Simulationen und simulierte Welten - Lernen in immersiven Lernumgebungen

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Kapitel des L3T Lehrbuch (http://l3t.eu)

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2  —  Lehrbuch  für  Lernen  und  Lehren  mit  Technologien  (L3T)

1. Einführung

Virtuelle Welten sind eine spezielle Art sozialer Netz-werke, in denen die Benutzer als sogenannte Avatare(eine Art Spielfigur) in einer virtuellen, dreidimensio-nalen Umgebung dargestellt werden. Mittels Chatoder Voice Chat kommunizieren diese Avatare inEchtzeit miteinander. Sie können mit der virtuellenUmgebung interagieren (zum Beispiel einen Raumbetreten oder sich auf einen Stuhl setzen) und inmanchen Systemen auch die Umgebung modifizieren(zum Beispiel Geräte bedienen).

Im Gegensatz zu den meisten anderen sozialenNetzwerken bleiben die Benutzer hinter den Avatarenüblicherweise anonym. Von den sogenanntenMMOG (Massively Multiplayer Online Games), dieeine ähnliche Technologie verwenden, unterscheidensich virtuelle Welten darin, dass sie offener im Ver-wendungszweck sind, mit einem gewissen Fokus aufInteraktion und Kreativität. Sie sind also kein Spielmit vordefinierten Zielen, Gewinnern und Verlierern.Dadurch wird es möglich, sie als Lernumgebung zuverwenden.

Kommerziell betriebene virtuelle Welten erfreuensich vor allem bei jungen Menschen großer Be-liebtheit. Die Marktforschungs-Firma KZero zählteEnde 2009 etwa 800 Millionen Benutzer/innen inetwa 300 verschiedenen virtuellen Welten. Diemeisten davon haben Kinder und Jugendliche alsZielgruppe, aber es gibt auch virtuelle Welten miteinem Zielpublikum über 30 Jahren (zum BeispielSecond Life).

Es existieren Open-Source-Software-Projekte, mitdenen man selbst eine virtuelle Welt erstellen kann.Für den Fall einer virtuellen Lernumgebung ist diesnatürlich von Vorteil, weil man die volle Kontrolleüber das System hat und die Kosten geringer sind.Das bekannteste dieser Projekte ist das OpenSimu-lator-Projekt, welches im Wesentlichen die Funktio-nalität von Second Life nachbildet.

2. Grundlage  des  Lernens  mit  Simula8onen  und  simu-­‐lierten  Welten

Begrifflichkeiten

Der Begriff Serious Games, dessen deutsche Über-setzungen (zum Beispiel „Digitales Lernspiel“) zu-meist nicht seinen vollen Bedeutungsumfang er-fassen, bezeichnet Anwendungen, die ernsthafteThemen beziehungsweise Lerninhalte vermitteln.Dazu bedienen sie sich der unterhaltenden Elementeund gängigen Mechanismen von Computerspielen.Anwendungstypen wie Simulationen, Edutainment(unterhaltsames Lernen) und Advergames (Werbe-spiele) können als Serious Games zusammengefasstwer-den.

Der Begriff „Serious“ bezieht sich auf den in-haltlichen Schwerpunkt, das heißt die „Ernsthaf-tigkeit“ einer Simulationsumgebung. Das bedeutetnicht, dass nicht auch ein kommerzielles Spiel einenernsthaften Zweck verfolgen kann. Hier ist jedochder Effekt gemeint, der bei den Lernenden erzeugtwerden soll. Dabei ist davon auszugehen, dass ihnenbekannt ist, dass sie sich in einem Serious-Gaming-Kontext befinden, was somit Auswirkungen auf dieErwartungshaltung an die Applikation hat.

