Saison 03/2011

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Warum Gäste gute Geschichten und starke Bilder lieben STORYTELLING TOURISMUSMAGAZIN | AUSGABE 03/11 | SOMMER 2011 P.b.b. | VERLAGSORT: 6020 INNSBRUCK | 10Z038387M

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Storytelling - Die Kunst des Erzählens. Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Doch damit einer überhaupt eine Reise tut, muss man ihm erst was erzählen. Die Marketingtechnik des Storytellings wird auch im Tourismus immer wichtiger.

Transcript of Saison 03/2011

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Warum Gäste gute Geschichten und starke Bilder lieben

STORYTELLING

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StiCHWort

STORYTELLINGEine Erzählmethode, mit der Zuhörer in eine

Geschichte emotional eingebunden werden.

So wird das zu vermittelnde Wissen besser

verstanden und angenommen. Storytelling dient

neben der Unterhaltung durch Erzähler unter

anderem auch als Methode im Bildungswesen, im

Wissensmanagement und im Marketing.

Österreichs beliebteste TV-Spots 2010 Danone actimel: „Herbert, trink das!“

Wiener Zucker: „Lipizzaner“

Rekord Fenster: „Das schnellste

Fenster Österreichs“

Mömax: „Lass dich nicht von deinen

Möbeln blamieren“

Darbo Konfi türe: „secret“

„Kindern erzählt man Geschichten zum Einschlafen – Erwachsenen, damit sie auf wachen.“JORGE BUCAY, schriftsteller

„Wahrheit ist zweitrangig, solange wir an eine Geschichte glauben und glauben wollen.“WERNER T. FUCHS, Werber und storyteller

„Was nicht als Geschichte erzählt wird, hat keine Bedeutung.“ DIETER HERBST, PR-Experte und autor des Buches „storytelling“

VerschollenDer Hitchcock-Film

„The Mountain

Eagle“, der in den

20er-Jahren in

obergurgl gedreht

wurde, gilt bis heute

als verschollen. Das

British Film institute

hat ihn jetzt zum

meistgesuchten Film

der Welt ernannt

– auch das eine

starke Geschichte.

Geschichten-Erzähler waren in

Zeiten vor der alphabetisierung

in allen Gesellschaften hoch

angesehen. sie waren meistens

die einzigen informanten und

verfügten über großes Wissen.

Das Erzählen war ausschließlich

Männern vorbehalten, zum ge-

sellschaftlichen status kam eine

verhältnismäßig gute Entlohnung.

Zahlen, bitte

10.000Das einzige Erzählfestival Österreichs, „fa-

belhaft! niederösterreich“, überschritt im

Jahr 2010 erstmals die 10.000-Besucher-

Marke.

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Echt Tirol

Vor wenigen Tagen wurde Tirols au-

ßergewöhnliches Fotoprojekt „sight-_

seeing“ in Berlin vorgestellt und mit

viel applaus bedacht. Zur Erinnerung:

sieben Fotografen, die zur Elite der europäischen Land-

schaftsdokumentaristen zählen, waren im vergangenen

sommer in Tirol ausgeschwärmt, um persönliche sehn-

suchtsorte zu entdecken und mit der Kamera einzufan-

gen. nach ausstellungen in innsbruck und Wien be-

geistert die außergewöhnliche Fotodokumentation nun

auch in der deutschen Bundeshauptstadt. Deutlich wird

bei all diesen Präsentationen, dass die ungeschminkte

Landschaftsfotografi e, die sich radikal von den ge-

schönten Katalogbildern der Werbung distanziert und

einen zeitgenössischen Blick auf oftmals unbekannte

Tiroler sehnsuchtsorte wirft, gleichermaßen fasziniert

wie bewegt. Es bleibt kein Zweifel: Der Blick – ungetrübt

vom scheinbaren, vom inszenierten, vom Komponier-

ten – hin zum Echten, das tatsächlich so ist, wie es ist,

weckt Emotionen.

so intensiv wir den in den Details nicht mehr ver-

stehbaren, oftmals auch negativen auswirkungen der

globalisierten Welt ausgesetzt sind, so heftiger scheinen

wir uns das Glück des Überschaubaren, des Regionalen,

des Echten zu wünschen. Die Rückkehr zum menschli-

chen Maß, das der berühmte österreichische Philosoph

und nationalökonom Leopold Kohr einst einmahnte, darf

nicht erst angesichts von EHEC-Hysterie und weltweiter

Finanzkrise als Chance für den kleinteiligen alpentouris-

mus verstanden werden. auch der Lebensmittelhandel

hat dies längst erkannt und bedient mit Marken wie „Zu-

rück zum Ursprung“ die sehnsucht von Massen.

Authentische Tiroler Identität. Es gibt mitt-

lerweile auch genügend indizien dafür, dass das Echte

geistreich in szene gesetzt, Tirols Gäste begeistert. Ge-

rade dieser Tage feierte eine in diesem Geiste sensibel

und behutsam entwickelte Tiroler sommerattraktion ein

rundes Jubiläum. seit zehn Jahren zieht das Hexenwas-

ser in Hochsöll geradezu magnetisch all jene in seinen

Bann, die die alpine Bergwelt mit allen sinnen entdecken

wollen. „staunen – begreifen – verstehen“ ist auch im

zehnten sommer das hinweisgebende Erfolgsrezept des

weitläufi gen wie vielseitigen Erlebnis-areals. 1,5 Millionen

Besucher hat das Hexenwasser bislang gezählt. Und die

Faszination ist – nicht zuletzt ob der dargebotenen echten

Qualität – ungebrochen. aber auch viele initiativen, die

heuer mit dem Tirol Touristica geehrt werden, stellen

regionale stärken unseres Landes gekonnt in szene. Der

kulinarische Jakobsweg Paznaun, der Karwendelmarsch

oder Josef Ziepl, der unter anderem die alpenschule be-

gründete, stehen exemplarisch für diesen erfolgreichen

Tiroler Weg.

Der touristische Erfolg unseres Landes wird somit

vielleicht noch stärker als bisher in den echten Details zu

fi nden sein, in einer authentisch gelebten und zeitgemäß

präsentierten Tiroler identität. nur wer seine Vergan-

genheit kennt, hat eine erfolgsversprechende Zukunft.

Denn letztendlich bestimmt unsere Geschichte auch die

Geschichten, mit denen wir überzeugen. Wie wir unsere

Geschichten rund um den vielseitigen Tiroler Bergsom-

mer stimmig, echt und eindringlich erzählen – dieser

Herausforderung widmen wir uns heuer beim Tiroler

Tourismusforum. Tirol entwickelt seine anziehungskraft

jedenfalls in der summe regionaler Besonderheiten, in

einer strategisch geplanten Landeskommunikation, die

diese stärken im internationalen Kontext verstärkt. „Echt

Tirol“ – das mag somit auch als richtungsweisend für eine

erfolgreiche Tirol Werbung zu verstehen sein. Das gilt auch

für die institution „Tirol Werbung“, die einerseits in einem

neuen Zusammenspiel mit den 34 Tourismusverbänden

Kräfte bündeln kann, dabei andererseits aber nie die Mar-

kenkommunikation Tirol aus dem auge verlieren darf.

Die starken Bilder aus dem starken Land sind zu

Recht nie von lokalen Einzelinteressen beeinfl usst. Denn

die Marke Tirol ist in aller Welt bekannt und beliebt. Und

dieses Wissen bestimmt auch künftig unseren gemeinsa-

men auftrag: Die anziehenden, echten Kernwerte Tirols

noch stärker als bisher zeitgenössisch, überzeugend und

authentisch zu zeigen und erlebbar zu gestalten! ×

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editorial

Die Rückkehr zum menschli-chen Maß, das der berühmte österreichische Philosoph und Nationalökonom Leo-pold Kohr einst einmahnte, darf nicht erst angesichts von EHEC-Hysterie und weltweiter Finanzkrise als Chance für den kleinteiligen Alpentourismus verstanden werden.

Der touristische Erfolg un-seres Landes wird vielleicht noch stärker als bisher in den echten Details zu finden sein, in einer authentisch gelebten und zeitgemäß prä-sentierten Tiroler Identität.

Der Blick – ungetrübt vom Scheinbaren, vom Inszenier-ten, vom Komponierten – hin zum Echten, das tatsächlich so ist, wie es ist, weckt Emotionen.

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INHALT

IMPRESSUMSAISON – Tourismusmagazin, Nr. 3/2011 (63. Jahrgang) SAISON-Abohotline: 0512/58 60 20

HERAUSGEBER: Tirol Werbung, Maria-Theresien-Straße 55, 6020 Innsbruck • MEDIENINHABER UND VERLEGER: target group publishing GmbH – Zielgruppen Verlag, Karl-Kapferer-Straße 5, 6020 Innsbruck • CHEFREDAKTEUR: Matthias Krapf • REDAKTION: Mag. Sylvia Ainetter, Ste� en Arora, Julia Brugger, Mag. Sonja Kainz, Mag. Jane Kathrein, Esther Pirchner, Dr. Michael Riedler • AUTOREN: Ernst Molden, Alois Schöpf • FOTOGRAFEN: Gerhard Berger, Michael Rathmayr • PRODUKTION: NERO WerbeGmbH, www.nerografi k.net • LAYOUT: Philipp Frenzel • ANZEIGENVERKAUF: Thomas Pilgram, [email protected] • ANSCHRIFT VERLAG/PRODUKTION: Karl-Kapferer-Straße 5, 6020 Innsbruck, Tel. 0512/58 60 20, Fax DW -20, [email protected] • GESCHÄFTSFÜHRUNG VERLAG: Mag. Andreas Eisendle, Michael Steinlechner • DRUCK: Niederösterreichisches Pressehaus, St. Pölten

THEMA: STORYTELLING

8Storytelling: Die Kunst des ErzählensDie Marketingtechnik des Storytellings wird auch im Tourismus immer wichtiger.

12„Menschen merken sich Geschichten“Geschichten-Erzählen ist Kunst und Handwerk zugleich. Der Schweizer Storyteller Werner Fuchs im Interview.

16Die Werber von nebenanSie sind die Fortsetzungsromane der TV-Werbung: Spots, die – manchmal über Jahre – weitererzählt werden.

18Tirol erzählt GeschichtenDie Tirol Werbung ist auf den Ge-schmack des Storytellings gekommen.

20Die Sehnsucht, gehört zu werdenDer Erzähler Folke Tegettho� über die Magie des Erzählens.

24Die Geschichten-ErzählerDie Cine Tirol vermittelt seit 13 Jahren Geschichten, die ein Stück Tirol mittransportieren.

27 TourismusForum 2011Die Gewinner des Tirol Touristica.

MAGAZIN

32Bilanz der ersten theALPS-VollversionEs war ein Risiko, theALPS in weniger als einem halben Jahr auf die Beine zu stellen, aber es hat geklappt.

34Urlaubst du schon? Karl Pall, Chef von Google Österreich, hat die meistgenutzte Suchmaschine der Welt nach Antworten durchforstet.

36Live-HilfesystemEin Hotel im Ötztal testet die virtuelle Rezeption.

38„Kein unbeschränktes Wachstum“Landesrat Christian Switak über den Raumordnungsplan „Raumver-trägliche Tourismusentwicklung“.

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40Shalom, Serfaus!In Serfaus sorgen ungewohn-te Gäste auch in der warmen Jahreszeit für volle Betten.

42Natur im ZoomDie Fotoworkshops in den Tiroler Naturparks.

44Dramatik in InnerkrottenbergBernhard Wolf und Thomas Gassner über ihr gemeinsames Stück und die Geierwally Freilichtbühne.

46Neue Töne in Oper und KonzertAb der Saison 2011/12 steht das Tiroler Symphonie orchester Innsbruck unter der Leitung zweier Diri genten.

49 Kommentare

50 Nachgefragt

„MENSCHEN MERKEN SICH

GESCHICHTEN“ 34URLAUBST DU SCHON ODER GOOGELST DU NOCH?

LIVE-HILFESYSTEM

SHALOM, SERFAUS!

STORYTELLING:DIE KUNST DES ERZÄHLENS

DRAMATIK IN INNERKROTTENBERG

DIE SEHNSUCHT, GEHÖRT ZU WERDEN

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8 SAiSoN

STORYTELLING

D ie brandneue imagekam-

pagne der Tirol Werbung

zeigt, wie es geht: Zwei

Frauen im Dirndl stehen

vor dem Eingang einer Tankstelle, in der

Hand je einen Becher. So weit die in-

formation, die das Bild dem Betrachter

tatsächlich gibt. Doch wir nehmen nicht

allein die information auf, die unsere Au-

gen liefern. Unser Gehirn denkt weiter.

So auch in diesem Fall. Beim Betrachten

des Bildes wird sofort unsere Phantasie

angeregt. Unweigerlich denkt man sich in

die Situation hinein, denkt sie weiter. Es ist

wohl frühmorgens, lässt das licht vermu-

ten. Es scheint noch etwas frisch zu sein,

sagt uns die Körperhaltung der beiden

Frauen. Beide umklammern ihren Becher,

der sie zu wärmen scheint. Wahrscheinlich

trinken sie Kaff ee, das passt zur Tageszeit.

Sie genießen wohl die Ruhe vor dem mor-

gendlichen Ansturm aufs Frühstücksbuff et

in dem Hotel, in dem sie arbeiten. Warum

sollten sie sonst Dirndl tragen? oder kom-

men die beiden Frauen vielleicht eben erst

von der Arbeit? Vielleicht wurde es wieder

einmal später, es war schon hell draußen,

als die letzten Gäste das Fest verlassen

haben. Nun noch ein gemeinsamer Tee

am Weg nach Hause, bevor es endlich in

die wohlverdienten Federn geht.

Wir wissen es nicht. Aber wir wür-

den es gerne wissen. Das Bild erzählt uns

eine Geschichte, die wir nur zu gern erfah-

ren würden. Das Bild löst Gefühle in uns

aus. Es spricht uns auf der emotionalen

Ebene an und das ist jene Ebene, die uns

weitaus mehr berührt als die rein ratio-

nale. Würde die Tirol Werbung ein Plakat

affi chieren, auf dem sie die Entwicklung

der Nächtigungszahlen der vergangenen

zehn Jahre zusammenfasst, würden wir es

betrachten und postwendend vergessen.

Die Zahlen mögen beeindruckend sein,

aber sie berühren den Betrachter nicht.

Es sind eben nur nüchterne Fakten. Und

genau diesen Umstand, dass Menschen

auf der Gefühlsebene viel eher zugänglich

und empfänglich für informationen sind,

nutzt die Technik des Storytelling, was

frei übersetzt nichts anderes heißt, als

Geschichten erzählen.

Ideales Vehikel. Diese Technik ge-

winnt in der modernen PR immer mehr

an Bedeutung. Das kommt nicht von un-

gefähr. Es war im Jahr 1996, als am renom-

mierten Massachusetts institute of Tech-

nology (MiT) in den USA Wissenschaftler,

Journalisten und Manager darüber berie-

ten, wie man lernprozesse innerhalb eines

Unternehmens so dokumentieren könnte,

dass sie das gesamte Unternehmen nutzen

kann. Die Antwort war ebenso einfach wie

wirkungsvoll: Geschichten sind das ideale

Vehikel dazu.

Der deutsche PR-Experte und Uni-

versitätsprofessor Dieter Herbst hat die

Technik des Storytellings in seinem gleich-

namigen Buch umfassend vorgestellt und

zählt mittlerweile zu den gefragtesten

Unternehmensberatern in Sachen PR im

deutschen Sprachraum. Für Herbst ist der

durchschlagende Erfolg dieser Technik

keine Überraschung. immerhin sei das

Erzählen von Geschichten so alt wie die

Sprache selbst. Und die Menschen haben

seit jeher ihr Wissen über das Medium der

mündlichen Überlieferung weitergege-

ben, sie haben es weiterzählt. „Was nicht

als Geschichte erzählt wird, hat keine

Bedeutung. Das ist sehr tief in unserem

Gehirn verankert“, sagt Herbst. Die Bibel

ist für den Experten ein Paradebeispiel

für das erfolgreiche Storytelling. letztlich

beruhe der durchschlagende und zeitlose

Storytelling: Die Kunst des ErzählensWenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Doch damit einer überhaupt eine Reise tut, muss man ihm erst was erzählen. Die Marketingtechnik des Storytellings wird auch im Tourismus immer wichtiger.

VON S TEFFEN AROR A

„Was nicht als Geschichte erzählt wird, hat keine Bedeutung. Das ist sehr tief in unserem Gehirn verankert.“DiETER HERBST, PR-EXPERTE MiT SCHWERPUNKT SToRYTElliNG

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Erfolg des Buches der Bücher auf seiner

Art der Wissensvermittlung. „Storytelling

ist nämlich im höchsten Maße gehirnge-

recht“, erklärt Herbst. Das nutzt auch die

Bibel, indem sie den Menschen christliche

Werte und Moral über eindrückliche Ge-

schichten vermittelt. Selbst überzeugten

Atheisten sind Kain und Abel, Adam und

Eva, Noah und seine Arche sowie all die

anderen Protagonisten wilder und zum

Teil grausamer Geschichten ein Begriff.

Ein Beweis mehr, dass Storytelling wirkt.

Doch Herbst warnt zugleich:

„Geschichten zu erzählen darf nicht mit

G’schichtln erzählen, wie der Österreicher

sagt, verwechselt werden.“ Wer Storytel-

ling zu PR-Zwecken einsetzen will, so der

Experte, der tut gut daran, bei der Wahr-

heit zu bleiben. „Wenn etwa Tirol damit

werben würde, dass die Gäste hier ein

toller Sandstrand mit Palmen erwartet,

würde das nicht lange gut gehen.“ Wer

wirbt, der baut Erwartungen auf. Und

enttäuschte Erwartungen brennen sich in

unser Gedächtnis, wie kaum etwas sonst,

warnt Dieter Herbst. Zwar dürfe die Wer-

bung natürlich ein wenig überzeichnen.

Damit rechnet der Kunde. Doch zu weit

sollte man sich dennoch nicht von der

Wahrheit entfernen.

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NG Zwei von der Tankstelle.

Auch Fotos erzählen Geschichten – wie dieses Motiv der Kampagne „So nah, so fern“.

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Brühl und der Kellerwirt. Wer Er-

wartungen weckt, der sollte diese auch

erfüllen können. Ein echtes Best-Practice-

Beispiel dazu lieferte der legendäre Kel-

lerwirt aus der Wildschönau, Hans Keller.

Anlässlich der Wander-Kampagne der

Tirol Werbung mit dem deutsch-spani-

schen Filmstar Daniel Brühl beehrte der

leinwandheld die urige Stube des Kel-

lerwirtes für einen PR-Termin. Brühl und

Keller verstanden sich sehr gut. Nachdem

die Werbearbeit getan war, tratschten und

zechten die beiden. Es wurde spät. Wie

spät, das verrät der Kellerwirt aus profes-

sionellen Diskretionsgründen nicht: „So

was sagt man nicht weiter.“

Jedenfalls kam im Zuge des feucht-

fröhlichen Abends die wunderbare Tiroler

Bergwelt zur Sprache. letztlich war Da-

niel Brühl ja zur Bewerbung ebendieser

in die Wildschönau gereist. Der Kellerwirt

schwärmte seinem weltbekannten Gast

vor, wie unglaublich das Gefühl sei, barfuß

die saftigen Almen zu bewandern, wenn

noch der kalte Morgentau an den Grashal-

men klebt. Die Erzählung des Kellerwirtes

war derart eindrucksvoll, dass Herr Brühl

nach nur wenigen, sehr wenigen Stunden

Schlaf aus dem Bett stieg, um in Beglei-

tung des Kellerwirtes dessen blumige

Erzählungen auf ihren Wahrheitsgehalt

hin zu prüfen. Kurzum: Schlaftrunken und

kaum ausgenüchtert lustwandelten Brühl

und Keller durchs Gebirge.

Der diskrete Wirt will auch darüber

nicht zu viel ausplaudern. Nur so viel:

„Auf halbem Weg hat er die Schuhe aus-

gezogen. Es hat ihm sehr getaugt.“ Hätte

Keller seinem Gast eine liste mit Fakten

vorgelegt, warum eine Wanderung dem

Körper gut tut und warum beim Bar-

fußlaufen durchs Almgras eventuell ein

Kneippeffekt zum Tragen kommt, er hätte

sich wohl höchstens einmal umgedreht

und weitergeschlafen.

Spiegelneuronen machen em-pathisch. PR-Experte Dieter Herbst

erklärt einen solchen Effekt, wie bei

Brühls Almwanderung beschrieben, über

die Spiegelneuronen. Das sind jene spe-

ziellen Nervenzellen, die den Menschen

empathisch, also mitfühlend machen. Er-

zählt jemand eine Geschichte dermaßen

fesselnd und ansprechend, dass sich ein

anderer so sehr in die Handlung oder han-

delnde Personen hineinversetzen kann,

dass er wünscht, am liebsten anstatt des

Erzählers das Geschilderte zu erleben, so

ist das ein Verdienst der Spiegelneuronen.

Doch, warnt Herbst, es komme immer

auch auf das Zielpublikum an. So nütze

es wenig, einem Adrenalin-Junkie schöne

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Kellers Erzählungen. Schauspieler Daniel Brühl wagte eine frühmorgendliche Bergtour

nach einem feuchtfröhlichen Abend – Schuld daran war angewandtes Storytelling.

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MEHR INFOS ZUM THEMA„Storytelling“ von Dieter Herbst, UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz 2008

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Geschichten von verträumten, romanti-

schen Almen zu erzählen. Umgekehrt

würde der Ruhesuchende Urlauber mit

Geschichten über das Abenteuerland Tirol

wenig anfangen können.

Die Technik des Storytelling kann

aber nicht allein für Betriebe oder im Falle

des Tourismus für Destinationen genutzt

werden. Mit Geschichten können vor al-

lem auch Personen in den Vordergrund

gerückt werden. Etwa Hoteliers oder

Tourismusmanager, denn Führungskräfte

repräsentieren heute ihren Betrieb nach

außen und sie bestimmen zugleich das

image der Firma maßgeblich mit, weil

sie beim Betrachter oder leser ebenfalls

Emotionen auslösen. Sie müssen ganz

einfach zu den Helden des Erzählten

mutieren. Mit interessanten Geschichten

steigt auch das interesse an der Person.

Ein Beispiel für diesen Eff ekt ist der

ehemalige deutsche Tennisprofi Boris Be-

cker. „Warum ist Boris Becker um so vieles

berühmter und beliebter als etwa Michael

Stich, der ein ebenso guter Sportler war?“,

fragt PR-Experte Herbst. Die Antwort liegt

in den Geschichten: „Becker hat selbst in

einem interview gesagt, dass er nur ja nie

aufhören darf, den Medien Geschichten

über sich und sein leben zu erzählen. Denn

nur deshalb sei er für die Menschen inter-

essant.“ Dieses gesunde Maß an Selbstein-

schätzung kann Herbst nur unterstreichen

und er teilt Beckers Meinung.

Geschichten über Personen eignen

sich hervorragend für PR-Zwecke. So ist in

der Werbung aktuell das Banker-Pärchen

der Sparkasse landesweit ein Begriff . Nicht

weil das Geldinstitut so spannende Angebo-

te zu bieten hätte. Nein, weil die beiden mit

ihrem Bürogeplänkel den Nerv abertausen-

der Zuseher treff en. Wenn die Kollegin von

ihrem Ex-Mann erzählt, der Kollege ins Fett-

näpfchen tritt, weil er sie vermeintlich für

zu alt erklärt. All das sind Geschichten, wie

sie jeder tagtäglich erlebt und die deshalb

bei den Menschen bleibende Eindrücke

hinterlassen (siehe auch Seite 16).

