Saisonende · Nachsaison nicht, aber sie können hier gut trinken“, meint die Blondine und...

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Saisonende An Schlaf ist wieder nicht zu denken. Beunruhigt wälze ich mich hin und her. Schon die zweite Nacht weht die Bora, der starke Fallwind aus Nord. Unser Reisemobil schwankt und zittert. Das weckt wohl Urängste, denn ich entspanne mich nicht, obwohl Peter mir versichert, dass einen 12- Tonner so schnell nichts umwirft. Heulend jagen Windböen über den Campingplatz und treiben ihre Beute vor sich her. Handtücher, Bikinis, Badelatschen, Hundenäpfe. Auch unsere Crocs wurden auf Nimmerwiedersehen davongetragen und Tisch und Stühle liegen zusammengeklappt ca. 10 Meter entfernt. Über das Gelände rollen Flaschen und tanzen Plastikbeutel. Gischt peitscht gegen die Felsen und versprüht feinen Seewassernebel. Nach zwei Tagen lässt der Sturm zwar nach, aber nun regnet es und die Wetterprognosen sind für die nächsten 6 Tage schlecht. Schweren Herzens verlassen wir daher früher als geplant unser Traumplätzchen. Beim Abschied umarmt uns Milan herzlich und meint: „Ich bin so traurig, dass Ihr abreist. Danke, dass Ihr da ward und kommt wieder.“ Dann fragt er noch, ob wir nicht bei ihm überwintern wollen. € 260 im Monat inklusive Strom würde das kosten. Das ist natürlich ein Superpreis, wenn man sich mit der kalten und heftigen Bora, die gerade im Winter häufig weht, abfindet. „Es wäre ein schöner Platz, um in Klausur zu gehen. Zum Beispiel um eine neue Show zu programmieren oder ein Buch zu schreiben“, sage ich zu Peter. Irgendwie finde ich die Idee verlockend...... Trotz der negativen Wetteraussichten wollen wir nicht schnurstracks nach Hause düsen. Es käme uns wie ein übereilter Abbruch unserer Reise vor. Zunächst steuern wir das Camp Pisak in der Nähe der Kleinen Paklenica-Schlucht an. Leider sind die vorderen Plätze alle noch belegt und die hinteren für uns wegen der niedrigen Bäume nicht geeignet. „Am Eingang zur Kleinen Schlucht gibt es doch einen Parkplatz,“, erinnere ich mich. Den hatten wir vor zwei Jahren bei einem Spaziergang entdeckt. Etwa zwei Kilometer zieht sich die schmale Straße bis dorthin. „Zu Fuß kam mir die gar nicht so eng vor“, grinse ich. Ein idealer Übernachtungsplatz. Vor den massiven Berghängen, windgeschützt und in absoluter Ruhe, schlummern wir nach zwei schlaflosen Nächten endlich mal wieder tief und fest. Allerdings werden wir am nächsten Morgen schon um 6 Uhr durch energisches und lautes Klopfen unsanft geweckt. Ein Nationalparkangestellter weist uns in gutem Deutsch an, wegzufahren, hier dürfe man nicht übernachten. „O.K.“, meint Peter, „in 30 Minuten sind wir weg.“ Im Befehlston bellt der Mann: „Nein sofort! In 3 Minuten sind sie hier weg, sonst werde ich sie aufschreiben und das kostet 500 Kuna pro Person.“ Dabei schlägt er wütend mit einer Hand auf die Andere. Wir ziehen uns in Ruhe an und ich mache noch einen kurzen Gassigang mit Kara. Auf dem Rückweg gehe ich am Ticketschalter vorbei und suche das Gespräch mit dem Angestellten. „Eigentlich wollten wir heute hier wandern.“ „Es gibt einen Campingplatz, den hätten Sie nehmen können.“ Ich will erklären, dass wir dort waren, aber die Bäume zu niedrig für unser Fahrzeug sind. Mit grimmiger Miene unterbricht mich der Mann ständig. „Darf ich mal ausreden?“, frage ich ihn lächelnd. Verhalten nickend lächelt er ein ganz klein wenig zurück, um mich gleich darauf aber doch wieder zu unterbrechen. Peter kommt dazu und wird erneut mit der schon bekannten Litanei überschüttet. Peter meint: „Das ist ja in Ordnung, aber sie hätten das ein bisschen freundlicher sagen können.“ Plötzlich springt der Mann wie eine Furie von seinem Stuhl hoch. „Basta!!!“ schreiend, schlägt er mit der Faust mehrmals auf den Tisch. Völlig außer sich greift er aggressiv durch das kleine Fenster nach Peters Arm und krallt seine Fingernägel in dessen Fleisch. Seine schwarzen Augen funkeln zornig. „Wenn er jetzt ein Messer hätte, würde er zustechen“, denke ich erschrocken. Das ist zuviel für Kara. Wütend stellt sie sich mit den Vorderpfoten auf den Tresen, bellt und knurrt den Angreifer böse an. Dabei zieht sie die Lefzen drohend hoch. Richtig gefährlich

