Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag,...

50
Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn, sehr geehrte Damen und Herren Kirchengemeinderäte, meine sehr geehrten Damen und Herren, zunächst möchte ich mich für die Einladung heute zu Ihrer Vollver- sammlung herzlich bei Ihnen bedanken. Ich bin gerne nach Geislingen gekommen. Sonst fahre ich – als viel Reisender EKD-„Missionar“ – in der Regel nur durch Geislingen hindurch, wenn es gut läuft mit einem Halt, wenn nicht, dann nehme ich Geislingen in seiner Tallage – nicht sel- ten im morgendlichen Nebel in Richtung Ulm- nur vorbeifahrend wahr. Heute endlich einmal ein Zwischenstopp in dieser sehr eindrucksvol- len Stadt, wovon ich mich vorher mit etwas Zeit im Gepäck und ei- nem Gang durch die Stadt überzeugen konnte. Dieses Mal ist es für mich auch kein Zwischenstopp, wie früher mit meiner Mutter, um bei WMF zu shoppen oder aber um aus familiären Gründen die Steige von Laichingen zu den Großeltern nach Alfdorf mit dem Auto zu bewältigen und dabei Salamander-Kinder-Bücher zu lesen, woran ich mich bis heute eindrücklich erinner kann, sondern um mit Ihnen zusammen der Frage nachzugehen: Quo vadis Evangeli- sche Kirche in Geislingen? Kirche im Spannungsfeld von Mitglieder- entwicklung, demographischem Wandel und Milieus. Meine Damen und Herren, die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) scheint ganz offensicht- lich in einer Zwickmühle zu stecken: Zum einen werden der demo- graphische Wandel und die Mitgliederentwicklung die Evangelische

Transcript of Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag,...

Page 1: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn, sehr geehrte Damen und Herren Kirchengemeinderäte, meine sehr geehrten Damen und Herren, zunächst möchte ich mich für die Einladung heute zu Ihrer Vollver-sammlung herzlich bei Ihnen bedanken. Ich bin gerne nach Geislingen gekommen.

Sonst fahre ich – als viel Reisender EKD-„Missionar“ – in der Regel nur durch Geislingen hindurch, wenn es gut läuft mit einem Halt, wenn nicht, dann nehme ich Geislingen in seiner Tallage – nicht sel-ten im morgendlichen Nebel in Richtung Ulm- nur vorbeifahrend wahr.

Heute endlich einmal ein Zwischenstopp in dieser sehr eindrucksvol-len Stadt, wovon ich mich vorher mit etwas Zeit im Gepäck und ei-nem Gang durch die Stadt überzeugen konnte.

Dieses Mal ist es für mich auch kein Zwischenstopp, wie früher mit meiner Mutter, um bei WMF zu shoppen oder aber um aus familiären Gründen die Steige von Laichingen zu den Großeltern nach Alfdorf mit dem Auto zu bewältigen und dabei Salamander-Kinder-Bücher zu lesen, woran ich mich bis heute eindrücklich erinner kann, sondern um mit Ihnen zusammen der Frage nachzugehen: Quo vadis Evangeli-sche Kirche in Geislingen? Kirche im Spannungsfeld von Mitglieder-entwicklung, demographischem Wandel und Milieus.

Meine Damen und Herren,

die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) scheint ganz offensicht-lich in einer Zwickmühle zu stecken: Zum einen werden der demo-graphische Wandel und die Mitgliederentwicklung die Evangelische

Page 2: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 2 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

Kirche in Deutschland in den kommenden Jahrzehnten in besonderer Weise herausfordern – wie wir gleich noch sehen werden. Bereits heute ist es nicht – wie allzu häufig behauptet - der vermeintlich in-flationäre Austritt von Kirchenmitgliedern, welcher der Evangelischen Kirche so schmerzhaft den Mitgliederschwund vor Augen führt. Es ist die schleichende demographische Entwicklung. Umso mehr muss der Evangelischen Kirche die künftig demographisch bedingt schmaler werdende Basis der Kirchenmitglieder am Herzen liegen. Zum ande-ren findet sich die Evangelische Kirche in einer von Individualisierung und Pluralisierung geprägten, postmodernen Gesellschaft als ein An-bieter unter Vielen auf dem Markt der religiösen Möglichkeiten wie-der.

Ein Ausweg aus der misslich anmutenden Situation kann eben darin bestehen, dass sich die Kirche auf die Menschen und ihre Mitglieder verstärkt zu bewegt, um diese in ihren sich ständig veränderten Le-bensräumen und -welten anzutreffen und dort ansprechen zu kön-nen.

Dies setzt allerdings voraus, dass die Lebensräume und -welten der Menschen in den Blick genommen werden und die Kirche weiß, wo sich die Menschen aufhalten und wie sie „ticken“.

Wir wollen deshalb heute in einem Dreischritt trichterförmig einen Blick auf Ihre Fünf-Täler-Stadt Geislingen werfen:

Erstens auf die soziodemographische Ausgangslage auf der Grundla-ge der Daten des statistischen Landesamtes Baden-Württemberg.

Zweitens betrachten wir uns die Situation der Evangelischen Kirche im Allgemeinen – also bezogen auf Trends, die für die EKD wie für die Landeskirche gelten – und im Besonderen, für die Gesamtkirchenge-meinde. Dies erfolgt auf der Grundlage der Daten, die mir Frau Deka-nin Hühn zur Verfügung gestellt hat.

Page 3: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 3 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

Schließlich habe ich Ihnen die Auswertung der Milieudaten für Geis-lingen – sowohl für die Gesamtkirchengemeinde als auch für den Kir-chenbezirk mitgebracht, um mit Ihnen zusammen einen Blick durch die Milieubrille zu wagen und der Frage nachzugehen, welcher Men-schenschlag lebt eigentlich unter milieuspezifischen Gesichtspunkten in Geislingen.

Abschließend sollen für Ihre Diskussion einige wenige kirchliche Ar-beitsfelder – Erwachsene, Kinder/Jugendliche, Gottesdienst - unter besonderer Berücksichtigung der Milieuperspektive angerissen wer-den, bei denen Kirche nachweislich vor besonderen Herausforderun-gen steht.

Eine methodische Vorbemerkung noch: Ich werde meinen Vortrag mit einigen Folien untermalen, so dass Sie die Zahlen, die ich Ihnen präsentiere, auch immer vor Augen haben. Die Zahlen mit gelbem Hintergrund stammen dabei aus dem EKD-Kirchenamt, die Zahlen auf weißem Hintergrund aus dem Evangelischen Oberkirchenrat resp. aus Ihrem Dekanat. Ferner nehme ich – wie bereits erwähnt - Bezug auf Daten des Statistischen Landesamtes, v.a. mit Blick auf den ersten Teil des Vortrags.

A. Die Ausgangslage in Geislingen a.d. Steige – der soziodemogra-phische Blick auf Stadt und Umland

Meine Damen und Herren,

der erste Teil des Vortrags ist nicht ohne Grund überschrieben mit: der soziodemographische Blick auf Stadt und Umland. Die Gesamtkir-chengemeinde Geislingen ist Teil der kommunalen Gemeinde/Stadt, die wiederum im Landkreis Göppingen beheimatet ist. Wenn wir uns

Page 4: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 4 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

also die Gesamtkirchengemeinde näher anschauen wollen, bedarf es zuvorderst auch eines Blickes über den kirchlichen Tellerrand – insbe-sondere vor dem Hintergrund, wie mir Frau Dekanin Hühn im Vorge-spräch gesagt hatte, dass ein Aderlass von der Kernstadt ins Umland zu beobachten sei.

