Siewerth Phi Lo Sophie Der Sprache

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GUSTAV SIEWERTHwww.gustav-siewerth.de

PHILOSOPHIE DER SPRACHE

TRIALOGO VerlagD-78421 Konstanz

Print-On-Demand-Version Auflage : 2003/06 Alle Rechte vorbehalten!Copyright 2003 by TRIALOGO

VORWORT

Die Philosophie der Sprache enthlt vier Kapitel, die den Wesensreichtum der menschlichen Sprache unter verschiedener Thematik zu enthllen suchen. Das erste Kapitel Wort und Bild ist die dritte Auflage einer Abhandlung, die 1952 im Verlag Schwann, Dsseldorf, verffentlicht wurde und daselbst vergriffen ist. Ihre zweite Auflage erschien unter dem Titel Ontologie du langage in Paris im Verlag Descle de Brouwer. Diese enthlt neben der franzsischen bersetzung durch Marcel Zemb, neben einem Vorwort des franzsischen Sprachforschers Brice Parain den vollstndigen deutschen Text. Auerdem hat der bersetzer einer biographischen und bibliographischen Einfhrung drei eindringliche Untersuchungen beigefgt, die der Seinsdeutung von Wort und Bild, der Eigenart seiner der eigenen Sprachdeutung gemen Sprache und schlielich der bersetzung selbst wie dem Vergleich der franzsischen und deutschen Aussageweise gewidmet sind. Der reiche Kommentar enthlt 331 Anmerkungen, die die bersetzungsweise erlutern, sprachliche Textabwandlungen klren und den Sprachvergleich vertiefen. Das zweite Kapitel ist der Zweitdruck einer Abhandlung, die unter dem gleichen Titel Die Sinne und das Wort ebenfalls im Verlag Schwann erschien. Ich mchte Herrn Dr. Bhringer, dem Leiter des Verlages, herzlichen Dank sagen, da er um der Einheitlichkeit und Vollstndigkeit dieser sprachphilosophischen Untersuchung willen die Neuauflage gestattete, wiewohl die erste noch nicht vergriffen ist. Der Hauptteil der Verffentlichung trgt den Titel Wahrheit und Sprache. Es stellt eine nahezu vollstndige Neufassung und ausgreifende Erweiterung eines Aufsatzes dar, der in Erbe und Entscheidung 1961 unter der berschrift: Das Wesen der Sprache zusammen mit der Deutung des Gedichtes O verlerne die Zeit! von Hans Carossa erschien. In dieser Abhandlung wurde versucht, den Wesensreichtum der menschlichen Sprache aus ihrem Wahrheitsbezug aufzuhellen und darzustellen. Der Gesamttitel Philosophie der Sprache will daher nicht im Sinne fachwissenschaftlicher Eingrenzung verstanden werden. Sofern Sprache wahre Rede ist, als solche Seiendes aufzeigt und vergegenwrtigt und aus diesem Bezug nicht zu lsen ist, ist ihr Wesen nur einer philosophischen Enthllung zugnglich. Dies besagt zugleich, da philologische Sprachuntersuchungen, die der Zwischenwelt der Sprache, ihren Wortzeichen und Satzstrukturen gelten, nicht bedeutungslos werden, sondern durch die Erhellung der aus dem Seienden des Seins her sprechenden menschlichen Rede an die verborgenen Grnde ihrer Mglichkeit zurckgegeben werden und in neuem Lichte erscheinen. Der Seinsbezug alles Sprechens ist ohne eine philosophische Durchdringung dessen, was als Seiendes, als Sein und sein Erscheinen, was als Erkenntnis und Wahrheit immer schon geklrt sein mu, nicht in wesenhafter Weise verstndlich und sichtbar zu machen. Sofern daher Sprache nicht nur in teilhaften Sichten, sondern in ihrer Wesensflle in diesen Ausfhrungen in den Blick kommt, besttigt sie zugleich die reich gegliederte und in spekulativer Zusammenschau gesammelte Seins- und Wahrheitsdeutung, die dieser Arbeit zugrunde liegt und in mannigfaltigen Untersuchungen ausgefaltet wurde. Wer tiefer in

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diese Seins- und Wahrheitsdeutung eindringen will, der sei vor allem auf die Werke: Der Thomismus als Identittssystem, zweite Auflage (Verlag Schulte-Bulmke, Frankfurt am Main); Das Schicksal der Metaphysik (Johannes-Verlag, Einsiedeln); Das Sein als Gleichnis Gottes (Kerle-Verlag, Heidelberg) und Das Sein und die Abstraktion (Verlag Otto Mller, Salzburg) verwiesen. Auch Martin Heideggers Aussagen zur Sprache, die in seinen Werken sich an vielen Stellen finden, sowie die feinsinnigen Deutungen in Unterwegs zur Sprache sollten dem Mitdenkenden gegenwrtig sein.

Freiburg im Breisgau, den 25. August 1962 Gustav Siewerth

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I. WORT UND BILD

1. Die bildgebende Erscheinung des SeiendenIn der 1. Quaestio ber die Wahrheit weist Thomas darauf hin, da alle Erkenntnis durch die Angleichung des Erkennenden an die erkannte Sache sich vollende, und zwar so, da die Angleichung die Ursache der Erkenntnis ist. Dieser Angleichung liegt die Entsprechung des Seins gegenber der Vernunft zugrunde. Im Hinblick auf die Gleichfrmigkeit sagt der Aquinate, da dieses Sein dem eigentlichen Wahrheitswesen vorausgehe, so da auch aus diesem Gesichtspunkt sich ergibt, da die Erkenntnis eine Wirkung der Wahrheit ist. Thomas kann daher mit Augustinus sagen: Wahr ist das, was ist, oder mit Hilarius: Das Wahre ist das sich offenbarende und sich klrend anzeigende Sein. Im Wesensgrunde des Seins liegt daher, da es sich offenbart hat und sich anzeigt. Es ist durch sich selbst aufgelichtet. Dies ist es nicht nur, weil es faktisch von uns oder notwendig von Gott erkannt ist, sondern aus dem uns offenbaren Seinssinn her. Dieser Sinn lt sich nach Thomas nur erschlieen durch die ontologische Scheidung des Seins gem seiner sich ermglichenden Wirk-lichkeit. Auer Gott, der reinen Wirklichkeit, ist alles Seiende verwirklicht, es ist wirklichender Akt, der sich in einem andern, als er selber ist, verwirklicht. In unserem menschlichen Erfahrungsbereich ist dieses Andere, durch das, in dem und mit dem sich Seiendes erwirkt und solchermaen ursprnglich am Werk ist (Energeia), das Empfngliche oder das Materielle. Die Materie ist der verdichtende, haltgebende Empfngnisgrund des wirklichenden Seins, ohne den dieses sich ins Leere oder ins Nichtige verlre, weil es als reines Wirklichen eine Weise ist, sich auszugieen. Nur als sich selbst denkender Geist ist solches Wirklichen vor dieser inneren Selbstentfremdung und Ausgieung bewahrt, weil es in sich selbst ein-leuchtet und so auf sich selbst hin bewegt und durchlichtet ist. In diesem Licht kehrt es zu sich zurck (Reflexion) und gewinnt und besitzt sich als Leben. Unvermischt Seiendes, das nicht reines Denken ist, verlre sich wirklichend ins Leere und wre dadurch unwirklich. Erst im Zusammenwachsen der Empfngnis (Kon-kretion), in der es ber die Materie ausgegossen ist (Thomas), verwirklicht es sich, indem es die haftgebende Dichte des Empfngnisgrundes zu sich entschrnkt und die eigene sich verstrmende Weite verschrnkt. Erst am Andern kommt es zur Wirklichkeit und kann dann aus seiner wirklichen Seinstiefe das Formlose und ungebunden Mannigfaltige der Materie einigend zu seiner Einheit erwecken und sich selbst darin verwirklichen. Verwirklicht aber ist es konkrete (einigend einige) Wirklichkeit. Formloses, zuflliges Wirklichen ist als ungerichtete Bewegung ontische und ontologische Verworrenheit und bei unendlicher Steigerung der Mannigfaltigkeit und Zuflligkeit immer nur das sich selbst potenzierende Chaos und die sich ins Wahnhafte verlierende Finsternis. Welt und Ordnung aus unbegrenzter Flle (der Zeit und der Bewegungsteile) herleiten zu wollen, ist eine dumpfe Sinnwidrigkeit. Ihr liegt das Sophisma des Materialismus zugrunde, da das Chaos durch seine ins Unendliche

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fortgehende Steigerung sich mildere und in sein Gegenteil umschlage. Die zeugende Kraft dieses Umschlags ist jedoch nicht der Greuel oder die Hlle dieser Finsternis, sondern die Einbildungskraft des materialistischen Pbels in der Philosophie, die ihre Gebilde mit dem Ergebnis ihres dumpfen Rsonierens verwechselt. Gestaltetes oder geordnetes Seiendes, wirkliche Welt entspringt aus der Wesenstiefe des Seins, die in der Verwirklichung nur sich selbst erwirkt und sich aus ihrer Mglichkeit zeitigt. Alles Wirkende erwirkt ein sich hnliches und zeigt sich daher in der Wirkung an. Diese von Thomas bevorzugte Fassung des Kausalittsprinzips erffnet von der aufgelichteten, sichtbaren Welt her den Blick in ihre Wesensgrnde. Sie sind, von der Empfngnis abgelst, geistartige Licht- und Lebensgrnde, als solche noch unvermischte Energie, die sich selbst erstrebt, das heit, die von der inneren Einheit des Ursprungs erweckt und gerichtet ist. Die zeitlich rumliche Erstreckung der Wesen, die uns erscheint und in der materiellen Empfngnis sich ereignet, ist jedoch im Form- und Lichtgrund ebenso angelegt. Sie ist dort als die sich verlierende Entuerung und Ausgieung auf anderes hin. So ergibt sich, da die Rumlichkeit sowie die in der Kontinuitt und gegen sie sich erhaltende Gestalt erwirkt und gezeitigt ist aus dem Lichtgrund der Wesensform, die gleich ursprnglich in Selbstbewahrung und Ausgieung, in Ausgang und Rckgang gestellt ist. Indem sie sich hnliches erwirkt und solchermaen sich im Anderen verwirklicht, kommt sie, aus sich heraustretend, zu sich selbst. Sofern sie das Andere des empfangenden Grundes auf sich einigt und sich ausgieend zu sich erweckt und entschrnkt, stellt sie sich aus dem Verlust im Andern, in Mannigfaltigkeit und Teilen immerfort zusammen. Sich so her-stellend, stellt sie sich, ein sich hnliches erwirkend, dar. Sich darstellend bildet sie sich selbst im Andern aus, wird an-wesend fr anderes und auf anderes hin und so gegen-wrtig. In solcher Gegenwart whrt sie als Gestalt oder als Bild, die beide auf sich selbst nach innen hin und auf anderes nach auen hin gehalten sind. Als Gebilde ist sie im Whren wesendes Wesen. In der sich verwirklichenden Empfngnis aber ist sie weiterhin sich ausgieender Licht- und Formgrund und haltgebender, sich entschrnkender Empfngnisgrund fr wirklichendes Wirken. Als solcher verhlt sie sich wirkend zu allen Wesen, die, sich im Anderen verwirklichend, freinander und aufeinander hin sich wirkend erschlieen. In solcher Empfngnis wird sie beleuchtet oder leuchtet auf anderes hin. In diesem belichteten Leuchten strahlt sie auf und scheint aus ihrem Wesensgrunde auf in der Helle einer von ihren Grnden aufgelichteten Natur. Als aus sich ausgehende und in sich selbst aufgehende Natur (phyesthai) ist sie da und Dasein. Daseiend erscheint sie im Scheinen und wird offen und offenbar. Indem sie scheinend erscheint, zeigt sie sich her und weist sich im Bilde aus. In der hnlichkeit des Gebildes ffnet sich der her- und darstellende Wesensgrund und entbirgt seine wirklichende Tiefe. In der Entbergung im offenen Bilde verbirgt sich zugleich die nach innen gerichtete Einheit des wesenden Grundes. Er besitzt seine Einheit nur im Sich-Verlieren ins Mannigfaltig-Eine des erscheinenden Bildes. Solchermaen steht alle Erscheinung im offenbaren Anwesen und im

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verhllenden Schein. Am Anderen und fr andere als Bild erscheinend zeigt es sich so und auch anders; es erscheint als bloe Erscheinung, es verbirgt sich entbergend oder es entbirgt sich verbergend.

