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Schriftenreihe Baustoffe und Massivbau Heft 2 Ultra-Hochfester Beton Planung und Bau der ersten Brücke mit UHPC in Europa

Tagungsbeiträge zu den 3. Kasseler Baustoff- und Massivbautagen

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Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN: 3-89958-518-6 kassel university press GmbH, 2003 www.upress.uni-kassel.de Herausgeber Prof. Dr.-Ing. habil. M. Schmidt Universität Kassel Fachbereich Bauingenieurwesen Fachgebiet Werkstoffe des Bauwesens Mönchebergstr. 7 34125 Kassel Tel. +49 (561) 804 2601 Fax. +49 (561) 804 2662 [email protected] www.uni-kassel.de/fb14/baustoffkunde

Prof. Dr.-Ing. E. Fehling Universität Kassel Fachbereich Bauingenieurwesen Fachgebiet Massivbau Mönchebergstr. 7 34125 Kassel Tel. +49 (561) 804 2656 Fax. +49 (561) 804 2803 [email protected] www.uni-kassel.de/fb14/massivbau

Redaktion Dipl.-Ing. Carsten Geisenhanslüke

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Danksagung Die Veranstalter bedanken sich für die vielfältige und freundliche Unterstützung bei:

Süd Zement Marketing GmbH Leonberger Straße 45 71229 Leonberg [email protected]

Fachvereinigung Deutscher Betonfertigteilbau e.V. Schlossallee 10 53179 Bonn [email protected]

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Inhaltsverzeichnis Grußworte..................................................................................................................................... Prof. Dr.-Ing. B. Scholtes Dr.-Ing. J. Sparmann Dipl.-Ing. B. Streitberger

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Ultra-Hochleistungsbeton – Ausgangsstoffe, Eigenschaften und Leistungsfähigkeit......... Prof. Dr.-Ing. habil. M. Schmidt

5

Ultra-Hochleistungsbeton – Grundlagen der Konstruktion und Bemessung........................ Prof. Dr.-Ing. E. Fehling; Dipl.-Ing. K. Bunje

21

Herstellung, Verarbeitung und Qualitätssicherung von UHPC............................................... Dr.-Ing. F. Dehn

37

Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit von UHPC..................................................................... Prof. Dr.-Ing. P. Racky

49

Ultra High Performance Fibre Reinforced Concrete Footbridges.......................................... A. Durukal; J.-F. Batoz

59

Neue Bauweisen im Ingenieurbau aus der Sicht der Hess. Straßen- und Verkehrsverwatung................................................................................... Dipl.-Ing. E. Pelke

69

Erneuerung der Gärtnerplatzbrücke mit UHPC – Randbedingungen und Aufgaben des Baulastträgers............................................................. Dipl.-Ing. H. Lehmkuhl

79

Design, Konstruktion und Bemessung der Gärtnerplatzbrücke............................................. Dipl.-Ing. W. Schreiber

89

Besonderheiten bei der Bemessung und der konstruktiven Ausbildung von Bauteilen aus UHPC im Rahmen der Zulassung im Einzelfall.................................................................. Dr.-Ing. N. Tue ; Dipl.-Ing. H. Schneider

95

Ultra-Hochleistungsbeton: Zukunftsvision oder Irrtum?......................................................... Prof. Dr.-Ing. J. Walraven

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Grußwort Prof. Dr.-Ing. Berthold Scholtes Vizepräsident der Universität Kassel Seien Sie herzlich willkommen an der Universität Kassel und werfen Sie, wie von den Veran-staltern angekündigt, „einen Blick in die Zukunft des Betonbaus“. Die 3. Kasseler Baustoff- und Massivbautage haben ein für Wissenschaft und Praxis gleicher-maßen interessantes Schwerpunktthema, den Ultra-Hochfesten Beton. Eine Erhöhung der Fes-tigkeit ermöglicht bei mechanisch beanspruchten Werkstoffen filigranere Bauweisen und ist deshalb ein wichtiger Schritt in Richtung eines konsequenten Leichtbaus. Andererseits wissen wir, dass damit häufig neue Versagensmechanismen verbunden sind. Sie können „unerwartete“ Schadensfälle nach sich ziehen, wenn hinreichend abgesicherte Grundlagenkenntnisse fehlen. Nur durch eine intensive und abgestimmte Zusammenarbeit zwischen Forschung und Praxis können einerseits die notwendigen Erfahrungen und Kenntnisse für eine versagenssichere Be-messung erarbeitet werden und lässt sich andererseits das Potenzial einer solchen Entwicklung wie des Ultra-Hochleistungsbetons voll erschließen. Dazu bietet diese Veranstaltung eine aus-gezeichnete Basis. In beispielhafter Weise wird hier die Aufgabe der Universität, Wissen zu generieren und zu transferieren, umgesetzt. Besonders interessant ist natürlich, dass ein kon-kretes Anwendungsobjekt, die Gärtnerplatzbrücke über die Fulda, im Mittelpunkt steht, über die wir hoffentlich bald einen Spaziergang machen können. Allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern wünsche ich interessante Diskussionen und einen er-folgreichen Verlauf der 3. Kasseler Baustoff- und Massivbautage.

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Grußwort des Schirmherrn Dr.-Ing. J. Sparmann Präsident des Hessischen Landesamtes für Straßen- und Ver-kehrswesen Als einer der beiden Schirmherren der Veranstaltung freue ich mich, dass es wieder einmal ge-lungen ist, mit einem besonders interessanten Thema die Aufmerksamkeit der Fachöffentlich-keit auf die Stadt Kassel zu lenken. Es zeigt sich erneut, wie groß die Innovationsbereitschaft im Ingenieurbauwesen ist und welche Entwicklungsmöglichkeiten sich mit einem neuen Baustoff auftun. Und es freut mich natürlich ganz besonders, dass diese Entwicklung zum ersten Mal in Hessen präsentiert und angewendet wird. Die Hessische Straßen- und Verkehrsverwaltung gibt jedes Jahr viele Millionen für die Instand-setzung der Ingenieurbauwerke aus. Zugegeben, aufgrund der Erkenntnisse, die wir heute ha-ben, wissen wir auch, was alles zu den Schäden an den Bauwerken führt. Und das Lehrgeld, das wir zahlen, ist leider auch sehr teuer. Wichtig ist dabei aber, dass wir aus den Fehlern der Vergangenheit die richtigen Konsequenzen ziehen, wobei das Wort „Fehler“ falsch ist, weil aus der Sicht der Erkenntnisse, die zur Zeit des Baus vorlagen, sicherlich die bestmögliche Lösung gewählt worden ist. Für die Zukunft wird die Dauerhaftigkeit unserer Bauwerke eine noch größere Rolle spielen. Wir müssen zukünftig viel stärker die Kosten über die gesamte Lebenszeit eines Bauwerkes be-trachten und nicht nur die Kosten für die Erstellung. Neben den reinen Baukosten spielen die Kosten für die Erhaltung und Unterhaltung der Bauwerke eine große Rolle, aber auch die Aus-wirkungen, die die Instandsetzungsarbeiten auf den fließenden Verkehr und damit auf die Ver-lustzeiten als Folge von Staus an Baustellen und auf die Verkehrssicherheit haben. Wenn es uns gelingt, durch neue Baustoffe und neue Bauweisen einen Beitrag dafür zu leisten, dass unsere Bauwerke weniger instandhaltungsanfällig sein werden, erzielen wir in doppelter Hinsicht einen großen Nutzen, weil die Kosten für die Instandhaltung und gleichzeitig die Stö-rungen für den Verkehr minimiert werden. Insofern wünsche ich mir, dass die Erfahrungen mit dem Ultra-Hochleistungsbeton die derzeit herrschende euphorische Stimmung rechtfertigen wird und wir einen wichtigen Schritt zu mehr Dauerhaftigkeit unserer Bauwerke erreichen wer-den.

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Grußwort des Schirmherrn Dipl.-Ing. Bernd Streitberger Stadtbaurat der Stadt Kassel Die Erneuerung der Gärtnerplatz-Brücke über die Fulda in Kassel signalisiert nicht nur einen Meilenstein in der Entwicklung ultrahochfester Betone sondern auch eine neue Qualität der Zu-sammenarbeit zwischen der Stadt Kassel und ihrer Universität. Die offene Bereitschaft der Hochschule, sich auf Fragestellungen der Baupraxis in der Stadt einzulassen, führte dazu, dass die anfänglich bei einigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Baudezernat vorhandene Skepsis gegenüber diesem neuen Werkstoff rasch überwunden wur-de. Die vertrauensvolle und ergebnisorientierte Zusammenarbeit zwischen der Fakultät Bauin-genieurwesen und dem Straßenverkehrsamt unter Einbeziehung des Amtes für Straßen- und Verkehrswesen und des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwick-lung hat bislang zu einem erfreulich straffen und produktiven Planungsprozess geführt. Ich bin optimistisch, dass dieser Prozess trotz der mit der neuen Technik verbundenen Schwierigkeiten erfolgreich abgeschlossen werden wird. Die Stadt Kassel beabsichtigt, im Jahr 2004 die Erneu-erung der Brücke auf der Grundlage des gemeinsamen Projektes zu realisieren. Die neue Brücke über die Fulda wird sicherlich im Rahmen der Massivbau-Tage an der Univer-sität Kassel ein bedeutendes Thema sein, stellt sie doch die erste ihrer Art in Europa dar. Doch auch von den anderen Themen der Massivbau-Tage hoffe ich, dass alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Fachtagung hiervon ihren Nutzen haben werden. So wünsche ich der Tagung einen guten Erfolg, allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern einen angenehmen Aufenthalt in Kassel und uns wichtige und neue Erkenntnisse bei der Beförderung zukünftiger Bauprojekte.

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Prof. Dr.-Ing. habil. Michael Schmidt geboren 1947 1973 Diplom im Bauingenieurwesen,

Technische Universität Hannover 1977 Promotion zum Dr.-Ing., Technische Universität Han-

nover 1978 Forschungsinstitut der Zementindustrie, Düsseldorf 1989 Heidelberger Zement AG, Leimen; Leiter der Baubera-

tung 1990 Habilitation, Universität Dortmund 1993 Direktor und Leiter der Forschung, Entwicklung und

Beratung der Heidelberger Zement AG seit 1999 Universität Kassel, Leiter des FG Werkstoffe des Bau-

wesens; Direktor der Amtlichen Materialprüfanstalt für das Bauwesen (AMPA)

Ultra-Hochleistungsbeton – Ausgangsstoffe, Eigenschaften und Leistungsfähigkeit

1 Einleitung Ultra-Hochfester Beton (UHPC) ist ein besonders gefügedichter Beton mit einer Druckfestigkeit über 150 N/mm². Er kann sowohl als Feinbeton mit einem Zuschlaggrößtkorn von nur 0,5 mm als auch mit einem Größtkorn bis zu 16 mm hergestellt werden. Je nach Zusammensetzung und Herstellverfahren werden zielsicher Druckfestigkeiten zwischen rd. 180 und 230 N/mm² erreicht. Die Zugfestigkeit von Ultra-Hochfestem Beton mit Stahlfasern kann bis zu rd. 15 N/mm², die Biegezugfestigkeit bis zu rd. 50 N/mm² betragen. UHPC weist praktisch keine Kapil-larporen mehr auf. Mit entsprechend wirksamen Verflüssigern kann er im gesamten Konsis-tenzbereich von erdfeucht bis praktisch selbstverdichtend hergestellt werden. Die hohe Leistungsfähigkeit beruht im Wesentlichen auf vier Faktoren

• einem niedrigen Wasser-Zementwert zwischen rd. 0,20 und 0,30, • einem hohen Feststoffgehalt des Zementsteins durch Zugabe geeigneter mineralischer

Zusatzstoffe, • einer hohen Packungsdichte des Feststoffs sowohl im Zementstein als auch des Grob-

zuschlages, verbunden mit einem niedrigen Wasseranspruch des Frischbetons und ei-ner besonders niedrigen Porosität des Festbetons und

• die Verwendung von Stahl- und anderen Fasern für eine ausreichende Duktilität und kontrollierte Risssteuerung bei Druck-, Zug- oder Biegezugbeanspruchung.

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Ultra-Hochfester Beton ist ein high-tech Werkstoff, der es ermöglicht, mit Beton hoch tragfähige, dabei besonders leichte, filigrane und hoch korrosionsbeständige Bauwerke zu erstellen. Roh-stoffe und Energie werden eingespart und infolge des geringeren Eigengewichtes sind weitere Spannweiten möglich, z.B. bei Brücken, Parkdecks etc. Um die hohe Leistungsfähigkeit und die besonderen Stoffeigenschaften des UHPC ausnutzen zu können, müssen die Bemessung und die Konstruktion darauf abgestimmt werden. Sowohl die stofflichen als auch die konstruktiven Voraussetzungen für die großtechnische Anwendung im Brückenbau, aber auch für Platten und Stützen wurden an der Universität Kassel geschaffen.

2 Ausgangsstoffe Als Zuschlag für UHPC als Feinbeton sind mehlkornarme Natur- oder Brechsande nach DIN 1164 mit einem Größtkorn von 0,5 bis 2 mm geeignet. Um die hohe Festigkeit des Zement-steins ausnutzen zu können, sollte der Zuschlag über 2 mm eine möglichst hohe Gesteinsfes-tigkeit von mindestens 200 N/mm², eine günstige Kornform und einen besonders guten Verbund zum Zementstein aufweisen, wie z.B. gebrochener Basalt, andere Felsgesteine oder gebroche-ne Kiese mit entsprechenden Eigenschaften. Die angestrebte Festigkeit kann bei entsprechender Optimierung der Betonzusammensetzung sowohl mit geeignetem Portland- als auch mit Hochofenzement der Festigkeitsklassen 42,5 oder 52,5 nach DIN EN 197 erreicht werden. Zu bevorzugen sind möglichst schwindarme Ze-mente mit niedrigem C3A-Gehalt, d.h. in erster Linie HS-Zement nach DIN 1164. Der Wasser-anspruch des Zementes sollte zudem möglichst niedrig sein. Mikrosilica - hochfeine amorphe Kieselsäure - wirkt zum einen als Füllstoff, da das äußerst feine Pulver mit einem Blainewert von über 100.000 cm²/g die Hohlräume zwischen den übrigen Feststoffpartikeln des Zementleims- und des Zementsteins ausfüllt. Im Frischbeton verdrängt es dabei das sonst darin befindliche Wasser, es wirkt praktisch wie ein Verflüssiger. Zu große Zu-gabemengen können allerdings dazu führen, dass der Beton zäh und klebrig wird. Der Festbe-ton wird durch die Porenfüllung fester. Zum anderen reagiert die leicht lösliche Kieselsäure mit Bestandteilen des Zementes und bildet zusätzliche Reaktionsprodukte, die die Dichtigkeit und Festigkeit des Betons zusätzlich erhöhen. Weitere inerte Füllstoffe wie Quarz-, Kalkstein- oder Basaltmehl dienen ebenfalls dazu, das Ge-füge dichter zu gestalten: Ihre Korngröße und ihre Kornzusammensetzung müssen so gewählt und aufeinander abgestimmt werden, dass die Packungsdichte aller mehlfeinen Bestandteile des Zementsteins möglichst groß und der verbleibende Hohlraumgehalt möglichst klein werden. Ein Maß für die Packungsdichte ist neben dem rechnerischen oder dem gemessenen Hohl-raumgehalt des Mehlkorns das Wasser-Feststoff-Verhältnis des Leims.

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Durch die Zugabe der Feinststoffe erhöht sich zudem die Viskosität des gesamten Leims (Ze-ment, Mikrosilica, Gesteinsmehle, Zusatzmittel und Wasser). Für ausreichend verarbeitbaren Ultra-Hochfesten Beton sind leistungsfähige Fließmittel auf Po-lycarboxylatbasis erforderlich. Zu beachten ist, dass diese Mittel mit verschiedenen Zementen unterschiedlich wirken können. Sie dürfen zudem das Erstarren und das Erhärten des Betons nicht wesentlich verzögern. UHPC wurde bisher mit mindestens 2,5 Vol.-% feiner, gleichmäßig verteilter Drahtfasern herge-stellt. Sie dienen dazu, den sonst sehr spröden Beton duktiler zu machen. Außerdem werden seine Zug- und seine Biegezugfestigkeit weiter verbessert, wenn die Fasern überwiegend in Zugrichtung orientiert sind. Bei feinkörnigem UHPC haben sich 6 – 9 mm lange Fasern mit ei-nem Durchmesser von 0,15 mm bewährt. Bei grobkörnigem UHPC können bis zu rd. 20 mm lange Fasern verwendet werden. Etwa 0,3 bis 0,6 Vol.-% Polypropylenfasern verhindern, dass der sehr dichte UHPC im Brandfall aufgrund des möglicherweise sehr hohen inneren Dampfdruckes schlagartig versagt [6].

3 Betonzusammensetzung Ultra-Hochfester Beton lässt sich in vielen Varianten herstellen und so gezielt auf die jeweilige Anwendung anpassen. In Tab. 1 sind beispielhaft zwei Fein- und Grobbetone mit einem Größt-korn des Zuschlages von 0,5 mm (M) und 8 mm (B) zusammengestellt. UHPC mit größerem Größtkorn und mit gut korngestuftem Zuschlag benötigt aufgrund des geringeren Hohlraumge-halts des Zuschlags weniger Bindemittelleim zur Erzielung vergleichbarer Verarbeitungs- und Festbetoneigenschaften.

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M 1Q B 3Q

Zement kg/m³ 733 580

Sand kg/m³ 1008 354

Basalt 2/8 kg/m³ - 711

Mikrosilica 0) kg/m³ 230 177

Stahlfasern 2,5 Vol.-% kg/m³ 192 194

Quarz I kg/m³ 183 325

Quarz II kg/m³ - 131

Vol.-% Feinststoff < 0,125 mm l/m3 405 439

Fließmittel kg/m³ 28,6 30,4

Wasser l/m³ 161 141

(w/z) w/b 1)

- (0,24) 0,19 (0,28) 0,21

Vol.-% Wasser und Feinststoff < 0,125 mm

l/m³ 595 600

Ausbreitmaß cm 55 65

Druckfestigkeit 28d in Wasser 20°C MN/m² 148-152 (150)² (163)³ -

Druckfestigkeit nach 90°C Wärmebehandlung (2 Tage) MN/m² 225 184-206 (195)² 0) k-Faktor 1.0 1) Unter Berücksichtigung des Fließmittels (60% Wassergehalt). 2) Mittelwert aller Probekörper. 3) Mittlere Druckfestigkeit aller Probekörper mit 4 Vol.-% Stahlfasern.

Tab. 1: Zusammensetzung und Eigenschaften Ultra-Hochfester Betone nach [2].

In Tab. 1 ist unterschieden zwischen UHPC, der nach der Herstellung unter Wasser gelagert wurde und solchem, der nach einer 2-tägigen feuchten Vorlagerung bei 90°C wärmebehandelt wurde. Die Druckfestigkeit wärmebehandelter UHPC ist in der Regel höher und wird zudem bereits unmittelbar nach dem Ende der Beheizung erreicht. Inerter, kornangepasster Feinststoff mit niedrigem Wasseranspruch - im vorliegenden Fall un-terschiedlich feine Quarzmehle – ermöglichen es, den Zementgehalt deutlich zu senken und dennoch eine höhere Druckfestigkeit zu erzielen. Es genügt deshalb bei UHPC nicht mehr, der Mischungszusammensetzung den Zusammenhang zwischen w/z-Wert und Druckfestigkeit zugrunde zu legen, wie dies bei Normalbeton üblich ist. Maßgeblichen Einfluss hat zusätzlich der volumenbezogene

Wasser-Feinstteilwert w/Fv des Bindemittelleims. Der Wasser-Feinstteilwert w/Fv ist auch ein indirektes Maß für die Korn-zusammensetzung des Feinstteilgemisches sowie für den von Wasser zu füllenden Resthohl-raum zwischen den Partikeln und damit für die Packungsdichte der Feinstteile. Er bildet die eigentliche Grundlage für alle Optimierungsschritte bei UHPC.

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Bei den in Bild 1 dargestellten, sonst vergleichbaren Betonen nach Tab. 1 stieg beispielsweise die Druckfestigkeit bei gleichem wirksamen w/z-Wert um bis zu rd. 26% an, wenn der Wasser-Feinstteilwert durch Zugabe von kornoptimalem Quarzmehlen von 0,53 auf 0,44 verringert wur-de.

130

150

170

190

210

230

0,4 0,45 0,5 0,55

Wasser-Feststoffverhältnis Bindemittelleim]

Dru

ckfe

stig

keit

[N/m

m²]

Beton 0/8 (B), 7d, 90°C

Feinbeton (M), 7d, 90°C

Beton 0/8 (B), 28d, Wasser

Bild 1: Druckfestigkeit der UHPC nach Tab. 1 in Abhängigkeit vom Wasser-Feststoffverhältnis des Bindemittelleims [2]

An den in Tab. 1 zusammengestellten Betonen wurden in einem von der Deutschen For-schungsgemeinschaft finanzierten Forschungsvorhaben umfangreiche Untersuchungen zu den Frisch- und Festbetoneigenschaften, insbesondere auch zur Dauerhaftigkeit dieser neuen Be-tone durchgeführt. Die wesentlichen Ergebnisse sind nachfolgend zusammengefasst.

4 Festbetoneigenschaften 4.1 Porosität Durch den sehr niedrigen Wasser-Bindemittelwert von nur rd. 0,20 und die dichte Feststoffpa-ckung in der Matrix sinkt die Gesamtporosität (Luftporen + Kapillarporen + Gelporen) von selbstverdichtendem oder praktisch vollständig verdichtetem Ultra-Hochfestem Beton auf nur noch rd. 4-6 Vol.-%. Bild 2 zeigt die im Quecksilberdruckporosimeter gemessene Porenradien-verteilung des bereits hochwertigen Zementsteins eines Betons der Festigkeitsklasse C105 im Vergleich zu denjenigen zweier Ultra-Hochfester Feinbetone (Druckfestigkeit rd. 200 N/mm²). Die für Stofftransporte verantwortlichen Kapillarporen fehlen praktisch ganz. Dies ist der eigent-liche Grund dafür, daß sachgerecht hergestellter UHPC einen besonders hohen Widerstand gegen Carbonatisierung und gegen das Eindringen von Chloridionen und gegen Frost- und Frost-Tausalz-Angriff aufweist.

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0,00

0,01

0,02

0,03

0,04

0,05

0,06

0,07

0,001 0,01 0,1 1 10 100Porenradius [µm]

Log.

Diff

eren

tial I

ntru

sion

[ml/g

] Gelporen Kapillarporen

Hochleistungsbeton C105

Ultra-Hochfester Beton B3Q

Normalbeton C45/55

Ultra-Hochfester Beton M1Q

Bild 2: Vergleich der Porenradienverteilung von Normalbeton C45/55, HPC C105 und UHPC C200

4.2 Schwinden Bei Normalbeton hat das Trocknungsschwinden den größten Anteil an der Schwindverformung. Dem autogenen Schwinden, auch Schrumpfen genannt, kommt ein nur relativ kleinerer Anteil zu. Bei Ultra-Hochfesten Betonen ist der Anteil des Schrumpfens wegen des hohen Zementge-haltes und des sehr niedrigen Wassergehaltes deutlich größer und der Anteil des Trocknungs-schwindens nimmt demgegenüber ab. Orientierende Untersuchungen ergaben in Abhängigkeit von der Zementart und der Zement-menge nach 56 Tagen Laborlagerung (20°C / 65% r. F.) ein Gesamtschwindmaß von rd. 0,7 bis 1,0 mm/m.

4.3 Festigkeits- und Verformungseigenschaften Der charakteristische Kennwert für die Tragfähigkeit von Beton ist üblicherweise seine Druck-festigkeit. Daneben sind Kenntnisse über seine Zug- und Biegezugfestigkeit erforderlich. Neben seiner Festigkeit ist die ausreichende Zähigkeit (Duktilität) eines Baustoffes ein ent-scheidendes Bemessungs- und Konstruktionskriterium. Ultra-Hochfester Beton verformt sich bei Druck- und Zugbeanspruchung bis zum Bruch immer nahezu ideal elastisch, d.h. es ist ein spröder Werkstoff mit einem im Vergleich zu Normalbeton deutlich höheren Elastizitätsmodul

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zwischen rd. 50.000 und rd. 55.000 N/mm². Wegen seiner hohen Festigkeit speichert er zudem sehr viel Energie und versagt deshalb schlagartig, wenn die Festigkeit überschritten wird. Seine hohe Festigkeit könnte deshalb aus Sicherheitsgründen nur teilweise ausgenutzt werden und/oder er wäre nur für wenige konstruktive Anwendungen geeignet. Bild 3 zeigt am Beispiel eines auf Druck beanspruchten Zylinders (D/H = 150/300 mm), wie das Tragverhalten nach Überschreiten der Druckfestigkeit bei einer für UHPC üblichen Bruchdeh-nung von rd. 4,5 ‰ durch Drahtfasern verbessert wird. Die Druckfestigkeit selbst wird durch die Fasern praktisch nicht erhöht. Das Verhalten des UHPC mit und ohne Faserzugabe unter Zug- und Biegezugspannungen ist [19] zu entnehmen Die Fasern sind bei UHPC sehr viel fester in den Zementstein eingebunden als bei Normalbe-ton und dadurch besonders wirksam. Während sie dort mit zunehmender Verformung des ge-rissenen Querschnittes immer aus der Matrix herausgezogen werden, werden sie im UHPC teilweise bis zum Bruch beansprucht.

-210

-160

-110

-60

-10

-7-6-5-4-3-2-1

Betonstauchung εc [‰]

Bet

onsp

annu

ng σ

c[N

/mm

²]

C30/37 C50/60

C100/115 B3Q-90° ohne Fasern = C200/215

B3Q-90° +2,5 Vol.-% Fasern 9/0,15 mm B3Q-90° +2,5 Vol.-% Fasern 9/0,15 mm

Bild 3: Spannungs-Stauchungskurve bei UHPC ohne und mit Stahlfasern bei Druckbelastung

Neuste Entwicklungen der Universität Kassel zeigen, dass Ultra-Hochfeste Betone auch mit weniger als rund 1 Vol.-% Stahlfasern in ausreichender Festigkeit und Duktilität hergestellt wer-den können. Bild 4 zeigt vergleichend die Wirkung von 2,5 Vol.-% Stahlfasern mit einem l/d-Verhältnis von 60 zu nur rund 1 Vol.-% 20 mm langen Stahlfasern bei einem gesteigerten l/d-Verhältnis von 100. Des weiteren zeigt Bild 5, dass auch mit 4 Vol.-% Polyvinylalkohol-Fasern (PVA) die Dukti-lität des Betons trotz ihres im Vergleich zur ultra-hochfesten Matrix und den Stahlfasern niedri-geren Elastizitätsmoduls nachhaltig verbessert werden kann.

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0

5

10

15

20

25

30

35

40

-8-6-4-20

Maschinenweg / Durchbiegung [mm]

Bie

gezu

gfes

tigke

it [N

/mm

²]

0,95 Vol.-% Stahlfasern; l/d = 100

2,5 Vol.-% Stahlfasern; l/d = 60

Bild 4: Prismen-Biegezugfestigkeit mit unterschiedlichen Zugabemengen an Stahlfasern

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5

10

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20

25

-8-6-4-20

Maschinenweg / Durchbiegung [mm]

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gfes

tigke

it [N

/mm

²]

Bild 5: Prismen-Biegezugfestigkeit mit 4 Vol.-% PVA-Faserzugabe

4.4 Ermüdungsverhalten bei Dauerschwellbelastung Bei zahlreichen möglichen Anwendungen ist UHPC häufig wiederholten Schwell- oder Wech-selbeanspruchungen ausgesetzt, wie z.B. bei Brücken, in Masten von Windkraftanlagen, in hochbelasteten Fahrbahnen etc. Für die stoffgerechte Bemessung und Konstruktion muss des-halb bekannt sein, wie hoch UHPC bei einer lang anhaltenden Schwellbeanspruchung bean-sprucht werden darf, damit er nicht ermüdet und vorzeitig versagt. In Bild 6 sind als Beispiel die Ergebnisse von Druck-Schwellversuchen an Prüfzylindern (H = 300 mm, D = 150 mm) aus der Mischung B3Q-90° nach Tab. 1 dargestellt. Sie wurden in

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einer 6,3 MN Hydropulsanlage mit einer konstanten minimalen Unterspannung von σu= 5% und mit einer Oberlast zwischen 85% und rd. 45% der statischen Druckfestigkeit (fc = 190 bis 200 N/mm²) belastet. Die Ergebnisse zeigen, dass sich das Dauerschwingverhalten ähnlich wie bei Normalbeton an-nährend in einer sog. Wöhlerlinie darstellen lässt (Bild 6). Aufgetragen ist die Schwingbreite über der zugehörigen Lastwechselzahl in logarithmischer Darstellung. Als Dauerschwellfestig-keit ist im Allgemeinen die Spannung definiert, bei der 2 x 106 Lastwechsel erreicht werden, ohne dass sich ein (Bruch-)Versagen ankündigt.

0,30

0,40

0,50

0,60

0,70

0,80

0,90

1,0E+03 1,0E+04 1,0E+05 1,0E+06 1,0E+07

Schwingspiele [-]

Bez

ogen

e Sc

hwin

gbre

ite [-

]

fc = 200 N/mm²

fc = 190 N/mm²

sw=0,05 fc Versuch abgebrochen

Bild 6: Wöhlerdiagramm UHPC B3Q-90° (mit Fasern)

Während die mit einer Oberlast von rd. 65% der statischen Druckfestigkeit (Schwingbreite 0,60) belasteten Prüfkörper nach rd. 105 Lastwechseln versagten, kündigte sich bei einer bezogenen Schwingbreite von 0,45 auch nach 5 * 106 Lastwechseln noch kein Bruch an.

