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Soziologisches Forschungsinstitut an der Universität Göttingen SOFI Anforderungen an alter(n)sgerechte Arbeitspolitik Dr. Martin Kuhlmann Soziologisches Forschungsinstitut (SOFI) an der Universität Göttingen Tagung: Erhalt von Arbeits- und Lebenskraft 18./19. Okt. 2012, Kassel

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Soziologisches Forschungsinstitut an der Universität Göttingen SOFI

Anforderungen analter(n)sgerechte Arbeitspolitik

Dr. Martin KuhlmannSoziologisches Forschungsinstitut (SOFI)

an der Universität Göttingen

Tagung: Erhalt von Arbeits- und Lebenskraft18./19. Okt. 2012, Kassel

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Anforderungen an alter(n)sgerechte Arbeitspolitik

SOFI

Gliederung:

1. Ausgangssituation

2. definitorische Fragen:alter(n)sgerechte Arbeitspolitik?innovative Arbeitspolitik?

3. arbeitssoziologische Befunde:– Arbeitsorientierungen– Prinzipien innovativer Arbeitspolitik

4. Situation in den Betrieben:– Stand der Umsetzung alter(n)sgerechter Arbeitspolitik– Akteure und Akteurskonstellationen

5. Anforderungen an die Interessenvertretung

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Anforderungen an alter(n)sgerechte Arbeitspolitik

SOFI

Was meint alter(n)sgerechte Arbeitspolitik?

altersgerechte Arbeitspolitik =

Gestaltungslösungen, die ältere Beschäftigte in der Ausübung ihrer Arbeitstätigkeit unterstützen und ihnen im Alter einen längeren Verbleib im Erwerbsleben ermöglichen.

alternsgerechte Arbeitspolitik =

Gestaltungslösungen, die Beschäftigte unabhängig vom Alter in der Ausübung ihrer Arbeitstätigkeit unterstützen und es ihnen ermöglichen, in der Arbeit gesund und leistungsfähig zu altern.

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Anforderungen an alter(n)sgerechte Arbeitspolitik

SOFI

Innovative Arbeitspolitik: Was ist damit gemeint?

(1) Innovative Arbeitspolitik als „Suchbegriff“,d.h. kein fest umrissenes, normativ vorab formuliertes Modell

(2) Grundidee ist doppelte Zielsetzung („mutual gains“):

Suche nach Organisationsformen und Gestaltungslösungen, dieerhöhte Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit kombinieren mitverbesserten Arbeitssituationen und Kooperationsstrukturen sowie einerstärkeren Entwicklung und Nutzung von Kompetenzen der Beschäftigten.

Wirtschaftlichkeits-/Wettbewerbsvorteile durch eine bessere Entfaltung undNutzung der Arbeitsfähigkeit(en) der Beschäftigten (Können / Wollen / Dürfen)

(3) Inwieweit innovative Arbeitspolitik möglich ist, wie sie auszugestalten ist undwelche Zukunftschancen sie als Konzept hat, ist eine empirische Frage.

(4) Im Mittelpunkt der eigenen Untersuchungen stehen beobachtbare Wirkungen sowie Voraussetzungen und Rahmenbedingungen- nicht formulierte Ziele, Leitbilder.

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Anforderungen an alter(n)sgerechte Arbeitspolitik

SOFI

arbeitssoziologische Befunde

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Anforderungen an alter(n)sgerechte Arbeitspolitik

SOFI

Arbeitsorientierungen aus arbeitssoziologischer Sicht Bei den Arbeitsorientierungen von Beschäftigten spielt der doppelte Bezug auf

Arbeit (Schumann et al. 1982) nach wie vor eine zentrale Rolle.

Beschäftigte beziehen sich demnach stets in doppelter Weise auf Arbeit:

aus einer Arbeitskraftperspektive (als Lohnarbeiter)Erhalt und Reproduktion der Arbeitskraft; kalkulierend, optimierend

aus einer Subjektperspektive (sich als Person erfahren/entfalten)(persönliche / soziale) Identitätsbildung und -bewährung; (soziale) Anerkennung

Das konkrete Mischungsverhältnis bei der Bezugnahme auf diese beiden Perspektiven kann variieren.

aus der Angestelltenforschung: Beitragsorientierung, d.h. der Wunsch, einen sichtbaren, betrieblich anerkannten Beitrag zum Unternehmen zu leisten.

