SCHUTZSCHIRM FÜR KOMMUNEN€¦ · Kommunalwahlen 2009 hin, im Vergleich zu den landesweit 8,4...

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SCHUTZSCHIRM F Ü R KOMMUNEN Dokumentation der kommunalpolitischen Konferenz der Fraktion DIE LINKE. im Landtag NRW www.linksfraktion-nrw.de

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1Vorwort

SCHUTZSCHIRMFÜR KOMMUNENDokumentation der kommunalpolitischen Konferenz der Fraktion DIE LINKE. im Landtag NRW

www.linksfraktion-nrw.de

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2 Vorwort 3Vorwort

Rund 200 Genossen/-innen und Freunde/-innen aus dem gesamten Lan-desverband beteiligten sich am 20. November 2010 an der ersten kommu-nalpolitischen Konferenz der Fraktion DIE LINKE im Landtag von Nordrhein-Westfalen. Neben Mandatsträger/-innen aus rund 80 Kommunalfraktionen – vom Gemeinderat bis zum Kreistag – nahmen auch Vertreter/-innen der Gewerkschaften, insbesondere von ver.di sowie von befreundeten Organi-sationen, wie zum Beispiel die Föderation demokratischer Arbeitervereine DIDF, aber auch lokale Bündnisse gegen die Kürzungen vor Ort, wie „basta! Wuppertal“, teil. Dass die erste inhaltliche Konferenz der neuen Landtagsfraktion das The-ma Kommunalpolitik behandelt, zeigt die Bedeutung dieses Themas für die Fraktion.Die Finanznot der Kommunen ist auch Resultat der Umverteilungspolitik von unten nach oben. Städte und Gemeinden wurden von Land und Bund ausge-plündert. Immer mehr Aufgaben wurden den Kommunen übertragen, ohne entsprechende Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Dies hat zu massiven Kürzungshaushalten und starken Gebührenerhöhungen geführt. Das Ausbluten der öffentlichen Haushalte muss endlich ein Ende haben. Die Kommunen haben kein Ausgaben-, sondern ein Einnahmenproblem. DIE LIN-KE fordert deshalb eine umfassende Steuerreform, um die Kommunen und den Staat endlich mit den erforderlichen Mitteln auszustatten. Dazu haben wir auf Bundesebene bereits Konzepte vorgelegt, die unter anderem die Einführung einer Millionärssteuer und der Finanztransaktionssteuer, die Wiederbelebung der Vermögenssteuer, die Ausweitung der Gewerbesteuer zur Gemeindewirtschaftssteuer und die Ausweitung der Unternehmensbe-steuerung umfassen. Solch ein Programm würde allein in NRW die Einnahmen um 22 Milliarden Euro verbessern. Hiervon könnten dann 14 Milliarden in die Infrastruktur und Entschuldung der Kommunen investiert werden.Kommunale Selbstverwaltung ist ein großes Gut, das es zu verteidigen gilt. Wir wollen nicht, dass die Kommunen durch restriktives Einschreiten der Kommunalaufsicht und finanzielles Ausbluten zu reinen Vollstreckern zent-ralstaatlicher Aufgaben degradiert werden. Wir verteidigen die Selbstverwal-tung und treten für mehr direkte Demokratie ein. So haben wir zum Beispiel das Gesetz zur Abwahlmöglichkeit von (Ober-)Bürgermeistern/-innen auf den Weg gebracht.Die Konferenz bildete auch den Auftakt, um eine Vernetzung zwischen Land-tags-, Bundestags- und Kommunalfraktionen zu etablieren. Egal ob wir auf kommunaler-, Landes- oder Bundesebene aktiv sind: entscheidend ist der Widerstand gegen jegliche Verschlechterung in den Bereichen der öffent-lichen Daseinsvorsorge, gegen Privatisierungen und Sozialabbau. Unsere „roten Haltelinien“ gelten auf allen Ebenen. Und auf allen Ebenen kämpfen wir für bessere Lebensverhältnisse für alle Menschen.Für uns ist es wichtig, dass wir uns austauschen, vernetzen, Widerstand organisieren, unsere Perspektiven und Forderungen voranbringen.Dies tun wir zusammen mit außerparlamentarischen Bewegungen. Denn

Widerstand gegen die Verschlechterung öffentlicher Daseinsvorsorge

Özlem Alev Demirel, MdL DIE LINKE

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5Konferenzablauf4 Vorwort

Wolfgang Zimmermann, Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE im Land-tag NRW, stellte in seiner Eröffnungsrede die geplanten Anträge und Initiati-ven im Landtag vor. Özlem Alev Demirel, kommunalpolitische Sprecherin der Fraktion, gab ein Input zur Finanzlage der Kommunen und zu den politischen Rahmenbedingungen.

Der Publizist und Sachbuchautor Werner Rügemer hielt einen spannenden Vortrag zum Thema neoliberale Kommunalpolitik und die Folgen.

Nach einer gemeinsamen Aussprache folgten Grußworte der Bundestags-fraktion durch Ingrid Remmers (MdB, DIE LINKE) und des kommunalpoliti-schen korums (kopofo) NRW e. V., durch den Vorsitzenden Wolfgang Freye.

Themen und Referenten/-innen der Arbeitsgruppen:

� AG 1: Kommunales WirtschaftenInput: Elisa Rodé (ehem. Bezirksstadträtin in Berlin)

� AG 2: Die Einnahmeseite stärkenInput: Harald Koch (MdB, DIE LINKE)

� AG 3: Strategien und Aktionen vor OrtInput: Özlem Alev Demirel (MdL, DIE LINKE)

In den Arbeitsgruppen wurde intensiv über die jeweiligen Themen und Grundlagenpapiere diskutiert und Hilfestellungen für die kommunale Arbeit gegeben, besonders im Hinblick auf vielerorts laufende Haushaltsberatun-gen. Stark thematisiert wurde auch die Umsetzung der Forderung nach Rekommunalisierung der Daseinsvorsorge, Wasser-, Strom-, Gasversorgung aber auch kommunaler Krankenhäuser.

In der Abschlussrunde im Plenum wurden die Ergebnisse der Arbeitsgruppen vorgestellt und zusammengefasst.

Konferenzablaufin den Parlamenten allein werden wir mit kleinen Fraktionen nicht genug bewegen können. Gute Argumente und Fachkompetenz sind wichtig. Aber es geht nicht allein um Überzeugungsarbeit, sondern vor allem um Interes-senpolitik: Die Profiteure finanzschwacher Kommunen lassen sich durch kein Argument überzeugen und für die anderen etablierten Parteien ist vor allem überzeugend, wenn wir für unsere Forderungen gute öffentliche Resonanz und Basismobilisierung schaffen. Deshalb ist es wichtig, in Bündnissen aktiv zu sein und die Bewegung zu stärken. Die kommunalpolitische Konferenz hat nicht nur Papiere gewälzt, sondern auch einen Aktionstag „Kommunen in Not“ angeregt, der am 9. April 2011 in über 30 Kommunen erfolgreich durchgeführt wurde.Weitere kommunalpolitische Konferenzen dieser Art – jeweils zu bestimmten Themenschwerpunkten – werden folgen.

Mit diesem Reader möchten wir die Diskussionen, Argumente und Resultate der Konferenz allen Mitgliedern und Interessierten zugänglich machen.

Özlem Alev Demirel

ImpressumFraktion DIE LINKE. im Landtag NRW Platz des Landtags 1, 40221 DüsseldorfTelefon: 0211 / 884 – 4618, Telefax: 0211 / 884 – 3700 Internet: www.linksfraktion-nrw.de, [email protected]: 1.000 Exemplare; Gestaltung: Florian Osuch; Druck: Mediendepot Ruhr (Duisburg) Redaktion: Angela Bankert, Stefan Müller V.i.S.d.P.: Florian Kaiser (Pressesprecher); Erscheinungsdatum: September 2011 Fotos: Fraktion DIE LINKE. im Landtag NRW, außer Seite 9 unten (DIE LINKE. im Bundestag); Seite 10: Werner Rügemer; Seite 26: flickr (i_m_not_here und chris-sy).Diese Publikation darf nicht zu Wahlkampfzwecken verwendet werden.

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6 Eröffnungsrede Wolfgang Zimmermann 7Eröffnungsrede Wolfgang Zimmermann

Die Kommune ist der Lebensmittelpunkt der Menschen: � wo das gesellschaftliche Leben stattfindet, � wo soziale und kulturelle Daseinsvorsorge angeboten wird oder werden

sollte und � wo politische Zusammenhänge nah bei den Menschen erfahrbar sein oder

sein sollten.