5 Dauerhaftigkeit 5.1 Frost- und Frost-Tausalz-Widerstand Beton für Außenbauteile muss einen ausreichend hohen Frost- und ggf. Frost-Tausalz-Widerstand aufweisen. Bei Brücken, Parkdecks und anderen Verkehrsbauwerken ist zudem ein ausreichend hoher Widerstand gegen Frost- und Tausalz erforderlich. Der Widerstand von Normalbeton gegen Frost- und Frost-Tausalz-Angriff steigt, wenn der w/z-Wert sinkt und dadurch der Kapillarporenanteil kleiner wird. Der Kapillarporenanteil von UHPC ist wegen des sehr niedrigen w/z-Wertes von nur noch 0,30 oder darunter und des höheren Feststoffanteils im Zementstein mit rd. 1,5 bis 2 Vol.-% deutlich kleiner als beim Normalbeton

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und auch noch kleiner als bei Hochleistungsbeton, bei dem üblicherweise rd. 4 bis 6 Vol.-% gemessen werden. Bild 7 zeigt den Bereich des Masseverlustes, der üblicherweise an Prüfkörpern aus Normalbe-ton mit Luftporen oder aus Hochleistungsbeton bei Prüfung im CDF-Verfahren festgestellt wird. Für einen UHPC nach Tab. 1 war der Masseverlust mit einem Maximum von 200 g/m² nach 28 und 290 g/m² nach 56 Frost-Tau-Wechseln signifikant kleiner als bei diesen Betonen und auch wesentlich kleiner als der für das Verfahren angenommene Richtwert von höchstens 1500 g/m² [13].

0

200

400

600

800

1000

1200

1400

1600

0 10 20 30 40 50 60

Frost-Tau-Zyklen

Abw

itter

ung

[g/m

²]

Abwitterungsgrenze nach 28 Frost-Tau-Zyklen

Mikroluftporenmodifizierter Normalbeton undHochleistungsbeton

Ultra-Hochfeste Betone

Bild 7: Vergleich der Abwitterung zwischen Normal-/Hochleistungsbetonen und UHPC

5.2 Carbonatisierung Die Carbonatisierung ist bei Normalbetonen im wesentlichen vom w/z-Wert, dem Zementgehalt und der Zementart sowie von den Nachbehandlungsmaßnahmen abhängig. Je niedriger der w/z-Wert ist, desto geringer ist die Porosität und desto niedriger ist auch die Durchlässigkeit für CO2. Je größer die Menge des bei der Hydratation der Portlandzementklinkerphasen C3S und C2S gebildeten Ca(OH)2 ist, desto mehr CO2 wird gebunden, bevor die Carbonatisierungsfront weiter voranschreitet. Bild 8 zeigt den Carbonatisierungsfortschritt bei einem Normalbeton C55 im Vergleich zu einem Ultra-Hochfesten Beton mit einem Größtkorn von 8 mm und einen Feinkornbeton mit einem Größtkorn von 0,5 mm bei Lagerung im Laborklima (20°C, 65% rel. Luftfeuchte). Beim Ultra-Hochfesten Beton war erst nach einem halben Jahr eine sehr geringe Carbonatisierungstiefe von ca. 0,3 bis 0,5 mm messbar. Nach 3 Jahren lag sie mit maximal 2 mm deutlich unter der eines C55 mit rd. 6 mm [16]. Die Carbonatisierungstiefe von im Außenbereich geschützt und ungeschützt gelagerten Betonbauteile betrug nach 3 Jahren bis zu 2,5 mm.

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15

0

1

2

3

4

5

6

7

0 28d 90d 180d 1a 2a 3a

Zeit in Tagen, Jahren

Car

bona

tisie

rung

stie

fe [m

m]

C55

B3Q

M1Q

Bild 8: Carbonatisierungsfortschritt im Normklima

5.3 Widerstand gegen Chloridionen Bild 9 zeigt die Eindringtiefe von Chloridionen bei einem Normalbeton C30/37 mit (C2) und oh-ne Hydrophobierungsmittel und von UHPC. Die Chloriddiffusion wurde mit einem Schnellmigrationstest geprüft nach [18]. Dabei werden Betonscheiben mit einer Dicke von 3,5 cm zwischen zwei Kammern eingebaut. In der einen Kammer ist Wasser, in der anderen eine 10-%ige Chloridlösung. Die Chloriddiffusion wird durch Aufbringen einer Gleichspannung von 40 V über einen Zeitraum von 6 Stunden beschleunigt. Gemessen wird die übertragene Ladungsmenge (Bild 9) und nach Diffusionsende die Eindringtiefe der Chloridionen. Der Normalbeton wies erwartungsgemäß mit 2,3 mm die höchste Eindringtiefen auf (C1). Wur-de ein Hydrophobierungsmittel hinzugegeben, so verringerten sich die übertragene Ladungs-menge und die Eindringtiefe erheblich (C2). Beim Ultra-Hochfesten Beton UHPC drangen die Chloridionen weniger als 0,1 cm tief in den Beton ein. Ebenso wies die übertragene Ladungs-menge darauf hin, dass diese Betonmischung einen besonders hohen Widerstand gegen Chlo-ridangriffe besitzt.

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16

0200400600800

100012001400160018002000

C1 C2 UHPC

Übe

rtr.

Ladu

ngsm

enge

[A*s

]

0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

Eind

ringt

iefe

[cm

]

Übertragene LadungsmengeEindringtiefe

AC 40V, 6 h

Bild 9: Übertragene Ladungsmenge und Eindringtiefe im Chloridwiderstandtest

6 Herstellung und Verarbeitung Ultra-Hochfester Beton kann mit besonderer Sorgfalt in konventionellen Betonmischanlagen mit Dosiereinrichtungen für alle Ausgangsstoffe und mit ausreichender Mischwirkung hergestellt werden. Es sind allerdings in jedem Einzelfall Vorversuche erforderlich, um den Mischungsab-lauf so zu optimieren, dass die Feinstteile homogen miteinander vermischt und das Fließmittel vollständig aufgeschlossen wird. Zu lange Mischzeiten von mehr als 3 Minuten können u. U. dazu führen, dass sich der Frischbeton stärker erwärmt und dadurch die Verarbeitungszeit ein-geschränkt wird. Dem kann durch Maßnahmen entgegengewirkt werden, wie sie üblich sind, um bei hohen Außentemperaturen die Frischbetontemperatur herabzusetzen. Vorteilhaft sind getrocknete Gesteinskörnungen. Ultra-Hochfester Beton lässt sich im ganzen Konsistenzspektrum von erdfeucht bis sehr fließfä-hig und selbstverdichtend herstellen und entsprechend verarbeiten. Sehr feinstkornreiche fließfähige Mischungen können allerdings u. U. zäher sein als Fließbeton oder als selbstverdichtender Normalbeton. Ist dies der Fall, so müssen sie ggf. zusätzlich bewegt und leicht verdichtet werden, um sie vollständig zu entlüften.

7 Anwendungen Erstmals wurde Ultrahochfester Beton im Jahr 1997 beim Bau der Sherbrooke Footbridge [7] in Kanada und beim Umbau des Atomkraftwerks Cattenom verwendet. In diesem Jahr wurde in Korea eine Fußgängerbrücke als Zugang zu einem Fußballstadion teilweise mit UHPC herge-stellt. Als Vorbereitung für ein erstes größeres Brückenprojekt wurde in der Universität Kassel

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ein 6 m langer, freitragender Fußgängersteg hergestellt, der ausschließlich aus wärmebehan-deltem Ultra-Hochfestem Stahlfaserbeton besteht. Die Brücke wurde auf eine Traglast von 5 kN/m² bemessen. Das eigentliche Brückendeck ist nur 3 cm dick. Als Zugbewehrung wurden unter die seitlichen, 10 cm hohen Stege Kohlefaserlamellen geklebt. Im kommenden Jahr wird in Kassel eine rd. 140 m lange Fußgängerbrücke über den Fluss Ful-da gebaut. Die Längsansicht und das geplante Verbund-Tragsystem aus Stahl und UHPC zeigt Bild 10.

Bild 10: Längs- und Querschnitt der geplanten UHPC-Brücke in Kassel

Weitere mögliche Einsatzgebiete für UHPC mit und ohne Fasern sind:

• Hochbelastete Druckglieder (z.B. Stützen mit Kreisquerschnitt und Stahlummantelung zur Umschnürung).

• Filigrane, weitgespannte Fertigteile (Balken, Platten, z.B. für Parkhäuser, Industriege-bäude).

• Verbundträger, unterspannte Träger und Stahl-Beton-Hybridkonstruktionen. • Brücken mit großen Spannweiten (Gewichtsreduktion). • Anwendungen anstelle von Stahlkonstruktionen bei aggressiven Umweltbedingungen

(z.B. in mariner Umgebung: Flutbarrieren, Spundwandprofile) zur Reduktion von Dauer-haftigkeitsproblemen.

• Ausbildung faserbewehrter Knotenpunkte aus UHPC anstelle von Gussknoten (z.B. bei baumartigen Unterstützungskonstruktionen).

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• Hochfeste Beschichtungen (bei Bauteilverstärkungen oder für Verschleißbeschichtun-gen).

• Tübbings für den Tunnelbau. • Rohre aus UHPC für das Vorpressen von Rohrleitungen. • Bauelement für hochbeanspruchte Bereiche von Tragwerken, z.B. zur Erhöhung des

Durchstanzwiderstands bei Flachdecken. • Instandsetzung und Verstärkung hoch beanspruchter Industriedecken und Verkehrswe-

ge. Insbesondere bei Bauwerken, bei denen das Eigengewicht die Stützweite begrenzt, ist UHPC sehr vorteilhaft. Bei gleicher Tragfähigkeit sind deutlich kleinere Querschnitte möglich als mit bewehrtem Normal- oder Hochfestem Beton nach DIN EN 206. Bei weitgespannten Bogenbrü-cken kann z.B. das sonst übliche massive Tragwerk durch vorgefertigte oder vor Ort mit UHPC gefüllte Stahlrohre ersetzt werden, die wie Stahlbauteile einfach zu montieren sind. Brücken-decks aus Ultra-Hochfestem Stahlfaserbeton können ebenfalls ganz oder teilweise vorgefertigt werden, wesentlich dünner sein und u. U. ohne zusätzliche Deckschichten direkt befahren wer-den. Bei Brücken über Gewässern, bei denen die Bauhöhe z.B. durch Anschlüsse an vorhandene Straßen oder andere örtliche Gegebenheiten beschränkt ist, kann durch die geringe Dicke der Tragkonstruktion die lichte Durchflusshöhe vergrößert werden.

Ausgeführte Version, Normalbeton Alternativ-Entwurf UHPC

Überbau 400 kN/m 400 kN/m

Bogen 7m * (1,5 – 3,5m); ca. 400 kN/m 4 Rohre Ø 609 mm; 40 kN/m

Kosten Bogen und Ständer: 3,32 Mio. EUR

Bogen, Ständer + Diagonalen:1,78 Mio. EUR

Tab. 2: Vergleich der Massen und Kosten einer massiven Brücke aus Normalbeton und aus UHPC am Beispiel der Kylltalbrücke

Der neue Baustoff UHPC ist mit und ohne Stahlfasern naturgemäß teurer als herkömmlicher oder Hochfester Beton. Der in Tabelle 3 wiedergegebene überschlägliche Kostenvergleich zwi-schen einer ausgeführten, massiven Bogenbrücke und einer gleich tragfähigen alternativen Konstruktion aus UHPC zeigt aber, dass die Gesamtkosten letztendlich nicht höher, sondern eher niedriger sind als für Bauwerke aus herkömmlichem Stahl- oder Spannbeton, weil erhebli-che Baustoffmengen eingespart werden können und weil bei intelligenter, stoffgerechter Be-messung und konstruktiver Gestaltung zudem wesentlich mehr Teile der Konstruktion vorgefertigt und vor Ort vergleichsweise einfach und witterungsunabhängig montiert werden können.

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8 Zusammenfassung Die Technologie des Ultra-Hochfesten Betons mit einer Druckfestigkeit von rd. 180 bis 230 N/mm2 ist inzwischen soweit entwickelt, dass er mit geeigneten, örtlich vorhandenen Aus-gangsstoffen gezielt hergestellt werden kann. Die wesentlichen Materialkennwerte sind zu-sammenfassend in Tab. 3 aufgelistet. Im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierten Forschungsvorhabens und mit Unterstützung der Indust-rie wurden an der Universität Kassel die wesentlichen grundlegenden Zusammenhänge und Eigenschaften dieses neuen Werkstoffs soweit abgeklärt, dass eine großtechnische Anwen-dung möglich ist. UHPC eignet sich besonders für die Herstellung von Betonfertigteilen in Fer-tigteilwerken unter gezielt steuerbaren, qualitätsgesicherten und weitgehend witterungsunabhängigen Produktionsbedingungen.

Beton M1Q

Wasser-lagerung

M1Q 90°C

B3Q Wasser-lagerung

B3Q 90°C

Druckfestigkeit [N/mm²] Zylinder 150/300 mm

7d 28d

128 153

200 208

140 158

195 205

zentr. Zugfestigkeit [N/mm²] 28d 7 – 15

Biegezugfestigkeit [N/mm²] Balken 700x150x150 mm

7d 28d

11,1 13,3

22,1 22,2

18,3 20,4

18,0 17,9

Bruchenergie mit 2,5 Vol.-% Stahlfasern 28d 12.900 - 19.800 N/m

E-Modul 28d 48.000 – 55.000 N/mm²

Querdehnzahl 0,18 – 0,24

Gesamtporosität 28d rd. 6 Vol.-% Kapillarporosität 28d 1,5 – 1,8 Vol.-% Autogenes Schwinden bis 100h -0,44 bis – 0,55 mm/m

Trocknungsschwinden ab 2d bis 250d -0,38 bis –0,55 mm/m

Gesamtschwinden bis 250d -0,71 bis –1,06 mm/m

Carbonatisierung (3 Jahre)

bewittert Normkli-

ma

1,5 bis 2,5 mm 1,5 bis 1,7 mm

Sulfatangriff keine Schädigung

Frost-Tausalz-Widerstand

28 Zyk-len

56 Zyk-len 112

Zyklen

18 bis 208 g/m² 31 bis 379 g/m² 155 bis 722 g/m²

Brandwiderstand bei Zusatz von 0,6 Vol.-% PP-Fasern keine Schädigung

Tab. 3: Zusammenstellung der wesentlichen stofflichen Eigenschaften von UHPC

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Literatur [1] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton: Hochfester Beton – Sachstandsbericht. DAfStb, Heft 436, Berlin, 1994. [2] Bornemann, R.; Schmidt, M.; Fehling, E.; Middendorf, B.: Ultra-Hochleistungsbeton UHPC – Herstellung, Eigenschaften und

Anwendungsmöglichkeiten. In: Beton- und Stahlbetonbau 96, Heft 7, S. 458-467, 2001. [3] Richard, P.; Cheyrezy, M.: Composition of reactive powder concrete. In: Cement and Concrete Research 25, No. 7, S.1501-

1511, 1995. [4] Bornemann, R.; Middendorf, B.; Schmidt, M.: Microstructure and durability of Ultra High Performance Concrete (UHPC). In:

Proc. 8th Euroseminar on Microscopy Applied to Building Materials, Athens 2001. [5] Bornemann, R.; Schmidt, M.: The role of powders in concrete. In: Proceedings of the 6th International Symposium on Utiliza-

tion of high strength/high performance concrete, Vol. 2, S. 863-872, Leipzig 2002. [6] Bornemann, R.; Schmidt, M.; Vellmer, C.: Feuerwiderstand ultra-hochfester Betone. Beton 52, Heft 9, S. 418-422, 2002. [7] Aitcin, P.; Richard, P.: The pedestrian/bikeway bridge of Sherbrooke. In: Proc. 4th International symposium on utilization of

high strength concrete, S. 1399-1403, Paris 1996. [8] Gaede, K.: Versuche über die Festigkeit und die Verformung von Beton bei Druck-Schwellbelastung; Deutscher Ausschuss

für Stahlbeton, Heft 144, 1962. [9] Gerhard, H. Ch.: Zur Betriebsfestigkeit im Stahlbeton- und Spannbetonbau; Dissertation, Darmstadt 1984. [10] Klausen, D.: Festigkeit und Schädigung von Beton bei häufig wiederholter Beanspruchung, Dissertation, Darmstadt 1978. [11] Holmen, J.O.: Fatigue of Concrete by Constant and Variable Amplitude Loading. In: Fatigue of concrete structures. American

Concrete Institute, S. 71-110, Detroit 1982. [12] Stark, J., Wicht, B.: Dauerhaftigkeit von Beton. Birkhäuser Verlag, Basel 2001. [13] Teichmann, Th., Bunje, K., Schmidt, M., Fehling, E.: Durability of Ultra High Performance Concrete (UHPC). Proceedings of

the 6th International Symposium on Utilization of High Strength/High Performance Concrete, Leipzig 2002. [14] Hillermeier, B.; Hüttl, R.: Säureresistenter Beton mit einstellbarer Festigkeit für den höchsten Kühlturm der Welt. In: Tagungs-

band 44. Ulmer Beton- und Fertigteiltage 2000, S.142-157. [15] Breit, W.: Säurewiderstand von Beton. In: Beton 52, Heft 10, S. 505-510, 2002. [16] Bunte, D.: Zum karbonatisierungsbedingten Verlust der Dauerhaftigkeit von Außenbauteilen aus Stahlbeton; DAfStb, Heft

436, Berlin, 1993 [17] Puntke, W.: Wasseranspruch von feinen Kornhaufwerken. Beton 52, Heft 5, S. 242-248, 2002. [18] Tang, L.; Nilsson, L. O.: Rapid determination of the chloride diffusivity in concrete by applying an electrical field. ACI Materials

Journal 89, S. 49-53, 1992. [19] Schmidt, M.; Fehling, E.; Teichmann, T.; Bunje, K.; Bornemann, R.: Ultra-Hochfester Beton: Perspektiven für die Betonfertig-

teilindustrie. in: Beton + Fertigteiljahrbuch 2003 (Bauverlag, Gütersloh, 2003); S. 10-23.

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Univ.-Prof. Dr.-Ing. Ekkehard Fehling geboren 1959 1983 Diplom Bauingenieurwesen TH Darmstadt 1990 Promotion, Institut für Massivbau der TH Darmstadt 1988-1997 Bouwkamp, Fehling + Partner, Beratende Ingenieure,

Darmstadt / Fulda seit 1997 Prüfingenieur für Baustatik, Professor für Massivbau,

Universität Kassel seit 1998 Gesellschafter im Ingenieurbüro für Bauwesen IBB

Fehling + Jungmann, Kassel / Fulda

Dipl.-Ing. Kai Bunje geboren 1965 1995 Diplom Bauingenieurwesen TH Darmstadt 1995-1998 Mitarbeiter im Ingenieurbüro Bouwkamp, Fehling +

Partner, Darmstadt / Fulda 1998-2001 Mitarbeiter im Ingenieurbüro für Bauwesen IBB Fehling

+ Jungmann, Kassel / Fulda seit 2000 Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachgebiet Massiv-

bau, Universität Kassel

Ultra-Hochleistungsbeton – Grundlagen der Konstruktion und Bemessung

1 Einleitung Ultrahochleistungsbetone (Ultra High Performance Concrete – UHPC) erweitern nicht nur den Anwendungsbereich üblicher Massivbaukonstruktionen, sondern es eröffnen sich grundsätzlich neue Möglichkeiten für das Entwerfen und Konstruieren mit Beton. Natürlich spielt dabei die hohe Druckfestigkeit eine Rolle, jedoch sind auch andere Eigenschaften des UHPC von Inte-resse. Dazu gehören neben der gegenüber Normal- und Hochleistungsbeton herausragenden Zugfestigkeit die Duktilität bei UHPC mit Faserzusatz und die extrem hohe Undurchlässigkeit für Flüssigkeiten und Gase. Dass UHPC selbstverdichtend sein kann, ist eine weitere interessante Komponente seiner Charakteristik. Natürlich lassen sich Grenzhöhen und Grenzspannweiten infolge des günstigeren Verhältnisses von Festigkeit zu Wichte steigern. Für das Bauen filigraner Tragwerke anstatt klassisch massi-

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ver Konstruktionen eröffnet dieser Werkstoff neue Möglichkeiten. Auch ist abzusehen, dass sich neue Verbindungstechniken für UHPC durchsetzen werden, zum Beispiel das Kleben.

2 Bemessungsrelevante Materialeigenschaften Mit dem Begriff UHPC soll Beton mit Druckfestigkeiten ab 150 MPa bezeichnet werden. Nach-folgend werden hauptsächlich Ergebnisse aus einem an der Universität Kassel von den Fach-gebieten Massivbau und Werkstoffe des Bauwesens durchgeführten Forschungsprojekts verwendet, um wesentliche Material-eigenschaften darzustellen. Für die Bemessung relevante Materialeigenschaften von UHPC sind insbesondere die Druck- und Zugfestigkeit sowie die Duktilität sowohl bei Druck- wie auch bei Zugbelastung. Trotz der hohen Festigkeit gelingt es durch die Zugabe feiner Stahlfasern , eine beachtliche Duktilität zu erzielen. Typische Span-nungs-Dehnungs-Linien für UHPC mit Faserzusatz zeigt Bild 1 aus [1].

-220

-200

-180

-160

-140

-120

-100

-80

-60

-40

-20

0-7-6-5-4-3-2-1

Betonstauchung εc [ ‰ ]

Dru

cksp

annu

ng σ

c[N

/mm

²]

Bild 1: Spannungs-Dehnungs-Linien von 3 Probekörpern UHPC B3Q-90° mit 2,5Vol.-% Fasern

Der Elastizitätsmodul liegt bei Festigkeiten im Bereich um 200 MPa bei ca. 50000 MPa. Die Poissonsche Querdehnzahl bewegt sich typischerweise im Bereich ν = 0,15 bis 0,22 . Die zeitliche Entwicklung der Festigkeit ist in Tab. 1 und in Bild 2 für unterschiedliche Mischun-gen dargestellt. Dabei wird ein Feinkornbeton (M1Q, Größtkorn 0,5 mm) mit einem Beton mit 8 mm Größtkorn (B3Q) verglichen (s. [1]). Bei beiden Betonen war Feinquarz enthalten. Hinsicht-lich der Erhärtungsbedingungen kennzeichnet die Abkürzung „WL“ eine Wasserlagerung, wäh-rend „90°C“ eine frühzeitige Wärmebehandlung anzeigt.

300

150

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Prüfkriterium UHPC – Mischungen

M1Q

WL

M1Q

90°C

Differenz B3Q

WL

B3Q

90°C

Differenz

Druckfestigkeit [N/mm²]

fc nach 7 d 128 200 +72 140 195 +55

fc nach 28 d 153 208 +55 158 205 +47

fc nach 56 d 180 222 +42 186 > 226 1) >+40

Rohdichte [kg/dm³] 2,50 2,52 2,51 2,59 1) Maximallast der Prüfmaschine erreicht

Tab. 1: Zeitliche Entwicklung der Zylinderdruckfestigkeit der gefasertem Ultra-Hochfesten Be-tone M1Q und B3Q, WL-Wasserlagerung 20°C, 90°C – Warmbehandlung für 48h,

050

100150200250

Zylin

derd

ruck

fest

igk

eit f

c [N

/mm

²]

M1Q -WL

M1Q -90°C

B3Q -WL

B3Q -90°C

fc nach 7dfc nach 28dfc nach 56d

Bild 2: Entwicklung der Zylinderdruckfestigkeit in Abhängigkeit vom Probenalter

Bei Verzicht auf den Faserzusatz ergibt sich ein recht sprödes Verhalten des ultrahochfesten Betons, wie Bild 3 zeigt. Dementsprechend ergibt sich ohne Fasern ein schlagartiges Versagen (Bild 4), während sich bei Faserzusatz ein sehr gutmütiges Versagensbild einstellt (s. Bild 5).

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-220-200-180-160-140-120-100-80-60-40-20

0-7-5-3-1

Betonstauchung εc [ ‰]

Dru

cksp

annu

ng

σc[

N/m

m²]

Bild 3: Spannungs-Dehnungs-Linie von UHPC ohne Fasern, Mischung B3Q-90°

Bild 4: Prüfzylinder ohne Stahlfasern Bild 5: Prüfzylinder mit 2,5 Vol.-% Stahlfasern

Bild 6 gibt einen Überblick über die erreichte Zugfestigkeit in Abhängigkeit von Belastungsart, Betonierrichtung und Probekörpergeometrie. Es fällt auf, dass die axiale Zugfestigkeit stehend hergestellter Probekörper wesentlich geringer ist als bei liegend hergestellten Probekörpern, wenn die Belastung in beiden Fällen vertikal stehend erfolgte. Dies scheint auf die Neigung der Fasern zurückzuführen sein, sich im frischen Beton vorwiegend liegend „einzuschwimmen“. Dies ist bei rechnerischen Nachweisen stets zu beachten.

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Einaxialer Zug Biegezug Probekörper

Pro

bena

lter

Ø80

R10

R90

5050

100

5050

5020

050

300

35 80 35150

Prisma 160 * 40 *40

Balken 700 * 150 * 150

Beton M1Q B3Q M1Q M1Q B3Q Nachbehand-

lung 90° 90° 90° WL 90° WL 90°

Betonierrich-tung

lie-

gend ste-

hend stehend

lie-gend

ste-hend

liegend ste-

hend liegend

Bruchenergie GF,10% [N/m]

7d 28d 28d

*

16757 14555 17014

9993

12932

201001805219820

15097 -

20355

19892

14543

-

-

Zugfestigkeit fct [N/mm²]

7d 28d 56d

14,2 13,3 17,7

7,86

7,0

34,0 35,7 36,3

22,51

11,1 13,3 16,2

22,1 22,2 22,1

17,6 18,3

20,4

24,2

18,0

17,9

18,1

* Proben mit 25 Tagen Wärmebehandlung bei 90° C.

Bild 6: Gegenüberstellung der Zugfestigkeiten der Mischung M1Q und B3Q mit Fasern bei verschiedenen Prüfkörpergeometrien

Das Spannungs-Rissöffnungs-Diagramm (Bild 7) verdeutlicht die Fähigkeit von gefasertem UHPC, bis ca. 0,3 mm Rissöffnung die Zugspannung nahezu konstant auf dem Niveau der Zug-festigkeit zu halten. Erst bei über 2, 5 mm Rissöffnung konnte praktisch keine Spannung mehr übertragen werden. Als ein Maß der Duktilität ist in Bild 6 die flächenspezifische Bruchenergie GF angegeben, die durch den Flächeninhalt unter der Spannungs-Rissöffnungs-Kurve reprä-sentiert wird.

F

F

783

78

160

40

55

40

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26

0

2

4

6

8

10

12

14

16

0 0,5 1 1,5 2 2,5

Rissöffnung w [mm]

Zugs

pann

ung

[N/m

m²]

Prismen 1.1 - 1.3Prismen 2.1 - 2.3Prismen 3.1 - 3.3

Bild 7: Mittlere Spannungs-Rissöffnungs-Beziehung, ermittelt an gekerbten Prismen

Bei der Biegezugfestigkeit lässt sich eine deutliche Maßstabsabhängigkeit feststellen, wie es aufgrund der aus Bild 7 erkennbaren Fähigkeit zur Spannungsumlagerung im sich öffnenden Biegeriss zu erwarten ist. Im Hinblick auf den Widerstand gegen Ermüdung wurden Versuchsserien an UHPC mit und ohne Fasern durchgeführt. Während für UHPC ohne Fasern die Versuche noch nicht abge-schlossen sind, kann für gefaserten UHPC bereits ein Wöhlerdiagramm für Druckschwellbelas-tung angegeben werden (Bild 8). Untersucht wurde die Mischung B3Q mit 90° Wärmebehandlung. Die Darstellung in Bild 8 benutzt auf die Druckfestigkeit bezogene ertragba-re Spannungen, so dass ein Vergleich mit Normalbeton ermöglicht wird.

F

F

783

78

160

40

55

40

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27

0,20

0,30

0,40

0,50

0,60

0,70

0,80

0,90

1E+0

2

1E+0

3

1E+0

4

1E+0

5

1E+0

6

1E+0

7

1E+0

8

1E+0

9

1E+1

0

1E+1

1

1E+1

2

Schwingspiele [-]

Bez

ogen

e Sc

hwin

gbre

ite 2

σa/f

c[-]

UHPC σu = (0,06 bis 0,075)

UHPC σu = (0,21bis0,25) f const

NB σu = 0,05 fc = const.

NB σu = 0,20 fc = const.