Digitales Storytelling. Dieter Herbst

ist sich sicher: „Storytelling ist die Zukunft.

Denn heute werden Millionen für Firmen-

kommunikation verpulvert, die nicht beim

Konsumenten ankommt, weil sie ganz ein-

fach nicht wirkt.“ Seine vollen Auftragsbü-

cher bestätigen ihn. Herbst ist ein gefragter

Berater, der mit der „jahrtausendealten

Technik“ die moderne PR-Welt aufmischt.

Dabei stellen die neuen Medien, allen voran

das internet mit dem Web 2.0, kein Hinder-

nis dar. im Gegenteil, erklärt Herbst: „Jeder

gute Witz kommt mit zwei, drei Sätzen aus.“

Storytelling muss demnach keineswegs

lang sein, es genügen knappste Sätze, wie

sie etwa beim Kurznachrichtendienst Twit-

ter verwendet werden, um inhalte über

Geschichten zu vermitteln. Derzeit ist das

„digitale Storytelling“ Gegenstand intensiver

PR- und Kommunikationsforschung. Man

darf gespannt sein, welche Ergebnisse dies

bringt.

„Wer einmal Storytelling begriff en

hat, wird seine Form der Kommunikation

ändern“, ist Experte Herbst überzeugt.

Und zum Geschichten-Erzähler kann im

Grunde jeder werden. Voraussetzung ist

Geduld, sich auf seine Umgebung ein-

zulassen und sie genau zu beobachten.

Denn die besten Geschichten schreibt der

Alltag. Es geht in der PR nur darum, Ge-

schichten so zu erzählen, dass sie sich mit

möglichst vielen lebensrealitäten decken

und dadurch eine große Zahl an interes-

sierten ansprechen. Was dabei im Gehirn

passiert, kann die moderne Wissenschaft

zwar heute besser entschlüsseln. Doch im

Grunde geht es um eine uralte zivilisatori-

sche Fertigkeit, die es wiederzuentdecken

gilt. Die Fähigkeit, den Menschen span-

nende, packende Geschichten zu erzäh-

len, die ihnen zugleich einen Mehrwert an

information liefern. ×

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12 SAISON

STORYTELLING

„ Die Menschen merken sich Geschichten“Geschichten-Erzählen ist Kunst und Handwerk zugleich. Wer es beherrscht und kreativ einsetzt, der kann sich des Erfolges recht sicher sein, sagt der Schweizer Storyteller Werner T. Fuchs.

INTERVIEW: JULIA BRUGG ER

S AISON: Herr Fuchs, Sie sind professioneller Storyteller. Von Swiss Re bis Bayersdorf, vom Weltfl üchtlingstag bis

zur Apotheke Spillmann in Zug schätzt man Ihr Handwerk. Wie sind Sie zum Sto-rytelling gekommen? WERNER T. FUCHS:

Über das Leben. Vor 23 Jahren wurde ich

Vater einer schwerbehinderten Tochter.

Aus einer Art akademischer Verzweifl ung

heraus begann ich mich mit dem Gehirn

und der Neurologie zu beschäftigen. Da-

bei entdeckte ich, dass es überregionale

und überzeitliche Muster im Gehirn gibt.

Eines davon ist die Wahrnehmung, Wie-

dergabe und Speicherung von Informati-

on über Geschichten.

Wieso merken wir uns Information über Geschichten leichter? Weil sie existenzielle

Themen wiederholen: Überleben, Anpassen,

Fortpfl anzen. Die Hollywood-Regisseure

haben das schon längst herausgefunden.

Aus dem schieren Überlebensdrang sind

wir fast dazu verdammt, Geschichten inte-

ressant zu fi nden. Das Gehirn sucht ständig

nach Antworten auf die brennenden Fragen

und selektiert, ob eine bestimmte Informa-

tion nützlich ist oder nicht. Geschichten

behandeln diese Themen.

Von welchen Themen sprechen Sie da?

Das sind archaische Gegensatzpaare wie

Leben und Tod, Liebe und Hass, Frau und

Mann, Ankunft und Abschied, Gut und

Böse, Suchen und Finden und so weiter.

Aber sie sind begrenzt. Es gibt maximal 30

davon. Man kann mit ihnen dann spielen

und sie variieren. Dazu braucht es aller-

dings auch Kreativität.

Das klingt nach banaler Schwarz-Weiß-Malerei. Ja, ist es auch. Denn, das Un-

bewusste, das uns steuert, muss schnell

entscheiden: das tut mir gut – das tut mir

nicht gut, das kann ich brauchen – das

kann ich nicht brauchen und so weiter. Es

wertet ganz grob, weil es schnell gehen

muss. Habe ich eine Fünf in der Schul-

arbeit oder eine Vier? Das ist eine Art

Selektionsmechanismus.

Das klingt sehr darwinistisch. Der Mensch ist ja auch zur Refl exion fähig. Und die nimmt etwas mehr Zeit in Anspruch. Sie reduzieren den Menschen lediglich auf das Stammhirn. Wenn ich wenig

über die Vernunft spreche, dann heißt

das natürlich nicht, dass die evolu tionär

neuste Akquisition des Gehirns keine Rol-

le spielt. Ich stelle das Unbewusste und

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13

damit die Geschichten auch deshalb in

den Vordergrund, weil das „Ich“ so gerne

daran glaubt, es sei Herr im eigenen Haus.

Doch wie die wahren Kräfteverhältnisse

aussehen, das brachte einer der größten

deutschsprachigen Geschichten-Erzähler

schon vor über 200 Jahren auf den Punkt.

Denn Goethe ließ den Teufel Mephisto

seinem Faust ausrichten: „Du glaubst zu

schieben, und du wirst geschoben.“ Von

erlebten und vernommenen Geschichten,

könnte man noch anfügen.

Weshalb bedient sich die Werbung der Geschichten-Erzählung? In guten Ge-

schichten erkennt man sich wieder. Je

eher ich mich in einer Geschichte wie-

derfi nde, umso sympathischer fi nde ich

sie. Ich stelle die These auf, dass man

Erfolg hat, wenn man sich an die Regeln

des Geschichten-Erzählens hält. Denn

die Menschen merken sich Geschichten.

Man muss natürlich die richtigen Themen

wählen und sie entsprechend entwickeln.

Was müssen diese Geschichten außer den genannten Themen enthalten, um erfolgreich zu sein? Am erfolgreichsten

sind Geschichten, die an die Kindheit, an

die Pubertät oder an ein Ersterlebnis erin-

nern. Wieso? Weil sich in der Kindheit das

Gedächtnis entwickelt und dort die meisten

Verknüpfungen entstehen. In der Pubertät

wird im Gehirn ziemlich umgeschichtet,

und Ersterlebnisse speichert das Gehirn

am intensivsten. Denken Sie nur an Ihren

ersten Sex. War der gut, dann braucht das

Gehirn etwa zehn Negativerlebnisse, bis es

weiß: Nein, das war nicht gut. Ersterlebnisse

bleiben also abgespeichert, bis genügend

ZUR PERSONDr. Werner T. Fuchs wurde 1952 in Zürich ge-boren, wo er später auch Germanistik sowie Theologie studierte und promovierte. Nach verschiedenen Tätigkeiten im In- und Ausland erlernte er 1989 das Handwerk eines Texters und Konzepters bei der renommierten Werbe-agentur CASH RSCG. Stark beeinfl usst von den Ideen des Franzosen Jacques Séguéla stieß er schon früh auf den Ansatz des Storytelling. 1988 wurde seine Tochter Olivia geboren, de-ren schwere Behinderung Werner T. Fuchs zur intensiven Auseinandersetzung mit den Neuro-wissenschaften brachte. Um diese Forschungs-resultate konkret auf den praktischen Alltag zu übertragen, gründete er Ende 1999 Propeller Marketingdesign. Seine Arbeiten erhielten ver-schiedene Auszeichnungen, unter anderem die Marketing Trophy des Schweizerischen Marke-ting Clubs. Er ist Autor verschiedener Bücher zum Thema Neuromarketing und Storytelling.

www.propeller.ch

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Der Experte: Werner T. Fuchs

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Gegeninformation kommt. „Ändern nur,

wenn nötig!“ lautet die Erfolgsformel des

Gehirns. In den erwähnten Perioden wer-

den Informationen stärker gespeichert.

Was bedeutet das nun für die Werbung?

Wenn Sie auf einer Werbung ein schiefes

Zelt sehen, dann bleibt das eher hängen

als ein perfekt aufgestelltes Zelt. Denn

es erinnert an den ersten Urlaub, in dem

das Zelt wie ein verwehter Fetzen in der

Landschaft hing. Ein Campingstuhl oder

ein Rucksack auf einem Foto kann gleich

wesentlich höhere Identifikation auslösen,

da er mich als Betrachter in die Geschichte

hineinzieht. Storyteller arbeiten mit Su-

perzeichen.

Gibt es Geschichten, die nicht funktio-nieren? Jede Geschichte – so sie denn

eine ist – funktioniert irgendwie. Manche

funktionieren eben besser. Je klarer das

Thema ersichtlich wird, je mehr eine Ge-

schichte mit den drei Perioden zu tun hat,

je mehr mich eine Geschichte an bereits

bekannte Geschichten erinnert, je mehr

sie im kulturellen Gedächtnis gespei-

chert ist, umso erfolgreicher ist sie. Die

Grimm‘schen Märchen sind ein Klassiker.

Sie dienen Storytellern als eine Art Leitfa-

den. Denken Sie an „Pretty Woman“. Das

ist das moderne Aschenputtel.

Was ist in Ihren Augen eine Werbung, die erfolgreich auf Storytelling setzt?

Nutella. Vielleicht erinnern Sie sich noch,

dass es jahrzehntelang diesen unglaub-

lich langweiligen Spot mit der Familie

am Frühstückstisch gab. Dann änderte

sich etwas. Ich sah Kurzgeschichten aus

meiner Kindheit, Pubertät und vom ersten

Mal. Pfützen, in die wir auf dem Schulweg

sprangen. Ein Schlagzeug, das auf seinen

jungen Drummer wartet. Verkehrsbusse,

die ich noch knapp erwischte. Achter-

bahnen, die ich für den ersten Kuss miss-

brauchte – eine Reihe von Erlebnissen, die

jeder aus eigener Erfahrung kennt. Diese

Erlebnisse holen mich ab, wo ich gerade

bin. Die eigentliche Botschaft ist dann

kurz und prägnant: Der Morgen macht

den Tag. Nutella.

Was kann für die Werbung erfolgreich genutzt werden? Alte Motive, die im kul-

turellen Gedächtnis verankert sind, eignen

sich wunderbar. Am besten neu interpre-

tiert oder mit Witz. Heidi ist eines dieser

Beispiele für die Schweiz. Solche Motive

brauchen zwei bis drei Generationen, bis

sie im kollektiven Gedächtnis verankert

sind. Und es ist bekannt, dass Geschich-

ten von den Eltern ein größeres Gewicht

haben. Vor 500 Jahren waren es die

Söldnergeschichten, weil die Schweizer in

ausländischen Kriegen tätig waren. Es gab

also zahlreiche Heldengeschichten. Dazu

gehört ein Wilhelm Tell, den es so nicht

gab, aber an den man glauben wollte.

In Tirol hätten wir da Andreas Hofer. Um

ihn herum wurden Geschichten entwi-

ckelt, die sich so nie zugetragen haben.

Doch man glaubt sie dennoch und sie

halten sich hartnäckig. Das ist kein Wun-

der. Wahrheit ist zweitrangig, solange wir

an eine Geschichte glauben und glauben

wollen. Aber eine gute Geschichte hat

eben immer auch einen Helden. Und

wenn es den nicht gibt, dann muss man

einen möglichen Helden suchen und pas-

sende Geschichten für ihn finden. Bei uns

hat man für die ersten Industriekapitäne

wie Alfred Escher Denkmäler gesetzt.

Ob zu recht oder zu unrecht, ist egal. Er

gilt als Held, und das zählt. Am besten ist

natürlich eine Dreieckskonstellation: Held,

Feind, Helfer. Und wieder haben wir das

evolutionäre Grundthema: Wenn ich den

Feind kenne, überlebe ich eher. Wenn ich

die Helfer kenne, bringt das einen Wett-

bewerbsvorteil.

Wie hält es sich mit dem Wahrheitsgehalt von Geschichten? Müssen sie authen-tisch sein? Oft kommt der Einwand, dass

eine Geschichte getürkt oder inszeniert

sei. Ja, ist sie auch oft. Aber sie ist eben

eine Geschichte, die auch sein KÖNNTE.

Natürlich handelt es sich dabei um Mani-

pulation. Aber ich sage meinen Studenten

immer, wer nicht manipulieren möchte,

der geht nicht ins Marketing. Geschichten

haben zudem einen erzieherischen, mo-

ralischen Effekt. Da spielt der Wahrheits-

gehalt auch nicht so die zentrale Rolle.

Wie kann man Storytelling im Touris-mus nutzen? Ich kenne einen Hotelier,

der veranstaltete ein Mofarennen. Die

60-jährigen Gäste, die sonst nur von

einem Golfhotel ins nächste tingeln, be-

kommen plötzlich glänzende Augen. Da

erwachen Jugenderinnerungen. Ohne

Mofa hatte man bei den Mädels keine

Chance. Erinnern Sie sich an das evolu-

tionäre Grundthema Fortpflanzung. Das

wird hier angesprochen. Außerdem war

man aus der Gruppe ausgeschlossen,

wenn man kein Mofa hatte. Hier wird das

Thema Anpassung angesprochen. Das

heißt, ich suche für meine Kunden solche

Geschichten oder baue ihre Geschichten

um. Im Tourismus geht es darum, dass

ich Gäste locke. Das finde ich spannend.

Das ist wie eine Partnerwerbung. Das ist

Dating. „Schlaf nicht mit mir, aber schlaf

bei mir.“ Und schon hab ich eine Ge-

schichte. Da gibt es den Nebenbuhler, die

Anstandsdame, die Mutter, die ihre Toch-

ter nicht aus dem Haus lassen möchte ...

Vielen Dank für das Gespräch. ×

„Ich kenne einen Hotelier, der veranstaltete ein Mofarennen. Die 60-jährigen Gäs-te, die sonst nur von einem Golf-hotel ins nächste tingeln, bekom-men plötzlich glänzende Augen. Da erwachen Jugenderinne-rungen. Ohne Mofa hatte man bei den Mädels keine Chance.“WERNER T. FUCHS

Page 15: Saison 03/2011

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Page 16: Saison 03/2011

16 SAISON

STORYTELLING

O bwohl die Charaktere

am Anfang – 1999 –

eher durchschnittlich

aufgenommen worden

waren, wuchs die fi ktive Familie Putz

den Österreichern über die Jahre so sehr

ans Herz, dass die Möbelhaus-Reklame

2008 auf Platz 2 der Beliebtheitsskala

lag – geschlagen nur von Spar und Mir-

jam Weichselbraun, der sowieso keiner

widerstehen kann. Mithin ist das jahre-

lang durchgehaltene Konzept, das den

kreativen Köpfen von Demner, Merlicek

& Bergmann entsprungen ist, ein gutes

Beispiel dafür, wie weit man es mit Story-

telling in der Werbung bringen kann: Wer

eine Geschichte nur lange genug erzählt,

wird irgendwann einmal Gehör und sogar

Zuneigung fi nden.

Für die Familie Putz bedeutet das,

dass aus der Mikro-Sitcom der Anfänge

eine Art Telenovela im Kleinen geworden

ist. In bisher rund 120 Werbespots durfte

Sohn Putzi erwachsen werden und in Ixi

eine Freundin fi nden, während sich Tru-

de Fukar, die Darstellerin der Oma Putz,

89-jährig in eine Seniorenresidenz verab-

schiedete – unkommentiert ersetzt durch

eine andere Schauspielerin, wie man das

aus Serien wie „Reich und schön“ oder

„California Clan“ kennt.

Identifi kation. Wer sich wie die Firma

XXXLutz der Technik des Geschichten-

Erzählens bedient, um seine Marke in

Kopf und Herz der Konsumenten einzu-

schreiben, tut dies gleich auf mehreren

Ebenen. Oft geht es weniger darum, ein-

zelne Produkte ins Bild zu rücken, sondern

vielmehr darum, bestimmte Botschaften,

Ideale oder ein spezifi sches Lebensge-

fühl an den Mann respektive die Frau zu

bringen: Die netten Nachbarn der Wiener

Städtischen, die seit 2009 über die heimi-

schen Bildschirme fl immern, begegneten

sich im Stiegenhaus und unterhielten sich

angelegentlich über Vorsorge, in späteren

Spots wurden Begri£ e wie Treue und Ver-

lässlichkeit, nachbarschaftliche Hilfe und

ein sicherer Rückhalt thematisiert – Wer-

te, die einer Versicherung gut zu Gesicht

stehen. Von Spot zu Spot entwickelte sich

aus der Sympathie und deutlich spürba-

ren Anziehung zwischen Mann (Single

mit Hund) und Frau (Alleinerzieherin mit

halbwüchsiger Tochter) echtes Interesse,

weshalb die Wiener Städtische befand,

die Figuren seien nun weit genug gedie-

hen, um Namen zu erhalten. Nach einer

Umfrage unter den 3.500 Mitgliedern der

Belegschaft Ende 2010 heißen die Prota-

gonisten nun Sophie, Peter und Lisa.

Ähnlich gehen Erste Bank und Spar-

kasse vor, wenn sie die prototypischen

Mitarbeiter Petra Kern und Martin Wohlich

dabei zeigen, wie sie sich über aktuelle

Themen des Sparens, Anlegens und der

Wohnbaufi nanzierung unterhalten, und

en passant das Profi l der beiden Banken

schärfen. Und während potenzielle Kun-

den vor dem Fernseher umso mehr Ver-

trauen in ihre realen Versicherungs- oder

Die Werber von nebenanSie sind die Fortsetzungsromane der TV-Werbung: Spots, die – manchmal über Jahre – weitererzählt werden und ein hohes Maß an Identifi kation hervorrufen. Verkaufen lassen sich damit Möbel, Energy Drinks und nicht zuletzt Vertrauen.

VON ES THER PIRCHNER

PETRA KERN/MARTIN WOHLICH

Auftraggeber: Erste Bank und Sparkasse

Agentur: Young & Rubicam Vienna GmbH

Konzept: Hans CepkoFilmproduktion: Wiener Klappe

Regie: Begbie (Thomas Dirn-hofer und Philipp Kadelbach)Erste Ausstrahlung: Juli 2010

Anzahl der Spots bisher: 8Dauer: 20–30 sec

Projektdauer: o£ en

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Page 17: Saison 03/2011

17

Bankberater fassen sollen, je genauer sie

die fi ktiven Personen auf dem Bildschirm

kennen lernen, zielen die Werbekonzep-

te fi rmenintern darauf ab, dass sich ihre

Mitarbeiter mit den fi lmischen Vorbildern

identifi zieren. Funktioniert der Trick, dann

begegnen im Idealfall vertrauensvolle

Kunden genau jenen Bank- und Ver-

sicherungsangestellten, die sie aus dem

Fernsehen bereits zu kennen glauben.

Sinnliche Erfahrungen. Überra-

schend, sinnstiftend, sinnlich, authentisch

und eingängig sollen solche Minidramen

im Dienste der Werbung sein. Sie dürfen

nicht langweilen und müssen vor allem bei

jungen Zielgruppen den Sehgewohnheiten

entsprechen, die Facebook, Youtube und so

weiter vorgeben. Oft erzählen sie dieselbe

Geschichte in Variationen immer und im-

mer wieder, bis die Botschaft angekommen

ist und die Klientel schon auf die nächste

Folge wartet. Kaum jemand wird mehr

anzweifeln, dass Red Bull Flüüügel verleiht.

Und Römerquelle belebt die Sinne, jaja.

Wenn Storytelling so gut funktio-

niert, dass man glaubt, mit Menschen von

nebenan zu tun zu haben, ist nicht selten

hohe Kunst im Spiel. Als die Bank Aus-

tria vor einigen Jahren einen Knirps eine

Milchfl asche aufdrehen, ein Mädchen die

größte Kaugummiblase machen ließ und

andere „kleine Erfolge“ ins Bild rückte, ge-

schah dies zur Musik von Händel, Chopin,

Elgar und Ravel. Bei anderen Auftragge-

bern und Agenturen sind Regisseure, die

sonst abendfüllende Filme drehen, an

Bord, oder bildende und Sprachkünstler,

die die Werbebotschaft so verklausulieren,

dass sie rätselhaft und aufregend wird. Bei

der Familie Putz führte von 1999 bis 2010

Harald Sicheritz Regie, der auch „Hinter-

holz 8“, „Vier Frauen und ein Todesfall“ und

„Kaisermühlen Blues“ drehte. Schweinderl

und Bauer, die die Marke „Ja! Natürlich“ lie-

benswert unters Volk bringen, gemeinsam

die Stiere in Schwung halten und sogar den

Garten in den Urlaub mitnehmen, tun dies

gar unter Anleitung von Oscar-Preisträger

Stefan Ruzowitzky.

Erzählkunst. Geht man noch einen

künstlerischen Schritt weiter, landet man

bei den Humanic-Werbungen der 1970er-

und 1980er-Jahre, als bildende Künstler

und Autoren wie Edgar Honetschläger,

H. C. Artmann und Andreas Okopenko die

seltsamsten Geschichten erzählen durften

und im Bild kein einziger Schuh zu sehen

war. Diese waghalsigste Form des Storytel-

lings ist zwar im Allgemeinen ein wenig in

den Hintergrund getreten, allein aus dem

Baumarkt naht Rettung. Wenn Hornbach

und die Agentur Heimat die Ästhetik der

Siebziger bemühen und wilde Typen zur

menschlichen Pyramide formen, wächst

auch der Kunde über sich hinaus. Yippie

ya ya yippie yippie yeah! ×

FAMILIE PUTZAuftraggeber: XXXLutz Handelsges. m. b. H.Agentur: Demner, Merlicek & BergmannKonzept: Rosa HaiderFilmproduktion: Film FactoryRegie: Harald Sicheritz (1999–2010)Erste Ausstrahlung: 1999Anzahl der Spots bisher: 120Dauer: max. 40 secProjektdauer: o£ en

NETTE NACHBARNAuftraggeber: Wiener Städtische Versicherung AGAgentur: Young & Rubicam Vienna GmbH • Konzept: Hans CepkoFilmproduktion: Wiener Klappe • Regie: Martin WernerErste Ausstrahlung: November 2009Anzahl der Spots bisher: 4 • Dauer: 30–40 secProjektdauer: o£ en

SCHWEINDERL UND BAUERAuftraggeber: Ja! NatürlichAgentur: Demner, Merlicek & BergmannKonzept, Autoren: Franz Merlicek, Rosa HaiderFilmproduktion: Close upRegie: Stefan RuzowitzkyErste Ausstrahlung: 2005Anzahl der Spots bisher: 15Dauer: 15–40 secProjektdauer: o£ en

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© XXXLUTZ HANDELSGES. M. B. H.