Der Stellenwert von „Lebensorientierungen“ für die Arbeit ist bisher ungeklärt.aber: (arbeits-)biografisch verankerte Orientierungen sind relevant

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Anforderungen an alter(n)sgerechte Arbeitspolitik

SOFI

Handlungsfelder innovativer Arbeitspolitik

Arbeits-organisation

erweiterte Gruppenarbeit (Gruppenselbstorganisation, Aufgaben-/Funktionsintegration), flex. Standardisierung vs.rigide Standardisierung, forcierte Arbeitsteilung/Hierarchie

Prozess-optimierung

aktive Einbindung der Beschäftigten bei Planungen und Prozessoptimierung vs. expertenbasierte, selektive, prozessfern-zentralisierte Vorgehensweisen

Betriebs-organisation

prozessorientierte Dezentralisierung, Dehierarchisierungvs. zentralistisch, bürokratisch, Funktionalorganisation

betriebliche Führung

erweiterter Kompetenzzuschnitt der ersten Führungsebene, Dehierarchisierung, entwicklungsorientierte Führung vs.Hierarchisierung, steuerungsorientierte Führung

Koordinations- und Steuerungsformen

prozessorientierte, vereinbarungsbasierte Steuerungs- und Koordinationsformen vs. vorgabeorientierte, top-down Steuerungssysteme vs. „Vermarktlichung“

Entgeltsysteme/Leistungspolitik

breites Set (und Mix) unterschiedlicher Entgeltbestandteile; Leistungspolitik: tayloristisch/bürokratisch vs. marktbasiert vs. integrativ, vereinbarungsbasiert, reguliert;allgemein: Kohärenz variiert erheblich

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Anforderungen an alter(n)sgerechte Arbeitspolitik

SOFI

Handlungsfelder innovativer Arbeitspolitik

Arbeits-organisation

erweiterte Gruppenarbeit (Gruppenselbstorganisation, Aufgaben-/Funktionsintegration), flex. Standardisierung vs.rigide Standardisierung, forcierte Arbeitsteilung/Hierarchie

Prozess-optimierung

aktive Einbindung der Beschäftigten bei Planungen und Prozessoptimierung vs. expertenbasierte, selektive, prozessfern-zentralisierte Vorgehensweisen

Betriebs-organisation

prozessorientierte Dezentralisierung, Dehierarchisierungvs. zentralistisch, bürokratisch, Funktionalorganisation

betriebliche Führung

erweiterter Kompetenzzuschnitt der ersten Führungsebene, Dehierarchisierung, entwicklungsorientierte Führung vs.Hierarchisierung, steuerungsorientierte Führung

Koordinations- und Steuerungsformen

prozessorientierte, vereinbarungsbasierte Steuerungs- und Koordinationsformen vs. vorgabeorientierte, top-down Steuerungssysteme vs. „Vermarktlichung“

Entgeltsysteme/Leistungspolitik

breites Set (und Mix) unterschiedlicher Entgeltbestandteile; Leistungspolitik: tayloristisch/bürokratisch vs. marktbasiert vs. integrativ, vereinbarungsbasiert, reguliert;allgemein: Kohärenz variiert erheblich

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Anforderungen an alter(n)sgerechte Arbeitspolitik

SOFI

Veränderungen der Arbeitssituation durch GruppenarbeitFrage: "Alles in allem: Hat sich Ihre Arbeitssituation durch Gruppenarbeit eher verbessertoder eher verschlechtert?"

Niveau: Aufg.integr./Selbstorg.

hoch/hoch

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gering/mittelmittel/mittel

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verbessert unverändert verschlechtert

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Anforderungen an alter(n)sgerechte Arbeitspolitik

SOFI

Veränderungen der Arbeitssituation durch GruppenarbeitFrage: "Alles in allem: Hat sich Ihre Arbeitssituation durch Gruppenarbeit eher verbessertoder eher verschlechtert?"