2. Erscheinen und AnschauungZu dieser aufgelichteten Natur kommt Anschauung nicht als Fremdes und ueres hinzu. Der Licht- und Wesensgrund ist sie selbst. Knnte er seine Einheit auf sich zurckgehend gewinnen, so leuchtete er in sich selbst auf und wre sich anschauend bewut. Er vermag dies nicht, weil er in sich selbst nichtig und sich entfaltend ausgegossen ist. Sein lichtendes Leuchten kommt nur im sich herstellenden Gebilde zum Bild und als Dasein in der Natur ins Offene. Sich selbst nur in der Empfngnis herstellend, harrt es im Offenen des Daseins des aus sich und auf sich hin bewegten Lebens, in dessen Fluidum es zu sich kommt. Es will nicht erfat und so gewandelt werden, sondern es ist vom Ursprung her geistgebrtiges Licht, das, aus dem Leben geboren, des Lebens harrt. Es selber lichtet das Leben auf, fhrt es durch sein Erscheinen zu seinem Bilde. So allein schenkt es selber dem Leben Anschauen und Bewutsein, indem es leuchtend zu sich selbst erwacht. Auflichtendes Licht und Anschauen ist immer irgendwie dasselbe; der in sich einige (reflektierte) Lebensgrund aber ist eine Grundweise der lichtenden Natur selbst, zu deren Sein vom sich erwirklichenden Wirken her es gehrt, sich ins Offene zu lichten und im Offenen bei sich selbst zu sein. Wo Wirklichkeit zu sich selbst findet, ist sie anschauendes Leben. Solchermaen gehren Anschauen und Bewutsein zur Natur, die sich lichtend ins Offene hlt und erscheint. Ohne das Aufleuchten des Lichtes, in dem die Gebilde sich selbst im Anschauen zeigen und dieses erhellend erfllen, wre das Offene der Natur nur die verrinnende Selbstentfremdung der Seienden, die nie zu sich selbst hin fnden; das Licht ergsse sich untergehend in die alles verschattende Nacht, und alles Leuchten wre verschlungen von der Finsternis des Leeren und Blinden. So ist das Anschauen ontologisch dem Grunde der Natur selbst eingegrndet, die in ihm zu sich selbst heraufgeht und erscheint.

3. Das Offene des sinnlichen GewahrensSolches Anschauen, gemeinhin sinnliche Erkenntnis genannt, ist selbst ins Offene und damit ins Andere entrckt. Vom Licht zu sich selbst erweckt, hat es sich vom Ursprung her ans Andere versehen und damit ins uere der rumlichen Erstreckung. Sinnliches Anschauen schaut wesenhaft im Offenen des Raumes und damit in der ueren Welt. Der Raum hat es selbst an sich, je innerlich und uerlich zu sein; er ist Nhe von einem ihm zugehrigen Anschauungsausgang her und erstreckt sich in sich selbst

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von jedem Punkt her auf Ferne hin. Nhe und Ferne, Inneres und ueres, Zueinander-, Nebeneinander-, Ineinander- und Auseinandersein ist ihm in sich selbst eigen. Raum als subjektive Anschauungsform im kantischen Sinne ist eine qualvolle, auflsende Vernarrung menschlichen Denkens. Nicht minder ist es der nur objektive Dingraum, der von der Welt her abstrahiert wird. Der gleiche rationalistische Dogmatismus ist in solchen leeren Entgegensetzungen am Werk und zerstrt ontologisches Verstehen der Natur. Der Raum ist das sich im Anderen seiner selbst erstreckende Formwirken der Natur, das Offene von Natur und anschauendem Leben zumal. In ihm ist Natur aufs Offene hin durchlichtet und aufgetan und das Anschauen ins Offene hin versehen. Alle Anschauung ist transzendent und so wesenhaft von den Dingen her und bei den Dingen selbst. Anschauung ist nichts anderes als das Erscheinen der Natur in der immer schon gesehenen Welt. Auch mit geschlossenen Augen schaut der Mensch in die Welt, d. h. in den Raum, in welchem Erscheinung sich ereignet. Daher sagt Thomas, da der Sinn nicht lernt, sondern sich verhlt wie einer, der schon gelernt hat. Wenn einer sieht oder hrt, so hat er immer schon gesehen und gehrt, und das gilt vom Ursprung her. Wer da unternimmt, ein Subjekt mit der Natur zusammenzustcken, wird vergeblich Gottes Schpfungstat auch nur in Gedanken nachffen und nicht mehr als eine rationalistische Flickerei zustandebringen.

4. Gewahrendes AnschauenErst im Anschauen ist das Offene der aufgelichteten Natur geffnet. Hier gibt sich Erscheinung und wird als offenbare, d.h. als wahre gewonnen und wahrgenommen. Dieses Nehmen nimmt nicht ins Subjekt, sondern auf das anwesende Licht hin, um den Schein vom erscheinenden Wesen her aufzulichten und aufzulsen. Als wahrgenommene sind die Dinge selbst Ma-gebend, weil Erscheinung nicht verbergen kann, ohne zu entbergen. Das Entborgene ist Macht und Ma gegen die Verschattung des Scheins. Ins Innere nehmen heit daher nicht subjektiv machen, sondern das Schauen auf die sich im Bilde anzeigende Wesenstiefe sammeln. Es heit, sich tiefer entuern an die Lichtquelle des Wirklichen. Es heit Grund und Boden nehmen im Sein selbst und dieses von seiner tragenden Tiefe her, die unter den Erscheinungen liegt (subjectum), erschlieen. Weil alles Schauen sich an und in die Natur versehen hat, kann es im Anwesen der Dinge im Offenen diese ansehen. Anblickend erblickt es die in der Welt erscheinenden Gebilde immer schon aus der Dimension ihres Innern und ihrer Einheit her. Denn es kann Rumliches nicht als vages Scheinen sehen, d. h. als flchig-oberflchliche Nichtigkeit nehmen, weil sich in der reinen Flche Wirkliches weder ereignen noch erstreckend darstellen kann. Vielmehr nimmt es die Dinge von ihrer sich durchhaltenden Tiefe und Einheit her, in der sie sich selbst als Gebilde bewahren. Sie so gewahrend verwahrt es sie anschauend in ihnen selbst, d. h. es erblickt sie nur aus dem Gedchtnis ihrer Herkunft. Schauendes Erblicken ereignet sich so in der Macht des ontologisch lichtenden Gedchtnisses. Ohne diese

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gedenkende und bewahrend-gewahrende Tiefe wre immer nur die ober-flchliche Schau des haltlosen Augenblicks, die ins eigene Vergessen verginge. Als gewahrende Anschauung hlt sich der Blick erblickend in der sich herstellenden Tiefe des Seins. Er kann nicht gewahren, ohne zu bewahren und bei sich zu halten, weil er das Gebilde nur auf diese Weise da-hlt in seiner whrenden Gegenwart.

5. Erinnernder vergleichender HinblickBewahrend erfllt sich das Schauen selbst. Das Anwesende wohnt sich ein in die offene Welt, in den Horizont des Schauens selbst und lichtet es durch sich auf, das Bild bildet sich ein. Einbildend ist das Schauen dem Bilde der Erscheinung im Offenen vorweg. Vom Eingebildeten her blickt es nicht nur an, sondern her und hin. Im Hinsehen sieht es dasselbe und anderes, hnliches und verschiedenes; erst im Wiedererkennen schrft es sich hinblickend zur Erkenntnis. So gilt auch hier: wer erkennt, hat schon erkannt, weil er gesehen hat und im einbildenden Behalten dem Schauen selbst Ma, Richtung und Licht verlieh. So wird es geschrft fr den Hin- und Zublick und fr die gerichtete Umsicht. Ausgerichtet umherblickend sieht es die Welt unter dem Hinblick des Gleichen und hnlichen oder Verschiedenen. Hinsichtig kann es weg- und absehen, darberhinsehen und eine Sache ersehen, weil der gerichtete Blick voraussichtig und vorsichtig ist. So gerichtet, schaut er hnliches zusammen und Gleiches wiedererkennend als dasselbe. Dieses Ineins- und Zusammensehen ordnet die Wirklichkeit, die sich so aus ihrer Wesensmannigfaltigkeit als Welt verwandter, gleicher und verschiedener Wesen dem Anschauen einbildet. Im Vorblick der Einbildung und der ordnenden Grundbezge wird der erkennende Weltblick mchtig seiner einwohnenden Bildwelt und hebt sie durch die gesichteten Zusammen-hnge vergegenwrtigend in die Helle des Anblicks. So ber seine bewahrende Einbildung verfgend, wird das da-haltende Gedchtnis zur Er-innerung, die umsichtig suchend Gewutes aus dem Inneren in die Helle der Vergegen-wrtigung hebt. Diese erinnernde Umsicht verfgt ber die Mae ordnenden Hinblicks und kann so zur Einsicht werden.

6. Vorblick und ZublickDer erinnernde Vorblick sieht das erscheinende Bild an im Licht der zusammenschauenden, absehenden, wiedererkennenden Ver-gleichung. Der Blick kommt vom Inneren her in die Schwebe zwischen inniginnerlichem Aufschimmern der Seinsverwandtschaft im bloen verkostenden Anschauen und der Schrfe des erkennenden Zublicks. Das ruhende genieende Anschauen lebt von der Tiefe aufschimmernder Erinnerung, die die Dinge umglnzt und ihren beiherspielenden Reichtum aus ihrer Tiefe her erschliet

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und zu gelstem ruhevollem Aufscheinen bringt. Die Einbildung und Erinnerung berbilden und durchlichten das erscheinende Bild und heben es aus verschattenden Tiefen in Nhe, Verwandtschaft und Einklang. Anders ist der geschrfte Zublick, der sich gegen die Flle der weitgeffneten Erinnerungen abschirmt und sich zur strengen Hinsicht verengt. Erkennt er Gleiches oder hnliches, so sieht er vereinfachend ab und bildet das hnliche oder Gleiche aus und heraus. Die ttige Macht des absehenden Schauens wird aus dem Innern her umreiend. Die Einbildung bildet angleichend aus und schafft aus dem Allgemeinen und Gleichen die Risse und Grundrisse der Gestalten. Aus solchem Ri her das einzelne Bild anschauend, wird dieses stellvertretend oder typisch, weil an ihm Anderes (Gleiches und hnliches) mit aufscheint.

7. Typos und WesensanblickDieses Umreien und Herausschlagen (typtein) des typischen Bildes sammelt das Anschauen auf eine Tiefe hin, die sich in verschiedenen Gestalten ausprgt und sich in jeder einzelnen nicht nur gegen Besonderes abhebt, sondern lebendig whrend und wesend durchhlt. Damit ist Anschauen im geschrften, ordnenden Zublick vorbereitet, einsichtig in die Wesensgrnde zu werden, die im Walten der Physis sich bildend darstellen und ins Offene der Erscheinung heraufgehen. Im Typisch-Gleichen tritt der Werdezusammenhang der Gattung (genos) und die sich im Werden und Wandel durchhaltende Gewesenheit (to ti en einai) des Wesens als Bild oder Ansicht (eidos) in den Blick.

8. Vernnftige WesenseinsichtIndem es sich so der Anschauung als Bild bietet, ist es noch nicht erkannt, wiewohl es alles Erkennen von Natur fhrt und ermglicht. Erst im Urlicht des Seins selbst blitzt das Wesensbild auf als wirklichende, sich erwirkende Einheit, die grndend, bildend und herstellend zu sich selbst kommt und unauflsbar bei sich verharrt. Vom Seinssinn selbst zu sich erweckt, durchschaut die Vernunft die Urwahrheit ihres Ausgangs, ihrer Prinzipien, in denen das Sein im Geist in sich selbst und aus sich selbst ein- und aufleuchtet und die Vernunft so zu sich begeistet. In diesen durchlichteten Ursprngen stellt sich das entspringende Sein selbst im wirklichenden Sicherwirken dar, als einigende Einheit, die sich in sich oder im Anderen ermglichend erwirkt, sich als Ganzheit auseinanderwirft und in den Teilen und durch sie her-stellt und bildend immer ein hnliches hervorbringt. Das Urlicht der Seinserkenntnis ist diese ontologische Bewegung der Seinsbegrndung, an der das Wesensbild zu seiner grndenden Einheit durchgeschaut und von ihr her aufgelichtet wird.