Page 18: Saison 03/2011

18 saison

storytelling

Tirol erzählt GeschichtenDie Tirol Werbung ist auf den Geschmack des Storytellings gekommen. Das Land steckt voller Ge-schichten und viele wollen noch erlebt werden – so der dahinterliegende Gedanke. Warum nicht diese als Aufhänger nehmen?

von Julia Brugg er

K inder springen in den Gebirgssee, ein Leintuch

lüftet über Buschwerk aus. Die meisten Fotos der

„so nah. so fern“-Kampagne der Tirol Werbung

bergen so manche Geschichte in sich. Mal of-

fensichtlicher, mal weniger erinnern sie an Erlebnisse aus dem

eigenen Leben. Ein Leintuch im Wald regt die Phantasie an und

lässt an die Jugend denken: nach heldenhafter arbeit steht das

Zelt – wenn auch etwas windschief. Der Regen prasselt mitten in

der nacht zunächst noch auf die Wand und später ins Zelt. Man

muss näher rücken und sich wärmen. Der Wald erwacht: Überall

raschelt und knackt es. Die ersten sonnenstrahlen trocknen am

Morgen das Zelt und das Leintuch, das man übers Buschwerk

hängt. Ähnliches hat wohl jeder schon einmal erlebt. Das Bild

allein ist reich an Geschichten.

Die Geschichte zum Bild. Doch dem nicht genug. Die

Tirol Werbung setzt auch auf geschriebene Geschichten, die

ebendiese Bilder begleiten (siehe Kasten). Ein ansatz, der nicht

nur diesen sommer, sondern auch im Kommenden weiterent-

wickelt werden soll. „Für die Bergsommerkampagne 2011 ließ

sich der Reiseautor Gero Günther von den Bildern inspirieren

und schrieb kurze, emotional aufgeladene Texte“, erklärt Claudia

Knab, Leiterin der abteilung Kommunikation in der Tirol Werbung.

Die Geschichten sollen einladen, das Land mit seinen Bergen,

seen und vielfältigen Tieren zu besuchen, zu bewandern und

zu bewundern.

Der Vater hat endlich einmal Zeit, mit seinen Kindern in

Urlaub zu fahren – ungestört, ohne Frau und Mutter. Dabei er-

fährt er Dinge aus dem Leben seiner Kinder, die er im Rummel

und Trubel des alltags nicht mitbekommen hat. so funktioniert

storytelling. Die Texte stammen mitten aus dem Leben. Erinne-

rungen erwachen und im idealfall fühlt man sich hingezogen und

inspiriert, ähnliches (erneut) zu erleben. „Wir wollen die Leute dort

abholen, wo sie gerade sind. Diese Geschichten berühren. Unser

Ziel ist, dass sie Lust machen auf Tirol, dass sie sehnsuchtsbilder

im Kopf entstehen lassen, die der Leser und Betrachter in die Re-

alität umsetzen möchte und deshalb einen Urlaub in den Bergen

bucht“, so Claudia Knab.

Die Platzierung ist entscheidend. Die Geschichten

werden in Printmedien im deutschsprachigen Raum geschaltet.

Die Form nennt sich advertorial – ein Zwitterwesen aus Werbung

und redaktionellem Beitrag. Weil es sich nicht offensichtlich um

eine Werbung handelt, ist die aufmerksamkeit der Leser höher.

Die emotionale Wirkung der Texte wird ungefilterter aufgenom-

men. Manipulation? nun gut, Werbung und Marketing sind per se

Manipulation. Durch storytelling ist sie nur nicht so plump, son-

dern bedient sich kunstvoller Formen und nimmt dem einen oder

anderen Redakteur die Recherchearbeit ab. ×

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Page 19: Saison 03/2011

19

Beispiel für einen Advertorial-Text

Annas Mathelehrer ist ein Fashion-Freak

Simon war als erster unten. Das

ist schon o. k. so. immerhin hat

er mich vorher gefragt. Manch-

mal muss der Junge einfach ein

bisschen rennen, sich auspowern. „Da auf

der Wiese neben dem see warte ich auf

euch“, hatte er gesagt und ins Tal hinunter

gezeigt.

anna und ich sind auf dem weichen

Waldboden ganz gemächlich hinterher

marschiert, haben die aussicht auf die

Dreitausender genossen, Trinkpausen

eingelegt. in den Bergen haben anna

und ich immer viel Zeit, miteinander zu

sprechen, und auf dieser Fernwanderung

durch Tirol sowieso. soll noch mal einer

sagen, man könne mit Teenagern nicht

wandern. Bei uns ist genau das Gegen-

teil der Fall. Beim Gehen fällt es uns viel

leichter zu reden. immerhin weiß ich jetzt

mal wieder Bescheid, welche Filme meine

Tochter mag und dass annas Mathelehrer,

„ein total krasser Fashion-Freak ist“.

„ich warte schon seit 14 Minuten“,

ruft simon, als wir unten ankommen und

zeigt stolz auf seine armbanduhr. „14 Mi-

nuten und 23 sekunden, 24 sekunden …“.

ich breite das Badetuch aus, das Gras kit-

zelt an den Waden, Libellen surren herum.

Wie wunderschön dieser kleine Moorsee

ist! Langsam gleite ich in das kalte Wasser,

wirble mokkabraune Wolken auf. „arsch-

bombe“, schreit simon.

Das Bad haben wir uns verdient.

immerhin waren wir heute mehr als 1000

höhenmeter auf- und abgestiegen. Zum

Glück an diesem heißen Tag war es eine

schattenreiche Etappe des adlerwegs.

simon hatte sich den gesamten Berg

hinaufgekämpft, stöcke aus dem Wald

gezogen, Banditen verfolgt und ganze

heere geschlagen. „attacke!“ Eine Energie

hat der Kerl, Wahnsinn!

oben am Gipfelkreuz haben wir die

Gurken und Paprika ausgepackt, Brot und

Bergkäse, den ich in der sennerei gekauft

hatte. „hey, schmeckt super“, fand anna

und schnappte sich noch ein stück aus der

Brotzeitdose.

Die Kinder wollen gar nicht mehr

aus dem Wasser herauskommen, obwohl

sie schon blaue Lippen haben. ich tippe

eine sMs an meine Frau in das handy:

„hoff e, du bist mit deinem Projekt gut

vorangekommen. Wir sind gerade baden.

Morgen stehen nochmal 900 höhenme-

ter an. 1000 Küsse von uns allen.“ ×

Page 20: Saison 03/2011

20 saison

storytelling

Die Sehnsucht, gehört zu werdenFolke Tegetthoff kennt die Macht von Geschichten. Im Interview spricht der Erzähler, der auf Einladung der Tirol Werbung Gast beim TourismusForum 2011 war, über die Magie des Erzählens.

Da s IntervIew führte s ylvIa a Ine t ter .

S AISON: Herr Tegetthoff, wa-rum erzählen sich die Men-schen Geschichten? Folke

TegeTThoFF: Der sinn des

erzählens einer geschichte ist, jemanden

zum Zuhören zu bringen. es gibt keine

größere sehnsucht des Menschen, als je-

manden zu finden, der einem zuhört. Da-

rum erzählen die Menschen geschichten.

es ist auch wissenschaftlich bewiesen, dass

in dem augenblick, in dem wir zu erzählen

beginnen, im gegenüber konzentration

und aufmerksamkeit steigen. genau das

ist es, was der erzähler möchte: er will mit

seiner Botschaft durchdringen, damit ihn

sein gegenüber wahrnimmt. Das funktio-

niert dann, wenn in die Rede Persönliches

einfließt, der erzähler und die geschichte

authentisch sind.

Entspricht das Geschichten-Erzählen noch unserem Zeitgeist? Das erzählen war

fast ausgestorben. in den letzten 550 Jahren

haben wir uns vom akustischen zum visuel-

len Menschen entwickelt. Wir leben heute

in einer übervisualisierten Welt, das Visuelle

hat eine ungeheure Macht bekommen –

schon allein dadurch ist das gesprochene,

gehörte Wort zurückgedrängt worden. Die

Renaissance der erzählkunst weltweit ist

aber sicher darauf zurückzuführen, dass

die Menschen eine große sehnsucht nach

geschichten haben. Das erzählen und das

Zuhören sind ursprüngliche Dinge. Das

sitzt tief in uns drinnen und gehört zu den

grundbedürfnissen eines jeden.

Auch im Wirtschaftsleben? Das erzählen

ist endlich auch Marketing- und Werbe-

instrument geworden. Das ist ein deutliches

signal dafür, dass man diese Urbedürfnisse

erkennt. erzählen ist so alt wie die Mensch-

heit selbst. in dem augenblick, in dem

Menschen begonnen haben, ihre gefühle,

gedanken, sehnsüchte, hoffnungen, Ängs-

te in Worte zu kleiden, in dem augenblick

haben sie begonnen, geschichten zu er-

zählen. Unter dem Titel „storytelling“ hat

das geschichten-erzählen auch das Wirt-

schaftsleben erreicht.

Wie können Werbung und Marketing von der Erzählkunst profitieren? sie tun es ja

schon länger, oft ohne es zu wissen. Die

entwicklung in der Werbebranche zeigt es

sehr deutlich: Das Produkt stand lange Zeit

im Mittelpunkt – egal ob in Print-, TV- oder

Radiowerbung, es ging immer nur darum,

mitzuteilen, dass das angepriesene Produkt

das beste ist. heute macht das niemand

mehr, jetzt werden geschichten erzählt.

ich bin sehr glücklich, dass das jetzt auch

in der Tourismuswerbung angekommen ist.

Was macht eine Geschichte zu einer guten Geschichte? Das wesentlichste kriterium

für die Qualität einer geschichte ist, dass

sie Wahrheit beinhalten muss. Der erzäh-

ler muss etwas von sich selbst hergeben,

er muss mit dem gesagten eine emotion

vermitteln. Die Frage ist nicht, was eine ge-

schichte zu einer guten geschichte macht.

Die Frage ist vielmehr, wie man eine Bot-

schaft auf die bestmögliche art und Weise

transportieren kann – nämlich so, dass

sie verstanden wird. Das gehörte muss

aufgenommen und mit der Fantasie und

der Ratio bearbeitet werden. Das Ziel einer

jeden kommunikation ist schlussendlich, zu

verstehen und verstanden zu werden. nur

wenn ich verstanden habe, ist der inhalt der

Botschaft angekommen.

Wie muss eine Geschichte aussehen, damit sie ankommt und verstanden wird? ich ver-

wehre mich immer sehr dagegen, Rezepte

auszugeben. Wir leben in einer gesellschaft,

die Rezepte liebt. Jeder weiß, wie man eine

geschichte zu erzählen hat. Man muss nur

seine menschlichen Fähigkeiten einsetzen:

intuition, Fantasie, kreativität und glaube.

Damit werden wir immer richtig liegen. Wir

werden immer wissen, was man machen

muss, damit jemand zuhört. Man muss

das gegenüber im auge behalten, darauf

achten, ob er zuhört. Jede Rede ist völlig

umsonst, wenn niemand da ist, der zuhört.

Das gilt für jeden Bereich des lebens. Wer

ein Produkt auf den Markt bringt, das keiner

haben will, wird keinen erfolg haben.

Kann jeder erzählen? Ja, jeder kann erzäh-

len. es gibt natürlich bestimmte kriterien, die

jemanden zu einem erfolgreichen erzähler

machen. Dieser erfolg hat mit der Persön-

lichkeit zu tun: extrovertierten Menschen

fällt es leichter, etwas von sich preiszuge-

ben und somit emotionen zu vermitteln.

Wer introvertiert und unsicher ist, wird

Page 21: Saison 03/2011

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Der Erzähler: Folke Tegetthoff

Page 22: Saison 03/2011

22

größere Probleme haben, geschichten zu

erzählen. Wir erzählen zwei Drittel unserer

geschichten nonverbal. ein introvertierter

erzähler tut sich viel schwerer, emotionen

zu vermitteln und authentisch zu sein. aber

selbst jemand, der seine geschichte nicht

gut erzählen kann, erzählt mit hilfe seiner

körpersprache eine geschichte. es liegt am

Zuhörer, das zu erkennen. Dieser kann dann

viel dazu beitragen, dass der erzähler mit

seiner geschichte doch noch erfolg hat.

Mit welchen Themen ist mir die Aufmerk-samkeit des Zuhörers sicher? (lacht) sex,

love and crime! nein, geschichten, die mit

emotion zu tun haben, fesseln den Zuhörer.

emotionen sind sozusagen der gegenpart

zur reinen informationsvermittlung – und

genau dafür interessieren sich die Men-

schen. Beim erzählen selbst ist authentizität

wesentlich. immer wenn ich authentisch

bin, wenn ich ich selbst bin, etwas von mir

hergebe, mich öffne, werde ich die auf-

merksamkeit meines gegenübers bekom-

men. Das gilt für jeden Bereich des lebens.

Die geschichte ist nur das Transportmittel,

um die geht es gar nicht – es geht um die

emotionen, die vermittelt werden.

Spielt Rhetorik eine Rolle? in meiner ar-

beit als professioneller erzähler ist Rhetorik

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„Die Menschen haben eine große Sehnsucht nach Geschichten.“Folke TegeTThoFF

Zur PerSon Der grazer Folke Tegett-hoff ist professioneller er-zähler und organisator des erzählkunst-Festivals „fa-belhaft! niederösterreich". Weltweit bekannt wurde er mit seinen Märchen für er-wachsene: seit 1979 hat er 36 Bücher veröffentlicht, die in zwölf sprachen über-setzt wurden.

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DIe GeSCHICHTe DeS erZÄHLenS

seit Menschen in sozialen Verbänden leben, erzählen sie sich geschichten. Davon zeugen Mythen, sagen und legenden, die ausschließlich münd-lich überliefert wurden. Diese dienten dazu, kulturelle normen zu vermitteln und geschichtliche Fakten, Rechtsver-bindlichkeiten, Rituale und Bräuche zu verbreiten. geschichten wirkten identitätsstiftend und konstituier-ten eine kultur. als Beispiel wird gern nordamerika herangezogen, wo heute noch mehr als 100 inuit-sprachen ge-sprochen werden, die jede ihre eige-ne mündliche Überlieferung hat bzw. hatte. Das grundwesen des erzählens ist der direkte kontakt zum Zuhörer. so spielen akzentuierung, Betonung, ges-tik und Mimik eine wesentliche Rolle. Die Face-to-Face-situation führt zu einem Dialog zwischen erzähler und Zuhörer. Das erzählen war und ist auch heute noch interaktiv – und wohl des-halb so einprägsam. Die erzähler waren in Zeiten vor der alphabetisierung in allen gesell-schaften hoch angesehen, verfügten sie doch über enormes Wissen. Mit der Medialisierung, spätestens aber mit der erfi ndung des Fernsehens, verschwand das professionelle erzählen vollständig. erst sei einigen Jahren erlebt es eine Renaissance.

Quelle: „Die kunst des erzählens“ von helge gerndt und kristin Wardetzky, 2002

ganz wesentlich. Denn mithilfe von Rheto-

rik kann man Bilder aufbauen. ich erschaff e

durch Metaphern und Worte und dadurch,

wie ich diese sage, ein Bild, das emotionen

auslöst. nur wenn mir das gelingt, kann ich

meine Zuhörer auch fesseln. Wichtig ist,

beim gegenüber erinnerungen wachzu-

rufen und Dinge anzusprechen, die ihm

bekannt sind. Die Zuhörer müssen sich als

Teil der geschichte fühlen und sie zu ihrer

eigenen machen.

Werden die Menschen einmal genug von Geschichten haben? nein, wir hören ja

ständig geschichten. auch in unserem

alltag erzählen und hören wir ständig

geschichten – es geht noch weiter: Wir

erzählen ganz selten keine geschichten.

Die art und Weise, wie man erzählt, ist

wesentlich. Das kann sehr subtil sein oder

auch sehr platt. Von platten geschichten hat

man schnell genug – von den subtilen nicht.

im Mittelpunkt muss stets die Frage stehen:

Was möchte ich mit der geschichte errei-

chen? Der erzähler muss aber auch darüber

nachdenken, was das gegenüber hören

will. eine geschichte kann sehr kurz sein,

man kann bereits mit einem einzigen satz,

ja sogar mit einem Blick, einem lächeln sehr

viel zum ausdruck bringen.

Sie schreiben Märchen. Warum diese Textsorte? Das Märchen ist die Form und

Möglichkeit, die dem gegenüber einen

ganz großen Freiraum lässt. ein gutes

Märchen erzählt niemals ein ganzes Bild.

ein gutes Märchen bietet nur den Rahmen

und der Betrachter füllt ihn aus, malt

seine eigene geschichte. ich habe viele

Möglichkeiten, mithilfe meiner Fantasie

etwas zu dieser geschichte beizutragen.

Zudem sind Märchen losgelöst von Zeit

und Raum. sie sind universell – das macht

ihren Reiz aus.

Suchen die Menschen nach dem Geheim-nisvollen? Ja, das geheimnisvolle reizt die

Menschen besonders. Die lust am neuen,

neugier, lust, etwas zu entdecken, sind

Wesenszüge des Menschen. neues hat

auch immer etwas mit geheimnis zu tun.

ich will eindringen und erkennen. einem

Mensch, dem ich begegne, möchte ich ein

geheimnis abringen, möchte ihn kennen

lernen, wissen, was er fühlt und denkt.

egal, ob im Privat- oder im Berufsleben.

Das geheimnisvolle ist ein wesentlicher Teil

unseres lebens.

Vorlesen oder besser erzählen? Wenn ich

eine geschichte erzähle, fällt es mir leich-

ter, das gegenüber im auge zu behalten.

ich kann meine körpersprache mehr zum

einsatz bringen. auch für den Zuhörer

macht es einen großen Unterschied, ob er

eine geschichte selbst liest oder sie erzählt

bekommt. Wenn ich etwas über die ohren

direkt höre, wird das erlebnis noch ein

wenig intensiver, als wenn ich alleine und

lautlos lese.

Vielen Dank für das Gespräch. ×

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Zum Touristiker geboren?

Page 24: Saison 03/2011

24 SAISON

STORYTELLING

Die Geschichten-ErzählerTräume verkaufen. In bewegten Bildern vermitteln Filmemacher Emotionen und wecken damit die Neugier auf die Urlaubsdestina-tion Tirol. Cine Tirol vermittelt seit 13 Jahren Geschichten, die ein Stück Tirol mittransportieren.

VON JANE K ATHREIN

G eschichten machen das

Wesen eines Filmes aus.

Gäbe es keine Geschich-

ten, gäbe es keine Filme.

„Das Medium Film ist wie kein anderes in

der Lage, diese emotionale Erzählweise

zu erbringen, weil durch die bewegten

Bilder auch all diese Emotionen vermit-

telt werden, die Menschen begeistern und

überwältigen”, bringt es Johannes Köck,

Leiter von Cine Tirol, auf den Punkt. Ein

Bild sagt mehr als tausend Worte. In einem

Film stecken Millionen von Worten.

Berührende Geschichten. Cine

Tirol bringt Geschichten an die Men-

schen. 300 Filmproduktionen sind in den

13 Jahren seit der Gründung entstanden,

alle wurden in Tirol realisiert. Fast jeder

dieser Filme erzählt ein Stück Tirol. Es

sind phantastische, abenteuerliche und

historische Geschichten. Ein indischer

Filmscha� ender wurde einmal von Jo-

hannes Köck gefragt, warum Bollywood-

Produktionen in aller Welt so erfolgreich

sind. Seine Antwort: „Weil wir Träume

verkaufen.“ Damit habe er die meisten

Filme defi niert, so Johannes Köck.

Ob der Kern wahr oder erfunden

ist, spielt für gutes Storytelling eine ne-

bengeordnete Rolle. „Wenn es gelingt,

eine Geschichte so zu erzählen, dass der

Empfänger davon berührt, begeistert, be-

eindruckt wird, ist es eine gute Geschich-

te“, sagt Johannes Köck. Bleibt zusätzlich

ein Freiraum, wie ein o� enes Ende, den

der Betrachter selber ausfüllen kann, hat

das Geschichten-Erzählen alles erreicht.

Filme, die in ein o� enes Ende münden,

lösen die angeregtesten Diskussionen aus.

Spiegelbild. Viele Impulse führen zur

Entstehung einer Geschichte. Dem Tiroler

Autor Felix Mitterer sind die Geschichten

zugefallen, die in elf Tatort-Produktionen

mit Harald Krassnitzer in der Hauptrolle

mündeten. Mitterers Stärke ist, rund um

den wahren Kern dieser Geschichten

einen Filmsto� zu entwickeln und damit

dem Betrachter einen Spiegel vorzuhalten.

„Das fi nde ich aus Sicht des Storytelling

unglaublich beeindruckend“, leitet Johan-

nes Köck zur letzten „Tatort“-Produktion

über. „Baum der Erlösung“ greift im Kern

das Thema „Migration“ am Beispiel der

Gemeinde Telfs auf. Die Schauplätze lie-

gen im Ort und auf der Hohen Munde.

Vor der Premierenfeier im Gemeindesaal

Telfs waren viele der 700 Gäste nervös.

Doch die anfängliche Spannung löste sich

in einem tosenden Applaus. Durch den

Blick von außen werden viele Themen erst

begreifbar. Bei der Feier in einem türki-

schen Lokal saßen dann alle Beteiligten

zusammen und diskutierten. Nachklang

ist das Stichwort, das Johannes Köck dazu

einfällt.

Geschichten sammeln. Begeg-

nungen mit Menschen, die eine Ge-

schichte erzählen können, eine wahre

oder eine erfundene, sind ihm bis heute

am stärksten in Erinnerung geblieben.

Einer, der viel zu erzählen hat, ist Alt-

CINE TIROL Cine Tirol wurde vor 13 Jahren gegründet. In über 300 Filmen, die alle in Tirol produziert wur-den oder von Tirol oder Tirolern handeln, wer-den Geschichten an viele Menschen gebracht – darunter Heimatfi lme, Abenteuerfi lme oder phantastische Geschichten.

www.cinetirol.com

Historisch. Tobias Moretti mimt den Freiheitskämpfer Andreas Hofer und zeigt einen facettenreichen Menschen. Vielfach erzählt, den-noch bewegt dieses Stück Tiroler Geschichte noch immer.

Page 25: Saison 03/2011

25

bischof Reinhold Stecher, der für das

TourismusForum 2010 als Referent ge-

wonnen werden konnte. Die Geschichten

von Reinhold Stecher begleiten Köck seit

Jahren. Im Buch „Botschaft der Berge“

erzählt Reinhold Stecher Geschichten, die

zum Nachdenken anregen. In Worten und

in Bildern transportiert er die Botschaft

Gottes. „Botschaft der Berge“ steht in ei-

nem der Bücherregale im Haus Tirol in der

Maria-Theresien-Straße. Neben anderen

Bücher, die aufbewahrt werden, weil sie

von Geschichten handeln, die sich als

Filmsto� anbieten.

Internationales Netz. Die letzte

Folge von „Der Bergdoktor“ wurde von

sechs Millionen Menschen im deutsch-

sprachigen Raum gesehen. „Das ist eine

Bestätigung, dass wir Cine Tirol gegründet

haben, unser Netz international ausge-

breitet haben und nach solchen Filmen

und Geschichten fi schen“, ist Johannes

Köck überzeugt. Dazu gehört auch die

Präsenz bei internationalen Filmfestivals

in Berlin, Cannes, Venedig und Indien

oder bei der größten Location Messe

in Los Angeles sowie die Durchführung

von Workshops im Filmland Tirol – im

Vorjahr waren in Seefeld 70 Produzenten

aus 28 europäischen Ländern zu Gast.

