Schwimmunterricht Ð auf den K opf st ellen! · 2017. 12. 25. · Schwimmunterricht auf den K opf...

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Schwimmunterricht – auf den Kopf stellen! ein Extrakt aus dem Buch Aquapädagogik früh, sicher und vielseitig schwimmen! Uwe Legahn, Hamburg

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  • Schwimmunterricht –auf den Kopf stellen!

    ein Extrakt aus dem Buch

    Aquapädagogik –

    früh, sicher und vielseitig schwimmen!

    Uwe Legahn, Hamburg

  • Anschrift des Verfassers:

    Uwe LegahnTriftstr. 13021075 Hamburg

    Copyright: c© 2007 by Uwe Legahnwww.aquapaedagogik.org

    Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Broschüre darf in keiner Form – weder als Ganzes noch inAuszügen – ohne schriftliche Genehmigung des Autors reproduziert oder unter Verwendung elektronischerSysteme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Dieses Buch ist auf chlorfrei gebleichtem Papiergedruckt.Printed in Germany

    Lektorat: Kerstin Bahr, Seevetal www.text-unlimited.deCovergestaltung: Stephanie Schierenbeck, Seevetal www.klikk-klakk.deFotos: Stephanie Schierenbeck, SeevetalUnterwasserfotos: Lutz Morell, Hamburg www.aquafotos-lutzmorell.deLayout, Satz, Grafiken: Christian Zwengel, Hamburg und Andreas Butzke, Hamburg

  • Schwimmunterricht auf den Kopf stellen

    Danksagung und Vorwort

    Der Dank des Autors gilt zuerst der SIGNAL IDUNA Gruppe. Im Unternehmen erkannteman angesichts mehrerer Ertrinkungsopfer in den Reihen der Versicherten sofort den viel-schichtigen Wert der Aquapädagogik. Daraus folgte das spontane Angebot, die vorliegendeZusammenfassung des neuen Buches zur Aquapädagogik* zu realisieren.Den Automobilherstellern Porsche AG in Stuttgart und Volvo Car Germany GmbH in Kölnist für die Überlassung von Videomaterial ihrer Sicherheitstechnologien zur Herstellungder beiliegenden CD und Verdeutlichung vieler Vergleiche zwischen Automobilbau undSchwimmunterricht zu danken.Dank dieses vorbildlichen Engagements ist der Autor nun in der Lage, den relevanten Insti-tutionen und Verbänden wesentliche Schwerpunkte und neue Ansätze der Aquapädagogikin Wort und Bild vorzustellen.Buchextrakt und CD sollen in den Sportausschüssen der Parlamente, Fachinstituten derHochschulen, in Kultusministerien und oberen Schulbehörden, den Lehrstäben der Berufs-und Sportverbände, in den Chefetagen der Bäderbetriebe sowie in den Medien vor allemeinen neuen Blickwinkel auf die vielzitierte Skandalsituation im deutschen Anfangsschwim-men eröffnen. An den entscheidenden Stellen ist die notwendige Sensibilisierung anzuregen,die letztlich als Grundlage zur Beschleunigung einer umfassenden Reform des Anfangs-schwimmens unumgänglich ist. Ebenso wichtig ist es, auch die Praktiker zu ermutigen,zögerliches Vorwärtstasten durch mutige Schritte zu ersetzen.Die Kernaussagen der Aquapädagogik sollen hervorgehoben und deren Realisierung darge-stellt werden. Sie sollen aufzeigen, wie es möglich ist, Kindern deutlich vor ihrem erstenSchulbesuch über den motorischen Lernprozess hinaus zu einem mehrjährigen Vorsprung angrößtmöglicher Wassersicherheit und Bewegungserfahrung sowie zu frühem Selbstvertrauenund sozialer Kompetenz zu verhelfen. Sie sollen ebenso belegen, dass es sich hier zweifellosum ein schlüssiges, bewährtes Bildungs- und Erziehungskonzept im Sinne einer ganzheit-lichen Gesundheitsförderung und keineswegs um ein spleeniges, theoretisches Denkmodellhandelt.Auch in seiner Eigenschaft als Präsident des Bundesverbandes für Aquapädagogik -BvAP-möchte der Autor letztlich mit den Adressaten in Kontakt treten und seine Unterstüt-zung und Kooperationsbereitschaft bei der Suche nach Auswegen aus der Schwimmmisereanbieten. Hamburg, im Oktober 2007

    * Uwe Legahn: »Aquapädagogik – früh, sicher und vielseitig schwimmen!«312 Seiten, 27,90e, ISBN 978-3-8334-7789-8

    Direktbestellung: www.aquapaedagogik.org Tel: 040-792 492 0Journalisten können ihr Rezensionsexemplar direkt beim Verlag Books on Demand GmbH,

    Norderstedt unter www.bod.de (Presse/Rezensionsexemplare) ordern.

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  • Einleitung

    Das Resümee vieler BvAP-Mitglieder, die mehrheitlich über langjährige Berufserfahrungenin öffentlichen Schulen, im Vereinssport, Rettungsschwimmen und Schwimmschulbetriebverfügen, lautet:

    Es ist Zeit für eine grundlegende Reform der Schwimmausbildung!

    Modernes Anfangsschwimmen vermittelt entscheidend mehr Sicherheit undVielseitigkeit!

    Es kann zusätzlich mehrere Jahre früher erfolgen!

    Ein Großteil der Ertrinkungsfälle wäre damit vermeidbar!

    Das belegt das kindgerechte, innovative Konzept der Aquapädagogik seit vielen Jahren,weil es zunächst (über-)lebenswichtige Sicherheitsaspekte in den Vordergrund stellt. DasErgebnis:Wassertypische, alltägliche Missgeschicke, an denen abzeichendekorierte Pseudoschwimmeraller Altersgruppen häufig kläglich scheitern und anschließend die Unfallstatistiken füllen,werden bereits von Kindern im Alter von drei bis fünf Jahren souverän und routiniert ge-meistert, meist jedoch nicht einmal als bedrohlich wahrgenommen! Mehrere tausend Kindersind bereits nach diesem Konzept ausgebildet worden.Kernpunkt der Aquapädagogik ist die Schreckreflexumkehr, die als »Airbag des Schwim-mens« im Notfall zuverlässig und lebensrettend die allermeisten Schwimmkatastrophenverhindert. Eine ähnliche Bedeutung kommt der Fähigkeit des passiven Schwimmens zu,die im herkömmlichen Unterricht ebenfalls kaum eine Rolle spielt. Im Sinne praktizier-ter Sportökonomie kennzeichnen zudem ungewöhnliche, aber besonders kleinkindgerechteOrganisationsformen das Konzept. Das Ergebnis ist ein mehrjähriger Sicherheitsgewinn,dessen Bedeutung der Schutzwirkung von Kopfstützen, Airbags, Sicherheitsgurten undKnautschzonen im modernen Automobilbau gleichkommt.Würden genannte Neuerungen im Unterricht berücksichtigt, ließen sich zukünftig einigeMenschenleben retten und unzählige traumatische Erlebnisse mit bösen Folgen vermeiden!Nebenher dürfte man sich in sämtlichen Wassersportarten über besonders vielseitig ausge-bildete, sichere und wesentlich jüngere Neueinsteiger freuen.Daher tritt der BvAP an, den Schwimmunterricht auf den Kopf zu stellen!

    • Es reicht nicht, wenn man im konservativen Lager die deutschlandweit zunehmendhohe Rate von schwimmunfähigen Kindern und Jugendlichen seit Jahren zutreffendals Skandal darstellt, die Situation generell mit äußeren Einflüssen begründet und sichin Schuldzuweisungen in alle Richtungen verliert.

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  • Schwimmunterricht auf den Kopf stellen

    • Auch die angestrebte Verlagerung der schulischen Schwimmausbildung in die beidenersten Schuljahre sowie die teilweise Abkehr vom Brustschwimmen als Erstschwimmartsollten nur erste Schritte sein. Durchgreifende Verbesserungen sind nur in Verbindungmit der gleichzeitigen Bereitschaft einer selbstkritischen Überprüfung der herkömmli-chen Unterrichtskonzepte realisierbar. Bislang werden moderne Ansätze jedoch weitge-hend ignoriert. So drängt sich der Eindruck auf, dass die zweifellos skandalöse Situationdes Anfangsschwimmens vor allem intern und weit weniger extern zu verantworten ist.

    • Unfälle geschehen viel zu häufig, weil elementare Sicherheitsaspekte im gängigen Unter-richt bislang gänzlich unbeachtet bleiben und Anfänger nach wie vor zu spät, zu einsei-tig sowie nicht kindgerecht an das Schwimmen herangeführt werden! Entgegen sport-pädagogischer Grundregeln konfrontiert man sie stattdessen vorwiegend (und meistvon Anfang an) mit den kompliziertesten Bewegungsmustern des Sportschwimmens!Ferner bleiben sportökonomische Erfordernisse sowie die generell zunehmend ungünsti-geren zeitlichen und finanziellen Rahmenbedingungen bei der Unterrichtsorganisationweitgehend unberücksichtigt.

    Seit seiner Gründung im Jahre 2000 ist es ein wesentliches Ziel des BvAP, diesem Missstandentschlossen entgegen zu wirken.Zunächst wurde daher ein praxisnahes, innovatives und praktikables Ausbildungskonzeptgeschaffen. Bundesweit einzigartig, befähigt es die Absolventen, bereits drei- bis vierjähri-gen Kindern die oben beschriebenen inhaltlichen Besonderheiten mit auf den Weg ins nasseElement zu geben.Als weiterer Meilenstein dorthin ist das neue Buch des BvAP-Präsidenten Uwe Legahn»Aquapädagogik - früh, sicher und vielseitig schwimmen!« zu betrachten.

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  • Probeschwimmen

    Das »Probe-Schnupper-Testschwimmen«liefert frühzeitig wichtige Erkenntnisse.Schon vor Kursbeginn können sich alle Sei-ten (Kind, Eltern und Lehrer) von derRichtigkeit des Vorhabens überzeugen unddamit den Vertrauensprozess in Gang set-zen. Darüber hinaus wird es dem Lehrersomit möglich, anschließend mit relativ ho-mogenen Gruppen zu arbeiten. Für dieKinder ist es allemal besser nach dem Pro-beschwimmen mit ständig wachsender Un-geduld dem Kursbeginn entgegen zu fie-bern, als heute von Mama zu erfahren:»Ich hab dich für Ende nächsten Monatszum Schwimmkurs angemeldet!« Das birgtdann das Risiko, dass bis zum Start klei-ne »Phantasiebedenken« zu einem großenProblem wachsen und das Kind beim tat-sächlichen Kursbeginn blockiert.

