spielt das Sunne Theater Imst

Gerhart Hauptmanns „Der Biberpelz“, auf

der Festung Kufstein wird „Die Dreigro-

schenoper“ von Bert Brecht und Kurt Weill

gegeben, auf der Geierwally Freilichtbühne

in Elbigenalp „Eine Handvoll Heimat“, am

Glockenhof in Tulfes „Romed und Julia“,

beim Festival „Stummer Schrei“ mehrere

Eigenproduktionen, darunter das Krimifrei-

lichtspiel „Für immer Stumm“ von Ulli Brée.

Mit Enthusiasmus. Es versteht sich

von selbst, dass hinter all dem Textlernen,

Kostümeschneidern, Schminken und Büh-

nenbildbauen großer Enthusiasmus steht,

schließlich geht der Großteil der bei den

Amateurtheatern beschäftigten Leute acht

Stunden am Tag „gewöhnlichen“ Jobs nach

und schlüpft erst in der Freizeit in die unter-

schiedlichsten Rollen. Carlo Krismayr, der

seit 2006 das von ihm gegründete Sunne

Theater Imst leitet und für ein Telefonin-

terview die Arbeit an einem Regal unter-

brechen muss, das er für die Au� ührung

baut, engagiert sich das ganze Jahr über

fürs Theater. Ist das eine Stück abgespielt,

kommen die ersten Vorschläge fürs nächs-

te Jahr. Auf die Auswahl eines passenden

Theatersto� es folgen zwei Monate der

Textadaption. Manche seiner Kollegen wür-

den den Fehler machen, dass sie klassische

Stücke in Originallänge spielten, meint er,

und dann gingen die Leute um halb zwölf

verärgert nach Hause. Deshalb wird auch

„Der Biberpelz“ des Sunne Theaters nicht

mehr als 85 Minuten dauern und – so wie

im Original im Berliner Dialekt – in Imst im

Oberländer Dialekt zu hören sein.

Im Idealfall studieren die Schau-

spieler dann zu Hause ihren Text, darüber

hinaus erstrecken sich auch die Proben-

zeiten über einen längeren Zeitraum als

bei professionellen Bühnen. Dreieinhalb

Monate sind bei den Tiroler Bühnen ein

durchaus üblicher Probenzeitraum, bis

alles sitzt. Dies ist auch eines der wesent-

lichsten Dinge, die ein Theaterensemble

wie jenes der Schlossbergspiele Ratten-

berg, das auf sehr hohem Niveau agiert,

von einem professionellen Theater un-

terscheiden, meint Manfred Schild, Leiter

des Innsbrucker Kellertheaters und zum

dritten Mal bei den Schlossbergspielen als

Regisseur beziehungsweise Autor tätig.

Dem Ort angepasst. Wie in Ratten-

berg gehört es auch sonst in Tirol längst

zum ambitionierten Schauspiel, dass sich

Amateurtheatergruppen mit professionel-

len Autoren, Regisseuren, Kostümbildnern

oder Technikern zusammentun. Damit

einher geht auch eine Entwicklung weg

vom reinen Sommertheater „hin zur se-

miprofessionellen Theaterkultur in Tirol“,

wie Ekkehard Schönwiese vom Theater

Verband Tirol konstatiert.

Verspielte TirolerTirol ist ein Land der begeisterten Schauspieler, was anhand der (Freiluft-)Au� ührungen im Som-mer besonders deutlich wird. Auf den Bühnen des Landes tummeln sich dann vor allem begeisterte Amateure und semiprofessionelle Schauspieler.

VON ES THER PIRCHNER

Manfred Schild setzt dem „Kanzler Bienner“ (Werner

Klikova, im Bild mit Claudia Lugger als Claudia von

Medici) in Rattenberg ein literarisches Denkmal.

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Rund um den Campiello geht’s beim Forum Rum rund.

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Dramatische Szenen spielen sich beim Gasthof Sonne ab, wenn das Sunne Theater Imst Gerhart Hauptmanns Biberpelz spielt.