„Die persönlichen Kontakte werden uns

helfen, auch in den kommenden Jahren

spannende Filmprojekte nach Tirol zu

führen“, so Johannes Köck.

Längst haben auch Touristiker in

Tirol erkannt, dass man die Synergien,

die sich aus erfolgreichen Filmproduk-

tionen ergeben, weiter verwerten kann.

„Der Bergdoktor“ und „Soko Kitzbühel“

transportieren Tirol sehr o� ensiv mit, im

Inhalt der Geschichte, durch die Nennung

der Drehorte. Das sei die Luxusvariante, so

Johannes Köck. Bollywood-Produktionen

wie „Raju Chacha” nutzen die Tiroler

„Ich bin davon überzeugt, dass die Tirol Werbung eine Geschichten-Erzählerin sein muss. Wenn wir als Tirolwerber und Botschafter dieses Landes in der Lage sind, spannende, berührende, neugierigmachende, phantas tische Geschichten über dieses Land zu erzählen, dann wird es uns auch gelingen, Menschen für die Urlaubsdestination zu begeistern. Geschichten kann man auf vielfältige Weise erzählen – mit Texten, mit Bildern und klarerweise mit dem Film.”JOHANNES KÖCK, CINE TIROL

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Filmland. Ein Meteorit schlägt in einen

Gletscher ein und erweckt den Neandertalerjungen Bataa zum

Leben. Mit „Lapislazuli“ ist ein Familienfi lm gelungen, der in den

Tiroler Bergen spielt.

Tirol pur. Sechs Millionen Zuseher

durchschnittlich verfolgen eine Folge

der TV-Serie „Der Bergdoktor“. Das Bergdoktorhaus ist ein beliebtes

Ausfl ugsziel.

Page 26: Saison 03/2011

26

DIE BEWEGENDE SUCHE NACH EINEM VERSCHOLLENEN FILM

Einer Postkarte war es zu verdanken, dass Alfred Hitchcock 1926 das Tiroler Ötztal für seine Dreharbeiten zum Film „The Mountain Eagle“ auswählte. Für die Außenaufnahmen suchte er nach einem kleinen Dorf in einer unberührten Bergwelt. Während der Vorbereitungen in München entdeckte Hitchcock in der Auslage eines Geschäfts eine Postkarte. Er fragte den Ladenbesitzer nach dem darauf abgebildeten Dorf. Es war Obergurgl.

Hitchcock machte sich mit seinem Assis-tenten auf den Weg. Mit dem Zug nach Inns-bruck und dann mit einem o� enen Wagen über sieben Stunden ins Ötztal und von dort noch einmal zweieinhalb Stunden zu Fuß nach Ober-gurgl. Die beiden waren sich einig, dass unter diesen Transportbedingungen kein Filmteam arbeiten konnte. Doch als sie Obergurgl erreicht hatten, war Hitchcock fasziniert. Ein kleines, idyllisch gelegenes Dorf mit schneebedeckten Bergen und grünen Wäldern fernab jeder mo-dernen Zivilisation. Nach den ersten Vorführun-gen 1927 verschwand der Film rasch aus den Kinos. Während von allen anderen Hitchcock-Filmen noch Kopien vorhanden sind, ist „The Mountain Eagle“ bis heute verschollen. Das Bri-tish Film Institute (BFI) hat den Stummfi lm „The Mountain Eagle“ jetzt zum meistgesuchten Film der Welt ernannt und eine internationale Such-aktion nach diesem Werk gestartet.

Landschaft meist nur als Kulisse. Dennoch

pilgern Jahr für Jahr tausende Touristen

aus Indien nach Tirol.

Mittelerde zieht an. Ein Blick über den

Tellerrand zeigt, dass sich Filmdreh orte als

Urlaubsdestinationen außerordentlich gut

vermarkten lassen. Die Trilogie „Herr der

Ringe“ brachte Neuseeland ein Nächti-

gungsplus von 20 Prozent. „Das ist ganz

deutlich in einem Zusammenhang mit der

Trilogie zu sehen. New Zealand Tourism

Board hat die Vermarktung von Beginn an

mitgetragen und seinen Auftritt zur rich-

tigen Zeit auf Mittelerde umgestellt“, sieht

Johannes Köck. Der Abba-Film „Mamma

Mia“, der auf Skopelos und Skiathos gedreht

wurde, brachte den kleinen griechischen

Inseln nach dem Filmstart 2008 einen Besu-

cheransturm, mit dem die Reiseveranstalter

nicht gerechnet hatten. Schaut man sich

die Bilder vom Set an, ist schnell klar: Die

Hauptdarsteller Meryl Streep, Amanda Sey-

fried und Pierce Brosnan haben den Dreh in

vollen Zügen genossen. Urlaubsstimmung

pur, auch vor der Kamera. Griechisches

Lebensgefühl steckt in jeder Szene.

Erfolgreiche Filme sind die Grundlage,

dass Menschen auch in diese Region rei-

sen oder in der Region die fi lmische Ver-

bindung abrufen. Auf der „Soko Kitzbühel-

Filmtour”, bei einer Wanderung auf den

Spuren des Bergdoktors. Das ist ausbau-

fähig bis zum Tagesausfl ug durchs Ötztal,

bei dem gleich mehrere Filmschauplätze

besucht werden. Cine Tirol bekommt

auch acht Jahre nach dem Kinostart

Anfragen nach der Alm, auf der Daniel

Brühl in „Die fetten Jahre sind vorbei“ vor

der Kamera stand. Vor allem Jugendliche

aus Deutschland wollen zumindest eine

Nacht dort verbringen, wo Daniel Brühl

schon war. Sie sind begeistert, neugierig

und fühlen sich am Ende des Tages als Teil

seiner Geschichte.

Neuer Erzählsto� . Fragt man Johan-

nes Köck nach Geschichten, die es noch

zu erzählen gäbe, muss man nicht lange

auf eine Antwort warten. Die Lebensge-

schichte von Kaiser Maximilian, die voller

Höhen und Tiefen steckt, biete sich als

Filmsto� an. Und die Alpenübergänge,

mit den damit verbundenen Geschich-

ten, die bis zum Ötzi zurückreichen. Der

spannende Spielfi lm über das Leben von

Ötzi stehe seiner Meinung nach noch aus.

Besonders fi lmtauglich ist auch der Schaf-

trieb vom Schnallstal ins Ötztal, den es seit

vielen hundert Jahren gibt. Im Kern eine

Wanderung von Menschen und vielen

Schafen über eine menschenfeindliche

Hochebene, den Gletscher. „Da beginnt

es für mich unter den Fingern zu brennen.

Dem gibt dann ein begnadeter Autor eine

zusätzliche Ebene. Was für ein Filmsto� .

Wir führen bereits mit einigen Filmschaf-

fenden dazu Gespräche.“ ×

Alfred Hitchcock

mit Alma Reville 1926

in Obergurgl

Krimis mit Lokalkolorit. Der „Tatort“ von Felix Mitterer („Baum der Erlösung“) spielte in Telfs und auf der Hohen Munde, die „Soko Kitzbühel“ trägt die Region sogar im Titel.

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27 SAISON

STORYTELLING

I n Kitzbühel kennt ihn jeder,

nicht nur wegen seiner elegan-

ten Erscheinung, die ihm das

Image des „Sirs“ unter den Ti-

roler Touristikern eingebracht hat: Josef

Ziepl, langjähriger Direktor des Frem-

denverkehrsamtes Kitzbühel. Ziepl war

mehr als nur ein Tourismusdirektor. Sein

ungeheuer engagierter und erfolgreicher

touristischer Einsatz und sein umfassen-

des touristisches Fachwissen machten

ihn international bekannt. Jetzt wurde er

beim Tiroler Tourismus.Forum in Igls mit

dem begehrten „Tirol Touristica“ für sein

Lebenswerk ausgezeichnet.

Ziepl war mit vielen Maßnahmen der

Branche teilweise Jahre voraus. Schon in

den 70er-Jahren erkannte er die Wichtig-

keit der regionalen Zusammenarbeit und

den Wert einer Marke. Deshalb gründete

er auch den Verein der Tourismusverbän-

de der Kitzbüheler Alpen.

Und Ziepl setzte sich auch im Ruhe-

stand keineswegs zur Ruhe: Mit der Errich-

tung der „Alpenschule" Westendorf erfüllte

er sich einen Lebenstraum. Dafür wurde

er unter anderem mit dem Hans-Kudlich-

Preis für ökosoziales Vorzeigeengagement

ausgezeichnet. Ziepl hat sich immer kräftig

eingesetzt für die Jugend als wesentlicher

Bestandteil für die ländliche Kultur und

das Leben im Einklang mit der Natur. Bis

heute nimmt er in den Fachmedien und in

der Tagespresse Stellung zu touristischen

Entwicklungen und zeigt dabei mehr

Verständnis und Weitblick als so mancher

professionelle touristische Berater.

Für die Jury des „Tirol Touristica“

zählte bei ihrer Entscheidung unter an-

derem Ziepls engagierte und innovative

Tourismusverbandsführung. Ausschlag-

gebend waren aber auch richtungswei-

sende Maßnahmen: So ist Ziepl Mitbe-

gründer der Gruppe „Best oft the Alps“.

Er ist Begründer des „grünen Gürtels“

um Kitzbühel: Ziepl hat die Golf-Area am

Schwarzsee mit Wort und Tat mitbegrün-

det und schließlich mit der Gründung der

„Alpenschule“ in Westendorf einen Pro-

totyp gescha� en der Tourismus, Bildung,

Landwirtschaft perfekt für den Jugend-

tourismus vereint.

Ziepl konnte als Preis eine Skulptur

des Tiroler Bildhauers Alois Schild nach

Hause nehmen, einen sogenannten

„Setzling“, gestiftet von der Hypo Bank Ti-

rol. Vier weitere Preisträger sind ebenfalls

Neo-Besitzer solcher Setzlinge. Denn die

Jury vergab in vier weiteren Kategorien die

„Tirol Touristica“-Auszeichnung.

Alpbach als Vorbild für Europa. Sieger in der Kategorie „Marketing & Ver-

trieb“ ist die „Green Meeting Destination

Alpbach“: Alpbach gilt nicht umsonst als

einer der schönsten Dörfer der Alpen.

Ein „Sir“ und vier ErfolgskonzepteMit viel Spannung erwartet wurde heuer wieder die große Verleihung des „Tirol Touristica“ für heraus-ragende touristische Leistungen. Die begehrte Trophäe für das Lebenswerk ging diesmal an den „Sir“ im heimischen Tourismus: Dr. Josef Ziepl, der im Raum Kitzbühel ungeheuer viel bewegte. Die weite-ren Gewinner: die „Green Destination Alpbach“, die Area 47, der Kulinarische Jakobsweg Paznaun und der Karwendelmarsch.

VON MICHAEL RIEDLER

Ehre wem Ehre gebührt. Josef Ziepl (im Bild bei einer früheren Preisverleihung) wurde für sein Lebenswerk ausgezeichnet.

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Der einzigartige Holzbaustil ergänzt sich

stimmig mit der modernen Architektur des

Congress Centrums Alpbach. Hier wird

seit mehreren Jahren konsequent an der

Entwicklung zur nachhaltigen Tagungsde-

stination gearbeitet, mit dem „Alpbacher

Green Meeting Destination“-Konzept.

Es sieht ein umfassendes Bündel von

Maßnahmen vor: Der Energieverbrauch

des Congress Centrums wird optimiert,

die Anreise mit ö� entlichen Verkehrs-

mitteln erleichtert, bei den Kongressen

werden regionale Produkten eingesetzt,

Abfälle vermieden und Veranstaltungen

nach dem „Green Meeting Destination“-

Standard umgesetzt. Das Congress Cen-

trum Alpbach hat denn auch als erstes

Kongresshaus in Österreich die internati-

onale Green-Globe-Zertifi zierung sowie

gemeinsam mit dem Europäischen Forum

Alpbach das Österreichische Umweltzei-

chen für Green Meetings erhalten.

Die Jury des Tirol Touristica begeis-

terte vor allem die konsequente Umsetzung

des Themas Nachhaltigkeit, die klare Dif-

ferenzierungsstrategie mit glaubwürdiger

Positionierung des gesamten Ortes Alp-

bach gemeinsam mit dem Congress Cen-

ter. Die bereits erhaltenen Zertifi zierungen

und getro� enen Maßnahmen machen Alp-

bach zu einer Benchmark im europäischen

Tagungsbereich, urteilte die Jury.

Area 47 zeigt: Tirol ist jung. In der

Kategorie „Infrastruktur“ ging der Tirol

Touristica an die Area 47, „Europas tren-

digste Abenteuerspielwiese“ am Eingang

des Ötztals. Die bekanntesten Outdoor-

und Tourismusprofi s Tirols, Anlagenpla-

ner, Handwerker und Partnerkonzerne

wie die Bergbahnen Sölden, Red Bull,

Adidas, KTM und Stiegl haben hier, am

Schnittpunkt von 47. Breiten- und 11. Län-

gengrad, einen europaweit einzigartigen

Outdoor-Park realisiert.

Auf 66.000 Quadratmetern inklu-

sive einem 7000 Quadratmeter großen

Badesee wird für Nervenkitzel gesorgt -

mit Schanzen für Snowboarder, Freeskier

und BMX-Fahrer, einer überhängenden

Deep-Water-Soloing-Kletterwand, einem

Slackline-Parcours und als Weltneuheit

mit einem kombinierten Sprung- und

Rutschenturm mit einer Gesamthöhe von

27,5 Metern. Ein Restaurant für bis zu 400

Personen und die zweitgrößte Eventhalle

Westösterreichs, der Area Dome für bis

zu 8000 Besucher, sind beste Vorausset-

zungen für Veranstaltungen aller Größen-

ordnungen. Aber auch Übernachten kann

man in der Area 47, in Blockhaus-Lodges

oder in Holz-Tipis.

Die Area 47 verbreitet die Botschaft:

„Tirol ist jung“, lobte die Jury des Tirol

Touristica. Anerkennung fand auch die

Tatsache, dass hier gleich 35 Outdoorer-

lebnisse an einem Platz konzentriert wur-

den und wesentliche Investoren aus der

Freizeit -, Sport- & Tourismusindustrie bei

dem Projekt intelligent vernetzt wurden.

Kulinarik auf Paznauner Hütten. Der Sieger in der Kategorie „Angebotsent-

wicklung“ ist der „Kulinarische Jakobsweg

Paznaun“: Ihn gibt es heuer im Sommer

bereits zum dritten Mal in Folge. Der ku-

linarische Jakobsweg bringt Sterneköche

unter der Schirmherrschaft von Jahr-

hundertkoch Eckart Witzigmann, koor-

diniert von Lokalmatador Martin Sieberer

(Trofana Royal, Ischgl), ins Hochgebirge.

Kommen werden der italienische Starkoch

Marcello Leoni (Restaurant Leoni, Bolo-

gna), der Niederländer Niven Kunz (Re-

staurant Niven, Rijswijk), der Belgier Alex

Clevers (Restaurant Vivendum, Dilsen-

Sokkem) und der bekannte Fernsehkoch

Nachhaltig. Die „Green Destination Alpbach“ setzte sich in der Kategorie „Marketing & Vertrieb“ durch. In Alpbach wird seit Jahren konsequent an der Entwicklung zur nachhaltigen Tagungs-destination gearbeitet.

Outdoor-Park. In der Kategorie „Infrastruktur“ gingt der Preis an die Area 47, „Europas trendigste Abenteuerspielwiese“.

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DER TIROL TOURISTICADer Tirol Touristica wird seit 1996 vergeben und zeichnet außergewöhnliche touristische Projekte aus, die auf Kriterien wie Innovation, Mehrwert, Synergie, Vernetzung, Profi lierung, Nachhaltig-keit, Zukunft und Tradition sowie messbarem Ge-schäftserfolg basieren. Ausgezeichnet werden touristische Projekte aus dem Bereich Angebots-entwicklung, Infrastruktur und Bauten, Marketing und Vertrieb, Events/Großveranstaltungen und „Persönliches Lebenswerk“. Die Jury des von der Hypo Tirol Bank ge-stifteten Tirol Touristica setzte sich zusammen aus Josef Margreiter, Geschäftsführer der Tirol Werbung, Christian Spiegl (Tirol Werbung), Petra Stolba (Chefi n der Österreich Werbung), Elisa-beth Udolf-Strobl (Tourismus-Sektionschefi n im Wirtschaftsministerium), Claudia Knab und Ingrid Schneider (Tirol Werbung), Gerhard Föger (Leiter der Tourismusabteilung des Landes Tirol), Peter Trost (Tourismussparten-Geschäftsführer in der Wirtschaftskammer), Hubert Siller (Leiter des Stu-diengangs Tourismus am Management Center Innsbruck), Prof. Robert Kaspar (Fachhochschule Kufstein), Helmut Müller (Input Projektentwick-lungs GmbH), Arno Ritter (Architekturforum Tirol), Markus Hildmann (Hypo Tirol Bank) und Hermann Fercher (Tiroler Marketingclub). Die fünf Preisträger wurden heuer wieder mit Skulpturen des Tiroler Künstlers Alois Schild aus-gezeichnet. Die Verleihung des Tirol Touristica durch LH Günther Platter, Hypo-Vorstand Markus Jochum und den GF der Tirol Werbung, Josef Margreiter, fand wie alljährlich im Rahmen des Ti-roler Tourismus.Forums statt. Diese Veranstaltung hat sich mittlerweile als absoluter Branchentre� etabliert und stand heuer unter dem Generalthe-ma „Storytelling“.

www.touristica.tirol.at

Tim Mälzer aus Deutschland (Restaurant

Bullerei, Hamburg).

Die Kombination aus hochkarätiger

Weltstarbesetzung an Köchen mit urigem

Hüttenfl air im Paznaun hat ihren ganz

eigenen Reiz. Der Genussauftakt fi ndet

heuer am 10. Juli nach einer gemeinsamen

Wanderung mit den Starköchen zeitgleich

auf vier Alpenvereinshütten statt. Das ge-

samte Paznaun mit seinen Orten Galtür,

Ischgl, Kappl und See steht dabei im Zen-

trum der Gaumenfreuden. Der Projekt-

träger, der Tourismusverband Paznaun-

Ischgl, verbindet damit Höhenwandern

mit einfachem, jedoch höchstwertigem

Genuss, lobte die Jury: Die kulinarische

Positionierung auf hohem Niveau passe

hervorragend zur Destination

Legende Karwendelmarsch. Sie-

ger in der Kategorie „Events und Großver-

anstaltungen“ wurde ein „alter Haudegen“,

der „Karwendelmarsch – Die Legende

lebt!“ Der Preis kommt nicht von ungefähr:

Das Hauptthema des Tiroler Sommertou-

rismus ist das Wandern. Und der Karwen-

delmarsch inszeniert dieses Thema beson-

ders eindrucksvoll. Motto: „Wandern und

zugleich die Einmaligkeit der Landschaft

des Naturparks bewusst wahrnehmen und

dies unter größtmöglicher Schonung, der

so wertvollen Ressource Natur". Das Span-

nungsfeld Naturschutz versus Tourismus

wird hier bewusst thematisiert. Dazu gibt

es begleitende Maßnahmen vor und wäh-

rend des Events. Verstärkt werden diese

Bemühungen durch eine gezielte Auswahl

an Partnern & Sponsoren.

Der erste Karwendelmarsch nach

19-jähriger Pause war 2009 ein voller Er-

folg, und auch der Karwendelmarsch 2010

konnte daran anschließen. Der reibungslo-

se Ablauf der Veranstaltung und die große

Disziplin der Teilnehmer überzeugten

allgemein von der Nachhaltigkeit dieses

Projekts, das heuer behutsam weiterentwi-

ckelt wurde. Die ARGE Karwendelmarsch,

Markus und Martin Tschoner, fand Lob bei

der Jury, weil beim Projekt das Spannungs-

feld Naturschutz versus Tourismus positiv

aufgelöst wird – durch die Kombination aus

Wandern/Sport, einmaliger Landschaft und

größtmöglicher Schonung der wertvollen

Ressource Natur. Eine naturnahe Inszenie-

rung gepaart mit höchster Anziehungkraft,

Achtsamkeit gegenüber Tirols größtem

Naturpark seien auch bei 2000 Teilnehmern

gesichert, meinte die Jury – „ein richtungs-

weisender Impuls für nachhaltige Gestal-

tung von Sportveranstaltungen in Tirol“. ×

Die Legende lebt. Der 2009 wiederbelebte Karwendelmarsch wurde in der Kategorie „Events und Großveranstaltungen“ ausgezeichnet.

Sterneküche im Gebirge. Der „Kulinarische Jakobsweg Paznaun“ ist Sieger in der Kategorie „Angebotsentwicklung.“ Lokalmatador Martin Sieberer (Trofana Royal, Ischgl) holt dafür Sterneköche ins Hochgebirge.

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30MAGAZINBerg.Welten 2010

Der Brite Hamish Fulton ist der erste

nicht-deutschsprachige Gewinner

des Reisejournalisten-Wettbewerbs Berg.

Welten. Die Auszeichnung „Bestes Bergfo-

to des Jahres“ sicherte er sich mit seinem

Selbstporträt am Gipfel des Mount Everest.

Die Jury begründet ihr Urteil mit der „fast

erschreckenden Unaufgeregtheit, mit der

die Gipfeleinsicht vermittelt wird“. Das Bild

ist im Buch des Künstlers „The uncarved

Block“ erschienen. Im Bereich „Wort“

begeisterte der deutsche Lorenz Wagner

die Jury mit einem Porträt des Südtiroler

Musikers Herbert Pixner. Die Reportage

„Der will nur spielen“ ist in GEO special

erschienen.

Der Reisejournalismuspreis der Tirol

Werbung – Berg.Welten.Wort – erlebte

dieses Jahr seine neunte Aufl age. Dazu

kam zum zweiten Mal der Wettbewerb um

„Das beste Bergfoto des Jahres“, Berg.Wel-

ten.Bild. „Mit jedem Jahr steigt die Qualität

der Einreichungen“, sagt Josef Margreiter.

„Das Spannendste an Berg.Welten aber

sind die Themen – top-aktuell und zu-

kunftsweisend.“ ש H

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TCA erfolgreich gestartetRund 80 Gäste trafen sich zur Podiumsdiskussion „Gäste-Mobilität statt Fremden-Verkehr“ in der Aula der Wissenschaften in Wien.

E ine „unabhängige professionelle

Plattform für innovativ denkende und

handelnde Touristiker“ soll die Tourismus

Community Austria (TCA) sein. So defi -

nieren Alexandra Aigmüller, Geschäfts-

führerin der APA-OTS Tourismuspresse,

und Stefan Kröll, Geschäftsführer der

pro.media kommunikation, die Ziele des

neuen Tourismus-Netzwerks. In diesem

Netzwerk können sich Touristiker mit

Zukunftsthemen auseinander setzen,

ihre Gedanken austauschen und Kontak-

te knüpfen. Zur Auftaktveranstaltung der

TCA mit dem Thema „Gäste-Mobilität statt

Fremden-Verkehr“ am 24. Mai begrüßten

die Initiatoren in der Aula der Wissenschaf-

ten in Wien rund 80 Gäste. Die nächsten

Veranstaltungen werden am 31. August

2011 im Rahmen des Europäischen Forum

Alpbach in Tirol sowie am 5. Oktober 2011

wieder in Wien stattfi nden. ×

Der Preisträger des Reisejourna-lismuspreises Lorenz Wagner mit

Josef Margreiter (li.) und Andrea Gnägi, der Geschäftsführerin, sowie Julia Grissemann, der Direktorin des

Parkhotel Igls.