    Bereits bei der Begrüßung im Umkleideraumwerden die Weichen zum gesamten Kurs-verlauf gestellt, ist das Gespür des Lehrersgefragt. Sitzen dort ängstliche Kinder undklammern sich an Mamas Hals oder tobthier bereits alles über Tisch und Bänke?!Die Kunst besteht darin, bei den Ängstli-chen durch ruhiges, besonnenes und siche-res Auftreten und Sprechen einen Teil ih-rer Ängste zu lösen und den Draufgängerngleichzeitig in der nötigen Deutlichkeit klarzu machen, dass hier Grenzen bestehen undwer für deren Einhaltung verantwortlich ist.Besonders für jene besorgten Eltern, dieselbst ängstliche Nichtschwimmer sind, stelltdas Loslassen der Kinder – hinein in die be-drohliche Welt des Wassers – einen psychi-

    schen Kraftakt dar, den man nicht unter-schätzen sollte. Auch diese Eltern müssendurch die Gelassenheit und Ruhe des Leh-rers überzeugt werden. Je eher, je besser,denn nur so können sie ihre Kinder wirklichunterstützen, anstatt sie mit der eigenen Un-sicherheit zusätzlich zu belasten.Hingegen werden unruhige, laute oder garhektische Lehrer kaum ein ängstliches Kindmotivieren können und oft genug dazu bei-tragen, dass ein Teil der Eltern diese Unsi-cherheit übernimmt und sie zu Hause auf dieKinder überträgt.

    Schreckreflexumkehr – der Airbagdes Schwimmens

    »Da ist mir der Schreck in die Glieder ge-fahren«, wie oft und in welch höchst un-terschiedlichen Situationen haben wir diesenAusspruch nicht schon gehört.Ob einem nachts ein Reh vor das Auto läuft,ob man morgens um drei Uhr vom Telefonaus dem Tiefschlaf gerissen wird, ob man vordem Schaufenster eines Reisebüros gerade inGedanken ein Sonnenbad am Südseestrandgenießt und dann durch das Antippen eineslieben Bekannten aus seinen Träumen geris-sen wird, der Schreck lässt einen erstarren.Man ist für kurze Zeit handlungsunfähig.Fachleute bezeichnen diesen Moment be-kanntlich als Schrecksekunde. Diese Sekundeist es, die uns beispielsweise angesichts einesdrohenden Unheils im Straßenverkehr fehlt,was ganz besonders für unroutinierte Fahr-anfänger sowie für Gelegenheits- und Sonn-tagsfahrer gilt.Vollkommen gleich verhält es sich mitSchwimmanfängern und unsicheren Flach-

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  • Schwimmunterricht auf den Kopf stellen

    wasserkandidaten. Auch ihnen wird genaudiese erste Schrecksekunde zum Verhängnis.Egal, wo und wie sie sich unfreiwillig undunvorbereitet im Wasser wieder finden, derfurchtbare Schreck, den sie erfahren, wird sieim entscheidenden Moment lähmen und da-mit die erste und wichtigste Gegenwehr ver-hindern.Betroffene berichten von Bewegungsblocka-den in Armen und Beinen, der Kopf wirdzurückgerissen, man erstarrt, Hände, Mundund Augen sind weit geöffnet.Oft erfahre ich zusätzlich, dass der Atemstockt bzw. die Luft angehalten wird. Dasist allerdings ein unbedeutender Nebenef-fekt, denn niemand nimmt Schaden, wenner für wenige Momente auf die Atmung ver-zichten muss. Also alles vollkommen richtig– solange man nicht im Wasser in eine der-artige Schrecksituation gerät!Hier wird besonders deutlich, dass im Was-ser besondere Gesetze gelten und die vorhe-rige Aussage zum stockenden Atem nur zumTeil stimmt.Viele, die ihren Schreckmoment nun gedank-lich noch einmal in allen Einzelheiten durch-leben – mit der Aufforderung, sich besondersauf die Atmung zu konzentrieren –, stellenjetzt erstmalig erstaunt fest, dass das Luft-anhalten tatsächlich erst der zweite Schrittin Sachen Atmung ist.

    Am Anfang steht unweigerlich ein kurzes,hektisches Einatmen im Affekt, das immervor dem Anhalten der Luft erfolgt. Es han-delt sich hier zweifelsfrei um den zentra-len ersten Teilreflex, der in Notsituationenregelmäßig katastrophale Folgen nach sichzieht! An Land ist er vollkommen unbedeu-

    tend, weil das vorherige Einatmen in kei-ner Situation wirklich echte Relevanz hat.Dort ist in Notsituationen eher die Atem-blockade das Kernproblem.Noch einmal ganz deutlich: Bei einerSchrecksituation im Wasser ist nicht dasLuftanhalten, sondern die – an Land nor-malerweise unbedeutende – Auftaktphase,also das vorherige Einatmen, das alleinigeProblem! Nur das macht unsichere Kandi-daten zu Opfern!

    Besonders diejenigen, die aus kürzester Di-stanz mit dem Gesicht unter Wasser geraten,sind hier gefährdet. Ob man also vom liebenKumpel – aus Spaß – unter Wasser gezogenwird, beim Brandungsbaden im knietiefenWasser durch das zurückströmende Wasserden Halt verliert, beim Schwimmen im Mo-ment des Einatmens von einer Welle über-rascht wird, von Luftmatratze, Boot oderSteg fällt – die Zeitspanne ist meist so kurz,dass man noch schreckhaft einatmet, wennder Kopf bereits für einen kleinen Momentunter Wasser geraten ist! Dass Kinder alleinauf Grund ihrer geringen Körpergröße be-sonders schnell unter Wasser geraten, liegtauf der Hand. Wer beim Sturz ins Wasseretwas mehr Zeit in der Luft verbringt, wirdsich das Wasser zwar nicht mehr durch daserste hektische Einatmen in die Atemwegeziehen, aber durch den schreckhaft aufgeris-senen Mund ebenfalls viel zu viel Wasser inMund, Rachen, Nase und Hals gepresst be-kommen. So oder so verabschiedet man sichim Moment des Eintauchens in Sekunden-bruchteilen von jedem klaren Gedanken undseinem gesamten theoretischen Wissen! Dassman eigentlich immer im Verlauf der ersten

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  • beiden Sekunden wieder über Wasser ist, istdann lange vergessen!Niemand, der diese scheußliche Erfahrungeinmal machen musste, erinnert sich gerndaran. Ausnahmslos alle Betroffenen bestä-tigen, dass genau zum beschriebenen Zeit-punkt die Panik ausbrach und sie durchdieses Erlebnis ein lang anhaltendes Trau-ma davontrugen. Selbst Wettkampfschwim-mer und Wasserballspieler sind augenblick-lich nur noch mit Husten und Prusten be-schäftigt und denken nicht mehr an Sekun-den oder Tore. Das Wasser blitzartig über-all dort zu spüren, wo es unangenehm bisschmerzhaft ist, wird als ein Erlebnis der al-lerschlimmsten Art empfunden.Entscheidend ist einzig und allein, was indiesen Momenten subjektiv gefühlt, erlittenund geglaubt wird. Wer es erlebt hat, wirdselbst seinem ärgsten Feind ähnliche Mo-mente ersparen wollen und nicht umsonststehen in totalitären Staaten entsprechendePraktiken ganz oben auf der Liste der Fol-termethoden.Bereits während meiner Rettungsschwim-merzeiten auf Sylt bemühte ich mich nachjedem Einsatz, die soeben dem nassen Ele-ment entrungenen Opfer nach ihren Empfin-dungen während ihrer Unglückssituation zubefragen. Immer wurde der allererste Mo-ment des plötzlichen »Unter-Wasser-Seins«als Auslöser für die sofortige Panik genannt.Mir war der genaue Ablauf des Schreckre-flexes in seinen Einzelheiten schon sehr frühklar und folglich habe ich vom ersten Tagmeines frühen Lehrerdaseins darauf hinge-arbeitet, dass die Kinder so früh wie mög-lich lernen, mit derartigen Schrecksituatio-nen umzugehen. Es war also über geeignete

    Abbildung 0.1: Airbag im Auto

    Gegenmaßnahmen nachzudenken, ohne da-bei Ängste oder Panik zu erzeugen.Das Ziel ist klar: Es gilt, mit viel Geduld undAusdauer sowie einer Höchstzahl an Wieder-holungen, den Schreckreflex »umzupolen«bzw. umzukehren. Das gelingt uns seit vie-len Jahren sehr erfolgreich, weil diesem Zielzunächst alles andere untergeordnet wird.Wichtig ist dabei, dass das ganz ohne stupi-des, langweiliges Pauken geschieht. Nur dashäufige Üben in Verbindung mit verschiede-nen Schwimm-, Sprung- und Tauchaufgabenführt zum dauerhaften Erfolg. Hundert Malzu Hause ins gefüllte Waschbecken zu pus-ten, ist sicherlich nicht ganz verkehrt, aberes geschieht nicht in Verbindung zu einerkonkreten Schwimmsituation, ist also nichtin Kontexte und situatives Lernen eingebun-den!Gelegentlich bitten wir die zuschauenden El-tern um Zählaktionen. Sie belegen immerwieder, dass wir in den siebenwöchigen An-fängerkursen der Drei- bis Fünfjährigen aufmindestens rund 1500 gewollte, bewusste

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  • Schwimmunterricht auf den Kopf stellen

    und selbst kontrollierte kleine Tauchversu-che kommen und damit den Schreckreflex inwassertypischen Situationen bereits zuver-lässig umgekehrt haben. Dabei ist das Pus-ten aus Sicht der Kinder nur ein selbstver-ständlicher Bestandteil jedes Sprunges undobendrein versteckt man sich noch einmal inder Mitte des Beckens sowie vor dem Hin-ausklettern mit dem Kopf unter Wasser –natürlich pustend!

    Abbildung 0.2: Airbag beim Schwimmen

    SchreckreflexumkehrDiese lebenswichtigen Atemübungen tra-gen entscheidend zur Sicherheit und Be-wältigung kritischer Gefahrensituationenim Wasser bei und sind daher Kerninhaltunserer Anfängerkurse.

    Noch einmal: Das reflexartige Ausatmenbei jedem Eintauchen ist der General-schlüssel zur tatsächlichen Wassersicher-heit. Mit der Schreckreflexumkehr verhel-fen wir den Kindern zu einer Art zwei-tem Atemschutzreflex, der fortan in punc-to Sicherheit ebenso bedeutsam ist, wie derangeborene Atemschutzreflex beim frü-hen Babyschwimmen. Anders ausgedrückt:Wenn in jedem modernen Fahrzeug Air-bags wichtige Schutzfunktionen überneh-men, erfüllt die Schreckreflexumkehr imWasser die gleiche Rolle. Sie ist der Air-bag des Schwimmens.

