Sehnsuchts- schimmern · 2016. 7. 11. · ly und seine Jungs waren noch da und ein weiterer Tisch...

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Thienemann Johanna Samt Sehnsuchts- schimmern

Transcript of Sehnsuchts- schimmern · 2016. 7. 11. · ly und seine Jungs waren noch da und ein weiterer Tisch...

  • Thienemann

    Johanna Samt

    Sehnsuchts- schimmern schimmern

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    1»Ava, komm mal her, das musst du sehen!« Katja saß an dem wackeligen, knallblau-en Holztisch in der Laube und betrachtete zufrieden die Spielkarten, die sie in einem für Au-

    ßenstehende undurchschaubaren Muster vor sich

    ausgebreitet hatte. Ihre knallroten Haare leuchteten

    vor dem grünen Efeu und dem blauen Tisch. Ava

    war immer wieder fasziniert davon, wie ihre Tante

    es schaffte, alles so unglaublich bunt erscheinen zu

    lassen.

    »Ich muss los!«

    Avas Schicht im Rixx begann in zwanzig Minu-

    ten. Heute sollte sie eine neue Kellnerin einarbeiten

    und da durfte sie auf keinen Fall zu spät kommen.

    Außerdem hielt sie nicht viel von den Zukunftsaus-

    sichten, die ihre Tante in den Karten las. Natürlich

    verdiente sie ihr Geld damit, saß zweimal die Woche

    live im Fernsehen und gab unbekannten Leuten Le-

    benstipps per Telefon, aber Ava konnte nun wirklich

    nicht glauben, dass das etwas mit der Wahrheit zu

    tun haben sollte.

    Aufgeregt winkte Katja sie zu sich. »Komm doch

    mal!«

    Ava seufzte, fuhr sich durch die kurzen, pech-

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    schwarzen Haare, stellte ihr Fahrrad noch einmal ab

    und ging zu ihr.

    »Hier, mein Schatz, siehst du den? Das ist der Ma-

    gier. Er ist im Anmarsch, dein ganz persönlicher Zau-

    bermeister!«

    Ava warf einen kurzen Blick auf das verschlisse-

    ne Bild eines Mannes in weißem Gewand mit rotem

    Umhang, die Hände sehr magisch erhoben. »So, und

    wo steht das?«

    Die langen, jung gebliebenen Finger ihrer Tante

    flogen über die Karten. »Hier, das bist du, hier unten

    diagonal der Magier, dazwischen drei Liebeskarten.

    Drei! Also, das ist ja wohl mehr als eindeutig!«

    Ava legte Katja die Hand auf die Schulter und

    nickte grinsend. »Na, dann müssen wir uns ja keine

    Sorgen mehr machen!«

    Katja schob die Karten zusammen und nickte ih-

    rerseits zufrieden. »Nein, ganz sicher nicht!«

    Ava wusste, dass ihre Tante es nur gut mit ihr

    meinte. Sie wollte zu gerne, dass Ava sich endlich

    mal so richtig verliebte und mit einem Mann glück-

    lich würde. Immerhin war sie jetzt zwanzig und hatte

    immer noch keinen festen Freund gehabt. Aber das

    war eben ihr Konzept. Sie wollte nicht irgendeinen,

    wollte ihre Liebe und ihren Körper nicht hergeben,

    ohne genau zu wissen, dass dieser eine der Richtige

    war. Und der war bisher leider noch nicht gekom-

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    men. Davon abgesehen, dass Ava keine Vorstellung

    hatte, wie sie ihn erkennen sollte. Es würde ja nicht

    »Ich bin der Richtige« auf seiner Stirn geschrieben

    stehen.

    »Dann sollte ich wohl mal ein paar Rosen ab-

    schneiden, damit wir schöne Blumen auf dem Tisch

    haben, wenn du deinen Magier mitbringst!«, grinste

    Katja.

    Ava verdrehte die Augen, gab ihr einen Kuss in

    das rote Haargestöber und machte sich auf den Weg.

    Sollte die Tante Rosen schneiden, sie würde sich auf

    ihr Studium konzentrieren und jetzt erst mal wieder

    ein bisschen Geld verdienen gehen. Für einen Magier

    hatte sie im Moment sowieso absolut keine Zeit.

