Skript - Maschinendynamik - Kapitel 4

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Weitergabe sowie Vervielfältigung dieser Unterlage, Verwertung und Mitteilung ihres Inhaltes nicht gestattet soweit nicht ausdrücklich zugestanden. 83 4. Dynamik der starren Maschine Die „starre Maschine“ ist das einfachste Berechnungsmodell in der Maschinendynamik. Sie ist ein zwangläufiges System starrer Körper, dessen Bewegung bei gegebener Antriebs- bewegung aufgrund holonomer Zwangsbedingungen. eindeutig bestimmt ist. Die Idealisierung „starr“ ist möglich, wenn die elastischen Verformungen für den Bewegungsablauf keine Rolle spielen. D. h., dass die niedrigste Eigenfrequenz wesentlich größer sein muss, als die größte auftretende Erregerfrequenz. Die Erregung ergibt sich aus rotierend oder translatorisch bewegten Massen sowie den zeitveränderlichen äußeren Belastungen. Gleichmäßig oder ungleichmäßig übersetzte Getriebe sind behandelbar. Wie man beim Schubkurbeltrieb gesehen hat, kann aufgrund der kinematische Zusammenhänge auch bei einer konstanten Antriebsdrehzahl eine periodische Bewegung mit einer Vielzahl von höheren Harmonischen entstehen und damit das Erregerfrequenzspektrum erheblich nach oben erweitern. Die starre Maschine wird als ebenes Mehrkörpersystem behandelt. Ebene Bewegungen kommen in der Maschinendynamik sehr häufig vor. Wir betrachten das in Bild 4.1 dargestellte System, das aus Starrkörpern zusammengesetzt ist. Der Körper Nr. i ist durch die Masse Masse i m und das Massenträgheitsmoment si J um die Drehachse gekennzeichnet. y y’ y x’ x x F S ϕ ϕ i i i i i i M i i 1 2 2 s s Bild 4.1: Ebener, starrer Mechanismus

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Kapitel 4 des Skripts fuer Maschinendynamik

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4. Dynamik der starren Maschine

Die „starre Maschine“ ist das einfachste Berechnungsmodell in der Maschinendynamik. Sieist ein zwangläufiges System starrer Körper, dessen Bewegung bei gegebener Antriebs-bewegung aufgrund holonomer Zwangsbedingungen. eindeutig bestimmt ist.

Die Idealisierung „starr“ ist möglich, wenn die elastischen Verformungen für denBewegungsablauf keine Rolle spielen. D. h., dass die niedrigste Eigenfrequenz wesentlichgrößer sein muss, als die größte auftretende Erregerfrequenz. Die Erregung ergibt sich ausrotierend oder translatorisch bewegten Massen sowie den zeitveränderlichen äußerenBelastungen.

Gleichmäßig oder ungleichmäßig übersetzte Getriebe sind behandelbar. Wie man beimSchubkurbeltrieb gesehen hat, kann aufgrund der kinematische Zusammenhänge auch beieiner konstanten Antriebsdrehzahl eine periodische Bewegung mit einer Vielzahl von höherenHarmonischen entstehen und damit das Erregerfrequenzspektrum erheblich nach obenerweitern.

Die starre Maschine wird als ebenes Mehrkörpersystem behandelt. Ebene Bewegungenkommen in der Maschinendynamik sehr häufig vor.

Wir betrachten das in Bild 4.1 dargestellte System, das aus Starrkörpern zusammengesetzt ist.Der Körper Nr. i ist durch die Masse Masse im und das Massenträgheitsmoment siJ um dieDrehachse gekennzeichnet.

y

y’y

x’

xx

F

S

ϕ

ϕ

ii

ii

i

i

Mi

i

1

22

s

s

Bild 4.1: Ebener, starrer Mechanismus

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4.1 Kinematik der ebenen, starren Maschine

Bei einem zwangläufigen Mechanismus lässt sich die vollständige Bewegung der Maschineauf die Antriebskoordinate (Winkel oder Weg) zurückführen, d.h. es besitzt einenFreiheitsgrad 1f = und die Bewegung wird durch eine generalisierte Koordinate qbeschrieben, die ebenfalls entweder eine Verschiebung oder ein Winkel sein kann.