    Obwohl sich der Weg zur Schreckreflexum-kehr hier womöglich als recht einfach dar-stellt, muss darauf hingewiesen werden, dassdie gleiche Strecke für ältere Kinder oder garErwachsene zu einer langwierigen, nervigenRumpeltour werden kann. Wer also späterseine Ängste lange gefestigt hat, wer bereitszuviel denkt und sich im Wasser total unsi-cher fühlt, wird nicht im Vorübergehen maleben seine Urangst überwinden und sofortwie selbstverständlich ins Wasser pusten. Daist dann neben besonders viel Geduld undMotivation, das Lernen in kleinsten Portio-nen gefordert. Je ängstlicher und älter dieSchüler, desto mehr!

    Passives Schwimmen –Sicherheitsgurt und Kopfstützeim Wasser

    Auch wenn die Schreckreflexumkehr diemeisten Schwimm- und Badekatastrophenverhindert: Sollte doch einmal etwas dane-

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  • ben gehen, muss man auch damit klarkom-men können!

    Sämtliche Aktivitäten an Land bieten di-verse Chancen den Schongang einzulegen,wieder zur Ruhe zu kommen und so langepassiv zu sein, bis man wieder mit neuemElan durchstarten kann. Nur dort, wo esschnell ernsthaft dramatisch werden kann– im Wasser – wird den Anfängern bislangkeine vergleichbare, lebensrettende Maß-nahme mit auf den Weg gegeben!

    Eine unverzeihliche, gelegentlich katastro-phale Nachlässigkeit!

    Daher nimmt bei uns das Ausruhen nebender Schreckreflexumkehr einen annäherndgleichen Rang in der Prioritätenliste ein.

    Hier geht es um das richtige Verhalten di-rekt nach kleinen alltäglichen Notfällen undgleichzeitig darum, möglichst früh das pas-sive Schwimmen zu beherrschen. Bereits inden ersten Stunden vermitteln wir kleinenAnfängern Techniken, die es ihnen erlauben,in derartigen Situationen wieder zur Ruhe zukommen bzw. sich im Wasser zu erholen undgleichzeitig bei Bedarf mit geringstem Kraft-aufwand Vortrieb zu erzeugen. Mit anderenWorten: Wir bringen ihnen bei, wenn nötignur passiv, aber dennoch sicher zu schwim-men. Eine Technik, die sozusagen als Sicher-heitsgurt des Schwimmens dient.Passives Schwimmen funktioniert bei Anfän-gern in der Bauchlage so gut wie gar nicht.Es bleibt also die Rückenlage , von der vieleFachleute behaupten, dass Kinder sie in die-sem Alter nur sehr schwer erlernen könnten.Diesen Experten stimme ich so lange zu, wie

    Abbildung 0.3: Sicherheitsgurt. Mitfreundlicher Unterstützung der Firma Porsche.

    Stuttgart, 1962.

    es darum geht, Anfänger zu motivieren, sichdem beängstigenden, neuen Element alleinund ohne geeignete Hilfe rücklings anzuver-trauen. Damit sind sie natürlich überfordert!Selbst eine noch so gut gemeinte gegensei-tige Hilfestellung unter Schülern ist daherkaum geeignet. Und wenn der Lehrer, demman ja vertrauen würde, aus unterschied-lichen Gründen nicht mit den Schülern insWasser geht, kann das Thema Ausruhen inder Rückenlage dort eben keine Rolle spie-len.Es gelingt nur mit einer verlässlichen, direk-ten körperlichen Hilfestellung, also mit ei-ner Person, zu der bereits eine erste Vertrau-ensbasis geknüpft wurde. Daher sind unsereKursleiter zumindest in den ersten Stunden

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  • Schwimmunterricht auf den Kopf stellen

    beinahe ständig bei den Kindern im Wasser,immer genau so lange, bis selbst der letzteAngsthase festgestellt hat, dass er nun alleinklar kommt. Bei uns gilt der Grundsatz: Inder Anfangsphase sind die Erwachsenen im-mer so lange wie nötig und erst deutlich spä-ter so kurz wie möglich mit den Kindern imWasser. Natürlich ist klar, dass man von au-ßen den besseren Überblick hat. Aber zuersthat der Vertrauensaufbau oberste Priorität.Ohne jeden Zweifel!

    Um die beiden Schwerpunkte Schreckrefle-xumkehr und passives Schwimmen ranktsich alles andere. Sie erlauben den schnel-len Erwerb von Sicherheit, sind die wich-tigsten Schritte in der Entwicklung desVertrauensprozesses und bilden gleichsamdie Eckpfeiler einer frühen aquatischen Le-bensversicherung. Sie lassen sich überallohne zusätzlichen Zeitaufwand integrierenund sind quasi zum Nulltarif zu haben!

    Pusten und Ausruhen sind selbstverständ-lich in diverse motorische Schwimm-, Spring-und Tauchaufgaben eingebettet, bei derenAusführung wir vorerst nahezu sämtlichenoch so seltsam anmutenden individuellenEigenarten akzeptieren. Aus der Überzeu-gung heraus, dass die Sicherheit zunächstabsolute Priorität hat, erteilen wir der For-derung nach korrekten Bewegungsabläufenund koordinativen Feinabstimmungen – zen-tralen Aspekten im Sportschwimmen – zu-nächst eine eindeutige Absage. Für uns stehtWassersicherheit mit weitem Abstand vorrelevanten Themen wie Ökonomie, Effekti-vität, Tempo und Ästhetik.

    Die Umkehr des Schreckreflexes und daspassive Schwimmen dürfen nicht nur Auto-matismen des Sportschwimmens bleiben,untergeordnete Fähigkeiten, die man sichdort irgendwann unbewusst nebenher an-eignet und daher nicht einmal gezielt andie nächste Schwimmgeneration weiterge-ben kann. Es ist an der Zeit, dass dieEinsicht in die Notwendigkeit dieser Un-terrichtsinhalte unter den Fachleuten allerSchwimmorganisationen wächst, damit sieAnfängern von vornherein den Schutz die-ser leicht zu erwerbenden Lebensversiche-rungen mit auf den Weg geben können.

    Offenbar war es blauäugig von mir, überviele Jahre davon auszugehen, dass so gutwie alle anderen Fachleute in der Praxismit gleichen Erfahrungen konfrontiert wer-den und daraus selbstverständlich ähnlicheKonsequenzen für ihren Unterricht ziehen.In einigen Veröffentlichungen findet man be-reits im Bereich der Wassergewöhnung eineReihe von vorbereitenden Übungen zum si-cheren Atmen, die dort in Zusammenhangmit der Basisübung »Unter Wasser die Luftanhalten« erscheinen. Wie schon erwähnt,übersieht man dabei stets, dass es wenigerauf das »Unter-Wasser-Sein« als vielmehrauf das »Plötzlich-ins-Wasser-Geraten« an-kommt. Zudem handelt es sich dort meistum eng begrenzte Aufgaben (siehe Pus-ten ins Waschbecken) ohne direkte Kom-bination mit dem Schwimmen, Springenoder Tauchen. Im stehtiefen Wasser bildensie in der Regel gesonderte Hauptaufgaben(mit langer Vorbereitung und Konzentrati-on) und sind keineswegs Bestandteile kom-plexer Übungsabläufe. Das kindliche Ge-

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  • hirn wird sie daher als einzelne Schwerpunk-te in eigenen, separaten motorischen Archi-ven abspeichern. Natürlich können sie vonden Kindern deshalb auch nicht unmittel-bar auf einen bestimmten Kontext bezogenwerden, d.h. sie funktionieren nicht automa-tisch als rettende Schutzmechanismen zurBewältigung brenzliger Situationen. So lan-ge nicht, bis die notwendigen Verbindungenzwischen Bewegung und Situation in denKinderköpfen dauerhaft geknüpft wurden.Das Motto ist immer wieder: Die Situationist die Aufgabe – die Bewegung ist die Lö-sung! Das Mittel: Ein vielseitiger Aufgaben-katalog, der Kindern hilft, konkrete Situa-tionen mit komplexen Bewegungsabläufenzu verbinden! Erst durch die Konfrontationmit unterschiedlichen Situationen und denrelevanten Bewegungsabläufen können Kin-der Zusammenhänge herstellen und reflek-torische Bewegungsmuster entwickeln. Hilftman ihnen nicht dabei, diesen Bezug herzu-stellen, wird das Schwimmen (von besonde-ren Talenten einmal abgesehen) Stückwerkbleiben – und sie streben über Jahre unsi-cher, gefährdet und ahnungslos dem Wasserentgegen.Wir respektieren sämtliche Definitionen vonSchwimmfähigkeit, streben allerdings da-nach, Kinder so früh wie möglich mit demWasser vertraut zu machen. So weit, dasssich zu Recht behaupten lässt: Diese Kindersind im Wasser zu Hause! Über und unterWasser, beim selbstverständlichen Umgangmit ungewöhnlichen bis haarigen Situatio-nen, in denen die meisten erwachsenen All-tagsschwimmer kläglich scheitern würden.Im Wasser zu Hause zu sein, bedeutet (mo-torisch wie situativ) vielseitig, freudig undausdauernd Schwimmen, Springen und Tau-

    chen können! Dazu gehört das sichere Bewäl-tigen von diversen kritischen Situationen,die hier natürlich nur gespielt sind und nichtals wirklich bedrohlich empfunden werden.Letztendlich arbeiten wir darauf hin, dassdie im heimischen Bad erworbenen Fähig-keiten nach und nach – alters- bzw. entwick-lungsgemäß – auch in neuer, fremder Umge-bung situationsgerecht zum Einsatz kommenkönnen. Damit öffnet sich die Tür zu unzäh-ligen Sport- und Freizeitaktivitäten, kannman sich letztlich auch in angrenzenden Be-reichen zu Hause fühlen.Scheuklappenvernagelte Brustschwimmfeti-schisten und Ästhetikfreaks unter Übungs-leitern, Trainern, Schwimmmeistern undSportlehrern, all jene, die das Schwimmennur mit Tunnelblick und leistungssportorien-tierter Perspektive sehen, sollten ihre Sicht-weise nicht bereits den Anfängern überstül-pen! Sie tun besser daran, dem Anfangs-schwimmen bis hinein in das frühe Grund-schulalter weiterhin fernzubleiben.Leider konnten wir bislang auch nicht ver-hindern, dass diese Experten unsere Kinder– die wir zunächst gezielt auf »natürlicheWeise« schwimmen lassen und bewusst spätmit starren Bewegungsmustern konfrontie-ren – für nicht qualifiziert halten. Natürlicherkenne auch ich sehr schnell jene Kinder,die von derartigen Trainern so gern als »bio-mechanische Katastrophenfälle« bezeichnetwerden und sicherlich überall als erste durchdas Sieb der Talentsichtung fallen. Nur binich überzeugt, dass gerade sie einen berech-tigten Anspruch auf qualifizierten Schwim-munterricht haben und die Chance erhaltensollten, dort auf ihre eigene Art positive Er-fahrungen zu sammeln bzw. eine sportbeja-hende Lebenseinstellung zu entwickeln. Vie-

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  • Schwimmunterricht auf den Kopf stellen

    les deutet darauf hin, dass der so genannte»gemeinwohlorientierte« Schwimmsport sei-nem Anspruch zumindest in diesem Bereichnicht gerecht wird.