Niveau: Aufg.integr./Selbstorg.

hoch/hoch

hoch/hoch

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mittel/mittel

gering/mittelmittel/mittel

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DNC

A5

MO4.2

APK

HAM

MPF.2

SPR

ZK.2

Me5

BS

TRA

DRE

MBx1

MBd4

FRÄ

MBd2

verbessert unverändert verschlechtert

RM.2

PL.2

KG.2

GLW

MHSP

FM.2

MO4.1

Niv. AufgabenintegrationNiv. Selbstorganisation

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Anforderungen an alter(n)sgerechte Arbeitspolitik

SOFI

Zusammenhang zwischen Umsetzungsniveau der Arbeitsorganisation und Bewertung der Arbeitssituation

je höher das Niveau der Aufgabenintegration und der Gruppenselbstorganisation, umso positiver die Beurteilung der Arbeitssituation

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Anforderungen an alter(n)sgerechte Arbeitspolitik

SOFI

Zusammenhang zwischen Umsetzungsniveau der Arbeitsorganisation und Bewertung der Arbeitssituation

technisierte Bereiche

manuelle Bereiche

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Anforderungen an alter(n)sgerechte Arbeitspolitik

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Leistungssituation, Belastungen bei Gruppenarbeit

Leistungsanforderungen verglichen mit früher

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Angaben in %

höher gleich niedriger verbessert gleich verschlechtert

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erweitert

niedrig* n=137

begrenzt* n=600

hoch

niedrig

begrenzt

erweitert* n=497

hoch* n=285

Arbeitsbelastungen insgesamt

Möglichkeiten, sich die Arbeit selbst einzuteilen Möglichkeiten, auf Dauer mit den Belastungen fertig zu werden

* Niveau Gruppenarbeit

erweitert

hoch

niedrig

begrenzt

erweitert

hoch

niedrig

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verbessert gleich verschlechtertverbessert gleich verschlechtert

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Anforderungen an alter(n)sgerechte Arbeitspolitik

SOFI

Prinzipien innovativer Arbeitspolitik

Arbeits-organisation

erweiterte Gruppenarbeit (Gruppenselbstorganisation, Aufgaben-/Funktionsintegration), flex. Standardisierung vs.rigide Standardisierung, forcierte Arbeitsteilung/Hierarchie

Prozess-optimierung

aktive Einbindung der Beschäftigten bei Planungen und Prozessoptimierung vs. expertenbasierte, selektive, prozessfern-zentralisierte Vorgehensweisen

Betriebs-organisation

prozessorientierte Dezentralisierung, Dehierarchisierungvs. zentralistisch, bürokratisch, Funktionalorganisation

betriebliche Führung

erweiterter Kompetenzzuschnitt der ersten Führungsebene, Dehierarchisierung, entwicklungsorientierte Führung vs.Hierarchisierung, steuerungsorientierte Führung

Koordinations- und Steuerungsformen

prozessorientierte, vereinbarungsbasierte Steuerungs- und Koordinationsformen vs. vorgabeorientierte, top-down Steuerungssysteme vs. „Vermarktlichung“

Entgeltsysteme/Leistungspolitik

breites Set (und Mix) unterschiedlicher Entgeltbestandteile; Leistungspolitik: tayloristisch/bürokratisch vs. marktbasiert vs. integrativ, vereinbarungsbasiert, reguliert;allgemein: Kohärenz variiert erheblich

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Anforderungen an alter(n)sgerechte Arbeitspolitik

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alter(n)sgerechte Arbeitspolitik: Situation in den Betrieben

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Anforderungen an alter(n)sgerechte Arbeitspolitik

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Situation in den Betrieben

(1) Stand der Umsetzung alter(n)sgerechter Arbeitspolitik: Arbeitsorganisationsthemen haben meist (noch) einen vergleichsweise geringen Stellenwert.

(2) In den Branchen finden sich in relevantem Umfang jeweils besondere Problemlagen und Ausgangssituationen.

(3) Die Betriebe zeichnen sich vielfach durch je spezifische Problemlagen aus.

(4) Problemlagen einer alter(n)sgerechten Arbeitspolitik haben einen starken Tätigkeitsbezug.