Die Lage eines ebenen Körpers ist durch die zwei Translationen und eine Rotation festgelegt(s. Kap. 2 Kinematik):

( )( )tqxx sisi = (4.1.1a)( )( )tqyy sisi = (4.1.1b)( )( )tqii ϕϕ = (4.1.1c)

Entsprechend ergeben sich die Geschwindigkeiten:

qdq

dxx sisi !! ⋅= (4.1.2a)

qdq

dyy sisi !! ⋅= (4.1.2b)

qdq

d ii !! ⋅=

ϕϕ (4.1.2c)

oder mit Hilfe der Jacobi-Matrix, die hier aus einer Spalte für den i-ten Teilkörper besteht:

qJyx

i

i

si

si!

!

!

!

=

ϕ(4.1.2d)

Die Beschleunigungen ergeben sich entsprechend Kap. 2.1 zu:

22si

2si

si qdq

xdq

dqdx

x !!!!! += (4.1.3a)

22si

2si

si qdq

ydq

dqdy

y !!!!! += (4.1.3b)

22

i2

ii q

dq

dq

dqd

!!!!!ϕϕ

ϕ += (4.1.3c)

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4.2 Kinetische Energie und reduziertes Massenträgheitsmoment

Für den i-ten Teilkörper gilt, wobei der Bezugspunkt der Schwerpunkt ist:

iii rottranskin EEE += (4.2.1)

Der Koppelterm in der kinetischen Energie entfällt bei S als Bezugspunkt. Damit ist:

( ) 2isisi

2si

2ikin J

21yxm

21E

iϕ!!! ++= (4.2.2)

Das Gesamtsystem besitzt die kinetische Energie

( )∑∑==

++==

n

1i

2isisi2sii

n

1ikinkin J

21yxm

21EE

2

iϕ!!! (4.2.3)

Nach Einsetzen der Geschwindigkeiten nach Gl.(4.1.2) erhalten wir für die kinetische Energiedes Gesamtsystems

+

+

=

i

2i

si

2si

2si

i2

kin dqd

Jdq

dydq

dxmq

21E

ϕ! (4.2.4)

Das reduzierte Massenträgheitsmoment des Teilkörpers Nr.i ist:

+

+

=

2i

si

2si

2si

ii,red dqd

Jdq

dydq

dxmJ

ϕ(4.2.5)

Das gesamte reduzierte Massenträgheitsmoment ergibt sich als der Summenausdruck inGl.(4.2.3)

( ) ∑

+

+

=

i

2i

si

2si

2si

ired dqd

Jdq

dydq

dxmqJ

ϕ(4.2.6)

oder

2redkin q)q(J

21E != (4.2.7)

redJ wird auch als generalisierte Masse bezeichnet. Das Trägheitsmoment ist i.A nochabhängig von der Koordinate q.

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Die kinetische Energie aller beweglichen Teile ist also identisch mit der kinetischen Energieder generalisierten Masse )q(Jred .

Die Dimension der generalisierten Masse )(qredΘ ist für den Fall:

1) q ist ein Winkel : :J red Masse Länge²2) q ist ein Weg: :redJ Masse

Es gilt: 0Jred > , da die Ausdrücke 2

dqdx usw. quadratisch, also unabhängig von der

Bewegungsrichtung sind.

