Schwangerschaft und Substitution aus pädiatrischer Sicht Th. Wygold Kinderkrankenhaus auf der Bult,...

28
Schwangerschaft und Substitution aus pädiatrischer Sicht Th. Wygold Kinderkrankenhaus auf der Bult, Hannover

Transcript of Schwangerschaft und Substitution aus pädiatrischer Sicht Th. Wygold Kinderkrankenhaus auf der Bult,...

Page 1: Schwangerschaft und Substitution aus pädiatrischer Sicht Th. Wygold Kinderkrankenhaus auf der Bult, Hannover.

Schwangerschaft und Substitution aus pädiatrischer Sicht

Th. WygoldKinderkrankenhaus auf der Bult, Hannover

Page 2: Schwangerschaft und Substitution aus pädiatrischer Sicht Th. Wygold Kinderkrankenhaus auf der Bult, Hannover.

Inzidenz zur Zeit bei ca. 2/1000 Geburten (Wygold 2003)

2004: 705622 Geburten (Quelle: statistisches Bundesamt)

1411 Neugeborene drogenabhängiger Mütter pro Jahr

Kontinuierliche Zunahme der Anzahl drogenbelasteter Schwangerschaften in den letzten Jahren (Klein 2006)

Zeitliche Beziehung zwischen Anstieg der Geburten und dem Beginn der Liberalisierung der Substitutionspolitik

Geburten aus drogenbelasteter Schwangerschaft in Deutschland

Page 3: Schwangerschaft und Substitution aus pädiatrischer Sicht Th. Wygold Kinderkrankenhaus auf der Bult, Hannover.

hat positiven Einfluss auf die sozialen Lebensumstände drogenabhängiger Frauen

führt zu einer Stabilisierung ihrer körperlichen Verfassung

führt damit konsekutiv zu einer Wiederaufnahme des hormonellen Zyklus

Regulierte Substitution mit Methadon oder anderen Substanzen

Page 4: Schwangerschaft und Substitution aus pädiatrischer Sicht Th. Wygold Kinderkrankenhaus auf der Bult, Hannover.

Schädigungsmechanismus von Opiaten auf das ungeborene Kind relativ gut bekannt

Heroin (Diacetylmorphin) und seine in der Leber deacetylierten Abbauprodukte Monoacetylmorphin, Morphin und Morphin-3-Glukuronid sind in hohem Maße fettlöslich

können die plazentare Schranke problemlos überwinden

verteilen sich im gesamten fetalen Gewebe

Auswirkungen der mütterlichen Opiateinnahme auf das ungeborene Kind

Page 5: Schwangerschaft und Substitution aus pädiatrischer Sicht Th. Wygold Kinderkrankenhaus auf der Bult, Hannover.

der Fetus regiert extrem empfindlich auf eine mütterliche Morphineinnahme

Im Tiermodell nach Heroingabe

herabgesetzte Dichte an kortikalen NeuronenAbnahme neuronaler AktivitätenVeränderung neurochemischer Prozesse im ZNSerhöhte noradrenerge Aktivität

erhöhtes Risiko für

Frühgeburtlichkeitsmall-for-gestational-age GeburtMikrozephalie

Schwangerschaftsrisiken unter Heroin- oder Methadoneinnahme

Page 6: Schwangerschaft und Substitution aus pädiatrischer Sicht Th. Wygold Kinderkrankenhaus auf der Bult, Hannover.

ca. 80-90% der Kinder heroinabhängiger Mütter, auch nach mütterlicher Substitution mit Methadon, bekommen nach der Geburt eine behandlungsbedürftige Entzugssymptomatik

Auftreten der Symptome 40-60 Stunden nach Geburt

maximaler Entzug nach 92 Stunden

Widersprüchliche Angaben zur Beziehung der Stärke und Dauer des neonatalen Drogenentzuges mit der Dosis der mütterlichen Heroin- oder Methadoneinnahme

…und nach der Geburt ?

Page 7: Schwangerschaft und Substitution aus pädiatrischer Sicht Th. Wygold Kinderkrankenhaus auf der Bult, Hannover.