Deshalb will ich mich im Folgenden wie in einem Adlerflug der Stadt Geislingen nähern und zunächst den Landkreis in den Fokus rücken:

Das Berliner Institut für Bevölkerung und Entwicklung, mit dem wir als EKD-Zentrum Mission in der Region zusammenarbeiten, hat mit Blick auf die demographische Lage der Nation die Regionen Deutsch-lands - um es präzise zu benennen: 439 Stadt- und Landkreise - ge-nauer unter die Lupe genommen.

Der Landkreis Göppingen hat dies-bezüglich nicht schlecht abgeschnit-ten – bezogen auf das Bundesge-biet: Rang 140 von 439. Das kann sich sehen lassen!

Betrachtet man sich die Ergebnisse und das Ranking bezogen auf Ba-den-Württemberg so ist allerdings ersichtlich, dass der Landkreis Göp-pingen lediglich im Mittelfeld der baden-württembergischen Stadt-

und Landkreise rangiert: mit einer Gesamtnote von 3,37.

Page 5: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 5 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

Page 6: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 6 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

Betrachten wir nun zwei Pa-rameter etwas genauer: die durchschnittliche Kinderzahl einerseits und Bevölkerungs-entwicklung andererseits im Landkreis Göppingen, um ein erstes Gespür für die sozio-demographische Ausgangslage zu erhalten:

Mit Blick auf die Kinderzahl im Landkreis fällt auf, dass der Landkreis zwar im Landesdur-schnitt liegt, dennoch aber von einem Kindermangel auszuge-

hen ist.

Wir können seit Jahrzehnten einen kontinuierlichen Geburtenrück-gang feststellen. Dies gilt auch für Baden-Württemberg, wo sich die Geburtenrate bei 1,3 bis 1,5 Kindern pro Frau bewegt. Um den Bevöl-kerungsstand von heute zu halten, wären 2,1 Kinder pro Frau nötig – um die Relationen und Notwendigkeiten einmal zu verdeutlichen. Der Landkreis Göppingen liegt in der Kohorte von 1,31 bis 1,4 Kindern pro Frau.

Page 7: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 7 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

Betrachten wir uns nun die Bevölke-rungsentwicklung 1990 bis 2004, so ist festzustellen, dass Ihre Region eine Be-völkerungszunahme von 5-10% zu ver-zeichnen hatte und zu etwa der Hälfte der Regionen in Baden-Württemberg zählt, für die dies ebenfalls zutrifft.

Mit Blick auf die Prognose für 2020 wird allerdings bereits das Dilemma deutlich: dass nämlich beim Land-kreis Göppingen als eine der wenigen Landkreise im Land von einer negati-ven Bevölkerungsentwicklung auszu-gehen ist – Sie erkennen dies an der bläulichen Einfärbung: ein Rückgang im Worst-Case-Fall um bis zu 4,9%.

Page 8: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 8 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

Meine Damen und Herren,

je näher man Dinge betrachtet, umso schärfer und präziser werden einzelne Charakteristika. Das ist im alltäglichen Leben so – ob wir uns ein Altarbild genauer anschauen, aber auch mit Blick auf statistische Auswertungen. Deshalb will ich nun die Brille etwas schärfer stellen und die Daten für Geislingen an der Steige aufbohren. Treffen die Trends, die ich eben für den Landkreis präsentiert habe, auch auf Geislingen zu?

Zunächst der Blick auf die Bevölkerungsentwicklung seit 1990:

Wie unschwer zu erken-nen ist, nähert sich Geis-lingen an der Steige hin-sichtlich der Bevölkerung dem Niveau von vor 20 Jahren an und hat in den zurückliegenden zehn Jahren einen kontinuier-

lichen Rückgang zu verzeichnen.

Und auch der Blick in die Glaskugel der amtlichen Prognose bis 2030 verheißt keine wirkliche Besserung, sondern of-fenbart einen Rückgang der Bevölkerung um 6,4% oder in absoluten Zahlen ausgedrückt: um 1734 Einwohner.

Page 9: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 9 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

Schauen wir uns nun die Bevölkerungsentwicklung noch etwas ge-nauer an und zwar nach Altersgruppen, um mögliche Aderlasse aber auch Potentiale in den Blick zu bekommen:

Zunächst der Blick auf die Jahre 1990 bis 2009:

1.) Festzustellen ist, dass in den zurücklie-genden Jahren der An-teil der 40-65-Jährigen und Älteren (hellblaue obere Linie und ocker-

farbene Linie) konstant angestiegen ist.

2.) Beim Anteil der 25-40-Jährigen (lila Linie) ist ein deutlicher Ab-wärtstrend festzustellen, sprich es leben weniger dieser Alters-gruppe in Geislingen als früher. Dasselbe gilt für Kinder und Ju-gendliche bis 15 Jahre (dunkelblaue Linie).

3.) Der Anteil der 18-25-Jährigen (grüne Linie) scheint sich etwas zu erholen und

4.) Der Anteil der 15-18-Jährigen (braune Linie unten) ist erstaunlich konstant.

Page 10: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 10 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

Betrachten wir uns die Entwicklung der Bevölkerung nach Alters-gruppen bis 2030, so fällt folgendes auf:

1.) Eine Abnahme des Anteils derjenigen die unter 20 bis 60 Jahre alt sein werden, wobei v.a. der signifikante Trend bei den 40-60-Jährigen offensichtlich ins Auge sticht. 2.) Ebenso die signifikante Zu-

nahme derjenigen, die 60-85 Jahre alt sein werden und schließlich 3.) Eine Konstante bei den Hochbetagten über 85 Jährigen. Die Bevölkerung von Geislingen wird demnach in den kommenden Jahrzehnten zunehmend älter werden.

In anderen Regionen wird dieser demographische Trend durch ein gerüttelt Maß an Zuzügen etwas abgemildert, deshalb der Blick auf die Fort- und Zu-züge in Geislingen: Wir sehen, dass sich Zu-

und Fortzüge Anfang der 90er Jahre in etwa die Waage gehalten ha-ben und wir seit etwa 2002 mehr Fortzüge zu verzeichnen haben als Zuzüge.

Page 11: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 11 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

Dies wird besonders in der Darstellung des Saldos aus Fort- und Zu-zügen deutlich:

Es lässt sich daran ablesen, dass es einen signifikanten Einbruch im Jahr 1998 gegeben hat, sich dann das Verhältnis von Zu- und Fortzügen etwas erholt hat – auf niedrigem Niveau – und seit 2002/2003 ein

deutlicher Trend zum negativen Saldo festzustellen ist. Wenn wir uns nun noch die Fortzüge etwas genauer ansehen und danach schauen, in welchen Altersgruppen besonders viele Fortzüge zu verzeichnen sind, so ist festzuhalten, dass es insbesondere die Altergruppe der 26-35-Jährigen ist, die Geislingen den Rücken kehrt, gefolgt von der Altersgruppe der 19-25-Jährigen (v.a. auch mit Blick auf die letzten Jahre).