Der Begriff „Games“ bezieht sich auf den ge-stalterischen Schwerpunkt. Die Lernenden befindensich in einem Szenario, das von ihnen als spielerischempfunden wird. Im Laufe des Spiels (oder der alsSpiel empfundenen Handlung) werden die Inhalteder Anwendung auf unterhaltsame und intensive Artund Weise erarbeitet. Der Vorteil daran ist, dassdieses Nutzungsszenario andere Zugänge zu denNutzern zulässt, als es zum Beispiel bei einem Buchoder einem Film möglich ist.

Konzepte für immersive Lernumgebungen undLernen in 3D („drei Dimensionen“) werden seitEnde der 1990er Jahre experimentell erprobt. DieAnwendung virtueller Welten in sozialen Interakti-onsprozessen wurde zunächst in ActiveWorlds bezie-

Reflek<eren   Sie   vor   dem   Hintergrund   der   zuneh-­‐menden  Digitalisierung  die  Vorteile  und  Nachteile  beider   Verwendung   von   Avataren   in   virtuellen   Lernsze-­‐narien!

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Weiterführende  Links  finden  Sie  in  der  L3T  Gruppe  beiMister   Wong   unter   Verwendung   der   Hashtags   #l3t#virtuellewelt  #einfuehrung

!Weiterführende  Literatur:▸ Krause,   D.   (2008).   Serious   Games   -­‐   The   State   ofthe  Game.  Der  Zusammenhang  zwischen  virtuellenWelten  und  Web  3D.  Köln:  Pixelpark  Agentur.  ▸ Masuch,   M.   (o.   J.).   Entwicklung   von   Computer-­‐spielen.  URL:  h^p://bit.ly/9H5kzK  [2010-­‐07-­‐16]

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Mit  Serious  Games  erarbeiten  Lernende  in  Szenarien,die   sie   als   spielerisch   empfinden,   ernsthahe  Themenbzw.  Lerninhalte.

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hungsweise Edu-Worlds und ab circa 2005 in SecondLife, erforscht. Begründen lässt sich das Interesse amLernen in dreidimensionalen Umgebungen sicherlichdadurch, dass Lernplattformen beziehungsweiseLernmanagementsysteme (LMS) nicht in dem Maßeattraktive und interaktive Lernumgebungen sind, wiesie versprechen.

Eine These bei der Verwendung dreidimensionalervirtueller Welten ist die mögliche unterstützendeWirkung sogenannter Immersion auf Lernprozesse.Immersionseffekte hängen mit Flow-Erleben (Csiks-zentmihalyi, 1993) zusammen, werden aber auch imZusammenhang mit Computerspielsucht genannt(Grunewald, 2009).

Immersion bezeichnet den Grad, in dem Indi-viduen wahrnehmen, dass sie mehr mit ihrer virtu-ellen als mit ihrer realen Umgebung interagieren(Guadagno et al., 2007) und beschreibt somit das in-dividuelle Gefühl des „sense of being there“. Be-züglich einer virtuellen Realität scheint Immersiondurch den Grad der Repräsentation der Lernendenund ihrer Präsenz (Presence) bestimmt zu sein (Daviset al., 2009; Bredl & Herz, 2010). Ihre Repräsentationist dabei geprägt von den Zuständen und dem Er-scheinungsbild ihrer virtuellen Repräsentanten sowieihrer Interaktionsmöglichkeiten (Bouras et al., 2001).

Das Präsenzerleben der Lernenden in 3-D-Umge-bungen hängt im Wesentlichen mit der Wahrneh-mung ihrer eigenen virtuellen Präsenz zusammen.Heeter (1992) spricht unter anderem von einer so-

zialen Präsenz, welche sich auf das Vorhandenseinanderer Personen in der virtuellen Umgebung be-zieht.