Autor und Regisseur Manfred Schild im Kreise der Darsteller bei den Schlossbergspielen Rattenberg

63

Große Erwartungen kann man unter

diesem Gesichtspunkt in die Au� ührung

des Theatervereins Rum setzen, der sich

für „Campiello“ mit dem Regisseur Markus

Plattner zusammengetan hat und mit ihm

das bisher größte Projekt seiner 20-jähri-

gen Geschichte verwirklicht. Die Auswahl

des Stückes hat unmittelbar mit dem

Spielort zu tun, dem Freiluftbereich des

Forums in Rum: Denn der dem Theater-

stück seinen Namen gebende Campiello

ist ein Platz in Venedig, rund um den sich

Szenen von „Unterhaltung und Streiterei,

Eifersucht und Liebschaften, Betrug und

Lust“ abspielen – ein ganz normaler Ort

kleinbürgerlichen Zusammenlebens also,

wie er in jedem Dorf zu fi nden ist und auch

auf der mehrstöckigen Freiluftbühne in

Rum entstehen wird.

Das verbindet die Rumer mit den

Stummern, denn eines der Hauptprojekte

des Theater- und Kulturfestivals „Stummer

Schrei“, das alle zwei Jahre im Zillertal

stattfi ndet, ist die Urau� ührung des Auf-

tragswerkes „Für immer Stumm“ von Ulli

Brée. Der Autor, der unter anderem für

Fernsehproduktionen wie „Vier Frauen

und ein Todesfall“ und „Der schwarze

Löwe“ verantwortlich zeichnet, hat für den

Verband Zillertaler Volksschauspiele (VZV)

eine Art moderne Bauernkrimiposse mit

Gesang entworfen, die als Spiel im Spiel

konzipiert ist und somit quasi in der realen

Welt des Zillertales als ländlicher Krimi in

Szene gesetzt wird.

Geschichte spielen. Dass sich die

Schauspieler des VZV gegenseitig an die

Gurgel gehen, muss man trotzdem nicht

fürchten. Dass man auf den Tiroler Bühnen

aber durchaus auch Ernstes zu sehen be-

kommt, zeigen die Au� ührungen in Tulfes

und bei den Geierwally Freilichtspielen in

Elbigenalp. Für den Glockenhof hat Ekke-

hard Schönwiese aus Shakespeares „Ro-

meo und Julia“ „Romed und Julia“ gemacht,

Claudia Lang bespielt ihre „Hausbühne“ in

Elbigenalp mit dem Stück „Eine Handvoll

Heimat“, das von der Emigration von Tiro-

lern und Rheinländern nach Pozuzo in Peru

Mitte des 19. Jahrhunderts erzählt. Damit

knüpft Lang an eine ganze Reihe von Sozi-

aldramen bei den Geierwally Freilichtspie-

len an, die sich mit der Geschichte Tirols

beschäftigten. Und vielleicht gelingt es auf

diese Weise ja am besten, die Menschen

auf und vor der Bühne mit ihrer eigenen

Geschichte in Verbindung zu bringen und

die Erlebnisse der dargestellten Figuren

nachfühlen zu können. ×

„Der Anspruch der Bühnen verändert sich“Priska Teran vom Theater Verband Tirol im Interview

S AISON: Wie viele Theatergruppen und Schauspieler gibt es in Tirol? PRISKA

TERAN: Dem Theater Verband Tirol gehören zirka 300 Mitgliedsbühnen an,

insgesamt spielen ungefähr 7000 Personen regelmäßig, manche von ihnen

einmal, manche dreimal pro Jahr.

Sind vor allem Laien im Theater Verband organisiert? Rund 90 Prozent der Schau-

spieler sind Laienspieler, die in ihrer Freizeit Theaterarbeit betreiben.

Welche Fortbildungen bietet der Theater Verband Tirol an? Wir veranstalten einmal

pro Jahr die Bildungstage am Grillhof, bieten Schauspieltraining, Regielehrgänge,

Kurse für Maskenbildner, Clowntheater, Kindertheater usw. an. Das Angebot richtet

sich nach den Bedürfnissen der Spieler.