Page 12: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 12 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

Etwas provokativ ließe sich formulieren – Sie verzeihen mir dies hof-fentlich: die Zukunft Geislingens, diejenigen Altersgruppen also, auf deren Schultern in den kommenden Jahren und Jahrzehnten die de-mographische Entwicklung geschultert werden müsste, machen sich vom Acker! Meine Damen und Herren, das Statistische Landesamt Baden-Württemberg hat im Jahr 2000 den demographischen „Pick“ verkündet, sprich: es leben seither mehr ältere Menschen als Jüngere in Baden-Württemberg. Dies spie-gelt sich auch wieder in der Gegenüberstellung von Geburten einer-seits und Sterbefällen andererseits. Und auch hier macht Geislingen keine Ausnahme, sondern bestätigt bilderbuchmäßig den Landestrend:

Wir können ablesen, dass auch bei Ihnen seit 2000 mehr Menschen jährlich gestorben sind als geboren wurden. Und wir können den nega-tiven Trend besonders gut in der Saldo-Darstellung erkennen: der demogra-phische Wandel hat also seit gut rund 10 Jahren bei Ihnen Einzug gehalten – auch wenn er vielleicht noch nicht in allen lebens-weltlichen Bezügen spür-

bar sein mag – statistisch nachweisbar ist er!

Page 13: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 13 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

Lassen Sie mich ein Beispiel dafür nennen, dass der demographische Wandel über kurz oder lang tatsächlich in der Alltagswelt Einzug hal-ten wird. Vor wenigen Wochen gab es einen regelrechten Aufschrei in der Landespresse, als die grün-roten Koalitionäre vereinbart hat-ten, dass sie noch in der kommenden Legislaturperiode Lehrerstellen abbauen wollen und dies unter anderem damit begründet wurde, dass damit der demographischen Entwicklung und der Entwicklung der Schülerzahlen Rechnung getragen wird. Allein an allgemeinbildenden Schulen ist in den kommenden Jahren in Baden-Württemberg mit einem Rückgang der Schülerzahlen von rund 26% zu rechnen. Insofern liegt das Ansinnen der neuen Landes-regierung durchaus nahe. Wie sieht nunmehr die Entwicklung der Schülerzahlen bei Ihnen aus:

Die Grafik veranschaulicht, dass auch bei Ihnen mit einem Rück-gang der Schülerzahlen bis in zehn Jahren um rund 21% zu rechnen sein wird. Allein an den Gymnasien ist ein Rückgang um 30% zu erwar-

ten. Die übrigen Schularten liegen im Landestrend. Meine Damen und Herren, durch den soziodemographischen Blick auf Stadt und Umland dürfte eines deutlich geworden sein: Der demografische Wandel ist kein plötzlich auftretendes Ereignis, kein spektakulärer „Paukenschlag“. Die demografischen Veränderungen vollziehen sich ganz im Gegenteil als eine Art „Revolution auf leisen Sohlen“. Zugleich schreitet der demografische Veränderungsprozess jedoch stetig voran: Das „Uhr-werk Demografie“ tickt also ohne Unterlass – auch für Kirche.

Page 14: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 14 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

Deshalb nun in einem zweiten Schritt der Blick auf die Entwicklungen und Trends bezogen auf die Evangelische Kirche. B. Allgemeine Trends und Entwicklungen der Evangelischen Kirche

in Deutschland (EKD)

Unter dem Slogan: „Den Kirchen laufen die Mitglieder davon“ wird der Mitgliederrückgang in der Öffentlichkeit auf die Kirchenaustritte zurückgeführt. Ist dem aber tatsächlich so, ist die Frage, die ich im Folgenden kritisch hinterfragen möchte. 1. Religionszugehörigkeit Zunächst ein Blick auf die Torte der Religionszugehörigkeit heute: Wo stehen wir Evangelische im Konzert der Konfessionen und Religionen:

Ein Drittel Konfessionslose,

ein Drittel Katholische und

ein Drittel Evangelische – so ist der Stand heute.

Vergegenwärtigen wir uns nun die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte: konfessionslos katholisch evangelisch

1956 4% 45,9% 50,1%

1989 17,2% 42,7% 40,1%

1990 (inkl. neue Bundesländer)

27,7% 36,9% 35,4%

heute 32,1% 30,4% 29,9%

Page 15: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 15 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

Fakt ist: Seit Ende der 60er Jahre ist die Mitgliederzahl in beiden Kirchen

rückläufig. Der jährliche Rückgang liegt in der evang. Kirche bei ca. 1 Prozent,

in der röm.-kath. Kirche bislang etwas geringer. Der Block der Konfessionslosen ist heute der mit dem meisten Zu-

lauf!

Um bei einem solchen Vortrag nicht nur eine depressive Grund-stimmung zu verbreiten, soll uns ein Blick dienen auf die Karte der EKD – Stand Ende 2008 und der Anteil der Evangelischen bzw. der Nichtchristen uns vor Augen

führen, dass wir trotz allem in einer stabilen Landeskirche zu Hause sind. Gerade mit Blick auf unsere östlichen Landeskirchen mit einem Anteil von streckenweise über 74% Nichtchristen sieht es bei uns noch sehr rosig aus!

Um ein Bild von Evangelischer Kirche heute, insbesondere aber auch mit Blick auf zukünftige Entwicklungen zu erhalten, will ich neben dem Anteil an der Gesamtbevölkerung – der Torte der Religionszuge-hörigkeit – nun auf die Entwicklung der Altersstruktur der Mitglieder, des Kirchenaustrittsverhaltens und des Taufverhaltens näher einge-hen. Drei Parameter, die für kirchliches Arbeiten nicht ohne Bedeu-tung sind.

Page 16: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 16 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

2. Altersstruktur

Was sagen uns nun aber die Zahlen mit Blick auf die Altersstruktur: ein Blick auf die Statistik!

Zunächst der Blick auf das Durchschnittsalter der Kirchenmitglieder Stand 2008.

Auch hier wird wieder of-fensichtlich: die südlichen Landeskirchen haben mit Blick auf künftige Entwick-lungen die Poleposition, wohingegen im Osten die Kirchenmitglieder über-durchschnittlich alt sind.

Dass uns im Süden dies nicht dazu verleiten darf, die Hände in den Schoß zu legen, belegt ein Blick auf die hochgerechnete Altersstruktur für das Jahr 2040:

wir haben allein durch die Altersstruk-tur mit einem Rückgang von 34% zu rechnen, obgleich die Bevölkerung insgesamt nur um 10% zurückgehen

wird. Das heißt nichts anderes, als dass die Evangelische Kirche von der Demographischen Entwicklung in besonderer Weise betroffen ist – der Altersbauch der Evangelischen Kirche hat eine viel dünnere Ba-sis als die der Bevölkerung insgesamt. Ganz drastisch wird einem dies mit Blick auf die Evangelischen Kirchen im Osten deutlich vor Augen geführt!

Page 17: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 17 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

Auch mit Blick auf die Alterspyramide (Stand 2007) der Evangelischen in Württemberg sieht es nicht viel an-ders aus, als EKD-weit:

Auch der Blick auf die Prognose der Al-tersgliederung im Jahr 2020 bzw. 2030 (Stand der Berechnung: 2007) macht den Trend deutlich, dass wir von den Wellenbewegungen des Altersbauchs in besonderer Weise betroffen sein wer-den.

Die vergangenes Jahr bei der Dekaneschaft vorgestellte Prognose be-stätigt die damalige Trendberechnung

im Übrigen, dass die Landeskirche im Jahr 2030 nur noch ca. 1,8 Mio Mitglieder haben wird – also rund 400 000 Mitglieder weniger im Vergleich zu heute.

