Servus in Stadt & Land - Bayern 09/12
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Von der Natur geschmückt
September 09/2012
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Zu Gast im Bayerischen Wald & Rösser von der Wiesn & Die Steinmetzen vom Dom zu Regensburg >
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Frisch von der Almherzhaftes zum nachkochen
Leben mit der Natur Die sennerin am Königssee
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12 KletterkünstlerMauerkatze, Trompetenblume und Co leuchten jetzt in allen Farben.
18 Zarte FabelwesenIn der Eggstätt-Hemhofer Seenplatte leben mehr als 40 Libellenarten.
22 Ein Platzerl für WunderIm Garten von Sabine Wühr in Schweinhütt gedeiht einfach alles.
30 Reife SchönheitenSpätsommerlicher Formenzauber im Staudenbeet.
128 Das heimliche WaldhuhnJetzt hat man die seltene Chance, das kleine Haselhuhn zu erspähen.
Natur & Garten 44 Schmackhafter
AlleskönnerOb Knolle, Samen oder Grün – vom Fenchel kann man einfach alles essen.
48 Frisch von der AlmHerzhafte Hütten-Rezepte.
56 Guten Morgen!Wir backen eine Handsemmel.
58 Aus Omas KochbuchKlosterpolsterl aus dem Altmühltal.
60 Zeit zum LesenDie Trauben sind reif, und wir haben damit Köstlichkeiten zubereitet.
Küche 68 Das Waidlerhaus im
DreiländereckDas Ehepaar Platschek hauchte einem alten Imannhäusl im Bayerischen Wald neues Leben ein.
80 Bunter ApfelschmuckHübsche Gestecke, Kerzenständer und Kränze zum Selbermachen.
84 Basteln mit KindernWie aus Omas Taschentüchern duftende Kräutersackerl werden.
86 Zimmer mit AussichtWir verschönern die Veranda und machen es uns dort gemütlich.
Wohnen
September 2012Inhalt
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84
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Servus 5
90 Feines aus MännerhandIn seiner Münchner Manufaktur stellt Tobias Gattermann Posamenten her.
110 ÄhrensacheMonika Drax verarbeitet in Recht-mehring alte Getreidesorten zu Mehl.
114 Die Sennerin vom Königssee
Christine Bauer erfüllte sich auf einer Alm ihren Lebenstraum.
122 Die Dom-SteinmetzenDie Steinmetzen vom Regensburger Dom arbeiten wie im Mittelalter.
132 Zwischen Alz und TraunZu Gast im nördlichen Chiemgau.
Land & Leute 94 Schön eingespannt
Die prächtigen Brauerei-Rösser von der Wiesn kennt und liebt jedes Kind. Wir haben sie abseits davon in ihrem Pferdeparadies im niederbayerischen Regen besucht.
106 Die stille Loferl-RevoltePassend zum Janker strickt Hilde Sailer in Saulgrub die Waden-strümpfe. Mit Mustern, die seit jeher wie ein Geheimnis gehütet werden.
158 Alte ZeitenDer Säurereichtum des Weins von bayerischen Rebstöcken war einst so legendär, dass er in Sprichwörtern Eingang fand.
Brauchtum
3 Editorial 8 Mundart 10 Servus daheim 28 Schönes für draußen 34 Der Garten-Philosoph 36 Selbst gebaut: Strickleiter 38 Gartenpflege, Mondkalender 42 Natur-Apotheke: Rosmarin 66 Schönes für die Küche 76 Fundstück: Alte Schubladen 88 Schönes für drinnen 102 Michael Köhlmeier: Das Gasthaus zum Roten Mandl 144 Gutes vom Bauern 148 Bernhard Aichner: Fast ein Märchen von der Liebe 152 ServusTV: Sehenswertes im September 156 Feste, Märkte, Veranstaltungen 162 Impressum, Bezugsquellen
Coverfoto: Katharina Gossow
Standards
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naturwissen
enn die Sonnenstrahlen auf das schilfige Ufer des Stettner Sees fallen, ist Adonis (Pyrrhosoma nymphula) in seinem Element: Kunstvoll zieht das elegante schwarz-rot gezeichnete Libellenmännchen seine Bahnen. Geschwind tragen ihn seine hauchzarten Flügel von einem Schilfstängel zu den Seerosenblättern, von den morasti-gen Baumresten bis zur nahen Waldlichtung und wieder zu den Seerosen.
Adonis ist auf Brautschau. Nur am See kann er seine Angebetete finden, denn paa-rungsbereite Libellenweibchen zieht es an flache Gewässer mit vielen Schwimmpflan-zen. Dort legen sie später ihre Eier ab.
„Mehr als 40 Arten dieser mystischen Geschöpfe leben hier“, schwärmt Diplom-biologin Ursula Grießer. Sie leitet Natur-exkursionen am Stettner See und den 17 weiteren Gewässern der Eggstätt-Hemhofer Seenplatte. Sie kennt die Geheimnisse der heimischen Tiere und Pflanzen. Sie weiß, wo Biber, Graureiher und Kreuzotter unge-stört leben, und erzählt von der blühenden Moosbeere oder der geschützten Rosmarin-heide. Aber besonders gern entführt sie die Besucher ins Reich der Libellen.
Sie sind ihre Leidenschaft. „Vielleicht weil das Leben dieser Insekten das Märchen vom hässlichen Entlein widerspiegelt, das
Eines der artenreichsten Naturschutzgebiete Bayerns ist die Eggstätt-Hemhofer Seenplatte im Chiemgau. Nicht nur Graureiher oder Karpfen fühlen sich in der einzigartigen
Wasserlandschaft wohl, sondern auch mehr als 40 Libellenarten. An sonnigen Tagen kommen Moosjungfer, Adonis und Granatauge am Ufer zum Stelldichein.
TExT: christina radzwill iLLUSTrATioN: andreas posselt
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18 Servus
sich später zum eleganten Schwan verwan-delt“, meint Ursula Grießer.
Nach einigen Jahren als Biologielehrerin genießt die Frasdorferin es, Kindern und Erwachsenen diese Wunderwelt im Freien nahezubringen. Ausgerüstet mit Kescher, Becherlupe und Insektenglas begeistert sie ihre Gäste für einen Kosmos im Kleinen, den man als Laie schnell übersieht.
Fliegen im rückwärtsgang
Der Patrouillenflug von Adonis war erfolg-reich: Ein Weibchen hat ihn erhört. Nun beginnt ein Tanz, der seinen Höhepunkt in einem herzförmigen Paarungsrad findet.
Im Tandemflug bewegt sich das ge-schmeidige Libellenpärchen und lässt sich immer wieder auf Schilfhalmen und See-rosenblättern nieder. Bis zur Eiablage im Wasser begleitet Adonis seine Partnerin. „Abschleppaktion“ nennt die Expertin die-sen Vorgang, der – ganz unromantisch – mit der Position der Fortpflanzungsorgane zu tun hat. Das Männchen braucht Sicher-heit, dass die von ihm befruchteten Eier tatsächlich abgelegt werden und sich kein Konkurrent dazwischendrängelt.
Libellen sind scheu, schnell und schön. Etliche Mythen ranken sich um diese wun-dersamen Insekten. Augenstecher, Pferde-
tod oder Teufelsbolzen werden sie im Volks-mund genannt, und ihre Stiche sollen giftig sein. „Alles Gerüchte“, versichert die Entomo - login, „Libellen können gar nicht stechen.“
Als Jäger aber haben Libellen allen an-deren Insekten etwas voraus. Begeistert schildert Ursula Grießer die anatomischen Besonderheiten dieser Flugkünstler: Nicht nur, dass sie mit ihren riesigen Facettenau-gen überdurchschnittlich gut sehen, ihre zwei transparenten Flügelpaare setzen sich aus einem dichten Netz feinster Äderchen zusammen und lassen sich unabhängig von-einander bewegen. Deshalb können Libellen in der Luft stehen, abrupt die Flugrichtung wechseln und sogar bei Bedarf rückwärts fliegen. Beutetiere wie Fliegen und Mücken haben bei solch artistischen Flugmanövern schlechte Chancen.
die zeit bis zur ersten Flugstunde
Aus einem Wasserloch schöpft die Biologin einen Becher mit schlammiger Moorflüssig-keit: Es wimmelt von winzigen Larven, und auch ein Pferdeegel ist darunter. An Körper-form und Kiemen identifiziert sie die Larve einer jungen Großlibelle. „Etwa ein Jahr alt“, schätzt Ursula Grießer, eine Larve im „Babystadium“ also. Bis zu fünf Jahren dauert das Larvenstadium einer Libelle.
zarteFabelwesen
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Was fliegt denn da?Libellen brauchen Wasser. Vom Zustand des Wassers hängt ihre Existenz ab. Trockenlegung und Verschmutzung sind der Grund, dass ganze Arten vom Aussterben bedroht sind. Natürliche Seen, Weiher und saubere Bachläufe bieten dagegen ein ideales Habitat. Hier eine kleine Artenauswahl.