    Die Aquapädagogik bietet nun die Wahl:Sollen die Kinder sehr frühzeitig, mitgroßer Selbstverständlichkeit und Freudedas Schwimmen erlernen? Selbstverständlichin Bauch- und in Rückenlage schwimmen,springen und tauchen? Möglicherweise zu-nächst stilistisch nicht perfekt und »unschöndackelpaddelnd«, aber dafür sicher, angst-frei und selbstbewusst? Sollen sie möglichstfrüh hohe Wassersicherheit besitzen, nichtgleich durch jede kleine Welle verunsichertwerden und überall im Nu wieder aus demWasser herauskommen können?

    Oder...... sollen sie sich (meist Jahre später) mitrelativ sportgerechten, korrekten Arm- undBeinbewegungen und hoch erhobenem Kopfüber Wasser halten können, Springen undTauchen jedoch nur als seltene Mutprobeverstehen und ansonsten darauf hoffen, imWasser niemals mit ungewöhnlichen Situa-tionen konfrontiert zu werden? Also beimSchwimmen immer eine Portion Restangstmit ins Wasser nehmen?

    Mit welcher Schwimmartbeginnen?

    Zahlreiche Schwimmexperten haben dazueindeutige, wenn auch differierende Meinun-gen. Sie gehen jedoch meist von einer deut-lich älteren, reiferen Altersgruppe aus, wäh-rend hier ja in erster Linie die Drei- bis Fünf-jährigen im Mittelpunkt stehen sollen.

    Ferner sollten bei dieser Entscheidung nebender Altersfrage auch die folgenden Aspekteeine Rolle spielen:

    • Wie groß ist die bisherige Erfahrung derSchüler bzw. wie gut sind sie vorberei-tet?

    • Wie viel Zeit steht zur Verfügung?

    • Wie groß und wie homogen ist dieGruppe?

    • Welche räumlichen Voraussetzun-gen sind vorhanden (Platz, Was-sertiefe, Temperaturen, Störun-gen/Ablenkungen)?

    • Welches Ziel soll erreicht werden?

    Vielfach gilt der möglichst schnelle Erwerbeines Abzeichens als Ziel, sowohl für die Kin-der, als auch für Eltern und Lehrer. Kin-der wollen in ihrer Sandkistengruppe nichtins Hintertreffen geraten, wollen mit demStatussymbol ein wenig prahlen. Eltern ge-ben sich im Lande der offiziellen Abschlüs-se, der Bescheinigungen, Zertifikate und Ab-zeichen dem Trugschluss hin, ihr Kind kön-ne mit dem Seepferdchen am Bauch über-all sicher schwimmen. Einige Profis sindmit Tunnelblick auf die Abzeichen fixiert,um im Wettbewerb mit anderen Anbieterneinen statistischen Vorteil zu haben oder umÜbungsstundenrechte zu sichern. Fragt sich,warum die Qualität der eigenen pädagogi-schen Arbeit das Selbstwertgefühl nicht hin-reichend stärken kann.

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  • Vielseitigkeit als Garant vonechter Wassersicherheit

    Egal für welche Schwimmart man sich ent-scheidet: Jeder strikte Weg geht leider zuLasten von Vielseitigkeit, echter Wassersi-cherheit und oftmals von Spaß und Freu-de im Wasser. Keine Frage, dieses Man-ko kann auch später noch kompensiert wer-den und die »Draufgänger« schütteln sichdiese Dinge sowieso nebenbei aus dem Är-mel. Aber haben wir denn noch viele die-ser Überflieger und Frühtalente in unserenGruppen? Beklagen die Sportpädagogen beiunseren Kindern nicht zu Recht seit vielenJahren die zunehmende motorische Unerfah-renheit? Die auffälligen Entwicklungsverzö-gerungen durch mangelnde Bewegungserfah-rung und den daraus resultierenden ängst-lichen Umgang mit unbekannten Situatio-nen, der im neuen Element Wasser beson-ders deutlich wird? Ist es wirklich nur hu-morige Effekthascherei, wenn man als Sport-lehrer in der Grundschule scherzhaft erklärt,bei der Aufgabenstellung »Rolle vorwärts«in der Turnhalle vorsorglich die Telefonnum-mer des Rettungshubschraubers in der Ta-sche zu haben? Nein, mit dem motorischenGeschick unserer Kinder und ihren Möglich-keiten, frühzeitig grundlegende Bewegungs-erfahrung zu sammeln, sieht es wirklich nichtgut aus. Nur sollte diese Erkenntnis Konse-quenzen nach sich ziehen! Aber bitte nichtin Form von skurrilen Fitnesslandkarten,die man sich als Kultusminister über denSchreibtisch hängt, um dort jederzeit dievermeintliche Unfähigkeit seiner Sportleh-rer in bestimmten Landkreisen vor Augenzu haben! Forderungen nach mehr Spiel-und Sportmöglichkeiten, nach der täglichen

    Sportstunde, nach Bewegungsangeboten inden Schulpausen und anderen bewegungs-fördernden Innovationen in Kindergarten,Schule und im Bereich der Stadtplanungsind da sicherlich sinnvoller. Nur wer möch-te in Kenntnis des Arbeitstempos von Poli-tik und Bürokratie auf die Umsetzung undderen erst langfristig spürbare Auswirkungwarten? Steht nicht zu befürchten, dass un-sere heutigen Kinder frühestens im Renten-alter, über die Gehhilfe gebeugt, die Früchtederartiger Bemühungen bestaunen dürfen?

    Also in gewohnter Weise die Hände in denSchoß legen, weiter jammern und das Pro-blem wie gehabt aussitzen?

    So laufen wir Gefahr, dass weiterhin vie-le unserer Kinder mit einer negativen Hal-tung gegenüber dem Wasser ins Leben ent-lassen werden. Nach dem Motto: »Ich kannmich zwar über Wasser halten, schwimmeaber nicht gern«. Sie werden später amStrand immer sofort bereit sein, auf sämtli-che Klamotten der Clique aufzupassen, wäh-rend die anderen im Wasser toben. Siche-res und entspanntes Schwimmen wird ihnenfremd bleiben. Es wächst eine neue Generati-on der spöttisch als »hochnäsige gelbe Plas-tikenten« und »Frisurenschoner« bezeichne-ten Aufrechtschwimmer heran. Dem Könnerpräsentieren sich so ständig neue Lästerob-jekte, über deren oft tief sitzende Minder-wertigkeitskomplexe er sich nicht weiter denKopf zerbricht.

    Nein, die Konsequenz muss anders aussehen:Wir müssen unseren Kindern gerecht wer-den, sollten uns auf ihre Fähigkeiten undBedürfnisse einstellen und ihnen das Was-

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  • Schwimmunterricht auf den Kopf stellen

    ser so nahe bringen, dass sie dort frühzeitigzu Hause sein können.

    Wir sollten die Basis für vielfältige Wasser-sportaktivitäten (gern auch für das Sport-und Rettungsschwimmen) bereits im Kin-dergartenalter legen und ihnen gleichzei-tig die grundlegenden Verhaltensregeln fürjeden Sport mit auf den Weg geben. Unddas sollte überall dort geschehen, wo es dieräumlichen Voraussetzungen erlauben.In unseren Dachorganisationen sollten wirgern wie gehabt auf äußere Missstände hin-weisen. Aber erst, wenn wir vorher inten-siv genug vor der eigenen Treppe gekehrthaben, werden »die da oben« bereit sein,die Ohren nicht mehr nur auf Durchzug zuschalten.Darum sind im täglichen Unterricht zual-lererst wir, die Praktiker und Experten inden Schulen und Vereinen, die Schwimm-meister, die Rettungsschwimmer und alljene, die am Beckenrand zu Hause sind,gefordert, aus der vorhandenen aktuellenSituation das Beste zu machen – sie opti-mal zu gestalten und zu nutzen! Und dahapert es bislang gewaltig!

    Der Einfluss der Kopfgröße aufdas Schwimmen

    In unsere Grundkurse kommen vorwiegenddie Drei- bis Fünfjährigen und für sie gibt esbei uns nicht schwarz oder weiß, nicht Brust-oder Rückenschwimmen, sondern ständigenWechsel zwischen Bauch- und Rückenlage.Und dazu natürlich jede Menge Übungen ausden Bereichen Springen, Tauchen und Glei-ten sowie eine Vielzahl von Aufgaben, die

    vor allem im Hinblick auf vielseitige Bewe-gungserfahrung in unterschiedlichsten Situa-tionen angeboten werden.Dieser ideologischen Entscheidung gehenganz praktische Erwägungen voraus, die sichauf die Entwicklung der Drei- bis Fünfjähri-gen beziehen:Wer im Fach Biologie nicht nur hinter derSäule gesessen hat, weiß, dass bei Babys derKopf ein Viertel der gesamten Körpergrößeausmacht, während es bei den Erwachsenennur noch rund ein Achtel ist. (Vgl. Abbil-dung ??)Natürlich ändert sich das Größenverhältnisnicht auf Knopfdruck und die angesproche-ne Altersklasse ist selbstverständlich deut-lich näher an den Babys als an den Erwach-senen.Das bedeutet, dass die Kinder in dieser Ent-wicklungsphase im Vergleich zu ihrem Kör-per immer noch einen sehr großen, schwe-ren Kopf haben. Den können sie natürlichim normalen Alltagsleben gut und ausdau-ernd auf dem Hals balancieren. Sie schaf-fen es aber nur sehr kurzzeitig, bäuchlings inder Waagerechten liegend (z.B. beim Brust-schwimmen) den Kopf über das Körperni-veau (also über das Wasser) zu heben. Derrelativ kurze Hals und die für solche Aktio-nen noch zu schwache Nacken- und Schulter-muskulatur lassen das nicht anders zu. Auchdie ungünstigen Hebelverhältnisse der Armetragen dazu bei.Wer sich übrigens als Erwachsener einmalin die gleiche Situation begeben möchte,der stelle zunächst den Fernseher weit obenauf den Schrank, lege sich bäuchlings aufdas Sofa und verfolge in dieser Haltungdie nächste Tagesschau. Die meisten wer-den davon nur heftige Nackenprobleme in

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  • Abbildung 0.4: Altersabhängiges Verhältniszwischen Kopf- und Körperhöhe. DieZahlen am Oberrand geben an, wievielmaldie Kopfgröße in der Körpergröße enthaltenist. (vgl.WEINECK 2004, Abb. 199, S. 349)

    Erinnerung behalten. Diesen Nachteil ha-ben sich die Primaten offenbar mit dem auf-rechten Gang eingehandelt, denn alle übri-gen Säugetiere können als Vierbeiner vonAnfang an mit dem Gesicht über Was-ser schwimmen. Übrigens sind die besonde-ren Belastungen des Rückens beim Brust-schwimmen durchaus bekannt. Darum fragtman sich, wie die halbseitige Schmerzmit-telwerbung zur Bekämpfung von schwimm-sportspezifischen Rückenproblemen – verse-hen mit dem überdeutlichen Hinweis aufdie Ursache Brustschwimmen! – in derDSV-Verbandszeitschrift swim&more mitder gängigen Praxis des Brustschwimmensals erster und oftmals einziger Schwimmartim Anfangsschwimmen zusammen passt.