4.3 Potentielle Energie

Die potentielle Energie des Gesamtsystems setzt sich aus den Einzelanteilen

ipoti

pot EE ∑= (4.3.1)

zusammen, wobei z.B.

siigpot ygmE

i= Gravitationsfelder

( )2oiielpot ii

llk21E −= Elastische Energie einer Feder

mit der Federkonstanten ikund der Länge il sowie der Ausgangslänge iol der Feder

Wie bereits früher erwähnt, lassen sich die konservativen Kräfte auf ein Potentialzurückführen.

4. 4 Kräfte ohne Potential

Alle Kräfte ohne Potential werden in der generalisierten Kraft Q zusammengefasst. Manerhält Q aus der Arbeitsbetrachtung, dass die Arbeit der generalisierten Kraft Q = Arbeit allereingeprägten Kräfte und Momente auf die jeweiligen Einzelkörper i:

( )iiiyiixii

dMdyFdxFdqQdW ϕ++== ∑ (4.4.1)

Dabei sind die dx, dy und dϕ gekoppelt über die kinemtischen (holonomen)Zwangsbedingungen.

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Für die Leistung ergibt sich durch Beziehen auf ein differentiell kleines Zeitintervall dt :

++==

ii

iiy

ix dt

dM

dtdyF

dtdxF

dtdqQP i

i

ϕ(4.4.2)

Mit den Gln.(4.1.2) : qdqdx

dtdx ii !⋅= usw. erhalten wir dann

qdq

dM

dqdy

Fdqdx

FPi

ii

iiy

iix !∑

++=

ϕ

und damit

++=

i

ii

iiy

iix dq

dM

dqdy

Fdqdx

FQϕ

(4.4.3)

oder anders formuliert

+= ∑ i

ii

iiM

RJF

TT

JQ (4.4.4)

wobei

Translation:

=

dqdy

,dqdx

TT

J ii

iRotation:

dqJ i

Ri

ϕ∂=

Zwei Fälle sind zu unterscheiden1) q ist ein Winkel : dann ist Q ein Moment2) q ist ein Weg: dann ist Q eine Kraft

Q ist i.A. nicht konstant, sondern abhängig von qq !, und/oder t .

4.5 Bewegungsgleichung

Die Bewegungsgleichung lässt sich mit den Lagrange Gln. 2. Art aufstellen. Weil wir nureinen Freiheitsgrad haben, wird das Problem relativ übersichtlich:

QqL

qL =

∂∂−

∂∂ ⋅

!(4.5.1)

mit der Lagrange–Funktion (s. Kap.3)

potkin EEL −=

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Mit den Ergebnissen aus den vorangegangenen Abschnitten, insbes. Gl.(4.2.7),

( ) 2redkin qqJ

21E !=

erhält man nach Ableiten

( )qqJqL

red !!=

∂∂ und ( ) ( ) 2red

red qdq

qdJqqJ

qL

!!!!

+=

∂∂ ⋅

sowie( )

qE

qq

qJ21

qL pot2red

∂∂

−∂

∂=

∂∂

!

die Bewegungsgleichung der starren Maschine

( ) ( )Q

qE

qq

qJ21qqJ pot2red

red =∂

∂+

∂∂

+ !!! (4.5.2)

Klassischen Grundaufgaben lauten:

1) Gesucht ist die/das Antriebskraft/-moment anQ , um einen gegebenenBewegungsverlauf ( )tq zu realisieren, wobei q(t) die Antriebsbewegung ist und sich hierausalle Bewegung der Teilkörper mittels der Zwangsbedingungen rekonstruieren lassen.

2) Gesucht ist Bewegung ( )tq des Systems bei gegebenem Verlauf der Antriebskraft/desAntriebsmoments anQ .