NB σu = 0,05 fc = t [H3]

Bild 8: Wöhler-Diagramm für UHPC B3Q mit Fasern

Die in Bild 8 ebenfalls eingetragenen Linien für Normalbeton zeigen, dass trotz des bei UHPC absolut wesentlich höheren Spannungsniveaus kein signifikanter Unterschied zu Normalbeton besteht, wenn man die bezogenen Spannungen als Vergleichsgrundlage benutzt. UHPC scheint also im Gegensatz zu manch anderem Hochleistungswerkstoff keine Nachteile bei Er-müdungsbeanspruchung aufzuweisen. Kriechen als lastabhängige zeitlich veränderliche Verformung ist bei UHPC wesentlich weniger ausgeprägt als bei Betonen mit geringerer Festigkeit. Eigene erste Versuche zu diesem Thema ergaben für den grobkörnigen UHPC der Mischung B3Q eine Kriechzahl von ϕ = 0,2 bei 90 Ta-gen Belastungsdauer. Dieser Wert wird für wärmebehandelten UHPC als Bemessungswert der Endkriechzahl auch in [2] angegeben, während für nicht wärmebehandelten UHPC in [2] der Wert 0,8 vorgeschlagen wird. Für das autogene Schwinden wurden in [1] Werte von 0.5 bis 0,9 mm/m nach 100 Tagen gemessen. Für das Trocknungsschwinden ist mit Werten im Bereich um 0,5 mm/m zu rechnen. Das insgesamt relativ hohe Schindmaß erzwingt Beachtung für die Tatsache, dass bei Deh-nungsbehinderung hohe Zwangszugspannungen geweckt werden können. Dies gilt nicht nur für die Behinderung von Bauteilverformungen insgesamt, sondern insbesondere auch für den inne-ren Zwang infolge Dehnungsbehinderung durch Bewehrungsstahl. Durch die Wärmebehandlung (typischerweise 90 °C) kann das Schwinden zu einem großen Teil vorweggenommen werden. Dies ist gerade für die Fertigteilbauweise vorteilhaft, weil es auf die-se Weise einfach möglich ist, Schwindspannungen in der Gesamtkonstruktion zu minimieren. Durch Vorspannung kann der Neigung zur Rissbildung früh entgegengewirkt werden.

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Sollten die hier genannten Maßnahmen zur Reduktion der Zugspannungen aus Zwang, z.B. bei Ortbetonkonstruktionen, nicht durchführbar sein, so ist die Kenntnis der Reißneigung von UHPC bei Dehnungsbehinderung wichtig. Von Schachinger [3] wurden dazu an der TU München um-fangreiche Versuchsreihen mit UHPC aus Portland- und Hochofenzement unternommen. Diese Untersuchungen wurden unter isothermen und konservierenden Bedingungen (20 °C; kein Feuchtigkeitsaustausch mit der Umgebung) durchgeführt. Der qualitative Verlauf der Zwang-spannungsentwicklung in Bild 9 (starrer Reißrahmen; Behinderungsgrad > 80 %) entspricht dem Verlauf der autogenen Verformung. Die große anfängliche Verkürzung der Betone mit Portlandzement, führte trotz des noch geringen E-Moduls zu einem Ansteigen der Zwangspan-nungen (zentrischer Zug) auf 1,3 N/mm² nach 12 Stunden. Die Reißneigung bei Betonen mit Portlandzement war demgemäß in dieser frühen Phase höher. Im Vergleich mit der zeitlichen Entwicklung der Zugfestigkeit wurden Beanspruchungsgrade zwischen 70 und 100 % bestimmt.

Bild 9: Zwangspannungen (zentr. Zug) der ultra hochfesten Betone (CEM I 42,5 R-HS; CEM III B 42,5 NW/HS) infolge behinderter autogener Verformung (nach Schachinger).

Wegen seiner hohen Dichtigkeit kann UHPC im Brandfall stark geschädigt werden, wie Versu-che in Stuttgart und Wien gezeigt haben. Bekanntlich kann hochfester Beton durch die Zugabe von Polypropylenfasern in Bezug auf seinen Brandwiderstand wesentlich verbessert werden, weil dadurch bei Brandbeaufschlagung winzige Kanäle zur Druckentlastung geschaffen werden. Dieser Ansatz wurde auch für UHPC untersucht. Tab. 2 (entnommen aus [1]) gibt einen Über-blick über die in Zusammenarbeit der Universität Kassel und der TU Braunschweig durchgeführten Versuche.

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Mischung Ein-

heit M1Q M3Q B1Q

B4B Basaltsand

Stahlfasern

Vol.-% 4,0 2,5 2,5 2,5 2,5 4,0 2,5

PP-Fasern

Vol.-% ohne Ohne 0,30 0,60 0,60 ohne 0,30

Vorlagerung

28d WL 28d WL 28d WL 28d WL 90°C 28d WL 90°C

Beanspruchung ETK 90 Min.

ETK 90 Min.

ETK 90 Min.

ETK 90 Min.

ETK 45 Min.

ETK 90 Min.

ETK 45 Min.

Schädigungsgrad

- -

- -

+

++

+

- / +

++

Druckfestigkeit nach Beanspruchung

Anteil des

Ausgangswertes

N/mm²

Nicht prüffähig

Nicht prüffähig

Nicht geprüft

126

~ 96 %

102/114

(108)

~ 60 %

59

~30 %

147/149 (148)

~ 77 %

- - sehr stark geschädigt (zerfallen) - stark geschädigt + gering geschädigt + + nicht geschädigt W= Wasserlagerung WB= Wärmebehandlung

Tab. 2: Schädigungsgrad der unterschiedlich beanspruchten UHPC-Prüfkörper

Die Ergebnisse der Versuche lassen darauf schließen, dass der Brandwiderstand sachgerecht hergestellter Ultra-Hochfester Fein- und Grobbetone gegen eine 45- oder 90-minütige Brandbe-anspruchung gemäß Einheitstemperaturkurve durch die Zugabe von etwa 0,30 bis 0,60 Vol.-% Polypropylenfasern wesentlich verbessert werden kann. Es konnten dann keine oder nur noch geringe strukturelle Veränderungen am Beton festgestellt werden. Soweit sich dies aus den wenigen Versuchen abzuschätzen ist, sind bei UHPC -Feinmörteln mit einer Druckfestigkeit um 160 N/mm² 0,6 Vol.-% PP-Fasern erforderlich. Bei Ultra-Hochfestem Beton mit grobem 0/8 mm Basaltzuschlag scheinen 0,3 Vol.-% auszureichen. Die an Prüfkörpern festgestellte Druckfestig-keit solcher Mörtel und Betone war immer größer als 60% der Ausgangsfestigkeit.

3 Ergebnisse von Belastungsversuchen an UHPC-Bauteilen Zur experimentellen Bestimmung von Bauteiltragfähigkeiten wurden Versuchen an UHPC-Balken und dünnen UHPC-Platten durchgeführt. Das Hauptinteresse lag dabei in der Untersu-chung des Querkraft-Tragverhaltens. Bei den Balkenversuchen wurden je eine Serie aus UHPC mit und ohne Fasern untersucht. Bild 9 und 10 zeigen die Bewehrungsanordnung und den Ver-suchsaufbau. Bei beiden Serien wurde keine Querkraftbewehrung (z.B. Bügel) angeordnet.

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30

f f

e a c a ef f

l ges

A

A

h

b

hd1

Schnitt A-A

aAs

s as

l

Bild 9: Bewehrungsführung in den Versuchskörpern

Bild 10: Versuchsaufbau Balkenversuche

Das Versagensbild bei Balken aus UHPC ohne Fasern ist aus den Bildern 11 und 12 ersichtlich. Das Versagen trat bei allen Probekörpern wie erwartet ohne Vorankündigung auf. Allerdings behielten alle Probekörper nach dem Erreichen der Höchstlast noch mindestens 50 % ihrer Tragfähigkeit (s. Abb. 13). Die Versuche S2 und S4 konnten nach einer Entlastung und Wieder-belastung sogar noch ca. 80 % der Bruchlast aufnehmen.

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Bild 11: Probekörper S1 – S4

Bild 12: Versagensbild Probekörper S2

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Versuch S1

0102030405060708090

-7-6-5-4-3-2-10Durchbiegung in Balkenmitte [mm]

Que

rkra

ft [k

N]

Weg 22 Weg 23

Versuch S4

0102030405060708090

-7-6-5-4-3-2-10Durchbiegung in Balkenmitte [mm]

Que

rkra

ft [k

N]

Weg 22 Weg 23

Versuch S2

0102030405060708090

-7-6-5-4-3-2-10Durchbiegung in Balkenmitte [mm]

Que

rkra

ft [k

N]

Weg 22 Weg 23

Versuch S3

0102030405060708090

-7-6-5-4-3-2-10Durchbiegung in Balkenmitte [mm]

Que

rkra

ft [k

N]

Weg 22 Weg 23

Bild 13: Querkraft – Verformungs-Linien in Balkenmitte

Bei den Versuche mit Balken aus UHPC mit Fasern war die Querkrafttragfähigkeit wesentlich größer als bei den vergleichbaren Probekörpern aus UHPC ohne Fasern. Es wurde in allen Fällen die volle Biegetragfähigkeit erreicht, und es konnte ausgeprägtes duktiles Verhalten fest-gestellt werden. Lediglich beim Versuchskörper S1F mit dem sehr hohen Längs-Bewehrungsgrad von ρl = 7,2 % stellte sich ein kombiniertes Biege- und Querkraftversagen ein (s. Bilder 14 - 16).

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Bild 14: Probekörper S1F –S3F aus UHPC mit Faserzusatz (2, 5 Vol.-%, Fasern 9 mm / 0,15 mm)

Bild 15a: Abbildung 4.1-9: Versagensbild S1F Bild 15 b: Versagensbild S2F

Versuch S1F

0306090

120150180210240270300

-20-18-16-14-12-10-8-6-4-20Durchbiegung in Balkenmitte [mm]

Que

rkra

ft [k

N]

Weg 22 Weg 23

Versuch S1F

0306090

120150180210240270300

-2-1,8-1,6-1,4-1,2-1-0,8-0,6-0,4-0,20Rissaufweitung im Schrägriss [mm]

Que

rkra

ft [k

N]

Weg 17 Weg 16

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Versuch S2F

0306090

120150180210240270300

-20-18-16-14-12-10-8-6-4-20Durchbiegung in Balkenmitte[mm]

Que

rkra

ft [k

N]

Weg 22 Weg 23

Versuch S3F

0306090

120150180210240270300

-20-18-16-14-12-10-8-6-4-20Durchbiegung in Balkenmitte[mm]

Que

rkra

ft [k

N]

Weg 22 Weg 23

Bild 16: Querkraft – Verformungs-Linien aus den Versuchen S2F und S3F

Die im Versuch ermittelten Traglasten stimmen bei Biegeversagen mit den rechnerisch ermittel-ten Tragfähigkeiten überein. Bei Querkraftversagen konnten die Versuchswerte mit dem Modell nach Zink [4] sehr gut nachvollzogen werden. Dieses Modell basiert in erster Linie auf der Schubtragfähigkeit der Biegedruckzone, wie Bild 17 zeigt.

Bild 17: Schubspannungsverteilung in der Druckzone [4]

Die nachfolgend wiedergegebene Gleichung zur Ermittlung der Querkrafttragfähigkeit Vu,ct er-fasst zusätzlich den bruchmechanischen Einfluss der Spannungsübertragung auf Zug im Be-reich der Rissspitze und einen Term zur Berücksichtigung der Schubschlankheit a/d:

Vu,ct = ⋅⋅ ⎛ ⎞⎛ ⎞= ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ⋅⎜ ⎟ ⎜ ⎟

⎝ ⎠ ⎝ ⎠

1/41/4ch

u,ct w x ct5 l2 4 dV b k d f

3 a d

Dabei ist ⋅

= c fch 2

ct

E Glf

die charakteristische Länge nach Hillerborg. Für die Nachrechnung der

Versuche wurde für faserfreien UHPC abschätzend Gf = 143 N/m in Anlehnung an die Werte nach Remmel und Grimm [5,6] angesetzt. Bild 18 zeigt eine gute Übereinstimmung mit den

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Versuchsergebnissen. Da die Druckzonenhöhe maßgeblich vom Längsbewehrungsgrad ρl be-stimmt wird, ist dieser als Abszisse in Bild 18 aufgetragen.

0123456789

10

0,00 2,00 4,00 6,00 8,00

Längsbewehrungsgrad ρl [%]

cal τ

u [N

/mm

²] =

V u/(d

* b)

Zink S1 S2S3 S4 S1FS2F S3F Biegetragfähigkeit

Bild 18:Tragfähigkeit der Versuchsbalken in Abhängigkeit des Längsbewehrungsgrades ρl

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9 Zusammenfassung UHPC erweitert die Möglichkeiten für das Konstruieren mit Beton und stellt somit, ob mit oder ohne Faserzusatz, ein äußerst interessantes Material dar. Mittlerweile sind viele der für die Be-messung relevanten Materialeigenschaften bekannt. Wenn auch noch weiterer Forschungsbe-darf besteht, so kann die Tragfähigkeit von Betonbauteilen aus UHPC für viele Anwendungsfälle sicher vorhergesagt werden. Weitere Untersuchungen sind notwendig, insbe-sondere im Hinblick auf folgende Themenbereiche:

• Einfluss der Faserorientierung je nach Betoniertechnik bzw. Betonierrichtung, • Zusammenwirken von Faserbewehrung und Betonstahlbewehrung, • Kraft-Verformungs-Verhalten unter Zugbeanspruchung • Verbundverhalten • Ermüdungswiderstand bei Wechselbeanspruchung

Darüber hinaus sollten neuartige Konstruktionsansätze für UHPC verfolgt werden. Ein Beispiel dafür ist textile Schalung. So ist ein Projekt zum Thema „Membran-Beton-Gitterschalentragwerke“ mit dem Fachgebiet Tragwerkslehre im Fachbereich Architektur der Universität Kassel begonnen worden.

Literatur [1] Fehling, E.; Schmidt, M.; Teichmann, T.; Bunje, K.: Entwicklung, Dauerhaftigkeit und Berechnung Ultra-Hochfester Beton

(UHPC), Forschungsbericht an die DFG, Universität Kassel, 2003 [2] Interim Recommendations on „ Ultra High Performance Fibre-Reinforced Concretes“, AFGC (Association Francaise de Génie

Civil) / SETRA [3] Schachinger, I.: Untersuchungen an Hochleistungs-Feinkorn-Beton. In: Beiträge zum 38. DAfStb-Forschungskolloquium am 2.

und 3. März 2000 an der Technischen Universität München, S. 55-66 [4] Zink, M.: Zum Biegeschubversagen schlanker Bauteile aus Hochleistungsbeton mit und ohne Vorspannung. Dissertation,

Universität Leipzig, 1999 [5] Grimm, R.: Einfluss bruchmechanischer Kenngrößen auf das Biege- und Schubtragverhalten hochfester Betone. DAfStb, Heft

477, Beuth Verlag, 1997 [6] Remmel, G.: Zum Zug- und Schubtragverhalten von Bauteilen aus hochfestem Beton, Dissertation, DAfStb, Heft 444, Beuth

Verlag, 1994

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Dr.-Ing. Frank Dehn geboren 1970 1998 Diplom Bauingenieurwesen, Universität Karlsruhe (TH) 2001 Promotion, Institut für Massivbau und Baustofftechno-

logie, Universität Leipzig seit 2001 Geschäftsführender Gesellschafter der MFPA Leipzig

GmbH seit 2002 Juniorprofessur „Werkstoffe im Bauwesen“,

Universität Leipzig

Herstellung, Verarbeitung und Qualitätssicherung von UHPC

1 Einleitung Zahlreiche betontechnologische Entwicklungen und Neuerungen haben der Betonbauweise in den letzten Jahren zu vielfältigen Chancen und Möglichkeiten verholfen. Stand in der Vergan-genheit zunächst nur die Steigerung der Festigkeit im Vordergrund, so erkannte man bald, dass dadurch auch andere Eigenschaften, insbesondere die Dauerhaftigkeit, wesentlich verbessert werden konnten. Ermöglicht wurde diese Verbesserung durch die zusätzliche Verwendung von hochreaktiven Betonzusatzstoffen und neuartigen Betonzusatzmitteln. Das heißt, durch den Übergang vom Drei- zum Fünf-Stoff-System für die Betonzusammensetzung konnte das enor-me Leistungspotential von zementgebundenen Werkstoffen eindrucksvoll demonstriert und er-weitert werden, was sich unter dem Begriff des Hochleistungsbetons zusammenfassen lässt. Die Entwicklung derartiger Hochleistungsbetone hat in den vergangenen Jahrzehnten einen ständigen Aufwärtstrend erfahren. Die zeitlich letzte Steigerungsstufe in dieser Entwicklungsrei-he stellt der ultrahochfeste Beton dar. Ende der 80er Jahre begannen in Frankreich und Kanada umfangreiche Forschungsaktivitäten zur Entwicklung von Hochleistungsbetonen mit extrem hohen Festigkeiten und deutlich verbesserten Dauerhaftigkeitseigenschaften. Aufgrund der Zusammensetzung dieser Betone wurden zu deren Definition in der internationa-len Literatur die Begriffe Beton de Poudres Réactives (BPR) bzw. Reactive Powder Concrete (RPC) eingeführt. In Deutschland werden derartige Betone als Hochleistungsfeinkorn- oder Re-aktionspulverbetone, üblicherweise jedoch als ultrahochfeste Betone (UHFB oder UHPC), be-zeichnet.

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Durch die Verwendung von ultrahochfesten Betonen können für die Betonbauweise in bestimm-ten Teilbereichen neue Anwendungen erschlossen werden, die momentan noch anderen Werk-stoffen vorbehalten sind. Insbesondere im Hinblick auf die zunehmenden Anforderungen an die Dauerhaftigkeit und Nachhaltigkeit wird der UHFB für die Baupraxis interessant. Nur durch die stetige Weiterent-wicklung des Hochleistungsbetons hin zu einem Werkstoff mit für den spezifischen Anwendungsfall optimierten Eigenschaften kann seine maximale Effektivität demonstriert werden. Daraus ergeben sich völlig neue Perspektiven. Die konsequente Umsetzung der zementgebundenen Hochleistungswerkstoffe von der Forschung in die praxisgerechte Anwendung ermöglicht langfristig ein kostenoptimiertes und ressourcenschonendes Bauen. Wesentlich für die praktische Anwendung ist jedoch die zielsichere und reproduzierbare Herstellung des ultrahochfesten Betons. Des weiteren muss der UHPC unter Berücksichtigung seines spezifischen Frischbetonverhaltens verarbeitet und insbesondere nachbehandelt werden, um die gestellten Festbetoneigenschaften zu erreichen. Hierzu bedarf es einer umfassenden Qualitätssicherung, deren Maßgabe es sein muss, alle Verantwortlichkeiten und Handlungsabläufe aufeinander abzustimmen und in einem Qualitätssicherungsplan festzulegen. Auf diese Aspekte wird im folgenden näher eingegangen.

2 Herstellung von UHPC Die wesentliche Aufgabe bei der Herstellung eines ultrahochfesten Betons besteht im Erreichen optimaler Verarbeitungseigenschaften. Hierfür spielen die Dosiergenauigkeit und die Mischin-tensität der Mischanlage eine entscheidende Rolle. Grundsätzlich können zur Herstellung von UHPC die für „übliche“ Hochleistungsbetone bekannten Misch- und Dosiertechnologien ver-wendet werden. Zur Erzielung günstiger Verarbeitungseigenschaft- en des Frischbetons bedarf es jedoch in Einzelfällen zusätzlicher Konzepte, die bei ultrahochfestem Beton zu beachten sind; unabhän-gig ob für Ortbeton oder Fertigteilbeton (Genauigkeit der Dosieranlagen für Betonzusatzmittel und -stoffe sowie für die Gesteinskörnungen und das Wasser etc.). Für das Mischen von ultrahochfesten Betonen werden verschiedene Technologien angewendet. Infolge der geringen äquivalenten Wasserzement-Werte, der evtl. hohen Fasergehalte und der geforderten Homogenität der Mischung werden hohe Anforderungen an die Mischtechnologie gestellt. Ultrahochfester Beton kann mit Teller- oder Trogmischern hergestellt werden. Zusätzli-che Wirbler führen zu einer weiteren Homogenisierung des Mischgutes. Bild 1 zeigt die Herstel-lung eines ultrahochfesten Betons mit einem konventionellen Tellermischer beim Entleeren der Mischtrommel.

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Bild 1: Herstellung von ultrahochfestem Beton im Tellermischer

Je nach Kombination der Ausgangsstoffe kann ein übermäßiges Mischen des UHPC zu einem schnellen Ansteifen des Frischbetons oder aber dagegen zu einer starken Verflüssigung führen. Im Rahmen eines Verarbeitungsversuches (vgl. Abs. 5) muss ein derartiges Verhalten unter-sucht werden. Im Vergleich zu Normalbeton weisen hochfeste und ultrahochfeste Betone unter sonst gleichen Mischbedingungen aufgrund des intensiveren Mischens höhere Frischbeton-temperaturen auf. Dies ist grundsätzlich zu beachten. Entscheidend für die Eigenschaften des Frischbetons ist auch die Mischreihenfolge und die zugehörigen Mischdauern. Bedingt durch die Zusammensetzung der ultrahochfesten Betone sind die Viskosität und Klebrigkeit des Frischbetons sehr ausgeprägt. Dieses spezifische Frischbetonverhalten führt zu einer deutlich erhöhten Mischintensität und damit je nach Chargengröße zu einer Mischzeit von teilweise mehr als 10 min. Jedoch können mittlerweile auch ultrahochfeste Betone mit sehr fließfähigen Konsistenzen hergestellt werden, die nahezu selbstverdichtende Eigenschaften bzw. sehr fließfähige Konsistenzen aufweisen (Bild 2). Auf den Rüttelprozess sollte jedoch nicht gänzlich verzichtet werden.

Bild 2: UHPC mit nahezu selbstverdichtenden Eigenschaften, gemessen am Mörteltrichter

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Es ist aber einschränkend zu bemerken, dass der Begriff der „Selbstverdichtung“ auch eine eigenständige Entlüftung des Frischbetons einschließt, was aufgrund der zuvor genannten Klebrigkeit nur bedingt möglich ist. Werden zusätzlich Fasern der UHPC-Mischung beigemengt, wird diese weiter erhöht (Bild 3).

Bild 3: UHPC mit Fasern beim Umfließen der Bewehrung

Üblicherweise werden zunächst alle trockenen Bestandteile (feine und grobe Gesteinskörnun-gen, Gesteinsmehle, Zement, mehlfeine/reaktive Betonzusatzstoffe) des UHPC in die Misch-trommel gegeben. Nach einer entsprechenden Trockenmischzeit zum Vermischen der Bestandteile kommen alle flüssigen Ausgangsstoffe in einer festgelegten Menge und Reihen-folge hinzu. Hier gibt es unterschiedliche Ansätze, wie z.B. die getrennte Dosierung des Fließ-mittels und des Wassers oder aber deren Mischung. Grundsätzlich sollten die Betonzusatzmittel und das Wasser zuletzt in den Mischer gegeben werden. Wird dem ultra-hochfesten Beton Silikasuspension zugegeben, muss durch die Erstprüfung die Mischreihenfol-ge so festgelegt werden, dass es zu keiner Klumpenbildung kommt. Kommen Fasern (Stahl- oder Kunststofffasern) zur Anwendung, so werden diese erst dann zugegeben, wenn die Wirkung des Fließmittels eingesetzt hat. Erst dann ist eine gleichmäßige Verteilung der Fasern sicherzustellen. Anschließend wird der ultrahochfeste Beton nochmals eine entsprechende Zeitdauer durchmischt. Alternativ kann entgegen der konventionellen Herstellung zum Mischen von UHPC ein Vaku-ummischer verwendet werden (Bild 3). Hierdurch ist ein Frischbeton mit einem deutlich redu-zierten Luftporengehalt herstellbar. Infolge einer üblichen Rüttelverdichtung verbleiben je nach Viskosität Verdichtungsporen im Frischbeton, die einen merklichen Einfluss auf die erzielbaren Festigkeiten sowie Dauerhaftigkeitseigenschaften des UHPC haben können. Der angelegte Unterdruck in den letzten Mischphasen kann dazu führen, dass die durch das intensive Mischen eingeschlagene Luft ausgetrieben wird. Das Teilvakuum muss so gewählt werden, dass bei einer Mischtemperatur von 30 °C noch kein Wasser verdampft. Bild 3 zeigt einen für Laborzwecke gebräuchlichen Vakuummischer.

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Bild 3: Vakuummischer zur Herstellung von UHPC

Wird UHPC als Transportbeton hergestellt, muss der Erstarrungsbeginn auf die erforderliche Transport- und Verarbeitungszeit eingestellt werden. Insbesondere unter Berücksichtigung un-günstigster Witterungseinflüsse, wie z.B. hohe Temperaturen, muss die Konsistenzentwicklung mit der Zeit beobachtet werden. Im Rahmen erweiterter Erstprüfungen ist eine mögliche Nachdosierung von Fließmittel auf der Baustelle zu untersuchen, da insbesondere unter dem Einfluss der Temperatur, die Frischbe-toneigenschaften deutlich variieren können (Bild 4).

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Bild 4: Entmischen eines UHPC bei zu hoher Fließmitteldosierung und Temperatur

Für im Fertigteilwerk hergestellter UHPC kann aufgrund der deutlich reduzierten Transportwege und Einbauzeiten auf eine Nachdosierung üblicherweise verzichtet werden.

3 Verarbeitung von UHPC Ultrahochfester Beton lässt sich i.d.R. mit Betonpumpen fördern oder aber durch Kübel in die Schalung einbringen. Je nach Zusammensetzung, und somit Viskosität des Frischbetons, sind ähnlich wie für selbstverdichtenden Beton auch große Fallhöhen möglich, ohne dass sich der UHPC entmischt. Das Verteilen des Betons erfolgt im Fertigteilwerk zumeist mittels Außenrüttlern, aber auch In-nenrüttler (Flaschenrüttler) kommen zum Einsatz.

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Wird UHPC als Ortbeton verarbeitet, können die für Hochleistungsbeton bekannten Verdich-tungsgräte verwendet werden. Für UHPC ist erfahrungsgemäß eine höhere Verdichtungsener-gie notwendig. Daraus resultiert auch eine schwierigere Entlüftung des Frischbetons, es sei denn, der Beton wird mir einer sehr fließfähigen Konsistenz projektiert. Diesbezüglich sind die Eintauchstellen für den Rüttler enger zu setzen, als bei Normalbeton. Für UPHC als Ortbeton muss im Rahmen der Qualitätssicherung (vgl. Abs. 5) gewährleistet sein, dass im Transportbetonfahrzeug kein Restwasser vorhanden ist und die Mischtrommel ständig gedreht wird. Eine Besonderheit, die bei der Verarbeitung von UHPC beachtet werden muss, ist die Nachbe-arbeitung der Betonoberfläche. Durch die Klebrigkeit des Frischbetons ist nur eine einge-schränkte Nachbearbeitung möglich, es sei denn, die Zusammensetzung des UHPC wird entsprechend darauf abgestimmt. Vielfach reicht es nicht aus, die Betonoberfläche einfach ab-zuziehen, um einen glatten Oberflächenschluss zu erreichen. Als günstig hat sich hier eine Rüt-telvorrichtung mit schwacher Frequenz erwiesen. Jedoch hängt deren positive Wirkung entscheidend vom Zeitpunkt der eingeleiteten Nachbearbeitung ab. Ist der Beton noch nicht genügend angesteift, wird die Oberfläche sukzessive aufgerissen. Dagegen ist eine Oberflä-chenbearbeitung kaum noch möglich, wenn zum einen der Beton ungenügend nachbehandelt wurde („Elefantenhaut“, vgl. Abs. 4)), zum anderen aber schon erstarrt ist. Für die Verwendung von UHPC als Ortbeton sind diese Aspekte weitaus kritischer zu betrachten als im Fertigteil-werk.

4 Nachbehandlung von UHPC Die Qualität des ultrahochfesten Betons wird ganz wesentlich von der angewandten Nachbe-handlungsmethode bestimmt. Besonders kritisch muss hier das Austrocknungsverhalten bei freien UHPC-Oberflächen angesehen werden. Diese müssen sorgfältig nachbehandelt werden, um einer möglichen Rissbildung durch Austrocknen entgegenzuwirken. Wie bei hochfestem Beton und Hochleistungsbeton muss für UHPC sofort nach der Betonage, wenn nicht sogar schon während des Einbringens in die Schalung mit der Nachbehandlungsmaßnahme begon-nen werden. In Anhängigkeit von den klimatischen Bedingungen (direkte Sonneneinstrahlung, erhöhte Temperaturen, Windeinwirkung etc.) muss der Zeitpunkt der Nachbehandlung verifiziert werden. Im Rahmen entsprechender Erstprüfungen sind alle relevanten Umgebungsbedingun-gen nachzustellen und die bestmögliche Maßnahme darauf abzustimmen. Durch die Klebrigkeit des ultrahochfesten Betons bildet sich im Gegensatz zum Normalbeton (Verdichtung) kein Wasserfilm an der Oberfläche aus. Stattdessen entsteht eine dünne, ge-schlossene und zähe Mörtelschicht („Elefantenhaut“), die sorgfältig nachbehandelt werden muss (Bild 5).

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Bild 5: Bildung einer sog. „Elefantenhaut“ bei unsachgemäßer Nachbehandlung der freien O-berfläche (direkte Sonneneinstrahlung)

Die effektivste Methode, um das Austrocknen zu verhindern, ist eine ständige Feuchtezufuhr. Auch kann der Frischbeton z.B. durch das Abdecken mit Folien oder durch das Applizie-ren/Aufsprühen von geeigneten Nachbehandlungsmitteln geschützt und so der Rissbildung vor-gebeugt werden (Bild 6). Jedoch nicht nur für die Vermeidung von Oberflächenrissen, sondern auch für die Gefügestruk-tur und damit für die Entwicklung der mechanischen Eigenschaften spielt die Nachbehandlung eine wichtige Rolle. Ja nach Nachbehandlungsart konnten unter Laborbedingungen Druckfes-tigkeiten bis 800 N/mm² erreicht werden.