Schwangerschaft wird oft erst spät bemerkt und ambivalent erlebt

Über 80% der Mütter von Neugeborenen mit Abstinenzsyndrom werden spätestens zur Schwangerschaft in ein Substitutionsprogramm aufgenommen, das vorwiegend mit Methadon durchgeführt wird (Wygold 2003)

Eindruck, dass die „Belange“ des ungeborenen Kindes bereits zu diesem Zeitpunkt nicht angemessen berücksichtigt werden.

Vorsorgeuntersuchungen beim Gynäkologen finden unregelmäßig oder überhaupt nicht statt (Klein 2006)

Suchtkranke Frauen und Schwangerschaft

Page 8: Schwangerschaft und Substitution aus pädiatrischer Sicht Th. Wygold Kinderkrankenhaus auf der Bult, Hannover.

Grundsätzlich: stationäre Aufnahme eines Neugeborenen einer drogenabhängigen Mutter in eine Kinderklinik

Gilt auch bei ambulanter oder Hausgeburt

Neigung zu Vertuschungs- und Vermeidungsverhalten

Hohe Dunkelziffer von Geburten aus suchtbelasteter Schwangerschaft

Ziel: Vorbereitung der Mutter auf die Geburt und den unvermeidlichen stationären Aufenthalt des Kindes bereits während der Schwangerschaft

Suchtkranke Frauen und Geburt

Page 9: Schwangerschaft und Substitution aus pädiatrischer Sicht Th. Wygold Kinderkrankenhaus auf der Bult, Hannover.

Der Wunsch nach Reduktion der Methadondosis nach Bekanntwerden der Schwangerschaft kommt häufig auf

aus Schuldgefühlen gegenüber dem ungeborenen Kindaus der Vorstellung, dass dann der postnatale Entzug des Kindes weniger ausgeprägt ist

Die Frauen werden nach unserer Erfahrung in ihrem Wunsch regelmäßig durch die behandelnden Suchtmediziner unterstützt

Das Märchen von der Methadonreduktion während der Schwangerschaft als Benefit

für das ungeborene Kind

Page 10: Schwangerschaft und Substitution aus pädiatrischer Sicht Th. Wygold Kinderkrankenhaus auf der Bult, Hannover.

der Wunsch der Schwangeren ist für den Fetus medizinisch bedenklich

Kein besseres Outcome der Kinder nach Methadonreduktion während der Schwangerschaft der Entzug des Kindes wird auf die intrauterine Zeit vorverschoben und entzieht sich somit nur der Beobachtung der Mutter

in der Spätschwangerschaft möglicherweise sogar eher Erhöhung der Methadondosis notwendig: höheres Verteilungsvolumen und Veränderungen der Methadon-Resorption und -Clearance

2/3 der schwangeren Frauen betreiben zum Zeitpunkt der Geburt zusätzlich zu ihrer Methadoneinnahme ein By-Using vornehmlich mit Heroin und Sedativa (Benzodiazepine, Barbiturate) ungewollter Entzug zum Ende der Schwangerschaft ?

…und die Realität ?

Page 11: Schwangerschaft und Substitution aus pädiatrischer Sicht Th. Wygold Kinderkrankenhaus auf der Bult, Hannover.

abseits der bereits beschriebenen Risiken toleriert der Fetus das Methadonangebot gut

Schwangerschaftskomplikationen und Frühgeburten

sind bei gut mit Methadon eingestellten Schwangeren eher seltenbei By-Using betreibenden schwangeren Frauen dagegen deutlich erhöht

Weitere Gründe gegen die Methadonreduktion

Page 12: Schwangerschaft und Substitution aus pädiatrischer Sicht Th. Wygold Kinderkrankenhaus auf der Bult, Hannover.

Möglichst keine Reduktion der Methadondosis nach Bekanntwerden einer Schwangerschaft

Hochnormale Einstellung der drogenabhängigen Schwangeren mit Methadon zur Aufrechterhaltung der körperlichen Homöostase und zur Vermeidung von By-Using

ggf. Dosisanpassung im 3. Trimenon der Schwangerschaft

Daraus folgt…

Page 13: Schwangerschaft und Substitution aus pädiatrischer Sicht Th. Wygold Kinderkrankenhaus auf der Bult, Hannover.
Page 14: Schwangerschaft und Substitution aus pädiatrischer Sicht Th. Wygold Kinderkrankenhaus auf der Bult, Hannover.