A lt e r s g lie d e r u n g d e r G e m e in d e g l ie d e rd e r L a n d e s k i rc h e fü r d ie J a h re 2 0 0 7 / 2 0 2 0 / 2 0 3 0

0

5 . 0 0 0

1 0 . 0 0 0

1 5 . 0 0 0

2 0 . 0 0 0

2 5 . 0 0 0

3 0 . 0 0 0

3 5 . 0 0 0

4 0 . 0 0 0

0 5 1 0 1 5 2 0 2 5 3 0 3 5 4 0 4 5 5 0 5 5 6 0 6 5 7 0 7 5 8 0 8 5 9 0 9 5 1 0 0 1 0 5 1 1 0

A lte r

Anz

ahl

A l te r s g lie d e r u n g 2 0 0 7

A l te r s g lie d e r u n g 2 0 2 0 (P r o g n o s e 2 .0 4 3 .0 0 0 )

A l te r s g lie d e r u n g 2 0 3 0 (P r o g n o s e 1 .8 2 0 .0 0 0 )

Altersgliederung der Gemeindeglieder nach Geschlechtin der Evang. Württ. Landeskirche - Stand 31. Dezember 2007

-22.500 -20.000 -17.500 -15.000 -12.500 -10.000 -7.500 -5.000 -2.500 0 2.500 5.000 7.500 10.000 12.500 15.000 17.500 20.000 22.500

02468

101214161820222426283032343638404244464850525456586062646668707274767880828486889092949698

100102104106108110Alter

Anzahl pro Altersjahr

Page 18: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 18 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

3. Kirchenaustritte

Der Blick auf die Ge-genüberstellung, wie viele Evangelische – demographisch be-dingt – verstorben sind und wie viele ausge-treten sind, macht ei-nes deutlich:

es ist nicht – wie allzu häufig behauptet der

inflationäre Austritt von Mitgliedern, der uns als Evangelische Kirche so schmerzhaft den Mitgliederschwund vor Augen führt. Es ist die schleichende Demographische Entwicklung!

In Zahlen ausgedrückt für den Zeitraum 1999 bis 2008:

13,1% der Kirchenmitglieder sind verstorben und 5,9% der Kirchen-mitglieder sind ausgetreten: das entspricht ganz grob einem Verhält-nis von etwa 2:1. Auch das sollte uns zu denken geben!

Betrachtet man die Kirchenaustrit-te 2008 nach Altersjahrgängen et-was näher, so wird ein Trend bestä-tigt, der schon seit längerem offen-sichtlich ist:

Page 19: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 19 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

Besonders austrittsbereit sind überwiegend erwachsene Männer im Alter zwischen 22 und Anfang 30 und überwiegend erwachsene Frauen zwischen Anfang und Ende 40.

Dieses Bild gilt im Übrigen 1:1 auch für Württemberg.

Fragt man nach den Gründen und Motiven, so lässt sich – mit Blick auf aktuelle religions- und kirchensoziologische Studien – folgendes Bild zeichnen:

a) Allgemeine Trends Soziale Bindungen sind heute nicht mehr so sehr das Ergebnis

traditionaler Zuschreibungen. Sie unterliegen dem Kriterium des biographischen Nutzens.

In der Folge empfinden viele den Kirchenaustritt heute als Er-gebnis individuell angestellter Kosten-Nutzen-Überlegungen, je nachdem, ob Kirche einem in der jeweiligen Lebensphase nutzt.

Einer Aufkündigung der rechtlichen Mitgliedschaft vorgelagert ist ein Entfremdungsprozess i.S. eines Abschiednehmens von Kirche, das sich in längerfristigen, biographischen Kontexten vollzieht.

b) Lebensweltlich-biographische Gründe Gerade im Übergang von der Ausbildung zum Berufsleben ste-

hen bei vielen Menschen die Familiengründung und der Aufbau der Existenz im Vordergrund. Sicher einer der Gründe, weshalb in dieser Zeitspanne der Kirchenaustritt vollzogen wird.

Ebenso fällt die Phase des Austritts bei den überwiegend weib-lichen Erwachsenen in die Phase der (erneuten) Orientierungs-jahre, wenn die Kinder aus dem Gröbsten raus sind, der Wie-

Page 20: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 20 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

dereinstieg ins Berufsleben auf der Tagesordnung steht – aber auch die Scheidung – rein statistisch betrachtet.

c) (Lebens-)Motto: Glaube ja – Kirche nein!? Die 4. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung der EKD hat nach

den Gründen für den Kirchenaustritt gefragt. Neben der Erspar-nis der Kirchensteuer ist für den Austritt vor allem ausschlag-gebend, dass Menschen davon ausgehen, auch ohne Kirche christlich sein zu können.

Es findet demnach – soziologisch gesprochen - eine lebenswelt-liche Prioritätenverschiebung statt, die einhergeht mit einer Entkoppelung von Kirche und ihren Angeboten. Beides muss für uns als evangelische Kirche ein deutliches „!“ sein.

d) Das „Orgelpfeifenprinzip“

Und ein Weiteres ist auffällig bei den Kir-chenaustritten: im 1. und 4. Quartal treten im Schnitt mehr Menschen aus als im 2. bzw. 3. Quartal. Einer der Grün-de hierfür: die jährliche Steuererklärung und

Steuergesetzgebung.

Ebenso offensichtlich ist, dass – mit Blick auf das Jahr 2008 – gesamt-gesellschaftliche Entwicklungen wie die Finanz- und Wirtschaftskrise heute schneller auf das Austrittsverhalten durchschlagen, als wir dies in zurückliegenden Jahrzehnten gewohnt waren. Statistisch betrach-

Kirchenaustritte pro Quartal

3.187

2.4562.552

4.621

3.733

2.6032.799

4.487

3.146

2.1732.198

3.628

2.2661.9582.004

3.260

2.2161.883

2.052

3.444

2.587

2.1162.290

4.022

3.121

2.5572.799

6.371

0

1.000

2.000

3.000

4.000

5.000

6.000

7.000

1/200

2

2/200

2

3/200

2

4/200

2

1/200

3

2/200

3

3/200

3

4/200

3

1/200

4

2/200

4

3/200

4

4/200

4

1/200

5

2/200

5

3/200

5

4/200

5

1/200

6

2/200

6

3/200

6

4/200

6

1/200

7

2/200

7

3/200

7

4/200

7

1/200

8

2/200

8

3/200

8

4/200

8

Quartale

Anz

ahl

Page 21: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 21 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

tet ist davon auszugehen, dass aufgrund der Abgeltungssteuer und der Finanz- und Wirtschaftskrise im 4. Quartal 2008 rund 12 Prozent mehr Mitglieder ausgetreten sind, als zu erwarten gewesen wären.

Es gibt aber trotz all dieser – vielleicht von vielen als Hiobsbotschaf-ten empfundenen – Trends auch Lichtblicke, zum Beispiel den Kir-chenbezirk Geislingen. Betrachtet man die württembergischen Kirchenbezirke und den pro-zentualen Anteil der Austritte an den Gemeindegliedern (Stand der Berechnung 2007), so liegt Ihr Bezirk im unteren Drittel.

Und der Blick auf die Ge-samtkirchengemeinde lässt einen dann mit Blick auf die Jahre 1999 bis 2007 dann doch etwas hoffen, da im Schnitt lediglich 0,4% der Mitglieder der ev. Kirche den Rücken gekehrt haben.