Page 31: Saison 03/2011

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KULTURTIPPSVON ES THER PIRCHNER

ZAUBERHAFTE FLÖTENKUNSTDer Innsbrucker Tanzsommer präsentiert 2011 Ensembles aus vier Kontinenten: Neben Produk-tionen aus den USA, Kanada, Deutschland, China und Großbritannien gibt es auch eine afrikanische Version von Mozarts „Zauberfl öte“ (Bild) zu sehen.15. 6. – 15. 7. 2011, Congress Innsbruck

GEMEINSAME WIRTSCHAFTStefan Ruzowitzkys Film „Die Siebtelbauern“ über den Versuch, eine Bauernschaft gleichberechtigt zu führen, ist die Vorlage für die Schlossbergspiele Rattenberg. Die Adaption für die Bühne stammt von Autor Stefan Hellbert und Regisseur Pepi Pittl.1. 7. – 6. 8. 2011, Schlossberg, Rattenberg

HÖCHSTER MUSIKGENUSSIm Wortsinne obenauf ist das Elektronikmusikfes-tival Nordkette Wetterleuchten, das auf der See-grube hoch über Innsbruck vonstatten geht. Mit dabei sind Blind Idiot Gods, Disasterradio, Ogris Debris (Bild), Bomb the Bass und Turbodeli.16./17. 7. 2011, Nordkette, Seegrube, Innsbruck

WEITERE VERANSTALTUNGENInnsbrucker Festwochen der Alten Musik 7. 7. – 28. 8. 2011, Schloss Ambras, Tiroler Lan-destheater u. a., Innsbruck, www.altemusik.atSommertheater Kitzbühel, Yasmina Reza: Kunst 26. 7. – 19. 8. 2011, 20 h, Kulturhaus Reith beiKitzbühel, www.eventarts.atOperettensommer Kufstein, Die Zirkusprinzessin29. 7. –13. 8. 2011, Festungsarena, Kufsteinwww.operettensommer.comKreuzgangkonzerte: Du holde Kunst u. a.bis 4. 8. 2011, Augustinermuseum Rattenbergwww.augustinermuseum.at

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BUCHTIPP: QUALITÄTSOFFENSIVE

In vielen Hotels steckt das Qualitätsmanagement noch in den Kinderschuhen. Das erste Tourismus-buch der BTV, „Erfolgsgeheimnisse“, setzt sich ge-nau mit diesem Thema auseinander. Der Ratgeber von Elfriede Krempl und Tina Brandstetter versteht sich als Praxishandbuch. Interviews, Beispiele aus der Praxis und die Grundzüge des Qualitätsmanage-ments bilden die Basis des 300 Seiten starken Buchs. Ebenfalls inkludiert: eine CD-Rom mit Beispiel-Prozessen, Trainingsmodulen und Checklisten. Der Schwerpunkt liegt auf Qualitätsmanagement für fa-miliengeführte Hotels.

Ötzi-Jubiläum

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Am 19. September 1991 entdecken

die deutschen Bergwanderer Erika

und Helmut Simon bei einer Bergtour

von der Similaunhütte auf die Finailspit-

ze eine Mumie, die sich bald als ältester

vollständig erhaltener Repräsentant der

Gattung Mensch entpuppt. Der wunder-

sam konservierte Mann aus der Steinzeit

ist 5.300 Jahre alt, trägt Alltagskleidung,

Werkzeuge, Wa± en – und ist der perfekte

Zeuge einer unvorstellbar fernen Zeit.

Der „Ötzi“ hat speziell auch die lokale

Archäologie nördlich und südlich der

Fundstelle befl ügelt. Im Ötztal wurden

mehrere steinzeitliche Stätten entdeckt,

darunter die Jägerstation am „Hohlen

Stein“ bei Vent im Ötztal und ein Jägerla-

ger im Zwickel von Nieder- und Rofental.

Im Jubiläumssommer stellen das Ötztal

und das Schnalstal den „Ötzi“ in den Mit-

telpunkt von Ausstellungen und Festen,

Vorträgen und Veranstaltungen. ×

Page 32: Saison 03/2011

32 SAISON

MAGAZIN

Die erste theALPS-Vollversion – eine BilanzIm Vorfeld gab’s viel Skepsis: Ein völlig neues touristisches Messe-, Netzwerk und Handelsformat theALPS in weniger als einem halben Jahr auf die Beine zu stellen – das galt als absolutes Risiko. Doch unter dem Strich lautet das Resümee schließlich: Es hat geklappt. Der Anstoß ist erfolgreich gemacht.

VON MICHAEL RIEDLER

W ir haben uns beteiligt

im Bewusstsein, dass

es ein Risiko gibt.

Doch jetzt habe ich

das Gefühl, das Geld war gut investiert.

Man hat klar gesehen, was für ein großes

Potenzial die Alpenkooperation hat“, lobte

Harald Ultsch, Tourismusspartenobmann

in der Wirtschaftskammer, nach der

Veranstaltung in Wattens und Innsbruck.

In der kurzen Planungsphase gelangen

immerhin schon wichtige Weichenstel-

lungen: Bedeutende Alpendestinationen

konnten ins Boot geholt werden, Grau-

bünden etwa oder die wichtigste franzö-

sische Alpenregion Rhone-Alpes.

Das vielleicht wesentlichste Element

der ersten Vollversion in Innsbruck war der

neue B2B-Handelsraum in der Innsbrucker

Dogana für internationale Reiseveranstalter

sowie Vertreter alpiner Qualitätsangebote.

Registrierte Teilnehmer konnten im Vorfeld

Termine via iPad vereinbaren, und rund

700 solcher Vereinbarungen wurden auch

getro� en. Und eingehalten, wie Teilnehmer

feststellten. Annemarie Meyer, Marketing-&-

Sales-Direktorin von Davos-Klosters: „Wir

haben im Vorfeld sechs bis sieben Termine

vereinbart, und zwar ausschließlich mit Top-

Leuten, mit denen wir bisher nicht zusam-

mengearbeitet haben. Und das Erstaunliche

war: Alle Termine wurden bestätigt. Die

Top-Leute kann man hier in relativ kurzer

Zeit tre� en, ohne großen Aufwand.“

Die Profi s gingen erstaunlich gelas-

sen mit anfänglichen technischen Prob-

lemen um und zogen positive Vergleiche

zu anderen touristischen Messeformaten:

„Die Swiss Travel Market fi ndet nur alle

zwei Jahre statt, und um wichtige Leute

zu tre� en, ist ein zweijähriger Rhythmus

einfach zu lang. Es braucht eine jährli-

che Veranstaltung“, sagt Meyer. Susanne

Marie Servin, Chefi n des amerikanischen

Touroperators HerzerlTours, lobt: „Diese

Veranstaltung ist eine sehr gute Idee.“

Nicht zuletzt, weil man damit auch die

Österreich Werbung zu höheren Anstren-

gungen in puncto Bergurlaub animiere.

Weichen wurden gestellt. Das

Resümee: Die Veranstaltung wurde

erfolgreich etabliert (was vorher durch-

aus als nicht selbstverständlich galt),

Bewusstseinsbildung gescha� en und

ein umfangreiches Symposiums- und

Workshop-Programm auf die Beine ge-

stellt. Top-Profi s wurden nach Innsbruck

gebracht. Einige Kinderkrankheiten sind

noch auszumerzen: So muss etwa die

ganze Abwicklung des Verkaufs über iPads

künftig noch einfacher werden, sagt Mar-

greiter, der aber die perfekte Organisation

durch das Projektteam unter Leiterin He-

lene Forcher lobt.

theALPS war eine Tiroler Initiati-

ve, wurde auch von Tirolern umgesetzt.

Künftig soll theALPS aber auf viel inter-

nationalere Beine gestellt werden, unter

anderem mit der EU oder der Euregio als

Partner, 2012 noch einmal in Innsbruck,

dann in jeweils einem anderen Alpenort.

Jetzt gilt es, die Möglichkeiten voll

auszuschöpfen. So hat etwa die Business-

Dating-Plattform noch großes Entwick-

lungspotenzial, wie Helene Forcher sagt:

„Die Arbeit geht einen Tag nach Ende der

Veranstaltung sofort wieder weiter.“ ×

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)

Page 33: Saison 03/2011

33

„ Spüre eine neue Einstellung hier“Andy Perrin, Vorstandschef des Reiseveranstalters Hotelplan UK, glaubt, dass theALPS für einige touristische Anbieter, aber auch für Touroperators eine größere Bedeutung erlangen kann als große Tourismusmessen wie die ITB.

SAISON: Herr Perrin, wie sinnvoll ist für Sie die Idee von theALPS?

ANDY PERRIN: 100-prozentig

sinnvoll. Wir waren schon beim

ersten Zusammenkommen von theALPS

vor einem Jahr dabei und haben hier be-

reits gesehen: Das macht Sinn, wir sind

da voll dabei.

Was sind die Gründe dafür? Für uns ist

der Ansatz schon einmal sehr wichtig. Bei

großen Tourismusmessen wie der World

Travel Market in London, der ITB in Berlin

oder auch der ACTB in Wien sind immer

die Städtereisen im Vordergrund gestan-

den. Für unsere Gruppe, die sich auf den

Bergurlaub spezialisiert hat, war das nicht

ideal. Deshalb haben wir die Kooperation

theAlps sehr begrüßt.

Sie fi nden die Idee gut. Wie sieht es mit der Umsetzung aus? Das Tolle ist, dass wir

hier nur touristische Anbieter tre� en, mit

denen wir entweder schon zusammen-

arbeiten oder mit denen wir gerne zu-

sammenarbeiten wollen oder mit denen

wir zumindest gemeinsame Interessen

haben. Ich habe hier wirklich noch keinen

einzigen Menschen getro� en, von dem

ich nicht eine gute Idee, eine Anregung

erhalten oder etwas Wichtiges gelernt

habe. Das sind zwei, drei ganz intensive

Tage, weil eben alles ganz gezielt auf die

Alpen konzentriert ist.

Das erhöht die Qualität der Geschäfte?

Ja, man hat im Alltagsgeschäft prinzipiell

immer zu wenig Zeit. Hier haben wir die

Möglichkeit, in kurzer Zeit sehr viele Top-

Leute zu tre� en, die Spitzenleute der touris-

tischen Anbieter. Bei großen Reisemessen

ist das gar nicht in diesem Umfang möglich,

weil dort die Top-Leute eben nicht überall

sein können. Hier tri� t man sich und kann

in kurzer Zeit sehr viel bewegen.

Bringt die Kooperation theALPS den briti-schen Reisenden auch etwas oder suchen die nicht vielmehr von Haus aus nach der Reisedestination „Österreich“ oder „Schweiz“, aber nicht nach den „Alpen“?

Die Kunden, die zu uns kommen, haben

sich in der Regel bereits für einen Bergur-

laub entschieden. Trotzdem kann theALPS

durchaus etwas für unsere Kunden bringen,

weil sie einfach mit größerer E© zienz an-

gesprochen werden können. Oft zählt beim

touristischen Marketing noch: Wie kann ich

den Kunden vom Nachbarort in meinen Ort

locken? Dafür wird viel Geld ausgegeben.

Man soll aber stattdessen versuchen, die

Gesamtzahl der Menschen zu erhöhen,

die sich für einen Bergurlaub interessieren

oder begeistern. Da hat dann jeder Ort

etwas davon. Dazu braucht es eben mehr

Kooperation.

Und dieses neue Denken kann theALPS in-itiieren? Wir spüren diese neue Einstellung

hier. Und sie ist auch notwendig, denn ge-

rade im Sommer steht der Bergurlaub unter

starker Konkurrenz. Viele unserer Kunden

kommen im Sommer, nehmen in einem Ort

Quartier und unternehmen von dort aus

entspannte Ausfl üge in die Umgebung. Und

das, was ich damit beschreibe, ist eigentlich

nichts anderes als das, was eine Kreuzfahrt

auch bietet. Der Kreuzfahrtboom nimmt

dem Bergtourismus im Sommer viele po-

tenzielle Kunden weg, weil er vielfach auch

eine ähnliche Kundenschicht anspricht.

Da braucht es gemeinsame Bemühungen, um dies zu ändern? Ja, der britische Fami-

lienurlauber will zum Beispiel im Sommer

vor allem Sonne und Strand haben. Wenn

wir ihm unsere Bergangebote zeigen, sagt

er: Ja, das schaut alles ganz schön aus,

aber wir wollen einen Strand. Das Bemer-

kenswerte ist: Praktisch jede Familie, die

wir nach Österreich gebracht haben, hat

danach gesagt: Das war der beste Famili-

enurlaub, den wir je gehabt haben.

Was halten Sie davon, dass bei „theALPS – a new way of trading“ auf Prospekte und Kataloge verzichtet wird und dafür über iPads kommuniziert wird? Hut ab,

dass die Veranstalter das so gemacht

haben. Es funktioniert noch nicht alles

100-prozentig perfekt, aber Perfektion

steht dabei gar nicht im Vordergrund.

Wichtig ist, dass damit ein Zeichen gesetzt

wird: theALPS denkt in die Zukunft hinein.

Kann sich theALPS mit großen Tourismus-messen wie ITB und WTM vergleichen?

Nein, das sind zu unterschiedliche Veran-

staltungen. Und einige Dinge sind eben

so nur bei theALPS möglich. Wir sind sehr

zuversichtlich und werden sicher in den

nächsten Jahren wieder dabei sein. Die

Veranstaltung ist ein fi xer Bestandteil in un-

serem Terminkalender. Auf die ITB dagegen

gehe ich seit einiger Zeit nicht mehr. Wenn

theALPS richtig weiterläuft, dann kann diese

Veranstaltung für manche wichtiger werden

als die ITB, weil sie hier in zwei Tagen mehr

erreichen als in einer Woche ITB.

Vielen Dank für das Gespräch. ×

Andy Perrin ist Chief Executive O� cer von Hotelplan UK, unter deren Dach bekannte Touroperators wie Inghams, Esprit, Total

und Inntravel agieren. Hotelplan UK ist nach der TUI der zweitgrößte britische Reisever-

anstalter für den Alpenraum.

„Wir waren schon beim ersten Zusammen-kommen von theALPS vor einem Jahr dabei und haben hier bereits gesehen: Das macht Sinn, wir sind da voll dabei.“ANDY PERRIN

Page 34: Saison 03/2011

34 SAISON

MAGAZIN

G oogle weiß alles. Wo wir

sind, wo wir einkaufen

und wohin wir auf Urlaub

fahren. Was Datenschüt-

zer regelmäßig warnend den Zeigefi nger

erheben lässt, soll sich jetzt für Touristiker

als nützlich erweisen. Zumindest wenn es

nach Karl Pall, Chef von Google Öster-

reich, geht. Mit dem Google-Tool Insights

for Search soll sichtbar werden, wer auf

welche Weise über Google nach den

Alpenregionen sucht, woher die Gäste

kommen und wo das Interesse an den

Alpen besonders groß ist. Dieses Wissen

könnte sich für die heimischen Hoteliers

nach Ansicht des Google-Chefs defi nitiv

auszahlen.

Beliebteste Alpenregion. Mit In-

sights for Search kann man sich die welt-

weiten Suchanfragen nach bestimmten

Begri� en, nach Ländern, Regionen und

im zeitlichen Verlauf anschauen. Eine

Auswertung dieser Anfragen, die Pall

für seinen Vortrag bei theALPS durch-

führte, hat unter anderem ergeben, dass

Österreich, was Suchanfragen bezüglich

Unterkünften und Hotels betri� t, die

beliebteste Alpenregion ist. Das eigent-

lich Überraschende dabei: Relativ viele

Suchanfragen stammen aus Ländern, bei

denen man es nicht auf den ersten Blick

vermutet hätte, wie Großbritannien und

die USA. Von dort kamen etwa elf Prozent

der Anfragen, demgegenüber waren es

rund 30 Prozent aus Deutschland.

Im Detail lassen sich dann auch

Trends ablesen. „Man sieht zum Beispiel,

was zunehmende Fragen aus dem Bereich

sind und was noch dazu gefragt wird“, er-

klärt der Google-Manager. „Es ist jeder-

manns Sache, hier selbst Begri� e einzu-

geben. Ich sage ganz gern, es gehört zur

Startphase für jeden Unternehmer, egal

ob im Wirtschafts- oder Medienbereich,

zu fragen, was interessiert die Menschen

eigentlich. Was ist das, wo die große Ver-

änderung stattgefunden hat oder stattfi n-

den wird.“ Dabei helfe Insights for Search.

Die Top-Drei der Zusatzbegri� e beim

Wandern sind aktuell zum Beispiel „wan-

dern Südtirol“, „wandern Schwarzwald“

und „wandern Schweiz“.

Prognose von Grippewellen. Eine beeindruckende Anwendung dieser

Suchanalysen aus einem anderen Bereich

hat Google in Österreich bereits online

gestellt: die Prognose von Grippewellen.

Dies geschieht anhand der Häufi gkeit

von Suchbegri� en, die auf die Krankheit

bezogen sind und die mit historischen

Verlaufsdaten abgeglichen werden. In

den USA konnten die Prognosen die

Grippewellen etwa zwei Wochen früher

anzeigen, als dies den Centers for Disease

Control möglich war.

Suchanfragen bilden zeitnah die

kommenden Trends ab. Pall fällt dazu

als zumindest indirekt für den Tourismus

relevant das Elektrofahrrad ein. „Das

ist ein absolutes Thema. Das ist erst im

letzten Jahr gekommen und hat ein

solides Wachstum gezeigt und wird das

auch weiter tun. Als Touristiker kann man

sagen, was fange ich damit an. Biete ich

vielleicht auch Elektrofahrräder an. Ist das

ein Thema, kann ich hier in einen Markt

einsteigen?“

Smartphone-Boom. Google ver-

zeichnet 3,6 Milliarden Suchanfragen

pro Tag, 50 Prozent der Smartphone-

Besitzer starten, wenn sie über das Handy

das Internet nutzen, mit einer Suche. So

kommt täglich eine gewaltige Datenmen-

ge zusammen, die Google für alle Nutzer

kostenfrei zur Verfügung stellt. Pall sieht

im Smartphone den „besseren Computer

in der Hosentasche“ und prognostiziert

ein rapides Wachstum für die nächste

Handygeneration: „Haben wir die Decke

schon erreicht? Nein, noch lange nicht.“

In Österreich besitzt derzeit etwa ein Drit-

tel der Handynutzer ein Smartphone. In

Deutschland sind es noch etwas weniger,

was sich aber schnell ändern wird, glaubt

Pall: „Das wird unsere Kundenschicht sein,

ich möchte gar nicht sagen von morgen,

sondern in vielen Fällen schon von heute“.

Neue technische Entwicklungen

brauchen mittlerweile im Vergleich zu

früher wesentlich weniger lang, um von

einer breiten Konsumentenschicht an-

Urlaubst du schon oder googelst du noch? Wonach googeln Österreich-Urlauber? Finden sie, was sie suchen, oder gibt es das, was sie wollen, vielleicht (noch) gar nicht? Wer interessiert sich eigentlich für Österreich? Karl Pall, Chef von Google Österreich, hat die meistgenutzte Suchmaschine der Welt nach Antworten durchforstet.

VON SONJA K AINZ

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Page 35: Saison 03/2011

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genommen zu werden. Zur Veranschaulichung zieht Pall die

markttechnisch relevante Zahl von 50 Millionen Nutzern heran:

Das Radio brauchte 38 Jahre, um diese Grenze zu sprengen, der

Fernseher nur mehr 13 Jahre, das Internet scha� te es in lediglich

vier Jahren und dem iPhone von Apple gelang dieses Kunststück

in nur drei Jahren. „Es geht darum, wie schnell man dabei ist.“

Nächstes Jahr könne in vielen Fällen schon zu spät sein.

Virtueller Reiseführer. Auf diese Veränderung wird sich

auch die Tourismusbranche zunehmend einstellen müssen. Das

Smartphone werde zum virtuellen Reiseführer. Pall rät, rasch zu

reagieren. „Es beginnt eigentlich mit der Anbindung. Wenn ich

heute weiß, ich habe eine bestimmte Anzahl von Gästen im Haus,

von denen ein bestimmter Prozentsatz auch ein Smartphone

besitzt, möchten diese bestimmt auch die Daten nutzen.“ Als

Betrieb könne man einfach alle Informationen, die man über

das Haus an den Gast weitergeben möchte, über eine App zur

Verfügung stellen, ebenso wie bestimmte Zusatzdienste oder

aktuelle Angebote.

Ein Hindernis für die Nutzung von Smartphones im Aus-

land sind derzeit noch mitunter sehr hohe Roaming-Gebühren.

Die Lösung des Problems ist für Pall das Anbieten eines o� enen

WLAN-Zugangs. Das sei vor allem für ausländische Gäste sehr

wichtig. In anderen Ländern sei man in dieser Hinsicht schon

weiter. „In den USA oder in den skandinavischen Ländern gibt

es beinahe keinen Campingplatz, der nicht über o� enes WLAN

verfügt.“ Die Stadt Miami habe ein fl ächendeckendes WLAN für

alle Bürger. „Das ist eine Grundausstattung, die meiner Meinung

nach in naher Zukunft fast unumgänglich sein wird“, meint Pall.

Er kritisiert, dass hierzulande viele WLAN zwar anbieten, aber

versuchen, damit Geld zu verdienen, „auf eine Art und Weise,

die in keiner Relation zur Leistung steht“. Er sehe das auch aus

Sicht des Users. „Wenn ich in einem Lokal bin und entsprechend

konsumiere, sehe ich es eigentlich nicht ein, warum ich dann fürs

WLAN zahlen soll.“ ×

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Insights for Search. Die weltweiten Suchanfragen nach dem Stich-wort „Grippe“ enthüllen den Verlauf der Krankheitswellen.

Page 36: Saison 03/2011

36 SAISON

MAGAZIN

W er braucht schon

Hilfe beim Surfen auf

einer Homepage?

„Weitaus mehr In-

ternetnutzer, als man denkt“, antwortet

darauf Michael Anfang, Marketingchef

des Viersternehotels Edelweiss & Gurgl

in Obergurgl im Ötztal. Diese Einschät-

zung stützt sich auf nüchterne Zahlen:

An einem Donnerstag im Mai, einer an-

fragetechnisch traditionell lauen Zeit des

Jahres, waren beispielsweise 800 poten-

zielle Gäste auf der Homepage des Hotels.

Davon hätten aber nur drei Prozent eine

Anfrage geschickt, erklärt Anfang. Im Jah-

resschnitt sieht es mit 4,8 Prozent etwas

besser aus. Das heißt aber natürlich noch

nicht, dass sich diese 4,8 Prozent auch zu

einer Buchung entschließen. Im Fachjar-

gon nennt man den Anteil jener Personen,

die über die Website in direkten Kontakt

zur jeweiligen Firma treten, „Konversati-

onsrate“.

Nur zwei Prozent fragen an. Sie

liegt im Schnitt bei zwei Prozent. Obwohl

sich mittlerweile branchenübergreifend

viele Kunden im Internet über Angebote

informieren, bedeutet das für das Un-

ternehmen in den meisten Fällen noch

keinen Kundenkontakt und dement-

sprechend kein tatsächliches Geschäft.