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9. Wesen und SeinIn jedem Wesen wird das Sein selbst angeblickt. In der grndenden Einheit und wirklichenden Tiefe erschliet sich der Seinssinn als sich zu sich selbst erwirkende Wirklichkeit, indem er sich gegen das Nichtsein hin bewahrt. Diese grndende Durchschau der Vernunft steht im Vorblick des Nichts und des Nicht-einen, deren Unwesen die Vernunft selbst in sich ausbildet (fingit, Thomas). Diesem Unwesen und Vorblick gegenber erweist das Sein seine Macht, indem es die das Nichts bildende und von ihm her manehmende Vernunft aufs Eine und Wirkliche hin ntigt und verpflichtet. Solchermaen ist alle Notwendigkeit nur in der Vernunft (Thomas), weil diese in ihrem unwesentlichen Spielen beschrnkt wird. Die Not des Unwesentlichen und Haltlosen wird gewendet durch die ntigende Festigkeit des Seienden. Nur verneinend gewinnt das Seiende seine Wahrheit und Offenbarkeit im Geiste (Widerspruchssatz), in der es sich jedoch zugleich abschattet. Das Eine ist nmlich nur als das Nichtgeteilte (In-divisum, in-dividuum) und das Wirkliche nur als Wirkliches gegen das Nichts hin, als ein sich im Unwirklichen Ermglichendes offenbar. Sofern es aber ursprnglich das Nichts und die Teilung verneint, ist es ins reine Sein und in die reine Einfachheit verwiesen. In dieser Verweisung ist es selbst als Verwirklichtes in seiner inneren Nichtigkeit und Mglichkeit aufgehellt und verschattet zugleich. So spielt in allem Teilhaften des Menschen seine Einheit beiher, doch so, da sie die Teilung und Geteiltheit abweist, indem sie sich zugleich in ihr anzeigt. Sich so in Teilen anzeigend, verneint sie mit diesen sich selbst, sofern sie ohne diese Teile nicht sein kann, und verweist ber sich hinaus ins Ungeteilte, Einfache des Seinsgrundes selbst. Was das Eine und Einfache ist, ist daher am Sein selbst nirgend aufzeigbar. Was wir an ihm erfahren, ist die Abweisung der Teile, die die Vernunft vergleichend und fragend heraushebt. Die Verweisung ins Eine und die verschattete Erfassung und Spiegelung des Einen ist solchermaen nur in der Vernunft (Thomas). Wie vorlufig und oft wie unbedacht ist doch solchermaen metaphysisches Sprechen vom Einen und Einfachen Gottes selbst!

10. Spiegelnder AufblickDas Wirkliche erscheint daher nur im Vorschein und der Verschattung der reinen Wirklichkeit, aus der es selbst erwirkt wurde. Als erwirktes Sein steht es als Abbild im Licht und Dunkel seiner Herkunft, von der her und auf die hin es aufscheint. In dieser abbildlichen Verweisung wird der Einblick zum spiegelnden Aufblick (speculatio, speculum = Spiegel), indem sich das Sein auf seinen Grund hin erschliet und das Urbild widerspiegelt. Nun als spiegelnde Verweisung (Analogie) kommt das Ab-bild in die Schwebe der transzendentalen Bedeutungen und deutet auf seine begrndende Tiefe, die es als Bild und Abbild offenbar und

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anwesend macht. Wird das Sein selbst (esse ipsum) nicht als verweisendes Bild Gottes verstanden, so wird es zur formalen Idee eines endlichen Verstandes (Kant), oder aber das Sein und mit ihm die es denkende Vernunft fllt ununterscheidbar ins Leben des absoluten Selbst (Hegel). Wird das Sein gar vor allem oder ausschlielich zum allgemeinsten, abstrakten Begriff in der logischen Ordnung der Arten, so ist es bis auf den Grund zerstrt und verflchtigt. Es wird dem Spiel und der Weise der ratio geopfert und von ihr her gemessen. Das Ergebnis dieser heillosen Verkehrung ist der Hochmut des Rationalismus.

11. Ansprechender HinblickDas Wesensbild steht so fr das Schauen im Schein der Erscheinung und in der Spiegelung des Abbildes. Vom einbildenden Er-innern her die Erscheinung auf Gleiches hin umreiend, festigt sich, wie wir oben anfhrten, das Schauen zum absehenden, heraussehenden Zublick und zeigt sich das Gesehene als so oder so. Dieses Sich-etwas-Zeigen hebt es fr die Anschauung heraus und verfestigt es in der vergleichenden Umreiung. Im aufweisenden Festmachen findet das Schauen das Erinnerte im Bilde der Erscheinung. Hinblickend drckt es sich verweisend vom Innern her auf das Bild hin aus und spricht es als so oder so an. In diesem Ansprechen spricht sich schauendes Gewahren aus und verfestigt das Bild im be-deutenden Wort. Be-deutend verweist das Ansprechen im Wort die Erscheinung auf ein Ganzes und Eines. In dieser Verweisung wird das Wort zum sammelnden, festmachenden Logos (der Sammelnde). So festgemacht wird das Wort und in ihm das Angesprochene und Vermeinte ablsbar und verfgbar. Im Wort und durch das Wort ist es da und ist verweisend aufzeigbar. Als abgelstes, verweisendes Zeichen zeigt das Wort sowohl auf die anwesende Erscheinung als auch auf seine immer miterinnerte Tiefe. In der Erinnerung gehrt es den Gewahrenden, die das durchs Wort Angezeigte im Innern sehen. Im Gedchtnis behalten kann es durch die in den Zusammenhngen umhersehende Umsicht er-innernd bei-gestellt und einbildend vor-gestellt werden. In der Schwebe zwischen Erscheinung und Vor-stellung ist das Wort verweisend und bedeutend zumal. Es bedeutet das, was erinnernd vorgestellt und an Seiendem vergegenwrtigt werden kann. In der Ablsung auf die Bedeutung hin wird das Wort frei verfgbar und mitteilbar.

12. Das be-deutende WortIn der Mitteilung steht es selbst im Offenen der sich bildend darstellenden Erscheinung. Es ist ein entuertes Gebilde, geformter Laut, Ausdruck, sichtbar und hrbar. Es ereignet sich im Offenen von Welt und Natur. Hier wird es selber vernommen, bewahrt und eingebildet, um erinnert verfgbar zu sein. Als vergehende Bewegung kann es jedoch nicht verweilend angeschaut werden, sondern geht immer aufs

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Innere der verwahrten Bedeutung zurck. Als in sich selbst verschwindende Verweisung ist es nichts als der erweckende Strahl oder Blitz des auflichtenden Zeichens, das in der gezeigten Sache oder Bedeutung untergeht. Das geschriebene, nach Lautzeichen festgemachte und anschaubare Wort ist seinem ursprnglich bewegten Verschwinden enthoben. Es wird als solches angeschaut und als fr sich seiendes Zeichen von der Sache geschieden. Der ursprngliche Laut, das beflgelte Wort, war verschwindend nichts als reine Verweisung auf die Sache und das erinnerte Gebilde. Es war nur in dem, was in der Verweisung offenbar war. Im ffnen des Anschauens war es der Wahrheit, der Entbergung des Seins, mchtiger als das geschriebene Zeichen.

13. Ausdruck und KundgabeIm ansprechenden Ausdruck zeigt sich das Innere des bewahrenden Schauens selbst. Als Vollzug des Lebens ist sich dieses immer anschauend gegenwrtig. Hinblicken und Wahrnehmen sind innerlich gefhrt von besorgender Umsicht. Im Erkennen der Welt und im spiegelnden Aufblick zum Seinsgrund hin ist es in das auflichtende Leuchten und den Glanz und die Tiefe der Wahrheit und des Seins eingelassen. Im Erfahren dieses Sinnes (von Wahrheit und Sein) kommt es besinnend zu sich selbst. Aus der eingebildeten und erkannten Tiefe des erfahrenen Seins er-innert es sich selbst als umsichtig verfgenden Grund, der des Eingebildeten und Erkannten in der Erinnerung und zugleich der Welt im aufhellenden, ordnenden Verweisen mchtig ist. Als wirkend-wirklichender Grund bringt es sich selbst ins begegnende Spiel der offenen Welt. Er setzt sich ein und aus, wie es sich darin aus sich heraussetzt. Aus der strebenden Spannung und Dichte des Lebensgrundes her wird solches Sich-aussetzen zum Aus-druck. Zu den mannigfaltigen Weisen menschlichen Ausdruckes durch das leibliche Ausgesetztsein ins Offene der Natur gehren der Ruf und der Schrei, in denen die sich im Innern sammelnde Not, der Schmerz, die Freude, der Jubel sich mitteilen. Schrei und Ruf sind als Aus-druck des Lebens ursprnglich die Sache selbst, die in ihnen unmittelbar gegenwrtig und im Offenen da ist. Die Sprache ist im Schrei und Ruf nicht verweisendes Zeichen, auch kein Sinnbild, sondern ontologisch das Erscheinungsbild des sich unmittelbar bekundenden Lebens. Solches Wort ist sich aus dem Grunde her darstellendes Leben selbst. Immer steht das Leben sich bekundend auer sich und kann unmittelbar angeschaut und verstanden werden. Verstehend ist das Leben sich frher gegenwrtig als im erinnernden Zublick. Zublickende Umsicht hat das im Herausstehen in die Welt sich verstehende Leben immer schon hinter sich. In dieser sich be-sinnenden Erinnertheit versteht es jede Kundgabe des Menschen wie des Tieres im Ausdruck. Dieses sich ausdrckende Leben verfgt im erinnernd erkennenden Anschauen ber die festmachenden, ablsbaren, mitteilbaren, bedeutenden und verweisenden Worte. In ihnen verweist es auf sich selbst und weist sich fr andere aus. Solche Worte werden in der Selbstkundgabe ausdruckhaft, sofern sie

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eingehllt sind in die Dichte des Lebens selbst. In ihnen ist die Macht, die Liebe, der Ha, die Freude und Furcht des Lebens da. Soweit der Mensch es vermag, erfllt er vom Ursprnglichen des Aus-drucks her solches Sprechen mit der gespannten Dichte des verstehend zu sich erweckten Lebens. Auch im aufzeigenden, anzeigenden Wort kann der Groll beben und die Angst zittern. Wo gesprochen wird, gibt es diese mitschwingende Ausdruckstiefe. Sie liegt nicht allein in der schwingenden Tnung der aus dem Innern kommenden Laute. Das Wort selbst ist als Gebilde vom verstehenden Innern ausdruckhaft gebildet. Worte wie hassen, lieben, grollen und sich freuen haben ausdruckhaft-urwortliche Kraft. Sie sind nicht nur bedeutungs-, sondern ausdruckstief. In dieser sich ausdrckenden Kundgabe, in der die Sache selbst ins Offene ein- und ausstrmt, ist der Mensch selbst ausgesetzt und verwirklichend. Darum existiert er hier im verstehenden Anschauen seiner Vergegenwrtigung fr sich selbst und fr andere. Erst in der Kundgabe ist er sich verwirklichend da, ist er ein- und ausgesetzt. In der Entladung und der lautenden Schrfe des ich hasse oder ich verfluche dich ist der Ha und der Fluch wirklichend entlassen, weil er im Offenen, d. h. auch fr alle (ffentlich) bekundet wurde. Segen und Fluch, Machtbann und Zauber, Liebe und Ha, Gram und Freude leben so ursprnglich im Wort. Im vernommenen Wortausdruck werden Fluch, Liebe und Freude wie in unmittelbarer Berhrung erfahren und dringen dem Leben ins Herz. Im verstandenen und geschauten Ausdruck ist das Wort die Sache selbst; nur deshalb kann sich in ihm Wirkliches versiegeln. Auch Gott kann in seinem Namen anwesen, weil er sich selbst in ihm ausgedrckt und bekundet hat. Sein Name ist ja kein verweisendes Zeichen aus menschlichem Logos, sondern Gottes Offen-barung. Darum blieb der Name einst als unaussprechbar durch heiliges Gebot versiegelt.

14. Lautbild und SacheAber auch das ansprechende Wort kommt aus der Tiefe des Erinnerten. Der Sprechende setzt, wo er Angeschautes umreiend festmacht, keine uere Bezeichnung. Vielmehr steht er im Vorblick der schon eingebildeten Gestalt, die sein Sprechen selbst bildet und formt. Das Wort kommt aus einem Gebilde und geht auf ein Erscheinungsbild hin. So ist es im Ursprung selbst bildhaft gebildet. Solches Bilden hat seine Grenze an der Andersartigkeit und beschrnkten Bildbarkeit der Verlautung. Aber dennoch gibt es ursprngliche Bildbezge der Mit- und Selbstlaute und ihrer Verbindungen oder diese werden durch Gewhnung und Gebrauch von der Sache her besetzt und beansprucht, da das ursprnglich Unbezogene der Laute nach verschiedenen Seiten hin spielt und schwingt. In jeder Sprache gibt es diese ursprngliche Bildung oder die Verseelung des Wortes aus Gewhnung und Gebrauch. Licht, Nacht, Blitz, Donner, Rose und Lilie, wei und schwarz, hell und dunkel sind Worte, die das Bezeichnete selbst lautbildlich mitbezeugen. In ihnen scheint die Sache selbst auf oder vermhlt sich unscheidbar mit dem Wortgebilde. Das Licht lichtet selbst im Wort und lichtet es auf sich hin auf, und der Donner rollt und zittert durch das

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Wort, das ihn sagt. Da das Wort aber verweisend untergeht und die Sache selbst vorzeigt, so verliert es dieses von der Sache her gewonnene, aufleuchtende und aufklingende Eigene eines Gebildes an das Erscheinungsbild oder die Sache selbst und erweckt und umkleidet sie, in sie einschwingend, mit seinem Leben. Je weniger die Rose oder der Wald ursprnglich als geschriebenes Wort fr sich sichtbar war, sondern als Laut verging, ging es vllig in der Sache selbst unter, der es sich einschmiegte. Aus dem Innern der Einbildung her gebildet, schwang das poietische Bilden ber das in der verlautenden Verweisung vergehende Wort unmittelbar ein in die Dinge der Welt und deren Einbildungen und begeistete und verseelte den anschauenden Blick. Immer sieht der irgendwie ein anderes, der zum Brunnen hin verwiesen wird als zum puits, und immer ist man mit dem Wort Liebe auch zu anderem hin gerufen als mit dem Wort amour. Immer aber ist echte Aussage dennoch nicht beim Wort, sondern im Offenen der Welt, bei den wirklichen oder einbildend verwahrten Dingen, ihren Erscheinungsund Wesensbezgen. Also bildet die von der Einbildung her gebildete Sprache im Sprechen selbst, sie erweckt und begeistet, wie sie zugleich festigt und schrft. Sie zeigt auf und her, indem sie die Sache selbst ursprnglich herstellt, d. i. im Innern zeugt und in Wesen und Dasein bezeugt. Im Ausdrcklichen und Abbildlichen der Sprache und des Wortes liegt zugleich ihre poietische Sagekraft.