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Saisonende

An Schlaf ist wieder nicht zu denken. Beunruhigt wälze ich mich hin und her. Schon die zweiteNacht weht die Bora, der starke Fallwind aus Nord. Unser Reisemobil schwankt und zittert. Dasweckt wohl Urängste, denn ich entspanne mich nicht, obwohl Peter mir versichert, dass einen 12-Tonner so schnell nichts umwirft. Heulend jagen Windböen über den Campingplatz und treibenihre Beute vor sich her. Handtücher, Bikinis, Badelatschen, Hundenäpfe. Auch unsere Crocs wurdenauf Nimmerwiedersehen davongetragen und Tisch und Stühle liegen zusammengeklappt ca. 10Meter entfernt. Über das Gelände rollen Flaschen und tanzen Plastikbeutel. Gischt peitscht gegendie Felsen und versprüht feinen Seewassernebel. Nach zwei Tagen lässt der Sturm zwar nach, abernun regnet es und die Wetterprognosen sind für die nächsten 6 Tage schlecht. Schweren Herzensverlassen wir daher früher als geplant unser Traumplätzchen. Beim Abschied umarmt uns Milanherzlich und meint: „Ich bin so traurig, dass Ihr abreist. Danke, dass Ihr da ward und kommtwieder.“ Dann fragt er noch, ob wir nicht bei ihm überwintern wollen. € 260 im Monat inklusiveStrom würde das kosten. Das ist natürlich ein Superpreis, wenn man sich mit der kalten undheftigen Bora, die gerade im Winter häufig weht, abfindet. „Es wäre ein schöner Platz, um inKlausur zu gehen. Zum Beispiel um eine neue Show zu programmieren oder ein Buch zuschreiben“, sage ich zu Peter. Irgendwie finde ich die Idee verlockend......

Trotz der negativen Wetteraussichten wollen wir nicht schnurstracks nach Hause düsen. Es kämeuns wie ein übereilter Abbruch unserer Reise vor. Zunächst steuern wir das Camp Pisak in der Näheder Kleinen Paklenica-Schlucht an. Leider sind die vorderen Plätze alle noch belegt und diehinteren für uns wegen der niedrigen Bäume nicht geeignet. „Am Eingang zur Kleinen Schlucht gibtes doch einen Parkplatz,“, erinnere ich mich. Den hatten wir vor zwei Jahren bei einem Spaziergangentdeckt. Etwa zwei Kilometer zieht sich die schmale Straße bis dorthin. „Zu Fuß kam mir die garnicht so eng vor“, grinse ich. Ein idealer Übernachtungsplatz. Vor den massiven Berghängen,windgeschützt und in absoluter Ruhe, schlummern wir nach zwei schlaflosen Nächten endlich malwieder tief und fest.