Dabei wurde die nicht-konservative generalisierte Kraft Q aufgeteilt in :

"+++= ibArbAn QQQQ Re

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4.6 Drehzahlschwankung und Ungleichförmigkeitsgrad

Wir betrachten den Fall, dass die generalisierte Koordinate eine Drehbewegung beschreibtq = ϕ . Die analytische oder numerische Integration der Bewegungsgleichung

( ) ( )Q

EJ21J pot2red

red =∂

∂+

∂∂

ϕϕϕ

ϕϕ !!! (4.5.2)

liefert mit den Anfangsbedingungen zum Zeitpunkt

t = 0: )0t(0 ==ϕϕ und )0t(0 ==ϕω !

den Bewegungsverlauf der starren Maschine ϕ(t) und ω(t) z.B. für Anfahr- oderBremsvorgänge oder auch für den stationären Betrieb. Den stationären Zustand kann manüber eine (konstante) mittlere Drehzahl bzw. Kreisfrequenz definieren., denn aufgrund vonSchwankungen des reduzierten Trägheitsmoments Jred(ϕ) über einen vollen Zyklus oderSchwankungen des Antriebsmoments Qan = Qan(ϕ(t)) (z.B. bei Verbrennungskraftmaschinen)kann die Winkelgeschwindigkeit zwischen den Extremwerten ωmin und ωmax in einem Zyklusschwanken. Ein Zyklus kann z.B. eine volle Umdrehung der Antriebswelle oder ein zweiUmdrehungen der Kurbelwelle bei einem Viertakt-Verbrennungsmotor sein. DieDrehzahlschwankung wird durch den Ungleichförmigkeitsgrad δ beschrieben:

mωωω

δ minmax −= (4.6.1)

wobei ωm die mittlere Winkelgeschwindigkeit ist. Ein Maschine arbeitet um so gleichmäßiger,bzw. läuft um so ruhiger, je kleiner der Ungleichförmigkeitsgrad ist.

ωϕ( )

ϕ

ωmax

ωmin

ωm

0 2π 4π

Bild 4.6.1: Drehzahlschwankung während eines Zyklus

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Die mittlere Winkelgeschwindigkeit läßt sich durch Integration der momentanenWinkelgeschwindigkeit ω(t) über einen vollen Zyklus (der Dauer T ) berechnen.

∫=T

0m dt)t(

T1 ωω (4.6.2)

Einfacher ist es, sie durch

2minmax

mωωω +

≈ (4.6.3)

anzunähern. Damit ergibt sich der Ungleichförmigkeitsgrad näherungsweise zu

minmax

minmax2ωωωω

δ+−

≈ (4.6.4)

4.7 Energiebilanz

Wie bereits früher gesehen, bieten sich Energiebilanzen an, um Geschwindigkeiten zuberechnen. Auch hier lassen sich die Drehzahlschwankungen über ein Energiebilanzbetrachten: Aus dem Energiesatz folgt:

*d*)(Q)(E)(E)(E)(E0

0pot0kinpotkin ϕϕϕϕϕϕϕ

ϕ∫++=+ (4.7.1)

Wird keine Energie zu- oder abgeführt, so bleibt die Summe aus kinetischer und potentiellerEnergie konstant. Sortiert man Gl. (4.7.1) so um, dass auf der linken Seite die kinetischenEnergien, auf der rechten Seite die potentielle Energien und die Arbeit der nichtkonservativenKraft Q steht und setzt die Ausdrücke für die kinetischen Energien mit dem reduziertenMassenträgheitsmoment ein, ergibt sich

*d*)(Q)(E)(E)(J21)(J

21

0

pot0pot200red

2red ϕϕϕϕωϕωϕ

ϕ

ϕ∫+−=− (4.7.2)

Die rechte Seit können wir zur Arbeit aller äußeren Kräfte und Momente (konservative mitPotential und nichtkonservative ohne Potential) zusammenfassen:

*d*)(Q)(E)(E),(W0

pot0pot0 ϕϕϕϕϕϕϕ

ϕ∫+−= (4.7.3)

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so dass

),(W)(J21)(J

21

0200red

2red ϕϕωϕωϕ =− (4.7.4)

Die aktuelle Winkelgeschwindigkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt t erhält man nun durchUmstellen von Gl(4.7.4):