Im Moor
Torf-Mosaikjungfer (Aeshna juncea)Gefleckte Smaragdlibelle (Somatochlora flavomaculata)
Zwerglibelle (Nehalennia speciosa)
Am See
Frühe Adonislibelle (Pyrrhosoma nymphula)Kleines Granatauge (Erythromma viridulum) Fledermaus-Azurjungfer (Coenagrion pulchellum)
Am Bach
Gebänderte Prachtlibelle (Calyopteryx splendens) Gemeine Keiljungfer (Gomphus vulgatissimus) Spitzenfleck (Libellula fulva)
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Expeditionen mit Diplombiologin Ursula Grießer, Tel.: +49/176/22 87 75 08, www.natur-aktiv-erleben.de Nähere Informationen: Chiemsee-Alpenland Tourismus, Tel.: +49/8051/965 55-0, www.chiemsee-alpenland.de
Während dieser Zeit wächst sie heran, indem sie sich mehrmals häutet.
Vor der letzten Häutung geschieht das Wunder: An einem Halm klettert die Larve bis über den Wasserrand. Zum ersten Mal an der Luft, bricht nach kurzer Zeit der Panzer auf, und heraus schlüpft die form voll endete Libelle. Noch ist sie feucht und fluguntauglich, doch wenn nach einigen Stunden das Chitin getrocknet ist, kann sie zu ihrer ersten Flugstunde in filigranprachtvoller Schönheit in die Lüfte steigen.
langE jahrE im morast
Der alte Körper, der Larvenpanzer, bleibt als Exuvie, als leere Haut, am Halm hängen. Ursula Grießer holt aus dem Rucksack ein Schächtelchen mit gesammelten Exuvien hervor und erklärt, dass man daran die spätere Libellenart identifizieren kann.
Ganz einerlei, ob Mosaikjungfer, Prachtlibelle oder Pechlibelle: Der Zauber des Libellenlebens währt nur kurz. Höchstens acht Wochen kann sich die Imago, so der
Fachausdruck für das erwachsene Insekt, am Leben erfreuen. Acht Wochen nur ist es Adonis und seinen Gespielinnen vergönnt, in der Sonne zu tänzeln, Mücken zu jagen und sich dem Flirt auf Seerosen hinzugeben. So kurz krönt der farbenschillernde Libellenkörper die langen Jahre im Morast.
Wenn der Sommer zu Ende geht und die Eier abgelegt sind, heißt es endgültig, Abschied zu nehmen. Doch unter der Wasseroberfläche des Stettner Sees beginnt sich schon die neue Generation zu häuten. Und Ursula Grießer freut sich, auch im nächsten Jahr Besuchern die Augen für das wundersame Leben von Adonis und der zierlichen Moosjungfer zu öffnen. 3
Diplombiologin Ursula grießer kennt die Eggstätt-hemhofer seenplatte und ihre zahlreichen Bewohner wie keine andere. am liebsten zeigt sie ihren großen und kleinen gästen aber die Wunderwelt der libellen. mehr als 40 arten dieser zarten Fabelwesen lassen sich hier erkunden.
Eine sogenannte Exuvie: Der larven- panzer bleibt an einem halm zurück, wenn die libelle geschlüpft ist.
kochen mit trauben
Jetzt hängen sie süß und prall in den Reben: Die Trauben sind reif, und der Großteil davon wird wohl zu Wein gekeltert werden. Wir haben uns schnell noch ein paar gesichert und sie in der
Küche zu einem herbstlichen Wohlgenuss verarbeitet.Redaktion: uschi korda & alexander rieder Fotos: eisenhut & mayer
Zeit zum Lesen
60 servus
060-12_09_BAY_Weintraubenrezepte 60 10.08.12 18:32
Zutaten für 4 PersonenZeitaufwand: 1 Stunde
Für die Specktrauben:600 g blaue Weintrauben150 g geräucherter durchwachsener speck1 Prise Zucker250 ml Hühnersuppe1 spritzer rotweinessig2 Zweige rosmarinPfeffer
Für die Knödel:60 g Zwiebel1 eL Butter250 g altbackene Laugenstangen200 ml Milch2 große eier1 eL gehackte Petersilie1 eL Mehlsalz, Muskatnuss50 g gehackte Walnüsse
ZuBereitung1. Die Trauben waschen, halbieren und entkernen.
Den Speck in feine Streifen schneiden.2. In einer Pfanne Speck anschwitzen und die Trau-
ben mit 1 Prise Zucker zugeben. Kurz anschmoren und Hühnersuppe zugießen. Mit Essig ablöschen, Rosmarinzweige einlegen und pfeffern. 10 Minu-ten bei kleiner Hitze köcheln.
3. In der Zwischenzeit für die Knödel Zwiebel schä-len, fein hacken und in Butter hell anschwitzen.
4. Laugenstangen in kleine Würfel schneiden und mit Milch übergießen. Die Eier verquirlen, mit Zwiebel und Petersilie unter die Brotwürfel mi-schen. Zum Schluss Mehl einrühren, mit Salz
und Muskatnuss würzen.5. Aus der Masse 8 bis 12 Knödel formen und in
Salzwasser 12 Minuten unter dem Siedepunkt ziehen lassen.
6. Die Specktrauben anrichten, Knödel darauf- setzen und mit Walnüssen bestreuen.
franKen
Brezenknödel mit SpecktrauBen
061-12_09_BAY_Weintraubenrezepte 61 10.08.12 18:32
burgenland
TraubenfleckZutaten für 1 blechZeitaufwand: 2 Stunden
400 g Mehl25 g hefe200 ml lauwarme Milch1 el Vanillezucker2 eier1 Prise Salz500 g blaue und grüne trauben100 g Kristallzucker50 g flüssige butter
Zubereitung1. Mehl in eine Schüssel sieben und in
der Mitte eine Mulde formen. Hefe in der Hälfte der Milch auflösen, in die Mulde gießen und mit etwas Mehl bestreuen. Den Vorteig 15 Minuten reifen lassen.
2. Den Vorteig mit der restlichen Milch, Vanillezucker, Eiern und Salz zu einem weichen, glatten Teig verkneten. In eine Schüssel legen, mit einem feuch-ten Tuch bedecken und 45 Minuten gehen lassen.
3. Das Backrohr auf 200 °C Ober-/Un-terhitze vorheizen.
4. Den Teig halbieren und zwei gleich große dünne Fladen ausrollen. Einen Fladen auf ein Backblech legen, mit der Hälfte der Trauben belegen und die halbe Menge Zucker darüberstreuen.
5. Den zweiten Fladen darüberstülpen und die Teigränder festdrücken. Die restlichen Trauben auf dem Teig ver-teilen, mit Zucker bestreuen und mit flüssiger Butter beträufeln.
6. Den Traubenfleck nochmals 20 Minu-ten gehen lassen und im Backrohr etwa 30 Minuten backen.
62 Servus
062-12_09_BAY_Weintraubenrezepte 62 10.08.12 18:32
Zutaten für 4 PersonenZeitaufwand: 1 Stunde
100 g Zwiebel40 g schweineschmalz 400 g sauerkraut 250 ml riesling500 ml klare Gemüsesuppe1 Lorbeerblatt5 angedrückte Wacholderbeeren ½ tL anissamen 250 g grüne Weintrauben1 eL Zuckersalz, Pfeffer
steiermark
RieslingkRaut mit tRaubenZubereitunG1. Zwiebel schälen und in feine Streifen schneiden.
In einem Topf Schmalz zerlassen, Zwiebel darin hell anschwitzen. Sauerkraut zugeben und kurz durchrösten. Mit 200 ml Riesling ablöschen und Suppe zugießen. Lorbeerblatt, Wacholderbeeren und Anissamen einrühren und zudecken. Etwa 30 Minuten schmoren lassen.
2. Weintrauben waschen, halbieren und entkernen. In einem Topf mit Zucker leicht karamellisieren. Mit dem restlichen Riesling ablöschen und die Trauben unter das Sauerkraut mischen.
3. Das Rieslingkraut mit Salz und Pfeffer abschme-cken und weitere 10 Minuten bei kleiner Hitze ziehen lassen.
Passt als Beilage zum Schweinsbraten oder zu gebratenem Huhn.