Allerdings werden wir am nächsten Morgen schon um 6 Uhr durch energisches und lautes Klopfenunsanft geweckt. Ein Nationalparkangestellter weist uns in gutem Deutsch an, wegzufahren, hierdürfe man nicht übernachten. „O.K.“, meint Peter, „in 30 Minuten sind wir weg.“ Im Befehlstonbellt der Mann: „Nein sofort! In 3 Minuten sind sie hier weg, sonst werde ich sie aufschreiben unddas kostet 500 Kuna pro Person.“ Dabei schlägt er wütend mit einer Hand auf die Andere. Wirziehen uns in Ruhe an und ich mache noch einen kurzen Gassigang mit Kara. Auf dem Rückweggehe ich am Ticketschalter vorbei und suche das Gespräch mit dem Angestellten. „Eigentlichwollten wir heute hier wandern.“ „Es gibt einen Campingplatz, den hätten Sie nehmen können.“ Ichwill erklären, dass wir dort waren, aber die Bäume zu niedrig für unser Fahrzeug sind. Mitgrimmiger Miene unterbricht mich der Mann ständig. „Darf ich mal ausreden?“, frage ich ihnlächelnd. Verhalten nickend lächelt er ein ganz klein wenig zurück, um mich gleich darauf aberdoch wieder zu unterbrechen. Peter kommt dazu und wird erneut mit der schon bekannten Litaneiüberschüttet. Peter meint: „Das ist ja in Ordnung, aber sie hätten das ein bisschen freundlichersagen können.“ Plötzlich springt der Mann wie eine Furie von seinem Stuhl hoch. „Basta!!!“schreiend, schlägt er mit der Faust mehrmals auf den Tisch. Völlig außer sich greift er aggressivdurch das kleine Fenster nach Peters Arm und krallt seine Fingernägel in dessen Fleisch. Seineschwarzen Augen funkeln zornig. „Wenn er jetzt ein Messer hätte, würde er zustechen“, denke icherschrocken. Das ist zuviel für Kara. Wütend stellt sie sich mit den Vorderpfoten auf den Tresen,bellt und knurrt den Angreifer böse an. Dabei zieht sie die Lefzen drohend hoch. Richtig gefährlich

wirkt sie in diesem Moment. Erschrocken weicht der cholerische Ticketverkäufer zwei Schrittezurück. Schwer atmend hält er sich an der Tischkante fest, sichtlich bemüht, nicht völlig dieKontrolle über sich zu verlieren. Peters Arm blutet. Kara ist kaum noch zu beruhigen. Wir ziehenuns ins Fahrzeug zurück und fahren los. Nur möglichst schnell weg von dieser tickendenZeitbombe. „Braver Hund“, lobe ich Kara. Für ihren mutigen Einsatz bekommt sie natürlich eindickes Leckerli.

Bisher ist der prognostizierte Dauerregen ausgeblieben. Daher entschließen wir uns zu einemAbstecher auf die Insel Pag. Sowohl die Maslenica- als auch die Fortica-Brücke sind oft tagelanggesperrt, wenn die Bora bläst. Heute jedoch können wir beide ohne Schwierigkeiten überqueren.Auf Pag erwartet uns ein bizarres Felsenmeer aus zerklüftetem, weißen Gestein.

Viel wächst hier nicht. Auch das eine Folge der Bora. Bekannt ist Pag für seinen schmackhaftenSchafskäse und für filigrane Spitzenarbeiten. Dem Käse wird eine hervorragende Qualitätnachgesagt, was daran liegen soll, dass die Schafe viele feine Kräutlein fressen. Es bleibt ihnen jaauch nichts anderes übrig, wenn kein Gras sprießt. Wir nähern uns dem Städtchen Pag. Links derStraße erstrecken sich Salinenfelder. Schon seit Jahrhunderten wird hier Salz gewonnen.

In Laufnähe zur Altstadt entdecken wir einen schönen Parkplatz am Wasser. Hier können wir sogarübernachten. So finden wir zum Ende der Reise doch noch unseren gewohnten Rhythmus.

Kerzengerade Gassen führen durch die malerische Ortschaft, die im 15. Jahrhundert auf demReißbrett geplant wurde. Die meisten Geschäfte und Restaurants sind schon geschlossen. Endlichkönnen wir unseren Bummel mal ganz ohne Touristenmassen genießen.

Am Abend wollen wir in einer empfohlenen Konoba speisen. Bodenständige Hausmannskost soll esdort geben. Urige Holztische und -bänke, ein riesiger Kamin – wir fühlen uns sofort wohl. AmTresen stehen ein paar Leute und trinken Wein, ansonsten sind wir die einzigen Gäste. „Na ja“,denken wir, „eben Saisonende.“ Leider spricht der Wirt weder Englisch noch Deutsch. Hilfsbereitkommt eine Dame, mit ihrem Weinglas in der Hand, zu uns an den Tisch und fragt: „Soll ichübersetzen, ich spreche Deutsch?“ „Ooh, das ist nett. Was steht denn heute auf dem Speiseplan?“„Sie können Käse und Schinken bekommen.“ „Ach, hier kann man gar nicht warm essen?“ „In derNachsaison nicht, aber sie können hier gut trinken“, meint die Blondine und zwinkert unsverschmitzt zu.