( ))(J

,W2)(J)(J

)t(red

020

red

0red2ϕϕϕ

ωϕϕ

ω += (4.7.5)

Der letzte Term wird erweitert gemäß

[ ][ ] )(E

W)(J)(J

)(J)(J

)(JW2

)(JW2

0kin

20

red

0red

red200red2

1

200red2

1

red ϕω

ϕϕ

ϕωϕ

ωϕ

ϕ== (4.7.6)

Gl.(4.7.6) in Gl. (4.7.5) eingesetzt, ergibt das Ergebnis

)(E),(W

1)(J)(J)(

0kin

0

red

0red

0 ϕϕϕ

ϕϕ

ωϕω += (4.7.7)

Die Variation der Winkelgeschwindigkeit wird also im wesentlichen bestimmt durch dieVariation der reduzierten Tragheitsmomente und durch das Verhältnis von Arbeit der äußerenKräfte/Momente zur kinetischen Energie.

4.8 Sonderfälle

4.8.1 Dominanz der Trägheitsmomentenschwankung

Der erste Grenzfall, der untersucht wird, geht davon aus, dass )(EW 0kin ϕ<< . Dieser Falltritt auf bei hohen Drehzahlen und im Leerlauf, wenn nur gerade soviel (bzw. so wenig)Arbeit am System verrichtet wird, wie nötig ist, um die Reibungsverluste auszugleichen.

Dann wird näherungsweise aus Gl.(4.7.7)

)(J)(J)(

red

0red

0 ϕϕ

ωϕω = (4.8.1)

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Wenn die Arbeit der äußeren Kräfte/Momente vernachlässigbar klein ist, so bedeutet dies,dass der Energiehaushalt nur noch durch die konstante kinetische Energie bestimmt wird.Insbesondere wird die Winkelgeschwindigkeit dann minimal, wenn gerade das reduzierteTrägheitsmoment maximal wird und umgekehrt. Das Verhältnis von maximaler zu minimalerWinkelgeschwindigkeit wird nach Gl. (4.8.1)

min,red

max,red

min

maxJJ

=ωω

(4.8.2)

bzw.

minmin,red

max,redmax J

Jωω = (4.8.3)

Setzt man dies ein in die Gleichung (4.6.4) erhält man für den Ungleichförmigkeitsgrad

min,redmax,red

min,redmax,red

JJ

JJ2

+

−≈δ (4.8.4)

Führt man ein mittleres Massenträgheitsmoment gemäß

2JJ

J min,redmax,redm,red

+= (4.8.5)

sowie die Abweichung ∆J vom Mittelwert nach oben und unten

2JJ

J min,redmax,redred

−=∆ (4.8.6)

ein, kann man das minimale und maximale Trägheitsmoment (der Index „red“ wurde ausSchreibvereinfachungsgründen hier weggelassen) wie folgt schreiben:

∆±=∆±=m

mmminmax/ JJ1JJJJ (4.8.7)

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Wenn man nun Gl. (4.8.7) in (4.8.4) einsetzt und von der Potenzreihenentwicklung

"−±=±2x1x1

und diese für x << 1 nach dem linearen Term abbricht, so erhalten wir schließlich für denUngleichförmigkeitsgrad

m,red

redJ

J∆≈δ (4.8.8)

wobei ∆Jred und Jred,m gemäß Gln.(4.8.5) und (4.8.6) definiert sind und außerdem∆Jred << Jred,m gilt (Reihenentwicklung).

Die Ungleichförmigkeit der Bewegung wird also bestimmt durch die halbeSchwankungsbreite des reduzierten Massenträgheitsmomentes bezogen auf das mittlereTrägheitsmoment.