Das gilt auch für die Hotellerie. Zu groß

sei die Vielfalt der Inhalte im Web und

nach einigen Klicks sei das Interesse des

durchschnittlichen Users oft schon wie-

der abgeschweift, der Eindruck der ersten

Homepage vielleicht schon wieder durch

zig andere Inhalte überlagert, führt Anfang

aus. Diesem E� ekt will der Marketingfach-

mann mit einem neuen „Live Hilfe System“

auf der Homepage des Edelweiss & Gurgl

entgegensteuern. Es soll den fl atterhaften

Webnutzer durch persönlichen Kontakt

zum Innehalten bewegen.

Das funktioniert folgendermaßen:

Klickt man auf die Homepage des Hotels,

fi ndet man am rechten Bildschirmrand

einen „Live Help Button“. Wer diesen

anwählt, bekommt von einem freundli-

chen Herrn in traditionellem Outfi t per

Video die Online-Hilfe erklärt. Einen

Mausklick auf das nicht zu übersehende

Hilfe-Symbol später, wird man innerhalb

weniger Minuten per Videochat mit einem

der Mitarbeiter des Hotels verbunden.

Während man selbst sehen kann, wer am

anderen Ende der Leitung sitzt, kann sich

der User aussuchen, ob er mittels Tastatur,

Voice Chat oder Video Chat kommunizie-

ren möchte. Der Hotelmitarbeiter kann

mit dem Interessenten in Kontakt treten,

sofort Fragen beantworten, ein Angebot

schicken oder ihm bestimmte Inhalte auf

der Homepage direkt zeigen. „Die zwi-

schenmenschliche Interaktion wird im

Internet immer wichtiger“, sagt Anfang.

Außerdem seien die Homepages in den

vergangenen Jahren enorm gewachsen.

Oft habe der Kunde gar keine Möglichkeit,

Ein Hotel testet die virtuelle RezeptionMit einem innovativen Live-Hilfe-System im Internet will das Ötztaler Viersternehaus Edelweiss & Gurgl den fl atterhaften Internetkunden an sich binden und mehr Website-Besucher zu tatsächlichen Gästen machen.

VON SONJA K AINZ

On Air. Rezep-tionistin Dolores Fender winkt einem User freundlich zu. „Der Service wird sehr gut ange-nommen.“

Page 37: Saison 03/2011

37

das für ihn Relevante in der kurzen Zeit,

die ihm meist zur Verfügung steht, auch

zu fi nden.

Kunden gehen leicht verloren. Eine Zahl, die den Schwazer besonders

stutzig gemacht hat, ist, dass 22 Prozent

der Besucher der Hotelwebsite das Anfra-

geformular ö� nen, aber nur 4,8 Prozent es

dann auch abschicken. Anfang erklärt sich

das so: Zeit ist ein knappes Gut und oft

reicht schon das Klingeln des Telefons, um

den Kunden zu verlieren. „Wenn man aber

gerade aktiv mit jemandem chattet oder

vielleicht sogar per Video in Verbindung

mit ihm steht, ist man viel eher geneigt,

das Handy einfach mal läuten zu lassen.“

Seit sechs Wochen wird das System jetzt

mittlerweile im Viersternehaus getestet.

Die mit 60 Prozent beliebteste Variante,

um mit dem Hotelpersonal in Kontakt

zu treten, ist übrigens der Textchat. „Das

liegt zum einen an der technischen Aus-

rüstung, nicht jeder verfügt über Kamera

und Mikrofon, und zum anderen daran,

dass viele ihren Urlaub während der Ar-

beitszeit planen. Das sollen die Kollegen

ja schließlich nicht unbedingt mitkriegen“,

erklärt der 40-Jährige.

Informationen über den User. Live-Hilfe-Hauptbeauftragte im Edelweiss

& Gurgl ist derzeit Dolores Fender. Ins-

gesamt sind für diesen Service während

der Hauptsaison vier Mitarbeiter vorge-

sehen. Sie führe derzeit zwischen sechs

und acht Gespräche täglich via Internet,

erzählt die Rezeptionistin und bilanziert

bisher positiv. „Der Service wird sehr gut

angenommen. Vor ein paar Tagen habe

ich beispielsweise mit einem Amerikaner

gechattet, der auf der Suche nach einem

Zimmer mit Verbindungstür war. Auf der

Homepage konnte ich ihm dann gleich

direkt die Fotos zeigen.“ Erreichbar ist der

Service zu den üblichen Bürozeiten. Ein

Tool, das das Live-Hilfe-System zusätz-

lich bietet, begeistert Anfang besonders.

„Es ist auch möglich, einem User eine

Einladung zu einem Chat zu schicken,

also von sich aus aktiv zu werden.“ Man

kann nämlich sehen, wenn sich jemand

beispielsweise länger die Angebote und

Preise ansieht, dann gibt‘s die Möglichkeit,

ihm direkt Hilfe anzubieten. Außerdem

zeigt die Software an, aus welchem Land

der User stammt, „andere Informationen

unterliegen natürlich dem Datenschutz“,

fügt er hinzu.

Zukunft Internetverkauf. Das

System wurde in England entwickelt. Es

war auch ein Gast aus England, der An-

fang auf die Idee brachte, die Live-Hilfe

fürs Edelweiss & Gurgl zu nutzen. „Ich

glaube fest daran, dass das die Zukunft

im Internetverkauf ist.“ Deshalb hat Anfang

auch gleich den Vertrieb des Onlinetools,

genannt „vee24“, für Österreich und die

Schweiz übernommen. Neben England

wird vee24 auch in den Vereinigten

Staaten, in Deutschland, Frankreich und

den Beneluxländern angeboten. Als ein-

gefl eischter Marketing-Profi hat Anfang

natürlich auch einige Erfolgsstorys parat.

In England habe beispielsweise ein kleines

Reisebüro, das hauptsächlich Familien-

urlaube anbiete, dank der Live-Hilfe eine

Steigerung der Konversationsrate um 900

Prozent erreicht. In Deutschland zählt

unter anderem Lexus zu den Nutzern.

Lexus sei es dadurch gelungen, die online

buchbaren Testfahrten um 167 Prozent zu

steigern, der Autoverkauf habe sich, wenn

auch nicht in derselben Größenordnung,

so doch immerhin um 21 Prozent erhöht.

Fürs Edelweiss & Gurgl hat sich An-

fang ein vergleichsweise bescheideneres

Ziel gesetzt. Die Konversationsrate soll

von derzeit 4,8 Prozent auf acht Prozent

hinaufgeschraubt werden. „Das könnte

die halben Marketingkosten einsparen“,

glaubt Anfang. Ob das tatsächlich gelingt,

ist derzeit noch nicht abzusehen. Immer-

hin sei momentan Nebensaison und die

Testphase noch zu kurz, um einen Trend

ablesen zu können. Neben mehreren

Tiroler Hotels zählt mittlerweile auch

der Ötztal Tourismus zu den Live-Hilfe-

Anbietern. Anfang stellte die Software

auch bei theALPS vor. Besonders bera-

tungsintensive Branchen, zu denen der

40-Jährige auch den Tourismus zählt,

könnten von dem Online-Tool am meisten

profi tieren, meint er. ×

„Die zwischenmenschliche Interaktion wird im Internet immer wichtiger. Es ist auch möglich, ei-nem User eine Einladung zu einem Chat zu schicken, also von sich aus aktiv zu werden.“MICHAEL ANFANG, MARKETINGCHEF EDELWEISS & GURGL

HOTEL EDELWEISS & GURGLDas Viersternehaus wurde 1889 gegrün-det und befi ndet sich im Besitz der Familie Scheiber, derzeit führen es Lukas und Tan-ja Scheiber. Der Ganzjahresbetrieb verfügt über 255 Normalbetten und beschäftigt 80 Mitarbeiter. 2010 erzielte das Hotel 60.000 Gästenächtigungen.

www.edelweiss-gurgl.comLive-Hilfe-System: www.vee24.at

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Page 38: Saison 03/2011

38 SAISON

MAGAZIN

S AISON: Herr Switak, welche Ziele verfolgt die Landesre-gierung mit dem Raumord-nungsplan „Raumverträgli-

che Tourismusentwicklung“? CHRISTIAN

SWITAK: Der Tourismus kann je nach

Ausprägung zum Teil sehr fl ächenintensiv

und landschaftsprägend sein. Das zent-

rale Thema des Raumordnungsplans ist

daher eine qualitätsvolle und zukunfts-

fähige touristische Entwicklung, die die

begrenzten räumlichen Ressourcen Tirols

sinnvoll nutzt und zugleich im Sinne der

Nachhaltigkeit schonend damit umgeht.

Wie lassen sich die Ergebnisse auf den Punkt bringen? Mit dem Raumordnungs-

plan ermöglichen wir eine Einbettung des

Tourismus in die Regionalentwicklung

unter Beachtung der örtlich spezifi schen

Eignungspotenziale. Wir stellen eine be-

hutsame bauliche Weiterentwicklung, vor

allem was Großprojekte anbelangt, sicher

und tre� en Vorkehrungen für eine verträg-

liche Entwicklung der touristischen Mobi-

lität. Mit einer Bewusstseinsbildung für die

Komplexität des Lebensraums Alpen wol-

len wir die Sensibilität für den Umgang mit

unseren natürlichen und landschaftlichen

Ressourcen erhöhen. Es soll aber auch der

Erholungswert der Natur hervorgehoben

werden, der von einer immer größeren

Gästeschicht gezielt gesucht wird.

Zwangsläufi g prallen bei der Frage, wie und in welchen Grenzen die touristische Entwicklung verlaufen soll, die Interes-sen aufeinander. Kann man es überhaupt irgendjemandem recht machen? Es allen

recht machen zu wollen, hieße unver-

bindlich zu bleiben, das ist gewiss nicht

mein Ziel. Nicht alle Interessengegensätze

sind so unüberbrückbar, wie sie auf den

ersten Blick scheinen mögen. Es ist daher

wichtig gewesen, von vornherein Vertre-

ter aller Beteiligten in die Erstellung des

Raumordnungsplans einzubeziehen.

Ist bei Raumordnungsfragen der Kom-promiss immer die richtige Lösung? Es

kann nicht immer und überall Kompro-

misse geben. Speziell die Schonung der

Ressourcen macht es auch notwendig

Grenzen zu setzen. Gerade hier ist die

Politik gefordert. Als Beispiel möchte ich

das Verbot von Neuerschließungen im Ti-

roler Seilbahn- und Skigebietsprogramm

nennen. Wenn alle an einem solchen Pla-

nungsprozess Beteiligten erkennen, dass

hier glaubhaft an einem ausgewogenen

Programm gearbeitet wird, dann ist es

auch leichter für notwendige Entschei-

dungen Akzeptanz zu fi nden.

Wer war bei der Ausarbeitung des Pla-nes konkret eingebunden? Vertreter von

Tourismusunternehmen und der Touris-

musorganisationen, die Tirol Werbung und

der Koordinationsausschuss Tourismus

(KAT) waren ebenso mit dabei wie die ver-

schiedenen Interessenvertretungen, der

Gemeindeverband und die Stadt Innsbruck,

der Alpenverein und Umweltorganisationen

sowie einschlägig tätige Dienststellen. In

Summe waren deutlich über 100 Personen

in verschiedenen Beteiligungsformaten ein-

gebunden. Abschließend hat es auch das für

Raumordnungspläne vorgesehene formelle

Begutachtungsverfahren mit Einbindung

des Tiroler Raumordnungsbeirats gege-

ben. Der Landesregierung lag somit am

9. 11. 2010 ein auf breiter Basis konsensual

erstellter Entwurf zur Beschlussfassung vor.

Welche Rolle spielen Klimaerwärmung und Naturgefahren bei der langfristigen

„ Beschränkter Raum verträgt kein unbe- schränktes Wachstum“Seit einem halben Jahr ist der Raumordnungsplan „Raumver-trägliche Tourismusentwicklung“ in Kraft. Landesrat Christian Switak spricht im Interview mit der SAISON über Ziele und erste Erfahrungen im Rahmen des Projekts sowie Grenzen und Wachstums chancen des Tiroler Tourismus.

DA S INTERVIEW FÜHRTE M AT THIA S KR APF.

„Unsere natur- und kulturräumlichen Ressourcen müssen wir verantwortungsbewusst nutzen, aber nicht ver-brauchen – nicht zuletzt auch im Interesse des Tourismus selbst.“

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DOWNLOADDer Raumord-nungsplan „Raum-verträgliche Tourismusent-wicklung“ kann auf www.tirol.gv.at/raumordnung als pdf heruntergela-den werden.

Strategieentwicklung? Der Klimawandel

ist zweifellos ein Schlüsselthema für die

langfristige Landesentwicklung und damit

auch für den Tourismus. Die Landes-

regierung hat daher erst vor kurzem den

Auftrag erteilt, neben der konsequenten

Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen

diesbezügliche Anpassungsstrategien als

Schwerpunktthema voranzutreiben. Ein

wichtiger Aspekt ist es dabei, mehr Klarheit

über die tatsächlichen regionalen Auswir-

kungen des Klimawandels zu gewinnen,

um zielgerichtet ansetzen zu können. Auch

von touristischer Seite wurden dazu ja be-

reits verschiedene Forschungsprojekte in

Gang gesetzt.

Wichtig erscheint es mir, dass hier

lösungsorientiert gearbeitet wird und dass

in Bezug auf den Tourismus nicht nur die

problematischen Aspekte wie die Schnee-

sicherheit oder Naturgefahren behandelt

werden. Es sollen auch die Chancen, wie

eine zunehmende Attraktivität des Som-

mertourismus, Berücksichtigung fi nden.

Es wird die Wichtigkeit der Vernet-zung und Kooperation mit anderen Wirtschaftszweigen, den Planungsver-bänden und Regionalmanagements betont. Wie kann der Tourismus davon profi tieren? Die Authentizität des Tiroler

Tourismus ergibt sich in hohem Maße aus

der einzigartigen Landschaft und seiner

Integration in die Gesellschaft. Vernet-

zungen und Kooperationen unterstützen

dieses positive Profi l. Zusätzlich leisten

sie auch einen Beitrag zur Erhöhung

der Akzeptanz des Tourismus unter der

einheimischen Bevölkerung, zahlreiche

Infrastruktur- und Freizeiteinrichtungen

stehen Gästen und Einheimischen glei-

chermaßen zur Verfügung. Die Verknüp-

fung zwischen Tourismus und Land- und

Forstwirtschaft ist eine wesentliche Vor-

aussetzung für die Erhaltung der für Tirol

typischen Kulturlandschaft, die wiederum

eine wesentliche Basis für die touristische

Attraktivität bildet.

Kann der Tourismus in Tirol räumlich noch wachsen? Der Siedlungs- und Wirt-

schaftsraum in Tirol ist sehr beschränkt.

Zweifellos ist die touristische Intensität in

Tirol – und damit auch der Raumbedarf

– insgesamt sehr hoch. Da es regional

stark unterschiedliche Situationen und

Perspektiven gibt, muss man diese Fra-

ge di� erenziert sehen. Grundsätzlich

wird der Tiroler Tourismus verstärkt auf

qualitatives Wachstum auszurichten sein.

Nicht nur Nächtigungszahlen oder die

Pistenkilometer können auf Dauer die

maßgeblichen Kriterien sein, sondern die

erzielte Wertschöpfung und ein nachhal-

tiges Profi l.

Sind Wachstum und Nachhaltigkeit in der Praxis nicht oft ein Widerspruch? In

der Tat müssen wir über zukunftsfähige

Formen des Wachstums nachdenken. Die

EU-Strategie „Europa 2020“ postuliert das

Ziel des „smart growth“ und versteht dar-

unter ein intelligentes, nachhaltiges und

integratives Wachstum. Wir brauchen eine

Ressourcen schonende und umweltver-

trägliche Entwicklung, die auch den sozi-

alen Zusammenhalt sichert. Dieses Ziel gilt

auch für Tirol und für den Tiroler Tourismus:

Beschränkter Raum verträgt kein unbe-

schränktes Wachstum. Unsere natur- und

kulturräumlichen Ressourcen müssen wir

verantwortungsbewusst nutzen, aber nicht

verbrauchen – nicht zuletzt auch im Inter-

esse des Tourismus selbst.

Wo hört die verträgliche Tourismusent-wicklung auf und fängt die Übernutzung an? Es gibt keine eindeutige „Grenze“, aber

Indizien, die uns eine problematische

Entwicklung signalisieren. Nehmen wir

als Beispiel die Verkehrsüberlastung in

einzelnen Talschaften beziehungsweise

auf einzelnen Streckenabschnitten, die

die Mobilität stark beeinträchtigt und

hohe Infrastrukturkosten verursacht. Auch

ausgestorbene Ortschaften, in denen au-

ßerhalb der Saisonzeiten Gasthäuser und

Geschäfte geschlossen bleiben, führen

langfristig zu einem Lebensqualitätsver-

lust und in weiterer Folge zu einem Akzep-

tanzproblem innerhalb der Bevölkerung.

Das Thema Verkehr beziehungsweise Mobilität ist gerade auch für den Touris-mus von großer Bedeutung. Wo orten Sie hier Verbesserungspotenzial? Wir müssen

die Stärkung des Ö� entlichen Verkehrs

vorantreiben und unseren Gästen diese

Angebote bewusst machen. Angemessene

Siedlungsstrukturen und Mobilitätsange-

bote am Urlaubsort sollten das Mobilitäts-

verhalten positiv beeinfl ussen. Auch die

Forcierung der Elektromobilität und die

Entwicklung und bewusste Bewerbung

autofreier Urlaubsaktivitäten sind Beispiele

für diesbezügliche Maßnahmen.

Der Raumordnungsplan wurde etwa vor einem halben Jahr von der Tiroler Landesregierung beschlossen. Hat er sich in der Praxis bereits bewährt? Für

die Bewertung eines Strategieplans ist

der Beobachtungszeitraum von einem

halben Jahr nach Umsetzung zwar etwas

kurz, wir können aber trotzdem bereits

sagen, dass sich der Raumordnungsplan

bewährt. Schon allein durch den Ausar-

beitungsprozess konnten wir Bewusstsein

bilden. Die zahlreichen Beteiligten haben

eine gemeinsame Sicht des Handlungs-

bedarfs und der Handlungsmöglichkeiten

entwickelt, die Sensibilität für bestimmte

Themen hat zugenommen.

Im engeren Handlungsbereich

des Landes ist der Raumordnungsplan

eine Richtschnur für alle raumrelevanten

Aktivitäten mit Tourismusbezug. In den

Regionen werden zahlreiche Projek-

te entwickelt, die den Intentionen des

Raumordnungsplans entsprechen. So

steht beim Projekt „Nature Watch“ das

Beobachten und Entdecken der heimi-

schen Flora und Fauna im Vordergrund,

„Climbers Paradise“ präsentiert die Vielfalt

der Kletterwelt Tirols, Genussregionen

wie „Stanzer Zwetschke“, „Osttiroler

Berglamm“ oder „Nordtiroler Gemüse“

defi nieren sich über die kulinarischen

Besonderheiten der Region, um nur

einige Beispiele anzuführen, bei denen

die Naturressourcen Tirols ein gern an-

genommenes Highlight im touristischen

Angebot darstellen.

Vielen Dank für das Gespräch. ×

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wicklung“ kann auf

Page 40: Saison 03/2011

40 SAISON

MAGAZIN

D er Sommer ist für viele

Tou ris mus be trie be keine

einfache Zeit. Weniger Gäs-

te als im Winter kommen

in die Berge – wer nichts Besonderes zu

bieten hat, bemerkt das schnell an der

Auslastung.

Auch die Hotels im Skifahrerpara-

dies Serfaus haben in den warmen Mona-

ten zu kämpfen: Serfaus war im Jahr 2010

mit 1.052.087 Nächtigungen in Tirol zwar

auf Platz 7, doch nicht einmal ein Drittel

(32 %) der Nächtigungen fallen auf den

Sommer (Landesstatistik Tirol). Diese Zahl

wäre wohl noch niedriger, hätten nicht ein

paar Hoteliers eine besondere Zielgruppe

entdeckt: orthodoxe Juden.

„Wir bekamen per E-Mail eine An-

frage, ob wir jüdisch-orthodoxe Gäste

beherbergen würden. Uns hat das Neue

gereizt – und so ö� nen wir diesen Som-

mer das Hotel bereits zum sechsten Mal

exklusiv für jüdische Urlauber“, erklärt

Sonja Purtscher, Juniorchefi n des Hotels

Alte Schmiede in Serfaus. Eine unge-

wöhnliche Methode, um dem sommer-

lichen Gästeschwund vorzubeugen – gilt

die Beherbergung von orthodoxen Juden

doch als besonders anspruchsvoll. Juden

haben sich an viele Regeln zu halten, die

jüdischen Speisegesetze (Kashrut) alleine

sind schon kompliziert genug.

Nichtsdestotrotz scheint die Rech-

nung aufzugehen: Zwischen 1.000 und

2.000 orthodoxe Juden urlauben jeden

Sommer in Serfaus. „Wir haben auch

Stammgäste, die jedes Jahr wieder kom-

men. Die Resonanz ist sehr gut“, zeigt sich

Purtscher zufrieden.

Ein wenig anders sieht das Hotel

aber in der Sommersaison schon aus.

„Die Hausbar wird zu einem Gebetsraum

umgestaltet“, nennt Purtscher nur ein Bei-

spiel dafür, wie das Hotel für die speziellen

Gäste umgestaltet wird.

Koschere Hotelküche. Jüdisch-

orthodoxe Urlauber zu beherbergen,

setzt auch Wissen über das Judentum

voraus – und die Bereitschaft, sich dar-

auf einzulassen. Denn orthodoxe Juden

halten sich peinlich genau an die strengen

Regeln der Thora und des Talmuds – am

bekanntesten in Mitteleuropa sind die

jüdischen Speisegesetze. Diese schrei-

ben vor, dass nur koschere und koscher

zubereitete Lebensmittel verzehrt werden

Shalom, Serfaus!Viele Tourismusbetriebe ächzen unter dem Gästeschwund in der Sommersaison. In Serfaus sorgen ungewohnte Gäste auch in der warmen Jahreszeit für volle Betten.

VON S YLVIA A INE T TER

Page 41: Saison 03/2011

41

VORREITER IN SALZBURGDie Auswahl an koscheren Hotels in Österreich ist nicht gerade groß: Das Hotel Alpenkarawanserai in Saalbach-Hinterglemm/Salzburg galt lange sogar als das einzige koschere Hotel in Österreich. Es wirbt unter anderem mit nach Geschlechtern getrennten Wellnessbereichen, traditionellen Reinigungsbädern (Mikveh) und jüdischen Gebetsräumen. Die koschere Küche und der traditionelle Sabbat gehören zum Standard. Doch auch die Alpenkarawanserai bietet den Service für die jüdischen Gäste nur in den Sommermonaten an.

dürfen. Für den Hotelbetrieb heißt das

konkret, dass die Küche umgestellt und

adaptiert werden muss – und auch alle

Gerätschaften müssen „gekaschert“, also

koscher gemacht werden. Dies geschieht

beispielsweise durch Erhitzen oder Ein-

tauchen der Geräte in kochendes Wasser.

Dann müssen die Arbeitsbereiche neu

aufgeteilt werden. „Milchige und fl eischige

Lebensmittel müssen getrennt voneinan-

der verarbeitet und zubereitet werden“,

erklärt Purtscher.