Drogenabhängige Schwangere werden in 72% der Fälle mit Methadon substituiert

In ca. 18% der Fälle findet keine Substitution statt

In ca. 8% wird mit Buprenorphin substituiert (Wygold 2003)

Warum nicht keine systematische Erforschung medikamentöser Alternativen zu Methadon während der Schwangerschaft ?

Warum keine systematische Erforschung medikamentöser Auswirkungen auf den Feten ?

Warum eigentlich Methadon in der Schwangerschaft ?

Page 15: Schwangerschaft und Substitution aus pädiatrischer Sicht Th. Wygold Kinderkrankenhaus auf der Bult, Hannover.

Die Verstoffwechselung von Opiaten und ihren Derivaten im fetalen Organismus ist völlig ungeklärt

bidirektional unterschiedliche plazentare Transferrate von Opiaten Abbau von Opiaten und mögliche Wechselwirkungen im fetalen Organismus sind unbekannt

Bei mütterlichen By-Usings muss der Fetus sich mit einem Cocktail verschiedener zentral wirkender Medikamente auseinandersetzen

keine vernünftige Aussage über die Kinetik der verschiedenen Substanzen im fetalen Stoffwechsel mehr möglich

Die Substitutionstherapie mit eventuellem By-Using ist für das werdende Leben aus seiner Sicht ungewollt

damit Tatbestand der Vergiftung und der Körperverletzung erfüllt

Weitere ungeklärte Fragen

Page 16: Schwangerschaft und Substitution aus pädiatrischer Sicht Th. Wygold Kinderkrankenhaus auf der Bult, Hannover.

präventive konsequente Schwangerschaftsverhütung für suchtkranke Frauen im gebärfähigen Alter ?

Bei Kinderwunsch dann bereits präkonzeptionell Umstellung auf ein alternatives Substitutionsprogramm wie Buprenorphin

Schwangerschaftsverhütung

Page 17: Schwangerschaft und Substitution aus pädiatrischer Sicht Th. Wygold Kinderkrankenhaus auf der Bult, Hannover.

Weitere Zunahme der Anzahl von Schwangerschaften drogenabhängiger Frauen in den nächsten Jahren zu erwarten

Damit eine weitere, dritte Partei „im Spiel“, deren Interessen und Bedürfnisse, vor allem das nach Gesundheit, es zu schützen gilt

Nicht erwartete Auswirkungen der Substitutionsprogramme, wie beispielsweise die Zunahme der Schwangerschaften suchtkranker Frauen und der Aspekt der in Kauf genommenen Schädigung des ungeborenen Kindes, müssen dazu führen, dass die bestehenden Programme substantiell überprüft und modifiziert werden

Zusammenfassung

Page 18: Schwangerschaft und Substitution aus pädiatrischer Sicht Th. Wygold Kinderkrankenhaus auf der Bult, Hannover.

Bezüglich der Problematik von suchtbelasteten Schwangerschaften und den daraus geborenen Kindern ist in Deutschland eine neue Diskussion zur Konsensbildung nötig

Diese Diskussion ist mit den Instanzen zu führen, die das geborene Leben betreuen werden, vornehmlich mit der Pädiatrie, und muss durch gesundheitspolitische Vorgaben begleitet werden.

Zusammenfassung

Page 19: Schwangerschaft und Substitution aus pädiatrischer Sicht Th. Wygold Kinderkrankenhaus auf der Bult, Hannover.
Page 20: Schwangerschaft und Substitution aus pädiatrischer Sicht Th. Wygold Kinderkrankenhaus auf der Bult, Hannover.

Sozialpädagogische Betreuung bundesweit

Beteiligung eines Klinik-Sozialarbeiters in der Betreuung

n %•ja 174 64,2

Page 21: Schwangerschaft und Substitution aus pädiatrischer Sicht Th. Wygold Kinderkrankenhaus auf der Bult, Hannover.