(5) Die jeweiligen Akteurskonstellationen in den Betrieben/Unternehmen spielen eine große Rolle.

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Anforderungen an alter(n)sgerechte Arbeitspolitik

SOFI

Stand der Umsetzung alter(n)sgerechter Arbeitspolitik (1)

Altersstrukturen (auch: Altersstrukturanalysen) werden zunehmend zum Thema;sie haben vielfach jedoch noch keinen strategischen Stellenwert.Der demografische Wandel gilt vielfach noch als Thema „für die Zukunft“, von dem aktuell noch wenig Handlungsimpulse ausgehen.(Achtung: geburtenstarke Kohorten erreichen gerade erst das Fenster 55+)

Das Thema „demografischer Wandel“ hat sich auf der Diskursebene (= worüber geredet wird) fest im Selbstverständnis moderner Personalarbeit verankert.Durchschlagende Wirkungen erzielt dies bisher aber allenfalls dort, wo der Personalbereich eine starke, eigenständige Stellung besitzt und/oder wo es zu Allianzen mit anderen relevanten Akteuren kommt.

Wirkungen der Alter(n)sthematik zeigen sich breitflächig bisher nur in den Bereichen Vorruhestandsregelungen, Gesundheitsförderung und (zunehmend) Nachfolgeplanung/Rekrutierung.

Bei den Themenfeldern Arbeitsorganisation und Arbeitsgestaltung/Ergonomie stehen Kriterien einer alter(n)sgerechten Arbeitspolitik nach wie vor in Konkurrenz zu anderen Gestaltungsprinzipien (z.B. Wertstromoptimierung).

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Anforderungen an alter(n)sgerechte Arbeitspolitik

SOFI

Stand der Umsetzung alter(n)sgerechter Arbeitspolitik (2)

Die Themenfelder Arbeitssicherheit/Arbeitsschutz sind zwar einflussreich und stark institutionalisiert, haben das Thema „Alter(n)“ aber noch zu wenig im Fokus.Beim Thema Ergonomie finden sich (gerade in Problembrennpunkten) vielfach jedoch Initiativen, dieses Themenfeld aufzuwerten und zu systematisieren.

Alter(n)sprobleme sind dort weniger stark ausgeprägt, wo in höherem Maße Elemente einer innovativen Arbeitspolitik wirken.

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Anforderungen an alter(n)sgerechte Arbeitspolitik

SOFI

Situation in den Betrieben

(1) Stand der Umsetzung alter(n)sgerechter Arbeitspolitik: Arbeitsorganisationsthemen haben meist (noch) einen vergleichsweise geringen Stellenwert.

(2) In den Branchen finden sich in relevantem Umfang jeweils besondere Problemlagen und Ausgangssituationen.

(3) Die Betriebe zeichnen sich vielfach durch je spezifische Problemlagen aus.

(4) Problemlagen einer alter(n)sgerechten Arbeitspolitik haben einen starken Tätigkeitsbezug.

(5) Die jeweiligen Akteurskonstellationen in den Betrieben/Unternehmen spielen eine große Rolle.

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Anforderungen an alter(n)sgerechte Arbeitspolitik

SOFI

betriebliche Akteure und Akteurskonstellationen

unterschiedliche Handlungsorientierungen im Management:

(eher) Kurzfrist-Orientierung im Linienmanagement (Tagesgeschäft), …aber teilw. sehr problembewusst beim Thema alter(n)sgerechte Arbeitsgestaltung

(eher) Langfrist-Orientierung im Personalmanagement – qua Funktion

Umsetzung alter(n)sgerechter Arbeitspolitiken in hohem Maße abhängig von langfristigen Orientierungen

Erwartung: zentrale Rolle des Personalmanagements (Demografie als „Megatrend“)Realität: Umsetzung ist abhängig von Stellenwert und Strukturen der HR-Bereiche;

typisch ist eine Beschränkung auf gängige Personalerthemen;bei arbeitspolitischen Themen eher schwach;andere Akteurskonstellationen sind vielfach durch-/umsetzungskräftiger

Betriebliche Interessenvertretungen eher selten proaktiv gestaltend, aber …… aktive Betriebsräte können als Treiber in betrieblichen Akteurskonstellationen einen erheblichen Einfluss haben (insb. im Bündnis mit Linienmanagement).