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    2 Im Rixx war bereits die Hölle los, als Ava eintraf. Die Kneipe war im Mo- ment ziemlich angesagt. Die dunkle Höhle, in die man durch schwere, rote Samtvorhän-

    ge eintauchte, zog die Leute magisch an und es störte

    sie auch nicht, wenn sie keinen Platz an einem der

    massiven, schwarz lasierten Holztische fanden. Tran-

    ken sie eben im Stehen und lauschten der meist et-

    was finsteren mystischen Musik.

    »Endlich, die Chefin!«, wurde Ava von Steff be-

    grüßt. Ihm standen die Schweißperlen auf der Stirn

    und er war froh über den Schichtwechsel.

    »Lass das!«, grinste Ava ihn an und warf ihm da-

    bei einen gespielt mahnenden Blick durch ihre Brille

    mit dem dunklen Rahmen zu. »Wenn ich die Che-

    fin wäre, würde ich mir jetzt nicht gleich die Hacken

    ablaufen, sondern hinten sitzen und Geld zählen. Ist

    die Neue schon da?«

    Steff zuckte mit den Schultern und schüttelte den

    Kopf. »Schaffst du das, ich hab nämlich gleich noch

    einen Termin!«

    Ava ließ ihren Blick durch die volle Kneipe schwei-

    fen und seufzte. »Wird schon gehen!« Sie nickte

    Tom hinter der Theke zu, tippte ihren Kassencode

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    ein und stürzte sich in die Menge, um neue Bestel-

    lungen aufzunehmen. Vom hintersten Ecktisch aus

    winkte Conelly, ein amerikanischer Student und mit

    seiner Clique Stammgast im Rixx. Eigentlich hieß er

    Justin, aber alle riefen ihn nur bei seinem klingenden

    Nachnamen. Ava kämpfte sich zu ihm durch.

    »Hey, Ava, ich warte schon die ganze Zeit auf

    dich!«, begrüßte er sie strahlend mit amerikani-

    schem Akzent.

    »Conelly, was wollt ihr trinken?«

    Ava wusste, dass Conelly ein Auge auf sie gewor-

    fen hatte, und traf ihn gelegentlich in der Uni, wo

    er wie sie Germanistik und Anglistik studierte. Wie

    oft schon hatte er sie zum Kaffee in die Mensa ein-

    laden wollen, aber Ava lehnte standhaft ab, wollte

    ihm keine Hoffnungen machen. Wie ein Magier sah

    er nun wirklich nicht aus, obwohl seine wasserblau-

    en Augen sehr eindringlich aus dem hellen Gesicht

    schauen konnten. So auch jetzt, als er die Bestellung

    für sich und seine Freunde aufgab.

    »Setzt du dich ein bisschen zu uns?«

    Ava zog die Augenbrauen hoch und grinste leicht.

    »Wenn du dafür den Leuten ihr Bier bringst!«

    Conelly seufzte theatralisch und ließ sie ziehen.

    Endlich zurück an der Theke, rief Ava Tom die

    Wünsche der Gäste zu und schaute genervt auf die

    Uhr. Das fing ja gut an mit der Neuen. Schon zwan-

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    zig Minuten zu spät! Und wenn sie einfach gar nicht

    kam? Na, das konnte ja ein Abend werden!

    Gerade als sie mit dem vollen Tablett durch die

    Menge balancierte, betrat ein sehr blondes Mädchen

    das Rixx. Ihre Augen strahlten, ihr riesiger Mund

    grinste von einem Ohr zum anderen und sie steuerte

    ihren durchtrainierten Körper direkt auf Ava zu. »Hi,

    ich bin Saskia.«

    Ava stellte vier Bier auf einem Stehtisch ab. »Ava.

    Du kommst zu spät!«

    Saskia riss erschrocken die Augen auf und warf

    ihre blonde, stangengerade Mähne nach hinten.

    »Echt, oh, tut mir leid. Dann werde ich wohl gleich

    mal loslegen. Ist ja ganz schön was los hier!«

    Ava zeigte mit dem Kopf Richtung Theke und

    Tom. »Warte da auf mich, dann erklär ich dir alles!«

    Saskia strahlte. Unwiderstehlich. »Supi!«

    Ava wandte sich Richtung Conellys Tisch und

    bemerkte missmutig, dass er sie anschaute. Immer

    wenn sie zufällig zu ihm sah, sah er auch zu ihr. Ava

    fühlte sich beobachtet, drehte sich kurz entschlossen

    wieder um und überreichte Saskia das volle Tablett.