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64 Servus
Zutaten für 4 PersonenZeitaufwand: 1 Stunde
4 Kaninchenkeulensalz, Pfeffer60 g Butter4 schalotten2 Knoblauchzehen250 ml Gewürztraminer 400 ml Geflügelfondgeriebene schale von ½ Zitrone 100 g Crème fraîche200 g grüne tomatenestragonzweige zum Garnieren
ZuBereitunG1. Kaninchenkeulen salzen und pfeffern. In einem
Schmortopf Butter zerlassen, die Keulen darin von allen Seiten scharf anbraten und heraus- nehmen.
2. Schalotten und Knoblauch schälen, fein hacken und im Bratfett hellbraun anschwitzen. Mit Ge-würztraminer ablöschen und auf die Hälfte einre-duzieren. Mit Geflügelfond aufgießen, Zitronen-schale und Kaninchenkeulen zugeben. Zudecken und bei kleiner Hitze 20 Minuten schmoren.
3. Crème fraîche einrühren und ohne Deckel weitere 10 Minuten köcheln.
4. Die Trauben zugeben und 5 Minuten ziehen lassen. Kaninchenkeulen anrichten, mit Trauben-sauce übergießen und mit Estragonzweigen garnieren.
westallGäu
KaninchenKeule mit trauben
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Kärnten
Trauben im backTeigZutaten für 4 PersonenZeitaufwand: 15 Minuten
800 g grüne und blaue trauben an der rebe160 g glattes Mehl250 ml sekt2 eier1 tL Vanillezucker, salz1 l Pflanzenöl zum frittierenstaubzucker zum Bestreueneis oder sorbet für die Garnitur
ZuBereitunG1. Trauben an der Rebe heiß und kalt ab
waschen. Mehl zuerst mit Sekt glatt rühren, dann Eier, Vanillezucker und Salz unterschlagen.
2. In einer Pfanne Öl auf ca. 175 °C erhitzen. Die Trauben durch den Backteig ziehen und goldbraun frittieren.
3. Auf Küchenpapier abtropfen lassen und heiß anrichten. Mit Eis oder einem säuer lichen Sorbet garnieren.
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hausbesuch
Frühstück in Weiß-blau in der kleinen Küche (rechts). Der abgebeizte Tisch und die stühle zählen zum ursprünglichen Inventar des hauses. Die dicken Mauern sind aus Naturstein, die mächtige Treppe aus holzbalken (links) führt hinauf in den oberen stock.
Servus 69
Mehr als vierzig Jahre stand das urige Anwesen im Bayerischen Wald leer. Bis das Ehepaar Platschek das einstige
Imannhäusl am Fuße des Dreisesselbergs entdeckte, um ihm wieder neues Leben einzuhauchen.
TexT: Carolin Giermindl FoToS: Thomas drexel
Das Waidlerhaus im Dreiländereck
70 Servus
ie schlichte Holzbank auf der Süd-seite ist ihm der liebste Platz. Oft und gern sitzt Hansjörg Platschek hier und genießt einfach nur die Stille. Kein Nachbar weit und breit. Lediglich ein wilder Kirschbaum hat sich in der Nähe angesiedelt. Auf der buckeligen Wiese schräg gegenüber weiden Kühe mit ihren Kälbern. Weiter unten bahnt sich der Kleine Schimmelbach seinen Weg.
Ansonsten gibt’s nur Bäume und Himmel. „Ein Auto pro Stunde“ zählt der Hausherr manchmal auf der kleinen Straße, die von Neureichenau bergauf am Haus vorbei-führt. „Bei dichtem Verkehr.“ Meistens aber höre man nur den Wind, sagt der ehemalige Direktor eines Gymnasiums in München-Bogenhausen. Unbesehen ginge er als Ein-heimischer, als Hiesiger, durch, weil er wortkarg sein kann wie so mancher „Waid-ler“ – so sagen die Leut’ im Bayerischen Wald selbstbewusst zueinander.
Hansjörg Platschek aber ist Münchner, gebürtiger Schwabinger genau genommen. In diesem Stadtteil haben er und seine Frau Gertraud auch ihre beiden Kinder groß-gezogen. Erst in den letzten Jahren liebäu-gelten die Architektin und der Oberstu di - en direktor mit dem Gedanken, sich einen Wohnsitz auf dem Land zuzulegen. Ein altes Fachwerkhaus in Franken oder ein „Sacherl“ in Niederbayern, danach suchte das Paar. Angebote im oberbayerischen Seenland standen nicht zur Debatte. „Das ist mir mittlerweile zu viel Disneyland“, bedauert der Münchner.
vom GetreidelaGer zum Gästezimmer
Ein verfallenes Waidlerhaus im tiefsten Bayerischen Wald, nah an der Grenze zu Böhmen und Oberösterreich, ist es schließ-lich geworden. Ein sogenanntes Imannhäusl mit einem Hektar Grund im Landkreis Frey-ung-Grafenau erwarben die Platscheks 2007. „Ihäusler“, so nannte man einst die Leute, die bei Bauern zur Miete lebten, zwei oder drei Kühe und ein Schwein im Stall hatten und dem Vermieter als Arbeitskräfte zur Verfügung stehen mussten.
Im Haus eines „Imanns“ waren Wohn-räume, Stall und Stadel hintereinander unter einem Dach untergebracht, das
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die gute alte stube (großes Bild) ist auch heute noch das zentrum des häuslichen lebens. Hier wird auch zu abend gegessen (links unten), gelacht und gelesen. die sogenannte spinnerinnenbank, auf der früher Flachs gesponnen wurde, dient heute als Bücherregal und ablage.
Herz Jesu, Herz Mariä – neben den Bildern sieht man winzige Löcher. Ein Vorbesitzer vernagelte das schöne Holz mit Strohmatten. „Denkmal eines Irrwegs“ nennt das Ehepaar den kleinen Makel.
Von der Stube aus führt eine Tür hinaus in die frühere Speisekammer (Bild ganz oben). Heute wird der Raum als Ruhe- oder Arbeitszimmer genützt. Rechts: das wunderschöne Bad aus Granitsteinen mit einem alten „Grand“ als Waschbecken.
Ein alter Holzschlitten, bezogen mit einem gewebten orientalischen Läufer, steht auf dem offenen Speicher. Aus dem „Leibhaftigen Liederbuch“ spielt der Sohn des Paares gern Stücke auf seiner Laute. Der große bemalte Bauernschrank stammt aus dem Allgäu.
Servus 73
Fundament war aus Natursteinen, der Rest des Gebäudes im Blockholzbau errichtet. Das Anwesen der Platscheks ist ein ganz typisches kleines Imannhäusl: mit einer Rauchkuchl, einer Stube, einer unterkellerten „Speis“ und einer Kammer für den Knecht im oberen Stock – so war die frü here Raumaufteilung.
Heute, nach umfassender Renovierung, hat das Ehepaar rund 180 Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung. Der ehemalige „Troadkasten“, das Getreidelager im obe ren Stock, wurde zum Gästezimmer, die Scheune zum Atelier der Hausherrin und der frühere Stall zum Schlafzimmer des Paares umgewidmet.
Spinnrad, Garnzähler und ein kruzifix
Behutsam, aufwendig und mit viel Sachverstand hat das Paar dieses Waidlerhaus, das Anfang des 19. Jahrhunderts am Fuße des Dreisesselbergs (1.333 m) errichtet wurde, über eineinhalb Jahre instand gesetzt. Das Dach erneuert, Mauern freigelegt, Decken und Böden eingesetzt, Türen ausgetauscht, die Fassade neu geschindelt. Denn der Zustand des Bauernhauses zum Zeitpunkt des Kaufs sei „erbärmlich“ gewesen, sagt Hansjörg Platschek. Die letzten Bewohner verließen das Gebäude 1968, irgendwann stürzte das Dach unter einer dicken Schneedecke ein; fortan konnten Regen und Feuchtigkeit ungehindert eindringen.
Da blieb nicht viel übrig vom früheren Inventar. Deshalb hält das Paar mit viel Freude Ausschau nach Möbeln, Bildern und Gegenständen, die zur Geschichte des Hauses passen. Einheitlich und harmonisch soll alles wirken.