    Hinführung zum Kraulschwimmen

    Und wie verhalten sich nun unsere Kleinen?Wenn man mit ihnen vom Babyalter an un-ter guter Anleitung im Wasser »vorbereiten-de Schwimmübungen« durchführt, die dasTauchen einschließen, hat man gute Chan-cen. Diese Kinder können sich recht frühüber längere Strecken »dackelpaddelnd« ander Oberfläche fortbewegen – bäuchlingsund mit dem Gesicht im Wasser. Talenteschaffen das schon als knapp Einjährige! Da-bei atmen sie, indem sie die Luft unter Was-ser »ausblubbern« und entweder durch dasseitliche Drehen und gleichzeitige kurze He-ben des Kopfes oder nur durch Heben undÜberstrecken der Halswirbelsäule über Was-ser relativ sicher Luft holen.Auf dieser Fähigkeit aufbauend, ist es durch-aus möglich, einigen der Kleinen später ersteGrobformen des Kraulschwimmens zu ver-mitteln, indem sie zusätzlich mit den Ar-men »Windmühlenkreise« machen dürfen.Gelingt das, kommt der »richtige Einsatzder großen Paddelhände« hinzu. Hier sol-len die Hände »das Wasser von ganz vornso weit nach hinten ziehen und schieben, bisder jeweilige Daumen das Bein berührt« undder Kopf wird so gehalten, »dass die Augenknapp im Wasser und alle Haare über Was-ser sind«.Das funktioniert allerdings nur nach langem,geduldigem und regelmäßigem Üben, mög-lichst vom Babyalter an. Hinderlich ist da-bei in vielen Fällen der – im warmen Wasserund dementsprechend weit geöffneten Po-ren – störende Chlorgehalt des Wassers, derbrennende Augen verursacht. Seit vor einpaar Jahren die Firma AquaLung auf unserBetreiben hin bequeme, kindgerechte Brillen

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  • Schwimmunterricht auf den Kopf stellen

    auf den Markt brachte, ist dieses Problemgrundsätzlich zu lösen.So wünschenswert diese Art des Schwimm-lehrgangs auch ist, sie wird wohl außerhalbder Institutionen, die sich besonders qualifi-ziert mit Baby- und Kleinkinderschwimmenbefassen, noch eine Weile eine Ausnahmeer-scheinung bleiben.

    Problembereiche des Brustschwimmens

    Im Normalfall hat man es eher mit Kin-dern zu tun, für die derartige Fähigkeitennoch in weiter Ferne liegen. Die meistendieser »normal« entwickelten Kinder wer-den selbst dann, wenn man sie mit noch sogroßen Schwimmflügeln oder anderen Hilfenausstattet, aufgrund der schwachen Nacken-muskulatur nur sehr kurz in der angestreb-ten Bauchlage bleiben können. Der Kopf istschnell zu schwer und weil man ja nicht end-los Wasser schlucken will, wird er in denNacken zurückgenommen, dorthin, wo manihn ja balancieren kann. Das geht aber kaumohne eine totale Überstreckung der gesam-ten Wirbelsäule (=Hohlkreuzlage) und istzudem nicht lange durchzuhalten.Die Folge: Die Kinder nehmen nach kurzerZeit die Haltung ein, welche die Nackenmus-kulatur am wenigsten anstrengt – sie »ste-hen« im Wasser!Das hat aber nichts mit dem Brustschwim-men zu tun, denn nur die Arme können Vor-trieb erzeugen und die Beine drücken denKörper vorwiegend nach oben, aber kaumvorwärts. Dass man stehend im Wasser einenzigfach höheren Widerstand zu überwindenhat, als in flacher, gestreckter Gleitlage,leuchtet ebenso ein wie die Tatsache, dass

    man in dieser Haltung enorm viel Kraft ver-geudet und entsprechend schnell ermüdet.Auch die wenigen Kinder, die jetzt schon dieGrätsche beherrschen, hüpfen in dieser Hal-tung vorwiegend auf und ab, denn der er-wünschte »Vortrieb« ist bei dieser Körper-haltung nur ein Schubs nach oben und wirktkaum nach vorn. Mit nachlassender Kraftwerden die Kinder in der Abwärtsbewegungvon Mal zu Mal tiefer eintauchen, sofern dieSchwimmhilfen dies nicht verhindern.Die Grätschbewegung der Beine ist ein wei-terer großer Knackpunkt für nahezu alle An-fänger: Sie ist für Menschenkinder völlig un-natürlich, es gibt keine vergleichbaren, be-reits an Land beherrschten Bewegungsmus-ter. Mehr noch: In den 60er Jahren wurde diealte »Stoßgrätsche« von der so genanntenSchwunggrätsche verdrängt, weil der Ame-rikaner Jastremski mit dieser neuen Technikdie Weltrekorde des Brustschwimmens pul-verisierte. Er hatte Beine, wie man sie an-sonsten nur bei Fußballspielern à la Rober-to Carlos oder Gewichthebern sieht. DemExtremsportler war es scheinbar gelungen,seine Kniegelenke vom natürlichen Klapp-Scharniergelenk in ein Kugelgelenk mit weit-gehender Rotationsfähigkeit umzuwandeln.Dagegen wurden bei der Stoßgrätsche dieKnie mehr oder weniger weit angehockt undgeöffnet sowie die Füße weit nach außen ge-dreht. Dann erzeugten die sich schließen-den Beine und Füße mit dem Herauspressendes Wassers aus dem »Beindreieck« den er-wünschten Rückstoß bzw. Vortrieb. Schwie-rig war nur, die Bewegung bis in die Zehen-spitzen gleichmäßig, also symmetrisch aus-zuführen.Die Schwunggrätsche lässt nur noch ein mi-nimales Anhocken sowie Öffnen der Knie

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  • zu. Füße und Unterschenkel führen in denKniegelenken beginnende, kreisähnliche Be-wegungen aus, wobei das peitschenartigeZusammenschlagen von Unterschenkeln undFüßen den Vortrieb erzeugt, was dem Del-phinbeinschlag oft recht nahe kommt. DieBewegungsfrequenz ist deutlich höher als beider Stoßgrätsche.Seit vielen Jahren werden diese unnatürli-chen Drehbewegungen der Kniegelenke nunschon bereits in der Lern- und Übungsphasegefordert. Solange man dabei die individuel-len Bewegungsmöglichkeiten berücksichtigtund nicht nach Schema F vorgeht, mag mandas noch akzeptieren. Traktiert man jedochnoch mit Angst behaftete, innerlich umsÜberleben kämpfende kleine Anfänger mitdieser Bewegung, ist das zunächst reine Zeit-verschwendung. Wer Kinder mit einer solchanspruchsvollen und komplexen Bewegungüberfordert, um sie anschließend als Antita-lente abzustempeln, der sollte schnurstracksden letzten Gang zum Personalchef antretenmüssen. Das Gleiche gilt für jene Lehrer, diebei körperlich noch unausgebildeten Kindernzur Steigerung der Drehfähigkeit der Kniege-lenke Schaumstoffkissen zwischen den Ober-schenkeln fixieren oder sogar Gurte darumbinden! Das sind Praktiken, die nicht mehrsehr weit von fahrlässiger Körperverletzungentfernt sind.Die »Grätsche« setzt also bei den Kleinenin jedem Fall ein enorm hohes Maß an Ko-ordinationsfähigkeit und Feingefühl voraus.Bis auf seltene Ausnahmen ist dieses Koordi-nationsvermögen bei Kindern dieser Alters-gruppe, deren Hände sich gerade feinmoto-risch entwickeln, noch nicht vorhanden. Siesind mit den Beinen und Füßen noch im Sta-dium der unbewussten, instinktiven Bewe-

    gungen und werden mit großer Sicherheit zu-nächst an diesem hoch komplizierten, kom-plexen Bewegungsablauf scheitern.

    Sie lässt sich daher nur durch sehr langwie-rige, monotone (und daher eher demotivie-rende) Übungseinheiten einpauken, in einerWeise, die zu Recht als Drill bezeichnet wer-den kann. Fängt man damit gleich in derBauchlage – und nicht in der Rückenlage –an, geschieht das Ganze völlig unkontrolliertund außerhalb der eigenen Sicht im rück-wärtigen Körperbereich, der entwicklungs-bedingt von Kindern zwischen drei bis fünfJahren noch nicht erfasst wird. Kinder müs-sen sehen, was sie tun! Alles andere ist nichtkindgerecht und wird im günstigsten Fall alsunsympathisch empfunden.

    Nicht ohne Grund ist die Grätsche auchfür alle anderen Altersgruppen oftmals ei-ne Riesenhürde. Bei dieser Schwimmart wirddie Wirbelsäule – Rückenprobleme sind be-kanntlich in der Liste der Volkskrankheitenan vorderster Stelle zu finden – kaum ent-lastet, weil die meisten Menschen dabei denKopf ständig über Wasser halten und damitden gesamten Nackenbereich anspannen, al-so keineswegs die angestrebte Entspannungerlangen. Hinzu kommt, dass die hohe Kopf-haltung den Körper in die »Hohlkreuzlage«zwingt. Wer die Beinbewegungen symme-trisch, das heißt völlig gleich ausführen kann,ist nun im Vorteil. Setzt er seine Kraft sogarin der richtigen Bewegungsphase ein, erlebter mit jeder Beinbewegung einen deutlichenVortrieb. Der stoßartige Vortrieb trifft nunleider anschließend genau den Lendenwirbel-bereich, der ja im Allgemeinen die größteProblemzone darstellt und hier ganz beson-ders belastet wird.