Egal in welchem Bereich, ob Verkehr, Wohnen, Bildung, Krankenhäuser oder Stadtentwicklung, 70 Prozent aller Investitionen werden in den Kommunen umgesetzt.

Gemessen an diesen Aufgaben ist die Finanzausstattung der Kommunen schlicht katastrophal. In NRW haben über 90 Prozent der Kommunen keinen strukturell ausgeglichenen Haushalt. Allein die Kassenkredite, also der Dispo der Kommunen, summieren sich auf 20 Milliarden Euro.

DIE LINKE kämpft auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene für eine drastisch verbesserte Finanzausstattung der Gemeinden. Nicht nur in Form von konjunkturellen Einmalzahlungen und Sonderfonds, sondern für eine grundlegende Neuaufteilung des Steueraufkommens zwischen den staatli-chen Ebenen. Dazu wird es heute auch einen eigenen Workshop geben.

Einiges haben wir schon in die Wege leiten können. Bislang hat man ja fast alle unsere Anträge im Landtag abgelehnt, und wir haben nur zwei durch-bringen können. Eine von diesen zwei Ausnahmen war ein Antrag, den Özlem Alev Demirel, die kommunalpolitische Sprecherin unserer Fraktion, eingebracht hat. Nämlich ein Antrag zum Thema Gewerbesteuer, mit unserer Forderung, die Gewerbesteuer zur Gemeindewirtschaftssteuer auszubauen. Dass der Landtag dies verabschiedet hat, ist ein erster kleiner Erfolg.

Ein weiterer wichtiger Themenbereich ist das Gemeindewirtschaftsrecht, zu dem heute ja auch ein Workshop angeboten wird. Hier sind wir gerade mitten in der parlamentarischen Beratung zum Gesetzentwurf von SPD und Bünd-nis 90/Die Grünen, der die Fesseln wieder entfernen soll, die schwarz-gelb einer wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden angelegt hat. Wir werden diesen Gesetzentwurf voraussichtlich in der Tendenz mittragen und eigene Ergänzungen und Änderungen einbringen, die wir unter Umständen vielleicht auch mal mit anderen Mehrheiten im Ausschuss durchbekommen.

Denn es gibt von uns keinen Blankoscheck für niemanden. Wir bringen unsere eigenen Vorstellungen ein und beurteilen die Anträge anderer Fraktionen sachbezogen. Wenn sie uns ganz oder in Teilen zusagen, unterstützen wir das, egal von wem der Antrag ist.

Konferenzteilnehmende im Landtag NRW

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Gäste,

ich begrüße Euch herzlich und freue mich, dass Ihr so zahlreich erschienen seid.

Weil so erfreulich viele Anmeldungen kamen, war der ursprünglich vorgese-hene Raum schnell viel zu klein. Wir sind erst in den größten Fraktionssaal ausgewichen, nämlich den der CDU. Und als immer noch weitere Anmel-dungen eintrafen und der auch nicht ausreichte, haben wir uns hier diesen Plenarsaal geangelt.

Aber das ist auch angemessen: Wir stoßen als Partei ins „Allerheiligste“ der parlamentarischen Demokratie vor, wir beanspruchen Raum und Gehör für unsere Beiträge und Lösungsvorschläge.

Die große Beteiligung drückt sicher auch aus, dass es einen starken Bedarf in der Partei und in den Gemeindefraktionen vor Ort gibt, überregional in eine politische Diskussion zu kommunalpolitischen Strategien und in einen Erfahrungsaustausch einzutreten. Dem wollen wir als Landtagsfraktion mit dieser Konferenz heute Rechnung tragen. Wobei dies heute nur der Auftakt ist und fortgesetzt werden soll, sei es im Rahmen von Veranstaltungen der Fraktion oder des Kommunalpolitischen Forums (kopofo).

Wir als Landtagsfraktion versprechen uns von dieser Konferenz für unsere Arbeit auch viele Denkanstöße und Anregungen.

In unseren ersten Monaten hier im Landtag haben wir feststellen können – sofern wir es vorher noch nicht wussten – dass Landespolitik enorm viel mit Kommunalpolitik zu tun hat. Ein großer Teil der Finanzthemen berührt die Kommunalfinanzen. In vielen Fragen ist der Ausschuss für Kommunalpolitik federführend oder mitberatend, und wir müssen uns zu vielen Fragestellun-gen positionieren, viele Sachthemen aufarbeiten. Sofern Ihr im vergangenen Jahr neu in die Kommunalparlamente gewählt wurdet, ist Euch das ja auch so ergangen. Wenn Ihr schon länger in Kommunalparlamenten mitarbeitet, habt Ihr da einen wichtigen Erfahrungsvorsprung, von dem wir alle gerne profitieren.

Auch die Landtagsfraktion DIE LINKE braucht den Austausch, die Bündelung der Erfahrungen von Euch aus den Gemeindeparlamenten.

Wir möchten wissen: � Wie können wir Eure Arbeit vor Ort unterstützen? � Mit welchen Themen oder Projekten seid Ihr befasst, für die wir auf

Landesebene etwas tun bzw. die wir thematisieren oder weiterbringen können? Ein Thema ist sicher in allen Kommunen gleich brennend: Näm-lich die Finanzen.

Nicht nur gute Argumente – auch Druck durch Mobilisierung

Wolfgang Zimmermann, MdL DIE LINKE.NRW

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9Grußworte8 Eröffnungsrede Wolfgang Zimmermann

Wolfgang Freye wies auf das historische Defizit von 12 Milliarden Euro bei den Kommunen hin. Diese Finanzkrise sei nicht hausgemacht, auch wenn es natürlich kommunale Verantwortung gebe. Durch steuerpolitische Ent-scheidungen in Bund und Land, Kürzungen, Übertragung von Aufgaben durch Bund und Land ohne ausreichende Gegenfinanzierung seien die Kommunen strukturell unterfinanziert.

Daher fordere DIE LINKE eine bedarfsgerechte Finanzausstattung der Kom-munen und einen Entschuldungsfonds, der diesen Namen auch verdiene und nicht nur Kürzungsdruck entfalte. DIE LINKE trete jederzeit für die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung und solidarische Bürgerkommunen ein.

Freye wies auf die landesdurchschnittlich 4,4 Prozent für DIE LINKE bei den Kommunalwahlen 2009 hin, im Vergleich zu den landesweit 8,4 Prozent bei den Bundestagswahlen im gleichen Jahr. DIE LINKE müsse Kommunalpartei werden und sich dafür stärker vor Ort verankern.

Ingrid Remmers sieht die Hauptverantwortung für die chronische Unterfinan-zierung der Kommunen in der Gesetzgebung des Bundes. Bereits die rot-grüne Bundesregierung habe mit ihrer Steuer- und Finanzmarktreform den Grundstein für die heutige Finanzmisere der Kommunen gelegt. Die große Koalition und die jetzige Bundesregierung satteln noch kräftig drauf. Deswe-gen sei es notwendig, strukturell für Steuermehreinnahmen zu sorgen und Mindereinnahmen zu bekämpfen.

DIE LINKE fordere die Weiterentwicklung der Gewerbesteuer zur sogenann-ten Gemeindewirtschaftsteuer. Dazu gehörten die Einbeziehung der freien Berufe. Schuldzinsen, Finanzierungsanteile von Mieten, Pachten, Leasing-raten und Lizenzgebühren sollen künftig in voller Höhe bei der Ermittlung der Steuerbasis berücksichtigt werden. Gewinne und Verluste dürften nur dann steuerlich geltend gemacht werden, wenn sie tatsächlich anfallen. Um kleinere Gewerbetreibende nicht zu stark zu belasten, soll der Freibe-trag für Freiberufler, kleine Unternehmen und Existenzgründer von derzeit 24.500 Euro auf 30.000 Euro erhöht werden.

Remmers forderte, nicht die Gewerbesteuer abzuschaffen, wie von FDP und CDU diskutiert, sondern die Gewerbesteuerumlage der Kommunen an den Bund und die Länder schrittweise, aber schnell zu senken.

Wolfgang Freye Kommunalpolitisches Forum NRW e.V.

Veränderung beginnt von unten

Ingrid RemmersMdB, DIE LINKE

Kommunale Einnahmen stärken

Ingried Remmers, MdB DIE LINKE

Wolfgang Freye, Vorsitzender des komunal-politischen forums nrw e.V. und Ratsherr DIE LINKE im Rat der Stadt Essen

Liebe Genossinnen und Genossen, auch wenn wir parlamentarische Kärrner-arbeit leisten müssen und wollen, auch wenn wir uns über parlamentarische Erfolge freuen - als Linke wissen wir: Durch gute Worte und die Überzeu-gungskraft unserer Argumente allein werden wir nicht großartig etwas bewe-gen können. Darum dürfen wir bei aller parlamentarischen Kleinarbeit nicht vergessen, dass wir vor allem außerparlamentarisch nach Bündnispartnern Ausschau halten müssen, bei Gewerkschaften, bei Bürgerinitiativen, bei sozia-len und kulturellen Vereinigungen.