Das Paar will der früheren Bedeutung des Imannhäusls Rechnung tragen. Auch die Einrichtung der neuen Stube, jenes Raums, in dem sich früher das gesamte familiäre Leben der „Ileut“ abspielte, ➻
9EinE Rauchkuchl,
EinE StubE, EinE untERkEllERtE
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das obere Stockwerk ist beinahe komplett neu gezimmert. nur die frühere knechtkammer aus Vollholz blieb erstaunlich gut erhalten.
holz, wohin man schaut. das Gäste-zimmer, einst das Getreidelager, wurde mit heimischer fichte neu eingekleidet. Mitte: ein antiker Wecker läutet den Tag ein.
„Unser kleines Kneippbad“ nennen die Hausbesitzer den Kleinen Schimmelbach liebevoll. In dem Bacherl lässt es sich wunderbar Wasser treten. Links: der alte Brotbackofen unter neuem Dach.
Der Brunntrog aus Granit stand einst in der Speisekammer – fürs gehobelte Weißkraut. Rechts: Gertraud Platschek plaudert mit ihrer Mutter auf der Hausbank.
Servus 75
erzählt von längst vergangenen Tagen. Ein zierliches Spinnrad steht dort, ein hölzerner Garnzähler, ein altes Bügeleisen, ein paar kleine Osterratschen und diverse Schnupftabakgläser aus Glas und Keramik. Rund um den Raum verläuft eine hölzerne Bank, die auf acht Steinkonsolen ruht: Auf dieser sogenannten Spinnerinnenbank haben die Ileut früher Flachs gesponnen.
Ein kleines privates Volkskundemuseum haben sich die Platscheks hier wohnlich eingerichtet. Von schlichter Schönheit sind die ausgewählten Dinge, denn das Paar mag „alles, nur kein Jodelbarock“.
Nachbarn und Freunde unterstützen die neuen Hausbesitzer beim Einrichten und bringen gelegentlich auch Dinge vorbei. Das alte geschnitzte Kruzifix, das in der Stube hängt, ist zum Beispiel ein Geschenk des Zimmerermeisters Lang aus Jandelsbrunn. Josef Lang war es, der beinahe sämtliche Holzarbeiten im Haus übernahm und mit viel Akribie und Leidenschaft zu Werke ging. „Ein unheimlich findiger Handwerker“, lobt ihn der Hausherr. Aber auch die übrigen am Umbau beteiligten Handwerker aus der Region hätten bei der Instandsetzung dieses
alten Bauernhauses eine Freude gehabt. „Ein Waidler kapituliert nicht so schnell“, sagt Hansjörg Platschek heute.
Nehmerqualität wurde dem Ehepaar abverlangt: Kurz vor Abschluss der Renovierung verursachte eine Bauleuchte einen Schwelbrand im Erdgeschoß, und im Nu waren alle Räume von der Decke bis zum Boden voller Ruß. Drei Monate dauerte es, bis der Schaden wieder beseitigt war.
Wie man sich fühlt als Bauherr, wenn kurz vorm Einzug eine derartige Katastrophe
passiert? „Mei, a Freud’ hat ma ned“, meint der ehemalige Deutschlehrer trocken. Im Mai vor zwei Jahren konnte das Ehepaar dann zum ersten Mal im Imannhäusl übernachten. Wie’s war? „Kalt“, sagt der WahlWaidler, wortkarg wie immer.
die waidler fühlen sich verbunden
„Ein halbes Jahr lang ist Winter, und die restlichen sechs Monate ist es kalt“, so beschreiben selbst Einheimische das Klima im unteren Bayerischen Wald. Wenn dann noch der legendäre Böhmwind bläst, ein kalter Wind aus Nordost, kann es vorkommen, das selbst an einem Sommertag Rauch aus den Kaminen steigt.
Aber das strenge Wetter hat auch gute Seiten. „Man fühlt sich verbunden, nicht zuletzt wegen des rauen Klimas“, sagt Hansjörg Platschek. Jeder helfe hier jedem. „Einen Waidler bittest du nie vergeblich um irgendetwas“, meint der Mann, der im letzten Jahr mit seiner Frau für die Renovierung des Imannhäusls den Denkmalpreis des Bezirks Niederbayern erhielt. Vielleicht sollte man ihn auch gleich als Botschafter des Bayerischen Waldes auszeichnen. 3
dach erneuern, Mauern freilegen, die fassade schindeln: eineinhalb Jahre dauerten die arbeiten am imannhäusl. die besitzer erhielten dafür den denkmalpreis des bezirks niederbayern.
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legendäre BöhmWind üBer daS Waldreiche mittelgeBirge
BläSt, Steigt auch an Sommertagen
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wunder der heimat
132 Servus
Servus 133
Auch in Truchtlaching liegen Kirche und Wirts-haus nah beisammen, das gehört sich einfach so. Dass die beiden dörflichen Institutionen direkt aufs Wasser schauen, auf die hier sehr ruhige Alz, das gibt’s aber wohl nirgendwo sonst.
Obwohl der Chiemsee, das „bayerische Meer“, so nahe liegt, wird der nördliche Chiemgau vor allem von zwei Flüssen geprägt. Und von reichen künstlerischen Traditionen,
ob im Kloster oder auf dem Bauernhof.TexT: ANJA KEUL FoToS: bErNhArD hUbEr
Zwischen Alz und Traun
s gibt Orte, da passt einfach alles. Dieses Eck in Truchtlaching zum Beispiel, an dem sich zufällig ein zwie-beltürmiges Kirchlein, ein Biergarten unter Kastanien und eine Brücke am breiten, von Strudeln und Gumpen durch-zogenen Fluss treffen. Das ist so ein Ort, an dem man ein-fach stehen bleiben und schauen muss, obwohl eigentlich gar nichts passiert. Höchstens, dass man jetzt gleich eine sakrische Lust auf ein Weißbier auf der Flussterrasse vom Neuwirt bekommt.
Jetzt im September stehen auch die Chancen gut, dass ein vollbesetztes Floß vorbeizieht – von Anfang Juli bis Anfang Oktober sind ja die Fahrten im Landschaftsschutz-gebiet erlaubt. Wer lieber im eigenen Rhythmus unterwegs ist, kann zu Fuß oder mit dem Fahrrad auf dem Klosterweg vom Kloster Baumburg bei Altenmarkt an der Alz über Truchtlaching zum Kloster Seeon gelangen, wo schon Mozart gern Station machte und sein musikalisches Erbe mit Liebe und Leidenschaft gepflegt wird.
WOHIN FAHREN WIR? DES SIAG MA SCHO!
Man kann natürlich auch in einem staubbedeckten Auto an hüfthohen Kornfeldern entlangheizen, während das wild-wachsende Gras zwischen den Fahrspuren am Bodenblech schrammt. Das passiert, wenn Günther Wallner eine Idee hat. Zum Beispiel die: „I zoag eich amoi die schönsten Plätze an der Alz.“
Normalerweise drechselt Günther in seiner kleinen Werkstatt in Truchtlaching friedlich Brotkörbe aus Zirbel-holz, aber wenn das Temperament mit ihm durchgeht, hilft halt nix. Und auf die Frage „Günther, wohin fahren wir denn?“ erhält man nur die Antwort: „Des siag ma scho!“
Dann geht’s rechtsherum in ein schmales Sträßchen und weiter auf dem Feldweg, der die Alz linker Hand begleitet. Bei zwei Baumskeletten am Ufer hält er an: Sanft schwingt sich die Wiese zum hier sehr breiten, moosgrünen Fluss hinab, die ausgebleichten Äste spiegeln sich im Wasser.
Ein paar Felder und Schlaglöcher weiter stoppt Günther beim Gasthof Roiter. Schon seit Generationen betreiben die jeweiligen Wirtsleute hier eine der wenigen noch ver-bliebenen Seilwindfähren Deutschlands. Früher war sie in weitem Umkreis der einzige Weg über die Alz, brachte die Bewohner der „hinteren Klosterwiesn“ vom Hölltal zur Messe ins Kloster Baumburg und die Kinder zur Schule in Altenmarkt. Gleich oberhalb der Wiese verläuft die Grenze zum ausgedehnten Gebiet des Klosters Seeon, das im Ge-gensatz zum Augustiner-Chorherren-Stift Baumburg von Benediktinern geführt wurde.
Beide Klöster prägen heute noch Leben und Alltag der Region. Jeder, der hier Land besitzt, weiß genau, welchem der beiden die Vorfahren ihr Teil abgeben mussten.
Wer mit Zirbelholzdrechsler Günther Wallner unterwegs sein will, braucht gute Nerven. Dafür wird er aber mit einem schönen Blick über die Alz be-lohnt (re., gr. Foto). Ein Stück weiter flussabwärts bringt Fährfrau Birgit Friese mit ihrem Kahn „Mina“ drei Rad-lerinnen sicher ans andere Ufer – ein Trinkgeld ist selbstverständlich.