Pädagogische  und  psychologische  Grundlagen

Ausschlaggebend beim Lernen mit Simulationen undsimulierten Welten ist die stete Interaktion mit demLernstoff. Gelernt wird in realitätsgetreu nachgebil-deten Umgebungen und mit realen Eingabegeräten.Burdea und Coiffet (2003) sprechen von den „drei I“des Lernens mit virtuellen Realitäten: Imagination,Immersion und Interaktion. Imagination beschreibtdie Vorstellungskraft und das Einbildungsvermögender Lernenden, sich in eine Simulation hineinzuver-setzen. Durch Echtzeitvisualisierungen und -reak-tionen des Systems erhalten die Nutzer sofortigesFeedback auf ihre Eingaben (Interaktion). Die Infor-mationsaufnahme erfolgt zudem multimodal (sieheAbbildung 1), das heißt, mit mehreren Sinnen. Da-durch wird ein Gefühl der Immersion erzeugt, alsodes direkten Einbezogenseins in der simulierten Welt.

Wissen wird in diesen Lernumgebungen nicht vor-gegeben, sondern explorativ erarbeitet. Dieses entde-ckende Lernen führt zu einer Erweiterung des per-sönlichen Erfahrungsraumes sowie der Generierungund Überprüfung von Hypothesen. Allerdingskönnen nach Hofmann (2002) die Erkenntnisse ausdiesen Lernprozessen nur dann auf die Realität über-tragen werden, wenn die eingebauten Komponentenso wahrheitsgetreu wie möglich simuliert und wahr-genommen werden. Studien zeigen, dass das Lernenmit Simulationen motivierender und lernförderlicherist als rein textorientierte Lernformen. Diese Lern-weise resultiert jedoch nicht per se in einer höherenQualität beziehungsweise Quantität der kognitivenVerarbeitung und des Fertigkeitserwerbs. Vielmehrfühlen sich Nutzer und Nutzerinnen ohne Anleitungleichter überfordert und verlieren die Lust am Lernenmit der Simulation. Um dies zu vermeiden sind un-terstützende Maßnahmen notwendig:▸ klare Lernziele, Arbeitsaufträge und Instruktionen,▸ permanent verfügbare Hintergrundinformationen

sowie▸ Hinweise und Übungen, die zur Reflexion an-

regen, zum Beispiel das Einstellen eines be-stimmten Zustandes der Simulation.

Diese Techniken sind empirisch überprüft undhaben einen positiven Einfluss auf die Lernmotivati-Abbildung  1:  Multimediale  Informationsaufnahme

▸ Disku<eren  Sie  die  mit  der  Immersion  in  virtuellenWelten   zusammenhängenden   Phänomene   inBezug  auf  Lernprozesse!▸ Was  prägt  den  Grad  der  Repräsenta<on  eines  Ler-­‐nenden  in  einer  dreidimensionalen  virtuellen  Um-­‐gebung?

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on, die Tiefe der Informationsverarbeitung und denLernerfolg (weitere Techniken und Verweise aufStudien zum Beispiel bei De Jong & van Joolingen,1998).

Technische  Grundlagen

Zur Erzeugung eines Gefühls der Immersion werdenhäufig dreidimensionale Darstellungen auf eigentlichzweidimensionalen Monitoren genutzt. Dadurch ent-steht bei den Lernenden der subjektive Eindruckeiner virtuellen Welt, in der sie sich bewegen können.Der Grad der Einbindung in das Spielgeschehen wirdweiterhin durch verschiedene Stimuli beeinflusst.Neben visuellen Eindrücken nutzen Hersteller bei-spielsweise auch auditive Elemente oder Gamecon-troller (Joysticks, Tastatur, Maus, Touchscreen etc.).Bei der Erstellung von Simulationen und simuliertenWelten sind zudem verschiedene Parameter zu er-zeugen. Dazu gehören▸ die Umgebungen (level),▸ die Regeln zur Interaktion mit der Umgebung

(zum Beispiel Gravitation, Berührungsmessung,physikalische Gesetze),

▸ die Regeln zur Aufnahme und Abgabe von Ob-jekten (zum Beispiel items) und

▸ das Vorhandensein von Avataren beziehungsweisecomputergestützten Akteuren (bots).

Soll die Lernumgebung durch mehrere Personen ge-meinsam genutzt werden, müssen außerdem die In-teraktion und die Kommunikation von Avataren si-chergestellt werden.