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  • Schwimmunterricht auf den Kopf stellen

    Wer aber seine Beine nur unsymmetrisch be-wegen kann und daher mit der so genanntenScherenbewegung schwimmt, ist noch sehrviel schlechter dran. Zumindest in der Schu-le riskiert er, obwohl es ihm offensichtlichnur an ein wenig Feingefühl in einem Fußmangelt, in der nächsten Schwimmstundeals »Scherenschwimmer« mit schlechten No-ten bestraft zu werden! Oft genug von den-selben Pädagogen, die in der Grundschulebeim Schreiben seit langem vehement für dieGleichbehandlung der Linkshänder eintre-ten. Damit fehlt ein guter Teil des Vortriebsund die von der Scherenbewegung herrüh-rende mehr oder weniger starke Drehung derHüfte belastet die Lendenwirbel in Einklangmit der regelmäßigen Erschütterung durchdie Beinstöße. Das kann niemals gesund sein!Ständig wächst die Gemeinde der Rücken-patienten, denen vom Arzt das Schwimmenverordnet wird. Viele stellen nach kurzerZeit fest, dass es nicht hilft, sondern sogarKnie- und Hüftprobleme verstärkt oder neueRückenbeschwerden verursacht.Wer beim Brustschwimmen im Wasser aus-atmet – und damit die Nackenpartie ent-spannt –, hat wenigstens den oberen Teil desRückens entlastet.Schon oft habe ich daher das Brustschwim-men mit etwas provokativer Übertreibungals Erfindung notleidender, arbeitsloser Or-thopäden bezeichnet.

    Die Vorteile des Rückenschwimmens

    Bleibt also noch das Rückenschwimmen,denn das als Königsdisziplin geltende Del-phinschwimmen (eine große Koordinations-fähigkeit und Kraft voraussetzende Fortent-

    wicklung des Kraulschwimmens), scheidetfür den Anfängerbereich von vornherein aus.Das Rückenschwimmen bietet besondersden kleinen Kindern entscheidende Vorteile,denn

    • es ist relativ leicht und schnell zu erler-nen.

    • es bietet eine große Wassersicherheit.• es gibt so gut wie keine Atmungsproble-

    me, das heißt, man kann nach Bedarfatmen und braucht die Atmung keinerBewegung anzupassen.

    • es klappt wenn nötig auch völlig ohneKrafteinsatz.

    • es hat eine Erholungsfunktion und er-laubt das passive Schwimmen.

    • es ist die Schwimmart, die weit vor al-len anderen dazu geeignet ist, Haltungs-bzw. Rückenproblemen entgegen zuwirken.

    Die Nachteile des Rückenschwimmens sindim Vergleich zu den Vorzügen minimal:Viele Kinder sträuben sich anfangs gegendie Rückenlage, weil sie nach oben »ins Lee-re« schauen. Sie können ihre Bewegungsrich-tung nicht überblicken und schwimmen – dasie nicht vorausschauen können – sozusagenins »Ungewisse«. Es gibt jedoch genügendeffektive methodische Hilfen, die derartigeHemmnisse schnell und zuverlässig abbauen.

    Fazit

    Die Antwort auf die Eingangsfrage nachder der ersten Schwimmart lautet also: Fürdie Altersklasse der Drei- bis Fünfjähri-gen bietet sich das Rückenschwimmen für

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  • das Strecken- und Ausdauerschwimmen, daspassive Schwimmen und Auszeiten an.Die Bauchlage wird zunächst mehr oder we-niger den Orientierungsphasen vorbehaltenbleiben. Dabei kommen die Armbewegungenzwar meist schon dem Brustschwimmen, dieBeinbewegungen aber eher dem Strampelnoder Laufen, nicht selten auch dem Kraul-beinschlag nahe und sind eine Art altersge-rechte, natürliche Mischform.

    Aber auch nach erfolgreichem Abschluss un-serer Grundkurse, mit dem Seepferdchenab-zeichen auf dem Bauch, machen unsere Klei-nen immer wieder die Erfahrung, dass ih-nen in öffentlichen Bädern von den dortigenFachleuten – Schwimmmeistern, Übungslei-tern aber auch Sportlehrern – schwimme-risches Unvermögen attestiert wird und siedaraufhin ins Babybecken verbannt werden.»Dackelpaddelnde« Kleinkinder stellen fürsie ein rotes Tuch dar. Wer nicht in ihr Sche-ma vom korrekten Bewegungsmuster passt,hat verloren! Dort ist Schwimmen eben das»ordentliche Brustschwimmen« mit »saube-rer Grätsche« und hoch erhobenem Kopf;und wer das nicht richtig macht, der kannnicht schwimmen und darf es hier schon garnicht! Basta!!!Leider ist diese deutsche Brustschwimm-Mentalität eben auch heute noch in vielenBädern, Vereinen und Schulen so fest veran-kert, dass sogar elterliche Erklärungsversu-che von vornherein zum Scheitern verurteiltsind.Es wird noch einiger Aufklärungsarbeit be-dürfen, bis hier ein Sinneswandel vollzogenist. Von heut auf morgen wird sich das nichtändern.

    Welche Schwimmhilfen sindgeeignet?

    Wer eine zehnköpfige Gruppe Drei- bis Fünf-jähriger im schwimmtiefen Wasser allein un-terrichtet, wird sich zwangsläufig um ab-solut sichere Schwimmhilfen bemühen müs-sen. Sie sollten von der ersten bis zur letz-ten Stunde variabel anwendbar sein und da-bei den motorischen Lernprozess nicht be-hindern. Optimale Funktionalität ist gege-ben, wenn sie volle Bewegungsfreiheit erlau-ben und als kaum wahrnehmbares, selbst-verständliches Hilfsmittel den vertrauensbil-denden Prozess und das Schwimmen lernenunterstützen.

    Schwimmflügel

    Schwimmflügel sind die idealen Begleiter aufdem Weg ins nasse Element. Sie fördern Ver-trauen und Sicherheit am und im Wasser. Siewurden weltweit millionenfach in der fami-liären Wassergewöhnung eingesetzt. Eben-so schätzt man sie auf allen Kontinentenseit Jahrzehnten als absolut sicheres unddennoch flexibles, leicht zu handhabendes»Werkzeug« des modernen Schwimmunter-richts.Den Körper unterstützen Schwimmflügel ge-nau dort, wo die Hilfe im Wasser lebens-notwendig ist: nahe am Kopf. Nicht um-sonst sind moderne Rettungswesten mit ei-nem voluminösen Kragen ausgestattet, derden Kopf selbst bei Ohnmacht sicher überWasser hält. Eine derartige Halskrause wärejedoch beim Schwimmen lernen übertriebenund vor allem sehr hinderlich.

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  • Schwimmunterricht auf den Kopf stellen

    Durch die unterschiedlichen Größen derSchwimmflügel ist es möglich, allen Perso-nen die nötige Sicherheit zu gewähren –vom Kleinkind bis zum schweren Erwachse-nen. Andererseits erlauben sie in jeder La-ge nahezu uneingeschränkte Bewegungsfrei-heit, auch beim späteren Springen.

    In unserer Schwimmschule arbeiten wir bei-nahe ausschließlich mit den beiden kleinstenGrößen, denn hier gibt es keine hohen Wel-len, über die man von größeren Schwimm-flügeln getragen werden muss. So schwim-men bei uns alle leichteren, locker und angst-frei erscheinenden Kinder vom ersten Mo-ment an mit den kleinsten Babyflügeln. ZumGlück können sie den Aufdruck »Baby«noch nicht lesen! Die größeren und schwere-ren Kinder sowie offensichtliche »Angstha-sen« bekommen die nächst größere Ausfüh-rung.

    So können die Kinder sofort in jeder La-ge das Gesicht sicher über Wasser halten.Obendrein verhindern die Schwimmflügelbeim Springen nicht den gewünschten Was-serkontakt des Gesichtes.

    Ungefähr ab der 7. Unterrichtsstunde dür-fen die Kinder dann (weil der Lehrer ge-sagt hat, dass sie bisher ganz toll mitge-macht haben!) mit »dünneren« Schwimm-flügeln schwimmen, das heißt, es ist ledig-lich noch eine der beiden Doppelkammernprall mit Luft gefüllt, die andere nur nochzum Teil. In den nächsten Übungsstundenentbrennt dann meist ein heftiger Wettstreitdarüber, wer die dünnsten Schwimmflügelhat, weil jedes Kind, das alle Aufgaben »einpaar Mal supergut, ohne etwas zu vergessen«bewältigt hat, zum Lehrer kommen darf, umsich die Schwimmflügel noch dünner machenzu lassen.

    Zum Schluss sind die Schwimmflügel nurnoch luftleere Plastikhüllen, die keinerleiechten Auftrieb erzeugen und eher ernst-haft behindern. Die Arme bewegen sich dar-in vollkommen frei und werden durch sieüberhaupt nicht mehr gestützt. Im Grundeziehen die Kinder jetzt zwei kleine Treiban-ker hinterher – wie in einem ersten kleinenZusatzkrafttraining! Sie müssen also im Ver-gleich zu ihren bereits ohne Hilfen schwim-

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  • menden Altersgenossen deutlich mehr Kraftaufwenden.Andere Schwimmhilfen, die am Körper be-festigt werden, erzeugen dort – nahe amSchwerpunkt – oft so viel Auftrieb, dass dieAnfänger dadurch mit dem Gesicht zu na-he an das Wasser kommen. So entsteht beiihnen die durchaus begründete Befürchtungvornüber zu kippen – Po oben und Naseim Wasser – was kein Anfänger mag. Hilf-losigkeit und Angst sind die Folge und mitdem ersten Hustenanfall nach dem tatsäch-lichen Wasserschlucken geht die Freude amSchwimmen lernen schnell verloren.Nach über drei Jahrzehnten täglicher Er-fahrungen im praktischen Unterrichtseinsatzin sämtlichen Altersgruppen lautet meineEmpfehlung in puncto Schwimmhilfen vollerÜberzeugung:

    »Schwimmflügel sind die beste Hil-fe für alle Anfänger!«

    In Bezug auf das Unterrichten größererGruppen im schwimmtiefen Wasser und oh-ne Zeitpolster zwischen den Unterrichtsein-heiten gibt es da auch nichts zu relativieren.Selbstverständlich kann man mit diversenanderen Hilfsmitteln ebenfalls nahezu je-den Anfänger zum Schwimmen bringen.Im flachen Wasser, in der Familie, miteiner Kleinstgruppe und ohne Zeitlimit,lässt sich vieles anders gestalten. Dort mö-gen auch aufblasbare Oberarmschwimmhil-fen mit Schaumstoffkern oder koppelbareSchaumstoffscheiben zum Erfolg führen. Ih-nen fehlt jedoch die Möglichkeit der schnel-len und fein dosierbaren – wenn nötig vonden Kindern unbemerkten – Korrektur desAuftriebs.