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9Bei zwei auSgeBleichten
BaumSkeletten endet die wilde Fahrt üBer Feldwege. SanFt Schwingt Sich
die wieSe zum FluSS hinaB.9
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Vor dem Wiesenstrand, der zum Huberhof in Niesgau gehört, dreht sich ein Wasserradl in der Alz. Hier kann man wunderbar den Nachmittag verträumen und dem Fluss beim Fließen zusehen.
Birgit Friese, die Tochter von Anna Baumann, der Wirtshauspächterin, sitzt gerade beim Mittagessen, da kommt Kundschaft für die Alzfähre. Drei Radlerinnen wollen übergesetzt werden. Dass Birgit noch schnell ihr Würschtl mit Kartoffelsalat aufisst, macht ihnen gar nichts. Schließlich kann man sich die Wartezeit am idyllischen Fähranleger gut vertreiben – und wenn man bloß auf die Alz schaut, die hier ständig neue Muster auf die Wasseroberfläche malt.
Direkt vor dem Fährhäuschen, in dem der Kahn „Mina“ liegt, macht sich ein mächtiger Strudel breit. Den nutzt Birgit als Antrieb für die Fähre – solange das Wasser der Alz hoch genug steht, braucht sie nur ein paar Meter zu rudern, und den Rest erledigt der Sog. Im Hochsommer, wenn das Wasser nur ein paar Handbreit tief ist, muss sie allerdings mit einem langen Stab ans andere Ufer staken. „Das geht in die Arme!“, sagt sie. Geld verlangen sie und ihre Mutter trotzdem nicht für die Überfahrt. Wer mag, gibt ein Trinkgeld, das war schon immer so.
DER PFARRER SCHAUT, OB DIE POINTE SITZT
Manchmal fährt sogar der Besitzer Engelbert Gerstandl selbst, der gegenüber vom Gasthof Roiter wohnt. Seine Frau hat die Gaststätte samt Fähre geerbt, aber sie ist jung gestorben wie ihre Geschwister auch; und so liegt es nun an ihm, den traditionellen Betrieb aufrechtzuerhalten.
Erst vor zwei Jahren schaffte Engelbert eine neue Fähre an, erstmals aus Aluminium statt aus Holz – die ausrangierte alte „Mina“ liegt jetzt auf dem Spielplatz des Gasthofs auf dem Trockenen. Jedenfalls gab’s zur Schiffstaufe ein großes Fest mit Hornbläsern, die im weiten Tal wunderbar klangen, und eine feierliche, aber auch humorvolle Segnung von Pfarrer Stigloher vom Kloster Baumburg.
Ganz egal, mit wem man in Altenmarkt oder Truchtlaching ins Gespräch kommt – wenn man erzählt, dass man gerade mit dem Pfarrer Stigloher zusammengesessen hat, huscht ein Lächeln über jedes Gesicht. Und dann ein Schatten. „So schad is, dass er jetzt in Pension geht“, heißt es dann. „Den werd ma vermissn!“
34 Jahre lang kümmerte sich der Pfarrer um die 3.000SeelenGemeinde und die wundervolle Kirche des Baumburger Klosters, das RokokoJuwel des Chiemgaus. Stundenlang könnte man die Deckenfresken studieren, die Stuckaturen in hellem Rosa, Gelb und Braun und das durch die hohen Fenster hereinströmende Licht. Stundenlang könnte man dem Pfarrer zuhören, dem ein Bonmot nach dem anderen über die Lippen kommt und der seinen Abschied trocken kommentiert: „Wenn einer aufhört, hinterlässt er eine Lücke, die ihn vollständig ersetzt.“ Dann schaut er kurz herüber, ob die Pointe auch angekommen ist.
Doch so amüsant er auch erzählt und seine Predigten hält – bei seiner Kirche versteht der Pfarrer keinen Spaß. „Zum letzten Mal wurde sie vor über 50 Jahren renoviert. Dass sie jetzt noch so sauber ist, liegt daran, dass wir nicht heizen. Schönheit muss halt leiden.“ Aber bleiben die Schäfchen nicht weg, wenn’s im Winter so kalt ist? „Da hilft nur eines: eine lange Unterhose und eine kurze Predigt“, sagt der Pfarrer, schmunzelt in sich hinein und erzählt die nächste Anekdote: „Sagt ein Fremder zum Einheimischen: ‚Eine schöne Kirche habt ihr hier!‘ Sagt der Pfarrer: ‚Wir schonen sie auch!‘“
Das Kloster Baumburg wacht über Altenmarkt an der Alz und ist von weit her zu sehen. Obwohl die letzte Renovierung mehr als fünfzig Jahre zurückliegt, strahlen die Deckenfresken und Stuckaturen. Um sie zu schützen, ließ Pfarrer Josef Stigloher selbst im Winter nicht heizen. Jetzt im September geht er in Pension, und alle vermissen ihn.
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Die Stiftskirche des Klosters Baumburg aber wird nicht geschont. Sie ist oft auch Schauplatz stimmungsvoller Konzerte, die etwa Johannes Schadhauser gern besucht. Der Klavier- und Cembalo-Baumeister kommt schon aus beruflichem Interesse häufig her. In seiner Werkstatt drun-ten in Altenmarkt, wo die Traun in die Alz fließt, baut und restauriert er nämlich Instrumente nach historischen Vor-bildern. Und im Nebenraum steht sogar ein besonderes Prachtstück: ein Hammerklavier aus dem 18. Jahrhundert aus dem Besitz der Grafen Toerring. „Könnt schon sein, dass auch der Mozart mal drauf gespielt hat“, sagt Johan-nes Schadhauser.
IM KLOSTER SEEON WAR MOZART OFT ZU GAST
Der Mozart. Keine zehn Kilometer Luftlinie entfernt, im Kloster Seeon, fällt der Name dauernd. Ob er wirklich je-mals unter der prachtvollen „Mozarteiche“ gesessen hat, weiß natürlich niemand mehr zu sagen. Dass er oft zu Gast war, ist allerdings belegt – schon allein durch die beiden Offertorien, die er hier komponierte.
Der Kirchenchor des Klosters Seeon hat diese selbstver-ständlich im Repertoire. Chorleiterin Andrea Wittmann, die gern hoch droben auf der Empore die „Mozartorgel“ spielt, weiß auch genau, in welchem Haus das Genie mit seinem Vater Leopold gewohnt hat. Es liegt dem Kloster genau ge-genüber. Im Dorf Seeon selbst zeigen sich die Häuser zur Hauptstraße hin von ihrer schönsten Seite. Ordentlich her-ausgeputzt sind sie und mit bunten Blumen geschmückt.
Es kommen ja auch viele Ausflügler her. Die Kirche des Klosters Seeon mit ihren von Welschen Hauben gekrönten Türmen und der „Seeoner Muttergottes“ von 1433 (die al-lerdings nur als Kopie zu bewundern ist; das Original steht im Bayerischen Nationalmuseum in München) ist ein Pub-likumsmagnet. Im Stillen entfaltet sie ihre Wirkung freilich viel intensiver. Abends etwa, wenn man in die dunkle Kir-che schlüpft, kurz bevor zugesperrt wird, wenn man ganz allein die Renaissancefresken betrachtet und vielleicht noch eine Kerze anzündet für einen lieben Menschen, der nicht mehr da ist.
Draußen vor der Kirchentür stehen zwei steinerne Stühle, die alt aussehen, aber das Werk eines Künstlers un-serer Zeit sind. In die Lehnen sind Wörter benediktinischer Grundsätze eingraviert: „Hören – Gebet – Lehren – Demut“ steht auf der linken, „Sehen – Arbeit – Dienen – Freude“ auf der rechten. An ihnen vorbei geht’s nur ein paar Schritte weiter zum stillen Klostersee. Wer von hier aus zu den schönen alten Häusern gegenüber schaut, dem fällt viel-leicht auf, wie viel doch gleich bleibt, auch wenn sich die Zeiten ändern.
dAS KÜNSTLERATELIER IM KUHSTALL
Ein Thema, über das auch Hans Thurner oft nachdenkt. Manchmal mit dem Schweißbrenner in der Hand. Zurzeit hat er es mit monumentalen Kugeln aus Stahlblech, die er gemeinsam mit seiner Frau Ute Lechner in mannigfalti-gen Varianten herstellt. „Die Erde ist keine vollkommene Kugel“, sagen sie, und deshalb zeigen ihre Skulpturen oft auch Schweißnähte, Spalten und Verletzungen.