Ein kommunalpolitisches Großereignis, wenn man so will, ist im Moment Stuttgart 21. Das ist ja in Wirklichkeit kein verkehrspolitisches, sondern vielmehr ein Stadtentwicklungsprojekt – allerdings eins von der Sorte, wie es die Bürger/-innen allmählich leid sind: Stadtentwicklungsprojekte, die nur Immobilienspekulanten und Baukonzernen nützen; Leuchtturm- und Prestigeprojekte, die die Gentrifizierung und den Aufbau von Schicki-Micki-Stadtteilen vorantreiben und enorme Finanzmittel von wichtigen Bereichen abziehen.

Solche Projekte gibt es wahrscheinlich in jeder Kommune, wenn auch in unterschiedlicher Dimension.

In der sogenannten Schlichtung zu Stuttgart 21 findet derzeit der Schlag-abtausch der Argumente statt. Aber die Herrschaften der Befürworterseite machen klar: Es geht nicht um die besseren Argumente, sie sind völlig unbe-eindruckt davon und entschlossen, das Projekt durchzuziehen, selbst wenn es ihren Lieblingsparteien die Mehrheit in Stadt und Land kostet. Es geht um reine Interessenpolitik. Und niemals hätten sie sich auch nur zum Argumen-tieren an einen Tisch gesetzt, wenn es nicht die großartige Bewegung der Stuttgarter Initiativen, der Parkschützer, des Aktionsbündnisses K 21, der Bürgerinnen und Bürger gegeben hätte.

Also: Wir brauchen nicht nur die besseren Argumente – die haben wir und davon viele – wir brauchen auch Druck dahinter. Deswegen ist es wichtig und richtig, dass wir einen Workshop zum Thema „Strategien und Aktionen vor Ort“ anbieten, denn ohne außerparlamentarischen Widerstand und ohne Bewegungen werden wir in den Parlamenten nur wenig durchsetzen können.

Ich wünsche der Konferenz einen spannenden und produktiven Verlauf.

Wolfgang Zimmermann

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10 Referat Werner Rügemer 11Referat Werner Rügemer

Gleichzeitig schädigt die investorenhörige Steuer- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierungen die Kommunen seit über einem Jahrzehnt zusätzlich. Gegenwärtig werden die Kommunen aufgrund der gesetz- und marktwidri-gen Bankenrettung durch Kürzungsorgien und Steuerausfälle in zweistelliger Milliardenhöhe geschädigt.

II. Kollaboration der kommunalen Eliten und alternative Strategien

Die Mehrheitsparteien und die Verwaltungschefs haben alle neoliberalen Finanzierungsmoden der letzten beiden Jahrzehnte mehr oder weniger mitge-macht und setzen dies auch fort, dabei steht NRW seit Clement/Steinbrück im Ländervergleich an der Spitze (neben Sachsen/Biedenkopf): � Spekulationsgeschäfte der Landesbank, � Verkauf öffentlicher Unternehmen, � Cross-Border-Leasing, � Zinswetten (zum Beispiel Spread Ladder Swaps), � Public Private Partnership.

Es gibt weder eine öffentliche Selbstkritik noch eine konkrete Sachkritik der „Partner“, wie Deutsche Bank, WestLB, Hochtief, Bilfinger Berger, Freshfields, Price Waterhouse Coopers und Heuking Lüer Wojtek/Jasper. Eine häufige „Kri-tik“ wie „Das würden wir heute nicht mehr machen“ zeugt nicht von tieferer Einsicht oder von geänderter Haltung gegenüber solchen Finanzpraktiken.

Schon 1994 war die Situation (staatliche Unterfinanzierung der Kommunen, „Spar“maßnahmen) ähnlich wie heute, allerdings weit weniger dramatisch. Damals riefen deutsche Oberbürgermeister großer Städte parteiübergreifend im „Manifest der Oberbürgermeister“ zum „Aufstand der Städte“ auf. Die Initiatoren waren die OB Burger (Köln, SPD), Kronawitter (München, SPD), Rommel (Stuttgart, CDU) und von Schoeler (Frankfurt, FDP). Doch es gab nie einen Aufstand, vielmehr würgten die demagogischen Aufrufer den von ihnen ausgerufenen Aufstand dann mit ihren Parteien auf der Bundes- und Landes-ebene selbst ab. Ähnlich ist es heute mit den OB derselben Parteien, die mit professioneller Routine die Misere „ihrer“ Städte beklagen (unter anderem Roth, Frankfurt/Main, CDU).

Statt Aufstand der Städte muss es eine Gegenwehr und Alternative von Städ-tern geben; die Städte sind keine einheitliche Volks- oder Stadtgemeinschaft, vielmehr geht der Riss zwischen arm und reich quer durch die Einwohner-schaften. Deshalb müssen Konflikte auch mit den eigenen OB und ihren Unterstützern/-innen ausgefochten werden.

Dabei empfehle ich nicht nur Aktionstage und Demonstrationen, sondern für die Qualifizierung auch von Bürgern/-innen, die nicht einer Partei oder Orga-nisation angehören, die Entwicklung langfristiger Formen der Mitarbeit, zum Beispiel Tribunale, Initiativen und Recherchegruppen (wie Initiativen zur Re-

Ich bedanke mich für die Einladung zu dieser schönen und notwendigen Konferenz. Ich möchte hinzufügen, dass die Kommunen zu einer zentralen staatlichen Aufgabe geworden sind, die nicht nur den Kommunalpolitikern überlassen werden darf. Es geht um elementare Formen der Lebenssicherheit für die Bevölkerung. DIE LINKE ist, so stelle ich erfreut fest, die politische Partei, die diese Einsicht gegenwärtig weitestgehend realisiert.

I. Die Schäden des neoliberalen Projekts in den Kommunen

Das neoliberale Projekt ist zuletzt besonders drastisch bei der „Finanzkrise“ und der darauf folgenden Bankenrettung moralisch untergegangen – alle Ver-sprechen von mehr Wohlstand, mehr Arbeitsplätzen, Reduzierung der Staats-schulden, besseren Dienstleistungen wurden nicht realisiert, im Gegenteil. Die Bankenrettung mit dem zuvor als Teufelswerk gebrandmarkten Eingriff des Staates gab der öffentlichen Begründung des neoliberalen Projekts den letzten Todesstoß. Seine Akteure herrschen und handeln unverändert weiter, aber es fehlt ihnen die bisherige Legitimation, die als primitives Werbegere-de entlarvt ist. Bei der Mehrheit der Bevölkerung herrschen Kritik, Wut, Em-pörung, aber gemischt mit gleichzeitiger Resignation: „Es ist nicht gerecht, aber wir können nichts ändern.“ Der Widerstand ist weithin zersplittert und, sobald er aussichtsreich erscheint, der Diffamierung ausgesetzt. „Lösungen“ werden mehrheitlich durch leichte Veränderungen innerhalb des bisherigen Systems gesucht.

Das neoliberale Projekt hat sich auch in den Kommunen diskreditiert: � die hegemoniale, imperiale Zentralisierung des Staates hat die strukturelle

Unterfinanzierung des Staates verschärft; � private Investoren, teilweise der dubiosesten Art (zum Beispiel beim

WCCB), haben große Teile der Infrastruktur übernommen oder beeinflus-sen sie (öffentlich genutzte Immobilien, ausgegliederte Unternehmen, private „Dienstleister“, PPP-Projekte); die Folge sind Geheimniskrämerei, Intransparenz, neue Bürokratie, hohe Kosten für die kommunalen Haus-halte, hohe Gebühren für die Privathaushalte, Lebensunsicherheiten, Niedriglöhnerei;

� Anteile von Energiekonzernen an Stadtwerken: die Mär vom notwendigen „strategischen Partner“ hat sich als Horror erwiesen, der „strategische Partner“ hat für sich hohe Preise für Energielieferungen durchgedrückt, eigene Tochterfirmen mit Dienstleistungen beauftragt, Arbeitsplätze abge-baut, Gewinne entnommen;

� die Laufzeitverlängerung für AKW entwertet Investitionen der Stadtwerke in dezentrale Energieproduktion.

Tiefe und Ausmaß dieser Privatisierungen sind den meisten Bürgern/-innen nicht klar, weil sie im Westen Deutschlands auf zwei Jahrzehnte verteilt durchgezogen wurden.