Zur technischen Realisierung werden sogenannteGame Engines genutzt, also Software-Pakete, die diebeschriebenen Funktionalitäten als Programmschnitt-stelle (engl. „application programming interface“,API) bereitstellen. Game Engines gehen über reine 3-D-Engines hinaus, da sie neben der grafischen Dar-stellung beispielsweise auch Module für Sound,Physik, Steuerung und Netzwerk beinhalten. Um denRealisierungsprozess zu vereinfachen, stellen Her-steller von Game Engines darüber hinaus integrierte

Entwicklungsumgebungen (engl. „integrated deve-lopment environments“, IDE) zur Verfügung. Mitdiesen können auf intuitive Weise Inhalte („mediaassets“) und Skriptcode bearbeitet werden (zum Bei-spiel in der Sandbox der CryEngine). Weitere be-kannte Beispiele neben der CryEngine der deutschenFirma Crytek sind die Source-Engine von Valve, dieQuake-Engine von iD Software und die Unreal-Engine von Epic Games. Es ist möglich, die Bestand-teile verschiedener Engines individuell zu kombi-nieren, indem beispielsweise eine 3-D-Engine (zumBeispiel Ogre, Irrlicht) mit einer Physik-Engine (zumBeispiel Havoc, Bullet oder ODE) und einer Sound-Engine (zum Beispiel OpenAL) verknüpft werden.

Das OpenSimulator-Projekt ist das bekanntesteWerkzeug, um eigene virtuelle Welten zu erzeugen.Im Gegensatz zu Second Life stellt es eine eigen-ständige und offene Lösung dar. Mit ihr lassen sichObjekte erzeugen, die dann über ein Netzwerk seria-lisiert, das heißt in einer bestimmten Form erhaltenoder transportiert werden können.

3. Der  Einsatz  von  Simula8onen  und  simulierten  Weltenals  Lernumgebung

Lernen mit Simulationen und simulierten Welten istimmer dann besonders gut anzuwenden, wenn Pro-zesse trainiert werden sollen, in denen Fehlverhaltenriskante und lebensbedrohliche Auswirkungen habenkann. In einer Simulation trainiert es sich gefahrlos.Lernende können also problemlos verschiedene Ver-haltensweisen ausprobieren, ohne sich Sorgen übermögliche Konsequenzen machen zu müssen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt für den Einsatz vonSimulationen ist die Tatsache, dass Fahrzeuge (zuLand, zu Wasser oder in der Luft), Maschinen undGeräte oft nicht in ausreichender Anzahl für Ausbil-dungszwecke zur Verfügung stehen. Um also denrichtigen Umgang mit ihnen realitätsnah zu trai-nieren, kann daher eine Simulation sogar zwingendnotwendig werden.

Im Gegensatz zur Realität können simulierteWelten bestimmte Dinge sichtbar und damit begreif-bar machen. Ebenso werden sehr unwahrscheinliche

▸ Welche   wesentlichen   Parameter   einer   GameEngine  sind  unabhängig  vom  Spieltyp  zu  erzeugen?Welche  Parameter  werden  abhängig  vom  Spieltypeingestellt?▸ Welche   Herausforderungen   bestehen   bei   der   Zu-­‐sammenstellung   von   Teams   im   Rahmen   von   Se-­‐rious-­‐Gaming-­‐Projekten?  

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▸ Was   sind   die   Prinzipien   des   Lernens   mit   Simula-­‐<onen  und  simulierten  Welten,  die  sich  hinter  dendrei   „I“   verbergen?   Beschreiben   Sie,   wie   die   drei„I“  zusammenhängen!  ▸ Was   wird   unter   mul<modaler   Informa<onsauf-­‐nahme  verstanden  und  was  könnten  Gründe  dafürsein,  dass  Mul<modalität  posi<ve  Effekte  auf  denLernerfolg  aufweist?  ▸ Wie   könnte   die   Formulierung   eines   klaren   Lehr-­‐und  Lernziels   für  das   Lernen  mit  einer  Simula<onlauten?  