Der ehemalige Kuhstall von Thurners Landwirtschaft ist ihr Atelier – und was für eins! Mit massenhaft Platz für all die Werke, die das Künstlerpaar in mehr als 30 Jahren
Rund um den blumenge-schmückten Huberhof (o.) findet jeder ein gemütliches Platzerl. Bei Johannes Schad-hauser geht es dagegen eher beengt zu, schließlich stehen in seiner Werkstatt und in seinem kleinen Museum dut-zende Klaviere, Spinette und Cembali. Mit 14 Millimeter durchmesser besitzen die Fin-ger des Klavier- und Cembalo-Baumeisters übrigens genau das Rastermaß, nach dem auch moderne Instrumente gebaut werden.
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Das Kloster Seeon ist ein Hort der Tradition und Kultur. Eine Installation von Hans Thurner erinnert an die Abgaben, die die Bauern früher entrichten mussten (o.). Um das musikalische Erbe kümmert sich Andrea Wittmann – als Leiterin des Kirchenchors, der jetzt im Herbst zwei besondere Gottes-dienste mitgestaltet, und an der prachtvollen „Mozartorgel“.
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Drei Gewässer auf einer Seite: Aus dem Chiemsee stammen die Renken. Bis Anfang Oktober kann Florian Kirchmeier sie noch fischen, danach ist Schonzeit (o.). Bei Traunreut thront Schloss Pertenstein über der Traun (u. li.), steht aber im Schatten der legendenumwobenen Höhlenburg Stein. An der Alz kann man auf der Terrasse der Truchtlachinger Privatbrauerei Camba Bavaria eine Brotzeit genießen und dazu unter rund 15 Biersorten wählen (u. re.).
Im und um den ehemaligen Stall seiner mittlerweile verpachteten Landwirtschaft bei Obing fertigt Hans Thurner monumentale Stahlblechkugeln, die draußen bei Wind und Wetter Rost ansetzen (o.). Direkt neben der Höhlenburg Stein (ganz unten) liegt die Schlossbrauerei Stein. Lokale Konkurrenz bekommt sie seit eini-ger Zeit aus Truchtlaching.
geschaffen hat. Im Hauptberuf ist der Thurner Hans übrigens seit 17 Jahren Bürgermeister von Obing. Die Künstlerseele des massigen Manns mit Seehundschnauzer erkennt man erst draußen auf dem Land in seinem Atelier. Und vor dem Kloster Seeon, wo einige Installationen von ihm stehen: filigrane Wagen, die den Heuwendern auf den Feldern nachempfunden sind und stilisierte Tribute wie Mehlsäcke, Fische und Kartoffeln tragen, die die Menschen an das Kloster abgeben mussten.
BEIM FISCHEN BRAUCHT MAN „GFUI UND GLÜCK“
Für die Fische waren einst die Vorfahren von Florian Kirchmeier zuständig. Genau dort, wo die Alz in Seebruck aus dem Chiemsee herausfließt, steht das Haus der Familie. Seit 500 Jahren liegt das Fischereirecht darauf. Und seit 2005 kümmert sich Florian um das Geschäft.
Jeden Morgen fährt er hinaus auf den dann silbrig schimmernden See, meistens so gegen fünf. Er kontrolliert die Netze, die er nach reiflicher Überlegung an bestimmten Stellen im See ausgelegt hat, und hofft auf guten Fang, vor allem von Renken. „Des is unser Brotfisch“, erklärt er.
Rund 40 Kilo kommen heute zusammen. „Des schaut ned schlecht aus“, sagt der Florian schon nach einem Blick in das erste von insgesamt drei Netzen. „Gfui und Glück“ brauche man für die Renkenfischerei, die insgesamt noch 16 Familien genossenschaftlich organisiert betreiben.
Florian setzt auf Selbstvermarktung, vor allem die geräucherten Renken, bei deren Herstellung ihm sein Vater noch hilft, gehen hervorragend. Einmal bot ihm der Vertreter eines bundesweiten Fischhandels den doppelten Preis, weil Renken gerade knapp waren. „Aber des mog i ned“, sagt Florian – ihm ist es lieber, wenn der Chiemseefisch in der Region bleibt und die Leute herkommen müssen, um die Spezialität zu kosten.
Zur geräucherten Renke gehört natürlich ein frisches Bier. Aber keine Massenware, sondern eines aus der Gegend. Seit wenigen Jahren hat sich die Truchtlachinger Privatbrauerei Camba Bavaria mit ihren zum Teil sehr ungewöhnlich komponierten Gerstensäften einen guten Ruf erarbeitet – auf der kleinen Terrasse hoch über der Alz kann man „Trucht’linger Leichte BioWeisse“ oder einen „Dunklen Bock“ verkosten, dazu feine bayerische Schmankerl. Platzhirsch ist allerdings die Schlossbrauerei Stein, die an ihrem Stammsitz in Stein an der Traun auf mehr als 500 Jahre Brautradition zurückblicken kann.
DEN VERWUNSCHENEN BRUNNEN KENNT JEDES KIND
Noch viel älter ist die Geschichte der Höhlenburg Stein. Gleich oberhalb der Brauerei schmiegt sie sich mit düsteren Gängen und offenen Grotten in die steil abfallende Nagelfluhwand. Schon um das Jahr 1100 entstand hier die erste steinerne Burg. Jedes Kind zwischen Alz und Traun kennt die Legende des gottlosen Gesellen Heinz von Stein, eines Raubritters, der Jungfrauen entführte und in einen Brunnen warf.
Thomas Reitmaier vom Huberhof in Niesgau bringt die Geschichte immer noch zusammen, mehr als 20 Jahre nachdem er mit seinen Schwestern auf eine Burgführung geschickt wurde. „25 Meter war der Brunnen tief, und unten fielen die Madl direkt in die Traun“, erzählt er beim Weißwurstessen auf dem prächtigen Bauernhof, ➻
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Wiese mit Holzsteg an der Alz. Nur ein paar Schritte sind es hoch zum üppig blumengeschmückten Huberhof, der in der 11. Generation in Familienbesitz geführt wird. Thomas und sein Partner Reinhard haben die Ferienwohnungen auf dem Hof liebevoll gestaltet und trotz moderner Ausstattung alte Strukturen wie die schönen Dachstühle herausgearbeitet – selbst das Aussteuerzimmer der Urgroßmutter blieb erhalten. Thomas’ Mutter Dorothea kümmert sich um den Garten, aus dem viele Kräuter und köstliche Marmeladen stammen; seine Schwester Karoline kreiert kleine Kunstwerke aus Treibholz. Vor allem für Familien mit Kindern ist das weitläufige Anwesen mit vielen Sitzecken, Nischen und einem Gartenpavillon ein Tipp. Die Kühe, die Vater Alois Reitmaier hält, dürfen natürlich ge füttert und versorgt werden. Die Ferienwohnungen kosten rund ums Jahr je nach Größe (45 bis 170 Qua dratmeter) zwischen 60 und 270 Euro / Tag.Huberhof, 83376 Truchtlaching, Niesgau 5, Tel.: +49/8667/925, www.huberhof-niesgau.de
6. Der ZirbelholzdrechslerIn seinem früheren Leben führte Günther Wallner ein Radio und Elektrogeschäft, doch viel lieber beschäftigte er sich mit Holz – und stellte schon mal seine selbst gedrechselten Schalen und Schüsseln im Schaufenster neben den Fernsehern aus. Als er
mit 55, vor mehr als zehn Jahren, Herzprobleme bekam, verkaufte er den Laden. Seither widmet er sich nur noch seinen Leidenschaften, vor allem seinen Brottöpfen (ca. 140 Euro das Stück) aus streng nach Mondphase geschlagenem Zirbelholz, das herrlich duftet. „Des hält Schimmel und Fruchtfliegen ab“, sagt Günther. Kein Topf sieht aus wie der andere, bei jedem achtet er genau auf die Beschaffenheit des Holzes: „Der eine wird halt g’wampert, der andere a bisserl schmaler.“ Die beim Drechseln reichlich anfallenden Späne nutzt er als Verpackungsmaterial, mit dem man auch noch etwas anfangen kann: „Wannst die im Schlafzimmer liang hast, dann schlafst wia a Ochs!“ Gerne lädt Günther seine Kun den ein, ihn in seiner Werkstatt in Truchtlaching zu besuchen: „Und ganz oft steht wirklich oaner vor der Tür, der grad aus Brüssel oder Hannover kommt und so an Brottopf abhoin wui.“Ideen aus Holz, Günther Wallner, 83376 Truchtlaching, Rosenweg 5, Tel./Fax: +49/8667/649.