Darf, um eine bestimmte Laufruhe zu erzielen, ein zulässiger Ungleichförmigkeitsgrad nichtüberschritten werden:

zulδδ ≤ (4.8.9)

so muss das mittlere reduzierte Massenträgheitsmoment erhöht werden. Dies erreicht mandurch Anbringen eines Schwungrades (oder mehrerer Schwungräder) mit genügend großemMassenträgheitsmoment. Ein Schwungrad besitzt die Eigenschaft eines Speichers fürkinetische Energie. Das gesamte erforderliche reduzierte Massenträgheitsmoment ergibt sichdann aus:

zul

redSchwungrad,redm,rederf,m,red

JJJJ

δ∆

≥+= (4.8.10)

4.8.2 Dominanz des Arbeitsterms

Nach Gl.(4.7.7) war

)(E),(W

1)(J)(J)(

0kin

0

red

0red

0 ϕϕϕ

ϕϕ

ωϕω +=

Es wird jetzt der Grenzfall untersucht, dass der Ungleichförmigkeitsgrad im Wesentlichendurch den Arbeitsterm W bestimmt wird und nicht durch die Schwankung des reduziertenMassenträgheitsmomentes. Sind die Schwankungen gering, so wird der erste Wurzelterm inGl. (4.7.7) näherungsweise Eins und die Gleichung reduziert sich auf

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)(E),(W

1)(

0kin

0

0 ϕϕϕ

ωϕω += (4.8.11)

Man erkennt, dass wenn W / Ekin << 1 ist, sich dann auch keine nennenswertenDrehzahlschwankungen einstellen.

Verschiebt man den Anfangspunkt „0“ so, dass wir mit der Winkelgeschwindigkeit diemittlere Winkelgeschwindigkeit treffen: mωω =0 , Quadrieren Gl. (4.8.11) und stellen dasErgebnis nach der W um:

mkinm E

W

,.

21)( =−

ωϕω (4.8.12)

Dabei weisen wir der Maschine bei einer mittleren Winkelgeschwingigkeit undnäherungsweise konstantem Trägheitsmoment )(J)(JJ red0redm,red ϕϕ ≈≈ eine mittlerekinetische Energie zu:

2mm,redm,kin J

21E ω= (4.8.13)

Es ist offensichtlich, dass wir in dem Moment, wo wir das Maximum an Arbeit in das Systemhineingesteckt haben, die maximale Geschwindigkeit erhalten:

m,.kin

max2

m

maxEW1 =−

ωω

(4.8.14a)

Das Entsprechende gilt für das Minimum:

m,.kin

min2

m

minEW1 =−

ωω

(4.8.14b)

Die Differenz aus Gl. (4.8.14a und b) ergibt

m,.kinm,.kin

minmax2m

2min

2max

EW

EWW ∆=

−=

ωωω

Auflösen der linken Seite mit der 3. Binomischen Formel und unter Berücksichtigung, dass( ) 2/minmaxm ωωω +≈ , Gl.(4.6.3) sowie der Definition Gl.(4.6.1), erhalten wir schließlich

für den Ungleichförmigkeitsgrad

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2mm,redm,kin J

WE2

δ ∆=∆= mit minmax WWW −=∆ (4.8.15)

Der Ungleichförmigkeitsgrad hängt jetzt von der Schwankungsbreite der zu/abgeführtenArbeit ab. Man erkennt sofort, dass auch hier zur Reduktion der Drehzahlschwankungen einSchwungrad hilft. Für die Dimensionierung gilt analog zum letzten Unterkapitel:

2mzul

erf,m,redWJωδ

∆≥ (4.8.16)

4.9 Praktische Hinweise zur Anordnung des Schwungrades

• Wird das Schwungrad im schnelllaufenden Teil einer Anlage angebracht, so kann wegender höheren Drehzahlen das Massenträgheitsmoment des Schwungrades zum Erreicheneines bestimmten δ kleiner bleiben.

• Bei hohen Drehzahlen muss das Schwungrad wegen der hohen Zentrifugalkräfte einerFestigkeitsanalyse (zulässige Spannungen) unterzogen werden.