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(dennoch mögliche) Szenarien trainierbar. So ergibtsich aus der Simulation selbst ein Nutzen, der dendes Lernens in der Realität übersteigen kann.

Simulationen zeichnen sich durch ihre Kosteneffi-zienz aus. Ihre Anschaffungskosten können sich ineinigen Fällen bereits nach zwei bis drei Jahren amor-tisieren, in anderen Fällen erst nach mehreren Jahrender Nutzung. Schnelle Amortisierungen ergeben sichhäufig bei Simulationen von Hardware (zum BeispielFahrzeuge), deren Bedienung sehr oft geschultwerden muss. Längere Amortisierungszeiten ergeben

sich meist dann, wenn der Erfolg der Simulationnicht direkt messbar ist, beispielsweise bei der Simu-lation von menschlichem Verhalten. Hier ist der Ler-nerfolg erst in der realen, meist lange nach derSchulung auftretenden Situation sichtbar. WeitereVorteile beim Einsatz von Simulationen sind unteranderem: ▸ Ungefährlichkeit,▸ Mobilität,▸ kein Materialverschleiß teurer Geräte,▸ keine Schäden an teuren Geräten,

In der Praxis: Virtuelles TeamtrainingFahrzeuge   und  Maschinen   sind   ohmals   von   mehreren   Per-­‐sonen   zu   bedienen.   Doch   auch   Teamarbeit   kann   in   simu-­‐lierten   Welten   gelernt   und   geübt   werden.   Vorgestellt   wirdhier   eine   Methode   zum   virtuellen   Teamtraining   (Virtual-­‐Reality-­‐Team-­‐Training-­‐System,   VTTS,   www.vr-­‐team-­‐trai-­‐ner.com),  welche   die   Bremer   szenaris  GmbH   entwickelt   hatund  mit  der  eine  Gruppe  von  Lernenden  in  einer  simuliertenWelt  vorkonfigurierte  Übungen  ausführen  kann.  Im  virtuellenTeamtrainingssystem   sind   dazu   mehrere   Arbeitsplätze   ineinem   Netzwerk   miteinander   verbunden,   was   den   Ler-­‐nenden   das   gleichzei<ge   Handeln   innerhalb   eines   gemein-­‐samen   virtuellen   Szenarios   ermöglicht.   Abbildung   2   zeigteine  Version  des  Teamtrainers  für  vier  Lernende  –  ein  Ausbauum  weitere  Arbeitsplätze  ist  problemlos  möglich.

Abbildung  2:  Systemübersicht  eines  virtuellen  Teamtrai-­‐ningssystems

Die   erste   Anwendung,   die   auf   dem   Teamtrainer   installiertwurde,   ist   das   Brücken-­‐   und   Fährensystem   „Amphibie  M3“der   Bundeswehr.   Dieses   muss   aus   mindestens   zwei   Fahr-­‐zeugen  bestehen,  um  Fahrzeuge  über  ein  Gewässer  überzu-­‐setzen.  Dabei  ist  das  Zusammenkuppeln  von  zwei  oder  mehrFahrzeugen   zum   Beispiel   stark   von   Strömungsverhältnissen

und  dem  We^er  (Windrichtung  und  -­‐stärke,  Regen,  Schnee,Tag,  Nacht  etc.)  abhängig.  Diese  Parameter  werden  in  der  Si-­‐mula<on  nachgebildet,  so  dass  alle  auch  in  der  Realität  vor-­‐kommenden  Situa<onen  geübt  werden  können.   In  welchemSzenario  sich  die  Lerngruppe  befindet,  wird  vom  Trainer  ge-­‐steuert,  der  alle  Parameter  selbst  verändern  kann.  Lernendesehen   dabei   alle   Brückensysteme   jeweils   aus   ihrer   eigenenPerspek<ve  (siehe  Abbildung  3).  