15. Bildloses ZeichenFestmachend und loslsend steht das Wort selbst im Offenen der Erscheinung und des Scheins. Wie im Schein das Bild vom Wesen gelst werden kann, so uerlich kann das Zeichen werden. Das bildende Zuweisen kann einfache uere Verfgung werden. In der Freiheit der Wortverfgung liegt die Gleichgltigkeit und uerlichkeit einer bloen Handhabe der Zeichengebung, vllig unabhngig von Ausdruck und Lautbild. Solche verfgende Handhabe macht die Sprache selbst technisch, wie in den nur technischen Termini der Wissenschaft. In solcher Wissenschaft ist das Wort zufllig, weil es die Verweisung selbst ist; das was erscheint, erscheint nicht im Leben der unmittelbaren Anzeige, sondern des her- und beistellenden Rechnens, Messens und Ordnens. Was nur in ihm erscheint, bedarf nicht der ursprnglichen Anzeige.

16. Aufweisendes und zuweisendes WortAnders lebt der Mensch in der verstehenden Auflichtung der Erscheinungen und des Seins. Das ansprechende Wort verfestigt das Bild auf ein Ganzes und Eines hin und stellt dieses Ganze umreiend in den Zublick. Solches Ganze ist in sich selbst mannigfaltig; ja selbst die Teile knnen gegen ihre Gliederungen heraus und gesondert vorgestellt werden. Solche Hinsichten ver-

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schrfen den Blick und lsen das ursprnglich spielende Ineinander und Miteinander, das verschwebende Ganze der Erscheinungswelt auf. Deren Schnheit, ihr verschwimmender Reichtum und Einklang vergeht vor der Prosa umsichtiger Genauheit. Es ist die Macht und die Not des Daseins, die sie der in der techne fgenden Sorge und Frsorge abzwingen. Aber auch gegen den vernarrenden und verwirrenden Schein, wie gegen die verschattende Vagheit des Allgemeinen ist sie gerichtet. Das aufweisende Wort hebt Seiendes festigend und hinsichtig heraus, um es entweder als Grund fest-zu-stellen, es solchem grndenden Ganzen zuzuweisen, oder den Schein der Zugehrigkeit abzuweisen. Zu- und abweisend schliet es zusammen und auf und zwar in allen Weisen sprechender Zuordnung, Trennung und Verknpfung. An diesem Tun wird die in Zuweisung, Zusammenschlu und Aufweis gerichtete und geregelte Logik (die rechte Einungs- und Scheidungsmacht) des Sprechens sichtbar; ihr Wesen ist, die unmittelbare Erscheinung des Scheins zu entkleiden und scheidend ber die im Bilde sich darstellende Wesenseinheit zu entscheiden. Nur im Versuch des Abscheidens erhrtet sich das Unscheidbare zum Wesensnotwendigen oder gibt das Nicht-zu-ihm-Gehrige auf. Die spielende Freiheit des Logos wird so im Aufweisen selbst immerfort vom Wesenhaften und Verharrenden in die Schranken gewiesen. Daraus erhellt, da das Sprechen auf das Erscheinungs- und Wesensbild angewiesen ist. Bleibt das Sprechen bei seinen Umreiungen allein, so wird es im ablsenden (abstrahierenden) Spiel leer. Die sichernde Gewiheit solcher Verfestigungen gibt sich gerne den Schein der Wissenschaft, die schwerfllig und gewichtig ihre Begriffe umreiend herausstellt oder sie versiert in die Auseinandersetzung wirft. Sie hat oft vergessen, da Begreifen sich nur vom Phnomen und der aufgelichteten Verwirklichung des Seins her ermglicht. Der Einbildungskraft wie dem Erscheinungsbild entfremdet, kann der zuweisende Logos in seinen nicht mehr aufweisenden und verweisenden Zeichen an seiner eigenen Schrfe verhrten und ins Bildlose und Vage verfallen. Man kann ber die definitorische Verknpfung von Lebewesen und Verstand oder Wort reflektieren, dabei aus den vagen Allgemeinheiten der genannten Worte eine Vorstellung zusammen-stellen und darber den Menschen selbst vergessen oder sein Wesensbild hoffnungslos verstellen. Tiefer sind dagegen die in der Wahrheit, denen im Antlitz eines Menschen die Wesenstiefe des Menschseins unverlierbar aufleuchtet.

17. Die sinnbildende Wesenstiefe des WortesBleibt der Logos jedoch beim Erscheinungsbild, so lichtet er dessen Verschattungen und lst den Schein auf. Einigend wird er seiner Tiefe und Flle mchtig und durchdringt es einsichtig auf seinen Grund hin. Von diesem her auf es zurckblickend, wird das Bild aufgelichtet und schenkt der Anschauung den

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Genu

nicht

eines

vagen,

sondern

eines

geordneten

einklingenden,

rckspiegelnden,

verweisungsmchtigen Reichtums. Durch die verweisende Sprache bildet der Mensch das Bild ins Wesenhafte und Bedeutende. Darum ist alle bildende Kunst aus Erkenntnis geboren, und dem Erkennenden gewhrt sich das Schne und auch noch der bloe Schein mit geheimnisdurchschimmertem Glanz. Da die Sprache im Wort das angeschaute Bild auf seine es durchwaltende Sinn- und Wesenstiefe hin be-deutend aufhellt, so erweist sie sich als sinn-bildend. Sinnbild, Sym-bolon, besagt ursprnglich nicht die im Vergleichen enthllte hnlichkeit verschiedener, sondern den im herstellenden oder wirkenden Verwirklichen vorliegenden Zusammen-fall von Grund und Erscheinung, von Urbild und Abbild. So ist in jedem Kreis der ihn denkende Geist unmittelbar beiherspielend da, wie er immer dem Geist entsprang und in seinem ermglichenden Wirken steht. Deshalb kann der Kreis das Leben des Geistes bedeuten und abspiegeln.

18. Seinserff'nende RedeNoch mehr bedeutet das Wort in der ontologischen Aufhellung des Seins. Hier kann keine vorgngige Einbildung auf eine Erscheinung hin den ansprechenden Hinblick erfllen. Was da erscheint und ins Offene hin anwest, ist immer nur das Seiende. Als Sein lichtet es sich nur in einem Vernehmen, in dem die Vernunft allen Erscheinungen vorweg ist. Indem sie das Nichts bildet und als Ma ins Seiende hlt, erzwingt sie sich die Antwort, die seine Seinstiefe enthllt. Solches geschieht jedoch nur in der Macht des sich verfestigenden und den Vorblick fhrenden und erfllenden Wortes. Ohne diese Bewegung im Wort bleibt das Vernehmen ahnungsvoll in sich selbst befangen und kann keinen Grund und Boden in sich selbst gewinnen. Eingelassen in das Sein, wird der Geist von dessen Flle und waltenden Einheit gleichsam verschlungen und bedrngt. Nur im entwerfenden Urspruch brechen die Ursprnge auf. Sie haben ihre verweisende Macht allein in der Verfestigung des Wortes, in dem das durchmessende Auflichten aus Ahnung und Versuch in die Sicherheit eines Gesagten und sich in ihm Zeigenden kommt. Da alles Wirkliche im Wirken Gleiches oder hnliches erwirkt, da daher alles Entstehende, weil es wirklich ist, aus der Wirklichkeit herkommt (Kausalittssatz), da das Sein das Nichtsein ausschliet (Widerspruchsatz), enthllt sich nur in der Sprache, die bezeichnend ihre bedeutenden Gebilde im Bereiche des Seienden aufweisend und zuweisend gegen den Grund hin bewegt und dabei das im vergleichenden Ansprechen aufleuchtende Ursprngliche ebenso blitzhaft durchschaut wie aufdeutend anruft und benennt. Diese Benennung ist am Ursprung des Menschen immer schon geschehen, weil er ohne solche Ursicht, in der sich das Sein im Ganzen auflichtet, gar nicht sein kann. Nie kme er in die Wahrheit, d. h. ins Offenbare des Seins, wenn er nicht immer schon darin wre. Dieses Licht hat im Blitz des Durchschauens (Intuitus = Thomas) das benennende Wort geboren, wie es zugleich von dem einbildenden Ansprechen her im

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bedeutenden Zeichen lebt und sich entfaltet. Aber auch das einbildende Ansprechen lebt aus seiner Macht und Helle. Da das Gebilde der Sprache als verweisendes Lautbild eine Erscheinung auf das Wesende hin festmacht, lebt von der Einsicht ins begrndende Erfolgen und ins zusammenstellende, fgende Bilden, also vom Urlicht der Seinserkenntnis.

19. Bild und UrbildDas im Urspruch des Nichts und Nicht-einen aufleuchtende und so allein gegenwrtig anwesende Sein selbst bleibt zugleich in der Verschattung der inneren Verneinung. Was es dem Blick, der Dasein und Welt auf ihren wirklichenden Grund hin durchschaut, bildhaft sichtbar macht, geht im spiegelnden Verweisendes eigenen Nichtseins wieder unter. Das Nicht-geteilte weist so durch seine untilgbare Teilung ins Einfache schlichthin, das sich im nur Nicht-geteilten wie in Auflsung und Verschattung anzeigt. Das ansprechende Sehen kommt so in die Schwebe von Bild zu Abbild und ber die Nacht des Bildlosen ins Urbild, das nur widerscheinend aufglnzt. Dieses ontologisch grndende Aufblicken verschwmme in sich selbst ohne die hin- und hinberweisende Kraft der Sprache. Da sie in den alles einigenden Grund fhrt, so liegt ihre spiegelnde Verweisung in ihrer festmachenden Lichtung, ihrer hinberweisenden Verschattung und ihrer bewegenden und einigenden Verflssigung zumal. Solchermaen ist es der spekulative Genius der Sprache, der die Metaphysik gebiert und ihr ihre Macht und Tiefe schenkt. Solch einzigartige Sprachen wie das Griechische und Deutsche sind wie ein knigliches, gttliches Haus, in dem der Geist wohnt, und das er bauend und bildend auf das Urbild hin fr den Einstrom aus der Hhe hin weitet und ffnet. Sie sind gebaut vom grundgebenden Urwort her und in die bildende, einigende Bewegung des ansprechenden, zu- und verweisenden, des auf- und hinberweisenden Logos gestellt. Sie erwecken das Spiel der Weisheit, die in ihnen spielt und die verweisenden Gebilde immerfort im weiterbildenden Benennen hlt.