Schlägt sich dieses Angebot in der Arbeit der Laientheater nieder? Ja, wir bemer-

ken, dass sich der Anspruch der Bühnen verändert. Die Auswahl der Stücke geht

immer mehr vom Bauerntheater weg – hin zu Boulevardkomödien, klassischen

Komödien und ernsten Stücken. Auch ein Trend zur Moderne ist feststellbar.

Vielen Dank für das Gespräch. ×

SOMMERTHEATERSTADTTHEATER KUFSTEIN: Bert Brecht/Kurt Weill, Die Dreigroschenoper, Festung Kufstein, 5. Juni bis 8. Juli 2010THEATERVEREIN RUM: Carlo Goldoni/Peter Turrini, Campiello, Forum, Rum, 11. bis 26. Juni 2010SUNNE THEATER IMST: Gerhart Hauptmann, Der Biberpelz, Gasthof Sonne, Imst, 12. Juni bis 11. August 2010SCHLOSSBERGSPIELE RATTENBERG: Manfred Schild, Kanzler Bienner, Rattenberg, 2. Juli bis 7. AugustFREILICHTSPIELE AM GLOCKENHOF: Ekkehard Schönwiese, Romed und Julia, Glockenhof, 2. Juli bis 7. August 2010GEIERWALLY FREILICHTSPIELE: Claudia Lang, Eine Handvoll Heimat, Elbigenalp, 9. Juli bis 28. August 2010FREILICHTTHEATER SCHLOSS STUMM: Stummer Schrei, Stumm, 10. Juli bis 29. August 2010

Die Termine aller Veranstaltungen fi nden sich auf www.theaterverbandtirol.at

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65 SAISON

KOMMENTARE

Was sagt der Hund, wenn er bellt? VON ALOIS SCHÖPF

Im Donauknie VON ERNS T MOLDEN

VON ALOIS SCHÖPF

Alois Schöpf lebt als Journalist und Schriftsteller in Lans.

Ernst Molden lebt als Dichter und Songwriter in Wien. Eben wurde sein Sing-spiel „Häuserl am Oasch“ am Rabenhoftheater uraufgeführt.

D ie Umgebung von Reith im Alpbachtal ist eine

Idylle. Die Höfe liegen inmitten von Feldern und

schauen aus, als kämen sie aus dem Kramsacher

Höfemuseum. Dabei werden sie noch immer

bewirtschaftet, und das mit viel Gespür für Schönheit. Und mit

viel Gespür für den Gast, der daran vorbeigeht. Denn nicht nur

die Wege sind bestens markiert, auch kein Hund passt auf, um

die Bewohner vor bösen Fremden zu schützen. Nur ein paar

verschlafene Katzen streifen herum oder liegen faul in der Sonne.

Dass dies nicht selbstverständlich ist, bestätigte mir das

französische Ehepaar, mit dem ich in Reith unterwegs war: In

Frankreich gehören aggressive Kettenhunde zu jedem Hof. Und

ich erinnere mich an Hape Kerkelings Buch über seine Pilgerreise

nach Santiago de Compostela: Wenn es richtig brenzlig wurde,

waren es meist streunende Hunde, die ihm den Weg verstellten.

Oder ich erinnere mich an die Promenadenmischungen in Ab-

bano und Montegrotto, die aus betonierten Palladio-Vorstadt-

imitaten hervorschießen und penetrant in den Himmel klä� en:

Hau ab! Du bist hier unerwünscht!

Ich habe mit Hunden Probleme. Ich fürchte mich vor ihnen

und das merken sie natürlich, was alles noch schlimmer macht.

M eine Liebste und ich haben nach unglaublichen

acht Jahren im Dienste unserer Brut den ersten

zweisamen Kurzurlaub unternommen, es ging

nach Ungarn. Wir bezogen in Budapest zwei

unglaublich komfortable Nächte lang das einmalige Jugendstilhotel

Gellert, ein Haus, das mit seinem angeschlossenen, grottenartigen

Thermalbad wirkt, als habe der Architekt seinerzeit ein Märchen-

buch aus seinen Kindertagen in die dritte Dimension überführt.