In der Küche gibt es dann zwei

Kochbereiche, zwei Kochgeschirrausstat-

tungen und sogar zwei Geschirrspülma-

schinen. Fleischiges und Milchiges dürfen

unter keinen Umständen miteinander

in Berührung kommen – sonst gilt die

Speise als „treife“, also nicht-koscher, und

darf nicht mehr verzehrt werden. Auch

die Auswahl der Lebensmittel ist einge-

schränkt: Nur Fleisch von wiederkäuen-

den Tieren mit zweigespaltenen Hufen ist

erlaubt – Schwein, Hase und Pferd sind

verboten, stattdessen gibt es Rind, Lamm

und Gefl ügel wie Huhn. Auch der Verzehr

von Blut ist streng verboten, weshalb nur

geschächtete Tiere auf den Teller kom-

men. Dass alle diese Regeln auch wirklich

eingehalten werden, überprüft ein Rabbi-

ner, der die Küche beaufsichtigt. Das geht

sogar so weit, dass er jedes Ei eigenhändig

ö� net, um sicherzugehen, dass kein Blut

enthalten ist. Er ist bei der Zubereitung

der Speisen immer in der Nähe und über-

wacht den Kochvorgang.

Stromloser Sabbat. Doch nicht nur der

Küchenbetrieb unterscheidet sich wesent-

lich von dem in der Wintersaison. Auch am

Samstag (Sabbat), dem Ruhetag der Juden,

läuft der Hotelbetrieb ein wenig anders ab.

Die drei wichtigsten Regeln für den Sabbat:

Es darf nicht gearbeitet werden, es darf kein

Feuer entfacht werden (also auch kein Fun-

ken erzeugt und somit kein Stromschalter

betätigt) und man darf sich nicht weiter als

1.000 Meter von der Stadtgrenze entfernen.

Letzteres bedeutet, dass der Samstag als

klassischer An- und Abreisetag im jüdischen

Serfauser Sommer nicht gilt. „Das Licht in

den Hausgängen bleibt den ganzen Tag

über eingeschaltet, da keine Elektrizität

betätigt werden darf“, erklärt Purtscher. Am

Sabbat stehen auch die Aufzüge im Hotel

still und sogar die Lichtsensoren in den

Waschbecken der Toiletten haben Pause.

Der Sabbat dauert von Freitagabend,

Sonnenuntergang, bis zum Sams tagabend,

Sonnenuntergang – erst danach darf auch

wieder ein Stromschalter betätigt und auch

gearbeitet werden: Eine neue jüdische Wo-

che beginnt.

Mundpropaganda. Doch welche

fi nanziellen Auswirkungen hat dieser Auf-

wand für den Hotelier? „Wir haben keinen

fi nanziellen Mehraufwand“, sagt Purt-

scher, der Reiseveranstalter „Tour Olam“

kümmere sich sogar um das notwendige

Equipment. Auf seiner Homepage wirbt

der Veranstalter damit, dass alle Hotels

streng überwacht werden – und zwar von

einem eigens engagierten Rabbiner. Die

nötige Ausstattung wie Gebetbücher und

die Thorarolle für den Gebetsraum, aber

auch Lebensmittel, die nicht aus der Regi-

on bezogen werden können, werden von

„Tour Olam“ organisiert. Für die Bewerbung

des koscheren Angebots sei ebenfalls der

Reiseveranstalter zuständig, „aber viele

kommen auch zu uns, weil sie von uns

gehört haben“, so Purtscher.

Im Juli und im August steht das Hotel

Alte Schmiede wieder exklusiv für jüdische

Gäste o� en. „Wir freuen uns schon sehr,

wenn es im Hotel wieder ,Shalom’ heißt“,

sagt sie. Außerdem lohnt sich der Aufwand

– die Auslastung des Hotels Alte Schmiede

betrage im Sommer 100 Prozent. Davon

können andere Hotels nur träumen. ×

Serfaus

„Wir haben im Sommer eine Auslastung von 100 Prozent.“ SONJA PURTSCHER, JUNIOR-CHEFIN HOTEL ALTE SCHMIEDE, SERFAUS

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Page 42: Saison 03/2011

42

Natur im ZoomArtenvielfalt auf Zelluloid. Die Tiroler Naturparks und der Nationalpark Hohe Tauern machen ihre Artenvielfalt jetzt auch in Fotoworkshops erfahrbar und öffnen sich damit dem Weg zu einem neuen Naturbewusstsein.

Von Jane K athrein

A lle vier von sich gestreckt

liegt er da. Tarnen und

täuschen. „Das ist ein

besonders schönes Ex-

emplar“, schwärmt Reinhard Hölzl. Die

meisten Schnellkäfer sind schwarz, die-

ser ist braun. Hölzl wartet. Stative werden

verrückt. Objektive gewechselt. Alles

möglichst geräuschlos. Plötzlich springt

der Käfer in die Bauchlage, verharrt noch

kurz in Hölzls Handfläche, um sich dann

auf und davon zu machen. Hat das jemand

fotografisch festgehalten? Kopfschütteln

geht durch die Runde. Zur richtigen Zeit

am richtigen Ort sein, spontan sein, diesen

Leitsatz gibt der Naturfotograf Reinhard

Hölzl gleich zum Auftakt des viertägigen

Fotoworkshops mit. Die meisten Motive

in der Naturfotografie könne man in Sze-

ne setzen. Aber eben nicht alle. Für den

Schnellkäfer waren wir zu langsam.

Die Tiroler Naturparks und der

Natio nalpark Hohe Tauern gehen diesen

Sommer neue Wege und laden Natur-

freunde zum großen Zoom. In Fotowork-

shops, angeleitet von professionellen Na-

turfotografen wie Reinhard Hölzl, sollen sie

das echte Tirol auf Zelluloid bannen. Erste

Überlegungen dazu gab es schon vor zwei

Jahren. Die Premiere fand im Alpenpark

Karwendel statt. „Der Anfang ist gemacht“,

sagt Hermann Sonntag, Leiter des Alpen-

park Karwendel, erleichtert. In einzelnen

Themenschwerpunkten wird die Tiroler

Tier- und Pflanzenwelt in den fünf Natur-

parks und im Nationalpark Hohe Tauern

in den Mittelpunkt geholt. Professionelle

Naturfotografen, die wie Reinhard Hölzl

aus der Gegend stammen, begleiten die

Kursteilnehmer durch die verschiedenen

Lebensräume. Hölzl freut sich über das

kindliche Staunen seiner Wegbegleiter. „Ich

bin hier so häufig unterwegs, dass einem

das Besondere gar nicht mehr auffällt.“

Pirsch durch das Halltal. Es sind

ambitionierte Hobbyfotografen, die heute

durch das Halltal pirschen. Grundsätzlich

kann aber jedermann bei den Workshops

mitmachen. Angereist sind die Teilnehmer

aus der Schweiz, aus Deutschland und aus

Tirol. Man tauscht sich aus. Jeder kann von

jedem lernen. Reinhard Hölzl hält sich im

Hintergrund. Gibt da und dort kurze Tipps.

Der dazu passende Theorieteil folgt dann

am Abend. Jetzt wird das Tageslicht ge-

nutzt. Angeführt von Hermann Sonntag

stapft die Gruppe den Halltalbach entlang.

Der Langsamste bestimmt das Tempo.

„Vor zwei Jahren mussten wir an dieser

Stelle über ein Schneefeld stapfen“, erzählt

Hermann Sonntag. Am meisten erfährt man

eben doch von den Einheimischen.

Sich Zeit lassen, mit offenen Au-

gen durch Wald und Wiesen streifen. Die

Geräusche wahrnehmen. Für gestresste

Großstadtmenschen eine schwere Übung.

Ein richtig gutes Naturfoto ist eine Kompo-

sition aus Licht, Schatten, Linien und Farben,

Blick- und Bildwinkel, weiß Reinhard Hölzl.

Einen guten Fotoplatz müsse man meistens

mehrmals aufsuchen, um die Stimmung

und das beste Licht zu erhaschen. Ideale

Arbeitszeiten? Die frühen Morgenstunden

und spät am Abend.

Am Standort „Frauenschuh“ wird

dann auch klar: Naturfotografie hat weniger

mit Bilderbuchromantik zu tun. Sie ist ein

Natur entdecken.Die beste Perspektive liegt nicht immer auf

Augenhöhe. In Fotoworkshops erfahren Hobbyfotografen das

Gespür für die Natur.

Page 43: Saison 03/2011

43 SAISON

MAGAZIN

Knochenjob. Wir kauern auf dem feuchten

Waldboden und beobachten die gelbrot-

blühende Orchideenart aus der Nähe. Die

beste Perspektive befi ndet sich nicht immer

auf Augenhöhe. Also legen wir uns auf den

Boden. Zeckenalarm. Wer lange Hosen

trägt, ist gut beraten. Ideal wären Kleider

in Naturfarben. Doch eigentlich sind alle

Farben o. k., bis auf Blau, meint Hölzl. Das

kommt in der Natur nicht vor, schlägt die

Wildtiere daher in die Flucht.

Vielfalt an Motiven. Fotografen sind

Spinner, die tagelang Tieren nachschlei-

chen, um mit einem einzigen Foto zurück-

zukommen? Ja, das könnte hinkommen.

Fünf Stunden zu warten kann fünf Minuten

zu wenig sein“, sagt Reinhard Hölzl. Der

Naturfotograf muss seine Ausrüstung be-

herrschen und in jeder Lage ein gutes Bild

machen können. Idealerweise ist er Biologe

und weiß über die Symbiosen in der Tier-

und Pfl anzenwelt Bescheid. Hölzl hat sich

vieles selber beigebracht, auch ein paar

Semester Biologie studiert.

Die Naturfotografi e ist jener fotogra-

fi sche Bereich mit der größten Vielfalt an

Motiven. Die Tierwelt hat mehr als eine Milli-

on Arten, man kann sich gut vorstellen, dass

man eine Palette von Kameras, Objektiven,

Stativen und anderer Hilfsmittel braucht, will

man all diese Motive fotografi sch festhalten.

Schaut man in die Runde, fi ndet man alle

Fotomarken. Hölzl will keine Empfehlung

abgeben. Fragt man sich durch, wird auch

schnell klar: Jeder Fotograf bevorzugt

einen bestimmten Hersteller. Die Gründe

dafür sind nicht immer objektiv nachvoll-

ziehbar. „Beim Fotografi eren versuchen,

das optimale Ergebnis zu erreichen, dann

ist der Aufwand bei der Bildbearbeitung im

Nachhinein gering“, sagt Hölzl und zupft

ein paar welke Grashalme aus dem Bild-

ausschnitt. Der Frauenschuh kommt noch

mehr zur Geltung. Ein lebhafter Hintergrund

wirkt meistens störend. „Wenn ich Pfl anzen

fotografi ere, verwende ich meistens mehr

Zeit mit der Gestaltung des Hintergrundes

als mit dem eigentlichen Motiv.“ Wir tun es

ihm gleich. Nur gegen das viele Treibholz,

das im Bett des Halltalbaches liegt, können

wir nichts ausrichten.

Gamsbock in der Schotterhalde. Hermann Sonntag sucht mit dem Fernglas

die gegenüberliegenden Berghänge ab.

Gamsböcke treiben sich sonst hier herum.

Doch heute will sich keiner zeigen. Noch

beeindruckender für die Gäste wäre ein

Adler. Doch heute will keiner seine Bahnen

über die Berggipfel des Karwendel ziehen.

Am Ende der Tour ist er da. Ein statt-

licher Gamsbock stapft die Schotterhalde

hinauf. Jetzt kommt das Fernglas zum

Einsatz. Jeder schaut einmal Richtung

Gamsbock. Um ihn auf Zelluloid zu ban-

nen, ist die Entfernung zu groß. „Das wäre

jetzt ein Fall für das Teleobjektiv“, macht

Reinhard Hölzl bereits Lust auf mehr. Der

Anblick dieses stattlichen Tieres macht uns

auch aus der Weite zufrieden. ×

ARTENVIELFALT IN TIROLFünf Naturparks und der Nationalpark Hohe Tauern rücken den Schutz der alpinen Pfl an-zen- und Tierwelt ins Bild.

NATIONALPARK HOHE TAUERN• 1.800 km² (611 km² allein in Tirol)• Großglockner (3.798 m); Pasterzenkees am

Fuße des Großglockners (20 km²) ist der größ-te Einzelgletscher der Ostalpen (Länge 9 km, Eisdicke 250 m). In der Venedigergruppe lie-gen die größten zusammenhängenden Glet-scherfl ächen Österreichs.

• 10.000 Tierarten leben im Nationalparkge-biet, darunter 40 Adlerbrutpaare, wildlebende Gänsegeierpopulation, Gämse, Murmeltier, Steinadler, der wieder eingebürgerte Alpen-steinbock und der Bartgeier.

• www.hohetauern.at

ALPENPARK KARWENDEL• 727 km², 2009 zum Naturpark ernannt und

damit der jüngste in Tirol; das größte Tiroler Schutzgebiet und der größte Naturpark Österreichs

• 800 Schmetterlingsarten, östlichste Verbrei-tung der Latschenwälder in den Alpen

• Wildfl usssystem Isar• 350 Quellen; 1.305 Pfl anzenarten, 3.035 Tier-

arten (größte Steinadlerdichte der Alpen)• 150-jährige Alpingeschichte• www.karwendel.org

NATURPARK KAUNERGRAT• 589 km² • Im Mai 1998 wurde der Naturpark Kaunergrat

(Pitztal-Kaunertal) gegründet.• Fließer Trockenrasen, Moore am Piller Sattel,

Arzler Pitzeklamm• www.kaunergrat.at

NATURPARK ÖTZTAL• 510 km², Wildspitze (3.774 m); höchstgelegenes

Moor der Ostalpen am Rofenberg (2.760 m); Stuibenfall; 67 Gletscher; 850 Planzenarten; 960 Tierarten

• Naturdenkmal Obergurgler Zirbenwald; Na-turwaldreservat im Windachtal bei Sölden

• UNESCO Biosphärenpark Gurgler Kamm• www.naturpark-oetztal.at

NATURPARK TIROLER LECH• 41 km², Natura 2000 Schutzgebiet; seit 2004

offi ziell anerkannter Naturpark• Wildfl uss Lech mit Überfl utungszonen, Au-

wälder, Bergmischwälder erstrecken sich von 800 m bis 1.380 m Seehöhe

• www.naturpark-tiroler-lech.at

HOCHGEBIRGS-NATURPARK ZILLERTALER ALPEN• 379 km², 85 Gletscher• Artenreiche alpine Landschaften zwischen

1.000 und 3.500 Höhenmetern. Wechselnde Ausstellungen im Naturparkhaus Ginzling.

• www.naturpark-zillertal.at

NATURE WATCHNature Watch nennt sich ein spezielles Angebot, für das sich die Tirol Werbung und Swarovski Optik entschlossen haben. Mit einem Nature-Watch-Guide wandern Naturbegeisterte durch die Tiroler Naturräume. Die Tier- und Pfl anzenwelt erkunden sie dabei mit Hilfe der neuesten Fernglä-ser von Swarovski Optik. www.nature-watch.at

DIE NÄCHSTEN TERMINE

• Hochgebirgs-Naturpark Zillertaler Alpen, 29. 6. bis 3. 7. 2011Thema: Berg & Naturfotografi e; mit Hermann Muigg, Bernd Ritschel

• Naturpark Ötztal, 14. bis 18. 9. 2011Thema: Hochalpine Naturland-schaft, Gletscher, Makro; mit Jürgen Winkler

• Nationalpark Hohe Tauern, 21. bis 25. 9. 2011Thema: Formen der Landschaft im Nationalpark Hohe Tauern; mit Pat-rice Kunte, Henning Bode

• Naturpark Kaunergrat, 28.9. bis 2. 10. 2011Thema Steinbock und Gämsen, herbstliche Weitblicke, Almwiesen & Moore; mit Reinhard Hölzl, Anton Vorauer©

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Inszenieren. Reinhard Hölzl steckt viel Zeit in die Vorbereitung des Bildhintergrundes.

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44 saison

magazin

Dramatik in InnerkrottenbergDie Geierwally Freilichtbühne steht 2011 unter neuer Führung. Bernhard Wolf, künstlerischer Leiter, Schauspieler und Autor aus dem Lechtal, sorgt gemeinsam mit Autor und Regisseur Thomas Gassner für frischen Wind respektive Sturm in den Bergen.

Da s IntervIew führte es ther PIrchner .

S AISON: Nach Ihrer Kurzfas-sung der Bibel haben Sie mit „Sturm in den Bergen“ ein Volkstheaterstück für

die Geierwally Freilichtbühne verfasst. Liegt Ihnen das Volkstheater am Herzen? Thomas Gassner: ich merke mit den

Jahren, dass ich immer mehr zum Volks-

theater tendiere, dass es eine Liebe dazu

gibt, die sich entwickelt hat und die immer

stärker wird. es ist mir sehr nahe. außer-

dem kann man in dem Bereich relativ viel

machen. Denn wenn man kein gängiges

Volkstheaterstück sucht – entweder min-

destens 60 Jahre alt und völlig humorfrei

oder einen schwank –, dann stößt man

schnell an Grenzen. Deshalb habe ich

begonnen, selbst Volkstheaterstücke zu

schreiben, und das macht so viel spaß,

dass ich das weiterbetreiben will.

BernharD WoLf: Gerade jetzt, bei den

Proben zu „sturm in den Bergen“, fällt mir

auf, dass es im Volkstheater eine intensität

und einen enthusiasmus gibt, der mir in

der Profiszene fehlt. Wegen des Geldes

muss man den Beruf ja nicht machen, und

dann muss man doch wenigstens spaß

dabei haben.

In dem Stück haben Sie sich einiger typischer Zutaten bedient: verfeindete Dörfer, ein Fremder, der von außen in ein entlegenes Tal kommt, Liebeszenen und handfeste Prügeleien … BernharD WoLf:

natürlich muss man auf das stammpubli-

kum ein wenig rücksicht nehmen. man

braucht niemanden nackt über die Bühne

jagen und mit Blut bespritzen. Das würde

ich auch nicht wollen. aber die Zutaten

waren einfach für den Krimi notwendig und

für die situation, die wir schaffen wollten. in

der Probenphase haben die figuren dann

solche eigenheiten bekommen, dass das

stück fast schon wieder skurril ist. Die Leute

machen das richtig gut!

Die Handlung ist im Tirol der 1960er-Jahre angesiedelt. Lässt sich die Ge-schichte vor 50 Jahren besser erzählen als heute? Thomas Gassner: Die sech-

ziger waren eine sehr interessante Zeit. Ti-

rol war – international gesehen – noch im

Dornröschenschlaf. „sturm in den Bergen“

spielt in innerkrottenberg, und wenn in so

eine abgeschiedenheit jemand von außen

kommt, werden die Dorfbewohner mit

anderen Dingen konfrontiert. Der Kom-

missar bringt rock-’n’-roll-Platten mit, ist

anders angezogen und die Jugend springt

ein bisschen auf das auf. Da wird das Dorf

auch durchgerüttelt, was natürlich drama-

turgisch sehr spannend ist.

BernharD WoLf: Die stücke in elbi-

genalp haben bisher immer im 18. und

19.  Jahrhundert bzw. zur Jahrhundert-

wende gespielt. Jeder Darsteller hat fast

jedes Jahr dieselbe Lederhose anziehen

müssen. Wir wollten einfach einmal in

eine andere Zeit hineinrutschen.

Auch dass es sich um eine Kriminalkomö-die handelt, unterscheidet „Sturm in den Bergen“ von den bisherigen Stücken in Elbigenalp. Wollten Sie als neuer künst-lerischer Leiter der Freilichtbühne auch ein neues Genre erschließen? Bern-

harD WoLf: ich finde, dass man nach

den schweren Dramen der letzten Jahre

schon einmal eine Komödie dazwischen-

streuen kann. es gibt in „sturm in den

Bergen“ aber auch ernste szenen und es

wird auch dramatisch. Die Grundidee, die

ich im Kopf hatte, war ja, ein ernstes stück

zu schreiben, aber wir haben festgestellt,

dass wir Komödie eigentlich viel besser

können. in den Proben merken wir, dass

das die richtige entscheidung war.

Arbeiten Sie mit denselben Laiendar-stellern wie in den vergangenen Jahren?

BernharD WoLf: Ja, es gibt einen ziem-

lich großen Pool an schauspielern, aus

denen ich das ensemble zusammenge-

stellt habe. Die Geierwally freilichtbühne

war ja über all die Jahre immer ein erfolg.

Die haben gut vorgelegt und ich muss nur

nachziehen. also habe ich mir gedacht:

never change a winning team!

Im Laientheater können Sie – im Ge-gensatz zur freien Szene – auch einmal mit einem großen Ensemble arbeiten. Thomas Gassner: Ja, das ist super! in

der freien szene ist man ja auf Zwei- bis

Dreipersonenstücke festgelegt und muss

dann noch daheim den Duschvorhang

abbauen, damit man ein Bühnenbild zu-

sammenbekommt. in elbigenalp bauen

die Leute die Bühne, bringen originaltei-

„In der freien Szene ist man ja auf Zwei- bis Dreipersonen-stücke festgelegt und muss dann noch daheim den Duschvorhang abbauen, damit man ein Bühnen-bild zusammen-bekommt.“Thomas Gassner

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Page 45: Saison 03/2011

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le aus ihren speichern daher, so schöne

kann man ja nirgends bekommen. Und

wenn man so viele schauspieler hat, kann

man auch einmal ganz anders schreiben.

es wird zwar komplex, aber es ist inter-

essant, sich mit den einzelnen figuren

auseinander zu setzen.

BernharD WoLf: Diese kleinen rollen,

die es halt gibt, damit viele Leute mit-

spielen können, haben so eine Qualität

bekommen, dass es eine freude ist zuzu-

schauen. Jeder bringt seine eigenheiten

mit, und Tom lässt sie auch machen und

zieht die richtigen fäden. Die spieler sind

extrem lustig. ich bin normalerweise recht

hart, was das Lachen auf der Bühne an-

geht, aber in manchen Proben habe ich

mich nicht mehr zurückhalten können.

Dann haben Sie bei dieser Produktion den Spaß am Beruf, den Sie vorher ange-sprochen haben? BernharD WoLf: Ja,

die künstlerische Leitung zu übernehmen,

war ja auch ein Versuch. ich stehe vor al-

lem gerne auf der Bühne und in diesem

Jahr wollte ich sehen, ob mir auch das

organisatorische liegt. ich habe ein Team

von Leuten, die sich gut kennen und gut

miteinander harmonieren. Darum ist bis-

her alles entspannter und einfacher, als ich

es mir vorgestellt habe.

Thomas Gassner: Die Logistik läuft so

gut, dass ich manchmal das Gefühl habe:

Wo ist da der haken?

BernharD WoLf: Ja, mir geht es ge-

nauso. in unserer Branche hat man ja oft

ein bisschen sorge, die Dinge positiv zu

sehen, weil man immer meint, es kommt

dann ein hammer und haut einem auf den

Kopf. aber es läuft derzeit so reibungslos

– die Proben, die musik, der Bühnenbau,

der Vorverkauf –, dass wir alle guter Dinge

sind.