7. Feine Brotzeit und 15 Sorten BierCamba Bavaria heißt die „1. Truchtlachinger Privatbrauerei“ direkt an der Alz. Hier werden nicht nur regelmäßig 15 verschiedene Biersorten ausgeschenkt, sondern auch feine Schmankerl serviert. Ideal zum Bier ist die Platte mit sechs feinen Kleinig keiten wie Obatzda, Frischkäse oder Wurstsalat,
Unterwegs mit der Truchtlachinger Kirchenmusikerin Andrea Wittmann
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Rund um den Chiemsee finden sich reichlich Attraktionen – und reichlich Trubel. Aber nur ein paar Kilometer abseits muss man sich Wander und Rad wege mit kaum einer Menschenseele teilen und findet stille Plätze an den Flüssen. In großen Kehren schlängelt sich die Alz gen Norden. Die von breiten Kiesbetten durchzogene Traun vereinigt sich mit ihr in Altenmarkt an der Alz.
1. Rokoko-Pracht in der Klosterkirche BaumburgVon weit her sind ihre Türme zu sehen, die von der romanischen Westfassade umrahmt werden. Bereits 1156 geweiht, entstand nach zahlreichen mittel alterlichen Feuersbrünsten und Plünderungen der Umbau der Kirche zwischen 1754 und 1757 im RokokoStil. Zu Christi Himmelfahrt wird hier noch der sehr selten gewordene Brauch gepflegt, die Christusfigur durch eine Öffnung in der Decke des Kirchenschiffes „auffahren“ zu lassen – ein Spektakel, das für den langjährigen Pfarrer Stigloher „kein bil liger Showeffekt“ ist, sondern die Möglichkeit, „die Herrlichkeit Gottes mit allen Sinnen zu erleben“. www.baumburg.de
2. Der CembalobauerIm Keller hütet er seine Schätze: Dutzende alter Klaviere, Flügel, Spinette, Cembali und ein ReiseClavichord von 1740 hat Johannes Schadhauser in seinem kleinen „Museum“ versammelt. Wenn er Zeit hat, zeigt er sie auch gern interessierten Besuchern – am besten gegen Voranmeldung.Johannes Schadhauser, 83352 Altenmarkt, Wasserburger Str. 1, Tel.: +49/8621/35 28, www.piano-schadhauser.de
3. Spaziergang mit KunstIn rund eineinhalb Stunden hat man den Obinger See gemütlich umrundet – freilich nur dann, wenn man nicht immer wieder innehält, um eines der zwei Dutzend Werke südostbayerischer Künstler zu betrachten, die am Ufer aufgestellt sind. Als Bürgermeister von Obing initiierte Hans Thurner 1998 das Projekt. Zusammen mit Ute Lechner steuerte er die Skulptur „Die Ganzheit“ bei, eine weithin leuchtende goldgelbe Kugel, die man sogar von der vorbeiführenden B 304 erkennen kann.
4. Bimmeln für die ÜberfahrtVor allem sonntags stehen die Radler fast Schlange, um beim Gasthof Roiter über die Alz gebracht zu werden. Vor oder nach der Überfahrt bietet es sich an, im schönen Wirtsgarten einzukehren. Wer am östlichen Flussufer steht und hinüber Richtung Seeon will, muss allerdings läuten und ein bisschen warten, bis Birgit Friese oder ihre Mutter mit dem Kahn übergesetzt haben.Gasthof Roiter, 83352 Altenmarkt, Roit 1, Tel.: +49/8621/73 87
5. Urlaub am BauernhofEin Bauernhof mit eigenem Strand – wo gibt’s denn so was? Thomas Reitmaier zeigt stolz über die
Die ruhigen Seiten des ChiemgausStimmungsvolle Plätze und stille Oasen
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die in hübschen Gläsern auf einem Brettl daher- kommen. Jeden Donnerstag gibt’s Haxnessen aus dem Holzofen. Camba Bavaria, 83376 Truchtlaching, Mühlweg 2, Tel.: +49/8667/80 94 66, www.cambabavaria.de
8. Willkommen im KlosterEin stiller See, ein ebenso überschaubares wie idyl-lisches Kloster-Ensemble mit einer hervorragenden Klostergaststätte, zu der sogar ein gotischer Keller gehört – kein Wunder, dass das Kloster Seeon ein beliebter Ort für Tagungen und Veranstaltungen ist. Ein besonderes Erlebnis ist es, wenn der Seeoner Kirchenchor einen Gottesdienst in der Klosterkirche St. Lambert musikalisch mitgestaltet. Zum Beispiel am Sonntag, 16. September, zum Erntedank mit an-schließendem klösterlichem Markt mit Erzeugnis-sen der regionalen Landwirtschaft, Volksmusik und vielen Aktionen zum Mitmachen. Oder am Sonntag, dem 7. Oktober, zum Rosenkranzfest, bei dem die einzigartige Rosenkranz-Monstranz der Kloster-kirche zum Einsatz kommt (Beginn jeweils 9 Uhr). Übrigens: Direkt am Kloster gibt es auch eine Ver-leih- und Ladestation der im Chiemgau mittlerweile sehr verbreiteten E-Bikes.Kloster Seeon, 83370 Seeon, Klosterweg 1, Tel.: +49/8624/89 70, www.kloster-seeon.de
9. Renken vom ChiemseeMittwochs und freitags schürt Florian Kirchmeier normalerweise den Räucherofen an, nachdem er vom Fischfang auf dem See zurückgekommen ist. Das Räucher holz dazu stammt aus dem eigenen Wald: „I hob mei Räucherkammer wie früher mit echten Holzscheiten – mit Räuchermehl mach i nix!“ Verkauft werden die frisch geräucherten Ren-ken, so lange der Vorrat reicht – dann stellt Florian auch ein Schild auf die Straße, damit die Leut Be-scheid wissen.Florian Kirchmeier, 83358 Seebruck, Traunsteiner Str. 2, Tel.: +49/8667/607
10. Die Burg der bösen RitterDer Eingang zur Höhlenburg Stein liegt um die Ecke der Brauereigaststätte Martini in Stein an der Traun. Zu besichtigen ist das Innere der Burg mit Flucht-wegen, einer Folterkammer und dem berühmten Brunnen nur bei Führungen, zu denen mindestens fünf erwachsene Teilnehmer zusammenkommen müssen. Taschenlampe mitnehmen!Infos: Verein der Freunde der Burg Stein, Tel.: +49/8621/25 01 oder 59 84, www.steiner-burg.de
11. DasMaximum – das KunstjuwelAuf einer Ausstellungsfläche von 3.000 Quadrat-metern zeigt das 2011 eröffnete Museum in weit-räumigen Hallen vier deutsche und vier ameri-kanische Künstler, die die Entwicklung der zeit- genössischen Kunst seit 1960 bis heute prägen: John Chamberlain, Walter de Maria, Dan Flavin, Andy Warhol, Georg Baselitz, Uwe Lausen, Imi Knoebel und Maria Zerres. Sie entwarf auch die far-benfrohe Bemalung der Außenwände.DasMaximum, 83301 Traunreut, Fridtjof-Nansen-Str. 16, Tel.: +49/8669/120 37 13; geöffnet ist nur Sa/So; www.dasmaximum.com
in dem Gäste aus ganz Deutschland in sorgsam renovierten Ferienwohnungen Urlaub machen. Schon seine Urgroßeltern, die in den 30erJahren des vergangenen Jahrhunderts Zimmer an Sommerfrischler aus der Stadt vermie teten, erschreckten ihre Gäste vermutlich mit den Ge schichten aus der Burg Stein.
Dass ganz in der Nähe noch eine weitere hochkarätige Attraktion liegt, wissen nur wenige. Denn normalerweise würde niemand auf die Idee kommen, nur so zum Spaß nach Traunreut zu fahren – die Stadt entstand erst Ende der 30erJahre des letzten Jahrhunderts, und so sieht sie auch aus. Doch seit vorigem Jahr besitzt sie ein echtes Kunstjuwel, das auch den Weg von weiter her lohnt: „DasMaximum“. Der hochtrabende Name passt eigentlich nicht so recht zu der Ansammlung ehemaliger Lager und Produktionshallen, der Inhalt freilich schon.
INTERNATIONALE KUNST AN DER TRAUN
Schließlich sind hier die Werke von renommierten Künstlern wie Georg Baselitz, John Chamberlain, Walter de Maria oder Andy Warhol ausgestellt. Museumsstifter Heiner Friedrich, der mit Mitte 20 nach New York auswanderte, lernte sie alle persönlich kennen und förderte sie jahrzehnte lang. Nun, weit über 70 Jahre alt, schenkte er seiner Heimatstadt dieses ungewöhnliche Museum.