Nachsorgeangebot bundesweit

Beteiligung des Jugendamtesn %

•Ja 264 97,4

davon•grundsätzlich immer 193 71,2•abh. v. Schwere d. Falles 71 26,2

Wohin werden die Kinder entlassen ?%

•nach Hause 48,64•Pflegeheim/Pflegefamilie

28,57•mit Mutter in betreute Einrichtung

22,78

Page 22: Schwangerschaft und Substitution aus pädiatrischer Sicht Th. Wygold Kinderkrankenhaus auf der Bult, Hannover.

Ergebnisse Schleswig-Holstein

74,2% / 2,3% / 23,4%

77,0% / 23,0%

Vor E.: N = 95Nach E.: N = 3Nicht: N = 30

n. Hause: N = 97n. n. H.: N = 29Missing: N = 5

Jugendamt hinzugezogen

Entlassungs-modus

74,2% / 2,3% / 23,4%

77,0% / 23,0%

Vor E.: N = 95Nach E.: N = 3Nicht: N = 30

n. Hause: N = 97n. n. H.: N = 29Missing: N = 5

Jugendamt hinzugezogen

Entlassungs-modus

Page 23: Schwangerschaft und Substitution aus pädiatrischer Sicht Th. Wygold Kinderkrankenhaus auf der Bult, Hannover.

Nach Hause (97) Pflegefamilie (14)Mutter-Kind Betreuung (5) Adoption (2)Kindernotdienst (2) Jugendamt (2)Kurzzeitpflege (3) Heim (1)Keine Angaben (5)

Entlassungsmodus Schleswig-Holstein

Page 24: Schwangerschaft und Substitution aus pädiatrischer Sicht Th. Wygold Kinderkrankenhaus auf der Bult, Hannover.

Nachsorgeangebot bundesweit

Nachsorge•Ja 95 35,1davon•einmal bis 3. LM 62 65,6•einmal bis 6. LM 15 15,8•regelmäßig alle 3 Mon. 8 8,4

Durchführung einer Helferkonferenzn %

•Ja 165 60,9•Nein 102 37,6•in Ausnahmefällen 1 0,4•keine Angaben 3

1,1

Page 25: Schwangerschaft und Substitution aus pädiatrischer Sicht Th. Wygold Kinderkrankenhaus auf der Bult, Hannover.
Page 26: Schwangerschaft und Substitution aus pädiatrischer Sicht Th. Wygold Kinderkrankenhaus auf der Bult, Hannover.

„Lübecker Modell“

Page 27: Schwangerschaft und Substitution aus pädiatrischer Sicht Th. Wygold Kinderkrankenhaus auf der Bult, Hannover.

vor Einführung des Konzeptsnach Einführung

Betreute Kinder 25 27Durchschnittliche Liegezeit 32,8 d 48 dMedikation noch bei Entlassung 10 1Beteiligung des Jugendamtes 16 27Entlassung nach Hause 20 10Entgiftung der Mutter/Eltern 0/10* 6Anschließende Familientherapie 0/10* 3

* = keine Angaben

Betreute Kinder 52Inzidenz 2,5 / 1000Jungen / Mädchen 21 / 22 [48,8%, 51,2%]Reifgeborene / Frühgeborene 4 / 38 / 1* [9,5%, 91,5%]Drogeneinnahme der Mutter:Heroin / Heroin+Byusing / andere 11 / 19 / 7 / 6* [29,8%, 51,4%,18,9%]Schwangerschaftskomplikationen 0Durchschnittliches Gestationsalter b.G. 38,12 SSW [32 SSW, 42 SSW]Spontane Geburt / Sectio 25 / 17 / 1* [59,5%, 40,5%]Durchschnittliches Körpergewicht b.G. 2790 g [1350 g, 3930 g]Durchschnittliche Körperlänge b.G. 48,4 cm [38 cm, 55 cm]Durchschnittlicher Nabelschnur-pH 7,31 [7,04, 7,43]Durchschnittlicher Apgar-Wert 5 Min. 8,3 [8, 10]

* = keine Angaben

Neugeborene mit NAS 1998-2004

Page 28: Schwangerschaft und Substitution aus pädiatrischer Sicht Th. Wygold Kinderkrankenhaus auf der Bult, Hannover.