Bild 6: Abdecken einer freien UHPC-Oberfläche mit Folien und Schalungstafeln

Um die hohen Festigkeiten zu erreichen, wird ultrahochfester Beton meist einer Wärmebehand-lung unterzogen. Dabei werden grundsätzlich feuchte und trockene Wärmebehandlungen un-terscheiden. Diese Form der Nachbehandlung beschränkt sich jedoch nur auf den Fertigteilbereich, und hier auch nur in Abhängigkeit von der Bauteilgröße. Die Wärmebehand-lung erfolgt nach dem Erstarren des Betons durch einfaches Erwärmen bei normalem oder er-

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höhtem Druck (Autoklavbehandlung). Eine thermische Nachbehandlung kann während oder nach dem Abbinden erfolgen. Vorzugsweise wird eine Temperaturbeaufschlagung von 50 bis 90 °C über mehrere Tage durchgeführt. Gängig sind jedoch auch Erwärmung zwischen 40 und 160 °C über ein bis maximal sieben Tage. Auch kann die Hydratationswärme des Zementes als Wärmebehandlung genutzt werden. Dies bedingt jedoch entsprechende Maßnahmen, wie z. B. wärmedämmende Schalungen oder Abdeckungen, für die entsprechenden Bauteile. Die Wärmebehandlung bei Temperaturen über 90 °C beschleunigt die puzzolanische Reaktion des Silikastaubes. Zusätzlich wird die Mikrostruktur, der bei diesen Temperaturen entstehenden Hydratphasen modifiziert [2]. Diese Hydrate liegen jedoch überwiegend in röntgenamorpher Form vor. Bei Temperaturen bis 150 °C entsteht z. B. das feste und dichte Tobermorit. Sehr wichtig bei den thermischen Nachbehandlungen ist ein langsames Aufheizen und Abkühlen, damit die Verbesserung der Mikrostruktur nicht durch thermisch bedingte Mikrorisse wieder aufgehoben wird. Nur eine Behandlung bei hohen Temperaturen zwischen 250 und 400 °C führt zur Bildung von kristallinen Hydraten (Xonotlit), begleitet von einer starken Dehydratisierung der CSH-Phasen der erhärtenden Zementmatrix, da durch das starke Erhitzen in den abgeschlos-senen Poren die hygrothermalen Bedingungen zur Bildung derartiger kristalliner Phasen vor-handen sind. Das heißt, aufgrund der hohen Diffusionsdichte von UHPC tritt eine Art „Selbstautoklavierungseffekt“ ein. Durch diese extreme Temperaturbeaufschlagung können die röntgenamorphen Hydratati-onsprodukte in den kristallinen Zustand überführt werden.

5 Qualitätssicherung von UHPC Um eine gleichmäßige Qualität des UHPC zu gewährleisten, ist eine konsequente Qualitätssi-cherung (QS) notwendig, die in einem sog. QS-Plan belegt werden muss. Darin sind die Ver-antwortlichkeiten, die zulässigen Toleranzen (Dosierung der Betonzusatzstoffe und -mittel, Wassergehalt etc.) und die entsprechenden Maßnahmen bei Abweichungen genau festzulegen. Für die Erstellung und Überwachung der gesamten, die Baumaßnahme begleitenden, Quali-tätssicherung muss für UHPC ein bereits mit anderen Hochleistungsbetonen (hochfester Beton, selbstverdichtender Beton etc.) vertrauter Ingenieur zuständig sein. Einige Bestandteile der Qualitätssicherungspläne in den DAfStb-Richtlinien Hochfester Beton (HFB) [3] und Selbstver-dichtender Beton (SVB) [4] sowie die in DIN 1045-2 [5] und DIN EN 206-1 [6] gemachten Vor-gaben können auch auf UHPC übertragen werden. Dazu zählen beispielsweise: • eine Kurzbeschreibung des Bauvorhabens, • die Verantwortlichkeiten, • ein Betonierplan sowie eine entsprechende Arbeitsanweisung, • Festlegungen zu den erforderlichen Frisch- und Festbetonprüfungen,

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• Prüfungen im Transportbeton- oder Fertigteilwerk bzw. erweitere Vorgaben im WPK-Handbuch (Mischanweisung, Dosierungsplan etc.)

• Prüfungen auf der Baustelle bei Ortbeton sowie ein • Verarbeitungsversuch. Im Verarbeitungsversuch muss die in der Erstprüfung entwickelte UHPC-Rezeptur nach den eigens festgelegten Vorgaben im QS-Plan beprobt werden. Der Verarbeitungsversuch hat im wesentlichen folgende Ziele, die insgesamt dem Sensibilisieren der Beteiligten dienen sollen: • Festlegungen und Erprobung nicht routinemäßiger Abläufe der Betonherstellung und-

verarbeitung, • Prüfung des Mischablaufes (Mischreihenfolge, Mischzeit, Chargengröße etc.) • Prüfung des zeitlichen Ablaufes vom Mischen bis zum Einbau, einschließlich der Nachbe-

handlung, unter realen Bedingungen, d.h. z.B. unter Berücksichtigung der Außentemperatur und Windeinwirkung auf der Baustelle oder im Fertigteilwerk sowie

• Einüben der Verarbeitungsmannschaft. Wesentlich strenger als bei anderen Hochleistungsbetonen (HFB, SVB) muss jedoch für UHPC die gleichmäßige Qualität und Zusammensetzung der Ausgangsstoffe betrachtet werden. Be-reits geringe Abweichungen von den Sollvorgaben können zu einem anderen Betonverhalten führen. So sind z.B. für die mehlfeinen Bestandteile (Feinkorngemisch) neben dem Wasseranspruch (Verfahren nach Puntke oder Okamura, vgl. [4]) auch die Mahlfeinheit und die Dichten zu bestimmen. Gleiches gilt für den Zement, wobei hier zusätzlich dessen Eignung mit dem Fließ-mittel in Form von rheologischen Untersuchungen erfolgen sollte. Für die Gesteinskörnungen ist mittels Siebversuche die Einhaltung der vereinbarten Anforde-rungen (Mehlkorngehalt, dmax etc.) zu überprüfen. Für die Zusatzstoffe und Zusatzmittel gelten die Anforderungen der einschlägigen Normen, ins-besondere die Dichte, der Wassergehalt und Wasseranspruch. Hinsichtlich der Mindestprüfhäu-figkeit sind zwischen dem Betonhersteller und-verarbeiter gesonderte Angaben auszuhandeln.

6 Zusammenfassung Um ultrahochfesten Beton unter baupraktischen Gesichtspunkten (Ortbeton, wie auch Fertig-teilbeton) nutzen können, sind Konzepte für die Herstellung, Verarbeitung und Nachbehandlung erforderlich, die mit den für Normalbeton gängigen Verfahren nur bedingt verglichen werden können. Es bedarf hierzu zunächst einer Sensibilisierung aller Beteiligten (Betonhersteller, aus-führende Firma, Bauüberwachung etc.) und einer sorgfältigen Vorbereitung. Die besonderen

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Belange des UHPC müssen sich in speziell abgestimmten Qualitätssicherungsmaßnahmen widerspiegeln. Wesentlich bei der praktischen Anwendung von UHPC ist gezielte Abstimmung zwischen Be-tontechnologie, Planung und Bauausführung. Nur so können die an UHPC gestellten Anforde-rungen erreicht werden, wodurch ein nachhaltiges und wirtschaftliches Bauen ermöglicht wird.

Literatur [1] Dehn, F.: Ultrahochfester Beton, In: König, G., Tue, N.V., Zink, M.: Hochleistungsbeton - Herstellung, Bemessung, Anwen-

dung, Verlag Ernst & Sohn, Berlin 2001 [2] Philipp, U.; Dehn, F.; Schreiter, P.: Einfluss der Temperatur auf die Phasenbildung in ultrahochfestem Beton (UHFB), In:

König, G.; Holschemacher, K.; Dehn, F. (Hrsg.): Innovationen im Bauwesen - Ultrahochfester Beton (UHFB), Bauwerk-Verlag, Berlin 2003 (in Vorbereitung)

[3] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton (DAfStb), Richtlinie Hochfester Beton, Ausgabe 09/1997 [4] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton (DAfStb), Richtlinie Selbstverdichtender Beton (SVB-Richtlinie), Ergänzungen und Ände-

rungen zu DIN 1045-2:2001 und DIN EN 206-1: 2001 sowie DIN 1045-3:2001, 12. Entwurf, August 2003 [5] DIN 1045-2:2001: Tragwerke aus Beton aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton - Teil 2: Beton - Festlegung, Eigenschaften,

Herstellung und Konformität – Anwend-ungsregeln zu DIN EN 206-1 [6] DIN EN 206-1:2001: Beton - Teil 1: Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität

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Univ.-Prof. Dr.-Ing. Peter Racky geboren 1969 1994 Diplom Bauingenieurwesen, TU Darmstadt 1997 Promotion am Institut für Baubetrieb der TU Darmstadt 1997 HOCHTIEF, Niederlassung Düsseldorf seit 2002 Universitätsprofessor, Leiter des Fachgebiets

Baubetriebswirtschaft, Institut für Bauwirtschaft der Universität Kassel

Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit von UHPC

1 Einleitung Beim Entwurf, der Planung und der Errichtung von Bauwerken gehört das Prinzip der Wirt-schaftlichkeit seit jeher zu den Hauptanforderungen an die Tätigkeit des Bauingenieurs. Ver-stärkt seit Beginn der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts wird dieser Anspruch an die Ingenieurtätigkeit durch die gesellschaftlich zunehmend verbreitete Forderung nach Nachhaltig-keit im Bauwesen erweitert. Während sich die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung rein auf die Opti-mierung der ökonomischen Belange bezieht, umfasst der Leitgedanke der Nachhaltigkeit darüber hinaus die ökologischen und gesellschaftlichen Aspekte. Wirtschaftlichkeit und Nach-haltigkeit schließen somit einander keinesfalls aus. Vielmehr ist das Wirtschaftlichkeitsprinzip in den Nachhaltigkeitsgedanken integriert. Zu den ökologischen Zielen, die zu mehr Nachhaltigkeit führen, gehören in erster Linie die Mi-nimierung des Abbaus nicht erneuerbarer Ressourcen, die Gewährleistung der Regeneration erneuerbarer Ressourcen sowie die Minimierung der Umweltbelastung durch Abfälle und Rück-stände [1]. Vor dem Hintergrund, dass in Deutschland die durch das Bauen hervorgerufenen Materialströme ca. 70 % der gesamten Stoffströme ausmachen, wird nachvollziehbar, dass der Nachhaltigkeitsanspruch vor allem im Bauwesen verfolgt werden muss, um insgesamt deutliche Erhöhungen der mit ihm verknüpften Zielerreichungsgrade zu erlangen [2]. Der Festlegung der für ein Bauwerk zu verwendenden Werkstoffe kommt in diesem Zusammenhang eine entschei-dende Rolle zu. Die zunehmende Forderung nach Nachhaltigkeit im Bauwesen führt zwangsläufig auch zu einer Erweiterung des zu betrachtenden Zeitraums in Verbindung mit der Erstellung eines Bauwerks. In einer umfassenden Nachhaltigkeitsanalyse sind über den klassischen Lebenszyklus des

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Bauwerks hinausgehend die Herstellungsprozesse der Baustoffe sowie die Entsorgungspro-zesse der anfallenden Baurestmassen mit einzubeziehen. Von diesen Grundlagen ausgehend wird nachfolgend der Werkstoff Ultra-Hochleistungsbeton (engl.: Ultra High Performance Concrete – UHPC) im Hinblick auf seine Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit untersucht. Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, eine qualitative und quantitative Aussage über das Verhalten von UHPC in Bezug auf diese beiden Kriterien zu liefern. Als Ver-gleichsmaßstab dient hierbei das Verhalten von normal- bzw. hochfestem Beton.

2 Energie- und Rohstoffaufwand beim Einsatz von UHPC Der mit den Einsatz von UHPC verbundene Energie- und Rohstoffaufwand wird anhand eines Bemessungsbeispiels für ein auf Druck beanspruchtes Bauteil untersucht. Tab. 1 zeigt den E-nergie- und Rohstoffaufwand zur Gewinnung bzw. Herstellung der für Stahlbeton maßgebenden Baustoffe [3].

Energieaufwand [MJ/to]

Rohstoffaufwand[to/to Baustoff]

Zement PZ 4.693 1,5

Kies, Sand 137 1,0*

Betonstahl 10.875 6,4 * Annahme

Tab.1: Energie- und Rohstoffaufwand zur Gewinnung bzw. Herstellung von Baustoffen. Quelle: [3]

Auf dieser Grundlage werden für Betone der Festigkeitsklassen C 40/50 (B 45) und C 80/95 (B 85) sowie für einen Ultra-Hochleistungsbeton mit einer Zylinderdruckfestigkeit > 180 N / mm² (im folgenden vereinfachend als C 180 bezeichnet) der jeweilige Energie- und Rohstoffaufwand sowie der Baustoffbedarf je m³ Beton ermittelt. Aus Tab. 2 wird ersichtlich, dass mit zunehmen-der Druckfestigkeit des Betons vor allem der Energieaufwand stark ansteigt. Dies begründet sich zum einen mit dem höheren Zementanteil und zum anderen mit der notwendigen Zugabe von Stahlfasern im Umfang von 2,5 Vol.-% beim C 180 [4]. Hieraus lässt sich allerdings noch keine Aussage betreffend des Erfüllungsgrads des Nachhaltigkeitsanspruchs ableiten. Diese folgt erst aus dem durchgeführten Bemessungsbeispiel.

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Betonfestigkeits-klasse C 40/50 C 80/95 C 180

Zementgehalt kg/m3 370 490 760

Zuschlag kg/m3 1.866 1.642 1.521

Stahlfasern kg/m3 - - 194

Energieauf-wand MJ/m3 1.992 2.525 5.885

Rohstoffauf-wand kg/m3 2.421 2.377 3.903

Baustoffbe-darf kg/m3 2.236 2.132 2.475

Tab.2: Zusammensetzung, Energie- und Rohstoffaufwand sowie Baustoffbedarf je m³ der be-trachteten Betonarten. Quellen: [3], [4]

Eine 3,50 m hohe Stahlbetonstütze mit quadratischem Querschnitt wird für eine Bemessungs-last NEd = 40 MN bemessen. Der Bewehrungsgehalt m beträgt 4 %. Für die Betonfestigkeits-klasse C 40/50 resultiert aus diesen Vorgaben eine Seitenlänge von 1,00 m und somit ein Stützenquerschnitt von 1,00 m² (Bild 1). Behält man die Bemessungslast und den Bewehrungs-grad bei, ergibt sich für die Betonfestigkeitsklasse C 80/95 eine erforderliche Seitenlänge von 0,82 m (Stützenquerschnitt = 0,67 m²). Bei Verwendung eines C 180 verringert sich der erfor-derliche Seitenlänge auf 0,66 m (Stützenquerschnitt = 0,44 m²).

C 40/50 C 80/95

1,00 m

1,00

m

0,82 m

0,82

C 180

0,66 m

0,66

m

NEd = 40 MN

µ = 4%

64 Ø 28

NEd = 40 MN

µ = 4%

44 Ø 28

NEd = 40 MN

µ = 4%

28 Ø 28

Bild 1: Stützenquerschnitt und Druckbewehrung einer Stahlbetonstütze in Abhängigkeit von der Betonfestigkeitsklasse

Der sich in Abhängigkeit von der Betonfestigkeitsklasse bei gleichbleibender Tragfähigkeit er-gebende Energie- und Rohstoffaufwand für die Stahlbetonstützen ist in Tab. 3 aufgeführt. Es ist eindeutig zu erkennen, dass der Ultra-Hochleistungsbeton die Nachhaltigkeitskriterien am bes-

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ten erfüllt. Der Energieaufwand für die Stütze sinkt bei der Verwendung des C 180 bezogen auf den C 40/50 um ca. 26 %, der Rohstoffwand sogar um ca. 42 %. Der Ultra-Hochleistungsbeton weist folglich den relativ besten Zielerreichungsgrad in Bezug auf das ökologische Ziel „Mini-mierung des Abbaus nicht erneuerbarer Ressourcen“ auf. Hinzu kommt, bedingt durch die mög-lichen schlankeren Bauteilabmessungen, die Minimierung der Umweltbelastung durch Baurestmassen im Falle des Rückbaus am Ende des Bauwerkslebenszyklusses.

Betonfestig-keitsklasse C 40/50 C 80/95 C 180

Querschnitt Betonstütze m2 1,0 0,67 0,44

Volumen Beton m3 3,360 2,258 1,464

Querschnitt Betonstahl cm2 400 270 174

Volumen Stahl m3 0,140 0,095 0,061

Masse Stahl to 1,08 0,74 0,47

Energieaufwand

Beton MJ 6.693 5.701 8.616

Betonstahl MJ 11.745 8.048 5.111

Summe MJ 18.438 13.749 13.727

Rohstoffaufwand

Beton to 8,13 5,37 5,71

Betonstahl to 6,91 4,74 3,01

Summe to 15,04 10,11 8,72

Tab. 3: Energie- und Rohstoffaufwand für eine Stahlbetonstütze in Abhängigkeit von der Beton-festigkeitsklasse (NEd = 40 MN, l = 3,50 m)

Bei diesem Beispiel ist zu beachten, dass beim Ultra-Hochleistungsbeton der Energie- und Rohstoffaufwand zur Erreichung definierter funktionaler Anforderungen an die Tragwerksele-mente noch deutlicher unter die jeweiligen Werte für den C 80/95 gesenkt werden könnte, wenn es gelänge, in der Betonrezeptur den notwendigen Anteil der Stahlfasern zu reduzieren.

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74,6 74,4

100,0

58,067,2

100,0

0102030405060708090

100

C 40/50 C 80/95 C 180Ener

gie-

und

Roh

stof

fauf

wan

d [%

]

Energieaufwand Rohstoffaufwand

Bild 2: Relativer Vergleich des Energie- und Rohstoffaufwands für eine Stahlbetonstütze in Abhängigkeit von der Betonfestigkeitsklasse (NEd = 40 MN, l = 3,50 m)

3 Wirtschaftlichkeitsvorteile durch Nutzflächengewinn Nach Betrachtung der ökologischen Belange werden nachfolgend beispielhaft die ökonomi-schen Vorteile des Einsatzes von UHPC dargelegt. Dies erfolgt auch anhand der oben betrach-teten Stütze. Vergleicht man die reinen Herstellungskosten, so stehen den mit zunehmender Druckfestigkeit steigenden Kosten pro m³ Beton inkl. Kosten für zusätzliche Qualitätssiche-rungsmaßnahmen, Gutachterhonorare und Genehmigungsgebühren bei nicht normierten Beto-nen Minderkosten aufgrund folgender Sachverhalte gegenüber:

• Geringere Menge einzubauender Beton. • Geringere Menge zu verlegender Betonstahl. • Geringere Menge zu schalende Fläche.

Die genannten Punkte führen jeweils zu einer Verringerung der Material-, Lohn- und Transport-kosten sowie zu einer Verringerung der benötigten Hub- und Förderkapazitäten (Krane, Beton-pumpen) auf der Baustelle. Dies gilt nicht nur in Verbindung mit den betrachteten Stützen. Aufgrund der reduzierten Bauteilabmessungen verringern sich auch die Lastannahmen für die Bemessung der Gründung. Somit ergeben sich hier weitere Kostensenkungspotenziale, die sich analog zu den Stützen aus den o.g. Sachverhalten ergeben. Hinzu kommen die, bedingt durch eine evtl. mögliche Reduzierung der Fundamentabmessungen, geringeren Erdbaukosten infol-ge kleinerer Aushubmengen. Eine quantitative Gegenüberstellung der Herstellungskosten ist auf den jeweiligen Einzelfall bezogen unter Berücksichtigung der Marktpreise zum Betrach-tungszeitpunkt vorzunehmen.

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Bei einer über den Herstellungsprozess des Bauwerks hinaus gehenden, die Nutzungsphase mit einbeziehenden Betrachtung offenbart sich ein sehr relevanter wirtschaftlicher Vorteil des UHPC. Durch den kleineren notwendigen Stützenquerschnitt bei gleicher Tragfähigkeit erhöht sich die vermietbare Nutzfläche. Beim durchgeführten Bemessungsbeispiel beträgt der Nutzflä-chenzuwachs beim Einsatz eines C 180 im Vergleich zum C 40/50 pro Stütze und Geschoss 0,56 m². Unter der Annahme, dass für das betreffende Gebäude über einen Zeitraum von 50 Jahren durch Vermietung monatlich ein Reinertrag von 25 €/m² zu erzielen ist, der über den vollständigen Zeitraum summiert und jährlich mit 4 % verzinst wird, resultiert nach Ablauf der 50 Jahre ein Endwert in Höhe von ca. 25.850,- € pro Stütze und Geschoss. Reduziert man in ei-nem Maximalrisiko-Szenario die wirtschaftliche Nutzungsdauer auf 20 Jahre und den monatli-chen Reinertrag auf 15 €/m², ergibt sich noch ein Endwert in Höhe von ca. 3.025,- € pro Stütze und Geschoss. Diskontiert man die beiden Endwerte jeweils auf eine Einmalzahlung zu Beginn der Nutzungsdauer, resultiert im ersten Fall ein Barwert in Höhe von ca. 3.637,- € pro Stütze und Geschoss. Im zweiten Fall handelt es sich hierbei noch um 1.381,- € pro Stütze und Ge-schoss. Das bedeutet, dass die Stütze aus C 40/50 in der Herstellung um diesen Betrag günsti-ger sein müsste, um die Mehrerträge aufgrund des Nutzflächengewinns zu kompensieren. Und dies in Anbetracht der o.g. Gründe für Mehrkosten.

0

500

1.000

1.500

2.000

2.500

3.000

3.500

1 5 9 13 17

Nutzungsdauer [a]

verz

inst

e R

eine

rträ

ge [€

]

Endwert Barwert

zulässigeMehrkosten

3.025

1.381

1 10 15 205

Bild 3: Maximal zulässige Mehrkosten einer UHPC-Stütze zur Kompensation der Vorteile aus dem Nutzflächengewinn

Bei Veranschlagung eines aktuellen Marktpreises für die Stütze aus C 40/50 in einer Größen-ordnung von ca. 2.000,- € folgt, dass im ungünstigsten Nutzungsszenario die Stütze aus C 180 maximal um den Faktor 1,7 teurer sein dürfte, um den wirtschaftlichen Vorteil aufgrund des Nutzflächengewinns nicht zu kompensieren. Auf Grundlage dieses Ergebnisses kann nach An-sicht des Verfassers der wirtschaftliche Vorteil von UHPC gegenüber dem normalfesten Beton beim betrachteten Beispiel eindeutig festgestellt werden.

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4 Wirtschaftliche Gesichtspunkte bezogen auf die Lebenszykluskosten eines Bauwerks

Im Zuge der Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen sind neben den Herstellungskosten selbstver-ständlich auch die während der Nutzungsphase eines Bauwerks anfallenden Kosten zu bewer-ten. Hierbei handelt es sich um die Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten für den Funktionserhalt sowie um die am Ende des Lebenszyklus anfallenden Kosten für den Rückbau. Zusammen mit den Herstellungskosten ergeben sich hieraus in Summe insgesamt die Lebens-zykluskosten. Bild 4 zeigt den qualitativen Verlauf der Lebenszykluskosten einer Brücke. In Ös-terreich durchgeführte Untersuchungen ergeben für die durchschnittlichen Ersatzkosten für das Rohtragwerk einer am Ende ihres Lebenszyklus angelangten Brücke mit einer Stützweite von bis zu 40 m einen Betrag von ca. 640,- €/m² Brückenfläche [5]. Die Kosten für die Instandset-zung der Tragstruktur belaufen sich hiernach auf 28 % dieses Wertes.

t Haftung t1 t2 tAbbruch

t

Abbruch

BaulicheErhaltung

Neubau

Lebe

nszy

klus

kost

en

Bild 4: Qualitativer Verlauf der Lebenszykluskosten einer Brücke. Quelle [5]

Um alternative Bauwerksentwürfe in Bezug auf ihre Lebenszykluskosten in einem Wirtschaft-lichkeitsvergleich bewerten zu können, ist auf die Barwertmethode zurückzugreifen [6]. Mit die-sem Verfahren werden alle zukünftig anfallenden Kosten auf den gegenwärtigen Betrachtungszeitpunkt abgezinst. Der Barwert gibt also an, welcher Betrag zum Betrachtungs-zeitpunkt angelegt und anschließend verzinst werden muss, um alle zukünftigen Kosten beglei-chen zu können.

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Mit Hilfe der o.g. Kostenansätze soll beispielhaft veranschaulicht werden, welche Größenord-nung der Barwert gegenüber den Neubaukosten einnimmt, um seine Relevanz im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsbewertung eines Bauwerksentwurfs zu verdeutlichen. Hierfür werden folgen-de Annnahmen getroffen: Herstellungskosten des Rohtragwerks = 650,- €/m² Brückenfläche, Instandsetzungskosten für das Tragwerk pro Instandsetzungsmaßnahme = 30 % der Herstel-lungskosten, Summe der Instandhaltungskosten für das Tragwerk zwischen zwei Instandset-zungsmaßnahmen = 30 % der Herstellungskosten, Rückbaukosten des Tragwerks = 30 % der Herstellungskosten, Haftungszeitraum des bauausführenden Auftragnehmers = 4 Jahre, Zeit-raum zwischen zwei Instandsetzungsmaßnahmen = 25 Jahre. Wählt man als Kalkulationszins-satz 4 %, dann resultiert für die Kosten der baulichen Erhaltung und des Rückbaus ein Barwert in Höhe von ca. 251,- €. Dies entspricht knapp 39 % der Neubaukosten. Bei Reduzierung des Kostenansatzes für Instandhaltung, Instandsetzung und Rückbau von 30 % auf 20 % beläuft sich der Barwert auf ca. 167,- €, was immerhin noch knapp 26 % der angenommenen Neubau-kosten entspricht. Die Größenordnung der Barwerte belegt, dass die Lebenszykluskosten bei einem Wirtschaftlichkeitsvergleich zwischen alternativen Bauwerksentwürfen unbedingt zu be-rücksichtigen sind, um eine umfassende Entscheidungsgrundlage herzustellen. Zum Langzeitverhalten von UHPC im Praxiseinsatz und den daraus folgenden Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten existiert in Ermangelung ausgeführter Bauwerke noch kein hinrei-chend umfassendes Datenmaterial. Somit kann momentan noch keine vergleichende Barwert-berechnung für Tragwerke aus normalfestem Beton und UHPC durchgeführt werden. Vorliegende Forschungsergebnisse zeigen allerdings den größeren Frost- und Frost-Tausalzwiderstand, den geringeren Carbonatisierungsfortschritt sowie den größeren Chloridwi-derstand von UHPC im Vergleich zum normalfesten und hochfesten Beton [7]. Daraus lässt sich folgern, dass Tragwerke aus UHPC zukünftig auch vergleichsweise geringere Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten aufweisen werden. Die Erhebung diesbezüglicher Daten und Erfah-rungswerte ist als nunmehr anstehender Forschungsbedarf zu bezeichnen. Wünschenswert in diesem Zusammenhang ist die enge Zusammenarbeit zwischen den betreffenden Hochschulen und den jeweiligen Baulastträgern.

5 Zusammenfassung und Ausblick Die verstärkte gesellschaftliche Forderung nach Nachhaltigkeit im Bauwesen erfordert die ent-sprechende ingenieurmäßige Bewertung von UHPC. Anhand eines Bemessungsbeispiels für eine Stütze wird der geringere Energie- und Rohstoffaufwand von UHPC im Vergleich zu nor-mal- und hochfestem Beton dargelegt. Dies veranschaulicht den relativ höheren Erreichungs-grad der mit dem Nachhaltigkeitsprinzip verknüpften ökologischen Ziele. Die Wirtschaftlichkeitsvorteile werden beispielhaft anhand der zu erzielenden Nutzflächenvergröße-rung innerhalb eines Gebäudes infolge kleinerer Bauteilabmessungen aufgezeigt. Hinzu kommt die optimierte Dauerhaftigkeit des Ultra-Hochleistungsbetons, die auf insgesamt geringere Le-

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benszykluskosten im Vergleich zu den bereits normierten Betonen schließen lässt. Zusammen-fassend ist somit UHPC als der nachhaltigere Werkstoff zu bezeichnen. Die angestellten Betrachtungen verdeutlichen und begründen auch, dass aus der weiter anstei-genden Relevanz der beiden Kriterien Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit bei der ingenieur-mäßigen Bewertung eines Bauwerks Weiterentwicklungen in Bezug auf die Gestaltung des bauvertraglichen Verhältnisses zwischen Bauherr und ausführendem Bauunternehmen resultie-ren. Wenn, wie aufgezeigt, zur wirtschaftlichen Bewertung eines Bauwerks nicht nur die reinen Baukosten, sondern die gesamten Lebenszykluskosten bzw. –erträge zu betrachten sind, dann wird auch deutlich, warum in der Praxis die Nutzungsphase zunehmend von der Laufzeit der Verträge erfasst wird. Die Bauunternehmen haften in diesen Fällen auch für den Funktionser-halt und die Einhaltung der Erhaltungskosten während der Nutzung. Neue Vertragsmodelle der öffentlichen Auftraggeber im Bereich des Baus von Infrastrukturprojekten wie z.B. Funktions-bauverträge beim Bundesfernstraßenbau belegen diese Entwicklung [8]. Dies unterstreicht, dass die Bauwirtschaft insgesamt zukünftig einem erweiterten, komplexeren gesellschaftlichen Anspruch gegenübersteht. Immer weniger gefragt sein wird die bloße Bereitstellung von Pro-duktionskapazität, dafür um so mehr nachhaltige Lösungswege zur baulichen Realisierung des vorhandenen Baubedarfs. Die Möglichkeit zum Praxiseinsatz von UHPC stellt auch in diesem übergeordneten Zusammenhang eine sehr wertvolle Weiterentwicklung der Bautechnik dar.