20. Verweisungsmacht und Gefahr des WortesSolchermaen ver-fhrt das aufblickende Erkennen und steht in der Gefahr, sich zu verfahren. Die herkmmliche Philosophie hat ihre Herkunft, ihre Be-gabung und Ge-fahr von der Sprache her nur wenig bedacht. Sie will nicht sehen, wie sie im Wort verschrnkt, entschrnkt und beschrnkt ist. Sie hat vor allem vergessen, da sie in der bildlosen Nacht ihres hchsten, Gott und das urbildliche Sein selbst anleuchtenden Lichtens von der Sprache her immerfort ins Bilden gestellt ist. Was da gebildet wird, scheint ihr gleichgltig, wiewohl sie immerfort in der Gefahr des Unbildes steht. Von diesem Bilden her

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ist es ein anderes, ob dasselbe als esse purum, als actus purus, als reines Sein oder reine Wirklichkeit benannt wird. Was da jeweils gedacht wird, stellt sich je anders vor und gert in je andere Verweisungen und Bewegungen. Das esse purum steht im Allgemeinen und Vagen eines Schlichen und im flssigen Walten des Wirklichen. Ihm hnelt das reine Sein, welches jedoch durch Artikel und Wortgebrauch mehr aufs statisch Feste eines Verwirklichten hinweist, zumal Worte wie wirklichendes Verwirklichen und whrendes Wesen (als Verb des gleichen Wortstammes: Sein, gewesen, anwesen, verwesen) es entlasten und begrenzend zurichten. Im mnnlichen actus purus schwingt der machtvolle Abschlu eines entweder lichthaft geballten oder eines sich in sich erschlieend-verschlieenden Geistaktes mit, dessen bildlose Reinheit alles, auch seine Freiheit hinter sich hat. Solch ein Wort treibt in die Dunkelheit des absoluten Willens, dessen in sich geballtes Leben kein freies Walten mehr freigibt. Ob nicht das machtvolle, grandios verfestigende lateinische Wort die qualvolle Gespanntheit und Dunkelheit des nominalistisch-reformatorischen Denkens ber Gott unmittelbar oder hintergrndig mitgebar? Ihm gegenber ist die reine Wirklichkeit von jener spannungslosen Weite ideierender, abgelster (abstrakter) Wesensschau, die sich in hnlichen Worten wie Weisheit, Tapferkeit, Heiligkeit anzeigt und die schauend verschwebende platonisierende Geistmystik der Deutschen mitbestimmt. Schon in solchem Wort verfhrt sich Denken in die Gefahr, das Sein und Wirkliche selbst als Idee, Begriff oder Kategorie und Gott ins machtlos Wesende zu verflchtigen. Diese bildende Verleiblichung des Denkens in Vor-stellung und mitschwingendem, verweisendem Bedeuten zeigt an, da in der Metaphysik alles ber-setzen ein verwandelndes Versetzen bedeutet. Sie zeigt die Bedeutung echten und verweisungsmchtigen Sprechens in der Philosophie. Die Handhabe eines terminus technicus bedeutet oft eine knstliche Verfestigung und Sperrung. Die rationale Sicherung und eindeutige Abgrenzung kann erkauft werden durch verweisungslose Sprdheit, die das Denken mehr und mehr sterilisiert, austrocknet und plattmacht. Auch solche termini erzeugen leicht dunkel mitschwingende Fehlverweisungen, oft skurriler Art. Also ist es nicht gleichgltig, in welchem Wort gedacht wird. Es hat jeweils eine auflichtende und beirrende Macht. An falscher Stelle wird es verwehrend, verdunkelnd und verleitend. Keine definitorische Versicherung bewahrt davor. Das lateinische Wort persona gab der trinitarischen Spekulation der Lateiner Richtung und Tiefe, die den Griechen versagt blieb. Keine Ausgrenzung des prosopon" vermochte diesen Mangel auszugleichen. In der deutschen Neuscholastik wurden die Worte Sosein und Dasein fr Wesen und das verwirklichende Sein (actus essendi) gebraucht. berall schlug die Spekulation in eine platonische Verkehrung des Verhltnisses um. Przywaras Analogia entis wurde so zu einer einzigen Fehldeutung des Aquinaten. Die bildlose Nacht des Spekulierens steht in der Not der ntigenden Vorstellung. Im Leeren und Allgemeinen des Schauens entstehen lichtend helfende Gleichnisse und verschattende Schemen. Diese letzten knnen als Gtzen das Reich des Denkens besetzen und verwsten. Die Vorstellung des actus purus kann das Bedenken Gottes vom Ursprung her festrammen, den lebendigen Gott der Offenbarung verdunkeln und seine Freiheit zum leeren Schein entkrften. Ontologische Seinslehren knnen das

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Wirkliche im Welthaft-Sachlichen vorstellungshaft verlieren und mssen Wahrheit, das Gute und andere Grundweisen des geistigen Seins selbst knstlich zusammenstcken oder sich immerfort gegen die flache Versachlichungsneigung der Vorstellungen zur Wehr setzen. Sie werden oft unkrftig, das Sein im Ganzen ursprnglich aufzuweisen und sichtbar zu machen oder mssen wunderlich umstndliche Wege des Aussagens und Darstellens gehen. In der Scheinsicherheit rationaler Systematik, der Verknpfung fester Begriffe, knnen die Ursprnge und das geheimnistiefe Aufleuchten wesenhafter Wahrheit untergehen. Durch seine beirrenden Unbilder kann solches Denken bis in seine Tiefe hinein verbildet sein und verbilden.

21. Die rckspiegelnde und urbildliche Helle des WortesDeshalb lebt alles Philosophieren aus der Gunst ursprnglichen Sprechens und seiner verweisenden Entfaltung. Die innere Bewegung, Fglichkeit und Bildsamkeit des Wortes, der im Wandel des Bildens, Zusammensetzens und Versetzens fort-whrende Ursinn, die wesenhaft dialektische, aus der einheitlichen Wurzel sich ableitende Mannigfaltigkeit des Wortgebrauchs begeisten das Denken, halten es in Bewegung und innerer Einheit und bewahren vor dem Verfallen in rein begriffliches Rsonieren. Die dreifach-eine Bedeutung des Aufhebens und anderer mit Bedacht gewhlter Worte hat Hegels Denken auch im Sprechen selbst zu seiner vollen vor- und rckspiegelnden Tiefe ermchtigt und gab ihm seine unvergleichlich befeuernde Mchtigkeit. Nur in dieser Bewegung wird das Sprechen im festigenden Umreien zugleich durchreiend begeistet. In diesem alles durchblitzenden und einschmelzenden Feuer und Licht zerstrt es die gtzenhafte Macht der sperrenden Ungebilde, die verstellenden Vorstellungen, entbildet sie im rckspiegelnden Urbild der Einheit des Seins und erzeugt die reinen und edlen Gleichnisse des Geistes. Wenn Thomas sagt, da das Sein aus Gott ausfliet (emanat), die Wesen hervortreten (procedunt) und das Licht rckspiegelnd entspringt (resultat), so bindet sich hchste Aussage an die urbildlich geprgte Gleichnistiefe sichtbarer Vorgnge. Ohne solche vom aufgelichteten Grunde her leuchtende Rckspiegelung, die das Abbild gleichnishaft auflichtet und in der Sprache verweisend nutzt, ist kein Denken gro und wahr. Seine Wahrheit ist nicht nur seine Richtigkeit, die noch in drftigster Verdunkelung erhalten sein kann, sondern die begeisternd fortreiende Offenbarungsmacht, die rckspiegelnd das spiegelnde Abbild vom Grund her auflichtet und in die Schwebe und ruhevolle Schau des aller bloen Vorstellung entbildeten Aufblicks in den Grund bringt. Weil der Dichter von Gott her begeistet ist, kann er die Wesens- und Seinstiefe im spiegelndschwingenden Wort selbst in die Aussage bringen. Die dichterische Kundgabe ist durchleuchtet von der Wahrheit des Seins, wenn das Wort im spiegelnden Bedenken seine durchreiende und rckspiegelnd lichtende Macht gewann. So lebt der Dichter aus der Weisheit der Sprache und ihrer in sich selbst und auf das Sein hin schwingenden Vermhlungskraft und ist in ihr der Wahrheit nher, wenn auch nicht mchtiger als das Denken, weil er das von dessen Wahrheit beschenkte Kind ist.

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So bleibt Sprechen in der hchsten Weise seines Aussagens an das reine Gleichnis und Bild gewiesen. Es meidet die Gefahr der Unbilder, wenn es auch im sich verfestigenden Umreien, im begrifflichen Fassen und Einfassen, in den leeren, bildlosen Entschrnkungen ins Reine, Unendliche, Allgemeine sich erinnernd in der haltgebenden Nhe der Erscheinung, des Eingebildeten und der echten, ursprnglichen Verweisungen der Sprache hlt. Nie kann sich einer ber Geist und Wille oder Liebe reflektierend vllig verlieren, wenn er der Sprache folgend hin- und einblickt in Menschen, die sich liebend und erstrebend von Angesicht zu Angesicht begegnen. Eine Aussage wie der Mensch hat einen freien Willen verbietet sich im bloen Hinblick auf die Tiefe des begegnenden Menschseins, weil dieses selbst frei ist in allem, was es will und erstrebt. Die sprachliche Aussage: Ich bin frei erweist die Beschrnkung des Freiseins auf ein Haben von Willen als gefhrdend und verengend. Weil der Mensch sprechend bildet und entbildet und darin das Abbild zum spiegelnden Gleichnis auflichtet, kann im Sprechen das Urbild selbst sich bekunden. Sein Wort ereignet sich in der rckspiegelnden Macht aus der Hhe, die der Sprache eignet und ihrem entbildenden, bildend einschmelzenden Feuer. In diesem Feuer konnte sich Gott anzeigen, als er zugleich jedes Bild von sich verbot. Indem Gott sich im Worte offenbart, schenkt er dem Glubigen im Raum seiner Gemeinde die diesem Wort geme innere Bild- und Bildungskraft. Die Unbilder vergehen in einer Sphre heilig zeugenden Offenbarens und Sprechens. Als der Sohn erschien, erschien Gottes Wort im Bilde und Antlitz eines Menschen. Wer es aus dem Innern seiner Liebe in Demut ansah, erblickte das Wesen der Liebe Gottes selbst; er sah Gott, nicht im Abbild, sondern das exemplarisch durchscheinende Urbild der sich entuernden Liebe selbst. Von sich Zeugnis gebend, lebte Christi Wort in der Macht urbildlichen Leuchtens und Auflichtens. Er, der den Vater also benannte, sich selbst als den Menschensohn, den guten Hirten seiner Herde, den Gottes Wort als Lamm Gottes bezeugte, lie nicht aufblickend (spekulativ) das rckspiegelnde Urbild im Gleichnis des Abbildes aufleuchten, noch sprach er hier metaphorisch vergleichend in hnlichkeiten. Seine Rede entsprang dem urbildlichen Licht gttlicher Weisheit, die, dem glubig Erkennenden in seiner Liebe offenbar, Menschliches und menschlich Gegenwrtiges urbildend erhellte. Kein reflektierendes Vergleichen und Be-denken lichtet das Geheimnis des Lammes in Hinblick auf die bertragenen Zge von Sanftmut und Geduld. All dieses bleibt bla und beilufig gegenber der Macht des Bildes selbst, des ewig geschlachteten Lammes, des Lammes auf dem Thron und des von Mitgeopferten hochzeitlich und brutlich umkrnzten Lammes. Hier hat das Urbild der sich entleerenden Liebe die Gestalt des Lammes selbst urbildend begeistet und erweckt die Gleichnisse und Abbilder menschlicher Herzen zur Tiefe seines Geheimnisses. Also urbildet Gottes Rede und Geist in den Herzen seiner Gemeinde, deren Schalen sich fllen mit den Klngen, Zeichen und Gesichten des ewigen Reiches. Da sie mitten im Offenbarsein verschattet bleiben durch der Menschen irdisches Trachten und Sinnen, das den Zusammenschlag von Ewigkeit und Zeit im Sym-bolon nicht gewahrt und metaphorisch von einem zum anderen tastet, liegt an der Verschleierung des Glaubens, der

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einst, gewandelt und von Angesicht zu Angesicht schauend, gewahren wird, wie er schon auf Erden im Lichte der ewigen Liebe stand.

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II. DIE SINNE UND DAS WORT

1. Vernehmende Vernunft und gewahrender SinnDer Mensch ist am Ursprung nach Aristoteles eine Tafel, auf der nichts geschrieben steht. Dieses Wort gilt fr den ganzen Menschen, das heit fr alle seine Erkenntnisvermgen: fr die Vernunft, die Einbildungskraft, das Gedchtnis und die Sinne. Diese Vermgen sind in jeder menschlichen Erkenntnis einig am Werk, dergestalt, da keines in vlliger Geschiedenheit fr sich selbst in den Akt oder Vollzug kommt. Dennoch sind sie nicht selbig. Sie haben je einen eigenen Wirkbereich, wenn sie auch jeweils freinander, miteinander und ineinander wirken. Wie dies mglich ist, sei hier nicht tiefer untersucht. Es besagt aber, da die geistige Vernehmungskraft der Vernunft in der Vergegenwrtigung des Seienden oder der Dinge durch die ueren Sinne ins Vernehmen kommt, wie umgekehrt die Sinne in ihrem Gewahren fr die Vernunft das Wirkliche vermitteln. Das Leersein oder das Unbeschriebensein betrifft daher beide, Vernunft und Sinn, zumal. Was sie aber beide beschreibt oder erfllt, was sie ins Gewahren und Vernehmen bringt, ist das Sein und die seienden Dinge. Das Sein aber ist die ungeschiedene und durchwaltende Einheit wie das zuweisend und erhellend Einigende aller Wirklichkeit, whrend die Seienden die in unzhlbaren einzelnen Dingen heraufgehende Mannigfaltigkeit der Wirklichkeit ausmachen. Beide, Vernunft und Sinn, kommen daher von einem anderen, als sie selbst sind, in den Vollzug. Die Vernunft aber vernimmt das Sein des Seienden. Da dieses die ungeschiedene Einheit und zuweisende Einigung aller Wirklichkeit bedeutet, so ist die Vernunft das Vernehmend-Gesammelte schlechthin. Weil es dieses Vernehmend-Gesammelte der Vernunft gibt, deshalb gibt es den Verstand, den Logos, der sammelnd vernimmt. Er sammelt das Mannigfaltige der Erscheinungen auf das Seiende hin wie das Geschiedene des Seienden auf das Gesammelt-Einige des Seins und kommt an seinem Ende immer ins gesammelte Vernehmen. Demgem ist der Verstand die Vernunft selbst, sofern sie in der Mannigfaltigkeit der seienden Dinge noch nicht zur ursprnglichen Einheit des immer schon vernommenen Seins gekommen ist. Dem Sinn ist solches Gesammeltsein nicht eigen, weil er das Sein nicht erkennt. Seinem Schauen und Gewahren gehen die seienden Dinge erscheinend herauf, in welchen das Sein ins Mannigfaltige und Zerstreute der Welt und das Seiende in seine Erscheinungen ausgefaltet ist. Der Sinn entbehrt fr sich der einigenden Tiefe und Mitte der Dinge, die fr ihn in ihrem zerstreuten Erscheinen an-wesend, da und gegenwrtig sind. Der Sinn ist solchermaen das Gewrtigend-Gewahrende, whrend die Vernunft das Vernehmend-Gesammelte ist. Da aber die seienden Dinge aus dem Sein entspringen und in ihm allein anwesend sind, so tragen sie in ihrer Ordnung, durch die sie zu einer Welt geeinigt sind, auch das Siegel seiner Einheit. Deshalb beschenken sie auch den gewahrenden Sinn mit ihrer Ordnung und Sammlung. Da aber diese Sinne die je gegenwrtigen Erscheinungen der vereinzelten Dinge gewahren, so kommen sie nur zur Ordnung einer