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Anforderungen an alter(n)sgerechte Arbeitspolitik

SOFI

Anforderungen an die betriebliche Interessenvertretung

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Anforderungen an alter(n)sgerechte Arbeitspolitik

SOFI

Alters- und Alternsprobleme spielen im Tagesgeschäft der betrieblichen Interessen-vertretung durchaus eine erhebliche Rolle, …

… dennoch haben die Themenfelder „Demografie“ und „alter(n)sgerechte Arbeits-politik“ in der Arbeit der betrieblichen Interessenvertretungen bisher nur selten eine eigenständige Priorität:

In Arbeitsformen der betriebl. Interessenvertretung (Ausschüsse, Projekte) sind die Themen bisher eher schwach institutionalisiert.

Systematische Arbeit an Demografie-/Alter(n)sthemen findet sich am ehestenbei der Begleitung von HR-Projekten.

Große Unterschiede bestehen in der Frage, inwieweit Arbeitsorganisationsthemen ein Politikfeld für Betriebsräte und Gegenstand von (pro-)aktiven Initiativen sind.( Gefälle zwischen Automobilbranche, Maschinenbau und Chemie/Pharma)

Orientierungen der betrieblichen Interessenvertretung

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Anforderungen an alter(n)sgerechte Arbeitspolitik

SOFI

Anforderungen an die betriebliche Interessenvertretung

Erprobung / offensive Nutzung von Beteiligung forcieren (z.B. Ergonomie-KVP)– beteiligungsbasierte/prozessnahe Optimierungskonzepte ausbauen

steigende Bedeutung zielgruppenspezifischer Politiken und Arbeitsweisen

Akteurskonstellationen im Management spielen eine wichtige Rolle

Stellenwert neuer Arbeitsformen der betriebl. Interessenvertretung noch unklar (Projektarbeit, „Experten der Praxis“, beteiligungsbasierte Interessenvertretung)– Verbreitung bisher noch begrenzt

Bsp. TV-Chemie zeigt, dass eine systematisierende Wirkung möglich ist und zumindest die Option einer proaktiven betriebsnahen Arbeitspolitik eröffnet

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Anforderungen an alter(n)sgerechte Arbeitspolitik

SOFI

strategische Orientierungen / Rollenverständnis

gegenüber dem Management bei der betriebl. Durchsetzung innovativer Arbeitspolitik:

„Boxing und Dancing“

– Konfliktfähigkeit/-bereitschaft und enge Kooperation / gemeinsame Projektarbeit

im Themenfeld Leistungspolitik:

„Halten und Entfalten“

– Leistung entfalten durch innovative Arbeitspolitik und zugleich „Haltegriffe“ bietendurch Mindeststandards und regulierte Leistungsbedingungen

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Anforderungen an alter(n)sgerechte Arbeitspolitik

SOFI

„Halten und Entfalten“: zentrale Themen und Ansatzpunkte

„Halten“ „Entfalten“

Standards der Arbeits(platz)gestaltung(z.B. Mindesttaktzeiten)

innovative Arbeitspolitik(Aufgaben-/Funktionsintegration, Planungs-beteiligung, Gruppenselbstorganisation, hierarchie-/funktionsübergreifende Kooperation)

ergonomische Mindestbedingungen prozessorientierte Gefährdungsbeurteilung mit systematischen KVP-Prozessen

methodische Leistungsbemessung (kennzahlenbasiert, Bezug: Normalleistung)

Zielvereinbarungenbeschäftigtengetragene Prozessoptimierung

regulierte ArbeitszeitenPausenzeiten

dezentrale, beschäftigtenorientierte Arbeitszeitflexibilisierung

gesicherte Anlernzeiten (Qualifizierung) erweiterte Qualifizierungsmöglichkeiten(Integration von Arbeiten und Lernen)

Obergrenzen für ungesicherte Beschäftigungsverhältnisse(insb. Befristungen, Leih-/Zeitarbeit)

Beteiligungszeiten und -rechte