    Abbildung 0.5: Zeitungsartikel von 1966

    Unterrichtsorganisation

    Empfehlung zur WassertiefeWer bereit ist, im Wasser für die Kinderder Sicherheitsfaktor zu sein und dennochzügig vorankommen will, dem kann ich nurden Start im – für die Kinder – schwimmtie-fen Wasser nahe legen. Nach über 30 JahrenErfahrung schwöre ich auf das »schwimm-tiefe« Wasser für den Anfangsunterricht derKinder, wobei der Lehrer jedoch besser ste-hen sollte. Zumindest in kleineren Grup-pen (die mit sicheren Schwimmhilfen aus-gestattet sind) und beim familiären Einzel-unterricht haben schwimmtiefe Becken denVorteil, dass sich die Kinder »gleich rich-tig« im Wasser befinden. Grundsätzlich ist

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  • Schwimmunterricht auf den Kopf stellen

    das nahezu überall möglich. So spart mansich oft endlose Versuche (und damit enormviel Zeit) die Kleinen von der Treppe oderdem flachen, stehtiefen Wasser heraus »in’sTiefe« zu locken. Der nebenan befindlicheschwimmtiefe Teil des Bades, von den Er-wachsenen oftmals zu Recht als direkte Be-drohung dargestellt und von den Kinderndaher auch so eingeschätzt, hemmt denLernprozess dann weit weniger. Der weite-re Vorteil für den Lehrer liegt darin, dass ersich meist aufrecht stehend und gehend imWasser bewegen kann und nicht knien, sit-zen oder krabbeln muss, um mit den Klei-nen »auf einer Ebene« zu sein. Für mich istdas ein gutes Beispiel für optimal praktizier-te Sportökonomie im Basisbereich.

    Treppe, Leiter oder Rand?!

    Schon seit vielen Jahren lassen wir die klei-nen Anfänger generell vom ersten Momentan vom Rand ins schwimmtiefe Wasser klet-tern oder springen und auch auf demselbenWege wieder hinaus gelangen. Alle Treppenund Leitern meiden wir weitgehend. Nur,wenn es darum geht, am Ende einer kombi-nierten Aufgabe spezielle Tauchaufgaben zuerfüllen, werden diese Ein- und Ausstiegs-hilfen in den Unterricht eingebunden. DenKindern gegenüber wird erklärt, dass sie nurfür Babys und ganz alte Leute dort sind– und hier gibt es ja bekanntlich nur ganzgroße Kinder, die bestimmt keine Babys undauch noch nicht alt genug für solche Hilfs-mittel sind. Das ständige Hinausklettern amRand ist ein wesentlicher Beitrag zur Erlan-gung von Sicherheit und trainiert nebenbeigenau die Muskulatur, die beim Armeinsatzim Wasser gefordert ist.

    Kurze oder lange Bahn?Wann immer es möglich ist, nutze ich in al-len Bädern mit einer Mindestbreite von vierMetern vorwiegend die kurzen Querbahnen.So erreicht man eine sehr hohe Übungsfre-quenz und mit ihr die erforderlichen viel-fachen kleinen Tauchversuche zum umpolendes Schreckreflexes. Lehrer und Schüler sindautomatisch entsprechend häufiger im direk-ten Kontakt. Der oftmals noch wenig ausge-prägten Konzentrationsfähigkeit kommt esebenfalls entgegen und nebenher ist es ein ef-fektives Intervalltraining, das zur Steigerungder Ausdauerleistungsfähigkeit der Kinderbesonders geeignet ist. Natürlich werdenzwischendurch auch zunehmend häufiger dielangen Bahnen – die bei uns zwischen 8 und12,5 Meter lang sind – geschwommen, damitspäter die Strecke für das Seepferdchenab-zeichen sicher bewältigt wird.

    Riege, Reihe oder. . . ? Die Knautschzonedes Schwimmens!Nach Turnvater Jahn gehört in jeden anstän-digen deutschen Sport- und Schwimmunter-richt Ordnung, Disziplin, Haltung und kor-rekte Ausführung der angesagten Aufgaben.Man steht – stramm – in der Riege undwartet geduldig auf seinen Einsatz. Man hatschließlich nur ein Reck und daher kann auchnur einer zurzeit daran baumeln. Logisch!Aber im Schwimmbad, da kann man ja malfünfe gerade sein lassen und mit großem Si-cherheitsabstand gleichzeitig drei oder garvier Anfänger auf die 25-Meterbahn schi-cken. Der Rest der Riege wartet und war-tet und wartet. So ist es eben übersichtlicherund damit sicherer. Besonders beim Schul-schwimmen mit entsprechend großen Klas-sen ist es auf diese Weise keine Seltenheit,

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  • dass in der generell geringen Schwimmzeitsechs bis acht Einsätze bereits viel sind.Wer den Kindern im Wasser Sicherheit undSelbständigkeit vermitteln will, muss natür-lich erst einmal die Sicherheit garantieren.Das wird in der ersten Zeit durch unsere kör-perliche Hilfestellung im Wasser sowie durchdie Schwimmflügel gewährleistet. Selbstän-digkeit und Verantwortungsbewusstsein ent-wickeln sich aber nur dann, wenn man auchtatsächlich in sie hineinwachsen kann.Das Gleiche mache ich beim Schwimmen.Den Kindern werden zunächst die wichtigs-ten Spielregeln erklärt.

    »Jedes Kind darf allein hinein-klettern oder hineinspringen. BeimSpringen muss man sich vorher mitallen Zehen am Rand festhalten.Dann muss man über all das, wasman gleich im Wasser tun möch-te, genau nachdenken. Und bevorman wirklich springt – natürlichganz weit weg vom harten Randins weiche Wasser – , muss mannoch genau schauen, ob auch wirk-lich genug Platz ist. Denn es darfniemand zu dicht an andere Kinderheran springen, weil sich sonst bei-de Kinder furchtbar wehtun kön-nen!«

    Es versteht sich von selbst, dass hier nicht al-les sofort reibungslos klappt. Grob geschätztkommt es in jedem Halbjahr einmal vor, dassein kleiner Träumer vor dem Sprung nichtrichtig schaut und somit eine kleine – gele-gentlich sogar schmerzhafte – Karambolageverursacht. Gleiches soll auch Fahrschülernpassieren. Wir versuchen recht erfolgreich,das Risiko zu minimieren und die Kinder

    dennoch so früh und realitätsnah wie mög-lich an das normale Geschehen im sommer-lichen Badegetümmel heranzuführen. Dassieht für Außenstehende im ersten Momentsicherlich ungeordnet oder sogar chaotischaus, aber wir achten sehr genau darauf, dassniemand überfordert wird. Und haben wireinmal ein paar Mini-Rambos in der Gruppe,werden die kurzerhand zu besonders großenKindern erklärt und müssen fortan beson-ders viel Rücksicht auf die ganz kleinen Kin-der nehmen. Dann heißt es:

    »Alle Kleinen haben Vorfahrt unddie Großen müssen weit um sie her-um schwimmen!«

    Das funktioniert eigentlich immer. Vor allemdann, wenn man gleichzeitig erfährt, dassgroße Kinder – wenn sie alles richtig machen– bald als erste ohne Schwimmflügel schwim-men dürfen.Noch einmal: Was hier nach Pariser Feier-abendverkehr auf dem Place de la Concordeaussieht, läuft meist ohne weitere Reglemen-tierungen störungsfrei und sehr sicher ab.Man muss sich eben nur trauen. Es stimmtschon, wenn gesagt wird: »Wer in Paris fah-ren kann, kann es überall!« Und wer bei unsdas Schwimmen lernt, ist bald – überall –im Wasser zu Hause. Daher halte ich es fürdurchaus berechtigt, hier mit Blick auf denStraßenverkehr von der Knautschzone desSchwimmens zu sprechen.

    Gläserner UnterrichtDarunter verstehen wir einen Unterricht, derfür interessierte Außenstehende wie Elternoder Kollegen weitestgehend direkt zu ver-folgen ist. Sie können so in der nötigen Di-stanz den Unterricht unmittelbar verfolgen.

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  • Schwimmunterricht auf den Kopf stellen

    Abbildung 0.6: Einfluss der wöchentlichen Übungsstunden auf den Lernerfolg

    Das reduziert gleichzeitig den Zeitaufwandfür langwierige Erklärungen drastisch, beugtMissverständnissen vor und fördert den di-rekten Kontakt zu den Eltern. Ergeben sichFragen, können sie in frischer Erinnerungkurzfristig nach Stundenende geklärt wer-den. Die Beurteilung des Kurses erfolgt da-her auch viel mehr anhand des eigentlichenUnterrichtsgeschehens und basiert nicht nurauf der Anzahl erreichter Abzeichen.Übrigens können sich bei uns hospitierendeKollegen und Fachleute nach vorheriger An-meldung immer direkt am Beckenrand odergar im Wasser aufhalten.

    Wieviel Unterricht im Kindergartenalter?Wer den Kindern gerecht werden möchte,wer zügig vorankommen will und kein In-

    teresse an der endlos langen »Zwei-Schritte-vor-und-einen-zurück-Prozedur« hat, wirdsicherlich schnell einen mehrmaligen Unter-richt pro Woche bevorzugen.

    Nach den ersten fünf Schwimmschuljah-ren mit fünfmaligem Unterricht haben wirmit einer für alle Beteiligten nahezu idea-len Kompromisslösung begonnen. Der Un-terrichtsbereich, in dem der entscheidendeSchritt zum Schwimmen vollzogen werdensoll, findet jeweils an drei aufeinander folgen-den Tagen zur gleichen Zeit statt. Abbildung?? macht den Zusammenhang von wöchent-lichen Unterrichtsstunden und Lernerfolgenim Anfangsbereich sehr deutlich.

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  • Das gesamte Sicherheitsplus derAquapädagogikAbbildung ?? zeigt, dass allein durch eineoptimale Unterrichtsorganisation ein mehr-jähriger Sicherheitsgewinn zu erzielen ist.Deutlich sichtbar ist das steile Ansteigen derKurve im Bereich der Intensivkurse sowieder abflachende Verlauf im vorbereitendenBereich des Babyschwimmens und in den fol-genden Fortbildungskursen.