Vielfarbige Glasfenster, auf denen sich magyarische und maurische

Motive begegnen, Türmchen, Treppen

und geheimnisvolle Lifte, die, von al-

ten Budapester Damen gesteuert, in

dämmrige Gegenwelten abtau-

chen. Endlose Korridore,

dämp fende Teppiche,

hallende Stiegenhäuser, enorme Säle. Ein Hotel

wie eine Geschichte von Roald Dahl. Und dann

dieses Bad: Die Therme im Gellert ist ö� entlich, je-

der Budapester darf sie besuchen, den Hotelgästen

steht allein das Privileg frei, im plüschigen Bademantel

mit einem dieser exklusiven Aufzüge direkt in die Welt des

Dampfes abzutauchen.

Und da unten hockt oder dümpelt oder

schwimmt man dann, von feuchten Schwaden

umwabert, Seite an Seite mit dem baden-

den Budapester. Und dieser ist, wie der

Budapester im Allgemeinen, ein hoch-

freundlicher Mensch. Auf eigene Ent-

Daher gestehe ich auch, dass ich jedes Herrl, das mir

mit sadistischem Grinsen versichert, noch niemals

habe sein Viecherl jemanden gebissen, am liebsten auf

den Mond schießen würde. Ich will nicht nur nicht ge-

bissen werden. Ich will auch nicht angebellt werden.

Und ich will auch nicht Angst haben müssen.

Da es viele Leute gibt, die sich vor Hun-

den fürchten, ist es nicht unerheblich für den

Tourismus eines Landes und für die Qualität

seiner Gastfreundschaft, ob ein Gebiet hun-

deverseucht ist oder nicht.

Ich statte daher all den

Tiroler Bauern, Villen- und Hausbesit-

zern, die dem Spaziergänger und Wanderer einen

klä� enden Köter ersparen, meinen herzlichen Dank

ab. Und ich begrüße es, was alle anderen betri� t,

mit Freude, wenn die Einführung des Hundeführer-

scheins, kombiniert mit saftigen Strafen, in immer mehr Ländern

zumindest ein gesteigertes Problembewusstsein erkennen lässt.

Denn in einer Gesellschaft, in der bestimmte Zeitgenossen

auszucken, sofern jemand im Nichtraucherbereich zur Zigarette

greift, ist es höchste Zeit, dass angesichts jährlich Hunderter von

Bissen und nicht wenig Totgebissener der Hund auch als das be-

trachtet wird, was er noch immer mehr oder weniger ungestraft

sein darf: eine äußerst gefährliche Wa� e! ×

spanntheit bedacht, gönnt er diese auch dem Nächsten, wobei

er sich grundlegend vom Wiener, zweihundert Donaukilometer

aufwärts, unterscheidet, der, äh, andere Vorzüge hat.

Unsere Tage in der ungarischen Kapitale vertieften diesen

Eindruck, ebenso wie die lange, verzögerte, staunende Heimfahrt

durch das Donauknie.

Der touristische Ansatz der Ungarn scheint zu sein, alles

das, was man selbst am meisten genießt, dem Besucher genauso

anzubieten. Die Ungarn lieben das Dampfbad, der Reisende wird

ebenfalls dazugebeten. Die Ungarn verzehren für ihr Leben gern

Wels in unglaublich geiler, paprikalastiger Sauce, man reicht das

Gericht auch dem Touristen. Der Tourist fährt ins malerische

Donaudörfl ein Szentendre, dort ergeht sich auch der Magyare

bei Speis, Trank und Donaukorso.

In der Welt des so verfeinerten, vielfältigen, hochkompe-

tenten Austro-Fremdenverkehrs taucht dann doch immer wieder

das gespenstische Gefühl eines Potemkinschen Dorfes auf, dass

also hier etwas her- und vorgezeigt werde, was es (für die Hie-

sigen) eigentlich nicht gibt. Da wären die Ungarn, genauso wie

beim Thema Entspanntheit, willige Lehrmeister. ×

„Es ist nicht unerheblich für den Tourismus eines Landes und für die Qualität seiner Gastfreundschaft, ob ein Gebiet hundeverseucht ist oder nicht.“

„Der touristische Ansatz der Ungarn scheint zu sein, alles das, was man selbst am meisten genießt, dem

Besucher genauso anzubieten.“

ten Budapester Damen gesteuert, in

dämmrige Gegenwelten abtau-

chen. Endlose Korridore,

dämp fende Teppiche,

hallende Stiegenhäuser, enorme Säle. Ein Hotel

wie eine Geschichte von Roald Dahl. Und dann

dieses Bad: Die Therme im Gellert ist ö� entlich, je-

der Budapester darf sie besuchen, den Hotelgästen

steht allein das Privileg frei, im plüschigen Bademantel

mit einem dieser exklusiven Aufzüge direkt in die Welt des

Dampfes abzutauchen.