Literatur [1] Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hrsg.): Leitfaden Nachhaltiges Bauen. 2001 [2] Graubner, C.-A.; Hüske, K.: Nachhaltigkeit im Bauwesen. Verlag Ernst & Sohn 2003 [3] Böing, R.; Schmidt, M.: Rohstoff- und energiesparendes Konstruieren mit Beton. In: Beton Heft 7/1997 [4] Bornemann, R.; Schmidt, M.; Fehling, E.; Middendorf, B.: Ultra-Hochleistungsbeton UHPC. In: Beton- und Stahlbetonbau Heft

7/2001 [5] Wicke, M.; Kirsch, P.; Straninger, W.; Scharitzer, B.: Kostenmodell für den Funktionserhalt von Straßenbrücken. In: Bauinge-

nieur Heft 2/2001 [6] Schelle, H.: Wirtschaftlichkeitsrechnungen für die Angebotswertung im Bauwesen. Werner-Verlag 1992 [7] Schmidt, M.; Fehling, E.; Teichmann, T.; Bunje, K.; Bornemann, R.: Ultra-Hochfester Beton: Perspektive für die Betonfertigteil-

industrie. In: Betonwerk + Fertigteil-Technik Heft 3/2003 [8] Knoll, E.: Konzeption und Inhalt von Funktionsbauverträgen. In: Straße + Autobahn Heft 1/1999

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Agah Durukal Manager Ductal Applications Development Lafarge Jean-Francois Batoz Vice President Ductal Development Lafarge

Ultra High Performance Fibre Reinforced Concrete Footbridges

1 Abstract Ultra High Performance Fibre Reinforced Concretes (UHPFRC) create new dimensions for many civil engineering applications, including footbridges. Ductal®, which is an UHPFRC tech-nology patented by Lafarge, Bouygues and Rhodia, provides very high durability, compressive strength, flexural resistance with ductility as well as aesthetics. The footbridges constructed with this innovative technology require no reinforcing bars. Over the last several years, four foot-bridges were constructed with this material in different countries. Sherbrooke footbridge, built in 1998 in Canada, is the first prototype application of its kind in the world. This 60 m long post-tensioned structure has 30 mm deck thickness. The Sermaises footbridge, is 19 m long and it was built in 2001 in France. This footbridge was made of three 6,3 m spans and it had no reinforcement at all. On the other hand, a fire resistant formula was used in this structure. The Seonyu footbridge in Korea has a 120 m long span and it was completed in 2002. The structure having a p shaped cross-section is post-tensioned and the deck thickness is 30 mm. Sakata Mirai footbridge in Japan has a span length of 49.35 m and it is post-tensioned. The structure was completed in 2002.

2 Introduction Ultra High Performance Fibre Reinforced Concretes (UHPFRC) create new perspectives for many structural applications, including footbridges.

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Ductal®, the outcome of the research over the last 15 years in the area of concrete, is a new construction material technology belonging to UHPFRC family, with very high durability, com-pressive strength, flexural resistance with ductility and aesthetics. It consists of a mixture of mineral powders (portland cement, sand, filler, silica fume), water, admixtures and fibres (metal-lic, mineral and/or organic). The product range of Ductal® technology was developed by the combined efforts of there companies, Lafarge, the construction materials manufacturer, Bouy-gues, contractor in civil and structural engineering and Rhodia, chemical materials manufac-turer. With this joint effort through intensive research and development, the material was patented, industrialised and commercialised. Through the development period, a series of prototypes were done, prior to construct civil, structural and architectural applications. Among these applications, four footbridges have already been constructed with this material in different countries in the past and none of these have reinforcing bars.

3 Material Properties With this technological breakthrough, compressive strength exceeding 200 Mpa [1] and flexural strength with ductility can be obtained [2]. The Ductalâ range is produced by concentrating on the multi-scale optimisation of the material, which results in a ductile behaviour (Figure 1). Be-cause of these characteristics, reinforcing bars in structural elements can be eliminated.

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Strain (%)

Test n°1Test n°2

Tests of 15/07/96LMT Cachan

Fig. 1: Compressive strength test results

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The principal material characteristics of Ductal® with metallic fibres are provided in Table 1:

Tab. 1: Mechanical Characteristics

Mechanical Properties after Thermal Treatment Compressive strength 180 Mpa Tensile strength (elastic) 8 Mpa Tensile strength (post-peak) 5 Mpa Modulus of elasticity 50 Gpa Poisson’s ratio 0.2 Shrinkage after thermal treatment 0 Coefficient of creep 0.2 The mechanical values indicated are the characteristic values with 95% confidence, calculated by the mean value minus 2 Standard Deviations. Because of its extremely dense microstructure, this material possesses outstanding durability properties [3]. It has an extremely high resistance to freeze-thaw cycles, rock salt, carbonation, penetration of aggressive ions (chlorides, sulphates, weak acids, etc.) and abrasion (Table 2).

Tab. 2: Durability Test Results

Porosity < 2% Nitrogen permeability 1 to 5. 10-20 m² Freeze – thaw:

- Residual Modulus of Elasticity (300 cycles)

- Weight loss after 300 cycles

100 % < 10 g/m²

Abrasion (relative to glass) 1.2 Carbonation:

- Carbonation constant < 0.1 mm/yr0.5

Corrosion: - Apparent diffusion coefficient - Actual diffusion coefficient

Not measurable 2.10-14 m2/s

In order to achieve consistent high performance results, an extremely selective raw material sources are being used for the industrial production.

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4 The Sherbrooke Footbridge Sherbrooke Footbridge, completed in 1998 in Quebec-Canada, is the first prototype application of its kind in the world. This structure consists of 10 precast elements of 6.0 m long each and a total span of 60.0 m. The upper deck is a 30 mm thick ribbed slab. This footbridge has a particularly innovative design. The webs are mixed diagonal members slanting in both directions that use Ductal® confined in a thin metal casing [4]. Eight diagonals were placed in a jig before casting the lower beams and the top slab to produce a 10 m long segment. These segments were assembled in half-spans with a pre-stressing ca-ble, then lifted by crane and placed on an abutment and a provisional pile. The final prestress-ing, comprising straight-running internal cables and deviated external cables allowed the central support to be removed. No reinforcement bars were used in this structure.

Fig. 2: Sherbrooke footbridge

The design and the material supply were realisedd by Bouygues Travaux Publics, the General Contractor and the precaster being Pomerleau and Béton Bolduc respectively.

5 Sermaises Footbridge The Sermaises footbridge was constructed in 2001 in Sermaises in France (Figure 3). It was made of three 6,3 m isostatic spans and 19 m long in total with a U shaped cross-section (Fig-ure 4).

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Fig. 3: Sermaises footbridge

This footbridge was fully fabricated with Ductal®, with no reinforcement (passive reinforcement or prestress), other than the fibres in the matrix. The U shaped cross-section is the same throughout the span and the 8 cm thickness is constant on the edges of the U as well as in the deck. The elements were precasted in France. Three metallic columns independent from the existing structure carry the footbridge. The free height below the footbridge is 3 m. Another particularity of this footbridge is the use of an enhanced formula in terms of fire resis-tance, so called Ductal® AF, since the structure was built in a factory having a risk of hydrocar-bure fire. [5, 6] The architect was JP Cagan and the engineering design was done by Cert design consulting group. The precaster was Bonna Sabla in France

Fig. 4: Cross-section of the Sermaises Footbridge (all dimensions are in cm)

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6 Seonyu Footbridge The Seonyu footbridge in Korea has a 120 m long span and it was completed in 2002. Architect Rudy Ricciotti’s choice of Ductal® technology let the footbridge having a very slender and a thin arch, fulfilling his expectation about an aesthetic and elegant structure (Figure 5).

Fig. 5: Seonyu Footbridge, Architect R. Ricciotti, Photographer P. Ruault

The structure having a p shaped cross-section, consists of a transversally ribbed upper slab and two girders. The width is 4.3 m and its depth is 1.3 m. The structure is composed of a thin, 30 mm slab, which is supported by transversal ribs, each measuring 1.225 m and two longitudinal ribs at the extremities of the transversal section. This ribbed slab is supported by two 16 cm thick webs (Figure 6) is post-tensioned [7]. The arch was composed of six segments, 22.5 m3 each. The segments were precasted in the vicinity of the final location of the structure. Diaphragms were added at the extremity of each segment. The diaphragms next to the foundations were used to spread the compressive loads in the ordinary concrete of the foundations, while the diaphragms at the central section are used for jacking the two halves of each arch. A special study on vibrations was conducted and tuned mass dampers were added to the arch at an early stage of the project so that the structure would be comfortable to use.

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Fig. 6: The cross-section of the Senyou Footbridge (all dimensions are in mm)

The main characteristics of the footbridge are as follows: Length : 120 m Height at mid-span : 15 m Thickness of the slab : 30 mm Height of the transversal section : 1.30 m Width of the transversal section : 4.30 m Mass of Ductal® : 220 tons Reinforcement bars : None Prestressing : 12 tons The structural design was done by Bouygues Travaux Publics. The main contractor for the pro-ject was Dongyang. The arch was subcontracted to VSL Korea and Bouygues Travaux Publics.

7 Sakata-Mirai Footbridge In 2002, Sakata-Mirai footbridge was constructed in Sakata, Japan (Figure 7). This structure was built to span the Niita River that flows through the urban area of Sakata City, Yamaga Pre-fecture. The post-tensioned structure has a span length of 49.35 m, total length of 50.2 m and width of 2.40 m. The girder height is 55 cm at the supports and 1560 cm at mid span. The thicknesses of the top slab and of the web are 5 cm and 8 cm respectively (Figure 8, 9) [8].

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Fig. 7: Sakata-Mirai Footbridge

Fig. 8: Sakata-Mirai Footbridge; Cross-section at the mid-span (all dimensions are in mm)

Fig. 9: Sakata-Mirai Footbridge Cross-section at the supports (all dimensions are in mm)

Making use of the flowability of this material, the footbridge was designed with circular openings in the webs. No reinforcing bars were used in the structure (in web, slab and anchorage zones). For the fences, Ductal® FO, which is an organic fibre reinforced formula, was used.

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The footbridge weighs 1/5 of the conventional concrete footbridge. This project was jointly undertaken by Taisei Corporation, Taiheiyo Cement Corporation and Maeta Concrete Industry.

8 Conclusion With its very high mechanical strength, ductility, durability and aesthetics, Ductal® technology provides further flexibility in different structural applications including footbridges. The mechani-cal characteristics of this material can eliminate the necessity for using reinforcing bars. The four prototype footbridges built in different countries in the past, at different span lengths and cross-sectional geometries give the proof to that.

References [1] Setra, AFGC. “Ultra High Performance Fiber-Reinforced Concretes – Interim Recommendations”, January 2002. [2] Casanova P., Dugat J., Orange G. “Ductalâ : a New Generation of Ultra High Performance Fiber Reinforced Concrete”, Hong

Kong 2000. [3] Vernet C., Moranville M., Cheyrezy M., Prat E. “Ultra high durability concretes. Chemistry and microstructure”, Hong Kong

2000. [4] Adeline R., Lachemi M., Blais P. “Design and behaviour of the Sherbrooke footbridge”, Proceedings of the International Sym-

posium on High Performance and Reactive Powder Concretes, Sherbrooke University, Canada, 1998. [5] Casanova P. and Durukal A. “The Sermaises footbridge : a fire-resistant ultra high performance fibre reinforced concrete

footbridge without reinforcement”. Footbridge 2002 International conference. Paris 20-22 November 2002. [6] Behloul M., Chanvillard G., Casanova P., Orange G., “Fire Resistance of Ductalâ, Ultra High Performance Concrete”, fib 2002,

Osaka Japan. [7] Behloul M, Lee KC. Innovative Footbridge Design in Seoul, Seonyu Footbridge, fib 2002, Osaka Japan [8] Taisei Corp., Taiheiyo Cement Corp., Maeta Concrete Industry Ltd. “Sakata-Mirai Bridge Project Brochure”, 2002. [9] Architecture Studio, Shanghai Footbridge, Dossier de presse. Decembre 2002.

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Dipl.-Ing. Eberhard Pelke geboren 1955 1983 Diplom Bauingenieurwesen. TH Darmstadt, Konstr. Ing.-bau 1983-1988 BGS Ingenieursozietät, Frankfurt 1988-1990 Wiss. Mitarbeiter an der TU Stuttgart, Institut für Tragkonstruktionen und Konstruktives Entwerfen ab 1991 Hess. Landesamt für Straßen- und Verkehrswesen 2001 Dezernent Produktentwicklung und Qualitätsmanagement Bau

Neue Bauweisen im Ingenieurbau aus Sicht der Hess. Stra-ßen- und Verkehrsverwaltung

1 Zusammenfassung Ausgehend von der Geschäftsphilosophie der Hess. Straßen- und Verkehrsverwaltung „Kompe-tenz aus einer Hand“ werden die Anforderungsprofile für Produktqualitäten an Konstruktive In-genieurbauwerke aus Sicht des Bauherrn abgeleitet und auf die Neuentwicklungen Ultrahochfester Beton (UHPC) und Selbstverdichtender Beton (SVB) angewandt. Dabei steht die Leistungsfähigkeit der Bauwerke in der Phase des Betriebes im Zentrum. Weitere Bauwei-sen, die aus Bauherrensicht in diesem Sinne Entwicklungspotenzial haben werden kurz vorge-stellt.

2 Produktqualität aus Sicht des Bauherrn Bauwerke im Zuge von Straßen stehen im kreativen Spannungsfeld zwischen dem Bauherrn (Verwaltung), der Wissenschaft und der Industrie als Auftragnehmer. Kurrer zeigt in [01] auf, wie die drei Einflussfaktoren sich verhalten und gegenseitig in der Entwicklungsphase eines Bauproduktes bedingen. Leitziel der Hess. Straßen- und Verkehrsverwaltung ist dem Bürger bei der Planung, beim Bau und in der Phase des Betriebes von Straßen ein kompetenter Partner und Sachverwalter zu sein. Daraus ergeben sich vier grundlegende Anforderungen an Konstruktive Ingenieurbauwer-ke:

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1. Ganzheitlichkeit: Konstruktive Ingenieurbauwerke, obwohl singuläre Punkte mit ho-hem Spezialisierungsgrad, sind Teil des Gesamtbauwerks „Straße“.

2. Kundenorientierung: Jedes einzelne Bauteil des Gesamtbauwerks „Straße“ unterliegt der Grundforderung „Sicherstellung der Mobilität“.

3. Kostenbewusstsein: Der Fokus richtet sich auf die Phase der Nutzung, denn nicht Baukosten sondern Gesamtkosten sind der Maßstab.

4. Anlagevermögen: Straßenbauverwaltungen sind Sachverwalter der Bauherrn Bund, Land oder der Kreise.

Aufbauend auf den vier Grundanforderungen für Ingenieurbauwerke lassen sich die Produkt-qualität von Konstruktiven Ingenieurbauwerken aus Sicht des Bauherrn, neben den in Normen und Richtlinien festgelegten traditionellen Werten, wie folgt beschreiben [vgl. 02]:

• Gezielte Reserven der Dauerhaftigkeit bei Überlastungen • Flexibilität bei Nutzungsänderungen und Erweiterungen • Baustellengerechte konstruktive Durchbildung. Neue Technologien ersetzen

nicht den Ingenieurverstand oder die „Kunst des Konstruierens“ • Bevorzugung sicherer und einfacherer Lösungen, heißt den Realitäten auf der

Baustelle in Auge sehen • Gezielte Umsetzung der Bauwerksplanung, heißt vertragkonforme Umsetzung

des Bauherren-unsches • Standardisierung senkt Kosten und sichert Qualität • Anhebung von Produktqualität und Gewährleistung, ggf. in Abhängigkeit von Be-

deutung und Zugänglichkeit der Bauteile • Erhöhung der Kosteneffizienz in der Betriebsphase • Instandsetzungsgerechtes Planen und Bauen • Effizienz in der Wartung und bei Prüfkosten, z. B. durch freie Kontrolle der

Haupttragelemente • Minimierung von Wartungs- und Instandsetzungsintervallen • Instandsetzung und Ertüchtigung bei minimaler Verkehrseinschränkung, z. B

durch den möglicher Ersatz der Haupttragelemente unter Verkehr oder durch gezielte Ertüchtigungsfähigkeit oder Vorhaltung von Ertüchtigungselementen.

3 Die Nutzungsphase ist Qualitätsmaßstab Die Hess. Straßen- und Verkehrsverwaltung greift auf einen Fundus von rund 7000 Brücken zurück. Dieser Erfahrungsschatz fließt in die Planung und den Bau von rund 150 Bauwerken pro Jahr ein. Mit Beginn der großen Nachkriegsautobahnprojekten wurden zumindest Großbrücken einem Entwurfswettbewerb zwischen Firmen unterworfen und dem „Amtsentwurf“ gerne die Alibifunk-

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tion eines haushälterischen Kostenanschlags zugewiesen. Dies mündete oft in die Praxis, dem billigsten Nebenangebot den Zuschlag zu erteilen, sicherlich auch in der Hoffnung so Innovatio-nen zu fördern und gleichzeitig die Projektkosten zu senken. Erst Standards des Bauherrn, die Berechnung und Bemessung der Tragfähigkeit und die konstruktive Durchbildung gleichrangig nebeneinander stellten, sicherten eine ausreichende Dauerhaftigkeit der Bauwerke im Zuge von Straßen. ,Mit der Einführung der Zusätzlichen Technische Vertragsbedingungen für Kunstbau-ten (ZTV-K 76) begann der Bauherr sich von der Fokussierung auf die Baukosten zu lösen und wurde sich der Aufgabe bewusst, durch robuste und dauerhafte Bauwerke die Gesamtkosten aus Bau und Unterhaltung zu optimieren. Erstmals wird mit den europäischen Normen, einge-führt in Deutschland als DIN Fachberichte 100 bis 104, wird eine Nutzungsdauer – für Brücken beträgt sie 100 Jahre – festgesetzt. Tragfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit werden gleichran-gig behandelt. Durchschnittliche Instandsetzungskosten von 500 € pro m²-Brückenfläche, die alle 25 – 35 Jahre anfallen, zeigen, dass eine Verlagerung der Betrachtung hin zur Nutzungs-phase zwingend geboten ist. Der Qualitätsnachweis erfolgt in der Nutzungsphase!

4 Chancen hochfester Betone Betrachtet man das Entwurfsgeschehen im Brückenbau lassen sich fünf Bauwerksklassen in Abhängigkeit von Spannweiten finden. Von 00,00 m bis 02,00 m findet man Einfach- und Kleinstbauwerke, die nicht einer dauernder Bauwerksprüfung nach DIN 1076 und den Qualitätsanforderungen nach ZTV-K, jetzt ZTV-ING, unterliegen und folgend zielführender ersetzt werden. Brücken zwischen 2,00 m und 20,00 m Stützweite werden meist als Stahlbetonrahmen, ge-schlossen oder unten offen, oder Einfeldträgerbrücken ausgeführt. Schon aus gestalterischen Gründen sind diese Bauwerke eher gedrungen. Weiter steht die Minimierung von Schal- und Verlegekosten einer zu großen Schlankheit entgegen. Das Pilotprojekt Sasbach [03] zeigt, dass eine Einsparung an der Überbauhöhe von 22 cm zu 20% mehr Betonstahl und nahezu einer Verdoppelung des bezogenen Spannstahlbedarfs führt. In diesem Spannweitenbereich ergibt sich keine Erfordernis den Hochleistungsbeton einzusetzen. Mit der WTB-Bauweise ist eine leistungsfähige dauerhafte Lösung für hohe Schlankheit bei kurzer Bauzeit verfügbar. In dem Spannweitenbereich 20,00 m - 40,00 m dominierten durchlaufende Spannbetonplatten-balken mit nachträglichen Verbund. Der Entwerfer geht von einer Schlankheit l/20 aus, wenn eine Herstellung auf Lehrgerüst möglich ist. Die Vorgabe Lageraustausch und eine sinnvolle einlagige Spanngliedführung ergeben in der Regel Stegbreiten um 1,80 m. Am Überbauende sind Spanngliedverankerungen, Übergangskonstruktion, Längs- und Querträgerbewehrung gut betonierbar unterzubringen. Der Blick auf diesen sicherlich bekannten aber rein konstruktiven Entwurfsvorgang macht deutlich, dass der Bauherr den Fokus auf eine baustellengerechte Durchbildung richtet. Die Pilotprojekte [04] zeigen Schlankheiten von bis nahezu l/40 bei der

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Brücke über die Zwickauer Mulde bei Glauchau [05]. Bau-praktisch sind diese Schlankheiten in der Regel nicht erforderlich. Für die Pilotprojekte waren umfangreiche Qualitätssicherungspläne durch Mischwerk und Baustellenpersonal einzuhalten, was der derzeit vorhandenen Qualifikati-on des Baustellenpersonals und der Baustellenorganisation der Auftragnehmer im Brückenbau entgegenläuft. Aus Sicht des Bauherrn werden für diesen Spannweitenbereich Chancen nur bei einer werksmäßiger Herstellung von Bauteilen gesehen, z. B. der FT-Bauweise [06]. Betonbrücken mit externer Vorspannung sind bei Spannweiten zwischen 40,00 m - 60,00 m Regelbauweise und Marktführer. Diese Bauweise für Hohlkästen entstand aus der Erfordernis, den Betonierproblemen im Stegbereich bei Hohlkästen, die nachträglich vorgespannt sind, wirksam begegnen zu können. Voll oder teilweise extern vorgespannte Betonbrücken besitzen viele Elemente des instandsetzungsgerechten Bauens. Dieser Spannweitenbereich wird mit den bisher gängigen Betonfestigkeiten beherrscht. Eine Massenminimierung steht auch in die-sem Spannweitenbereich einer gezielten Dauerhaftigkeit der Bauwerke entgegen. Einzige Prob-lembereiche bleiben die singulären Lasteinleitungen oder Lastumleitungen. Mit dem Stahlverbund steht eine leistungsfähige und gutmütige Bauweise zur Verfügung, wenn höhere Schlankheiten gefordert sind. Für Spannweiten bis 80,00 m steht mit dem Stahlverbund eine wirtschaftliche Alternative zur externen Vorspannung zur Verfügung. In diesem Spannweitenbereich bieten die neuen DIN-Fachberichte ausreichend Möglichkeiten, ggf. auf höherfeste, normierte Betone zurückgreifen zu können. Der Einsatz von hochfesten Beton zur Erhöhung der Tragfähigkeit beschränkt sich aus Sicht der Hess. Straßen- und Verkehrsverwaltung auf Großbrücken mit Spannweiten von 80 m und mehr [07] oder auf hochbelastete Druckbauteile. Zielführender ist es hochfeste Betone, ihre betontechnologische Vorteile in der Dauerhaftigkeit ausspielen zu lassen. Wichtige Faktoren für den Bauherrn sind [08]:

• Verbesserung des Frost-Tausalz-Widerstandes (ggf. Wegfall von LP) • Verringerung der Karbonatisierungstiefe • Verbesserter Schutz gegen Chloridverseuchung • Hoher Verschleißwiderstand • Daraus lassen sich folgende Einsatzmöglichkeiten für hochfeste Betone ableiten: • Direkte befahrene Fahrbahnen bei Wirtschaftswegbrücken ohne Tausalzbelastung und

ggf. Brücken mit geringer DTV • Overlay bei Fahrbahnplatten (Stahlverbundbrücken mit hohem DTV) • Druckbelastete Bauteile • Betonfahrbahnen (Streckenbau)

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Hochleistungsbeton wird im Straßenbau in Skandinavien mit Erfolg aus den vorgenannten Gründen eingesetzt [08]. Seit rund 6 Jahren laufen in Österreich 10 Pilotprojekte mit direkt be-fahrbaren Brückentragwerken [09].

5 Chancen der ultra hochfesten Betone In [10] wird erläutert, dass die Dichtigkeit der ultrahochfesten Betone die oben genannten Qua-litätsfaktoren weiter ansteigen lässt. Dem gegenüber stehen jedoch für den Bauherrn Nachteile, teilweise bleibend, teilweise wird hier Verbesserungspotenzial gesehen. Im Einzelnen mag eine stichwortartige Aufzählung genügen:

• Sprödbruchverhalten, geringes Duktilitätsplateau nur über Stahlfasern erreichbar • Stahlfasern:

o Zugabe beschränkt (Formabhängig) o Fehlender Korrosionsschutz o Instandsetzung/Nachbesserung gehemmt

• Erhöhte Rissgefahr (Frührissbildung) [11] • Gesonderte Wärmebehandlung erforderlich • Auf Werksherstellung beschränkt • Hoher Aufwand der Nachbehandlung (ex. Wasserquelle) • Hohe Anforderungen an Misch-, Fertigteilwerk und Baustelle • Ausgleich niedriger w/z-Wert durch Betonzusätze • Explosionsartiges Abplatzen bei Brand „LF Havarie“ [12] • Umweltverträglichkeit ungeklärt.

Jede der 16 Straßenbauverwaltungen ist für die Standsicherheit und Verkehrssicherheit ihrer Bauwerke eigenverantwortlich. Darin begründet kann das Sprödbruchverhalten, also Bruch oh-ne Vorankündigung, reiner ultrahochfester Betone nicht akzeptiert werden. Über Stahlfasern ist ein gewisses plastisches Plateau in der Werkstoffkennlinie erreichbar. Ein planmäßiger Ansatz der Betonzugfestigkeiten von ultrahochfesten Betonen mit Stahlfasern ohne konventionelles Bewehren, z. B. im Stützbereich durchlaufender Brückenträger, ist noch nicht ausreichend für den praktischen Einsatz erforscht. Art und Form der Fasern sind ent-scheidend. Unter Zug werden die Fasern herausgezogen, deshalb sind aufgebogene, harken-förmige Fasern entscheidend besser. Um die einwandfreie Durchmischung des Betons zu gewährleisten, wird der Anteil der wirksam aufgebogenen Stahlfasern derzeit auf rund 2% be-schränkt. Auf die Reihenfolge der Einmischung ist zu achten. Durch die gleichmäßige Untermischung der Stahlfasern kommen diese auch an der Oberfläche zu liegen, was einen wirksamen Korrosionsschutz verhindert oder umfangreiche Zusatzmaß-

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nahmen erfordert. Ein weiteres Problem könnte durch herausstehende Fasern bei Nachbesse-rung und Instandsetzung entstehen. Alternativ erprobt werden daher Mikrofasern aus Edelstäh-len oder Polypropylenfasern (Spleißfasern). Das Verhalten unter Brand wird derzeit noch unterschiedlich bewertet. Während [12] „Polypro-pylenfasern (Spleißfasern) für UHPC unter Brandbeanspruchungen als nicht geeignet ansieht, wird in [10] von einer signifikanten Verbesserung ausgegangen. Explosionsartiges Versagen bei Brand bei Lastfall „Havarie“ ist für Fahrbahnplatten bzw. Betonstraßen nicht tolerierbar . Die Chancen ultrahochfester Betone werden von Bauherrenseite, ähnlich den hochfesten Beto-nen, bei speziellen, hochbelasteten Druckbauteilen und in den weiter sich verbessernden Dau-erhaftigkeitseigenschaften gesehen. Eine Werksfertigung ist derzeit unumgänglich. Gegenüber den hochfesten Beton wird daher davon ausgegangen, dass sich der Anwendungsbereich wei-ter eingeschränkt. Vor den ultrahochfesten Betonen liegt noch eine große Wegstrecke der Ent-wicklung und Forschung bis ein ausreichender Zug durch die Wissenschaft auf Verwaltung und Industrie innerhalb der Triade nach [01] entstehen kann und den ultrahochfesten Beton so zu einer verbreiterten Verwendung verhilft.

6 Chancen selbstverdichtender Betone Selbstverdichtende Betone (SVB) verfügen über nahezu die gleichen Werkstoffeigenschaften wie die uns bekannten Rüttelbetone [13]. Der Wegfall des Qualitätsrisikos „Rütteln“ kann als Vorteil gewertet werden. Hohe Dichtigkeit des nahezu mit flüssiger Konsistenz arbeitenden SVB vermeidet Hohlräume und lässt die Betonqualität bei komplizierter oder schwer erreichbaren Bauteil- und Bewehrungsgeometrien anwachsen. Den vorgenannten Vorteilen des SVB stehen die im folgenden, stichwortartig aufgeführten Nachteile gegenüber:

• Hohe Anforderungen an die Qualitätssicherung (QS-Plan) • Höhere Anforderungen an das Baustellenpersonal • Erhöhter Schalungsdruck [14] • Querneigung nur mit Betonverzögerer erreichbar „Flüssigkeitseigenschaften“ • Hohe Abhängigkeit von den Ausgangsstoffen • Geringe Bandbreite der Einbautemperatur

Die Frischbetoneigenschaften sind für SVB entscheidend. Zusammen mit der hohen Genauig-keit für Herstell- und Einbautemperatur sind hohe Anforderungen an die Qualitätssicherung für den gesamten Produktionsablauf zu stellen [15]. Die Herstellung von geneigten Brückenflächen steht im Widerspruch zu den typischen Eigen-schaften des SVB. Ansätze das erforderliche Quergefälle von 2,5% und mehr dennoch zu errei-chen sind in der Erprobungsphase [16].

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Um eine ausreichende Schubverzahnung zu erzielen, ist beim Einbau von Teilbereichen mit SVB darauf zu achten, dass zunächst der Normalbeton und erst im zweiten Schritt der SVB. eingebaut wird. SVB hilft Problembereiche im Betonbau, die schwer erreichbar oder hoch bewehrt und nicht konstruktiv zu vermeiden sind, qualitativ zu verbessern. So wird seitens der Hess. Straßen- und Verkehrsverwaltung für den SVB Potenzial gesehen im Tunnelbau bei Fugen und im Firstbe-reich oder bei extern vorgespannten Brücken für die Lastanleitungsbereiche von externen Spanngliedern. Hierzu führt die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) zusammen mit der Hess. Straßen- und Verkehrsverwaltung eine Pilotstudie in der anstehenden Baumaßnahme Schlossbergtunnel in Dilllenburg durch.