Novalja, weiter nördlich, ist DIE Touristenhochburg vor allem für junge Leute. „Party-time“ rundum die Uhr ist hier das Motto in der Saison. Zunächst fahren wir zum alten Hafen von Stari Novalja,der sehr idyllisch und ruhig am Ende der Straße liegt. In dieser Jahreszeit könnte man auf demParkplatz wahrscheinlich ohne Ärger zu bekommen übernachten. Aber wir müssen an unserenHund denken, und für den gibt es hier eindeutig zu wenig Auslauf. Außerdem lässt sich die Sonneblicken, so dass wir Lust auf einen Sprung ins Meer bekommen. Also steuern wir die Zrce-Bucht an.Auf dem riesigen, jetzt völlig leeren Parkplatz wollen wir übernachten.

Der Strand und das flache, ruhige Wasser sind wirklich sehr schön. Ausgelassen planschendgenießen wir die wohl letzten sommerlichen Minuten dieses Jahres.

Später machen wir einen Spaziergang rund um die Bucht. Angesichts der gigantischenInfrastruktur, die den Strand säumt, beschleicht uns ein Gefühl der Beklommenheit. Immer stillerwerden wir. Das sommerliche Rambazamba mögen wir uns gar nicht vorstellen. Glücklicherweiseist jetzt bereits alles geschlossen. Unzählige Imbissbuden, Bars, Restaurants und Shops. DiverseClubs mit riesigen Bühnen. Poollandschaften mit künstlichen Palmen. Bunte Kinderspielplätze. EinKran von dem man sich für den Adrenalin-Kick am Gummiseil herunter stürzen kann. Piercing- undTatooläden.

Und natürlich an jeder Ecke ein Geldautomat für die Realisierung der sofortigen Wunscherfüllung.Kurze Wege, damit der Gast nicht noch rechtzeitig aus dem Konsumrausch erwacht.

Las Vegas-Atmosphäre. Perfekte Fun-Industrie für die Gier nach Rausch und Betäubung. Dieeigentliche Landschaft wird zur Kulisse, das Naturerlebnis zur Nebensache. Nimmt im touristischenHochbetrieb überhaupt noch jemand das glasklare Wasser, die sanften Wellen, die bizarren Felsenund den Duft der Kräuter wahr? Wahrscheinlich nicht, wenn, ekstatisch aufgepeitscht durchAlkohol, Drogen und harte Beats, alles Sanfte und Tiefe weg gedröhnt wird. Jetzt sieht dieseSchein- und Spaßwelt verlassen aus mit den demontierten Armaturen und Treppenstufen,verbarrikadierten Zugängen und in Plastikfolie eingewickelten Theken. Alles ist picobello sauber.

In einem Containerbüro sitzt ein Wachmann. Ich frage ihn, ob er den ganzen Winter hier Wacheschiebt. Er nickt und meint, das sei auch notwendig, denn das Equipment sei begehrtes Diebesgut.Dann fragt er noch nach Karas Namen. Mit einem anerkennenden „Really a beautiful dog!“, nickter mir zu und kehrt in sein Büro zurück.

Mit der Fähre kehren wir aufs Festland zurück. Nur 15 Minuten dauert die Überfahrt. Bis Senj gehtes immer entlang der Küste, schließlich gen Osten über den Vratnik-Pass Richtung Autobahn.Mittelgebirgslandschaft. Viel Wald, der sich jetzt schon gelb färbt. Entspannt erreichen wir denCampingplatz in Zagreb. Den kennen wir ja schon. Genau vor 5 Wochen waren wir hier, beisommerlicher Hitze. Jetzt sind es 6° und es regnet. Ende eines langen Sommers. Seit Anfang Märztragen wir Sandalen und leichte Kleidung. Jetzt holen wir unsere dicken Jacken raus.