Page 22: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 22 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

Wenn wir uns die Austrittszahlen noch ein wenig genauer anschauen, so fällt auf, dass es vor allem in Paulus und Martin besonders viele

Austritte gibt; in der Darstel-lung des Zeitverlaufs wird dies noch deutlicher:

Werfen wir nun aber einen Blick auf die Gemeindegliederentwicklung in Ihrem Bezirk und in Ihrer Gesamtkirchengemeinde für die Jahre 1980 bis 2010, so zeigt sich folgendes Bild:

Ihr Bezirk wie auch die Ge-samtkirchengemeinde hat eine signifikante Abnahme an Mitgliedern zu verzeich-nen: seit 1980 im Kirchen-bezirk um rund 15%, in der

Gesamtkirchengemeinde gar um mehr als das Doppelte, nämlich um rund 36%! Wobei dazu gesagt werden muss, dass wenn man die lan-deskirchliche Annahme von 1% Rückgang an Mitgliedern pro Jahr zu-grunde legt, die Gesamtkirchengemeinde auf 30 Jahre gesehen in et-

Page 23: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 23 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

wa im Landeskirchentrend liegt, wohingegen der Kirchenbezirk insge-samt deutlich darunter!

Ich habe Ihnen auch für die vertiefende Weiterbe-ratung in Ihren Gremien im Nachgang zur heutigen Sitzung die absoluten Zah-len sowohl für den Kir-chenbezirk als auch die

Gesamtkirchengemeinde aufbereitet, dich ich aber nur kurz der Vollständig-keit halber zeige, ohne diese näher zu kommen-tieren.

Sicher hilft auch ein Blick auf die einzelnen Pfarrbezirke und Kirchen-gemeinden der Gesamtkirchengemeinde, deshalb auch die entspre-chende Darstellung, mit zwei Bemerkungen i.S. von Auffälligkeiten versehen: 1.) Die innerstädtischen Pfarrbezirke weisen allesamt eine kontinuier-

liche Abnahme der Mitglieder auf, wohingegen

Page 24: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 24 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

2.) Die Pfarrbezirke/Kirchengemeinde im innerstädtischen Umland – Eybach, Stötten und Weiler - eher konstant sind und sogar einen leichten Aufwärtstrend zu verzeichnen haben.

Die Vermutung der Dekanin, dass die Kernstadt insbesondere vom soziodemographischen Aderlass betroffen ist, scheint sich also statis-tisch zu bestätigen.

4. Geburtenentwicklung und Taufverhalten

Wir können seit Jahrzehnten einen kontinuierlichen Gebur-tenrückgang feststellen, wie wir vorhin bereits mit Blick auf den Landkreis und die Stadt Geislingen gesehen ha-ben. Einher mit dem Geburten-rückgang geht ein kontinuier-

licher Rückgang der Taufen – was naheliegend ist. Beunruhigend ist bei der Betrachtung der Graphik viel eher, dass die Taufquote – also der Prozentsatz der Kinder aus evangelischen Haus-halten – kontinuierlich rückläufig ist. Das heißt: nicht mehr alle von evangelischen Eltern ins Leben gesetzte Kinder werden getauft!

Auch hier gilt: es gibt Lichtblicke! So sind die Zahlen der Erwachsenentaufen seit Jahren konstant – allerdings verstärkt im Osten,

Page 25: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 25 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

wohingegen im Westen die Kindertaufe vorherrschend ist. Ein Blick auf die EKD-Zahlen verdeutlicht: 2/3 der Taufen sind Kinder-taufen, nur 1/3 Erwachsentaufen. Wie sieht diesbezüglich nun der Trend für Ihre Gesamtkirchenge-meinde aus? Hierzu habe ich die Daten, die mir Frau Dekanin Hühn dankenswerterweise zur Verfügung gestellt hat, entsprechend aufbe-reitet. Zunächst die Taufquote bezogen auf die Jahre 1999 bis 2007 (ab 2008 ändert sich leider die Systematik der Daten des kirchlichen Lebens, weshalb sie nicht 1:1 vergleichbar wären):

Wir sehen einen Ge-burtenrückgang für Geislingen und eine einigermaßen kon-stante Taufquote be-zogen auf die ev. Tau-fen.

Diese liegt bei guten 33%, d.h. 1/3 der in Geislingen geborenen Kin-der werden evangelisch getauft. Angesichts eines Geburtenrückgangs um 37% ist das ein positives Ausrufezeichen!

Betrachten wir uns die einzel-nen Pfarrbezirke und Kirchen-gemeinden so ist deutlich eine Aufwärtstendenz auf etwas niedrigerem Niveau bei den Taufen zu erkennen – eine Aus-

Page 26: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 26 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

nahme scheint dabei das Einzugsgebiet der Martinskirche zu sein. In absoluten Zahlen ausgedrückt sieht die Verteilung wie folgt aus:

5. Demographische Entwicklung – Kirchenaustritt – Taufunterlas-

sung Welche Rolle spielen die drei vorgestellten Para-meter im Zusammen-spiel: Hierzu eine Grafik, die veranschaulicht, dass von heute mit rund 24 Mio Evangelischen Kir-chenmitgliedern mit Blick auf das Jahr 2040 von ei-nem Rückgang auf knapp

20 Mio zu rechnen ist – allein aufgrund der Demographischen Ent-wicklung. Des Weiteren verlieren wir kontinuierlich 1% unserer Mit-glieder, was perspektivisch bis 2040 dazu führen wird, dass es nur noch 18 Mio Evangelische geben wird.

Page 27: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 27 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

Schließlich die Taufunterlassungen, die die Evangelische Kirche insge-samt auf rund 16 Mio. schrumpfen lässt. Wagen wir einen Blick auf den Trend hinsichtlich Aufnahmen/Taufen einerseits und Austritten und Bestattungen andererseits – bezogen

auf Ihre Gesamtkirchen-gemeinde: Sie sehen: das, was ich vorhin für die EKD als Trend formuliert hatte, trifft auch auf Sie zu: das

Verhältnis von Bestattungen zu Austritten beträgt 78% zu 22% - also in etwa ¾ zu ¼ oder – je nach Lesart von 4/5 zu 1/5. Noch deutlicher wird der Trend, wenn wir uns den Saldo genauer an-schauen – es wird bei Ihnen in der Gesamtkirchengemeinde mehr be-stattet und ausgetreten als im selben Zeitraum Aufnahmen oder Tau-fen zu verzeichnen sind, was logischerweise zu einen deutlich negati-ven Saldo seit rund 10 Jahren führt:

Page 28: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 28 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

Meine Damen und Herren, werfen wir nun abschließend einen Blick auf die Kirchenmitglied-schaftsprognose der EKD und weiten wir unseren Blick über den Tel-lerrand der Gesamtkirchengemeinde: einmal der Blick auf die zurück-liegende Entwicklung 1995 bis 2009 und dann der Blick auf die Prog-nose bis 2040:

Deutlich wird dreierlei:

- Wenn Sie sich in der linken Grafik im Norden die Nordelbische Kirche anschauen und deren Farbgebung derzeit, so ist sie hell-blau eingefärbt.

- Wenn Sie sich dann in der rechten Grafik (Prognose bis 2040) die süddeutschen Landeskirchen anschauen, so sind diese eben-falls hellblau eingefärbt.

- Wir werden es also – so drastisch und unglaubwürdig das auch klingen mag – in 20 bis 30 Jahren im Süden dort stehen, wo die Nordkirche heute steht.

Page 29: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 29 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

Und damit möchte ich es zunächst bewenden lassen und Ihnen die Möglichkeit geben, etwas durch zu schnaufen und die Fülle an Infor-mationen zu verdauen.

< PAUSE >

Page 30: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 30 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

nach der Flut an Informationen, Daten und Statistiken zur Entwick-lung unserer evangelischen Kirche und zur soziodemographischen Ausgangslage von Geislingen und dem Landkreis in den zurückliegen-den Jahren und mit Blick auf die Prognosen bis 2030/40 stellt sich si-cher die Frage:

Was können wir tun? Gibt es angesichts der Bedeutung des demo-graphischen Wandels für die Entwicklung der evangelischen Kirche überhaupt echte Chancen, der – etwas melodramatisch ausge-drückt - Dramatik zu entrinnen?