    »Bringst du das bitte zu dem Tisch da hinten?«

    »Klar!«

    Saskia schwebte los, als wäre das Tablett ohne

    Gewicht, und die Leute machten ihr ganz von selbst

    Platz. Diese Frau war eine Erscheinung, Ausstrah-

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    lung pur, gute Laune in Person und Ava wusste jetzt

    schon, dass sie immer zu spät kommen und sie ihr

    nie böse sein würde. Sie wartete an der Theke auf

    sie, gab ihr ihren Kassencode und wies ihr den Be-

    reich zu, den sie übernehmen sollte. Den Conellybe-

    reich. Saskia war nicht nur gut gelaunt, sondern auch

    schnell von Begriff und die Ruhe selbst. Nur einmal

    fiel ihr ein Glas vom Tablett und ergoss sich über ei-

    nen Gast. Aber weil sie sich strahlend entschuldigte,

    strahlte der nasse Typ zurück und meinte, dass er

    schon immer mal in Bier baden wollte.

    Später am Abend wurde es ruhiger. Nur Conel-

    ly und seine Jungs waren noch da und ein weiterer

    Tisch füllte sich mit Freunden von Saskia, die ihren

    Einstand als Kellnerin mit ihr feiern wollten. Laute,

    schöne Menschen, die Saskia immer wieder zupros-

    teten.

    »Hey Ava, trink einen mit!«

    Es war eine von Avas Regeln, während der Arbeit

    keinen Alkohol zu trinken. Und heute galt sie ganz

    besonders. Sie hatte am nächsten Morgen einen

    wichtigen Termin bei ihrem Professor. Sie wollte ihn

    von ihrem Thema für die Semesterarbeit überzeugen

    und dafür brauchte sie dringend einen klaren Kopf.

    Aber Saskia strahlte, legte ihr einen Arm um und zog

    sie an sich. »Komm, sei nicht so. Wenn du nicht mit-

    trinkst, bringt es Unglück. Es ist doch eh fast nichts

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    mehr los!« Sie nahm Ava einfach mit zu dem Tisch,

    an dem ihre Freunde saßen, und stellte sie vor. »Das

    ist die schöne Ava!«

    Die Freunde prosteten ihr zu und Ava konnte sich

    nicht erinnern, wann Saskia ihr das Bierglas in die

    Hand gegeben hatte. Jedenfalls brach sie die Regel

    und stieß mit allen an.

    »Nach Feierabend ziehen wir noch ein bisschen

    um die Häuser«, plauderte Saskia, als sie die letzte

    Runde für den Conellytisch an der Theke holte und

    Ava die Kasse machte.

    »Ich  …« Ava wollte widersprechen, aber Saskia

    ließ sie nicht aussprechen.

    »Du kommst mit!«

    In den dunklen Straßen war nicht mehr viel los. Halb

    zwei. Die feierlustigen Menschen, die noch wach wa-

    ren, hatten sich in die einschlägigen Klubs oder Bars

    verzogen. Die Luft war lau, der Sommer kündigte

    sich mit Macht an und Ava genoss die leichte Brise

    nach dem hitzigen Abend. Saskia hängte sich bei ihr

    ein und wollte alles wissen. Sie mochte dieses stille

    Mädchen und hatte sich anscheinend vorgenommen,

    sie aus der Reserve zu locken. Und Ava konnte ihr

    kaum widerstehen. Schon immer hatten sie diese

    schönen, lebenslustigen, lauten Menschen fasziniert,

    die kein Blatt vor den Mund nahmen und denen es

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    nicht im Geringsten peinlich zu sein schien, wenn

    sie alle Blicke auf sich zogen. Zu gerne hätte Ava mal

    einen Tag in ihrer Haut verbracht.

    »Was machst du denn sonst so außer Kellnern?«

    Ava erzählte von ihrem Studium.