Abbildung  3:  Blick  auf  die  Amphibie  in  der  virtuellen  Welt

Neben   der   Sicht   in   die   virtuelle  Welt   verfügt   jeder   Arbeits-­‐platz  über  den  originalen  Wasserfahrstand  mit  allen  dazuge-­‐hörigen   Bedienelementen,   so   dass   auch   die   hap<scheWahrnehmung  der  Realität  nahezu  entspricht.  Eine  der  Lern-­‐sta<onen   ist   mit   Datenhandschuhen   ausgerüstet   –   sowerden  Handbewegungen  der  Lernenden  an  diesem  Arbeits-­‐platz   direkt   in   das   virtuelle   Szenario   übertragen.   DiesesTeamtrainingssystem   wird   seit   2003   für   die   Ausbildung   ander  Amphibie  eingesetzt  und  trägt  dazu  bei,  dass  die  realenFahrzeuge   in   weitaus   geringerem  Maße   defekt   sind   als   vordem   simulierten   Einsatz.   Dies   und   die   jährlichen   Einspa-­‐rungen  machen  diese  Methode  somit  zu  einem  sehr  erfolg-­‐reichen  Simula<onssystem.  

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▸ praxisnahe, realistische Ausbildungssituation und ▸ Modifikation von Umgebungsvariablen (Wetter,

Lichtverhältnisse, Fehlermeldungen von Geräten).

Die möglichen Nachteile beim Einsatz von Simula-tionen sollen nicht unerwähnt bleiben. So könnenbeispielsweise Schwindelgefühle auftreten, wennsichtbare Bewegungen nicht den wahrgenommenenentsprechen (die so genannte „Simulatorkrankheit“).Da die Technik aber inzwischen so weit fortge-schritten ist, dass neben Sehen und Hören auch diehaptische Wahrnehmung angesprochen wird, findetman sich noch realer in das virtuelle Geschehenhinein. So wird dieses „spürbar“ und das Risiko phy-sischer Einschränkungen noch weiter minimiert.

4.  Zentrale  Erkenntnisse

Grundlage des Lernens mit Simulation und simu-lierten Welten ist das Handeln in virtuellen, dreidi-mensionalen Umgebungen in Echtzeit. Mit Hilfe ver-schiedener technischer Komponenten, sogenanntenGame-Controller, steuern Lernende ihren Avatar be-ziehungsweise virtuelle Fahrzeuge, Maschinen oderGeräte. Tastatur und Maus, aber auch Joysticks,Touchscreens sowie Original-Bediengeräte kommendabei zum Einsatz. Zentral in der technischen Um-setzung von Simulationen ist nicht nur der Einbezugvisueller und auditiver Elemente, sondern vielmehrdie exakte physische Nachbildung realistischer Pro-zesse mit Hilfe von Game Engines oder dem Einbauhydraulischer Komponenten. Diese technischen Ge-staltungsprinzipien sind es, die ein Gefühl des di-rekten Einbezogenseins in der virtuellen Welt er-zeugen und somit positiv auf Lernprozesse wirken.Der Fokus dieses Lernwegs liegt dabei stets auf derInteraktion mit dem Lernstoff, denn dieser wird inder virtuellen Umgebung spielerisch entdeckt und er-forscht. Lernende können also problemlos Verhal-tensweisen ausprobieren, ohne sich Sorgen übermögliche Konsequenzen zu machen. Obwohl diepräsentierten Szenarien als spielerisch empfundenwerden, sind es ernsthafte Inhalte, die zu erarbeiten