    Liebe Leserinnen und Leser,diese Broschüre und die beiliegende CD kön-nen und sollen nur die Schwerpunkte derAquapädagogik, ihre »andersartigen Ansät-ze« sowie neue Inhalte und Ziele hervorhe-ben. Sie sollen zur kritischen Reflektion deseigenen Handelns anregen und das Interessean neuen Entwicklungen in der Schwimm-ausbildung wecken.Wer sich eingehender mit dem Thema be-fassen möchte, sollte sich das Originalbuch»Aquapädagigik – früh, sicher und vielseitigschwimmen!« bestellen.Es befasst sich ausführlich mit sämtlichenBereichen des Konzeptes, vom Babyschwim-men bis zum Einstieg in das Sportschwim-men. Vor allem die zahlreichen pädagogi-schen Feinwerkzeuge, die für den erfolg-reichen Unterricht mit Drei- bis Fünfjäh-rigen unerlässlich sind, werden mit Hilfevieler Beispiele nachvollziehbar geschildert.Entwicklungsgerecht gestaltete Übungsrei-hen für die Bereiche Sicherheit, Springen,Tauchen sowie Schwimmen in Bauch- undRückenlage mit zahlreichen authentischenFarbfotos liefern den roten Faden für dieeigene Unterrichtsplanung. Weil von vielenSeminarteilnehmern als Argumentationshil-fen für den alltäglichen Disput mit Kollegen,

    Eltern und beharrlichen Vertretern des kon-servativen Lagers dringend gewünscht, setztsich der Autor von der Einleitung bis zur ab-schließenden Bestandsaufnahme sehr offenund kritisch mit den herkömmlichen Kon-zepten auseinander und fordert zur Abkehrauf.Nebenher werden erstmalig auch die spezi-ellen Erfordernisse beim Anfangsschwimmenmit Erwachsenen behandelt.Zwar lehrt die Erfahrung, dass neue Ide-en auch mit Unterstützung überzeugenderFachbücher und Filme im Kreise der großendeutschen »Ja-aber-Fraktion« nur schwerdurchzusetzen sind.Andererseits gelingt es in Seminaren im-mer wieder, selbst die hartnäckigsten Skep-tiker mit Hilfe von einleuchtenden Beispie-len, praktischen Versuchen und Eigenreali-sation von den Vorzügen der Aquapädagogikzu überzeugen.Daher unterstreicht der Autor an dieser Stel-le seine Bereitschaft, sich zum Wohle derkommenden Schwimmschüler nach wie vorjeder Diskussion zu stellen und sein Konzeptin Vorträgen oder Seminaren – mit oder oh-ne Praxisteile – in Behörden, Hochschulen,Berufs- und Sportverbänden oder Bäderbe-trieben zu vertreten.

    Kontakt:[email protected]

    Tel. 040 – 7924920Fax 040 – 7923112

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  • Schwimmunterricht auf den Kopf stellen

    Abbildung 0.7: Vergleich Aquapädagogik vs. herkömmlichen Unterrichtskonzepten

    Aquapädagogik auf einen Blick

    Ein vorheriges »Probeschwimmen«gibt Kindern, Eltern und Lehrern recht-zeitig die Gewissheit, die richtige Wahlzu treffen. Danach ungeduldig dem wirk-lichen Kursbeginn entgegenzufiebern, istalle Mal besser, als ein unbekanntes, nichtselten zunehmend bedrohlicher werdendes»Großprojekt« auf sich zukommen zusehen! Außerdem: Wer die Katze im Sackverkaufen will, ist sich seiner Sache seltensicher!

    Der entscheidende Vertrauensaufbau er-folgt in erster Linie durch direkte körperli-che Hilfestellung des Lehrers im Wasser, solange und so oft wie nötig. Dadurch wird dasVertrauen schnell auf das Wasser übertragen

    und die zunehmende Sicherheit im Umgangmit dem neuen Element stärkt das Selbstver-trauen. Die Kinder sind hier keine hilflosenBefehlsempfänger eines weißen Riesen, dersie vom hohen Beckenrand aus mit der Alu-stange dirigiert. Missachtet man die elemen-taren Bedürfnisse kleiner Schwimmanfängeroder sortiert man sie vorschnell in die Schub-lade der Versager, hat das oft lebenslang an-haltende negative Folgen.

    Von jedem erfahrenen Aquapädagogendarf man zu Recht entwicklungsge-rechte Lerninhalte und Ziele, einealtersgerechte Ansprache kleinerKursteilnehmer sowie die Beachtungsportpädagogischer Grundregeln er-warten, denn unsere Kinder sind keine

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  • Mini-Erwachsenen, ganz besonders beimSchwimmen nicht!

    Ein ganzheitlicher, pädagogischer An-satz unterstützt Kinder nicht nur beim Er-werb der Schwimmfähigkeit, sondern ver-mittelt ihnen soziale Kompetenzen, von de-nen sie auch in Bezug auf andere Lebens-bereiche grundlegend profitieren! Das Pro-jekt »Schwimmen lernen« ist weit mehrals nur ein vorgegebener motorischer Lern-prozess, der sich durch bloßes Einpau-ken von Bewegungsabfolgen (anhand eineszum »Lehrplan« abgespeckten Trainingspro-gramms aus dem Sportschwimmen) steuernlässt!

    Während des entscheidenden Schrittes zumselbständigen Schwimmen erlaubt »Kom-paktunterricht« an mehreren Tagen inder Woche zügiges Lernen und den Er-werb einer gefestigten Wassersicherheit –es gibt kaum eine Chance Lerninhalte zu»vergessen« oder Ängste durch zu großeUnterrichtsintervalle erneut aufzubauen undgeht daher nicht ständig die berühmten zweiSchritte voraus und einen zurück.

    Passives Schwimmen sowie ein weit rei-chender Sicherheitsgewinn bilden be-reits im Basisunterricht zentrale Schwer-punkte. Das hohe Maß an Wassersicher-heit wird durch motorisch und situativ viel-seitige Aufgaben in kindgerechter, natür-licher Form gewonnen. Dieser zusätzlicheSchutz ist direkt vergleichbar mit der Funk-tionalität von Sicherheitsgurten, Kopfstüt-zen und Knautschzonen im modernen Auto-mobilbau und stellt quasi eine mehrfache Le-bensversicherung dar – für alle Altersgrup-

    pen! Hingegen steht sportgerechtes Schwim-men hier vorerst im Hintergrund und die ers-ten »Schwimmabzeichen« sind nur Neben-produkte.

    Die notwendige hohe Übungsfrequenzwird zunächst durch die vorwiegende Nut-zung der kurzen »Querbahnen« erreicht. Sosind bereits im Anfangskurs rund 600 frei-willige, selbst gewollte, kontrollierte Sprüngeund weit über 1000 bewusste kleine Tauch-versuche an der Tagesordnung. Der Erfolg:Die Umkehr des Schreckreflexes als Airbagdes Schwimmens! Dadurch werden Missge-schicke, die bei Ungeübten augenblicklich zuPanik (mit den bekannten, oft dramatischenFolgen) führen, von Kindern frühzeitig, si-cher und selbstverständlich gemeistert.

    Hier darf! man bereits sehr schnell»schwierige Sachen« probieren (sofern manzuvor »gut aufgepasst, nichts vergessen undbesonders fleißig mitgemacht hat«), aberniemand muss hier etwas tun! Die Fol-ge: Alle wollen und geben ihr Bestes, um bei-spielsweise mit »dünneren Schwimmflügeln«unterwegs sein zu dürfen, sich tiefer im Was-ser verstecken zu können oder am Ende derStunde bereits einen »großen Belohnungs-flug« zu machen.

    Der gezielte Aufbau von psychischerStärke und Selbstwertgefühl steht inder Aquapädagogik immer als gleichwertigesZiel neben dem Erwerb der Schwimmfähig-keit! Und dabei ist in allen Altersgruppengar nicht sicher, welcher Teil für die Lernen-den auf lange Sicht wertvoller ist.

    Liebevolle Strenge erlaubt das Hinein-wachsen in die notwendigen »Spielregeln«,

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  • Schwimmunterricht auf den Kopf stellen

    gerade in diesem sensiblen – und objektivnicht immer ungefährlichen – Bereich dersportpädagogischen Früherziehung. Ein kon-sequenter und entwicklungsgerechter Um-gang mit kleinen Anfängern wirkt sich da-her auch positiv auf Kindergarten und Schu-le aus. Dennoch kommen Spaß und Freudehier keinesfalls zu kurz.

    Die Aquapädagogik ist ein seit vielen Jah-ren bewährtes Konzept: Zahlreiche Kin-der, die woanders bereits als ängstliche,wasserscheue Versager abgestempelt wur-den, haben sich mit ihrer Hilfe zu sicherenWasserratten entwickelt, sind sichtlich auf-geblüht und sehr viel selbstbewusster ge-worden. Draufgänger und Minirambos zumSchwimmen zu bringen, ist keine Kunst.Aquapädagogen bemühen sich ebenso gernund erfolgreich um die kleinen (und großen)Angsthasen wie »Clara Traumichnicht« und»Carsten Kannichnicht«.

    Kontinuität in Hinblick auf Bezugsperso-nen, Gruppenzusammensetzung und Unter-richt sind wichtige Bestandteile des Erfolgs-konzepts mit komplettem Kurssystem – vomBabyschwimmen bis zur Schwelle des Sport-schwimmens!

    Eine kindgerechte Lernumgebung wirktsich immer positiv aus, hier stimmen sowohlWasser- und Lufttemperaturen als auchAusstattung und »Atmosphäre«. Das Am-biente einer »riesigen Bahnhofshalle« wirkterdrückend.

    Transparenz – so wie sie gläserner Unter-richt zulässt – bietet überzeugende Vorteile,denn ein guter Aquapädagoge versteckt sich

    nicht hinter verschlossenen Türen. So sinddie Eltern immer auf dem Laufenden.

    Aufbaukurse ( 1x wöchentlich ) zum Festi-gen und Erweitern der erworbenen Fähigkei-ten bis zum Einstieg in das Sportschwimmengehören dazu. Das gilt hier keineswegs nurfür Talente, sondern für alle Kinder (egal obmotorisch »normal« oder »spät« entwickelt)und auch für »Quereinsteiger«, die zuvor ananderer Stelle gelernt haben.

    Nebenbei bemerkt:Schwimmen gilt nach wie vor als »gesün-deste Sportart« und stellt gleichzeitig einewichtige Grundvoraussetzung für unzähligeFreizeitaktivitäten dar. Nichtschwimmer al-ler Altersklassen fühlen sich daher schnell alsmotorische Analphabeten und werden meistauch von ihrer Umgebung so wahrgenommen– ganz besonders unter Jugendlichen.

    Schwimmen lernt man nur einmal –treffen Sie Ihre Wahl!

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  • Delphin Akademie für AquapädagogikSportpädagogische Leitung: Uwe Legahn

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  • Schwimmunterricht auf den Kopf stellen

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