• Sind aufgrund der äußeren Belastung Kraft- oder Momentenstöße zu erwarten, so ist essinnvoll, das Schwungrad vor dem Getriebe anzuordnen, um dieses zu schonen.

• Wird die Anlage instationär betrieben, d.h. wird die Anlage insbesondere ständigangefahren und wieder abgebremst, erhöht sich die Antriebs- und Bremsleistung infolgedes Schwungrades. Damit einher geht ein höherer Energieaufwand, stärkerer Verschleißder Bremseinrichtung, Überhitzung, usw.

4.10 Numerische Lösung der Bewegungsgleichung

Die Bewegungsgleichung der starren Maschine mit einem Freiheitsgrad war

( ) ( ))t,q,q(Q

qE

qq

qJ21qqJ pot2red

red !!!! =∂

∂+

∂∂

+ (4.5.2)

und ist i.A. nichtlinear.

Die meisten Lösungsalgorithmen für gewöhnliche Differentialgleichungen (ODE, ordinarydifferential equations), wie z.B. das Euler-, das Runge-Kutta- oder das Adams-Verfahrenbenötigen eine Darstellung der Form

)t,z(fz =! (4.10.1)

also eine Differentialgleichung 1. Ordnung . In der Dynamik mechanicher Systeme tritt aberwegen der Beschleunigungen die 2. Zeitableitung auf. Die Bewegungsgleichung (4.5.2) mussin eine Gleichung der Form (4.10.1) überführt werden.

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Dies wird folgendermaßen gemacht: Man führt für z ein:

=

=

2

1zz

qq

z!

(4.10.2)

In der allgemeinen Systemdynamik wird z auch als Zustandsvektor bezeichnet. Bei einemmechanischen System, gleich wieviele Freiheitsgrade es besitzt, besteht der Zustandsvektoralso immer aus den Auslenkungen und den Geschwindigkeiten. Anders ausgedrückt: derZustand eines mechanischen System liegt fest durch Angabe von Auslenkungen (Weg oderWinkel) und den Geschwindigkeiten (translat. Geschwindigkeit oderWinkelgeschwindigkeit). Die Beschleunigung folgt bei vorgegebener Auslenkung undGeschwindigkeit aus der Bewegungsgleichung (4.5.2). Sie kommt in Gl.(4.10.1) herein, wennman die Ableitung von Gl.(4.10.2) bildet:

=

=

2

1zz

qq

z!

!

!!

!! (4.10.3)

Setzt man nun in Gl.(4.5.2) anstatt q die Komponenten von z und vergleicht (4.10.2) mit(4.10.3) so erkennt man, dass

21 zz =! (4.10.4a)und

( ) ( ))t,z,z(Q

zE

zz

zJ21zzJ 21

1

pot22

1

1red21red =

∂∂

+∂

∂+! (4.10.4b)

Damit kommen nur noch 1. Zeitableitungen vor. Dies hat allerdings den Preis, dass sich dieOrdnung des Gleichungssystems verdoppelt: aus einer Differentialgleichung (4.5.2) sind zweigeworden (4.10.4a und b). Will man Letztere in die Form (4.10.1) bringen:

( )( )

∂∂

−∂

∂−=

1

pot22

1

1red21

1red

2

2

1

zE

zz

zJ21)t,z,z(Q

zJ1

z

zz!

!(4.10.5)

Für die Lösung des Anfangswertproblems ist noch die Angabe der Anfangslage und derAnfangsgeschwindigkeit notwendig:

===

0

00 q

qz)0t(z

!(4.10.6)

Im Übrigen funktioniert diese Vorgehensweise genauso auch für mechanische Systeme mitmehreren Freiheitsgraden. Dann sind die skalaren Größen q und q! durch entsprechendevektorielle Größen q und q! zu ersetzen.