Lebenssicherheit für die Bevölkerung: Die Kommunen nach dem moralischen Untergang des neoliberalen Projekts

Werner Rügemer, Publizist

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12 Referat Werner Rügemer 13Referat Werner Rügemer

nungsunternehmen zu denken: Was in der viel schwierigeren Weimarer Republik möglich war, muss heute doch auch möglich sein!

� Eigenrealisierung statt PPP, auch durch eigene Kreditaufnahme, die gegen die Kommunalaufsicht durchgesetzt werden muss durch öffentliches Vor-rechnen der teuren PPP-Milchmädchen-Rechnung;

� gerichtliche Klagen wegen Falschberatung gegen Deutsche Bank (Zins-wetten, Cross-Border-Leasing), Freshfields, Ernst & Young (Immobilien wie Kölner Messehallen): Training der „Verantwortlichen“ in öffentlicher Kritik an Banken und Beratern;

� in allen Städten Forderung nach Offenlegung der geheimen Privatisie-rungs- und sonstiger Vertragswerke;

� Ausbau der für die Sicherheit der Bevölkerung wichtigen Aufsichtsbehör-den, die von der CDU/FDP-Landesregierung abgeschrumpft wurden: Bau- (Kölner Archivsturz!), Gewerbe-, Umwelt-, Nahrungsmittelaufsicht;

� Konzessionen für die Energienetze von den Konzernen zurückholen; bis 2013 geht es in Deutschland um etwa 1.000 solcher Konzessionen;

� Ausbau der öffentlichen Verwaltung, verbunden mit Qualifizierung, die zwei Jahrzehnte lang vernachlässigt wurde (weil man teure Beratungsun-ternehmen beauftragte);

� keine neuen Aufträge an die privaten Berater.

Die für die Re-Kommunalisierung notwendigen Gelder können im Wesentli-chen nicht von den Kommunen aufgebracht werden. � Es muss das große Tabu gebrochen werden, dass die Kommunen nicht

durch das geistlose Uralt-Klischee „Sparen, Sparen, Sparen“ und „Kür-zen, Kürzen, Kürzen“ gerettet werden können, sondern nur durch neue Einnahmen, und zwar durch Steuern auf die nicht oder kaum besteuerten Gewinne, großen Vermögen und Finanztransaktionen.

� Der Staat muss einen eigenen Fonds in zweistelliger Milliardenhöhe aufle-gen, der zur Reparatur, Modernisierung und Ausweitung der öffentlichen Infrastruktur dient (Energie, Wasser, Abwasser, Straßen, Brücken, Nahver-kehr, Kinderbetreuung, Schulen, Beratung...).

� Der Bundestag muss ein Bundesgesetz zur Rück-Verstaatlichung und Re-Kommunalisierung beschließen, das unter anderem die Offenlegung von Geheimverträgen, Sanktionierung von Falschberatung und Gesetzesbrü-chen und Entschädigung enthält.

IV. Aktuelle grundsätzliche Konflikte im Finanzbereich

Grundsätzliche Konfliktpunkte, die von den Stadträten in den NRW-Kommu-nen gegenwärtig ausgefochten werden sollten, sind nach meiner Meinung folgende: � Keine Hilfen der Kommunen und der Sparkassen für die WestLB! [sie-

he auch „Exkurs WestLB“, Seite 14] Es darf nicht sein, dass die berechtig-te Kritik der Bürger/-innen an den Banken und der staatlichen Bankenret-tung auf dem Umweg über die Kommunen unterlaufen wird.

Kommunalisierung einzelner Bereiche; welche Unternehmen umgehen mit welchen Methoden die Gewerbesteuer; Bilanz aller Privatisierungen). Tribu-nale und Versammlungen sollten an zentralen öffentlichen Orten stattfinden, auf Marktplätzen, vor dem Rathaus unter anderem.

Bei den öffentlichen Forderungen sollten nicht die im parlamentarischen Be-trieb verhandelten Forderungen, wie „bessere Finanzausstattung der Kommu-nen“, im Vordergrund stehen, sondern praktische Bürger/-innenforderungen, wie „kostenloser Besuch von Kindertagesstätten“, „kostenlose Schulbücher“, „Erhalt der Jugendzentren NN, der Schwimmbäder NN“, „Sanierung der Schu-len NN“ etc.

Die für Kommunalpolitiker wichtigen Probleme, wie „ausgeglichener Haus-halt“ und „Haushaltssicherungskonzept“, sind faktisch und aus der Sicht der Bevölkerung zweitrangig. Ob eine Kommune einen technisch „ausgegliche-nen“ Haushalt hat, das heißt ihre jährliche Neuverschuldung durch Kredite finanzieren kann oder nicht, ist für die Bürger kaum ein Unterschied. Auch ein „ausgeglichener“ städtischer Haushalt ist ein überschuldeter Haushalt, in dem die Zinsen für die alten Schulden eine tödliche Wirkung haben und für den nach bisherigem Vorgehen keine Aussicht auf Entschuldung besteht. Auch ein „ausgeglichener“ Haushalt wird nur durch unsoziale Kürzungen erreicht.

III. Rück-Verstaatlichung und Re-Kommunalisierung

Die Bevölkerungsmehrheit tendiert inzwischen zur Aufwertung des Staates und der öffentlichen Daseinsvorsorge, allerdings eher gefühlsmäßig, nicht nachhaltig. Das sind aber Ansätze für längerfristig angelegte Aktivitäten. Wie sehr die neoliberalen Akteure sich der Brüchigkeit ihrer Situation bewusst sind, zeigt sich zum Beispiel darin, dass Veolia nach dem Kauf der Braunschweiger Stadtwerke eigens der Stadt 350.000 Euro gezahlt hat, um den Namen „Stadtwerke“ weiter führen zu dürfen. 2001 gründete sich in Stuttgart die Bürgerinitiative „Unser Wasser“ und erreichte 2010 den Mehrheitsbeschluss des Stadtrates: Die Wasserwerke werden von EnBW zurückgekauft! Die 2006 gegründete Bürgerinitiative zur Offenlegung der Ge-heimverträge beim Verkauf der Berliner Wasserwerke (BWB an RWE+Veolia) hatte 2010 mit der Sammlung von 230.000 Unterschriften einen für regie-rende Parteien und Großmedien überraschenden Erfolg.

Rück-Verstaatlichung und Re-Kommunalisierung bedeuten heute: � Rückkauf oder die Übernahme verkaufter Unternehmen und ausgelagerter

Dienstleistungen; dabei ist es notwendig, langfristig auch die traditionel-len rechtlichen Organisationsformen (GmbH, AG aber auch AöR) einer demokratischen Kritik zu unterziehen;

� Neugründung kommunaler Unternehmen (zum Beispiel für dezentrale Energieproduktion). Es ist dabei weit über den gegenwärtigen Diskus-sionshorizont hinaus auch an die Neugründung von kommunalen Woh-

Werner Rügemer auf der Konferenz

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15Workshop 1: Kommunales Wirtschaften14 Referat Werner Rügemer

Der Gesetzentwurf von SPD und Grünen „Gesetz zur Revitalisierung des Ge-meindewirtschaftsrechts“ (Landtags-Drs. 15/27) erklärt in der Begründung: „Ein öffentlicher Zweck ist nämlich auch die Gewinnerzielung zur Deckung von Ausgabebedarfen in anderen öffentlichen Bereichen.“ Quersubventi-onierung kann ein sinnvolles Vorgehen sein. Aber die Erwirtschaftung von Überschüssen in kommunalen Einrichtungen und Betrieben darf kein Haupt-zweck sein; die Überschüsse müssen ihrerseits wieder öffentlichen Zwecken zugeführt werden.

Keinesfalls darf die Erwirtschaftung von Überschüssen als Ersatzeinnahme-quelle für die unzureichende Finanzausstattung der Kommunen herhalten, denn die Zeche würden die Nutzer/-innen und Verbraucher/-innen durch höhere Gebühren zahlen.

Wir fordern daher: Finanzdefizite der Kommunen müssen durch eine angemessene Finanzierung aus dem Steueraufkommen ausgeglichen werden.

Linke Anforderungen an die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen sind: � Daseinsvorsorge und Versorgungssicherheit, � demokratische Kontrolle durch Kommunalparlamente, Beschäftigte und

Nutzende bzw. Kunden/-innen, � Gerechtigkeit und soziale Ausgewogenheit, � Ökologie und Nachhaltigkeit sowie � Wirtschaftlichkeit.