7 Weitere Bauweisen mit Innovationspotenzial Neben den hier ausführlicher behandelten betontechnologischen Weiterentwicklungen sollen noch kurz andere Bauweisen gestreift werden, die aus Sicht der Bauherrschaft Entwicklungspo-tenzial besitzen.

7.1 Stahlverbund In [02] sind die wesentlichen Anforderungen und sinnvolle Weiterentwicklungen aus Sicht des Bauherrn aufgezeigt. Im Gegensatz zu Frankreich und der Schweiz schöpft die Bauweise in Deutschland nicht ihre wirtschaftlichen Möglichkeiten aus. Begründet ist dies oft in der zu unge-nauen Bauvorbereitung und Projektsteuerung für die Schnittstelle Beton – Stahl und der Logis-tik. In [17] zeigt der Schweizer Dauner, basierend auf französischen Anwendungen und frühen Entwicklungen in der DDR, Möglichkeiten auf, die Bauzeit signifikant zu verringern und so den unter 1. formulierten Produktqualitäten Rechnung zu tragen.

7.2 Fugen- und lagerloses Bauen Die Hess. Straßen- und Verkehrsverwaltung sieht in der fugen- und lagerlosen Bauweise bei kleinen Bauwerken bis 100 m Gesamtlänge, insbesondere wenn sie überführend sind, einen wesentlichen Beitrag zum instandsetzungsgerechten und wartungsfreundlichen Bauen. Zur Zeit erstellt das Hess. Landesamt für Straßen- und Verkehrswesen zusammen mit König, Heunisch und Partner ein Entwurfsheft, das die wesentlichen Einsatzkriterien und Lösungsmöglichkeiten praxisorientiert darstellen wird [18]. Die Vor- und Nachteile des fugen- und lagerlosen Bauens werden hier wie folgt beschrieben: Vorteile:

• Realistische Abbildung des Tragverhaltens • Wegfall wartungsintensiver Bauteile

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• Wegfall des Schwachpunktes Fuge innerhalb des Bauwerks • Verbesserung des Kraftflusses • Vermeidung hoher Spannungskonzentrationen und Spaltkräfte an den Lagern • Verbesserung der Robustheit • Einsparung von Betonmassen • Gründung auf weniger tragfähigen Boden ohne aufwändige Bodenverbesserung • Verbesserte Widerlagergestaltung

Nachteile:

• Realistisches Bodengutachten erforderlich • Erhöhter Aufwand bei Entwurf und Berechnung (Grenzwertbetrachtung für Steifemodul

Es) • Bauablauf beeinflusst Zwangskräfte und zeitabhängigen Abbau • Abfluss der Vorspannung in den Baugrund • Abbau der günstig wirkenden Vorspannung inf. K+S • Verformungen des Tragwerks wirken direkt auf Hinterfüllung, d. h. Zugkräfte im Fahr-

bahnbelag in der Fuge Bauwerk – Strecke • Fuge Bauwerk – Strecke hat Entwicklungspotenzial • Fuge Bauwerk – Strecke gegen unvorhergesehene Setzungen empfindlich

7.3 Einsatz von Kunststoffen, GFK-Brücken Die Hess. Straßen- und Verkehrsverwaltung setzt den Carbonfaser-Kunststoff (CFK) bei In-standsetzung vermehrt ein, z. B. CFK-Sheets zur Erhöhung der Schubtragfähigkeit des Über-baus der Talbrücke Götzenhof im Zuge der BAB 7. Während glasfaserverstärkte Kunststoffe (GFK) in den USA und England mit ersten Überbauten oder Fahrbahndecks den Weg in den Straßenbrückenbau gefunden haben und auf eine nahezu 10jährige Erprobungszeit zurückblicken [19], steht dieser Werkstoff in Deutschland noch in der Experimentierphase. Gebaut wurde lediglich ein 2,00 m breiter Fußgängersteg mit einer Stützweite von 12,00 m durch die Gemeinde Bühl-Balzhofen. Im Bau befindet sich derzeit eine 2,50 m breite Fußgän-gerbrücke mit Hauptspannweiten von 15,00 m und 20,00 m, deren trogförmiger Überbau durch drei Rundstahlträger zwischen den Stützen abgehängt ist [20]. Vorteile des GFK-Werkstoffes sind nach [20] und [21]:

• Hohe Festigkeiten (in Höhe der Baustähle) • Gleiche Festigkeiten für Druck und Zug • Dauerhaft durch hohe Korrosions-, Chemikalien- und Witterungsbeständigkeit

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• Hoher Feuerwiderstand • Extreme Gewichtsersparnis • Gezielte Qualität durch Werksfertigung und bei hoher Maßgenauigkeit • Gute und vielseitige Bearbeitungsmöglichkeiten • Geringer Montageaufwand • Kurze Bauzeit • Ertüchtigungs- und Instandsetzungsfähigkeit • Hohe Umweltverträglichkeit [22].

Als Nachteil ist zunächst die sehr bedingte Duktilität der GFK zu nennen. Durch die Herstellung der GFK mittels Pultrusionsverfahren wird ein holzähnliches, anisotropes Werkstoffverhalten mit unter-schiedlichen Festigkeitsvermögen in und quer zur Faser erzeugt, was die Knotendimensi-onierung oft bestimmend machen wird. Unter dem Gesichtspunkt, das direkt befahrene und damit hauptbelastete Bauteil einer Deck-brücke, die Fahrbahnplatte, planmäßig ersetzen zu können, versprechen insbesondere Hybrid-konstruktionen aus Stahlhauptträgern mit schubfest verbunden GFK-Fahrbahndecks interessant zu werden [24]. Gelingt es die Duktilität der GFK oder anderen faserverstärkten Polymerkunststoffe (FRP) ent-scheidend voranzubringen, ein gängiges Bemessungsverfahren zu entwickeln und das Lang-zeitverhalten unter Verkehr abzusichern [19], [23], kann die GFK-Bauweise der Aufmerksamkeit des Bauherrn mittelfristig sicher sein, da sie dann in der Lage ist, den schmalen Anwendungs-bereiche der unter 4. und 5. dargestellten Sonderbetone zu verlassen.

8 Zusammenfassung Die Betonbauweise hat ihr größtes Potenzial durch ihre Einfachheit, dem Bauen in situ. Sie er-laubte es erstmals auch mittelständischen Firmen am Wettbewerb für größere Brückenbau-maßnahmen teilzunehmen. Nach dem zweiten Weltkrieg gelang es Baur und Leonhardt durch gezielte Entwicklung ihres Leoba Spannsystems auch den Spannbeton für mittelständische Unternehmen zu öffnen. Im Rahmen ihres Kostenkorsetts dankten es die Mittelständler mit soli-der handwerklicher Qualität. Eugène Marie Leon Freysinnet (1879 –1962) antwortete auf die Kunst seines Gesamtwerks angesprochen, etwas unwirsch: „Wo ist hier etwas Geniales? - Es ist Handwerkerarbeit.“ Die Hess. Straßen- und Verkehrsverwaltung sieht, die ständig aufgehende Schere zwischen Bau-stellenrealität, die einfache Lösungen einfordert, und Forschungsergebnissen, die sukzessive die Anforderungen an Planung und Bau von Brücken anhebt, mit Sorge.

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Aus Sicht des Bauherrn bewähren sich Bauwerke in der Nutzungsphase, wenn sie effizient die eingesetzten Mittel der Bürger nützen, Wartungs- und Instandsetzungsintervalle minimieren und der Grundanforderung „Sicherung der Mobilität“ nachkommen, ohne die Baukultur zu vernach-lässigen. Neue Bauweisen müssen diesen Anforderungen mit ihren Produktqualitäten nach-kommen.

Literatur [01] Kurrer, K.-E.: Stahl + Beton = Stahlbeton? Stahl + Beton = Stahlbeton! Beton- und Stahlbetonbau 92 (1997), H. 1, S. 13-18 [02] Pelke, E.: Dilltalbrücke Haiger: Abbruch und Neubau – Konsequenzen aus Sicht des Bauherrn. Stahlbau 69 (2000), H. 11,

S.881-893. [03] Bernhardt, K.; Brameshuber, W.; König, G.; Krill, A.; Zink, M.: Vorgespannter Hochleistungsbeton. Erstanwendung in Deutsch-

land beim Pilotprojekt Sasbach. Beton- und Stahlbetonbau 94 (1999), H. 5, S. 216-223 [04] Zilch, K.; Gläser, C.; Zehetmaier, G.; Hennecke, M.: Anwendung von Hochleistungsbeton im Brückenbau. Beton- und Stahlbe-

tonbau 97 (2002), H. 6, S. 297-302 [05] König, G.; Weigel, F.; Zink, M.; Arnold, A.; Maurer, R.: Erste deutsche Großbrücke aus Hochleistungsbeton – Berichte über

die Brücke über die Zwickauer Mulde bei Glauchau. Beton- und Stahlbetonbau 97 (2002), H. 6, S. 303-307 [06] Bulicek, H.; Braml, T.: Erste Fertigteilbrücke aus Hochleistungsbeton mit auswechselbaren Spannstahl. Straße und Autobahn

2002, H. 8, S.423-427 [07] Blaschko, M.: Hochfester Beton im Brückenbau – Erfahrungen beim Bau der Spannbetonbrücke Altenheim-Eschau-Beton-

und Spannbetonbau, H. 4, S. 201-208 [08] König, G.; Grimm, R.: Hochleistungsbeton in Beton-Kalender 1996. Berlin: Ernst Sohn, 1996, S. 458- 459 [09] Lindlbauer, W.; Zehetner, K.; Handler, H.; Steigenberger, J.: Hochleistungsbeton für direkt befahrbare Brückenbauwerke –

Anwendung bei der Badhausbrücke in Tulln. Bauingenieur 73 (1998), H. 4, S. 178-183 [10] Schmidt, M.; Fehling, E.; Bornemann, R.; Bunje, K.; Teichmann, T.: Ultra-Hochfester Beton: Perspektive für die Beton- und

Fertigteil-Jahrbuch 2003, S. 16-29 [11] Aitcin, Pierre Claude: Nachbehandlung von Hochleistungsbeton zur Minimierung der frühen Rissbildung. Beton- und Stahlbe-

tonbau 97 (2002), H. 6, S. 292-296 [12] Schneider, U.; Horvath, J.; König, G.; Dehn, F.: Materialverhalten von ultrahochfesten Betonen (UHPC). Beton- und Stahlbe-

tonbau 96 (2001),H. 7, S. 468–477 [13] Brameshuber W.; Uebachs, S.: Selbstverdichtender Beton. Beton- und Stahlbeton 97 (2002) Heft 6 Seite 316-321 [14] Graubner, C.-A.; Lieberum, K.-H.; Proske, T.: Eigenschaften von selbstverdichteten Beton. Beton- und Stahlbetonbau, H.12,

S. 650-656 [15] König, G.; Holschemacher, K., Maurer, R.; Dehn, F,: Selbstverdichtender Beton für den Brückenbau. Beton- und Stahlbeton

97 (2002) Heft 6 Seite 322–325 [16] Dehn, F.; Reintjes, K.-H.; Tauscher, F.; Maurer, R.: Verwendung von selbstverdichtetem Beton für geneigte Brückenflächen.

Beton- und Stahlbeton 97 (2002) Heft 12 Seite 657–662 [17] Dauner, H.-G.: Techniken zum Bau der Fahrbahnplatten bei Verbundbrücken. Stahlbau 71 (2002),H. 8, S.625-631 [18] Hessisches Landesamt für Straßen- und Verkehrswesen (Hrsg.) in Zusammenarbeit mit König, Heunsich und Partner: Ent-

wurfshilfen für des fugen- und lagerlose Bauen. Heft der Schriftenreihe der Hessischen Straßen- und Verkehrsverwaltung, 2003 (unveröffentlicht)

[19] Keller,T.: Use of Fibre Reinforced Polymers in Bridge Construction. Zürich: Structural Engineering Documents des IVBH, 2003 [20] Rupprich, B.: Vortragsunterlagen zur 100. Sitzung des Bund/Länder-Hauptausschusses Brücken- und Ingenieurbau, Berlin ,

2003 [21] Künzle, O.; Wyss, U.: Einsatz von GFK im Bauwesen, Beton- uns Spannbetonbau 95 (2000),H. 8; S. 489-495 [22] Daniel, R. A.: Construction material for a bridge with regard to the environment. Bautechnik 80 (2003), H. 1, S. 32-42 [23] Keller, T.: Fibre-Reinforced Polymers in Bridge Construction: An Introduction. Structural Engineering International 12 (2002),

H. 2 S. 66-70 [24] Cassity, P.; Richards, D.; Gillespie, J.: Compositely Acting FRP Deck und Girder System. Struc-tural Engineering International

12 (2002), H. 2 S. 71-75

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Bauoberrat Dipl.-Ing. Heiko Lehmkuhl geboren 1968 1996 Diplom Bauingenieurwesen, TH Darmstadt, Verkehrs-

wesen 1998 Bauassessor, Hessische Straßen- und Verkehrsverwal-

tung 1998-2001 Sachgebietsleiter Planung B, K- Str. ASV Fulda 2002 Projektleiter Planung und Bau Kreisstr. ASV Fulda seit 2002 Abteilungsleiter Straßenbau, Stadt Kassel, Straßenver-

kehrsamt

Erneuerung der Gärtnerplatzbrücke mit UHPC – Randbedingungen und Aufgaben des Baulastträgers

1 Zuständigkeit und Lage Der Stadt Kassel obliegt als Baulastträger für nahezu alle Brückenbauwerke innerhalb des Stadtgebietes auch die Planung, der Bau sowie die Unterhaltung der die Fulda überspannen-den Gärtnerplatzbrücke. Es handelt sich um eine kombinierte Fuß- Radwegbrücke, die in Er-gänzung zu den benachbarten Flussquerungen (ca. 500 m in südlicher Richtung Damaschkebrücke sowie ca. 900 m in nordöstlicher Richtung Schwimmbadbrücke) das ehema-lige Bundesgartenschaugelände längs der Fulda mit der Karlsaue insbesondere für den Frei-zeitverkehr verknüpft. Bild 1 Stadtkarte

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Bild 2: Luftbild

2 Bestehendes Bauwerk Bei der 1981 fertiggestellten Gärtnerplatzbrücke kam eine Holzkonstruktion aus Fichte mit Boh-lenbelag aus Bongossiholz zur Ausführung. Bei den Quer- und Hauptträgern wurde Brett-schichtholz verarbeitet. Der 147 m lange Überbau mit 5,80 m lichter Breite besteht aus einem trogförmigen Querschnitt als Durchlaufträger über 7 Felder mit Stützweiten bis 24 m. Der Haupt-träger als Gerberträger in Flussmitte erreicht 36 m Stützweite.

Bild 3: Gärtnerplatzbrücke

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3 Radfernweg R1 Der hessische Radfernweg R1 verläuft seit der Herstellung einer neuen Fuldaquerung im Som-mer 2000 bei Fuldabrück-Bergshausen über die Gärtnerplatzbrücke. Insofern besteht ein ausgeprägtes und regelmäßiges Verkehrsbedürfnis des überregionalen Fahrradverkehrs wie auch des örtlichen Fußgänger und Radverkehrs als Quell- und Zielverkehr des Bundesgarten-schaugeländes. Die Brücke hat in den zurückliegenden 22 Jahren bedeutende Verbindungs-funktion für die stark frequentierte Wegebeziehung zwischen Karlsaue und Bundesgartenschaugelände erlangt und sorgt heute für eine optimale Erschließungsqualität des weitläufigen Freizeit- und Erholungsgeländes. Die Erhaltung der attraktiven Wegeverbindung soll auch zukünftig dazu beitragen den Standort Nordhessen für den Tourismus zu stärken, indem weiterhin eine den Anforderungen eines stark genutzten hessischen Radfernweges genügende Infrastruktur bereitgestellt wird.

4 Schädigung der Holzkonstruktion Die Hauptträger sind frei bewittert. Seitlich wurde kein konstruktiver Holzschutz vorgesehen. Die Oberseite der Träger ist abgeschrägt und mit einer Bretterschalung abgedeckt. Eine Sperr-schicht ist nicht vorhanden. Die Querträger und Windauflagerböcke unterhalb der Fahrbahn sind vor der Witterung geschützt. Auskragende Querträger sind an den Stirnflächen und an der Oberseite mittels Blechabdeckungen geschützt; die Seitenflächen sind frei bewittert. Nach der Feststellung von großflächigen Rissen und Holzausbrüchen an einem der beiden Hauptträger im Rahmen der Brückenkontrollen wurde im Juli 1999 eine erste Schaden-feststellung vorgenommen. Hierbei wurden am innenseitigen Hauptträger an der wetterbe-anspruchten Seite nahezu auf gesamter Länge im Bereich 15 bis 20 cm über Fahrbahnbelag größere Faulstellen und grobe Holzausbrüche festgestellt. Das vergleichsweise feuchte Klein-klima an der Fulda hat in Verbindung mit Braunfäule und Pilzbefall zu Ausbrüchen geführt. Die Tiefe der Fäulnis wurde bis zu 10 cm gemessen. Zu diesem Zeitpunkt war zu vermuten, dass Fäulnis an einigen Stellen tiefer geht und die Festigkeit des Holzes auch über die ganze Quer-schnittstiefe deutlich reduziert ist.

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Bild 4: Fäulnisstelle

Nach der ersten Begutachtung wurde eine deutliche Reduzierung der Traglast gegenüber der ursprünglichen Bemessungslast durch den Ausfall von mindestens einem Längsträger einge-schätzt. Zur Beurteilung der Frage, ob das Bauwerk sanierungsfähig und noch sanierungs-würdig ist, als auch zur Ermittlung der noch aufnehmbaren Last musste eine statische Vergleichsrechnung im Zuge einer vollständigen Schadensaufnahme erfolgen. Daher wurde im August 1999 ein Gutachten zur Beurteilung der Resttragfähigkeit unter Berücksichtigung der festgestellten Schäden von einem Prüfingenieur für Baustatik für die Fachrichtung Holzbau er-stellt. Vom Vermessungsamt der Stadt Kassel gemessene Durchbiegungen stellten sich als so gering heraus, dass hieraus keine Folgerungen bezüglich der restlichen Tragfähigkeit der Brücke ge-troffen werden konnten. Die übliche Verkehrslast von 5 kN/m² wird im Normalfall bei weitem nicht erreicht. Lediglich bei Veranstaltungen auf der Fulda wie z. B. Wasserumzug des Zissel oder Ruderregatten muss mit großen Menschenansammlungen auf der Brücke gerechnet wer-den. Die Auswertung der zahlreichen Erkundungsbohrungen zeigte jedoch, dass bezogen auf die Querschnittsbreite, im Mittel etwa 2/3 des Holzes geschädigt war. Für den Restquerschnitt durf-te somit nur noch 1/3 der Breite als tragend angesetzt werden.

5 Statische Untersuchung und Sofortmaßnahme Ein statischer Nachweis ergab bei Berücksichtigung des Restquerschnitts sowie der vollen Ver-kehrslast eine hohe Überschreitung der zulässigen Biegespannungen. Um die Brücke dennoch weiterhin nutzen zu können wurde von der Stadt Kassel dem Vorschlag des Gutachters zur Reduzierung der Verkehrslast gefolgt und der Querschnitt halbseitig gesperrt. Angesichts der

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verfügbaren Breite von 5,80 m konnte vorläufig ein verbleibender Querschnitt von 2,90 m in Kauf genommen werden. Der nutzbare Brückenteil musste unmittelbar neben dem ungeschä-digten Hauptträger liegen, um so die durch Fäulnisbefall geschwächten Träger zu entlasten.

Bild 5: Sofortmaßnahme

Die einseitige Nutzung des Bauwerks wurde von Eisfeld [1] lediglich für einen Zeitraum von 2 bis 3 Jahren empfohlen, da die Braunfäule im Holz weiter voranschreitet. Eine Sanierung der Brücke durch Austausch der geschädigten Hauptträger durch neue Holzträger ist nicht sinnvoll, da das gesamte Gefüge des Bauwerks gestört würde. Weiterhin kann eine Vorhersage des Verhaltens der bisher noch nicht geschädigten Bauteile nicht gegeben werden, da sie teilweise ungeschützt der Witterung ausgesetzt sind. Angesichts der gravierenden FäuInisschäden wurde vom Baulastträger entschieden, das der Überbau der Gärtnerplatzbrücke abgebrochen und in Betonbauweise erneuert werden soll. Mittlerweile ist der Zeitraum bis zur empfohlenen Erneuerung verstrichen. Die Brücke wurde intensiv hinsichtlich weiterer Schäden beobachtet. Bei Veranstaltungen auf der Fulda wird das Bauwerk aus Sicherheitsgründen ab Juli 2003 gesperrt.

6 Kooperation mit der Universität Kassel Die Universität Kassel, die maßgeblichen Anteil an der Entwicklung von ultrahochfesten Beto-nen bis zur Anwendungsreife hat, fragte zum Zeitpunkt der anstehenden Vorplanung des neuen Überbaus bei der Stadt Kassel an, ob in der Heimatstadt der Universität geeignete Erstanwen-dungsfälle für UHPC bei einem kleineren Brückenbauwerk denkbar seien. In mehreren Bera-tungen, in denen der innovative Baustoff selbst sowie die außergewöhnlichen gestalterischen Möglichkeiten im Bauwerksentwurf den Verantwortlichen der Stadt und den vor dem Hinter-grund einer beabsichtigten Zuwendung aus Mitteln des Gemeindeverkehrs-finanzierungsgesetzes zuständigen Stellen der Hessischen Straßen- und Verkehrsverwaltung

pgeschädigter Träger

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vorgestellt wurden, zeigte sich, dass die Erneuerung des gesamten Überbaues der Gärtner-platzbrücke mit UHPC eine ideale Erstanwendung im europäischen Brückenbau darstellt. Aufgrund der bisher nur in begrenztem Umfang vorliegenden Erfahrungen im Brückenbau mit hochfesten Betonen hinsichtlich Konstruktion, Bau und Unterhaltung muss gewährleistet sein, dass einerseits der Entwurf speziell auf die Besonderheiten und Stärken des Baustoffs abge-stimmt wird und andererseits, dass Planung, Bauvorbereitung und Bau wissenschaftlich beglei-tet werden. Daher wurde vereinbart, die Planung für das Pilotprojekt in enger Kooperation zwischen Stadt und Universität auch vor dem Hintergrund einer Stärkung des Wissenschafts-standortes Nordhessen voranzutreiben. Eine Beratung und Begleitung durch die Hessische Straßen- und Verkehrsverwaltung in fach-technischer Sicht ist hinsichtlich der Produktentwicklung integraler Bestandteil der Planung. Auf-gabe des Baulastträgers bei dem Pilotprojekt ist die Veranlassung, Überwachung und Koordination aller Fachbeiträge, die Vergabe sowie die Sicherstellung der Finanzierung im Haushalt.

Stadt KasselStraßenverkehrssamt

Uni KasselFG Werkstoffe des

BauwesensFG Massivbau

AN PlanerIng. Büro Fehling + Jungmann

HMWVLZuwendungs-

geber

GutacherUni Leipzig

HSVVHLSV

ASV Bad ArolsenASV Kassel

Stadt KasselStraßenverkehrssamt

Uni KasselFG Werkstoffe des

BauwesensFG Massivbau

AN PlanerIng. Büro Fehling + Jungmann

HMWVLZuwendungs-

geber

GutacherUni Leipzig

HSVVHLSV

ASV Bad ArolsenASV Kassel

Bild 6: Projektbeteiligte – Planung

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7 Randbedingungen für den Entwurf Aufgrund der äußerst problematischen Haushaltssituation sowie der vergleichsweise kurzen Le-bensdauer des ersten Überbaues von nur 22 Jahren wird seitens der Stadt Kassel auf die Her-stellung eines unterhaltungsfreundlichen Bauwerkes gesteigerter Wert gelegt. Anfängliche Bedenken hinsichtlich der sehr schlanken Konstruktionen und der geringen planmäßigen Be-tonstahlüberdeckung konnten rasch zerstreut werden, da UHPC praktisch keine Kapillarporen infolge niedrigem w/z-Wert sowie feststoffreichem Zementstein mehr enthält. Die außerordent-lich hohe Gefügedichtigkeit bewirkt, dass eine sehr hohe Druckfestigkeit (planmäßig B 150 vor-gesehen) erreicht wird. Die Karbonatisierung ist gegenüber Normalbeton deutlich verlangsamt. Chloride dringen praktisch nicht ein. Der Frost-Taumittelwiderstand wird von Schmidt [3] als wesentlich besser gegenüber herkömmlichen LP-Beton angegeben. Bei der Querschnittsdimensionierung der Gärtnerplatzbrücke spielt das Eigengewicht des neu-en Überbaues eine große Rolle, da die bestehende Gründung, die für eine leichte Holzkonstruk-tion konzipiert wurde, aus Kostengründen erhalten werden soll. Insofern ist auch vor diesem Hintergrund UHPC sehr vorteilhaft. Bei gleicher Tragfähigkeit sind wesentlich kleinere Quer-schnitte möglich als mit bewehrtem Normalbeton. Folgende weitere Randbedingungen mußten bereits bei der Vorplanung berücksichtigt werden: • Beachtung des Lichtraumprofiles über dem höchsten schiffbaren Wasserstand der Fulda

(Pfeilererhöhung bei größerer statischer Höhe) • Erreichbarkeit des Bauwerkes mit LKW über 12 Mg ausschließlich über eine Seite (Aue-

damm) • Verfügbare Breite zwischen den Geländern 4,50 m (gegenüber 5,80 m bei der Holz-

konstruktion) • Reine Fuß- Radwegbrücke zur Aufnahme des Hessischen Radfernweges R1 • Optisch leichte und architektonisch gelungene Konstruktion hinsichtlich der Be-

einträchtigung des Landschaftsbildes bei Überbauquerschnitt und Geländer, die den Mög-lichkeiten des neuen Baustoffes entspricht.

• Fertigung des gesamten Überbaues unter kontrollierten Bedingungen im Fertigteilwerk. • Planung nach Maßgabe des Grundsatzes der Sparsamkeit auch im Vergleich zu einer her-

kömmlichen Spannbetonbrücke • Notwendigkeit zum zeitnahen Ersatz (Genehmigungsverfahren für Baustoff und Konstrukti-

on) • Nach Möglichkeit Erhalt der Pfeilergründungen und der Pfeiler

8 Entwurf Gemäß Vorplanung von Fehling [2] ist beabsichtigt, den neuen Überbau als siebenfeldrigen Durchlaufträger, der aus einem Obergurt aus UHPC Fertigteilplatten und einem Untergurt als Stahlfachwerk besteht, herzustellen. Die Verbindung von Ober- und Untergurt wird mittels ultra-

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hochfesten, verklebten Fertigteilbindern sowie Kopfbolzen erfolgen. Die Fahrbahnplatte besteht aus Betonfertigteilplatten (4,10 m x 2,50 m), die im Mittel nur 8 cm dick sind. Bei dem Entwurf wurden die beim Bau des Sherbrooke Pedestrian-Bikeway [4] in Quebec gemachten Erfahrun-gen berücksichtigt. Bei dieser weltweit erstmalig in UHPC erstellten größeren Fußgängerbrücke mit 60m Stützweite wurde ein ähnlicher Überbau und die Fertigung unter kontrollierten Bedin-gungen im Fertigteilwerk sowie die segmentweise Montage mittels Mobilkran gewählt.

Bild 7: Entwurf UHPC/Stahl

Da der Baustoff nicht in den gültigen Normen enthalten ist, wird eine Zulassung im Einzelfall der Stadt Kassel als zuständige Bauaufsicht benötigt. Hierzu wird ein wissenschaftliches Gutachten zur Begründung einer Zulassung im Einzelfall eines geeigneten Gutachters erstellt. In Abstim-mung mit der Hessischen Straßen- und Verkehrsverwaltung, die den Entwurf in konstruktiver Hinsicht beurteilt, ist als externer Gutachter das Institut für Massivbau und Baustofftechnologie der TU Leipzig tätig, das auch mit der statischen Prüfung beauftragt wird, zumal der wissen-schaftliche Gutachter mit den Besonderheiten des Baustoffs und der Konstruktion vertraut ist.

9 Finanzierung Die laut Kostenschätzung von Fehling [2] mit Stand 16.07.03 ermittelten Gesamtbaukosten be-laufen sich auf ca. 1,21 Mio. €. inklusive Abbruch der alten Holzbrücke sowie der Pfeilerschei-ben. Dies entspricht einem Wert von 1.829,- €/m². Ca. 190.000,- € Baunebenkosten für

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Planung, Statik, Zulassung im Einzelfall, Bauüberwachung und Qualitätssicherung sind zu er-warten. Die Unterstützung des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landes-entwicklung bei der Finanzierung wurde in Aussicht gestellt. Für die Stadt Kassel verbleibt unter Zugrundelegung einer Förderung aus Mitteln des GVFG/FAG ein Eigenanteil von 10 % der för-derfähigen Baukosten zuzüglich der nicht zuwendungsfähigen Kosten.

