Selbstinszenierung durch Text - Dr. Netaya Lotze

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Dr. (des.) Netaya Lotze Selbstinszenierung durch Text

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Zur Relevanz der sprachlichen Ebene

„Beim Simsen, E-Mail-Schreiben und Kommentare-Posten können wir uns genau so darstellen, wie wir gerne wären.

Wir können uns jederzeit korrigieren, Teile von uns löschen.

Wir können retuschieren: unsere Stimme, unser Gesicht, unseren Körper – wir entscheiden, welche »Ausgabe« unseres Selbst der andere zu sehen bekommt.“

Turkle (2012)

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Inszenierung von Freundschaft über Social Media

Voigt (2015), Abb. 28: GB-Pics mit Glitzer- und Blinkeffekten

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Unterrichtsprojekt „Korpusstudie zur Sprache auf Social-Media-Plattformen“

Datensammlung an virtuellen Orten der Selbstinszenierung:

•Status-Updates (z. B. auf FB oder Twitter)

•Kommentare (z. B. auf FB oder YouTube)

•Nicknames (z. B. auf Twitter, YouTube oder in Games)

•Text-Bild-Relationen (z. B. auf FB)

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Beispiel: Gästebucheinträge (Schüler-VZ)

1. aneeeee ‹3 omq . schuleee mit dir & Eva ist einfach immer so qeeeiL ;D

2. ich saq ja nur heuteeee ' enqlisch ! xDD omq. Jch bin so abqebrochen

3. ich bin einfach so froh dass ich dich habeee ! denn ein Leben ohnee Dich ware unvorstellbar & hatte gar keinen Sinn meaaa !

4. ‹3 Jch kanns gar nicht in worte fassen wie wichtig du mir eigentlich bist!

5. Du & Jch ! Ehemann & Ehefrau . Jch ‹3 Dich!

Ananas 1996, w13, 30.9.09,

vgl. Voigt (2015: 52)

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Voigt (2015), Abb. 73:Profilbildkommentare aus Facebook 2012

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Unterrichtsprojekt „Korpusstudie zur Sprache auf Social-Media-Plattformen“

Mögliche Analyseparameter:

•Beziehungsphrasen

•konzeptionelle Mündlichkeit (z. B. emulierte Prosodie, „Hedges“, Iteration von hohen Vokalen)

•Graphostilistik (Emoticons, Iteration von Zeichen zur Emphase)

vgl. u. a. Szurawitzki (2010)

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Unterrichtsprojekt „Korpusstudie zur Sprache auf Social-Media-Plattformen“

Leitfragen für die SchülerInnen

• Welche sprachlichen Merkmale für Selbstinszenierung auf Social Media lassen sich finden im Kommunikat?

• Wie kann man diese linguistisch weiter definieren?

• Warum wählen die UserInnen gerade diese sprachlichen Mittel zur Selbstinszenierung?

• Als was möchten sie sich darstellen?

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Communities of Practice (CoP)

Beispiel „Nicknames“:

„[…] ein Nickname ist ein besonderes Mittel der Selbstexpression für eine Person, die mit dem ausgewählten Namen das gewünschte Image ergänzt oder errichtet.“ (Kaziaba 2016:24 / 25)

• Counterstrike: AffeMitWaffe, Stirb!, Feuerengel, Terminator

• FB: Yvimaus, ✿schönheitskönigin ✿, BillKaulitz , Ĵůšŧ║мє, Tomate

• nachtwelten.de: mindshaper, Spooky, carpe_noctem

Begriff der CoP: Lave / Wenger 1991, Wenger 1998

CoP und Gender: Eckert / McConnell-Ginet 1992

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Fazit

• Selbstinszenierung wird auf Social Media u. a. sprachlich bzw. graphostilistisch vermittelt (vgl. Bedijs, Held, Maaß 2014).