Und da unten hockt oder dümpelt oder

schwimmt man dann, von feuchten Schwaden

umwabert, Seite an Seite mit dem baden-

den Budapester. Und dieser ist, wie der

Budapester im Allgemeinen, ein hoch-

66 SAISON

NACHGEFRAGT

DREI SCHÖNE ORTE AUF DER WELT (AUSSERHALB TIROLS): Pucon – Chile, Bariloche – Argentinien, Fuschl am See

DIE GRÖSSTEN TUGENDEN IM TOURISMUS: Gästebindung durch Freundlichkeit, Ehrlichkeit und

Begeisterung für die eigene Region

DIE GRÖSSTEN SÜNDEN IM TOURISMUS: Kirchturmdenken, Fließbandabfertigung, den Wandel der

Ansprüche negieren

WO HÖRT EXTREM AUF UND FÄNGT VERRÜCKT AN: Selbstüberschätzung und neurotische Selbstdarstellung führen gerne

zu Produkten oder Aktionen, die nur mehr peinlich und lächerlich sind

DIE GRÖSSTE HERAUSFORDERUNG MEINES LEBENS: Schicksalsschläge zu bewältigen

DAS BRAUCHT EIN VERANSTALTER NEBEN GUTEN NERVEN: Ein super Netzwerk und das Gespür, die richtigen Acts am

richtigen Ort und zum richtigen Zeitpunkt zu planen

DIE STÄRKEN DES TIROLER TOURISMUS: Einzigartige Infrastruktur, eine erschlossene Natur und eine

über Generationen erlernte Dienstbarkeit am Gast

DIE SCHWÄCHEN DES TIROLER TOURISMUS: Dass wir uns von unseren Stärken abwenden, den Tourismus oft

als Belastung, als Sündenbock sehen, dass von unserer ehrlichen Gastfreundschaft nicht mehr viel übrig ist und immer weniger im Tourismus arbeiten wollen

DAS LANGWEILT MICH: Menschen, die in ihrer naiven, konservativen Art alles kritisieren,

alles verhindern, nichts bewegen, aber auf ihr Recht auf Arbeit, Strom, Auto etc. pochen

DA HABE ICH MICH DAS LETZTE MAL GEFÜRCHTET: Wenn einem durch Umweltkatastrophen wie die lecke Ölplattform vor

den USA wieder mal bewusst wird, wie dumm die Menschheit und wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass menschliche Gier den ganzen Planeten zerstört

DIE BESTE IDEE DER LETZTEN FÜNF JAHRE: Börsenspekulanten den Garaus zu machen, da sie mit Arbeitsplätzen

und somit Menschenleben gambeln

LETZTER URLAUB (WANN UND WO): Jänner 2009 in Pucon, Chile

RESPEKT HABE ICH VOR: Persönlichkeiten, die was bewegen, was verändern, was tun, von der

Politik über die Wirtschaft bis hin zum Tier- und Umweltschutz

ICH LERNE VON: Allem und jedem um mich herum, da heißt’s gute Dinge annehmen und

weitergeben, schlechte Dinge abstellen und zu verhindern suchen

DAS KÖNNEN TIROLS TOURISTIKER GUT GEBRAUCHEN: Den Pioniergeist und die positive Einstellung zum Tourismus

ihrer Väter und Großväter

1 5 FR AG EN A N . . .

Hansi Neuner

Hansi Neuner ist Ideengeber und Geschäftsführer des kürz-lich erö� neten Outdoor-Erleb-nisparks Area 47 am Eingang des Ötztales.

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