10 Geplanter Projektablauf Nachdem der Vorentwurf im Juli 2003 erstellt war, ist eine Fertigstellung des Entwurfs im Sep-tember vorgesehen. Der Zuwendungsantrag und die Erarbeitung des Leistungsverzeichnisses werden parallel bearbeitet. Die Submission kann nach derzeitigem (Juli 2003) Kenntnisstand im November sein. Hinsichtlich des Vergabeverfahrens für die Bauleistungen ist eine beschränkte Ausschreibung nach vorgeschaltetem öffentlichen Teilnahmewettbewerb vorgesehen, da auf-grund der Eigenart der Leistung die Arbeiten nur von einem beschränkten Kreis von Bauunter-nehmen in geeigneter Weise ausgeführt werden kann. Ein freier Wettbewerb findet somit innerhalb des Bewerberkreises statt, der vom Auftraggeber aufgefordert wird, ein Angebot ab-zugeben. Für die neue Bauweise, für die noch keine Erfahrungen vorliegen, wird eine enge Zu-sammenarbeit des Fertigteilwerkes mit der Baufirma erforderlich. Erfahrungen mit hochfestem Beton, fachkundige Arbeitskräfte, besondere technische Einrichtungen sowie außergewöhnliche Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit werden vergaberelevante Kriterien sein. Die Vergabe ist für Ende 2003/Anfang 2004 vorgesehen. Die Bauarbeiten sollen innerhalb des Jahres 2004 abgeschlossen werden. Literatur [1] Eisfeld, W. Beurteilung der Tragfähigkeit unter Berücksichtigung der festgestellten Schäden Gutachten, August 1999 [2] Fehling + Jungmann GmbH Ingenieurbüro für Bauwesen, Beratende Ingenieure VBI Vorplanung Juli 2003 [3] Schmidt,M. et al. Dauerhaftigkeit von Ultra Hochleistungsbeton Universität Kassel, 2003 [4] Deline, P. et. al. The Sherbrooke Pedestrian/Bikeway Bridge, Summary, Quebec

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Dipl.-Ing. Walter Schreiber geboren 1954 1984 Diplom Bauingenieurwesen, Universität Kassel 1984-1986 Mitarbeiter im Ingenieurbüro Mehlhorn und Pottharst,

Kassel 1986-1991 Mitarbeiter im Ingenieurbüro Hensel, Kassel 1991-1997 Geschäftsführer im Ingenieurbüro

Jungmann und Partner GmbH, Kassel seit 1998 Geschäftsführer im Ingenieurbüro für Bauwesen

IBB Fehling + Jungmann GmbH, Kassel

Entwurf, Konstruktion und Bemessung der Gärtnerplatzbrücke

1 Allgemeines Im nächsten Jahr soll über die Fulda in Kassel eine weitgespannte Brücke aus Ultra-Hochleistungsbeton (UHPC) gebaut werden. Das neue Bauwerk ersetzt an gleicher Stelle eine bestehende Holzbrücke aus dem Jahre 1980. Der Holzüberbau der vorhandenen Siebenfeldbrücke ist heute so marode, dass ein Teil dieser Rad- und Fußgängerbrücke bereits gesperrt werden musste. Eine Sanierung des Holzüberbau-es scheidet aus wirtschaftlichen Gründen aus. Die vorhandenen Betonpfeiler und Fundamente der Siebenfeldbrücke befinden sich in einem guten Zustand. Besonders die aufwändig gearbei-teten Flusspfeiler einschließlich der Fundamentierung sollten beim Aufbau einer neuen Brücke erhalten bleiben. Die Fundamentierung der alten Brücke ist jedoch nur für eine leichte Holzkon-struktion dimensioniert. Der neue Überbau der Brücke darf somit nicht viel schwerer sein als der alte Holzüberbau. Aus diesen schwierigen Randbedingungen entwickelte sich die Idee, eine besonders leichte Betonkonstruktion aus Hochleistungsbeton zu planen und zu bauen. Für den Entwurf der „Neuen Gärtnerplatzbrücke“ sind folgende Randbedingungen einzuhalten:

• Gesamtlänge des Überbaus ca. 147,00 m. • Breite zwischen den Geländern 4,50 m.

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• Verkehrsbelastung ausschließlich für Fußgänger, Radfahrer und Wartungs-Kfz von ca. 3,0 to.

• Die Pfeilerfundamente sollen bei der neuen Brücke wiederverwendet werden. • Die zum Einsatz kommenden Baustoffe sollten als Gesamtkonstruktion sehr leicht sein. • Die Konstruktion sollte dauerhaft und wartungsfreundlich sein.

Auf Grundlage dieser Randbedingungen wurden diverse Vorentwürfe für die neue Überbaukon-struktion entwickelt. Die Mehrzahl dieser Entwürfe sah räumliche Fachwerkkonstruktionen mit einer dünnen Deckplatte aus UHPC vor. Im Vortrag werden einige dieser Vorentwürfe vorge-stellt und kommentiert.

2 Der ausgewählte Entwurf Bei dem ausgewählten Entwurf kommt eine räumliche Fachwerkkonstruktion zur Ausführung. Eine Verbundkonstruktion aus ultrahochfestem Beton und Stahlfachwerkstreben bildet das Tragwerk. Der Regelquerschnitt ist auf Bild 1 dargestellt.

Bild 1: Regelquerschnitt

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Den Untergurt des Dreiecksbinders bildet ein gevoutetes Rundrohr aus Stahl. Es ist angedacht, das Rundrohr in Bereichen mit hoher Belastung durch eine Füllung aus ultrahochfestem Beton zu verstärken. Durch diese Maßnahme kann mit kleineren Querschnitten geplant werden. Den Obergurt des Dreiecksbinders bilden Spannbetonfertigteile aus UHPC. Die Außenflächen dieser Fertigteile sind entsprechend dem äußeren Design des Überbaus abgerundet. Durch eine Holzstäbchenschalung wird gezeigt, dass es sich um eine Betonkonstruktion handelt. Um der Rissbildung vorzubeugen, werden die Betonquerschnitte im Spannbett durch Litzen vorge-spannt. Die Dreiecksbinder werden im Fertigteilwerk vorgefertigt und durch einen liegenden Montageverband (Stahlverband im Bereich des Obergurtes) im Bauzustand ausgesteift. Zusätz-lich werden für den Lastfall Montage und Anheben vertikale Stahlverbände in die Binder einge-baut. Der größte Binder hat eine Länge von ca. 36,00 m und eine Breite von 2,50 m. Dieses Bauteil überspannt die Fulda im Flussbereich. Der Untergurt dieses Binders ist parabelförmig gevoutet, um das Lichtraumprofil für den Schiffsverkehr freizuhalten (siehe Bild 2). Der Transport und die Montage der Fertigteilbinder erfolgt feldweise. Die 7 Einzelbinder werden nach der Montage im Stützenbereich zu einem Gesamttragwerk zusammengebaut.

Bild 2: Längsschnitt im Flussbereich der Fulda

Die Durchlaufwirkung der Siebenfeldbrücke wird durch zwei unterschiedliche Techniken er-reicht. Im Bereich der Flusspfeiler sind die Vouten der Dreiecksbinder besonders hoch. Hier wird der Kraftschluss im Untergurtbereich durch einen Stahlbauanschluss hergestellt. Die Spannbetonobergurte der Binder werden durch eine Längsvorspannung miteinander verbun-den. Hierfür wird ein Spannverfahren mit Monolitzen angedacht. Im Bereich der Vorlandpfeiler werden Dreiecksbinder mit geringerer Höhe ausgebildet und Stüt-zenquerträger aus Ortbeton eingebaut. Auch hier wird nachträglich eine Längsvorspannung aufgebracht. Elastomere Lager sorgen in diesem Bereich für eine zwängungsfreie Lasteinlei-tung in die Brückenpfeiler.

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Die Konstruktion der eigentlichen Fahrbahnplatte ist auf Bild 1 zu sehen. Es werden dünne Be-tonfertigteilplatten aus UHPC der Güte C180/195 eingebaut. Die Platten sind ca. 4,30 m lang, ca. 2,50 m breit und im Mittel ca. 8,0 cm dick. Als Bewehrung kommen Stahlfasern (Fasergehalt 2,0-2,5 Vol. %) zur Anwendung. Auf eine sonst übliche schlaffe Bewehrung soll möglichst verzichtet werden, da UHPC stärker schwindet als Normalbeton. Versuche haben gezeigt, dass Platten aus ultrahochfestem Beton vermehrt reißen, wenn der Beton auf die unnachgiebige Bewehrung schwindet. Gute Erfahrungen hat man mit vorgespanntem UHPC gemacht. Es wird angedacht, die Platten in Querrichtung der Brücke vorzuspannen (mit Litzen im sofortigen Verbund), um die Rissbil-dung zu minimieren und die Tragfähigkeit zu steigern. Die vorgefertigten Plattenelemente werden nach der Fertigstellung einer Wärmebehandlung ausgesetzt, um den Großteil der Schwindverkürzungen vorwegzunehmen. Die Restschwindver-kürzung nach der Wärmebehandlung ist so gering, dass sie vernachlässigt werden kann. Nach der Fertigstellung der Betonplatten werden diese auf die Baustelle transportiert und zug- und schubfest auf die fertigen Binder geklebt. Der Verbund zwischen den Obergurten (aus vor-gespanntem UHPC) des Dreiecksbinders und den Fertigteilplatten (aus UHPC mit Stahlfasern) wird mittels Epoxidharz hergestellt. Das Epoxidharz ist mit Quarzmehr gefüllt. Die im Regelquerschnitt dargestellten Kopfbolzen zwischen beiden Bauteilen dienen lediglich zur Montagesicherung.

Bild 3: Verankerung der Betonfertigteilplatten (UHPC C180/195) auf den Dreiecksbindern

Bild 3 zeigt die Verankerung der Fertigteilplatten auf den Bindern. Auch die Fuge zwischen den einzelnen Betonplatten wird durch eine kraftschlüssige Epoxidharzverbindung geschlossen. Erst nach dem kompletten Verlegen der UHPC-Platten wird die Längsvorspannung aufge-bracht. Für die späteren Lastfälle Ausbaugewicht und Verkehr wird ein durchlaufender Ver-bundquerschnitt angesetzt.

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Nach Fertigstellung des Verbundtragwerkes wird auf der Oberseite der Platte eine im Brücken-bau übliche Abdichtung aufgebracht. Als Schutz der Fahrbahntafel wird an der Oberseite ein Gefälleestrich eingebaut, der auch für ein ausreichendes Quergefälle sorgen soll. Im Rahmen der Entwurfsplanung wird auch alternativ angedacht, auf den Gefälleestrich zu ver-zichten und statt dessen ein Oberflächenschutzsystem (z.B. OS 11) einzubauen.

3 Schlusswort Die Gärtnerplatzbrücke über die Fulda in Kassel soll saniert werden. Im Rahmen der Sanie-rungsmaßnahme wird der vorhandene marode Holzüberbau abgebrochen und durch einen neuen Überbau ersetzt. Die Fundamentierung der Holzbrücke wird wiederverwendet. Ziel bei der Entwurfsplanung war es, eine Überbaukonstruktion zu entwickeln, die dauerhaft und wartungsfreundlich ist. Wegen der Wiederverwendung der vorhandenen Fundamente durfte der neue Überbau zudem nicht viel schwerer als der alte Holzüberbau werden. Aufgrund der obengenannten Zielvorgaben werden bezüglich Materialeinsatz und Bauteilab-messungen neue Wege begangen. Die gewählte Verbundkonstruktion aus ultrahochfestem Beton im Obergurt und einem Stahlfachwerk als Untergurt bildet das gewünschte leichte und filigrane Tragwerk des neuen Überbaus. Bei der Planung wurde ein besonderes Augenmerk darauf gerichtet, den neuen Baustoff - Ult-rahochfesten Beton - in den Bereichen einzusetzen, in denen er herkömmlichen Baustoffen überlegen ist. Mit UHPC kommt ein Baustoff zum Einsatz, der geringe äußere Abmessungen zulässt und eine hohe Dichtigkeit aufweist. Die hohe Dichtigkeit macht UHPC zu einem witte-rungsbeständigen und dauerhaften Baustoff. Aufgrund der geringen Abmessungen und der Verwendung von UHPC werden die derzeit gülti-gen Normen in Teilbereichen nicht eingehalten. Ersatzweise werden die statischen Berechnun-gen durch Materialversuche und Zustimmungen im Einzelfall abgesichert.

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Prof. Dr.-Ing. habil. Nguyen Viet Tue geboren 1957 1987 Diplom Bauingenieurwesen, TH Darmstadt 1992 Promotion, TH Darmstadt 1997 Habilitation, TH Darmstadt 1997-2001 Ingenieurbüro König und Heunisch, Beratende Ingeni-

eure seit 2001 Geschäftsführer König & Heunisch Planungsgesell-

schaft mbH, Leipzig seit 2003 Professor, Institut für Massivbau und Baustofftechnolo-

gie, Universität Leipzig

Dipl.-Ing. Holger Schneider geboren 1970 1997 Diplom Bauingenieurwesen, Universität Hannover 1997-2000 Zerna, Köpper und Partner, Ingenieurgesellschaft für

Bautechnik, Bochum seit 2000 Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Institut für Massivbau

und Baustoff-technologie, Universität Leipzig

Besonderheiten bei der Bemessung und der konstruktiven Ausbildung von Bauteilen aus UHPC im Rahmen der Zustimmung im Einzelfall

1 Einführung Ultrahochfeste Betone (UHPC) stellen nach derzeitiger Rechtslage kein geregeltes Bauprodukt dar. Zum Einen weichen die Eigenschaften dieser Betone wesentlich von denen der in der Bauregelliste A bekannt gemachten technischen Regeln ab, zum Anderen existieren zum heuti-gen Zeitpunkt keine allgemein anerkannten Regeln der Technik oder technische Baubestim-mungen zur Bemessung der entsprechenden UHPC-Bauteile und deren Verbindung mit Stahlbauteilen. Für die Realisierung des Bauvorhabens „Gärtnerplatzbrücke über die Fulda in der Karlsauhe“ muss deshalb ein Antrag auf die „Zustimmung im Einzellfall“ bei der obersten Baubehörde des Landes Hessen beantragt werden. Die hierfür erforderliche Stellungnahme soll

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unter Leitung des erstgenannten Verfassers am Institut für Massivbau und Baustofftechnologie der Universität Leipzig bearbeitet werden.

Aufbauend auf den bisherigen Erfahrungen im Rahmen von Forschungsarbeiten mit dem Werk-stoff UHPC werden im Folgenden kurz die wesentlichen mechanischen Eigenschaften des UHPC vorgestellt und gegen die bestehende aktuelle Bemessungsnorm DIN 1045-1 [1] bzw. dem DBV-Merkblatt „Stahlfaserbeton“ [3] abgegrenzt.

Basierend auf den Erfahrungen im Rahmen der Umsetzung der Technologie des hochfesten Betons in die Praxis werden die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Anwendung des UHPC grob umrissen. Darüber hinaus werden erforderliche experimentelle Untersuchungen an Bautei-len kurz erläutert. Sie sind mit fortschreitendem Projekt entsprechend zu verfeinern.

2 Bauwerksbeschreibung 2.1 Allgemeines Der neu zu erstellende Überbau der Gärtnerplatzbrücke ist als 147 m langes Bauwerk aus sie-ben Feldern mit Stützweiten von ca. 24,0 m in den Randfeldern und 36 m in der Strombrücke projektiert. Die geplante Brücke soll die vorhandene aber nicht mehr standsichere Holzbrücke ersetzen, wobei die Unterkonstruktion im Rahmen des Neubaus keine wesentliche Änderung erfahren sollte. Der Überbau der neuen Brücke ist eine Verbundkonstruktion mit einem unten liegenden, räumlichen Fachwerk aus Stahlrohren und einer aufgeständerten Gehebene aus i.M. 8 cm dicken Fertigteilplatten aus ultrahochfestem Beton. Erschwerend kommt der Wunsch des Bauherren hinzu, die Gehwegplatte nach innen über die Längsrichtung zu entwässern. Der Anschluss zwischen der Platte und den aufgehenden Fachwerkstielen erfolgt über entspre-chende Fertigteilbinder aus UHPC.

Bild 1: Vorläufiger Regelquerschnitt der Brücke

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Zur Optimierung der Konstruktion und deren Herstellung werden zur Zeit verschiedene Trag-konzepte rechnerisch untersucht. Dieser Beitrag beschreibt die erforderlichen Nachweisformate zur Bemessung der entsprechenden Bauteile aus UHPC und der Knoten im Übergang von der Beton- zur Stahlsektion. Die entsprechende Konkretisierung bezieht sich dabei ausschließlich auf die spezifischen Erfordernisse aus dem vorliegenden Bauwerk und ist nicht zwingend all-gemeingültig.

2.2 Geplanter Bauablauf Nach derzeitigem Kenntnisstand werden die vorgefertigten Stahlsektionen in ein Betonfertig-teilwerk verbracht und zu den späteren Einfeldträgern zusammengefügt. Nach Fertigstellung des Stahlbaus wird dieser im Werk mit den Bindern versehen. Für den Transportzustand wer-den die Binder zentrisch über nachträglich eingeschossene Litzen leicht vorgespannt. Anschlie-ßend werden die parallel verlaufenden Binder über ein temporäres Stahlfachwerk ausgesteift.

Die so vorbereiteten Elemente werden anschließend auf die Baustelle verbracht und in die Fel-der eingehoben. Nach Fertigstellung der Querträger ist es geplant, das Durchlaufträgersystem im Bereich der Stützung über eine nachträgliche Vorspannung zu aktivieren. Im Folgenden werden die Fertigteilplatten, beginnend von der jeweiligen Feldmitte, installiert. Für diese Bau-phase ist ein genauer Spannplan in Abhängigkeit der jeweiligen Bauzustände zu entwickeln und nachzuweisen. Ziel ist es, auch die zuletzt montierten Fertigteilplatten in Längsrichtung über den Stützungen für den SLS im Endzustand überdrückt zu halten.

2.3 Endzustand Für den Endzustand muss im Wesentlichen das Tragverhalten in Längsrichtung und in Quer-richtung unterschieden werden.

Für die Längsrichtung ist maßgeblich die Sicherstellung des gedrückten Betons unter Gebrauchslasten von Bedeutung. Die Sicherstellung dieser Anforderung ist maßgeblich durch die Erfordernisse der Vorspannung, die Ausbildung der Plattenfugen in Querrichtung, der Dau-erhaftigkeit der Klebefuge zwischen Platte und Binder sowie den Anschlussknoten Binder-Stiel gekennzeichnet.

In Querrichtung wird sowohl der Anschnitt der Kragplatte am Binderauflager als auch die lokale Einleitungsstelle der Geländerpfostenlast am Plattenrand bemessungsrelevant.

2.4 Schwerpunkte der Bemessung Zusammenfassend ergeben sich aus heutiger Sicht für die Bemessung des gefaserten UHPC im Rahmen des geplanten Bauwerks folgende Schwerpunkte:

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· Biegung mit und ohne Normalkraft

· Querkraft ohne Längs- und Querkraftbewehrung aus Betonstahl

· lokaler Nachweis des Knotens zur Lasteinleitung zwischen Stahlkonstruktion und UHPC Bauteil

· lokaler Nachweis des Geländerpfostenanschlusses

Für den Fall, dass eine Vorspannung zur Anwendung kommen sollte, sind insbesondere die Details zur Einleitung der Vorspannkraft und die Einflüsse aus Schwinden und Kriechen von Bedeutung.

Für die genannten Nachweise sind im Rahmen der Zustimmung im Einzelfall Rechenmodelle und Rechenwerte der Werkstoffeigenschaften zu definieren. Hilfestellungen können hierzu der DIN 1045-1 [1], dem DBV-Merkblatt ‚Stahlfaserbeton’ [3] und der DAfStb-Richtlinie Stahlfaser-beton (Entwurf) [4] entnommen werden.

3 Werkstoffverhalten Ultrahochfester Betone Im Vergleich zu normal- und hochfesten Betonen weist der UHPC einen extrem homogenen Gefügeaufbau auf. Dies wird vor allem durch die Reduzierung des Größtkorndurchmessers, eine gute Abstufung des Kornbandes im Feinkornbereich mittels Mikrosilika in Kombination mit einem extrem niedrigen Wasser-Bindemittelverhältnis erreicht. Die hohe Homogenität bestimmt im Wesentlichen auch die Materialeigenschaften gegenüber mechanischen Beanspruchungen und Beanspruchungen aus aggressiven Medien. Unter Druckbeanspruchung zeigt UHPC ein ausgeprägt lineares Werkstoffverhalten kombiniert mit einem sehr spröden Versagen. Die im Vergleich zu Normalbetonen üblicher Festigkeit hohe Sprödigkeit des Materials muss bei der Anwendung ausreichend berücksichtigt werden. Dies kann bei der Bemessung durch vorsichti-gere Festlegung des Sicherheitsabstandes aber auch durch den Einsatz von Stahlfasern erfol-gen. Bild 6 zeigt sehr anschaulich die Bruchbilder einer gefaserten und einer ungefaserten Probe im Druckversuch.

Bild 2: Bruchbilder ungefaserter und gefaserter UHPC-Proben [5], Aufnahme Universität Kassel

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Über den Fasereinsatz kann im Wesentlichen das Nachbruchverhalten des Betons unter Druckbeanspruchung sowie das Zugtragverhalten gesteuert werden. Der ansteigende Ast im Druckversuch bleibt von den Fasern nahezu unbeeinflusst.

Bild 3 und Bild 4 zeigt exemplarisch den Einfluss von Fasern an einer an der Universität Kassel entwickelten, temperaturbehandelten Basaltmischung.

-220

-200

-180

-160

-140

-120

-100

-80

-60

-40

-20

0-7-6-5-4-3-2-1

Betonstauchung εc [ ‰]

Bet

onsp

annu

ng σ

c[N

/mm

²]

Bild 3: Spannungs-Dehnungs-Linie UHPC ohne Fasern [5]

-220

-200

-180

-160

-140

-120

-100

-80

-60

-40

-20

0-7-6-5-4-3-2-1

Betonstauchung εc [ ‰ ]

Bet

onsp

annu

ng σ

c[N

/mm

²]

Bild 4: Spannungs-Dehnungs-Linie UHPC mit 2,5 V.-% Fasern [5]

Der Einfluss der Fasern auf die Zugfestigkeit des wärmebehandelten Materials zeigt Bild 5. Bei einer Rissbreite von 1,0 mm und einem Fasergehalt von 2,5 V.-% kann noch ca. 50% der Zug-festigkeit aufgenommen werden.

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Bild 5: Spannungs-Rissöffnungsbeziehung [5]

Bisherige Untersuchungen an der Universität Leipzig und Angaben aus der Literatur bestätigen die oben skizzierten Materialeigenschaften. In diesem Zusammenhang soll jedoch nicht uner-wähnt bleiben, dass die Eigenschaften von UHPC sehr deutlich vom Mischungsentwurf und der Nachbehandlungsweise abhängig sind. Bei Faserbeton kommen Faktoren wie Faserart, Faser-gehalt, Fließrichtung und Dicke des Bauteils hinzu, so dass die Eigenschaften des UHPC für den einzelnen Anwendungsfall zu bestimmen sind. Die hier genannten Festigkeitswerte sind deshalb nur als Anhaltswerte zu verstehen. Dies gilt im Wesentlichen auch für die Ermittlung der erforderlichen Kriech- und Schwindwerte.

4 Stand der Normung 4.1 Allgemeines Der Baustoff UHPC ist, wie Eingangs erwähnt, in Deutschland nicht bauaufsichtlich geregelt und hinsichtlich der Bemessung nicht direkt in gültige Regelwerke einzuordnen.

In der jüngsten Vergangenheit sind jedoch Regelwerke wie die DIN 1045-1 [1] und das Merk-blatt für Stahlfaserbeton des DBV [3] eingeführt worden, welche Grundkonzepte zur Bemes-sung von Betonen bis hin zu einem C100/115 zur Verfügung stellen. Sie repräsentieren den aktuellen Stand der Technik in Deutschland. Die dort angegebenen Bemessungsmodelle kön-nen unter Berücksichtigung der Besonderheiten des UHPC und Ergebnissen aus gezielten Bau-teilversuchen für den speziellen Anwendungsfall erweitet werden.

Die entsprechenden Grundlagen werden im Folgenden in ihren maßgeblichen Punkten kurz vorgestellt.

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Weitere internationale Bemessungskonzepte werden begleitend herangezogen. Hier ist im We-sentlichen die in Frankreich eingeführte Richtlinie zur Bemessung ultrahochfester Betone zu nennen [7]. Auf die dort geschilderten Zusammenhänge wird im Rahmen dieses Beitrages je-doch nicht weiter eingegangen.

4.2 Faserfreie Betone Entsprechend dem Bemessungskonzept der neuen DIN 1045-1 wird beim Nachweis der Gebrauchstauglichkeit bzw. Standsicherheit der Bemessungswert der Beanspruchung (Ed) mit dem Bemessungswert des Widerstands (Rd) verglichen, wobei unter Widerstand im Allgemei-nen der Querschnittswiderstand zu verstehen ist. Grundlagen für die Ermittlung des Querschnittswiderstandes sind Werkstoffgesetze und Annahmen bezüglich des Bauteilverhaltens (z.B. Ebenbleiben des Querschnitts), die im Rahmen der Bemessung dieses Pilotbauwerks weiterhin ohne Einschränkung zu Grunde gelegt werden können.

Neben der Biegebeanspruchung werden die UHPC Bauteile in diesem Bauwerk auf Querkraft und Torsion beansprucht. Da das im Merkblatt [3] vorgestellte Nachweisverfahren für die Quer-kraft ebenfalls auf dem Modell der DIN 1045-1 aufbaut, werden die beiden Bemessungsmodelle der DIN 1045-1 im Folgenden vorgestellt.

4.2.1 Biegung mit und ohne Normalkraft In DIN 1045-1 ist für die Bemessung eines Querschnitts die Spannungs-Dehnungs-Linie nach Bild 6 für die in den Grenzen der Norm gültigen Betone definiert. Die Kurve wird durch die nach-folgenden Gleichungen beschrieben:

⎥⎥⎦

⎢⎢⎣

⎡⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛εε

−−⋅−=σn

2c

ccdc 11f für 2cc0 ε≥ε≥

cdc f−=σ für cuc2c ε≥ε≥ε

Dabei ist n Exponent der Parabel

2cε Dehnung der Festigkeitsgrenze

u2cε maximale Dehnung

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Bild 6: Parabel-Rechteck-Diagramm nach [1]

Für den Bemessungswert im Grenzzustand der Tragfähigkeit ist der Wert fcd wie folgt definiert:

cckcd ff γ⋅α=

Dabei ist

cγ Teilsicherheitsbeiwert für Beton

α Berücksichtigung der Langzeitwirkung auf die Druckfestigkeit sowie die Umrechnung der Zylinderdruckfestigkeit auf die Bauteilfestigkeit

Der Teilsicherheitsbeiwert γc beträgt für Betone bis zu der Festigkeitsklasse C50/60 γc = 1,5. Für Betone mit höherer Druckfestigkeit ist aufgrund der größeren Streuung der Materialeigenschaf-ten der zusätzliche Faktor γc

’ zu berücksichtigen.

0,1

500f

1,1

1ck

'c ≥

−=γ

Für den Abminderungsbeiwert α ist für Normalbeton der Wert α = 0,85 anzunehmen.

Bild 7 zeigt exemplarisch die ausgewerteten Spannungs-Dehnungs-Linien des Parabel-Rechteck-Diagramms für ausgewählte Betone der oberen Festigkeitsklassen und den entspre-chenden Parametern nach Tabelle 1.

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Bild 7 Parabel-Rechteck-Diagramm ausgewählter Festigkeitsklassen

Tabelle 1: Parameter zur Beschreibung der σ-ε Beziehung

C50/60 C60/75 C80/95 C90/105 C100/115

fck 50 60 80 90 100

γ' 1,00 1,02 1,06 1,09 1,11

γ 1,50 1,53 1,60 1,63 1,67

α 0,85 0,85 0,85 0,85 0,85

fcd -28,3 -33,3 -42,6 -46,9 -51,0

N 2,00 1,90 1,70 1,60 1,55

εc2 -2,00 -2,06 -2,14 -2,17 -2,20

εc2u -3,50 -2,70 -2,50 -2,30 -2,20

Demnach ist nach heutigem Stand der Technik die Bemessung für Biegung und Normalkraft für Betone mit Zylinderdruckfestigkeiten bis fcm = fck+8 = 108 N/mm² normativ geregelt.

Weiterhin nähert sich die Beziehung zwischen Spannung und Stauchung mit zunehmender Druckfestigkeit einem linearen Zusammenhang an. Überträgt man diese Vorgehensweise auf UHPC, so kann auf der sicheren Seite liegend für die Biegebemessung mit und ohne Normal-kraft eine Spannungs-Stauchungs-Beziehung nach Bild 8 vorgeschlagen werden. Die entspre-

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chenden charakteristischen Werte können durch statistische Auswertung der Versuchsergeb-nisse direkt gewonnen werden.

εc2 = εc2u

fck

fcd

σc

εc

Bild 8: Vorgeschlagene Spannungs-Dehnungs-Beziehung für UHPC

Da davon auszugehen ist, dass für das gesamte Bauwerk nur ein UHPC zur Anwendung kommt und durch Qualitätsüberwachung annähernd die gleichen Ausgangstoffe verwendet werden, müssen für die Festlegung der Bemessungswerte keine zusätzlichen Sicherheitsbei-werte sowohl für die Festigkeit als auch für die Grenzstauchung eingeführt werden. Mit anderen Worten kann aus unserer Sicht auf den zusätzlichen Faktor γc

’ verzichtet werden. Der Faktor α kann weiterhin zu 0,85 gesetzt werden, da zum Einen das Kriechen von UHPC mit Sicherheit nicht größer als bei Normalbetonen niederer Festigkeit einzuschätzen ist und zum Anderen die festgestellte Druckfestigkeit des UHPC weniger von der Prüfköpergeometrie abhängt. Zur Be-rücksichtigung des Kriecheinflusses kann angenommen werden, dass die Grenzstauchung für die Bemessung der charakteristischen Stauchung entspricht.