Privates Gewinnstreben Einzelner widerspricht häufig diesen Kriterien. Wenn sich die öffentliche Hand privatrechtlicher Unternehmensformen bedient, gerät sie in Gefahr, die Profitmaximierung ebenfalls zum Hauptkri-terium des Wirtschaftens zu machen und andere Zielstellungen zu ver-nachlässigen.1

Aus diesem Grund sind öffentlich-rechtliche Unternehmensformen (Eigen-betriebe, Zweckverbände etc.) geeigneter für die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen als privatrechtliche (GmbH, AG etc.). Eine neuere Studie2 zeigt, dass öffentlich-rechtliche Betriebe öffentliche Aufgaben durchaus effektiver erledigen können als privatrechtliche Unternehmen. Die Studie nennt mehrere Gründe3:

1 Vgl. hierzu auch in den Leitlinien zur Kommunalwahl 2009: „DIE LINKE tritt ein für (…) eine soziale Stadt für alle, die dem Gemeinwohl verpflichtet ist und gegen den Umbau der öffentlichen Verwaltung zu einem Konzern (…) Die Umstellung der kommunalen Haushaltssystematik von der Kameralistik auf das Neue Kommunale Finanzmanagement (NKF) darf in der Praxis nicht zu einem weiteren Einzug betriebswirt-schaftlicher Philosophie in die Kommunalverwaltungen führen. Für DIE LINKE in NRW sind kommunale Leistungen keinesfalls ‚Produkte‘. Schulen und Kinderbetreuung sind keine Handelsware!“

2 Tim Engartner: Kehrt der Staat zurück? Rekommunalisierungen in den Aufgabenbereichen Entsorgung und Gebäudereinigung. In: Zeitschrift für öffentliche und gemeinnützige Unternehmen 4/2009.

3 Vgl. die Kurzfassung in: Böcklerimpuls 3/2010 „Kommunen schlagen Private“.

Elisa Rodé, ehem. Bezirksstadträtin, Berlin

� Kommunale Kreditaufnahme für dringend notwendige Projekte, wie Schulsanierung, Neubau von Feuerwachen etc. Die Kreditaufnahme muss wie beim Staat selbst auch bei hoher Verschuldung möglich sein, weil sie günstiger ist als die „alternative“ Public-Private-Partnership-Version!

In beiden Bereichen sollten die Konflikte mit der Kommunalaufsicht bewusst provoziert werden, und zwar mit Hilfe auch der Landtags- und der Bundes-tagsfraktion.

Exkurs WestLB: Keine Steuergelder in eine Black BoxDie WestLB war neben der SachsenLB und der HSH Nordbank die Landes-bank, die die meisten spekulativen Geschäfte nach dem Muster der de-regulierten Finanzmärkte getätigt hat, großenteils über die Filialen in den am weitesten deregulierten Finanzstandorten London, Luxemburg und Cayman Islands. Als einzige Landesbank muss die WestLB nach zum Teil durchaus plausiblen Vorgaben der EU- Kommission bis Ende 2011 ver-kauft, fusioniert oder abgewickelt sein. Die faulen Kredite, zum Beispiel im Immobiliengeschäft (Tochter Westimmo) und im Konsumentengeschäft (Tochter Readybank), sind noch gar nicht vollständig öffentlicht bekannt. Die Beauftragung des exzessiven Neoliberalen Friedrich Merz als Ver-käufer bzw. Abwickler verheißt zusätzlich nichts Gutes. Jedenfalls gibt es keine guten Gründe, die WestLB auf Kosten der Bürger/-innen und der Kommunen zu retten bzw. zu subventionieren. Ihrer ursprünglichen Auf-gabe der regionalen Wirtschaftsförderung kommt sie nicht nach, vielmehr gehört sie zum Beispiel weiter zu den Beratern (WestKC) und Verkäufern des gemeinschädlichen Finanzprodukts Public Private Partnership.

Es gibt bisher überhaupt keine öffentliche, rechtsstaatliche und ge-richtsfeste Überprüfung der Verbindlichkeiten der WestLB. Die Bürger werden gezwungen, ihr Geld in eine Black Box zu werfen, die von den Verursachern des Bankrotts weitergeführt wird. Dem sollten sich die Kommunen und die Sparkassen verweigern. Bisher sehen die öffentli-chen Hilfen für die WestLB so aus: � Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (Soffin) des Bundes: 3 Milli-

arden Euro (stille Einlagen) � Land NRW: 8,5 Milliarden Euro (Garantien) � Sparkassen in NRW: 5,5 Milliarden Euro (Garantien) � Kommunen direkt oder über die Sparkassen??

Welche der zum Teil noch jahrzehntelang geltenden Garantien eingelöst werden müssen, ist unklar, ebenso, ob die bisherigen Hilfen überhaupt ausreichen. Vgl. Wirtschaftswoche, 15.11.2010, S. 48.

Workshop 1: Kommunales Wirtschaften:

Öffentlich ist besser – wenn die Kommunen nicht wie Private agieren

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16 Workshop 1: Kommunales Wirtschaften 17Workshop 1: Kommunales Wirtschaften

men droht sich zu verselbstständigen und von der eigentlichen öffentlichen Aufgabe zu entfernen.Wir fordern daher, dass im Gesetzentwurf geregelt wird, dass öffentliche Unternehmen ausschließlich in öffentlich-rechtlicher Organisationsform betrieben werden dürfen.Bestehende privatrechtliche Betriebe sollen ihre Gewinne an den öffentli-chen Haushalt abführen, damit der Rat über die Verwendung dieser Gelder für andere öffentliche Zwecke entscheiden kann.

Demokratische Kontrolle

Eine demokratische Kontrolle der kommunalen Betriebe, Unternehmen und Beteiligungen ist nur möglich, wenn die vertraglichen Grundlagen bekannt sind. Aus diesem Grund ist eine Offenlegung aller Verträge und Abreden eine unabdingbare Voraussetzung. Attac hat daher den Kampf gegen Geheimverträge zu einem Schwerpunkt der Aktivitäten erklärt: „Geheimhaltung ist das skandalöseste Merkmal aller PPP-Projekte – vor allem aber auch das undemokratischste!“ Der Parteivor-stand DIE LINKE hat im September die Erklärung „Schluss mit Geheimver-trägen“ verabschiedet und entsprechende Gesetzesinitiativen angeregt. Die Änderung der Gemeindeordnung NRW ist eine geeignete Möglichkeit hierzu.

Wir fordern, ein Verbot von Geheimverträgen und geheimen Abreden in das Gesetz aufzunehmen.

Die Beschäftigten wie auch die Nutzer/-innen und Kunden/-innen sind an öffentlichen Unternehmen interessiert, die qualitativ gut, ökologisch, preis-günstig und kundenfreundlich operieren. Dies ist nicht über mehr Wettbewerb durch „Privat vor Staat“ zu erreichen, sondern vor allem über demokratische Kontrolle seitens der Beschäftigten, Kunden/-innen und Nutzer/-innen.

Wir fordern daher, Kommunen bei der Rekommunalisierung zu unterstützen. Eine Rekommunalisierung bedeutet nicht nur, dass das Eigentum in öffentli-cher Hand ist, sondern auch eine Betriebsform, die eine wirksame Kontrolle und Einflussnahme des Kommunalparlaments, der Beschäftigten und der Nutzer/-innen sichert.

Wir wollen demokratische Aufsichts- und Mitbestimmungsstrukturen in allen öffentlich-rechtlichen Betrieben etablieren, unter Einbeziehung der Beschäf-tigten sowie der Kunden/-innen und Verbraucher/-innen.

Keine kommunalen Auslandseinsätze

Durch den SPD/Grüne-Gesetzentwurf soll das kommunale Agieren auf dem internationalen Markt, insbesondere im Energiesektor, weiter erleichtert werden. Aber welchen Sinn macht es und welche Konsequenzen hat es,

� Öffentliche Betriebe müssen im Unterschied zum Privatunternehmen keine Gewinne erwirtschaften. Die Gebühren müssen nur die Kosten decken, darum können sie niedriger sein. Eine sozialverträgliche Preisge-staltung ist möglich.

� Öffentliche Betriebe arbeiten eher mit fest angestelltem und qualifiziertem Personal. Das ermöglicht mehr Effizienz.

� Steuerliche Vorteile spielen eine Rolle. (Kommunale Betriebe zahlen keine Mehrwertsteuer für hoheitlich zu regelnde Daseinsvorsorge.)

� Städte und Gemeinden, die öffentliche Aufgaben in eigener Regie leisten, können auf eine kostspielige europaweite Ausschreibung verzichten.

� Durch kleinere Ausschreibungslose können lokale Handwerker und Dienstleister beauftragt werden.