• Weniger Text, mehr Information in Text-Bild-Relationen (Autenrieth 2011)

• Sprachliche Merkmale für Emotionalität / Emphase sind frequent (Voigt 2015)

• Zusätzlich übliche IBK-Phänomene: Abkürzungen, Graphostilistik, Anglizismen (vgl. u. a. Szurawitzki 2010; Marx, Weidacher 2014)

• Verbreitung ist viral (Ausbildung von Sprachvatietäten?, vgl. Voigt 2015))

• Anpassung an Peer-Group ist wichtiger als Distinktion (vgl. Voigt 2015)

• Zielgröße der Selbstinszenierung und passende sprachliche Mittel sind abhängig von CoP (vgl. u. a. Bamman, Eisenstein, Schnoebelen 2012)

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Ausblick

• Was geschieht, wenn Freundschaftsbeziehungen keine Privatsache mehr sind, sondern vor der digitalen Öffentlichkeit zelebriert werden?

• Was geschieht, wenn Jugendliche in sozialen Netzwerken weitestgehend ohne den Einfluss Erwachsener agieren?

• Wie manifestieren sich die sozialpsychologischen Dynamiken der Selbstinszenierung vor der Öffentlichkeit der sozialen Netzwerke auf der sprachlichen Ebene?

• Welche Bedeutung haben diese Tendenzen für sprachliche Variation und schließlich auch für Sprachwandelprozesse?

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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

„Ich bin ein süßes Alpaka. Ihr seid süße Alpakas. Jetzt regt Euch darüber auf, dass ich das sagen darf.“

(Vlogger André Teilzeit, YouTube)

Kommentar zum Online-Trend

der Selbstinszenierung durch Niedlichkeit

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Literatur

Autenrieth, Ulla P. (2011): MySelf. MyFriends. MyWorld. Photo Albums on Social Network Sites and Their Communicative Functions for Adolescents and Younger Adults. In: Autenrieth, Ulla P. und Neumann-Braun, Klaus (Hrsg.). The Visual Worlds of Social Network Sites. Images and image-based Communication on Facebook and Co.. S. 61-100.

Bamman, David; Eisenstein, Jacob & Schnoebelen, Tyler. (2012). Gender in Twitter: Styles, Stances and Social Networks. arXiv:1210.4567, verfügbar unter http://arxiv.org/abs/1210.4567v1

Bedijs, Kristina; Held, Gudrun; Maaß, Christiane (2014): Introduction: Face Work and Social Media. In: Bedijs, Kristina/Held, Gudrun/Maaß, Christine (Hg.): Face Work and Social Media. Wien; Zürich: LIT Verlag. S. 9-28. (= Hildesheimer Beiträge zur Medienforschung 2).

Boyd, Danah (2007). Why Youth ♥ Social Network Sites: The Role of Networked Publics in Teenage Social Life. In: Youth, Identity, and Digital Media. S. 119-142.

Eckert, Penelope; Sally McConnell-Ginet (1992). Think Practically and Look Locally: Language and Gender as Community-Based Practice. Annual Review of Anthropology. 21, 461-90.

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Literatur

Kaziaba, Viktoria (2013): Nicknamen in der Netzkommunikation. In: Der Deutschunterricht 1: 24-29.

Lave, J.; Wenger, E. (1991). Situated Learning: Legitimate Peripheral Participation. Cambridge University Press, Cambridge.

Marx, Konstanze; Weidacher, Georg (2014). Internetlinguistik. Ein Lehr‐ und

Arbeitsbuch. Tübingen: Narr.

Szurawitzki, Michael (2010). Wie lässt sich Sprache in sozialen Internet-Netzwerken untersuchen? Grundlegende Fragen und ein Vorschlag für ein Analysemodell. Muttersprache 120: 40-46.

Turkle, Sherry (2012). Wir müssen reden. Laptops, Smartphones, Tablets: Die digitale Technik verändert nicht nur unsere Kommunikation – sie verändert uns. Aus dem Englischen von Ronja von Wurmb-Seibel. Die Zeit. 03.05. 2012. S. 13.

Voigt, Martin (2015). Mädchenfreundschaften unter dem Einfluss von Social Media. Lang.

Wenger, E. (1998). Communities of Practice: Learning, Meaning, and Identity. Cambridge University Press.