    »Germanistik? Ist das nicht total trocken?«

    »Trocken? Im Gegenteil!« Es kam Ava ganz fremd

    vor, dass jemand so etwas auch nur vermuten konn-

    te. »Ich liebe Bücher und ich liebe es, die deutsche

    Sprache zu zerpflücken, genau zu analysieren, wie

    Worte gesetzt sind, wo sie herkommen und was mit

    ihnen gemeint ist. Jedes Wort hat einen Stamm und

    unendlich viele Bedeutungen, je nachdem, in wel-

    chem Zusammenhang man es verwendet.«

    Saskia legte den Kopf schief. »Hört sich ganz gut

    an. Schreibst du auch selber?«

    Ava nickte. Sie sprach nicht gerne darüber, weil

    die Leute dann immer eine Kostprobe haben wollten,

    und das ging für Ava gar nicht. Ihre Texte waren ihre

    Schätze und sollten ein Geheimnis bleiben. Aber Sas-

    kia ging nicht näher darauf ein, sondern wechselte

    das Thema. »Hast du eine eigene Bude?«

    »Nein. Ich wohne bei meiner Tante ein bisschen

    außerhalb. Sie hat ein kleines Häuschen mit Garten,

    sehr gemütlich. Außerdem könnte ich mir die Miete

    gar nicht leisten! Und du?«

    Saskia zuckte mit den Schultern. »Meine Eltern

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    zahlen mir eine kleine Wohnung. Die haben so viel

    Geld, dass sie das gar nicht merken. Und deine? Wo

    sind die?«

    »Meine Mutter leitet einen kleinen Buchladen in

    Lübeck.« Ava grinste. »Aber da wollte ich auf keinen

    Fall hin. Deswegen Tante Katja!«

    Saskia schaute sie mit ihren strahlenden Augen

    an. »Und dein Vater? Ach, lass mich raten. Hat sich

    verpisst!«

    »Jepp. Als ich ganz klein war. Ich kann mich nicht

    an ihn erinnern und deswegen fehlt er mir auch

    nicht!«

    Saskia seufzte theatralisch. »So sind sie, die Typen.

    Nehmen sich eben immer nur das Angenehme!«

    Ava zog die Augenbrauen hoch. »Was soll denn

    das heißen? Ich bin angenehm!«

    Saskia lachte laut. »Wo du recht hast, hast du

    recht. Hast du einen Freund?«

    Ava schüttelte den Kopf. »Du?«

    Saskia schaute verträumt in die Ferne. »Mal hier,

    mal da. Irgendeiner ist immer am Start. Ich hab’s

    nicht so mit dauerhaften Beziehungen. Im Gegensatz

    zu Sophia!« Sie drehte sich zu einem der anderen

    Mädchen um. Eine große Schönheit, sehr klassisch

    und streng gekleidet, die Haare zu einem Zopf geord-

    net. Unauffällig auffällig. »Stimmt’s, Sophia?«

    »Was?« Sophia holte zu ihnen auf.

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    »Na, du bist doch in festen Händen und das wird

    sich auch nie mehr ändern!«

    »Stimmt. Aber ab und zu ist es auch mal ganz nett,

    ohne Dave die Sause zu machen!« Sie zwinkerte Ava

    zu.

    »Stell dir vor, dieses schöne Mädchen ist Single.

    Ganz alleine. Da müssen wir dringend was dran än-

    dern«, schwatzte Saskia weiter.

    Sophia lächelte Ava freundlich an. »Ich glaube,

    das sollten wir ihr selbst überlassen, oder, Ava?«

    Ava nickte und lächelte zurück. »Ich warte auf den

    Richtigen!«

    Saskia blieb abrupt stehen, hielt Ava am Arm fest

    und starrte sie vollkommen fassungslos an. »Nicht

    dein Ernst. Welcher ist das denn?«

    Ava zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung.

    Das werde ich dann schon merken.«

    »Woran?«

    Ava wusste es nicht. »Ich sag dir Bescheid!« Sie

    wollte den anderen in den Irish Pub folgen, der ihre

    nächste Anlaufstation war, aber Saskia hielt sie wei-

    ter fest und auch Sophia lauschte interessiert.