sind. Denn trainiert werden beispielsweise dasSteuern von Fahr- und Flugzeugen, bis hin zu medi-zinischen Operationstechniken oder Management-prozessen. Aus diesem Grund wird das entdeckendeLernen in virtuellen Welten auch als Serious Gamingbezeichnet. Die große Chance dieses didaktischenAnsatzes liegt in seiner äußerst positiven Wirkung aufLernprozesse. Diese werden stärker motiviert und ge-fördert als in rein textorientierten Lernformen. Aller-dings sind auch beim Lernen mit virtuellen Weltenunterstützende Maßnahmen in Form von klarenLehr- und Lernzielen sowie Hintergrundinforma-tionen nicht zu vernachlässigen. Simulationen und si-mulierte Welten ermöglichen somit aufgrund ihrertechnischen und didaktischen Prinzipien ein realisti-sches und gleichzeitig ungefährliches Training. Ver-schiedenste Prozesse und Verhaltensweisen könnenmit dieser Methode gelernt und geübt werden. Da-durch ist sie unverzichtbar in der heutigen Aus-, Fort-und Weiterbildung.

Literatur

▸ Bouras, C.; Triantafillou, V. & Tsiatsos, T. (2001). Aspects of acollaborative learning environment using distributed virtual en-vironments. Paper presented at ED-MEDIA 2001 Conference,Tampere, Finnland. URL:http://ru6.cti.gr/ru6/publications/2021615.pdf [2010-07-11].

▸ Bredl, K. & Herz, D. (2010). Immersion in virtuellen Wissens-welten. In: T. Hug & R. Maier (Hrsg.), Medien - Wissen -Bildung: Explorationen visualisierter und kollaborativer Wis-sensräume, Innsbruck: Innsbruck Universitiy Press, 212-224.

▸ Burdea, G. C. & Coiffet, P. (2003). Virtual Reality Technology.Hoboken (NJ): Wiley.

▸ Csikszentmihalyi, M. (1993). Das Flow-Erlebnis. Stuttgart:Klett-Cotta.

▸ Davis, A.; Murphy, J.; Dawn, O.; Deepak, K. & Zigurs, I.(2009). Avatars, People, and Virtual Worlds: Foundations forResearch in Metaverses. Journal of the Association for Infor-mation Systems, 10 (2), Artikel 2, URL:http://aisel.aisnet.org/jais/vol10/iss2/1 [2010-07-11].

▸ De Jong, T. & van Joolingen, W. R. (1998). Scientific discoverylearning with computer simulations of conceptual domains.Review of Educational Research, 68 (2), 179-202.

▸ Grunewald, M. (2009). Ausflüge in virtuelle Welten - eine Dar-stellung der Internet-Spielwelten von Second Life, World ofWarcraft und Counter-Strike. In: J. Hardt; U. Cramer-Düchner;M. Ochs (Hrsg.), Verloren in virtuellen Welten. Computerspiel-sucht im Spannungsfeld von Psychotherapie und Pädagogik,Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 44-67.

▸ Guadagno, R.E.; Blascovich, J.; Bailenson, J.N. & McCall, C.(2007). Virtual humans and persuasion: The effects of agencyand behavioral realism. Media Psychology, 10 (1), 1-22.

Durch   Simula<onen   werden   gefährliche   oder   sehrselten   auhretende   Situa<onen   praxisnah   und   realis-­‐<sch  trainierbar.

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Nennen  Sie  mindestens  zwei  Gründe,  warum  Simula-­‐<onen   eingesetzt   werden!   Recherchieren   Sie   jeweilszwei   Beispiele   für   Einsatzbereiche   von   Simula<onenals  Lernumgebung!

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▸ Heeter, C. (1992). Being There: The Subjective Experience ofPresence. URL:http://commtechlab.msu.edu/randd/research/beingthere.html[2010-07-10].

▸ Hofmann, J. (2002). Raumwahrnehmung in virtuellen Umge-bungen: Der Einfluss des Präsenzempfindens in Virtual

Reality-Anwendungen für den industriellen Einsatz. Wies-baden: Deutscher Universitäts-Verlag.

▸ Urhahne, D. & Harms, U. (2006). Instruktionale Unterstützungbeim Lernen mit Computersimulationen. Instructional Supportfor Learning with Computer Simulations. Unterrichtswissen-schaft, 34, 358-377.