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Welt, indem sie die einzelnen Erscheinungen festhalten und sie ihrer Ordnung gem mit anderen vergleichen. Dieses vermag der Mensch durch Einbildungskraft und Gedchtnis, die sich solchermaen als das Gewahrend-Bewahrende unseres Erkennens erweisen. Aus dem Ergebnis unserer einleitenden Betrachtung knnen wir eine Entscheidung treffen - im Hinblick auf die Frage, welches Vermgen durch das Bild im besonderen Mae bestimmt wird. Offenbar ist dies nicht die Vernunft, die ins bildlose Sein des Seienden gesammelt ist. Das Sein ist daher gem seiner anschauungslosen Einfalt am Anfang mehr wie ein Licht, durch das die Vernunft erkennt, als ihr sichtbarer Gegenstand (Thomas). Da ein Bild stets anschaubar erscheint, so geht es fr das gewrtigende Gewahren der Sinne herauf, fr die es unmittelbar da ist. Ja, wir knnen sagen, da jedes Bild angeschaut werden mu, wenn es erfahren werden soll. Damit aber sind wir erneut auf das Gewahren selbst verwiesen, sofern es den Charakter sinnenhaften Anschauens hat.

2. Die Offenheit der SinneUm dieses Anschauen zu durchlichten, mssen wir tiefer ins Wesen der Sinne eindringen. Unsere Sinne (Gesicht, Getast, Gehr, Geschmack, Geruch) sind, wie das Wort sin ursprnglich besagt, Wege, auf denen das Seiende zu uns findet. Ein Weg aber ist ein offener Bereich, der einem Kommenden Geleit und Raum gewhrt. Demzufolge ist unser Vernehmen von innen her ins Offene der Welt hin aufgetan, und zwar auf fnf verschiedenen Wegen, auf denen es bei den Dingen ist und diese in ihrem Kommen und Sich-Nhern gewrtigend erfahren kann. Das Offensein ist das Wesen der Sinne. Dieses Offene selbst haben sie immer schon vernommen; die Sinne sind in ihm da, ohne es eigens zu gewahren, weil das Offene leer ist und nichts ist als ein Weg fr kommende Dinge und Erscheinungen. Was die Sinne daher gewahren oder schauen, das bringt sie nicht neu in den Vollzug des Gewahrens, weil dieses im Offenen immer schon erweckt ist und der Erscheinungen harrt. Die Gestalten und Tne erwecken daher nicht das Sehen und Hren, sie bringen es nicht in den Vollzug, sondern gehen in der offenen Landschaft des Auges, in der das Sehen immer schon sieht, oder im offenen Hrraum, in dem das Hren immer schon hrt, als Farben oder Laute herauf, d. h. sie erscheinen im Umkreis einer schon gesehenen und gehrten Welt. Das Auge sieht daher nicht sein Sehen, sondern die Dinge. Das aber heit: Der Vollzug des Schauens ist die Erscheinung der Farben und Gestalten. Da diese es sind, die die leere Tafel beschreiben, so hat das Schauen sein Licht, seine Helle und Kraft ausschlielich aus der einleuchtenden Farbigkeit der Wesen. Das Schauen ist also immer zugleich das Angeschaute, der Sinn ist das im Offenen seines Weges Gewahrte. Unsere unvergleichliche Sprache hat diesen Sachverhalt verwahrt. Das, was wir Sinn nennen, ist ebenso unser Vermgen wie die Bedeutung der Dinge, d. h. was sie uns be-deuten und sichtbar werden lassen. Darum hat der Mensch Sinne, wie die Erscheinungen einen Sinn haben. Dies gilt uneingeschrnkt auch fr die einzelnen Sinne: Das Wort blicken besagt ursprnglich soviel wie blinken; der Blick ist der

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einleuchtende Blitz der Erscheinung. Der Augenblick meint nicht die ruhevolle Dauer des Schauens, sondern die vergehende Schnelle eines Blitzes. Noch Goethe spricht vom Blick des Feuers. Die Anschauung ist sowohl der Vollzug des Sehens wie die Gegenstndlichkeit des Gewahrten, d.h. die einleuchtende Erscheinung einer Sache; das englische Wort show weist noch auf diesen Ursprung eines sich Zeigenden. Das Ansehen ist ebenso mein Sehen wie das Ansehen, das eine wichtige Sache oder Person zu eigen hat. Sicht und Ansicht meinen daher unser je persnliches Gewahren wie das Bild., das eine Landschaft, eine Stadt oder ein Baum bieten. Diese Doppelsinnigkeit der Wrter ist keine Schwche unserer Sprache, sondern offenbart ihre einzigartige metaphysische Aussagekraft, die sie vor vielen modernen Sprachen auszeichnet und sie daher in ihren wesentlichen Werken unbersetzbar macht. Hegels Phnomenologie des Geistes auf englisch ist daher in der Tat, wie die Angelsachsen immer behaupten, undurchdringlich-verworren, wofr freilich Hegel nicht verantwortlich ist. Schon Leibniz hat den Franzosen gegenber geltend gemacht, da die Deutschen ihre philosophische Kraft dem Genius ihrer Sprache verdanken. Diese ist in der Tat ein geheimnisvolles Vermchtnis, das die Sprechenden dieser Sprache beschenkt. So lt sich die gekennzeichnete Selbigkeit in allen Worten fr sinnliches Gewahren auffinden. Der Tastende versprt und empfindet; d.h. er ist die Spur seines Sinnenweges bis zum Auffinden der Sache gegangen. Seine Empfindung aber ist ebenso das Innere des Gewahrens wie dasjenige, was er im Gewahren ertastete und empfand. Eine Empfindung ist je mein Gefhl wie auch das, was sich mir im Fhlen darbietet. Empfinden (= einfinden wie empfangen = einfangen oder entfinden und ent(entgegen)-fangen) aber besagt offenbar, eine Sache aus dem bloen Finden heraus ins Innere des Gesprs nehmen. Die Selbigkeit von Sinn und Sache stellt sich also beim Getast anders dar als beim Gesicht. Whrend das Sehen ganz in die Erscheinung entrckt war und von ihr Licht und Helle gewann, wird im tastenden Berhren das Innere des sich fhlenden Lebens aufgerhrt. Die Empfindung erschliet sich nur, indem sie ins Innere einer Rhrung eingeht. Dieser Wesensverhalt grndet in der Natur beider Sinne, sofern vom Sehen dem geistigsten Sinn (Thomas) zu sagen ist, da es durch den Lichtakt der Natur in den vollendeten Vollzug kommt und solchermaen sich ekstatisch auf ein Entgegenstehendes (ein Objektives) hin bersteigt (transzendiert). Das Getast ist demgegenber die Wurzel der Sinne (Thomas) und daher ganz in den Lebensgrund selber eingeschlossen. Was immer es ersprt und berhrt, vernimmt es in eindringender Rhrung. Ganz unzweideutig aber spielt die gekennzeichnete Selbigkeit im Geruch und Geschmack, sofern diese Worte sowohl jeweils den Sinn bezeichnen als auch das, was diesem von den vernommenen Dingen her zuwchst. Der Geruch ist ursprnglich das Gerauch, das die Dinge umwallt. Darum hat der Mensch Geruch und Geschmack wie auch das Holz und der Apfel.

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3. Die Stille als die Offenheit des HrensBeim Gehr aber scheint sich der Sprachgebrauch der Selbigkeit von Sinn und Sache zu widersetzen. Das Gehr ist nur dem Hrenden eigen, aber nicht dem Gehrten. Die Enthllung dieser offenbaren Ausnahme fhrt uns zur Tiefe unserer Seinsentfaltung. Jeder Sinn ist und sinnt ursprnglich im Offenen eines Weges, auf welchem er Seiendes gewahrt. Da die Dinge sich zeigen, wie sie jeweils sind, so kann der Sinn nur dann fr sie offen und empfnglich sein, wenn der Weg selber so geartet ist, da er den Erscheinungen nichts hinzufgt, sondern sie heraufgehen lt, ohne sie zu verndern. Fr das Auge bedeutet dies, da es ursprnglich ins Dunkle schaut, das dem Lichten einmal vllig entgegengesetzt ist, aber zum andern es in seinem Aufleuchten nicht nur nicht hindert, sondern das Aufstrahlen von Farben und Gestalten als Hintergrund verschrft. Im selben Mae stehen Geschmack, Geruch und Gespr im qualittslosen Leben als solchem im Gewahren. Die sanfte Gelindheit des Lebensgrundes hlt sie immerfort wach, so da sie jede Berhrung und Aufrhrung als ein An- und Eindringendes, als ein wonnig Gegen-wrtiges oder ein peinigend Wider-wrtiges erfahren. Geschmack und Geruch sind Lebenssinne. Im Schmecken erfahre ich die genieende Erlabung oder den auswrgenden Ekel des eigenen Lebens, wie im Geruch die duftende Blte oder die stinkende Verwesung des fremden. Der offene Urraum des Gehrs aber ist die Stille oder das Leise. Im Leisen ist der Sinn des Gehrs ganz in sich gesammelt und bei sich selbst. Diese Stille aber ist niemals allein im Gehr, sondern immer auch ringsherum, wie auch nicht nur der Horchende in sich leise wird, sondern auch die Wesen es sein mssen, denen er sich zuneigt. Das Lauschen lauscht auf das Lauschige der Dinge. Daher gibt es auch im Gehr die Selbigkeit von Sinn und Sache.

4. Die Stille und das LauteAber diese Selbigkeit hat nur in der gesammelten Stille des Lauschens statt. Gemeinhin sagen wir, da das Gehr es mit dem Lauten zu tun hat. Das Laute aber ist das Gegenteil des Leisen und Stillen. Dieser Verhalt begegnete uns bereits beim Dunkeln und Hellen des Auges. Aber das Dunkle ist nicht im gleichen Sinne das Innere des Schauens selbst, sondern etwas, dem dieses am Ursprung entrckt ist. Das Dunkle ist Leere und Abwesenheit des Lichten und steht als solches im Schmerz eines Verlustes und der sehnenden Erwartung. Das Licht, das das Dunkle verdrngt, bedrngt daher das Schauen selbst nicht, wenn es nicht durch berschrfe blendet. Das Schauen steht vielmehr gemeinhin den ganzen Tag ber im Licht und erfhrt dann nicht die Blendung durch ein Gegenstzliches, sondern die Befriedung wesenhaften Ein-vernehmens. Das Laute aber dringt immer als Gegenstzliches ein ins Innere des Hrens, das in der Stille befriedigt (gestillt) ruht, und berwltigt es durch seinen erschtternden Hall. Es strt die Stille auf, erschreckt und erregt den Menschen, weil es das dem Hren

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Entgegengesetzte und Feindliche ist, und bermchtigt ihn. In solcher bermchtigung wird der Mensch wie betubt, d.h. er wird hrig. Er ist im Bann dessen, der durch sein Wort das Innerste seines Hrens durchlautet und besetzt. Nur weil das Laute im Verlauten wieder vergeht, kann es im sich abschwchenden Nachhall vernommen - d. h. ins Leise des Gehrs genommen werden. Das Ge-hren ist also ursprnglich ein Besitz-Werden durch den bermchtigenden hrigmachenden Ruf. Ergeht dieser Ruf schwcher, so vernimmt ihn das Gehr horchend im Innern seiner Stille, in der der Mensch bei sich selber ist. Solchermaen ist das Ge-horchen ein Hren aus dem inneren Grund, in dem der Mensch sich zu eigen gehrt und ohne bermchtigung, d. h. in Freiheit, sich dem Ruf fgt. Demgegenber erweist sich alles blo Gehrige als eine Weise von uerer Gewalt, die den einzelnen bindet, ohne sein Selbstsein zu beachten. Das Laute, so sagten wir, ist dem Leisen entgegengesetzt, das im Innern des Gehrs webt und waltet. Es ist daher etwas Feindliches und kommt wie von ferne, pltzlich und unsichtbar, als Gewalt ber uns. Dringt es so in uns ein, so strt es uns auf und besetzt den leisen Erlebnisgrund des hrenden Herzens. Nur wenn es sich allmhlich nhert oder lange whrt und von einschmeichelnder Sanftheit ist, kann es im Leisen und Innern unser Anteil werden. Dann rinnt und rauscht das Brnnlein oder der Flu nicht nur um das alte Haus, sondern durch die Stille unserer Seele und berrauscht sie mit dem Gang der Wasser, die ins Vergehen und Vergessen verrinnen.