Oder können wir – zweckoptimistisch formuliert - in Württemberg aufatmen mit Blick auf die EKD als Ganzes und frohgemut in die Zukunft schauen?

Die letzte Frage kann ich definitiv verneinen! Denn jedes demogra-phisch bedingt verlorene Mitglied, oder ausgetretene Mitglied oder nichtgetaufte Kind schlägt sich notwendigerweise in weniger Kirchen-steuereinnahmen nieder. Und das heißt: weniger finanzielle Möglich-keiten für kirchliche Angebote. Das muss uns zwangsläufig zum Han-deln herausfordern. Bei der Frage, was konkret unternommen werden kann, so ist es ein ganzes Bündel, das sich anbietet und das ich mit dem Dreiklang „Bin-den – Halten – Willkommen heißen“ umschreiben will. Zuvor aber zwei Vorbemerkungen: Erstens: Es ist in verschiedenen Grafiken deutlich geworden, dass die Entwicklungen regional sehr unterschiedlich ausfallen. Am Offen-

Page 31: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 31 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

sichtlichsten tritt dies zu Tage beim Vergleich westliche/südliche Gliedkirchen und östliche/nördliche Gliedkirchen. Aber auch innerhalb der südlichen Gliedkirchen sind starke Unter-schiede wahrnehmbar. So ist die Situation und die Entwicklung in ei-nem großstädtischen Ballungsraum wie Stuttgart sicher eine etwas andere, als im eher ländlich geprägten Dekanat Geislingen, oder aber in den Dekanaten Tuttlingen, Öhringen oder Biberach, wo ich vor kurzem zum selben Thema gesprochen habe. Dies gilt es im Folgen-den immer mit zu bedenken. Zweitens: Es lohnt sich, so unsere Erfahrung im Zentrum Mission in der Region, wenn die Menschen einer Region mit unterschiedlichen Sehhilfen auf ihre eigenen regionalen Gegebenheiten blicken, um 1. wahrnehmen zu können, was für ein Menschenschlag vor Ort lebt

– und zwar nicht nur in den Kirchenbänken vorzufinden ist, son-dern welche Menschen sich vielleicht noch nicht angesprochen fühlen und um

2. darauf aufbauend unter dem Gesichtspunkt der Regional-Entwicklung – wohlgemerkt ENTWICKLUNG –

das kirchliche Angebot zu profilieren, dort wo nötig zu professionalisieren, Menschen zu qualifizieren und wo notwendig Vorhandenes (neu oder anders) zu struk-

turieren.

Deshalb will ich Sie in den kommenden ca. 20 Minuten entführen und Ihnen

1.) einen Blick ermöglichen auf das Milieusetting Ihrer Gesamtkir-chengemeinde (Abschnitt C des Vortrags) und

Page 32: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 32 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

2.) anschl. anhand von drei Arbeitsfeldern in weiteren ca. 10 -15min aufzeigen bzw. anreißen, welche Fragen sich eventuell für Ihre konkrete Arbeit ergeben könnten, die als Grundlage Ihrer vertie-fenden Diskussion dienen sollen. (Abschnitt D des Vortrags)

C. Der Blick mit der Milieubrille auf Geislingen a.d. Steige

1. Die Sinus-Milieus (allgemein) in Deutschland Ich werde mich im Folgenden auf die so genannte „Kartoffelgrafik“ von Sinus-Sociovision / Microm beziehen. Einigen von Ihnen mag die Grafik sicher vertraut sein: für alle diejenigen, die diese zum ers-ten Mal sehen: drei allgemeine

Vorbemerkungen:

1. Sinus Sociovision ist nach eigenem Bekunden „spezialisiert auf das Verstehen, Messen, Interpretieren und Vorhersagen von soziokul-turellem Wandel“. Seit bald 30 Jahren ist Sinus Dienstleister für Kunden aus den Bereichen Wirtschaft, Politik, Kultur, Medien, Bil-dung incl. der Kirchen. Als Ergebnis der langjährigen empirischen Forschung hat sich – in Kooperation mit der Firma Microm - eine Kartierung der Milieulandschaft der Bundesrepublik ergeben, die sich als relativ stabil und damit als relativ verlässliche Orientierung erweist.

2. Die Firma, die zwischenzeitlich die Daten – um einige Datenpakete angereichert – für Sinus vertreibt heißt Microm. Sinus/Microm

Page 33: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 33 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

versuchen, Personengruppen, die sich hinsichtlich Wertorientie-rung, Lebensauffassung und Lebensstil ähneln, zu sogenannten Mi-lieus zusammenzufassen. Dabei verfolgen Sinus/Microm den For-schungsansatz, Zielgruppen nicht mehr wie klassisch üblich nach soziographischen Merkmalen zu definieren, sondern nach gleichen Wertvorstellungen (Grundorientierungen) und Lebensstilen. Diese werden erfasst, indem in Interviews erfragt wird, welche Stilpräfe-renzen und Alltagsgewohnheiten Menschen haben. Soziologie wird zur ästhetische Kategorien einsetzenden Lebensweltfor-schung.

3. Sinus/Microm unterscheidet nach der Wiedervereinigung im Jahr 1989 zehn Milieus in unserer Gesellschaft. Diese werden in einer sehr übersichtlichen Weise in der sog. „Kartoffelgrafik“ kartogra-phiert und in ihrem sozial-mentalen Raum positioniert.

Seit kurzem – genauer gesagt seit Spätsommer/Herbst 2010 - gibt es ein Update der Kartoffelgrafik, wobei ich Ihnen diese „nur“ der Voll-ständigkeit halber zeige, weil die Daten für Geislingen – die ich Ihnen im Folgenden präsentieren werde- noch auf der Grundlage der eben gezeigten Grafik für dieses Jahr angekauft wurden und der Auswer-tung zu Grund liegen:

Page 34: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 34 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

Ich kann Sie aber dahingehend beruhigen, dass die Schlussfolgerun-gen aus der Analyse der Daten deshalb nicht minder wertig sind. Es lassen sich ohne Weiteres die einzelnen Milieuzuschreibungen aus der Kartoffelgrafik 2005/2007/2009 auf die neue Kartoffelgrafik 2010 übertragen und zuordnen:

Noch zwei methodische Vorbemerkungen zur Erläuterung der zu-grunde liegenden Grafik:

Sie sehen auf der X-Achse die so genannte Ausprägung der Menta-litäten oder wie es Sinus benennt: Grund-/Werteorientierung (prämodern (traditionell) / moder / postmodern) – als A, B und C bezeichnet.

und auf der y-Achse die soziale Lage (Ober-/Mittel- und Unter-schicht) – jeweils nummeriert mit 1 bis 3.

Page 35: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 35 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

In dieser Dimensionalität aus sozialer Lage und mentaler Prägung werden 10 Milieus generiert, deren wesentlichen Kurz-Charakteristika Sie im Folgenden anhand des verteilten Faltblattes entnehmen/mit verfolgen können.

Nun aber „medias in res“!