� Gewinnverschiebungen über verschachtelte Strukturen, und damit der Entzug des Gewinns vor dem öffentlichen Zugriff, sind nicht möglich.

Viele Kommunen haben daher in den letzten Jahren privatrechtlich geführte Auslagerungen erfolgreich wieder in die öffentlich-rechtliche Trägerschaft zurückgeführt.

Insgesamt ist eine große Skepsis gegenüber privatrechtlichen Organisations-formen für kommunale Betriebe zu beobachten, da die ursprünglichen Ziele der öffentlichen Daseinsvorsorge zu leicht hinter dem Ziel der Gewinnerzie-lung zurückstehen: � Privatrechtliche Organisationsformen dienen dem Zweck, möglichst hohe

Gewinne für die Eigentümer/-innen zu erzielen. Sie dienen nicht dem Zweck, Ressourcen und Gemeinbesitz langfristig nachhaltig zu bewirtschaf-ten, sondern kurz- und mittelfristig daraus Gewinn zu erwirtschaften. Oft steigt auch die Vergütung der Aufsichts- und Leitungsgremien stark an.

� Privatrechtliche Organisationsformen sind nicht dazu bestimmt und nicht geeignet, eine gerechte und sozialverträgliche Verteilung der Unterneh-mensprodukte zu gewährleisten, sondern Produkte werden an diejenigen verkauft, die dafür zahlen können, oft sogar mit „sozial ungerechter“ Bevorzugung von Großabnehmern vor Einzelkunden.

� Ökologische Zielsetzungen sind nicht primäre Ziele von privatrechtlichen Unternehmen, sondern allenfalls Sekundärziele.

� Privatrechtliche Unternehmensverflechtungen in Konzernen und Holdings und mit diversen verschachtelten Tochterunternehmen dienen nicht der Transparenz nach außen und verschleiern die internen und externen Geld-ströme. Eine öffentliche, demokratische Kontrolle ist nicht beabsichtigt und kaum möglich.

Die Einflussnahme der Kommune als Gesellschafterin bzw. der Ratsmitglie-der als Aufsichtsratsmitglieder ist bei privatrechtlich geführten Unternehmen stark eingeschränkt. Problematisch ist insbesondere die Festlegung des Aufsichtsrats auf die Verfolgung der Unternehmensziele, also der Gewinn-erzielung, und nicht auf die Ziele der Kommune. Die Tätigkeit der Unterneh-

Konferenzteilnehmende im Landtag NRW

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19Workshop 2: Kommunalfinanzen18 Workshop 1: Kommunales Wirtschaften

I. Ausgangslage: Wie kam es zu der Finanzmisere der Kommunen?

� Die Politik der Steuergeschenke an Unternehmen, Banken, Versicherun-gen, Spekulanten, Superreiche und Hoteliers hat eine riesige Umverteilung von unten nach oben bewirkt. Die Steuersenkungspolitik, insbesondere der SPD/Grünen-Koalition, hatte dramatische Einnahmeverluste für die öffentliche Hand auf allen Ebenen zur Folge.

� Bund und Länder wälzen Aufgaben auf die Kommunen ab, ohne die ent-sprechenden Finanzmittel zur Verfügung zu stellen.

� Der Bund zieht sich immer weiter aus der Finanzierung gesamtstaatlicher Aufgaben (zum Beispiel Kosten der Unterkunft, Grundsicherung im Alter, so-wie bei Erwerbsunfähigkeit und Ausbau der Kindertagesbetreuung) zurück.

� Privatisierungen von öffentlichem Eigentum und Beteiligungsveräußerun-gen führten zu Verschlechterungen und weniger Einfluss auf Gestaltung und Qualität der öffentlichen Daseinsvorsorge.

� Cross-Border-Leasing und windige Spekulationsgeschäfte führen zu Ab-hängigkeit von Finanzjongleuren und Banken.

� Groß- und Prestigeprojekte und andere Formen lokaler neoliberaler Um-verteilungspolitik haben Mehrausgaben zugunsten privater Investoren zur Folge.

� Durch die Zuspitzung der Wirtschafts- und Finanzkrise hat sich die Kas-senlage weiter verschärft.

Leere Kassen und ein riesiger Investitionsstau in den Kommunen waren und sind die Folge, die öffentliche Infrastruktur liegt brach. Das Leben in der Kommune ist für den größten Teil der Menschen der wichtigste Bezugspunkt des persönlichen und sozialen Lebens. Eine solide Finanzausstattung der Kommunen ist für die soziale und demokratische Teilhabe am Gemeinwesen unabdingbar.

II. Steuerpolitische Gerechtigkeit fängt „oben“ an

Über all dem schwebt eine sozial höchst ungerechte Steuerpolitik auf Bun-desebene. Notwendig sind endlich höhere Steuern für Großunternehmen, Vermögende und Besserverdienende bei Entlastung niedriger und mittle-rer Einkommen, um dem Staat größere Spielräume für Umverteilung und hochwertige soziale Dienste zu ermöglichen und auf diesem Wege auch die Kommunen zu stärken.

Einen Ansatzpunkt kann der Antrag der Bundestagsfraktion „Auswege aus der Krise: Steuerpolitische Gerechtigkeit und Handlungsfähigkeit des Staates wiederherstellen“ (BT-Drs. 17/2944) sein. Die zentralen Forderungen lauten in Kurzform: � Vermögenssteuer als Millionärssteuer, � Reform der Erbschafts- und Schenkungssteuer,

Rechts: Harald Koch, MdB DIE LINKE

wenn beispielsweise die Stadtwerke Duisburg Kraftwerke auf den Philippinen betreiben oder sich an Sonnenenergieanlagen in der Sahara beteiligen? Öko-logisch erzeugter Strom aus erneuerbaren Energien kann aus dem Ausland schon heute eingekauft werden. Wir sehen keine Notwendigkeit für Stadt-werke, diesen als „Global Player“ auch selbst zu erzeugen.

Grundlage der kommunalen Verwaltung ist die lokale Zuständigkeit und die lokale Beschränkung auf das Gebiet und die Einwohnerschaft der Kommune (Örtlichkeitsprinzip). Dem widerspricht gravierend eine Ausweitung der wirtschaftlichen Tätigkeit von Kommunen in den internationalen Raum.

Die kommunalen Unternehmen bzw. Beteiligungen werden durch diese Aus-weitung unüberschaubar und schlechter zu kontrollieren. Die Risiken sind nicht mehr einschätzbar, besonders nicht für ehrenamtlich tätige Ratsmit-glieder und die Bevölkerung.

Wir lehnen daher die geplante Ausweitung der kommunalen Wirtschaftsbetä-tigung ins Ausland ab.

09.04.2011: Aktionstag Kommunalfinanzen der LINKENAnfang April 2011 führte die Fraktion DIE LINKE einen Aktionstag Kommunal-finanzen in Nordrhein-Westfalen durch. Landesweit gab es In-fostände und Aktionen, darunter in Duisburg (Foto), Wuppertal und Münster. Der Haushalt der Stadt Duisburg kann nicht konsolidiert werden, solange es keine Steuergerechtigkeit in Bund, Land und Kommune gibt. DIE LINKE in Duisburg stellt klar, dass Kürzungshaushalte, Sozial- und Personalabbau sowie Privatisierungen mit ihr nicht zu machen sind. Am Infostand vor dem Forum Duisburg wurde den Bürgern/-innen deutlich gemacht, wer die Lasten der Krise und die Kosten der Ban-kenrettungspakete tragen muss.