5. Das TnendeNeben dem Leisen und dem Lauten gibt es drittens noch das Tnende. Alles Tnende aber hat Lautgestalt und einklingende Harmonie. Auch es kommt aus der Ferne, aber nicht mit feindlicher, dunkler, verstrender und besetzender Macht. Es hat einstimmende Verwandtschaft mit dem Frieden des Leisen, weil es in Ordnung und Wohlklang gefgt ist; noch mehr, es schwingt in sich selbst und reigt noch mit dem Leisesten des Verhallenden im Kranz einer Melodie. Diese besetzt nicht das Leise, sondern erweckt es im erinnernden Gedenken, wie es zugleich die Stille ringsherum aufklingen lt im verlockenden, tnenden Jubel. Dieser rhrt das Innere des Gehrs auf, da es sich lauschend ins Weite spannt. Im melodischen Tnen wird das hrende Herz in sich selbst aufgerhrt. Es wird im erinnernden Da-halten des Verhallten in den Hrraum des Gedchtnisses gewiesen und zugleich durch das ringsumher Aufklingende, das mit dem Abklingenden und dem Kommenden in eins gestimmt ist, verlockt und entrckt. Es wird vom Spiel unsichtbarer Wesen im eigentlichen Sinne bezaubert.

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6. Die Mitte der SinnkraftIn solcher Sicht erscheint das Gehr als die Mitte oder das Herz der Sinnkraft, wie das Getast seine Wurzel und das Gesicht sein Gipfel war. Diese Mitte aber hat im aufrhrbar Leisen Anteil am innerlichen Lebensgrund des sprenden Getasts wie im verlockenden Getn an der Entrckung des ganz an die Erscheinungen hingegebenen Gesichts. Zugleich aber bertrifft es beide durch die Ausgesetztheit an das unsichtbar Fremde und Ferne des Lauten und durch sein Anheimgegebensein an das Verhallen und Verrinnen alles dessen, was erklingt und ertnt und das Gehr des Herzens im Innersten schwermtig durchrauscht.

7. Die bildgebende Selbstdarstellung des SeiendenAus dieser Metaphysik der Sinne, die uns der wunderbare Genius unserer Sprache mhelos schenkt, gewinnt die Frage nach dem Bilde Ort, Gewicht und Tiefe. Wir sagten, das Bild ist dem entrckten Schauen zugeordnet, in dessen Schaugrund es leuchtend heraufgeht und erscheint. Nun aber gilt es zu enthllen, was es als Bild und Erscheinung ist. Wir beginnen mit der Aussage, da in jedem Bild sich ein Seiendes anzeigt. Jedes wirkliche Wesen ist dadurch bestimmt, da es sich wirklichend erwirkt und in einer Welt verwirklicht ist. Diese Wirklichung und Verwirklichung erfahren wir in unserer sichtbaren Welt, sofern jedes sichtbare Wesen sich selbst aus den Elementen dieser Welt aufbaut und sich durch seine innere Einigungs- und Binde-kraft fortgesetzt erhlt. Es whrt und west durch seine Wesenskraft gegen einen fortgesetzten Verfall, oder es erwehrt sich des zerstreuenden und zerstrenden Anfalls durch Fremdes, das es selber nicht ist. Diese fgbaren Weltelemente nennen wir mit den Alten das Empfnglich-Mtterliche oder das Materielle, weil es sich der bindenden, einwandelnden Einigungskraft der Wesen fgt. Auf diese Weise ist jede Pflanze im Mannigfaltigen chemischer Stoffe und Vorgnge verwirklicht und whrt und west nur durch die fgende Steuerung und einwandelnde berhhung der Vorgnge zum Einigen ihres Lebens. In der materiellen Welt erwirken sich daher alle Wesen im Empfngnisgrund der Erde oder ihrer Elemente, an dem sie alle ihren Wesensanteil haben. Wir knnen aber auch sagen, sie bilden sich aus diesem Grunde und haben ihr Dasein nur als ein Gebilde. Solche Gebilde stellen sich fortwhrend zusammen und her. Her-stellen aber besagt sowohl zusammen- wie herausund hinstellen. Weil aber alle Wesen aus dem gleichen Grunde der Erde sich als Gebilde herstellen, so treten sie allesamt durch diesen materiellen Empfngnisgrund heraus in die einige Welt. Die deutschen Worte drcken den metaphysischen Verhalt haargenau aus: Das hergestellte Gebilde ist immer auch heraus-, hin- und dar-gestellt. Diese Heraus- und Darstellung eines Gebildes aber ist das Bild des Dinges.

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Dergestalt ist das Ding als Gebilde durch den durchwaltenden Empfngnisgrund bei sich selbst und als Bild zugleich entuert. Nur weil es her- und dargestelltes Bild ist, erscheint es in einer Welt. Wenn es erscheint, so scheint es zunchst im Lichte auf durch die Strahlkraft seiner bildenden Wesensform. Dieses einige Wesen aber kommt nur im Mannigfaltigen der Elemente als Gebilde zu sich, so da im Bilde immer auch sein Anheimgegebensein an ein Fremdes miterscheint. Das Bild enthllt daher das Wesen, wie es dies zugleich durch zufllige Eigenschaften und mannigfaltige Bezge verhllt. Wir knnen auch sagen, da es sich im Darstellen und Vorstellen auch verstellt. Deshalb unterscheiden wir in der deutschen Philosophie das Ding und die Erscheinung, wobei wir wissen, da das, was nur Erscheinung ist, noch nichts ber das Wesen einer Sache vorgebracht hat. Denn jede Erscheinung hat den Schein bei sich, anderes darzustellen, als was in Wahrheit ist. Der Schein besagt daher sowohl bekundendes Aufstrahlen wie trgerisches Vorgeben. Was aber vor-gegeben wird im Schein der Erscheinung, ist eben ein anderes als das whrende Wesen und knnte ein ganz uerliches sein. Im Anblicken eines Bildes ist daher nichts entschieden ber die Wahrheit des Seins. Da das Schauen von uns enthllt war als die entrckte Entuerung unseres Gesichtes an das Erscheinende, dieses aber als Bild auch die Entuerung eines Gebildes an den beirrenden Schein des Wesenlosen bedeutet, so treffen im Augenschein des Bildanblickes zwei Entuerungen, die des Gesichts und des Gebildes, an der Grenzscheide der Erscheinung aufeinander. Was sich uns an dieser Grenzscheide enthllt, ist daher die uerste Gefahr der Entfremdung an den Trug, den Schein und die Oberflche.

8. Erscheinung und EntuerungDiese Gefahr ist um so grer, als das Gesicht der Gipfel unserer Sinnkraft ist, die in ihm die Ruhe, die Wonne und die Helle des schlechthin Vollendeten und Leichten erfhrt. Sprachlich ist ja das Leichte und das Lichte dasselbe. Nichts Menschliches ist mheloser als das Schauen, so da es auch noch dem Erschpften und Zerstreuten gelingt und jede krankhafte Unruhe sich im Leichten und Anregenden des Herumgaffens aufs angenehmste ergeht. Darum sollen wir uns nicht tuschen lassen ber die geistige Arbeit und Sammlung der Leser unserer Illustrierten und Bildzeitungen, der fleiigen Begaffer von Bildreportagen und Fernsehsendungen. In den meisten Fllen haben wir es mit dem erblindeten und verbldeten Wuchern einer ins uerliche vergafften Sinnkraft zu tun, die, des Wesenhaften entwhnt, sich im Mannigfaltigen und im Wechsel der Erscheinungen dsend umtreibt und weder das Vernehmend-Gesammelte der Vernunft noch das Verwahrende der Einbildungs- und Gedchtniskraft mehr zu eigen hat. Wie das Licht im leeren Weltraum sich ins Wesenlose zerstreut, so sind heute viele Menschen ans Zerstreuend-Lichtende verloren, was man als den Lichttod des Geistes bezeichnen kann. Diesen Menschen vertritt das wesenlose Bild mit dem Reiz des Wechsels die Wirklichkeit. Diese auswechselbare Bildwelt wird durch keinen Wesensgrund in festigende und bindende Mae gestellt. Da

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es aber zum Wesen des Menschen gehrt, besinnlich zu leben, das heit seine Sinnkraft im Erinnern zu sammeln, so verlocken ihn die wahrheits- und wirklichkeitsfremden Bildschemen, aus dem verwahrlosten Innern des Herzens ihnen das zu geben, was sie aus dem Sein her nicht mehr besitzen. Sie werden Sinnen-bilder in dem schlechten Sinne, da sie aus den erregten Sinnen fortgesetzt mit Sinn und Bedeutung begabt werden. Je scheinhafter, unechter, blendender und reicher sie sind, um so mehr lassen sie sich zum erregenden Spiel des sen Truges und der sinnlichen Schwelgerei gebrauchen. Jedes Bild, das dem eigenen Wesen entfremdet ist, wird daher leicht-fertig als Eigentum genommen und fr das Triebhaft-Innerliche beansprucht.

9. Der Sinn als die Offenheit des HerzensUm dies zu verstehen, bedarf es einer kurzen Besinnung. Unsere Sinne sind wesenhaft das geffnete Herz des Menschen. Sie sind die Wege, auf denen die mgende Liebe des Herzens durch die Begegnung mit den Dingen und Wesen zu Macht und Reichtum, d. h. ins Vermgen kommt. Dieses Mgen harrt der Empfngnis durch das Wesenhafte und Whrende des Seins, d. h. Gottes, des Menschen und der Natur. Wo sich ihm dieses Sein versagt oder es sich ihm verschliet, kommt der Herzens- und Lebensgrund nicht zu fruchtbarer Vermhlung sondern zu fiebernder Gier, die sich im unlauteren Selbstanreiz verzehrt und aufrhrt. Dieser fiebrige Aufruhr der Sinnkraft, der sich an seinem falschen Feuer zugleich erschpft und an seiner schmachtenden Durft verzehrt, verfllt in die lsterne Gier nach Erregungs- und Rhrstoffen und sucht, am Blut- und Wesenlosen rasch ermdend, im Mannigfaltigen und in der Abwechslung der Bilder seine vergebliche Befriedigung. Das Bild wird gar nicht mehr nach Wesenhaftem befragt, sondern von der Neu- und Rauschgier, von der Augenlust fr sich selbst beansprucht und nach Erregungsreizen abgetastet. Eine raffinierte Bildtechnik steht mit dieser vernunftlosen, ungesammelten Rauschgier geschwchter Herzkrfte im wissenden Einvernehmen, um die dauernde Unzucht wahllos verliebter Sucht und Lsternheit zu befriedigen und ihren Dirnensold einzuheimsen. Sie stellt das wilde Tier neben die nackte Frau, das Trmmerfeld zerstrter Stdte mit Leichen neben das Bacchanal, den Hexenscheiterhaufen neben die Filmschauspielerin, die Rennfahrerkatastrophe neben die Krankenhausszene, die betende Nonne neben die Herzoperation. Sie verstrt und verfhrt auch die Schaufreude des Kindes durch die wste Wirrnis farbig-schreiender, durch Gegenstze und groteske Verzerrungen wild erregter Bildberichte. Hier ist auch die Bildfolge, bar jedes sinnvollen Zusammenhanges, nur noch die Ausfaltung eines Erregungsablaufs mit seinen Trieberfllungen. Da gibt es das Engelhaft-Unschuldige neben dem Affenhaft-Verzerrten, das Lammhaft-Wehrlose neben dem Zerreiend-Blutdrstigen, das Schlangenhaft-Hinterhltige neben dem Heldenhaften des blondgelockten Jnglings, das Rhrend-Gute neben dem Teuflisch-Bsen, das Trollhafte, das Alraunische neben dem Putzigen und Albernen, das Romantische oder gar das Archaische neben dem Modernsten und alles in sinnverwirrender Mischung, da die Erregung alle Schauder und Bangnis des Herzens wollstig

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aufrhrt, um sie dann immer ins Behagliche oder Beruhigte des guten Endes einklingen zu lassen. Diese Entuerung an das Trieb- und Gier-Bild, die Preisgabe des Herzens an die zerstreuende Entrckung lsterner Augen und an die wesenlosen Gaukelschemen bedeutet nicht nur die Einbung in eine unaufhrliche Unzucht, sondern bezeichnet metaphysisch die uerste Grenze der Entartung und Entgeistung des Menschen. Das Leichte und Spielerisch-Harmlose dieses Geschehens, d.h. das Leichtsinnige, kennzeichnet zugleich die Hemmungs-und Substanzlosigkeit, in welcher der Gewissens- und Neigungsgrund des Menschen, das Vernehmend-Gesammelte unserer Vernunftnatur langsam die Herrschaft ber den Lebensvollzug verliert und in dessen Wirrnis zum Schweigen gebracht wird. Ein Unterrichten aber als Weise der Bildberhufung unserer Kinder ist die weltweit Methode gewordene Verfhrung ins Gedankenlose, die die Bewahrungskraft der Einbildung und des Gedchtnisses schwcht und die Vernehmungskraft des Geistes verstrt und beirrt. Es ist buchstblich eine methodische Ver-bildung in der Irrnis des Wahrheits- und Wesenlosen.