Vielen Dank für das Gespräch. ×

KLASSIKER UND VOLKSTHEATER

Bernhard Wolf und Thomas Gass-ner bilden gemeinsam mit markus oberrauch das feinripp ensemble, das „shakespeares sämtliche Werke – leicht gekürzt“ und „Die Bibel – leicht gekürzt“ verfasste und erfolgreich auf die Bühne brachte – zuletzt im rah-men der Langen nacht der Kirchen in der innsbrucker Pauluskirche. 2011 lei-tet Bernhard Wolf die Geierwally frei-lichtbühne in elbigenalp, wo er 1996 erstmals als schauspieler mitwirkte, und holte Thomas Gassner als Co-au-tor und regisseur an Bord. in der Kri-minalkomödie „sturm in den Bergen“ ist er in der Titelrolle als hilfsinspektor Kajetan sturm zu sehen.

sTUrm in Den BerGenKriminalkomödie von Thomas Gassner und Bernhard WolfGeierwally freilichtbühne6652 elbigenalpTel.: 05634/[email protected]/geierwally-freilichtbuehne

Premiere: 9. Juli 2011, danach jeden freitag und samstag bis 27. august 2011, jeweils 20.30 Uhr

KRIMISPANNUNG IN TIROL

Wen bei „sturm in den Bergen“ das Krimifi eber gepackt hat, der fi ndet im Tiroler Theatersommer noch mehr-fach Gelegenheit, kniffl ige fälle auf der Bühne zu erleben.

sommer.TheaTer.haLLKommissar haLLer ermiTTeLT3 fälle für Kommissar haller von eva rossmann, Thomas raab und stefan slupetzkyBurg hasegg6060 hall in Tirol7. bis 30. Juli 2011www.sommertheaterhall.at

innsBrUCKer sTrassenTheaTerL’affaire faTaLeim hofgarten, rapoldipark und auf an-deren straßen und Plätzen von inns-bruck19. Juni bis 2. Juli 2011www.innsbruck.at

KrimiDinner am sChiffms Tirolachensee, schiff sanlegestelle Pertisau6213 Pertisau27. Juli bis 14. oktober 2011www.gastrotheater.at

Sorgen für frischen Wind auf der Bühne:

Thomas Gassner (hinten) und Bernhard

Wolf (vorne).

Page 46: Saison 03/2011

46 SAISON

MAGAZIN

M it Brigitte Fassbaender,

die im Herbst 2011 ihre

letzte Saison als Inten-

dantin des Tiroler Lan-

destheaters antritt, verbindet das Tiroler

Publikum eine kontinuierliche Arbeit am

heimischen Drei-Sparten-Haus und –

vor allem anderen – eine hervorragende

Ausrichtung der Bühne in Richtung Mu-

siktheater aller Genres: Von leichtfüßigen

Musicals über lebensfrohe Operetten bis

hin zu Opern aus allen Epochen reicht die

Bandbreite, und selbst schwerere Kost wie

Alban Bergs „Wozzeck“, Richard Strauss’

„Salome“ oder die Opern von Benjamin

Britten fanden und fi nden unter ihrer Ägi-

de ein begeistertes Publikum. Das hat mit

Fassbaenders Liebe zu diesen Werken zu

tun, mit ihrer großen Musikalität und ihrer

Fähigkeit, außergewöhnliche Stimmen zu

erkennen und nach Innsbruck zu holen.

Und selbstverständlich ist es auch ein Ver-

dienst des Tiroler Symphonieorchesters

Innsbruck und seiner Dirigenten.

Abwechslung und Stabilität. In den

vergangenen Jahren hat das Orchester mit

einer ganzen Reihe von Dirigenten zusam-

mengearbeitet: Nach dem Ausscheiden von

Georg Schmöhe 2004 folgte eine Saison,

in der ausschließlich Gastdirigenten die

Opernau� ührungen und Symphoniekon-

zerte leiteten, danach standen Dietfried

Bernet und Aleksandar Markovic, Georg

Fritsch und – als Erster ständiger Gastdiri-

gent – Alexander Rumpf am Dirigentenpult.

Rumpf, der nun schon zwei Jahre in

Innsbruck wirkt und zuletzt Smetanas „Die

verkaufte Braut“ und Poulencs „Dialogues

des Carmélites“ vorstand, wird mit der Sai-

son 2011/12 zum Chefdirigenten des Ti-

roler Landestheaters – eine Veränderung

hin zu mehr künstlerischer Stabilität, die

beiden Seiten sehr entspricht. In seinen

26 Berufsjahren war der gebürtige Stutt-

garter jeweils mehrere Jahre als General-

musikdirektor bzw. Erster Kapellmeister in

Darmstadt, Hagen, Dortmund und zuletzt

acht Jahre in Oldenburg engagiert. Über

einen längeren Zeitraum mit Sängern und

Instrumentalisten zusammenzuarbeiten,

sieht er als wesentliche Voraussetzung,

um „die Bildung eines Ensembles, eines

gewissen Stils“ erreichen zu können.

Von Wagner bis Britten. Innsbruck

bietet dafür gute Voraussetzungen. „Das

Ensemble ist für ein Haus dieser Größen-

ordnung erfreulich groß und von sehr ho-

her Qualität“, sagt Rumpf. Zum Orchester

hat er ein gutes Verhältnis, er arbeitet ger-

ne mit den Musikern zusammen und freut

sich auf den nun erweiterten Aufgabenbe-

reich. Probespielen und Vorsingen hat er

zwar auch bisher schon mitbetreut, in der

kommenden Saison kommt aber erstmals

ein Symphoniekonzert dazu und – trotz

seiner langjährigen Erfahrung und seines

umfangreichen Repertoires – wird er drei

Opern zum ersten Mal dirigieren: „Lohen-

grin“ von Richard Wagner, „Jenůfa“ von

Leoš Janáček und „Albert Herring“ von

Benjamin Britten, die letzte Produktion,

bei der Brigitte Fassbaender Regie führt.

Neu und selten gehört. Klar vom

Aufgabenbereich des Chefdirigenten am

Tiroler Landestheater getrennt ist jener

des Chefdirigenten des Tiroler Sympho-

nieorchesters Innsbruck, auch wenn es

bestimmte Überschneidungen geben

wird. Für die nächsten zwei Jahre füllt der

Neue Töne in Oper & KonzertAb der Saison 2011/12 steht das Tiroler Symphonie-orchester Innsbruck unter der Leitung zweier Diri-genten, die sich um die Geschicke in Oper und Konzert kümmern: Alexander Rumpf ist für das Musiktheater zuständig, Christoph Altstaedt leitet die symphonischen Belange des Orchesters.

VON ES THER PIRCHNER

© T

SO

I

Page 47: Saison 03/2011

47

junge deutsche Dirigent Christoph Alt-

staedt diese Funktion aus, Kapellmeister

an der Deutschen Oper am Rhein sowie

Gründer und Leiter des Jungen Klang-

forum Mitte Europa, das sich aus jungen

Musikern aus Deutschland, Tschechien

und Polen zusammensetzt und auf we-

nig bekannte Werke aus diesen Ländern

spezialisiert ist. In Innsbruck wird Altstaedt

2011/12 drei Symphoniekonzerte leiten

und am Tiroler Landestheater Wolfgang

Amadeus Mozarts „Idomeneo“. Nachdem

seine Berufung erst im April 2011 erfolgte,

waren die Programme schon weitgehend

festgelegt, die von ihm selbst dirigierten

Konzerte sind aber von Werken geprägt,

die in Innsbruck nicht oder sehr lange

nicht mehr gespielt wurden. Haydns

„Militär-Symphonie“ gehört ebenso dazu

wie „Schelomo“ von Ernest Bloch oder

„The Unanswered Question“ von Charles

Ives. Bis auf die „Militär-Symphonie“ sind

die Werke auch für Altstaedt Neuland,

auch wenn es allesamt solche sind, die

ihm schon lange am Herzen liegen.

Dabei geht es auch darum, Musik

in ungewöhnlichen Zusammenstellun-

gen anders zu beleuchten. „Wenn man

bekannte Stücke in einen neuen Kontext

stellt“, sagt Altstaedt, „tun sich interessante

Türen auf. Wenn man ein revolutionäres

Stück von Beethoven, das musikalisch die

Konventionen sprengt, in andere Stücke

der gleichen Zeit bettet, merkt man erst,

was für eine Sprengkraft das hat.“

Wegweiser für die Zukunft. Und

so, wie sich sein zukünftiger Kollege

Alexander Rumpf darauf freut, nicht nur

Opern, sondern auch Symphoniekon-

zerte zu leiten, freut sich Altstaedt über

den „Ausgleich“ zum Konzertbetrieb, den

ihm sein Engagement an der Rheinoper

und das Dirigat von „Idomeneo“ am

Landestheater bieten. Sowohl Konzerte

als auch Opern zu dirigieren, sei allein

deshalb wichtig, weil beide Arbeiten sehr

unterschiedlich seien. Die Vorbereitun-

gen auf Symphoniekonzerte seien – mit

einem feststehenden Orchester und vier

Tagen Probenzeit – kürzer und weniger

spontan als die Proben zu musiktheatra-

lischen Werken; zudem „ist es etwas ganz

anderes, ob man auf der Bühne oder im

Orchestergraben steht“.

Man darf also gespannt sein, wie

der Konzertdirigent mit Liebe zur Oper

und der Operndirigent mit Freude am

Konzert das Tiroler Symphonieorchester

Innsbruck und die Musiksparte am Tiroler

Landestheater in eine neue künstlerische

Periode führen – schließlich fällt in ihre

Amtszeit auch der Intendantenwechsel

von Brigitte Fassbaender zu Johannes

Reitmeier im Herbst 2012. Und dann darf

sich das Tiroler Publikum – bei allem Be-

dauern über das Ende der Ära Fassbaen-

der – noch über weitere Neuerungen im

Innsbrucker Kulturleben freuen. ×

ZUR PERSON

CHRISTOPH ALTSTAEDT (geb. 1980)• Gründer und Leiter des Jungen Klangforum

Mitte Europa (seit 2003)• seit 2010/11 Kapellmeister an der Deutschen

Oper am Rhein Düsseldorf Duisburg• ab 2011/12 Chefdirigent des Tiroler

Symphonieorchesters Innsbruck

www.tsoi.at

ALEXANDER RUMPF (geb. 1958)• seit 1984 Kapellmeister bzw. Generalmusik-

direktor an verschiedenen deutschen Theatern, zuletzt am Oldenburgischen Staatstheater (2001–2009)

• seit 2009/10 Erster ständiger Gastdirigent, ab 2011/12 Chefdirigent am Tiroler Landestheater

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Page 48: Saison 03/2011

Risiken zu beherrschen und auch zu ma-nagen ist eine zentrale Anforderung an Unternehmer/-innen und Führungskräf-te. Die generelle wirtschaftliche Situation zeigt derzeit wieder vorsichtig in Richtung Wachstum – wobei die Unsicherheiten der weiteren Entwicklung aufgrund der stei-genden Kosten wie zum Beispiel Löhne und Gehälter sowie Energiepreise, noch groß sind. Ein zusätzliches Risiko für Un-ternehmen bergen die zunehmenden Schwankungsbreiten der Fremdwäh-rungen sowie der Zinsen. Branchen mit hohem Fremdfinanzierungsanteil, wie unter anderem der Tourismus, die in Fremdwährung investiert haben, sollten derzeit ihre Finanzierungen genau unter die Lupe nehmen. Generell ist es so, dass Währungsschwankungen und steigende Zinsen die Kosten im Unternehmen sehr schnell stark in die Höhe treiben können. Weitreichende (Aus-)WirkungenDamit sich Unternehmen auf Verände-rungen einstellen können, brauchen sie zuerst aussagekräftige Unternehmens-kennzahlen, wie sich die individuelle Situ-ation entwickeln kann. Die Finanzexperten der Hypo Tirol Bank haben im letzten Jahr dazu zwei Modelle entwickelt, mit Hilfe derer die Auswirkungen von Währungs- und Zinsschwankungen mit den Zahlen des Unternehmens in verschiedenen Szenarien in der Beratung durchgespielt werden. Vor allem bei Unternehmen und Kunden, die in Fremdwährung finanziert haben, ist derzeit ein erhöhter Beratungs-bedarf deutlich vorhanden. Auch die zu-nehmende Wahrscheinlichkeit steigender Zinsen steht im Raum. Man muss heute kein Finanzexperte sein, um vorauszusehen, dass die Zinsen steigen werden. Allerdings sind sich viele Unternehmen noch nicht

bewusst, dass sich schon eine Zinsstei-gerung von einem Prozentpunkt in der Kostenstruktur eines Unternehmens mit sehr markanten Folgen auswirken kann. Ein genaues Bild machenAufgrund des derzeit sehr niedrigen Zins-niveaus ist eine Absicherung gegen stei-gende Zinsen in den Unternehmen bei allen Finanzierungen ein wichtiges Thema. Je größer der Kapitalbedarf und je höher der Fremdfinanzierungsanteil ist, umso drasti-scher können sich auch scheinbar geringe Zinssteigerungen auswirken. Um zu zeigen, welche Auswirkungen Zinsänderungen auf die Kostenstrukturen im Unternehmen ha-ben, wenden die Firmenkundenberater der Hypo Tirol Bank ein spezielles Instrument an. So können sich Kunden ein genaues Bild machen, was unterschiedliche Szenarien bewirken können. Es geht dabei aber nicht nur um die reinen Finanzierungskosten, sondern auch hier können die Auswir-kungen auf die Gewinn-und-Verlust-Rech-nung dargestellt und die Einflüsse auf den Cashflow des Unternehmens aufgezeigt werden. Absicherung kostet auch im Be-reich Währungs- und Zinsrisiken Geld. Wenn die Verantwortlichen aber in der Gesamtheit betrachten, wie sich Zinsstei-gerungen auf die Gewinn-und-Verlust-Rechnung niederschlagen können, rentiert sich eine solide Absicherung sehr schnell.

Risiken im Griff – Chancen nützenDer Wirtschaftstrend zeigt in den meisten Branchen wieder nach oben und damit voraus-sichtlich auch das Zinsniveau – höchste Zeit also, Finanzierungen auf ihr Risikopotenzial zu überprüfen.

„Es ist nicht jedes Risiko versi-cherbar, aber gerade im Zins- und Währungsbereich können sich Unternehmen und Kom-munen auf stark steigende Zin-sen vorbereiten und absichern, um beruhigt in eine Zukunft der weiterhin wohl volati-len Finanzmärkte zu schauen.“

Markus HildmannBereichsleiter Firmenkunden der Hypo Tirol Bank

HYPO TIROL BANK AGFirmenkunden InnsbruckMeraner Straße 86020 InnsbruckTel 050700 2380

www.hypotirol.com

● Kontakt

Page 49: Saison 03/2011

49 SAISON

KOMMENTARE

Die Almen als Vorbild für den Kraftwerksbau VON ALOIS SCHÖPF

An der ganz großen Straße VON ERNS T MOLDEN

Alois Schöpf lebt als Journalist und Schriftsteller in Lans.

Ernst Molden lebt als Dichter und Songwriter in Wien.

D as Umdenken ist da! Mehr theoretisch nach dem

Unfall in Fukushima, nun aber auch praktisch

durch den Beschluss der deutschen Bundesre-

gierung, den Ausstieg aus der Atomenergie rasch

durchzuziehen. Ergänzend dazu ist auch die Absicht der Italiener

zu erwähnen, den zuletzt doch noch geplanten Einstieg in die

Atomenergie auszusetzen. Was dies für Tirol bedeutet, das mit

seinen natürlichen Energiereserven auf einem Goldschatz sitzt,

ist nicht schwer auszumalen. Neben einer gesteigerten Inlands-

nachfrage wird der Export von Strom aus Wasserkraft, möglicher

Weise auch aus Windkraft, zum Verkaufsschlager schlechthin

werden. Dass die Auswirkungen dieser Entwicklung auf den

Tourismus ebenfalls erheblich sein werden, liegt auf der Hand.

Das trivialste Ungemach, das Tirols Gastronomen und

Hoteliers droht, könnte man das „Wipptalsyndrom“ nennen.

Ausgangsbasis ist dabei die Notwendigkeit, alle Wasserkraftre-

serven und Windkraftpotenziale zu nutzen, um nicht die Lichter

ausgehen oder die Preise ins Unerschwingliche steigen zu lassen.

Dies wird wie schon in der Vergangenheit bei jedem größeren

Bauprojekt dazu führen, dass die vereinigten Antimodernisten

und Rousseau-Anhänger alles unternehmen werden, um den Bau

der neuen Kraftwerke durch Demonstrationen, Schützenaufmär-

D ie wirklich superen Wirtshäuser liegen niemals am

Ende der Straßen, das wäre zu einfach, fast so ein-

fach, als wenn sie am Anfang der Straßen lägen.

Die wirklich superen Wirtshäuser liegen irgendwo

mitten auf der Strecke. Man muss die Kunst des Pausierens be-

herrschen, um die wirklich superen Wirtshäuser zu fi nden. Das

Wirtshaus verlangt vom Reisenden, die Fahrt zu drosseln, nur um

seiner selbst willen. So sind eben auch die Wirtshäuser inmitten

der Orte, die gewissen „ersten Häuser am Platz“, wie es meine

Eltern noch nennen, eben nur selten wirklich interessant.

Unlängst waren die Meinen und ich wieder einmal strom-

abwärts, in Orth an der Donau, im Herzen des Nationalparks.

Dieser Nationalpark enstand vor einem Vierteljahrhundert, weil

die kritische Ö� entlichkeit eines ganzen Landes, angeführt von

Dichtern, Sängern und Nobelpreisträgern, ein ebendort ge-

plantes Kraftwerk verhinderte. Jetzt wuchert dort strengstens

geschützter Donaudschungel. Eben stand in der Zeitung, dass

sich in diesen Urwäldern nach 200 Jahren bundesweiter Absenz

der Kaiseradler wieder angesiedelt hat. Durch diese Wildnis führt

nur eine echte Straße, die ganz große Straße, die Wasserstraße,

sche und die ganze Palette medienwirksamer

Apokalypsespektakel zu verhindern. Dadurch

wird, wie schon beim touristisch aufgrund sei-

ner angeblich schrecklichen Brennerautobahn

kaum noch vermarktbaren Wipptal, auf den tou-

ristischen Märkten der Eindruck entstehen, Tirol

sei dabei, sich ökologisch und touristisch selbst abzuscha� en.

Es ist zu bezweifeln, ob ein Appell an die Vernunft und zur Mä-

ßigung das Land vor den Folgen dieser religiös hochgerüsteten

Endzeitbewegung bewahren wird.

Vernunft ist allerdings auch bei jenen gefragt,

die in der Vergangenheit oft durch rüde und unsen-

sible Betonorgien tatsächlich den Verdacht erhär-

teten, dass überall dort, wo der Mensch mit seiner

Technologie auftaucht, Natur und Naturschönheit

zerstört werden. Dass dem keineswegs so sein muss, beweisen die

über zweitausend Tiroler Almen, die als vom Menschen geschaf-

fene Kulturdenkmäler die Voraussetzung für einen erfolgreichen

Sommertourismus bilden. Ähnliches ist in Zukunft auch von unseren

Kraftwerksbetreibern einzufordern: Kraftwerke müssen einen äs-

thetischen und ökologischen Mehrwert scha� en und die Schönheit

der Landschaft überzeugend steigern. Wo dies mit Phantasie und

Lebensfreude gelingt, werden Proteste und Bürgerinitiativen auf ihr

sektiererisches Maß zusammenschrumpfen. Wo es nicht gelingt,

wird der Schaden in jeder Hinsicht grenzenlos sein. ×

die Donau. Und hier, mitten an der Strecke, liegt

dieses supere Wirtshaus. Etwas anspruchslos

heißt es „Uferhaus“, aber die, die herkommen,

sagen eh etwas anders dazu: Sie sagen, dass sie

zum Humer Schurl gehen.

Der Humer Schurl III., ist nach den Humer

Schurln I.und II. der dritte Wirt in diesem Haus. Die Humers wa-

ren Donaufi scher, die irgendwann am Anfang des vergangenen

Jahrhunderts das Wirtshaus eines verarmten Barons übernah-

men. Der Humer Schurl III. ist auf Flussfi sche spezialisiert, und

seine Karpfen, Zander, Welse bereitet er gern

serbisch zu, also fett und mit viel Knofl . So

ein Fisch legt sich schwer an, und die Kraft

reicht dann gerade noch, um sich ein paar

hundert Meter fl ussabwärts zu schleppen,

wo die Baumriesen auf den Halbinseln stehen

und der Fluss sich kleine Buchten mit frischem

grünen Wasser in die Au geschleckt hat. Da liegt man, die Füße

im Wasser, am Kies ausgestreckt, die Donau zuzelt an den Zehen.

Über den Kronen der Silberpappel zieht ein riesiger Vogel vorbei,

aber ob es ein Kaiseradler war oder ein Graureiher, um das zu

erfahren, hätte man aufstehen müssen.

Irgendwann treiben einen die Gelsen ins Wasser. Und ein

weißes, langes Schi� fährt vorbei, auf der ganz großen Straße,

aber es bleibt nicht stehen. ×

„Kraftwerke müssen einen ästhetischen und ökolo-gischen Mehrwert scha� en und die Schönheit der Landschaft überzeugend steigern.“

„Die wirklich superen Wirtshäuser liegen irgendwo mitten auf der Strecke. Man muss die Kunst des Pausierens beherrschen, um die wirklich superen Wirtshäuser zu fi nden.“

© B

ÖH

ME

Page 50: Saison 03/2011

50 SAISON

NACHGEFRAGT

DREI SCHÖNE ORTE AUF DER WELT (AUSSERHALB TIROLS): Vancouver, British Columbia, Toskana, Fidschi Island

DIE GRÖSSTEN TUGENDEN IM TOURISMUS: Freundlichkeit, Netzwerke, Aktionismus

DIE GRÖSSTEN SÜNDEN IM TOURISMUS: Unfreundlichkeit, Pessimismus

DIE STÄRKEN DES TIROLER TOURISMUS: Natur, Gemütlichkeit, Struktur, Lage, fehlende Alternativen

in den Tälern, starke Betriebe

DIE SCHWÄCHEN DES TIROLER TOURISMUS: Teilweise fehlen gemeinsames Denken und Handeln, Zusammenarbeit,

internationale Fluganbindung, Tourismusgesinnung

DIE BESTE IDEE DER LETZTEN FÜNF JAHRE: Es gibt wahnsinnig viele „beste Ideen“

LETZTER URLAUB (WANN UND WO?): Barcelona, Mai 2011

ICH LERNE VON: Sehr vielen Menschen

DAS KÖNNTEN TIROLS TOURISTIKER GUT GEBRAUCHEN: Positive Einstellung, aus jeder Situation das Beste machen,

Unternehmergeist

DAS BESONDERE AM PITZTAL: Nette Menschen, herrliche Natur

EINE MARKE FUNKTIONIERT, WENN ... ... sie klare Werte hat und wahrheitsgetreu kommuniziert wird

SANFTER TOURISMUS HEISST FÜR MICH ... ... niedrige Intensität, wenig Infrastruktur, naturnah

DAS FEHLT IM PITZTAL: Infrastruktur, teilweise Tourismusgesinnung

ICH ENTSPANNE MICH BEI: Sport, Familie

OHNE GLETSCHER WÄRE DAS PITZTAL ... ... um ein Vielfaches ärmer

1 5 FR AG EN A N . . .

Rainer Schultes

Rainer Schultes ist Obmann des Tourismusverbands Pitztal, Skisschulleiter und Freizeit-unternehmer.

Page 51: Saison 03/2011

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Page 52: Saison 03/2011

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