2.Die Milieus in der Gesamtkirchengemeinde und im Kirchenbezirk

Schauen wir uns zunächst an, wie die Milieuverteilung für die Gesamtkirchengemeinde im Vergleich zum Kirchenbe-zirk und zum Land Baden-Württemberg aussieht:

Wir sehen, dass:

- das Milieu der Traditionsverwurzelten (14,1%) und das Milieu der bürgerlichen Mitte (14,5%) im Vgl. zum Land oder zum Kirchen-bezirk in der Gesamtkirchengemeinde überdurchschnittlich anzu-treffen sind. Beides Milieus, die im Übrigen zu den klassischen 2 ½ Milieus zählen, die Kirche heute noch erreicht!

- Es folgt das perkäre Milieu der Konsum-Materialisten mit 10,6%.

- Eine Mittelstellung im Sinne von im Trend nehmen die Etablierten mit 10,3% ein.

- Unterdurchschnittlich vertreten sind im Vergleich zum Land oder zum Kirchenbezirk die Milieus der Experimentalisten mit 8,4%, die Konservativen mit 4,5%, die Postmateriellen mit 8,3%, die Mo-dernen Performer ebenfalls mit 8,3% sowie die Hedonisten mit

Page 36: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 36 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

9,9% und unter fernen Oasen die DDR-Nostalgiker mit 2%, die bei Ihnen zu vernachlässigen sind.

Schauen wir kurz auf eine Grafik der katholischen Schwester und Brüder, welche Milieus, Kirche erreicht – um das eben Festgestellte besser einschätzen zu können. Die Befunde der Katholiken können im Übrigen in etwa auf das Evangelische übertragen werden – sowohl durch Befunde der Sinus-Studien wie auch der 4. Kirchenmitglieder-schaftuntersuchung der EKD belegt:

Sie sehen linksseitig in der Kartoffel die Milieus, die Kirche im Besonderen er-reicht; je weiter rechts Sie in der Kartoffel wandern, umso geringer ist die klas-sische Kirchenbindung.

Blicken wir einmal – vorbehaltlos - auf die „roten Überschriften“ in der Grafik, so können wir summarisch festhalten – uns erinnernd an die Grafik eben für die Gesamtkirchengemeinde – das für die Ge-samtkirchengemeinde insgesamt festgehalten werden kann:

- Rund 25% der Menschen in der Gesamtkirchengemeinde gehören Milieus an, die von Kirche klassisch erreicht werden.

- Rund 21% der Menschen sind Kirchendistanziert, daran anschlie-ßend rund 17% der Menschen, für die sich Kirche eher im „virtuel-len Raum“ abspielt.

Page 37: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 37 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

Bohren wir nun die Milieudaten noch ein wenig auf und betrachten uns die Milieuverteilung für die einzelnen Pfarrbezirke bzw. Kirchen-gemeinden und dies jeweils im Vergleich zum Kirchenbezirk, so sind folgende Auffälligkeiten festzuhalten:

1.) In Geislingen-Altenstadt „rockt“ die Zukunft mit den höchsten Werten an Konsummaterialisten, Hedonisten und Experimentalisten.

2.) In Weiler liegt die Vergangenheit „begraben“ mit den höchsten Werten an Etablierten, Konservativen und Traditionsverwurzelten.

3.) Paulus liegt im guten oberen Mittelfeld mit jeweils zweithöchsten Werten bei den Konsummaterialisten und Konservativen sowie gu-ten Werten für die Etablierten.

4.) Die Stadtkirche fällt durch unterdurchschnittliche Werte bei allen Milieus auf.

Page 38: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 38 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

Meine sehr geehrte Damen und Herren,

die katholische Kirche arbeitet seit rund 5 Jahren mit den Erkenntnis-sen der Sinus-Milieus: davon ist die Evangelische Kirche in der Inten-sität noch weit entfernt. Dennoch können wir gewisse Erkenntnisse der Katholischen Kirche als Leitplanken und Orientierungspunkte auch für die Evangelische Kirche verstehen:

Im Folgenden deshalb Ergebnisse zu den Aspekten:

- Bild von Kirche in den unterschiedlichen Milieus - Erwartungen an die Kirchengemeinde - Erwartungen an den Pfarrer

Page 39: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 39 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

Zunächst der Blick auf die unterschiedlichen Idealbilder von Kirche:

Wenn wir uns die Milieu-Daten für Ihre Gesamtkirchengemeinde vor Augen führen und vor allem die Werte, die positiv nach oben abwei-chen, so ist es vor allem ein Mix aus Extremen v.a. mit Blick auf Alten-stadt und Weiler:

- In Weiler finden wir: Volkskirchlich (Traditionsverwurzelte), Kirche als Fundament für Kultur, Moral und Werte sowie (Konservative), Kirche als Fundus von Hochkultur und professionellem Unterneh-men (Etablierte)

- In Altenstadt finden wir: Kirche als sozial-caritativer Rettungsan-ker, als Hilfe für existentielle Lösungen und als Zugang zu exoti-schen Grenz- und Sinnerfahrung.

Blicken wir nunmehr auf die Erwartungen an die Kirchengemeinde:

Page 40: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 40 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

So ist zu vermuten, dass auch für die Gesamtkirchengemeinde ein ähnlicher Mix im Sinne eines Spagats an Erwartungen zu vermuten ist:

- Die Kirchengemeinde, in die man nicht wirklich rein passt, oder auf die man keinen Bock hat oder die nicht zur eigenen Lebenswelt zählt (Altenstadt)

- Und die Kirchengemeinde, zu der sich die Leute dazugehörig füh-len und der man sein Wissen anbietet (Weiler).

Page 41: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 41 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

Schließlich der Blick auf die Erwartungen an den Pfarrer:

Auch hier ein Mix aus – der Pfarrer als Sozialarbeiter, Seelsorger, Glaubenshüter, Kumpel und Mystiker; welch Spagat hier im Alltag vom kirchlichen Bodenpersonal verlangt wird! Lassen Sie uns abschließend durch die Milieubrille die beiden „Aus-reißer“ Altenstadt und Weiler etwas genauer anschauen:

Page 42: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 42 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

D. Anregungen für die Diskussion Einige Felder möchte ich Ihnen exemplarisch benennen, in denen ich Handlungsmöglichkeiten sehe – ohne allerdings den Anspruch erhe-ben zu wollen, dass damit alle Felder bereits ins Blickfeld gerückt sind. Es gibt noch ein Reihe weiterer!

1.) Erwachsene, die zum Glauben finden – wieder eintreten

Die Studie des Instituts zur Erforschung von Evangelisation und Ge-meindeentwicklung (IEEG) in Greifswald hat einiges ans Tageslicht befördert, was uns mit Blick auf die Zielgruppe der Erwachsenen be-hilflich sein kann. Welche Gründe sind es, die Menschen dazu bewe-gen, den Glauben neu zu entdecken, wieder zu entdecken oder sich in ihrem Glauben bestärken zu lassen?

Und mit welcher Erwartung kommen sie auf uns als Kirche zu? Das sind Fragen, die uns deshalb schon interessieren sollten, da sie Maß-

Page 43: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 43 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

stab dafür sein sollten, wie wir diese Menschen willkommen heißen, wir ihnen begegnen!