Info- und Aktionsstand, Kreisverband DIE LINKE, Duisburg

Workshop 2: Kommunalfinanzen:

Die Einnahmeseite stärken – die finanzielle Situation der Kommunen verbessern

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20 Workshop 2: Kommunalfinanzen 21Workshop 2: Kommunalfinanzen

•Angemessene Freibeträge für Selbständige und Kleinunternehmen (bei natürlichen Personen/Personengesellschaften ein Freibetrag 30.000 Euro, bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts den Freibetrag um 5.000 Euro kürzen.)

c) Hinsichtlich der Beteiligung an anderen Steuereinnahmen lehnen wir eine Erhöhung der Anteile an Umsatz- und Verbrauchssteuern ab, da wir diese Steuern kritisch sehen (Anteil der Gemeinden derzeit 2,2 Prozent). Zu überlegen wäre aber, Anteile an solchen Steuereinnahmen von Bund/Land zu fordern, die Vermögende belasten (wie bei der Zinsabschlags-steuer, derzeit 12 Prozent).

d) Der Bund muss angemessen an der Finanzierung gesamtstaatlicher Auf-gaben beteiligt werden / Entlastung der Kommunen von Sozialausgaben: Der Anteil des Bundes an der Finanzierung der Kosten der Unterkunft für ALG-II-Beziehende, des Ausbaus der Eingliederungshilfen sowie der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbslosigkeit muss entscheidend erhöht werden. Bund und Länder dürfen Aufgaben auf Kommunen nur mit deren Zustimmung übertragen, eine weitere Voraussetzung ist die gesicherte Finanzierung (Konnexität).

e) Damit das Konnexitätsprinzip auch gewahrt wird, ist ein im GG veranker-tes, einklagbares und verbindliches Anhörungs- und Mitwirkungsrecht der Kommunen sinnvoll. Kommunen müssen in Entscheidungsprozesse, die direkt oder indirekt Auswirkungen auf sie haben, frühzeitig und direkt einbezogen werden.

f) Modernisierung und Reform der Grundsteuer: Ökologische Lenkungswir-kung sowie stadtentwicklungspolitische Belange müssen berücksichtigt werden. Vor dem Hintergrund der „Bremer Machbarkeitsstudie“ bezüglich der gerechten und fairen Ermittlung des Verkehrswertes schlagen wir vor, die im Wahlprogramm geforderte ökologische Flächennutzungssteuer mit einer Verkehrswert-/Marktwertkomponente zu ergänzen / zu kombinie-ren. Das Modell „Einfach-Grundsteuer“ der Länder Bayern, Baden Würt-temberg und Hessen ist abzulehnen.

g) Die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen ist zu sichern und auszu-bauen. Wir treten für die Rekommunalisierung privatisierter Betriebe ein – bei Demokratisierung der Strukturen öffentlicher Unternehmen – sowie für den Erhalt und die Stärkung der Sparkassen.

IV. Wo sind Ansatzpunkte für Soforthilfen?

� Steuermehreinnahmen auf Landesebene durch die im Augenblick anzie-hende Konjunktur sollen über einen Landesinvestitionsfonds direkt an die Kommunen weitergereicht werden.

� Die Gewerbesteuerumlage an den Bund kann sofort abgeschafft werden, die an die Länder ist bis 2013 schrittweise abzubauen. Dadurch steht den Gemeinden mehr von ihren eigenen Einnahmen zur Verfügung.

� Rücknahme von Steuersenkungen für Unternehmen, � Finanztransaktionsteuer, � Wirkungsvolle Bekämpfung von Steuerhinterziehung, Steuerflucht und

Steuermissbrauch, � Besteuerung der Extraprofite von Konzernen aus dem Emissionshandel, � Einführung einer Kerosin- und Schiffsbenzinsteuer, � Boni-Steuer auf Boni in der Finanzbranche, � eine effektive Banken-Abgabe nach US-Vorbild, � Gerechtigkeit in der Einkommensteuer, Erhöhung des Spitzensteuersatzes,

Abschaffung Ehegattensplitting, � persönlicher Steuersatz statt Abgeltungsteuer und � Reform der Pendlerpauschale.

Außerdem wollen wir eine Verschiebung der Steuereinnahmen weg von den indirekten (Umsatz- und Verbrauchssteuern wie Mehrwertsteuer, Mineralölsteuer etc.) hin zu den direkten Steuern. Massenverbrauchssteu-ern sind immer sozial ungerecht, da sie Kleinverdiener stärker treffen. Nur direkte Steuern entsprechen dem Prinzip, dass starke Schultern mehr tragen müssen.

Auf Landesebene besteht die Möglichkeit, die Grunderwerbssteuer (Lan-dessteuer, derzeit 3,5 Prozent auf Immobilienkäufe) zu erhöhen (bei Regelung sinnvoller Freibeträge) und diese Einnahmen an die Kommunen weiterzugeben.

III. Für eine grundlegende Strukturreform der Gemeindefinanzen

a) Das Steueraufkommen zwischen Bund, Ländern und Kommunen muss grundlegend anders verteilt werden, vor allem durch Erhöhung des An-teils der Kommunen an der Einkommenssteuer. Der derzeitige Anteil der Kommunen am Einkommensteueraufkommen beträgt 15 Prozent. Gemes-sen an den Aufgaben, die sie heute und künftig zu erfüllen haben, ist dies vollkommen unzureichend. In Skandinavien erhalten Kommunen zwischen 40 und 60 Prozent.

b) Die Gewerbesteuer muss zur Gemeindewirtschaftssteuer weiterentwi-ckelt werden (Wurde auf unseren Antrag hin vom Landtag NRW verab-schiedet: LT NRW, Drs. 15/458; vgl. auch BT-Drs. 17/783).

•Wir wollen, dass jede selbstständige wirtschaftliche Betätigung in die Gemeindewirtschaftssteuer einbezogen wird.

•Der Bemessungsgrundlage sind alle Schuldzinsen hinzuzurechnen. Fi-nanzierungsanteile von Mieten, Pachten, Leasingraten und die Lizenz-gebühren sind in voller Höhe bei der Ermittlung der Steuerbasis zu berücksichtigen. Gewinne und Verluste sind in der Entstehungsperiode steuerlich geltend zu machen.

„Aktionstag Kommunalfinanzen“, Köln

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23Workshop 3: Strategien und Aktionen vor Ort22 Workshop 2: Kommunalfinanzen

I. Hausgemachte Probleme aufzeigen

Richtig ist, dass die strukturellen Ursachen der kommunalen Finanzmisere nicht auf kommunaler Ebene lösbar sind. Aber: DIE LINKE vor Ort sollte es den etablierten Parteien nicht durchgehen lassen, dass sie immer nach Düs-seldorf oder Berlin zeigen. Wir sollten sie daran erinnern, dass ihre Parteien dort regieren. Sie können nicht so tun, als hätten sie damit nichts zu tun.

Außerdem sind Kommunalfinanzen nicht selten auch durch lokale politische Entscheidungen belastet. Dazu gehören unter anderem: � Privatisierungen von öffentlichem Eigentum und Beteiligungsveräuße-

rungen führten zu Einnahmeausfällen, Verschlechterungen und weniger Einfluss auf Gestaltung und Qualität der öffentlichen Daseinsvorsorge.

� Cross-Border-Leasing und windige Spekulationsgeschäfte führen zu Ab-hängigkeit von Finanzjongleuren und Banken.

� Groß- und Prestigeprojekte und andere Formen lokaler neoliberaler Um-verteilungspolitik haben Mehrausgaben zugunsten privater Investoren zur Folge.

Daher sollten wir im örtlichen Haushalt stöbern, was wir dort an hausge-machten Problemen finden und entsprechende Forderungen entwickeln, dies abzustellen:

Ausgabenseite � Stopp von Groß- und Prestigeprojekten (Im Workshop sollte – wenn mög-

lich – zusammengetragen werden, wohin überall unter anderem Landes-mittel für unsinnige Projekte fließen. Welche kritischen Projekte gibt es bei Euch vor Ort?)

� Keine Privatisierungen (ausrechnen, was zum Beispiel Mietzahlungen für verkaufte Rathäuser über die Jahre kosten)

� Rückabwicklung von Geschäften, wie Cross-Border-Leasing oder andere sittenwidrige Verträge, ggf. Prüfen von Regressforderungen

� Keine Verschwendung von öffentlichen Geldern für üppige Repräsentatio-nen, Feiern, Fahrten etc.

� Kein Klüngel und Personalfilz an der Verwaltungsspitze mit großen Abfin-dungen

Einnahmeseite � Steuern: Von den beiden großen gemeindlichen Steuerquellen kommt für

uns vor allem eine Erhöhung der Gewerbesteuer in Frage; eine Erhöhung der Grundsteuer ist dagegen problematisch, weil sie auf die Mieten durch-schlägt.

� Bei Vorschlägen für eine Erhöhung oder Einführung von Gebühren, Entgel-ten oder Abgaben müssen wir vorsichtig sein und differenzieren.

� Bei regulären Gebührenhaushalten, die kostendeckende Gebühren bein-halten (wie Wasser, Müll), können wir inflations- und lohnkostenbedingte

Strategien und Aktionen vor Ort

Mitte: Özlem Alev Demirel, MdL DIE LINKE

� Städte und Gemeinden sind für 70 Prozent der öffentlichen Investitionen zuständig. Daher ist es sinnvoll und geboten, eine Investitionspauschale aus Bundesmitteln bereitzustellen, die den Kommunen über die Länder zufließen soll.