    »Soll das heißen, du hast noch nie …?«

    Ava schaute sie ernst an. »Was? Bohnenkraut ge-

    pflückt?«

    »Du weißt schon … Sex gehabt!«

    Ava schüttelte den Kopf. »Nein, noch nie!«

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    Saskia schlug theatralisch die Hände vor den

    Mund. »Wie schrecklich! Weißt du eigentlich, was

    dir da entgeht?«

    Sophia legte ihr beruhigend die Hand auf die

    Schultern. »Lass doch, Saskia, das muss jeder so ma-

    chen, wie es für ihn richtig ist!«

    Ava nickte zustimmend, aber Saskia schüttelte fas-

    sungslos den Kopf. »So was habe ich echt noch nie

    gehört. Mädchen, dir muss geholfen werden!«

    Sie legte Ava den Arm um und lenkte sie in die

    Kneipe.

    »Ah, da sind ja die anderen!« Saskia zog Ava ziel-

    strebig in Richtung eines langen Holztisches, an dem

    nicht nur ihre Freunde saßen, sondern auch Conelly

    und seine Jungs.

    »Ava!« Er strahlte sie aus den Wasseraugen an

    und sein Lächeln erzeugte links ein Grübchen.

    Saskia stieß Ava in die Seite. »Na, da haben wir

    ja schon einen Kandidaten. Das habe ich mir schon

    den ganzen Abend gedacht. Der ist voll verknallt in

    dich!«, raunte sie Ava zu und schob sie neben Conel-

    ly auf die Bank.

    »Lass das bloß!«, raunte Ava zurück und merkte,

    wie ihr das Blut in die Wangen schoss. »Ich finde

    den Richtigen schon alleine!«

    Saskia lachte laut und bestellte eine Runde Bier.

    Alle prosteten sich zu und die Musik wurde lauter

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    gedreht. Conelly rutschte ein Stück näher zu Ava.

    Er roch erstaunlich gut in dieser Hölle aus Bier und

    Männern, die alle schon viel zu viel gesoffen hatten.

    »Dein Referat neulich in Mediävistik war wirk-

    lich beeindruckend«, brüllte er in Avas Ohr, und sie

    hoffte, er würde die kleinen schwarzen Haare nicht

    sehen, die auf ihrem oberen Ohrrand wuchsen, ein

    Überbleibsel aus ihrer sehr behaarten Babyzeit. »Ich

    habe das erste Mal verstanden, warum es sich lohnt,

    sich mit den Wurzeln eurer Sprache zu beschäfti-

    gen.«

    Ava rutschte ein Stück weg und nickte Dank.

    Conelly lächelte leicht. »Ava?«

    Sie zwang sich, ihn anzuschauen.

    »Du musst keine Angst vor mir haben. Wenn du

    nicht willst, werde ich dich nicht belästigen.«

    Ava war erstaunt über seine Offenheit, trank ihr

    Bier in einem Zug aus und lächelte ihn an. »Gut zu

    wissen.«

    Saskia bestellte die nächste Runde und Ava fühlte

    sich plötzlich leicht und frei. Sie diskutierte mit Co-

    nelly Aspekte der deutschen und englischen Sprache

    und war begeistert darüber, wie sehr auch er sich in

    diese Thematik reinsteigern konnte. Nach der dritten

    Runde kam Saskias Lieblingslied. Sie sprang auf den

    Tisch, tanzte wild, warf ihre langen blonden Haare

    durch die Welt und zog sich einen ihrer gut ausse-

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    henden Freunde hoch, der damit die Chance auf eine

    Nacht mit ihr bekam. Avas Sicht auf die Dinge verne-

    belte sich durch das Bier und ihre Gedanken flogen

    durcheinander: Das kann man doch nicht machen, der

    arme Kerl wird sich hoffnungslos in sie verlieben und

    dann furchtbar leiden, jetzt gibt sie das ganze Geld

    aus, das sie heute verdient hat, aber macht ja nichts,

    Geld scheint kein Problem zu sein, aber warum muss

    sie dann kellnern? Sie ist echt anders und Conelly ei-

    gentlich doch ganz nett. Und hübsch. Hübscher Typ!

    Hübscher, schlauer Typ! Oh Mann, ich muss morgen

    früh zum Professor!

    »Willst du tanzen?« Conelly holte sie aus dem Ka-

    russell. Tanzen! Warum nicht? Ava und der ameri-

    kanische Student kletterten zu den anderen auf den

    Tisch und tanzten, bis es draußen hell wurde.

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