Als wesentliche Ergebnisse der Studie lassen sich 10 Thesen festhal-ten:

Page 44: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 44 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

Ein Ausfluss der Ergebnisse der IEEG-Studie ist das Projekt „Erwach-sen glauben“, das derzeit EKD-weit mittels der Kampagne „Kurse zum Glauben“ publik gemacht wird. Die Überzeugung, dass die Kirche sich bei der Ausrichtung ihrer An-gebote stärker an Erkenntnissen aus der Milieuforschung orientieren muss, damit das Evangelium kulturell in Hörweite gelangen kann, hat sich weitgehend durchgesetzt. Viele kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verfügen über ein mehr oder weniger umfangreiches Wissen im Bezug auf die Lebens-gewohnheiten oder Grundorientierungen der verschiedenen Milieus. Gleichwohl ist der Einfluss der Milieuforschung auf die praktische Ar-beit in evangelischen Gemeinden und Einrichtungen vergleichsweise gering und beschränkt sich auf wenige exemplarische „Leuchtturm-Projekte“. Im Projekt ERWACHSEN GLAUBEN wird versucht, diese Lücke zwi-schen Wissen und Anwendung im Bezug auf Kurse zum Glauben zu schließen. Das bedeutet für die Handlungsebene Gemeinde und Ein-richtungen, genau hinzuschauen, mit welchen der zehn Milieus ha-ben wir es vor Ort zu tun, wie können Menschen für unterschiedliche Glaubenskurse angesprochen werden, wie können milieusensible Bil-dungsprozesse besser geplant und umgesetzt werden.

Page 45: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 45 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

Page 46: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 46 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

2.) Kinder, Jugendliche – verlorene Zukunft? „Kinder und Jugendliche sind unsere Zukunft. Deshalb sind Bildung, Erziehung und Förderung ihrer Entwicklung wichtig.“ So oder ähnlich schreibt es sich nicht nur die Evangelische Kirche auf ihre Fahnen, sondern nahezu jede gesellschaftliche Gruppierung würde diese Aus-sage vermutlich unterschreiben. Was heißt das aber konkret? Wissen wir eigentlich, was unsere Kinder und Jugendlichen wollen? Prof. Scheilke vom Pädagogisch-Theologischen Zentrum hat Anfang des Monats formuliert: „Es geht nicht nur um Vermittlung von Theo-logie für Kinder und Jugendliche, sondern v.a. auch um die Ent-deckung von deren Theologie, also einer Theologie der Kinder und Jugendlichen und insgesamt einer Theologie mit Kindern und Jugend-lichen, also mit den Menschen. Das hat didaktisch-methodische Fol-gen, der wichtigste: eine Grundaufmerksamkeit, eine neue Achtsam-keit.“ Buchstabiert man dies weiter, so kann dies heißen, dass wir uns zum Beispiel mit den Jugendlichen, deren Bedürfnissen und Lebenswel-ten, deren Zukunftshoffnungen u.v.m. intensiver beschäftigen müs-sen und sollten. Hilfsmittel hierfür können in einem ersten Schritt sein die 16. Shell-Jugendstudie, die vor wenigen Wochen erschienen ist, oder aber die Sinus-Studie Wie ticken Jugendliche? Die Sinus-Milieustudie U27.

Bezeichnend der Befund lt. der Sinus-Studie Es sind im wesentli-chen nur drei der sieben von Sinus Sociovision konstruierten jungen Milieus, aus denen Ju-gendliche einen Zugang zu kirch-

Page 47: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 47 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

lichen Angeboten finden: die bürgerlichen Jugendlichen mit 14%, die postmateriell eingestellten Jugendlichen mit 6% und die traditions-orientierten Jugendlichen mit einem Anteil von 4%. Wir reden von 24% der jungen Menschen. ¾ der Jugendlichen finden kaum Zugang zur Kirche.

Nochmals zurück zum Feld der Kinder und Jugendlichen, von denen wir als Kirche nur ¼ erreichen: Die Frage lautet also: Wie können wir es schaffen, dass Kinder und Jugendliche sich an Kirche binden, sich angesprochen, verstanden und eingeladen fühlen, und letztlich blei-ben?

3.) Gottesdienst vor leeren Bänken?

Rückläufige Gottesdienstbesuche provozieren die Frage: Ist der tradi-tionelle Gottesdienst in der Krise und welche Impulse sind nötig, da-mit Gottesdienste ihre Wirkmacht für Gemeindeentwicklung und -aufbau entfalten können? Sicher eine Frage, der sich kaum eine Ge-meinde wirklich entziehen kann.

Page 48: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 48 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

Es ist richtig: noch erreichen wir mehr Menschen sonntags in der Kir-che, als der Fußball samstags in den Bundesligastadien. Richtig ist aber auch mit Blick beispielsweise auf die Prozentzahlen für 2007: An den Zählsonntagen ging der Gottesdienstbesuch in Württemberg leicht zurück – wie insgesamt für die EKD zu beobachten ist – auf rund 4%. Die Entwicklung deutet an, dass Sonder- und Festgottes-dienste gegenüber der traditionalen universalistisch ausgerichteten Feier an Bedeutung zunehmen. Die Zahl der Kindergottesdienste ist, besonders im längerfristigen Vergleich, in starkem Maße rückläufig.

Und dennoch ist es gut und richtig, dass aus gewichtigen Gründen – trotz aller kirchenpolitischen Diskussionen in den zurückliegenden Jahrzehnten um den Gottesdienst - daran festgehalten wird, dass

Page 49: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 49 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

Gottesdienst ein zentraler Bestandteil von Gemeinde immer schon war, ist und auch künftig bleiben wird. Nicht ohne Grund hat die EKD eigens für die Qualitätsentwicklung des Gottesdienstes ein eigenes Zentrum ins Leben gerufen; und ebenso hat es gute Gründe, dass wir auch das Jahr des Gottesdienstes begehen, wozu nachher ja noch gleich mein geschätzter Kollege, Pfarrer Schweikle, einiges berichten hat.

Aus den Fragen der 4. Mitgliedschaftsstudie der EKD zum Gottes-dienstbesuch soll ergänzend noch ein weiteres Thema angesprochen werden.

Es bezieht sich auf die Bedeutung, die verschiedene Kriterien bei ei-nem Gottesdienstbesuch für Mitglieder aus unterschiedlichen Milieus haben.

Auffällig sind besonders zwei Punkte:

In den traditionsbezogenen Milieus werden die Predigt und das Ge-meinschaftsgefühl im Gottesdienst am höchsten bewertet. Drastische Abfälle gibt es hier vor allem gegenüber "neuen" Formen des Gottes-dienstes, die auch Tanz oder Pantomime mit aufnehmen.

In den eher distanzierten Milieus spielen die ästhetischen Kriterien eine größere Rolle, und es rangieren Kriterien wie die zeitgemäße Sprache und eine gute Stimmung auf einem vorderen Platz.

Die Frage lautet also: wie schaffen es Gemeinden und Bezirke ein gottesdienstliches Angebot, das Viele (Milieus) anspricht, anzubieten, ohne dass Gottesdienstformate, die eventuell an anderen Orten und zu anderen Zeiten als sonntags angeboten werden, gleich als Konkur-renz aufgefasst werden, sondern als bereichernde Ergänzung auf dem Weg, als Kirche Menschen zu begegnen und zu begeistern.

Page 50: Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin Hühn,€¦ · Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011 Seite 1 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR Sehr geehrte, liebe Frau Dekanin

Vortrag Gesamtkirchengemeinde Geislingen Dienstag, 3.Mai 2011

Seite 50 von 50 Daniel Hörsch / ZMiR

Denn dies ist unser aller Auftrag: auf Menschen zuzugehen, zu be-geistern und einzuladen, die frohe Botschaft zu hören und zu erfah-ren. Wie wir dies jeweils tun – regional spezifisch – wird darüber mit entscheiden, ob die vorgestellten Zahlen in dreißig Jahren Wirklich-keit sein werden, oder ob wir den Nachweis erbracht haben, die Ent-wicklung beeinflusst zu haben.

Herzl. Dank für Ihre Aufmerksamkeit.