Als eine der vielen Ausstellungshallen wird sogar das ehemalige Schulhaus von Altenmarkt an der Alz genutzt. Heiner Friedrichs Vater, der Industrielle Harald Friedrich, hat es in den 1960erJahren abbauen und hierher nach Traunreut bringen lassen, weil es einem neuen Schulgebäude Platz machen musste. Als Teil des Museumskomplexes ist es nun dem amerikanischen Künstler Dan Flavin gewidmet, der mit seinen Lichtinstallationen weltweiten Ruhm erlangte.
Weißes, gelbes, grünes, blaues und pinkfarbenes Fluoreszenzlicht schafft alle paar Meter eine andere Stimmung, aber immer ist sie heiter, positiv, überraschend. Ganz besonders, wenn man draußen steht und die Farben durch die kleinen Fenster der Halle herausleuchten sieht. Dann reflektiert der Wald das kunstvoll gesetzte Licht. Und das ist dann wieder so ein Ort, an dem alles passt. 3
Ein topmodernes Museum in alten Lagerhallen: DasMaximum in Traunreut präsentiert nam-hafte Künstler in lichten Räumen, in vielen sieht man noch die alten Decken- balken.
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Handarbeit
ilde Sailer ohne Stricknadeln – das kann weder sie selbst sich vorstellen, noch können die Töchter Irmi und Christine sich an einen solchen Tag erinnern. Unzählige Stunden haben sie früher mit Hausaufgaben bei Radiowunschkonzert und dem Klappern der mütterlichen Nadeln zugebracht.
Gelernt hat Hilde das Handarbeiten von ihrer Mutter daheim in Eschenlohe. Nähen, Sticken und eben das Stricken. Als sie nach Saulgrub im Ammertal heiratete, gehörten natürlich auch die Nadeln zur Aussteuer.
Früher hat Hilde vor allem Jacken zum Dirndl oder zur Lederhose gestrickt, für die Kinder, den Mann oder auch einmal für andere Verwandte. „Manchmal hob i oan Janka in da Wochn gschafft“, erinnert sie sich.
Selbst komplizierte Muster mit vielen Zöpfen strickt sie nicht nach detaillierter Anleitung. Sie schaut sich einfach einen fertigen Janker oder ein Bild in einer Zeitschrift genau an und überträgt dann das Muster aus dem Kopf aufs eigene Modell.
Der Janker und die Lederhose allein machen aber noch keine Tracht. Die trägt man früher wie heute in Saulgrub zu Festen und auch gern am Sonntag zum Kirchbesuch oder wie Hildes Schwiegersohn, wenn seine
Tochter in der Jugendliga Fußball spielt. Zum Trachtenjanker gehören also auch immer passende handgestrickte Socken und Wadenwärmer, hier Pfosen oder Loferl genannt. „Jedes Dorf hot sei eignes Muster“, erklärt Hilde.
In Saulgrub ist es das sogenannte Zwetsch genmuster in Grün und Naturweiß. Dabei
werden in der Hauptfarbe Naturweiß Maschen verschränkt gestrickt, sodass das entstandene Muster wie ein Kelch oder eben eine aufgeschnittene Zwetschge ausschaut. „Des Bsondere am Saulgruber Loferl is aba, dass man in die Zwetschge später dann noch mit Maschenstich in Grün a kloane Blüte neistickt“, sagt Hilde.
Sie legt ihr Nadelspiel mit den dünnen Bambusnadeln auf den Tisch in der Stube und holt ein fertiggestricktes Loferl aus ihrem Körbchen, um uns zu zeigen, was genau sie meint.
Noch etwas ist typisch für Saulgrub: der grünweiße große Umschlag oberhalb des Zwetschgenmusters. Hier wechselt sich ein Zackenmuster mit kleinen sogenannten Mäuse zahnreihen ab. Im Gegensatz dazu trägt man in anderen Orten den Umschlag nur gestreift mit Lochmuster.
Das Zwetschgenmuster wiederum eint Saulgrub mit Eschenlohe, nur dass es dort nicht grünnaturweiß, sondern graugrün ist. Mehrfach sieht man Loferl auch mit einem Rautenmuster, sagt Hilde, ähnlich dem in der bayerischen Fahne.
die Jüngeren wollen die tradition
In puncto Tracht wird freilich nichts dem Zufall überlassen. So wechselte der Saulgruber Trachtenverein vor ungefähr vierzig Jahren von Loferl zu Socken. Das heißt: Zu offiziellen Anlässen durften nur einfache Socken mit einem aufgestickten Rankenmuster getragen werden – so wollten es die Vereinsoberen. Doch vor einiger Zeit begann eine stille PfosenRevolte: Die
Zu einer echten oberbayerischen Männertracht gehören passend zum Janker gestrickte Wadenwärmer. Hilde Sailer beherrscht das Saulgruber Zwetschgenmuster
wie keine sonst. Die überlieferte Anleitung hütet sie wie einen Schatz.TexT: StepHanie laHrtz FoToS: bernHard Huber
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Die stille Loferl-Revolte
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9NAcH Der regel
MüSSeN SAulgruber TrAcHTler SockeN
STATT loFerl TrAgeN. Sie MögeN
Aber NicHT.9
Lederhose, Trachtenjanker und die passenden Wadlstrümpfe: Der Michi ist stolz auf sein original Saulgruber Trachteng’wand.
Hilde Sailer, so wie sie jeder im Ort kennt: daheim in der Stub’n, das Strickzeug in der Hand. Das wunderschöne Saulgruber Muster für die Wadenwärmer hat sie selbst überliefert bekommen, die Originalanleitung bewahrt sie in ihrem Handarbeitskörberl auf. Aber verstehen tut sie außer ihr niemand.
Servus 109
mancher Mutter oder Ehefrau des zoagt, aba no lang ned jede hot ebas damit ofanga kenna“, lächelt Hilde verschmitzt.
Und dann kommen die Männer halt zu ihr. Dann misst sie Länge und Breite der zu schmückenden Wade. Wenn sie dann das traditionelle Muster auf die entsprechende Weite ausrechnet, dann muss sie allein und ungestört sein. Sonst verrechnet sie sich sofort. Und dann müsste sie nachher wieder
alles aufziehen – und das wäre schrecklich. Denn schließlich braucht sie viele Stunden, bis ein Pfosen fertig ist.
Für FünF EnkElkindEr strickt siE jEtzt
Während Stricken für sie fast so selbstverständlich ist wie Atmen, mag sie das Zusammennähen und Besticken nicht so sehr. „Immer de vielen Fäden, des muss ma alles fein säuberlich vernähn, des is mir fei gar ned so recht“, seufzt sie. Dann lieber schnell einen neuen Pfosen oder halt auch eine Trachtenjacke für einen der fünf Enkelinnen und Enkel anfangen. Nur: Etwas Handgestricktes für sie selbst – dafür bleibt bei all den Wünschen meist keine Zeit mehr. 3
Wer sich auskennt, kann das saulgruber Muster sofort erkennen: die Farben sind grün und naturweiß; der große Umschlag oberhalb des zwetschgenmusters, an dem sich zacken mit kleinen sogenannten Mäusezahnreihen abwechseln. die Männer lieben die loferl, weil sie im sommer angenehmer sind als socken.
servus-tipp: Vorführung Wadlstrumpfstricken, sonntags 14 bis 17 Uhr im Freilicht museum Glentleiten, An der Glentleiten 4, 82439 Großweil, Tel.: +49/8851/18 50
Jüngeren wollten wieder Loferl statt Socken. „Die sind luftiger, des is im Sommer viel angenehmer. Zudem schaugt’s a oafach bessa aus“, meint Michael, ein guter Freund der Familie Sailer, als er uns seine von Hilde gestrickten Loferl vorführt.
Wenn der Trachtenverein bei Veranstaltungen auftritt, sind Pfosen zwar nach wie vor nicht erwünscht. Aber die Saulgruber Trachtler tragen sie jetzt doch öfter zur Kirche, beim Maibaumaufstellen oder bei Familienfesten.
Somit avancierte Hilde vor gut acht Jahren zur örtlichen LoferlStrickerin. Das offizielle Muster hat sie vor vielen Jahren übrigens von der MayrKathi bekommen, einer alteingesessenen Saulgruberin.
Noch heute liegt der handgeschriebene Zettel mit den nur für echte Strickexpertinnen lesbaren Zeichen und Angaben in ihrem Handarbeitskörbchen. „I hob scho
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