4.2.2 Querkraft Für den Nachweis der Querkrafttragfähigkeit werden nach [1] flächige Bauteile (Platten) und stabförmige Bauteile (Balken) unterschieden. Platten bieten aufgrund ihrer räumlichen Ausdeh-nung Umlagerungsmöglichkeiten bei lokaler Überbeanspruchung und dürfen daher in definier-

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ten Grenzen ohne Querkraftbewehrung ausgeführt werden. Stabförmige Bauteile besitzen diese Möglichkeit nicht. Hier ist grundsätzlich eine Mindestquerkraftbewehrung anzuordnen.

Im Rahmen dieses Projektes soll auf den Einsatz einer Querkraftbewehrung, auch in den Bin-dern, verzichtet werden. Die erforderliche Querkrafttragfähigkeit wird durch die Zugabe von Stahlfasern sichergestellt. Im Folgenden wird daher ausschließlich auf Bemessungsverfahren ohne Querkraftbewehrung eingegangen.

Nach DIN 1045-1 ist der Bemessungswert der Querkrafttragfähigkeit für biegebewehrte Bauteile ohne Querkraftbewehrung wie folgt zu ermitteln:

( )[ ] db12,0f10010,0V wcd

3/1

ckl1ct,Rdt ⋅⋅σ−⋅ρ⋅η⋅κ=

mit

0,2d

2001 ≤+=κ

Dabei ist

1η = 1,0 für Normalbeton

lρ Längsbewehrungsgrad mit

db

A

w

sll ⋅

slA Fläche der Zugbewehrung

wb kleinste Querschnittsbreite der Zugzone

d statische Nutzhöhe der Biegebewehrung

ckf charakteristische Wert der Druckfestigkeit

cdσ Bemessungswert der Betonlängsspannung im Querschnittsschwerpunkt

Für den Nachweis der UHPC-Bauteile in diesem Bauwerk kann das oben beschriebene Modell aufgrund der zum Teil nicht vorhandenen Biegezugbewehrung nicht ohne Weiteres angesetzt werden. Hier bietet die DIN 1045-1 für ungerissene Querschnitte unter vorwiegend ruhender Beanspruchung den Nachweis der Querkrafttragfähigkeit über die Begrenzung der Betonzug-spannungen im Grenzzustand der Tragfähigkeit für auflagernahe Bereiche.

Der Widerstand der Bauteils ist dabei wie folgt zu bestimmen:

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c

ctkcdl

c

ctkwctRdt

ffSbI

σαγ

05,0;2

05,0;, ⋅⋅−⎟⎟

⎞⎜⎜⎝

⎛⋅

⋅=

Dabei ist

I Flächenmoment 2. Grades des Querschnitts

S statisches Moment des Querschnitts

lα 0,1l/l bpdx ≤= Vorsp. sofortiger Verbund

0,1= übrige Fälle

xl Querschnittsabstand vom Beginn der

Verankerungslänge

bpdl oberer Bemessungswert der

Übertragungslänge des Spangliedes

05,0;ctkf unterer Quantilwert der Betonzugfestigkeit

cγ Sicherheitsbeiwert unbewehrter Beton

wb kleinste Querschnittsbreite

cdσ Bemessungswert der Betonlängs-

spannung im Querschnittsschwerpunkt

Bei der Anordnung von verpressten und nicht verpressten Spanngliedern sind die Störstellen infolge der angeordneten Hüllrohre entsprechend den Angaben nach [1] bei der Ermittlung der kleinsten Querschnittsbreite zu berücksichtigen.

Die Erweiterung dieses Nachweiskonzeptes für die UHPC-Bauteile ist ohne Weiteres möglich, wenn sichergestellt wird, dass unter seltener Lastkombination nicht mit der Rissbildung zu rechnen ist. Eine Begrenzung der Zugfestigkeit des Betons auf 2,7 N/mm2, wie in DIN 1045-1 vorgesehen, ist aus unserer Sicht nicht erforderlich, da zu erwarten ist, dass die Streuung der Betoneigenschaften in einer engen Grenze liegt. Der kleinste Wert der Zugfestigkeiten fctk,0,05 in der obigen Gleichung kann durch statistische Auswertung der noch durchzuführenden Versu-che unter Berücksichtigung der bisherigen Erfahrungen festgelegt werden.

4.3 Faserbetone 4.3.1 Allgemeines Der derzeitige aktuelle Stand der Technik zur Ermittlung bemessungsrelevanter Materialkenn-werte wird durch das DBV-Merkblatt „Stahlfaserbeton“ [3] zusammengestellt. Es behandelt die

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Herstellung, Verarbeitung und Überwachung von Stahlfaserbeton auf Basis der Regelungen in [1] und [2] und stellt die Besonderheiten des Baustoffes Stahlfaserbeton zusammen. Grundsätz-lich sind Abweichungen von den Ausführungen des Merkblattes möglich, sofern durch Versuche ein entsprechender Nachweis erbracht wird. Die folgenden Ausführungen beziehen sich daher auf die Angaben des Merkblattes in Bezug auf den konkreten Anwendungsfall, um die Basis der erforderlichen weiterführenden Untersuchungen zu definieren.

Im Folgenden werden die wesentlichen Eckdaten des Sicherheitskonzeptes des Materialverhal-tens unter Druck und Zugbeanspruchung sowie die Nachweiskonzepte für die maßgeblichen Beanspruchungssituationen des Bauwerks vorgestellt.

4.3.2 Sicherheitskonzept Das vorgestellte Sicherheitskonzept unterscheidet zwischen folgenden Fällen:

· Bauteile, die dem Baurecht unterliegen (mit oder ohne wasserrechtliche Anforderungen)

· Bauteile, die dem Wasserrecht unterliegen (ohne baurechtliche Anforderungen)

· Bauteile mit niedrigem Gefährdungspotential (ohne baurechtliche und wasserrechtliche An-forderungen)

Für das vorliegende Bauwerk werden allein die Bemessungsempfehlungen für Bauteile, die dem Baurecht unterliegen maßgebend. Die Ausführungen des Merkblattes schließen nur Bau-werke mit vorwiegend ruhenden Lasten ein. Für nicht vorwiegend ruhende Einwirkungen sind gesonderte Untersuchungen notwendig.

Für die erforderlichen Nachweise im Grenzzustand der Tragfähigkeit sind die Sicherheitsbeiwerte nach Tabelle 2 festgesetzt. Es werden Konstruktionen aus reinem Stahlfaserbeton und solche mit einer Kombination von Stahlfaserbeton und Betonstahlbewehrung unterschieden.

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Tabelle 2: Teilsicherheitsbeiwerte für den ULS

Stahlfa-ser-beton

Faserbeton mit Stabbeh-rung

Druck γfc=γc bzw.

γc’ DIN 1045-1 [1]

Zustand II γfct

1) 1,25 1,25 Zustand I γf

ct2) 1,80 -

ständige Einwirkungen γG veränderliche Einwirkungen γQ

nach DIN 1055-100 unter Berücksichtigung von Kombinationsbei-werten

1) gerissen, mindestens Faserbetonklasse F0,6 im Verformungsbereich II 2) ungerissen, nach DIN 1045-1, Abschn. 5.3.3 (8) zur Bemessung unbewehrter Bauteile

Es werden in [3] weiterhin Angaben zu Sicherheitsbeiwerten für nichtlineare Berechnungen an-gegeben. Die Anwendung dieser Verfahren erscheint jedoch für das vorliegende Bauwerk nicht zielführend. Es wird daher an dieser Stelle nicht weiter darauf eingegangen.

Für den Grenzzustand der Tragfähigkeit ist der Nachweis einer örtlich verminderten Faserwir-kung zu führen. Das Nachweiskonzept sieht hierfür eine Reduzierung der Rechenwerte der Zugfestigkeit des Stahlfaserbetons vor. Die entsprechenden Teilsicherheitsbeiwerte für die ver-wendeten Baustoffe betragen in diesem Fall:

0,1fctsc

fc =γ=γ=γ=γ

Da für die Herstellung von gefasertem UHPC in der Regel kurze und dünne Fasern verwendet werden und im Zusammenhang mit dünnen Bauteilen die Fasern eher in Tragrichtung orientiert sind, kann dieser Nachweis beim vorhandenen Bauwerk aus unserer Sicht entfallen.

4.3.3 Materialverhalten des Stahlfaserbetons Stahlfaserbeton mit üblichen Fasergehalten von maximal 1,0 V.-% verhält sich unter Druckbe-anspruchung näherungsweise entsprechend den in DIN 1045-1 definierten Eigenschaften der faserlosen Betone in Abhängigkeit ihrer Festigkeitsklasse. Auch die Druckfestigkeit ist im We-sentlichen durch die gleichen Einflussgrößen wie bei ungefaserten Betonen bestimmt. Für den abfallenden Ast der Spannungs-Dehnungslinie muss jedoch bei höheren Betonfestigkeiten (ab ca. C50/60) berücksichtigt werden, dass z. B. ein verändertes Verbundverhalten gleicher Fa-sern zu einem spröden Verhalten führen kann. Beispielsweise können Fasertypen, welche in niederfesten Betonen im Bruchzustand aus der Matrix gezogen werden, bei höheren Betonfes-

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tigkeiten reißen und somit den zuvor quasiduktilen Verformungsprozess nicht gewährleisten. Dies ist vor allem bei Nacherhärtungsphänomenen zu beachten und erfordert entsprechende Eignungsversuche der Fasern. Die Versuchsergebnisse an der Uni Kassel bestätigen den Ein-fluss der Fasern auf das Verhalten von UHPC unter Druckbeanspruchung eindruckvoll. Mit ei-nem Fasergehalt von 2,5 V.-% wird der ansteigende Ast kaum beeinflusst. Die Zunahme der Zähigkeit beim abfallenden Ast ist jedoch deutlich zu erkennen (siehe Bild 3 und Bild 4).

Den entscheidenden Vorteil kann der Stahlfaserbeton in zugbeanspruchten Bereichen aufwei-sen. Für den Ansatz der vorhandenen Zugfestigkeiten müssen zunächst entsprechende Para-meter definiert und aus begleitenden Versuchen ermittelt werden. Dem Bemessungskonzept des Merkblattes liegt dabei zur Ermittlung der Zugfestigkeiten ein Vier-Punkt-Biegeversuch nach Bild 9 zugrunde.

Bild 9: Vier-Punkt-Biegeversuch nach [3]

Dieser Versuchsaufbau dient der Ermittlung der mittleren Biegezugfestigkeit des Werkstoffs f

fl,ctmf . Aus diesem Wert wird der charakteristische Wert der Biegezugfestigkeit ffl,ctkf und der

Bemessungswert der Biegezugfestigkeit ffl,ctdf ermittelt.

Als fiktiver Bemessungswert zur Beschreibung des Nachrisszugverhaltens wird aus den Versu-chen die äquivalente Biegezugfestigkeit bestimmt. Man unterscheidet dabei die äquivalente Biegezugfestigkeit für den Gebrauchszustand I,eqf und den entsprechenden Wert für den Nach-

weis der Tragfähigkeit II,eqf . Liegen die äquivalenten Biegezugfestigkeiten vor, können hieraus

die mittleren äquivalenten Zugfestigkeiten Ieqmf , und IIeqmf , der Grundgesamtheit unter Be-

rücksichtigung der Anzahl der Proben bestimmt werden. Sie dienen der Einordnung des Materi-als in sogenannte Stahlfaserbetonklassen. Die Klassen sind gestaffelt in Schritten von 0,2 N/mm² in den Grenzen F0,4 und F2,0. Der Bemessungswert der äquivalenten Zugfestigkeit ergibt sich zu:

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fctsys

fci,ctk,eqi,ctd,eq /ff γα⋅α⋅=

Dabei ist fcα 0,85, Dauerstandverhalten

sysα Berücksichtigung der Geometrieabweichung zwischen Bauwerk und Probekörper

0,1sys =α für Bauteildicken ≤ 15 cm

8,0sys =α für Bauteildicken ≥ 60 cm

(Interpolation der Zwischenwerte) fctγ Sicherheitsbeiwert

Mit diesen Angaben kann die Spannungs-Dehnungs-Linie für den gezogenen Bereich eines Bauteils beschrieben werden (Bild 9). Nachweise im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit und Tragfähigkeit sind somit möglich.

Bild 10 Spannungs-Dehnungs-Linie im gezogenen Bereich für die Schnittgrößenermittlung

Für den gezogenen Bereich darf bei den Nachweisen im Grenzzustand der Tragfähigkeit so-wohl das bilineare Modell als auch vereinfachend der gestrichelte Spannungsblock im gezoge-nen Bereich nach Bild 11 angesetzt werden.

Bild 11 Spannungs-Dehnungs-Linie im gezogenen Bereich für den Grenzzustand der Tragfä-higkeit

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Die Vorgehensweise zur Festlegung der Materialeigenschaften von Faserbeton gemäß dem Merkblatt kann prinzipiell auf gefaserten UHPC übertragen werden. Die Teilsicherheitsbeiwerte können übernommen werden. Die Grenzwerte der Dehnungen sind jedoch für UHPC anzupas-sen. Hierzu ist eine umfangreiche Materialuntersuchung für die im Rahmen der Planung noch festzulegenden Betonrezeptur erforderlich.

4.3.4 Bemessung von Stahlfaserbeton Aufbauend auf den Regelungen der DIN 1045-1 werden für die Nachweise des Stahlfaserbe-tons in den Grenzzuständen Tragfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit die nachfolgenden Nach-weisverfahren vorgestellt.

Für den Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit ist eine Beschränkung der Rissbreite und eine Spannungsbegrenzung nachzuweisen. Der Nachweis im Grenzzustand der Tragfähigkeit erfordert neben dem jeweiligen Tragfähigkeitsnachweis ebenfalls eine Begrenzung der Rissbreite. Dies ist sinnvoll, da die äquivalente Zugfestigkeit des Faserbeton von der Rissbreite abhängig ist.

Im Folgenden werden zunächst die relevanten Grenzzustände der Tragfähigkeit beschrieben.

Biegung mit oder ohne Längskraft (ULS) Die Spannungsverteilungen für die Druck- und Zugzone werden entsprechend Bild 11 be-stimmt. Man unterscheidet zwischen einem Querschnitt mit und ohne Betonstahlbewehrung (Kurve b und a). Bei Anordnung einer Betonstahlbewehrung gelten die Regelungen nach DIN 1045-1. Ohne Betonstahlbewehrung muss eine definierte Ausfallschicht berücksichtigt werden.

Darüber hinaus ist die maximale Rissbreite im Grenzzustand der Tragfähigkeit begrenzt auf

mm 320/lw fu ≤= .

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Bild 12 Bilineare Spannungs-Dehnungs-Linie im gezogenen Bereich für die Querschnittsbe-messung

Das hier beschriebene Bemessungskonzept kann auf Bauteile aus UHPC übertragen werden. Die Werkstoffeigenschaften sind entsprechend anzufassen. Hierbei ist insbesondere die Frage nach der zulässige Rissbreite im Zusammenhang mit den eingesetzten kurzen Fasern, die in der Regel für UHPC verwendet werden, zu hinterfragen.

Querkraft (ULS) Gemäß DBV-Merkblatt ist die Anordnung eines Mindestwertes der Querkraftbewehrung bei Balken im Sinne der DIN 1045-1 nicht erforderlich, wenn die Faserbetonklasse ≥ F0,6 im Ver-formungsbereich II und VEd < VRd,ct beträgt und es sich nicht um einen gegliederten Querschnitt mit vorgespanntem Zuggurt handelt. Dies trifft für die Bauteile aus UHPC in diesem Bauwerk zu. Für diese Bauteile kann der Querkraftnachweis unter Berücksichtigung der Mitwirkung von Fasern erbracht werden.

Der Ansatz in der Richtlinie [4] zur Bestimmung der Querkrafttragfähigkeit ohne Längsbeweh-rung aus Betonstahl soll unter Berücksichtigung der vorhandenen Versuchsergebnisse für UHPC modifiziert werden. Vorstellbar ist ebenfalls der Nachweis mit ungerissenem Betonquer-schnitt, insbesondere für den Fall, dass eine Vorspannung aufgebracht wird. Die Materialeigen-schaften für diesen Nachweis können direkt den Untersuchungen im Rahmen der Zustimmung im Einzelfall entnommen werden.

Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit Das Nachweiskonzept im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit gliedert sich in einen Span-nungsnachweis und einen Nachweis zur Begrenzung der Rissbreiten.

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Für die Begrenzung der Betondruck- und Betonstahlzugspannungen gelten die Regelungen der DIN 1045-1. Die zulässigen Zugspannungen des Stahlfaserbetons für den ungerissenen Zu-stand sind auf den Wert 0,8·kd·feq,ctk begrenzt, wobei kd ein Beiwert zur Berücksichtigung des Maßstabeffekts ist. Für den gerissenen Zustand wird kd = 1,0 gesetzt.

Das Nachweiskonzept für die Berechnung der Mindestbewehrung zur Begrenzung der Rissbrei-te nach DIN 1045-1 sieht vor, die wirksame Zugfestigkeit des Betons zum betrachteten Zeit-punkt durch den charakteristischen Wert der äquivalenten Zugfestigkeit des Stahlfaserbetons feq,ctk,I zu reduzieren und somit den erforderlichen Stahlquerschnitt zu minimieren bzw. zu erset-zen. Der erforderliche Stahlquerschnitt ergibt sich demnach zu:

( )s

ctI,ctk,eqeff,ctcs

AffkkA

σ

⋅−⋅⋅=

Da die äquivalente Zugfestigkeit in der Regel kleiner als die Zugfestigkeit des Beton ist und in diesem Bauwerk eine Verwendung von Betonstahl nicht vorgesehen wird, sollte die Bauteildi-cke so dimensioniert werden, dass unter Gebrauchslast eine Rissbildung unwahrscheinlich ist. Entsprechend den vorliegenden Schnittgrößen nach dem aktuellen Stand des Entwurfs ist dies, abgesehen von dem Lasteinleitungspunkt Geländerpfosten / Überbauplatte, möglich.

5 Empfohlene Begleitversuche im Rahmen der Zustimmung im Einzelfall aus heutiger Sicht

Entsprechend dem heutigen Planungsstand steht die zur Anwendung kommende Betonrezeptur für dieses Bauwerk noch nicht fest. Dank der bisherigen umfangreichen Untersuchungen an den Universitäten Kassel, Leipzig und anderen Standorten [6] kann aber sicher davon ausge-gangen werden, dass die angestrebten Betoneigenschaften, die erforderlich für die Nachweis der Gebrauchstauglichkeit und Standsicherheit des geplanten Bauwerks sind, auch unter prak-tischen Bedingungen sicher erreicht werden. Dies bedeutet aber nicht, dass im Rahmen der Zustimmung im Einzelfall keine weiteren experimentellen Untersuchungen erforderlich sind. Mehr noch muss hierbei zuerst die großtechnische Anwendung von UHPC innerhalb eines Be-tonwerkes erbracht werden. Darüber hinaus sind gezielte Bauteilversuche zur Bestätigung bzw. Modifikation der Rechenmodelle erforderlich.

5.1 Bestimmung der Materialeigenschaften Im Rahmen der Eignungsprüfung für die vorgesehene Betonrezeptur sind die Materialeigen-schaften zu ermitteln. Die Versuchsdurchführung kann in Anlehnung an DIN EN 206-1/ DIN 1045-2 und dem Merkblatt für Faserbeton konzipiert werden. Die Eigenschaften des Frisch- und Festbetons sind von gleicher Bedeutung. Darüber hinaus ist es ratsam, im Rahmen der Erstprü-

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fung die Sensibilität des Betons gegenüber einer Streuung der Ausgangstoffe, vor allem Was-serbindemittelwert und Fließmittel, festzustellen.

5.2 Mischversuche im Fertigteilwerk Durch Mischversuche im Fertigteilwerk soll die großtechnische Anwendung des Baustoffs nach-gewiesen werden. Hierbei sollten vor allem die Eignung des Mischwerks zur Herstellung von UHPC dokumentiert und die erforderliche Mischzeit zum Erreichen eines homogenen Mischguts ermittelt werden. Darüber hinaus sollte hierbei festgestellt werden, ob wesentliche Unterschiede bezüglich der erreichten Qualität zwischen Labor und Fertigteilwerk vorhanden sind.

5.3 Biege- und Schubtragverhalten der Obergurtplatten Zur Verifizierung der Rechenmodelle bezüglich der Biege- und Querkrafttragfähigkeit sollten Versuche an Plattenstreifen durchgeführt werden. Als statisches System kann ein Einfeldträger mit Kragarm gewählt werden. Der Einfluss von Dauerlasten kann in diesem Zusammenhang durch Einschalten von einer definierten Anzahl an Lastzyklen im Bereich der Gebrauchslast vor dem Anfahren der Bruchlast erreicht werden.

5.4 Anschluss Stiel-Binder Die Lastübertragung zwischen Stiel und Betonplatte sollte über Verbundelemente sichergestellt werden. Hierzu sind Versuche erforderlich, da zu erwarten ist, dass sich die Arbeitslinien der Verbundmittel mit UHPC wesentlich von denen mit normalfesten Beton unterscheidet. In die-sem Zusammenhang sollten anstelle von Kopfbolzen andere Verbundmittel in Erwägung gezo-gen werden, insbesondere wenn man bedenkt, dass die Bauteile aus UHPC relativ dünn sind, so dass die Gefahr eines Aufspaltens der Betondeckung bei Verwendung von Dübel nicht aus-geschlossen werden kann.

5.5 Kleben von UHPC Zur Beantwortung der Frage nach der Eignung des Klebens von UHPC mittels Epoxydharz sind Aussagen über:

· Verbundfestigkeit der Fugen

· Neigung zum spröden Versagen (Reißverschlusseffekt)

· Einfluss von Dauerlast

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erforderlich. Diese Fragen können nur in Zusammenarbeit mit dem Klebstofflieferanten beant-wortet werden, da bisher kaum Erfahrungen auf diesem Gebiet vorliegen.

5.6 Anschluss Geländerpfosten-Platte Infolge der geringen Abmessung führt die Einleitung der horizontalen Belastung aus dem Ge-länder in die UHPC-Platte zu einer großen Beanspruchung des Betons. Entsprechend dem heutigen Kenntnisstand sind hierzu Einbauteile aus Stahl erforderlich. Die Integration der Stahl-bauteile in die dünne Platte und die Verfolgung der hierbei entstehenden Zugkräfte müssen bei der weiteren Planung nachgewiesen werden. Weiterhin ist durch geeignete Versuche die Trag-fähigkeit dieser Lasteinleitungskonstruktion zu ermitteln.

5.7 Begleitversuche im Rahmen der Qualitätssicherung Zum Nachweis der erreichten Qualität bei der Realisierung des Bauwerks sind begleitende Ver-suche erforderlich. Der Umfang dieser Versuche kann im Zusammenhang mit dem Qualitätssi-cherungsprogramm zwischen AG und AN festgelegt werden. Hierbei geht es vor allem um die Nachweise der Frischbeton- und Festbetoneigenschaften sowie die sonstigen Abweichungen gegenüber der geplanten Konstruktion bei der Ausführung.

6 Zusammenfassung und Ausblick Dank der hervorragenden Eigenschaften des UHPC gelingt es dem Entwurfsverfasser, eine anspruchsvolle Konstruktion für den Neubau der Gärtnerplatzbrücke zu schaffen. Da zum Einen der UHPC außerhalb der normativen Regelung liegt und zum Anderen dieses Bauwerk die ers-te großtechnische Anwendung von UHPC in Deutschland darstellt, sind weiterführende, neue Überlegungen für die Bemessung und Realisierung dieses Bauwerks erforderlich. Entspre-chend dem heutige Entwurfsstand des Bauwerks können in diesem Beitrag nur einige Möglich-keiten für die Bemessung angeschnitten werden, die bei weiterem Planungsfortschritt vervollständigt bzw. modifiziert werden müssen. Hierzu ist im Rahmen der weiteren Bearbeitung eine enge Zusammenarbeit zwischen Bauaufsichtsbehörde, Sachverständigen und Tragwerks-planer erforderlich. Weiterhin ist die Wahl der bauausführenden Firma für eine erfolgreiche Rea-lisierung des Bauwerks von entscheidender Bedeutung. Das gewählte Unternehmen muss nicht nur über entsprechende Kompetenzen im Brückenbau verfügen, sondern auch großes Interes-se an der Einführung neuer Technologien in die Praxis zeigen. Die bisherigen Erfahrungen bei der Anwendung von hochfestem Beton im Brückenbau bestätigen dies eindrucksvoll. Erkennt-nisse über UHPC sind mittlerweile in Deutschland ausreichend vorhanden, so dass eine prakti-sche Anwendung in der Größe des geplanten Bauwerks erfolgreich abgeschlossen werden kann.

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Literatur [1] DIN 1045-1: Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton; Teil 1: Bemessung und Konstruktion, Juli 2001 [2] DIN 1045-2: Deutsche Anwendungsregeln zu DIN EN 206-1 Beton – Teil 1: Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und

Konformität. – Deutsches Institut für Normung e.V., 2001-7 [3] DBV-Merkblatt Stahlfaserbeton, Deutscher Beton- und Bautechnik Verein E.V., Oktober 2001 [4] DAfStb-Richtlinie Stahlfaserbeton (10. Entwurf), Ergänzungen zu DIN 1045-1, Teile 1 bis 4 (07/2001), März 2003, Deutscher

Ausschuß für Stahlbeton im DIN Deutsches Institut für Normung e. V. [5] Fehling, E., Schmidt, M.: DFG Forschungsbericht: Entwicklung, Dauerhaftigkeit und Berechnung Ultrahochfester Beton

(UHPC), 2003 [6] DAfStb-Sachstandbericht „Ultrahochfester Beton“ in Vorbereitung (Stand 2003-04-24), [7] Documents scientifiques et techniques: Ultra High Performance Fibre-Reinforced Concretes, Interim Recommendations,

Setra, AFGC, 01/2002

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Univ.-Prof. Dr.-Ing. Joost Walraven geboren 1947 1972 Diplom Bauingenieur, TU Delft 1980 Promotion TU Delft 1980-1985 Ingenieurbüro Corsmit, Den Haag 1985-1989 Professur Massivbau, TU Darmstadt seit 1989 Professur TU Delft, Lehrstuhl Massivbau

Kurzfassung des Vortrages

Ultra Hochleistungsbeton: Zukunftsvision oder Irrtum? Immer, wenn ein neues Material produziert wird, gibt es sowohl Bewunderung als auch Skepsis. Die Bewunderung gilt den Forschern, die offenbar wieder in der Lage waren, die Grenzen der Technologie weiter zu verschieben. Skepsis gilt immer der praktischen Bedeutung der Neuent-wicklung. Hierzu gibt es im Prinzip zwei Gründe: Der erste ist, dass es schwierig ist, sich auf Anhieb von dem klassischen Denken zu befreien: Bei dem Ausloten der Bedeutung des neuen Baustoffs geht man zuerst von konventionellen konstruktiven Anwendungen aus und entdeckt somit nicht sofort das versteckte Potential. Der zweite Grund für Zweifel oder gar Ablehnung sind die Kosten. Der Preis des neuen Materials wird mit dem Preis des klassischen Baustoffs verglichen und es wird sofort festgestellt, dass der neue Baustoff wegen der Kosten nicht kon-kurrenzfähig ist. Auch in dieser Hinsicht werden zwei Fehler gemacht. Der erste Fehler ist, dass die Kosten eines neuen Baustoffs immer relativ teuer sind, weil die Entwicklungskosten umge-legt werden müssen. Dazu gibt es manchmal spezielle Komponenten, die gesondert in kleinen Mengen hergestellt werden müssen, und die deshalb kostspielig sind. Man vergisst dabei je-doch, dass, wenn der Baustoff ein Erfolg wird, die Produktion in viel größeren Volumen stattfin-den wird und dass die Kosten damit sinken. Ferner macht man den noch größeren Fehler, nur die Kosten des Materials pro Volumen zu vergleichen und nicht die Kosten der damit hergestell-ten Konstruktion. Alle diese Überlegungen trafen schon zu, als die Festigkeit des Betons An-fang der Neunziger Jahre, zunächst auf über 100 MPa anstieg. Die erste Abschätzung war, dass ein Beton B85 doppelt so teuer ist wie ein Beton B45. Das erste große Pilotprojekt in den Niederlanden, eine vorgespannte Brücke mit einer Spannweite von 160 Metern, zeigte jedoch dass diese Betrachtung zu einfach ist. Es wurde festgestellt dass 30% weniger Beton und 30% weniger Stahl erforderlich sind. Deshalb konnten auch die Pfeiler und die Fundamente leichter ausgeführt werden. Wegen des geringeren Gewichtes der Ausbausegmente konnten diese von 3,5m auf 5,0 Meter erweitert werden. Weil die Einbauzeit für die 5,0 Meter langen Elemente

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gleich war wie für die 3,5 Meter langen, war die Brücke drei Monate früher fertig als ursprüng-lich geplant, was zu erheblichen Einsparungen führte. Zusätzlich gilt natürlich auch noch, dass die Dauerhaftigkeit der Brücke durch die dichte Materialstruktur viel größer ist als bei einem B45. Die erwarteten Wartungskosten sind somit auch viel geringer, was für den Inhaber der Brücke, der auch für die Kosten der Instandhaltung aufkommt, von großer Bedeutung ist. Alle diese Überlegungen führten zu dem Schluss, dass die Brücke aus Hochleistungsbeton letztend-lich preisgünstiger ist als eine ähnliche Brücke aus konventionellem Beton. Etwa dieselbe Entwicklung vollzieht sich momentan bei der Einführung des Ultra-Hochfesten Betons. In dem Vortrag werden Beispiele vorgeführt.