� Entbindung finanzschwacher Kommunen von der Kofinanzierungspflicht bei Städtebauprojekten und dergleichen

� Entlastung dieser Kommunen von Zins- und Tilgungsverpflichtungen für Altschulden für fünf Jahre (Altschuldenhilfefonds)

� Zinsmoratorium – Stopp der Zinszahlungen, insbesondere an solche Banken, die vom Rettungsschirm der Bundesregierung profitieren; Neuver-handlung mit den Banken

� Einrichtung eines Entschuldungsfonds für strukturschwache Kommunen, bei dem das Land den finanziellen Grundstock einbringt; der Fonds soll aus unserer Sicht vor allem Tilgungshilfe leisten (statt Zinshilfe), da dies nachhaltig ist.

� Auflegen von Förderprogrammen auf Landesebene für spezielle Bereiche in den Gemeinden

� Ausweitung des Katalogs der Pflichtausgaben, um zu verhindern, dass notwendige soziale und kulturelle Ausgaben als sogenannte „freiwillige“ Leistungen dem Rotstift und/oder einem Haushaltssicherungskonzept zum Opfer fallen.

DIE LINKE ist angetreten, sich gegen die Plünderung öffentlicher Kassen und die angeblich alternativlose „Sachzwang“-Politik zu stemmen. Wir müssen daher unsere kurzfristigen Forderungen immer daran messen, ob sie Schritte in die richtige Richtung sind und unser Ziel einer grundlegenden Strukturre-form bei den Kommunalfinanzen nicht konterkarieren.

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24 Workshop 3: Strategien und Aktionen vor Ort 25Workshop 3: Strategien und Aktionen vor Ort

Größere Veranstaltungen und Demos brauchen eine gewisse Vorlauf- und Vorbereitungszeit (Demos zum Beispiel im Zusammenhang mit Ratssitzun-gen). Zur Ausweitung der Aktiven-Basis ist es sinnvoll, immer einen Flyer mit den Terminen des/der nächsten Treffen dabei zu haben.

Unsere Haltung zu anderen Bündnissen, wie zum Beispiel von Sozialver-bänden: Wir unterstützen jegliche Bündnisse, die sich gegen Kürzungspoli-tik zusammenfinden, wenn auch ggf. kritisch. Aber unser Hauptaugenmerk liegt darauf, Betroffene zu mobilisieren und ihre Selbstorganisation zu befördern.

III. Vorschlag: Dezentraler Aktionstag

� Durchführung eines dezentralen Aktionstages zum Thema Kommunalfi-nanzen im Frühjahr 2011, um Präsenz als Ratsfraktion vor Ort möglichst flächendeckend landesweit zu demonstrieren.

� Aktionsformen entwickeln, die den Finger in die Wunden legen. Zum Beispiel:

•Aktion vor Banken in Innenstadtlage •Aktion vor von Kürzung bedrohten Jugendeinrichtungen, möglichst

zusammen mit Betroffenen Mitarbeiter/-innen und Nutzer/-innen; hier sind sowohl kommunale wie auch Landesfinanzen wichtig

•Aktion gegen örtliche Groß- und Prestigeprojekte •Aktion vor Großbetrieben, die keine Gewerbesteuer zahlen

� Dabei immer Gegenüberstellung: Wie viel Geld fehlt der Einrichtung versus wie viel Geld wird ausgegeben für Großprojekte, Leuchtturmprojekte, Zinsen, Repräsentationen, Aufsichtsratsfahrten etc.

Steigerungen akzeptieren. Aber gerade bei der Müllentsorgung ist genau hinzuschauen, ob nicht Kosten enthalten sind, zum Beispiel für unsinnige Müllverbrennungsanlagen, die wir nicht mittragen können.

� Gebührenkataloge als Ersatz-Geldquelle für die Kommunen, mit denen Bürger/-innen für ganz normale Dienstleistungen einer öffentlichen Ver-waltung zur Kasse gebeten werden, lehnen wir ab.

� Sonderabgaben können im Einzelfall sinnvoll sein, je nachdem, von wem sie erhoben werden. Kreative Vorschläge können wir einbringen oder un-terstützen, wie zum Beispiel eine Nahverkehrsabgabe oder Kulturabgaben für Betriebe.

II. Druck machen gegen Kürzungs- und Nothaushalte

Unsere Tätigkeit im Rat ist nicht darauf ausgerichtet, die Illusion zu verbrei-ten, wir könnten im Stadtrat mit den Etablierten durch Überzeugungsarbeit „große Politik“ machen. Um Kürzungen abzuwehren und unsere Forderungen umzusetzen, brauchen wir die aktive Unterstützung der Bevölkerung und der Gewerkschaften. Wir suchen die Zusammenarbeit mit allen sozialen Initia-tiven. Wir organisieren und unterstützen soziale Proteste. Dafür sollten wir uns nach Bündnispartnern umsehen, wie zum Beispiel: � Gewerkschaften, � Sozialverbände, � Jugendeinrichtungen, � Bürgerzentren, � Frauenhäuser, � kulturelle Einrichtungen, � Basisinitiativen und � Vereine.

Bei den sozialen und kulturellen Einrichtungen könnte ein erster Schritt sein, mit den Mitarbeiter/-innen Kontakt aufzunehmen, die oft zuerst wegen Kür-zungen alarmiert sind. Nutzer/-innen merken meist erst dann etwas, wenn die Kürzung bereits umgesetzt ist. Hat man aber einige Mitarbeiter/-innen mit im Boot, ist es darüber auch besser möglich, die Nutzer/-innen im Vorfeld zu erreichen.

Allerdings sollten wir auch manchmal selbst die Initiative ergreifen, wenn sich sonst nichts tut, und zu ersten Treffen einladen oder Aktionen/Mahnwa-chen durchführen. In vielen Orten können wir einiges auf die Beine stellen, wenn es uns gelingt, unsere Mitgliedschaft zu mobilisieren. Ist ein Anfang gemacht, sollten wir in Bündnisstrukturen natürlich nicht dominant auftre-ten. Wir wollen die Selbstorganisation der Betroffenen fördern, stellen Mittel und Unterstützung bereit. Unsere eigenen Mitglieder sollten wir weniger zu Sitzungstreffen, sondern vor allem zu Aktionen mobilisieren und dort sicht-bar Präsenz zeigen.

Konferenzteilnehmende im Landtag NRW

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www.linksfraktion-nrw.de/start/kommunalfinanzenwww.kopofo-nrw.dewww.die-linke.de/politik/kommunalwww.dielinke-nrw.de/nc/themen/kommunalfinanzen/www.gemeinden.verdi.de/themen/gemeindefinanzenwww.mik.nrw.de/themen-aufgaben/kommunales.htmlwww.staedtetag-nrw.dewww.lkt-nrw.dewww.kommunen-in-nrw.dewww.kgst.dewww.difu.dewww.planungszelle.uni-wuppertal.de/nodes/term/type:page/slug:brgerbegehren

Publikationen

Internet

Werner Rügemer: „Heuschrecken“ im öffentlichen Raum: Public Private Partnership – Anatomie eines globalen FinanzinstrumentsDurch die Bankenrettung verschuldet sich der Staat zusätzlich – PPP wird von Bundesregierung, Beratern und Investoren-lobby verstärkt als Alternative forciert. Im Buch werden ein Dutzend bereits laufende PPP-Projekte (Schulen, Messehallen, Tunnels, Toll Collect, Gefängnisse) mit ihren Tücken und Ab-

gründen dargestellt. PPP-Projekte sind am Ende mindestens doppelt so teuer wie eine direkt öffentliche Erledigung. Der Widerstand formiert sich. Bielefeld 2008, ISBN 978-3-89942-851-3.

Werner Rügemer: Die Berater – Ihr Wirken in Staat und Gesellschaft Sie sind die zivile Privatarmee des Neoliberalismus: Anwaltskanzleien wie Freshfields, Linklaters, Clifford Chance, White & Case, Wirtschafts”prüfer” wie Price Waterhouse Coopers, KPMG, Ernst & Young, Deloitte Touche Tomatsu, Unternehmensberatungs-unternehmen wie McKinsey, Boston Consulting Group, Bain Capital, Roland Berger. Sie haben die Finanz-, Wirtschafts- und Staatskrise mit vorbereitet und “restrukturieren” sie im Interesse der Banken, Investoren und Regierung. Bielefeld 2004, ISBN 3-89942-259-7

Kai Eicker-Wolf/Achim Truger: Entwicklung und Perspek-tiven der Kommunalfinanzen in NRWNicht die Ausgaben-, sondern die Einnahmeseite ist das Prob-lem der öffentlichen Haushalte, auch auf kommunaler Ebene. Die Studie im Auftrag des Landesfachbereichs Gemeinden von ver.di NRW (Landesfachbereich Gemeinden) liefert dazu viel gutes Zahlenmaterial, insbesondere zu den kommunalen

Einnahmeausfällen durch bundespolitische Steuergeschenke.