10. Das SchneDas Bild ist wesenhaft Erscheinung aus dem Grund des bildenden, erscheinenden Seins. In ihm erscheint mit dem scheinhaft Zerstreuenden des Empfngnisgrundes zugleich der einige Wesensgrund, der sich als Gebilde bildet, alle Teile auf seine Mitte hin einigt und im Mannigfaltigen der Elemente fgend waltet und spielt. Dieses waltende Spiel im einigenden Einklang des Wesenhaften und im atmenden Weben freier Entfaltung macht das Erscheinende schn. Das Schne ist Glanz aus der Tiefe des Seins. Es ist immer einigende Fgung in atmender Freiheit. Diese webende Freiheit hat das Gebilde der Natur nur im Offenen seiner Landschaft, im Mitsein anderer Wesensgebilde oder im mitwaltenden Aufgang des Seins. Darum ist jedes vereinzelte Bild einer Blume oder eines Tieres merkwrdig stumpf; erst wenn die Blume in der Atmosphre atmet, wenn der Raum um sie dunkelt oder der Strau sie in Verein mit ihren Schwestern stellt, wenn das Licht den Strau umspielt, erscheint sie in der Wesensmacht ihrer Schnheit.

11. Einbildungskraft und SchauenDaraus erhellt, da das Bild dem Schauen seine Wesenstiefe nur schenkt, wenn das Auge im Einvernehmen mit dem Lebensgrund des erscheinenden Gebildes steht, aus dem das Bild als Erscheinung heraufgeht. Solches Einvernehmen aber gibt es nicht in der Entrckung des unmittelbaren Anschauens, sondern nur im gewahrenden Bewahren. Das in den Gebilden und Bildern der Natur Whrende und Wesende schenkt sich nur dem fort-whrenden gesammelten Anblick, in dem die einigende Tiefe des bildenden Grundes sich dem Schauenden einbildet und ihn mit seiner Wesenskraft beschenkt. Die Sinnkrfte unseres Herzens werden in ihrem Einbildungs- und Gedchtnisgrund von den whrenden

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Wesen mit ihren Bildern be-gabt, so da sie nun aus dem Dank der Empfngnis ins innerliche Gedenken und Denken kommen. Aus den Wesensbildern unserer Einbildung blicken wir auf die Dinge hin. Da blicken soviel wie blinken und leuchten besagt, so ergibt sich uns hier, da wir im Hinblick auf die Bilder diese mit dem Licht und dem Glanz des Eingebildeten, d. h. unserer In-bilder, beschenken. Der lichtvolle Blick hat seine Helle aus dem Lichtgrund seiner Einbildung. Nur weil wir einbildend der Dinge gedenken, gewahren wir ver-gleichend das Wesens-gleiche der sich in tausend Vereinzelungen auszeugenden Arten und das Wesenshnliche der in Arten auseinandergefalteten Gattungen. Solchermaen ber-blicken wir die im Innern der Einbildung gesammelten Wesen, die sich uns zugleich als whrend und waltend gefgte Weltordnung darbieten. Indem nun dieser durch die Wesenskraft der gleichen und hnlichen Dinge in seiner Einbildungskraft be-gabte und erhellte Blick auf die seienden Erscheinungen trifft, geschieht nicht mehr das unmittelbare Anschauen, sondern die ueren Dinge stehen den eingebildeten geschwisterlich gegenber. Sie gren einander in der Freude freundlichen Einvernehmens. Gren aber bedeutet dem sprachlichen Ursprung gem soviel wie angehen und angreifen, sofern im Gru einstmals der Fremde der Kraft des andern sich kmpfend aussetzte. Erst nach diesem Vergleich gewann er die Ehre der Freundschaft. So ist auch alles Gewahren, das aus inbildlicher Tiefe des Gedchtnisses kommt, ein angehendes vergleichendes Durch-messen der Erscheinung, die, in die artgleiche Wesensordnung gestellt, des befremdenden Scheins entkleidet wird und mit dem Innern ins Ein-vernehmen kommt - oder in ihrer Besonderung sich deutlich heraus-stellt. Unser Schauen ist aus dem bloen Anschauen herausgetreten und ist hinsichtiges Erschauen oder Erblicken geworden. Eine Sache erblicken besagt daher, sie vom In-bild des Gedchtnisses her ver-gleichend auf das Artgleiche oder Ungleiche hin anblicken, wobei die bildende Wesenstiefe der Art erscheint und aus dem Zuflligen des Bildes herausgehoben wird. Damit aber wird das Bild selbst aus der erinnerten Tiefe des sich herstellenden Gebildes angeblickt und als Erscheinung durch Gestalt und Schnheit aus seiner Lebenstiefe her gegliedert und akzentuiert. Das Hervortretenlassen dieses einigenden, wesenhaften Waltens im Bilde ist ein Wesenszug jeder knstlerischen Gestaltung. Alles Bildschaffen ergeht daher nicht aus dem unmittelbaren Anblick, sondern aus der Tiefe des erinnernden Gedenkens oder aus der Einbildungskraft des Menschen.

12. Die Wandlung von Inbild und WeltblickAus dieser Erkenntnis erhellt, da das Bewahren und Verwahren der Wesensordnungen im Gedchtnis den Blick in die Welt erffnet und die Weise des Gewahrens wie des Darstellens bestimmt. Die Auflsung der Welt in chemische oder physikalische Kraft- und Bewegungszusammenhnge, die sich nur noch in mathematischen und geometrischen Bezgen ordnen, schenkt keine artlich geprgten Inbilder mehr. Der Grund der Einbildung ist nicht mehr die mtterliche Erde, sondern der durchrechnete und

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geometrisch gefgte Raum atomisierter Massen und Energien. Darum sieht der durch unsere Schulen gegangene Mensch unserer Tage nicht mehr die Wesensbilder der Natur, sondern je zufllige Gebilde, die eine mechanische oder doch eine mathematisch gefgte Gesetzlichkeit von Krften und Energien durch- und berwaltet. Die sogenannte abstrakte Bildkunst unserer Zeit ist daher nicht eine knstliche aufgepfropfte Wandlung des gewohnten natrlichen Anblicks der Natur, sondern ergeht aus dem Innern einer Einbildungskraft, die die urtmliche Landschaft und die Lebensordnung der Erde verlor. Es ist kein Zweifel, da die Menschen deshalb nicht mehr einsam durch Wlder und Auen streifen, weil sie nichts mehr sehen und kein Bild mehr ein Inbild grt. Die Bewegungsbilder oder die Gierschemen ihres Herzens werden von dem bersonnten Rain und dem ruhevoll ragenden Baum nicht gegrt, sondern an-gefremdet. Der blut- und wesenlose Blick spielt mit den Farben und Gestalten der Natur wie mit chemischen und physikalischen Bauelementen und schafft die grausen, erschauern machenden Schimren und Kompositionen der modernen abstrakten Bild-Demiurgen. Noch bei Franz Marc und anderen ergab sich das Phnomen, da die Artgebilde als solche, ins Geometrische oder Farbig-Abstrakte gestellt, geheimnistief im erdelosen ther der Einbildung, in ihrem geistartigen Schauraum, aufschienen, whrend in der jngsten Entwicklung das Unheimlich-Demiurgische oder das wesenlose Spielen mit zertrmmerten Farb-, Form-, Art- und Dingelementen in abstrakten Rumen die Gebilde der Natur im Tode zerfetzt und ihnen eine verfhrerische Auferstehung durch eine geometrische Zuordnungs- und Baukunst oder eine irisierende magische Durchfhlungs-, Zueignungs- und Zusammenstimmkraft gewhrt. Die unleugbare Erschtterung, die von derartigen Werken ausgeht, ist eine Wollust ber dem Gestaltentod der Welt, die ihre Eindruckskraft durch die Eintnigkeit im Ungeheuerlichen und Unheimlichen erkauft. Darum sieht und erfhrt man in zwanzig und dreiig Schpfungen solcher Meister nicht mehr und anderes als in einer einzigen. Ihre Bildsprache enthllt im irisierenden Geleucht, im bald bedrohlichen, bald lstern verschwebenden Geflacker, im Verzerrten und sich Stoenden wie in der Magie wesenswidriger Vergattung, im berckenden Spiel unendlicher Verwehungen Geschreck und Verfhrung, Schauer und Betubung eines Lockend-Unholden wie eines Einsaugend-Chaotischen und die Ankunft eines Unheimlichen an den Grenzen einer in ihren Wesensgrnden schon verfallenen und vergangenen Welt. Solches Vermgen ist freilich Vermchtnis des Seins selbst, das jenseits alles Gestalthaften west, dessen Verfall es selbst nicht erreicht. Auch das Unheimliche kann sich nur nhern auf Wegen, auf denen das Sein gerufen und offenbar werden kann, weil sie vom Sein her sind. Darum gibt es auch im Bild unserer Tage Nhe und Glanz seines Geheimnisses.

13. Die Schau- und Sinnkraft der VernunftUnsere Sinnkraft erschpft sich nicht in der einbildenden und gedenkenden Bewahrung. Der Grund, aus dem sie selbst entsprang, der sie waltend durchdringt und in dem all ihr Gewahren und Bewahren zu Ziel und Ende kommt, ist das Gesammelt-Vernehmende des Geistes oder der Vernunft. Die Vernunft

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aber vernimmt das Sein, oder besser, es ist die Macht des waltendwesenden Seins, aus dessen Grund alle Wesen und Dinge hervorgingen, welche das leere empfngliche Vernehmen des Geistes be-gabt und ihn und die Dinge ins Licht der Wahrheit rckt. Was die Vernunft im Wesen ist und was sie der Sinnkraft des Menschen zubringt, das enthllt sich uns nur aus der Wesenstiefe des Seins selbst. Wie die Sinne im Offenen der Welt und ihrer Dinge schauen, hren und tastend fhlen, so schaut, hrt und fhlt die Vernunft im waltenden, webenden, lebenatmenden Grunde des Seins. Das Gesammelt-Vernehmende der Vernunft aber ist nichts neben den Sinnen. Thomas sagt bndig: Was immer der Sinn vermag, das vermag auch die Vernunft, aber dazu mehr und Besseres. Deshalb gibt es kein Schauen des Auges, ohne da das Sein der Welt mit dem Augenbild in den Geist dringt und ihn mit seiner Helle und Wesensmacht beschenkt. Das vom Sinn Geschaute steht immer zugleich im Schaublick des Geistes. Deshalb gehen am Ursprung die Bilder und Erscheinungen fr das Kind aus dem Sein herauf und werden als Wunder aus himmlischen Grnden erfahren. Die landlufigen Denkschemata der Psychologie und der sogenannten Erkenntnistheorien, nach denen das Kind zunchst als Sinnenwesen da ist und allmhlich die Abstraktionsstufen des Denkens erarbeitet, sind allesamt falsch und wesenswidrig. Das Auge des Kindes vernimmt immer das Sein und damit das hchste Gleichnis Gottes, weshalb es frh in Vater und Mutter das Walten gttlicher Wesen und sie selbst als die Mitte des Seins erfhrt, wie es ebenso die Natur im hegenden Rund einer Landschaft und Tag und Jahr im himmlischen Kreislauf und Wandel der Sonne und des Mondes als wundersame Einheit gewahrt. Im Gesammelt-Vernehmenden seiner Vernunft ist der milde Gang des Mondes mit dem irdischen Geschick geeint, und es erkennt den treuen Wchter ber den schlafenden Grnden der Erde und den sanften Hirten der Sterne und Wolkenherden.

14. Die Bild- und Sinnkraft des WortesDie Vernunft ist daher die gesammelte Einheit der Sinnkraft. Das Sein aber lt nicht nur die Wesen entspringen, die in seiner bildenden Kraft sich als Gebilde herstellen und als Bilder darstellen, sondern es erwaltet sie in der Helle, in der Verinnerungs-, Ausdr